Jüdischer Kulturpfad in Wielkopolska

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Synagoge in Buk, Foto: Z. Schmidt

Nadelöhr in Kórnik, Foto: Z. Schmidt

Jüdischer Kulturpfad in Wielkopolska WARSZAWA

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In einem seiner Interviews hat Szewach Weiss gesagt, dass „erst die dritte Generation beginnt, nach ihren Wurzeln zu suchen und nachzufragen, wo unsere Nachbarn sind”. An diese Worte habe ich mich erinnert, als ich versucht habe, die Spuren, die unsere jüdischen Mitbürger in der Region Wielkopolska hin� terlassen haben, zu Reiserouten zusammenzufügen. Dass innerhalb der letzten zehn bis fünfzehn Jahre viele dieser Spuren wiedergefunden und ins Gedächtnis ge� rufen worden sind, ist oft Personen zu verdanken, die sich auf lokaler Ebene für das Gemeinwohl engagieren. Man kann sagen, dass eine große Entde� ckung der gemeinsamen Geschichte im Gange ist. Schließlich lebten Juden mit Polen in Wielkopolska über 800 Jahre lang zusammen. Sie siedelten sich wahr� scheinlich im späten 12. oder frühen 13. Jahrhundert hier an. In Kalisz (dt. Kalisch) hatte bereits im Jahr 1264 Bolesław V. das berühmte Statut von Kalisch veröffent� licht, das die rechtlichen Verhältnisse der dortigen jü� dischen Gemeinde beschreibt und dessen Geltung von Kasimir III. auf den ganzen Staat ausgedehnt wurde. Das Statut stellte die Juden unter den Schutz des Herr� schers und gewährleistete ihnen persönliche Sicherheit,

Selbstverwaltung und freien Handel. Die damals ver� fassten Vorschriften galten in fast unveränderter Form bis zur Zeit der Teilungen Polens. Im 19. Jahrhundert assimilierten sich die Juden im preußischen Teilungs� gebiet rasch (anders verhielt es sich in der Region ����� Wiel� kopolska, die zum russischen Machtbereich gehörte), besonders weil ihnen preußische Verordnungen eine Annäherung an die bürgerliche deutsche Mittelschicht erleichterten. Es verwundert daher nicht, dass nach der Wiedererlangung der polnischen Unabhängigkeit im Jahr 1918 viele von ihnen nach Deutschland gezo� gen sind. Es gab Ortschaften, in denen sich schon da� mals die Synagogen leerten und es niemanden mehr gab, der sich um die Friedhöfe sorgte. Aber weiterhin lebten zahlreiche jüdische Gemeinden im ehemaligen russischen Teilungsgebiet, so in Kalisz, in Konin und in Koło. Sie alle wurden Opfer der Massenvernichtung. Jetzt bringen wir sie mühsam wieder in Er� innerung, sowohl diejenigen, die vor über einem hal� ben Jahrhundert getötet wurden, als auch diejenigen, die den Holocaust überlebt haben. Wir gedenken aber auch der Menschen, die in dieser Region während der vorherigen Jahrhunderte unsere Nachbarn waren.

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