Die Wirtschaft Woche 43 und 44 am 27. Oktober 2017

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Woche 43-44 · 27. Oktober 2017

6 · Bildungsforum 2017 · Die Wirtschaft

„Man braucht dazu eben immer mal wieder den Blick von außen“ Angelika Knies ist mit Leib und Seele Schulleiterin an der Anne-Frank-Schule aus Bargt gteheide (SchleswigHolstein). 2013 nahm sie von Bundeskanzlerin Merkel den Deutschen Schulpreis entgegen. Am 7. November referiert Knies beim 3. Vorarlberger Bildungsforum. „Die Wirtschaft“ hat vorab mir ihr gesprochen.

Foto: Maurizio Gambarini/EPa

werden, ihre Selbstwirksamkeit er­ kennen, die sind auch nicht so gestresst. Stress entsteht bei uns eher durch persönliche, oft familiär gte Probleme, und daf afür ha­ bedingt ben wir An Ansprechpartn tner oder ver­ mitteln sie. Eltern sind man anchmal verunsichert, selten unzufrieden. Da helfen Gespräche weiter.

V H M Frau Knies, 2013 hat ihre Schule den Deutschen Schulpreis gewonnen. Was macht eine gute Schule aus? Eine gute Schule zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich aan n ihren Schüler/innen orientiert, aan n deren Stärken aan nsetz tzt und mit ihnen auf Augenhöhe arbeitet. Sie befäh ähigt gt sie möglichst zu selbstwirksamem Lernen und sorgt gt daf afür, dass sie die jeweils persönlich höchstmöglichen Abschlüsse erreichen. Es herrscht in ihr ein Schulklima, in dem sich alle als Person wah ahrgenommen und dadurch wohl fühlen. Seit damals hat sich sicher einiges verändert rt... Die Auszeichnung hat dazu geführt rt, dass die Motivation im Kollegium noch weiter gestiegen ist. Vielen ist erst durch den Preis klar ge­ worden, dass das, was sie täglich erleben, nicht der Normalfall ist, sondern dass die Schule schon auf einem besonderen Level arbeitet. Man an braucht dazu eben immer mal wieder den Blick von außen. Wir sind nicht stehengeblieben. Wir haben den Bereich selbstwirksamen ahrgan ang aus­ Lernens bis in den 11. Jah gedehnt. Und wir haben ­ genehmigt gt als Schulversuch ­ die Berichts­ und Kompetenzzeugn gnisse 5­7, durch Portf tfolios und Portf tfoliogespräche mit abschließenden Lernvereinba­ rungen ersetz tzt. Dieser Schulversuch wird wissenschaft aftlich begleitet; das Ergebnis erhalten wir bis zum Jah ah­ resende. Der Zwischenbericht vom Sommer sah ah schon sehr g gu ut aus.

Angelika knies (li.) mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Die Schule hat sich angeblich mit dem Preisgeld einen Traum erfüllt. Wir haben einen Acker in einem Nachbarort gepachtet, den wir mit dem 7. Jah ahrgan ang bewirtschaften. Und zwar nach den Vorstellungen der Schüler/innen und mit mög­ lichst viel Eigenstän ändigkeit ­ nach dem Motto: „Raus aus der Schule ­ rein ins echte Leben“. Der neuseeländische Pädagoge John Hattie hält die Lehrkraft für den entscheidendsten aller Fak aktoren. Was ist für Sie die ideale Lehrp rperson? Eine ideale Lehrkraft aft ist jeman and, der Freude daran an hat, Kindern bei ihrer Entwicklung zu helfen, der den Schüler/die Schülerin dort abholt, aft muss wo er/sie steht. Die Lehrkraft eine optimistische Grundeinstel­ lung haben und sich für die ihr aan n­ vertrauten Schüler/innen und deren Werdegan ang veran antwort rtlich fühlen. Und sie muss auch Freude aan n ihren Fächern haben und das Interesse daf afür wecken können. Vor allem: Sie muss erkennen, dass Bildung und Wissensvermittlung nur möglich sind, wenn die Beziehung zwischen aft und Schüler/in stimmt. Lehrkraft Das ist die Basis unserer Arbeit. Und wie finden Sie diese Lehrkräfte? Eigentlich überall. Viele wäh ählen die­ sen Beruf, weil sie damit genau das

oben Beschriebene bewirken wol­ len. Wir haben ganz viele „Otto­ Normalverbraucher­Lehrkräfte“, die motiviert sind, sich persönlich immer weiter zu entwickeln, weil sie einen Sinn in ihrer Arbeit se­ hen. Und die sich gegenseitig bei der Weiterentwicklung helfen. Sie begreifen Heterogenität als Chance und nehmen Lernschwache wie Hochbegabte in ihrer Schule gleichermaßen mit. Wie gelingt gt dieser Spagat? Der Spagat ist eigentlich gar kein Spagat: Alle Menschen sind beson­ ders. Man an muss sie als Individuen sehen. Differenzierung darf man an nicht mit der Erstellung von Arbeits­ blättern auf x Niveaus verw rwechseln. Wichtig sind offene, fordernde Auf­ gabenstellungen, die sich möglichst selbst differenzieren. Und die Erzie­ hung zu Selbstwirksamkeit. Dan ann gelingt gt das g gu ut. Ü Üb berlastete Pädagogen, gestresste Schüler und unzufriedene Eltern. Wie begegnen Sie diesem Umstand? Wer einen Sinn in seiner Arbeit sieht, der ist nicht überlastet, auch wenn er viel arbeitet. Und das tun die Lehrkräfte bei uns zweifelsohne. Schüler/innen, die in der Schule als Individuen ernst genommen werden, nicht sitz tzenbleiben können, nicht abgeschult oder beschämt

In der Schule geht es um viel mehr als um die reine Vermittlung von Wissen. Was konkret sollte an diesem Ort passieren? Natürlich vermitteln wir Wissen ­ oder besser: Wir vermitteln, wie man an sich Wissen beschaff afft, das man an braucht, um ein Problem zu lösen ­ möglichsteines,dasman an auchselbst lösen will. Ü Üb ber die Frage, Selbst­ wirksamkeit zu erlernen, habe ich oben schon gesprochen. Das ist die beste Voraussetz tzung für lebenslan an­ ges Lernen. Menschen sind neugie­ rige Lebewesen, und diesen Zustan and sollte man an erhalten. Und: Natürlich ist Schule auch ein Ort, an an dem man an demokratisches Verhalten und Veran antwortungsübernah ahme für die Gesellschaft aft und die Umwelt einübt, indem man an seine kulturellen Inter­ essenausbaut.Wirlernenjawirklich nicht für die Schule, sondern sie bereitet uns auf das Leben vor. Wie stehen Sie zu einem Ganztagsangebot von Schulen? Wir sind eine gebundene Gan anztags­ schule und haben uns bereits bei unserer Gründung 1990 trotz tz vieler damals noch artikulierter Wider­ stän ände dazu entschieden. Wir fän änden es gu gut, wenn sich die Gan anztagsschu­ le endlich als Normalfall durchset­ zen würde ­ nicht die offene Form, die mehr eine Mogelpackung ist, sondern die gebundene ­, weil man an damit die Wirksamkeit von Schule deutlich erhöhen kan ann, bessere Rhyth thmisierungen vornehmen und Lernen und Leben besser verzah ahnen kan ann. Leider fehlt es immer noch aan n vielem: aan n ausreichenden Lehrer­ zuweisungen, an an Lehrerarbeitsplät­ zen, aan n aan ngemessenen räumlichen Strukturen. Aber so lan angsam ent­ wickelt es sich. Zumindest die Ak Ak­ zeptan anz ist heute eine gan anz aan ndere als 1990. n


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