Wirtschaftszeitung

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Ausgabe 12; Mai 2012

Interview

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„Krisen haben heilende Wirkung für Finanzmärkte“ Im Interview mit der Wirtschaftszeitung erklärt Alexander Krüger, Chefvolkswirt des Bankhaus Lampe, mit welcher Anlagestrategie die Bank durch die Krise gekommen ist und warum Krisen aus volkswirtschaftlicher Sicht auch positive Aspekte haben. WZ: Wie ist das Bankhaus Lampe durch die Krise gekommen? Auf welche Anlagestrategie haben Sie gesetzt? Alexander Krüger: Unsere Anlagestrategie ist grundsätzlich eher konservativ ausgerichtet. Den Investments liegen immer fundamentale Bewertungen zugrunde. Selbst bei auf den ersten Blick sicher erscheinenden Staatsanleihen ist uns dies wichtig. Auf Subprimes haben wir nicht gesetzt, da für uns nicht ersichtlich war, was dahinter steht. Grundsätzlich gilt: Wenn wir bei Anlagen höhere oder unkalkulierbare Risiken sehen, lassen wir die Finger davon. Das kostet hier und da zwar Renditepunkte, aber unsere Kunden schätzen es, mit einem ruhigen Gefühl durch so eine Krise zu kommen. WZ: An welchen Parametern machen Sie Ihre Bewertungen fest? Alexander Krüger: Unsere Herangehensweise ist vielschichtig. In sie fließen zum Beispiel das Wirtschaftswachstum und die politischen Gegebenheiten eines Landes, aber auch die Entwicklung der Bevölkerung ein. Und natürlich gucken wir uns die Staatshaushalte an. Das Problem der Länder ist ja nicht, dass sie Schulden haben. Schulden sind normal, sie müssen nur tragfä-

hig sein. Das ist es, was in manchen Ländern aus dem Ruder gelaufen ist. Spanien hat mit 70 Prozent des BIP zum Beispiel eine geringere Staatsverschuldung als Deutschland mit 82 Prozent. Dennoch ist Spanien unter Druck, da die Schulden in kurzer Zeit stark gestiegen sind. Belastend kommt hinzu, dass die spanische Wirtschaft stark schrumpft und die Arbeitslosigkeit kräftig steigt. Bei der Bewertung der Schuldentragfähigkeit kommt man daher im Vergleich zu Deutschland zu einem anderen Ergebnis.

den Jahren des Wirtschaftswunders. Diese Zeiten sind aber vorbei. Wir können uns nicht mehr alles leisten, gerade auch mit Blick auf die Demografie. Leider will das niemand hören.

WZ: Kann man dann überhaupt noch deutsche Staatsanleihen kaufen? Alexander Krüger: Wer den niedrigen Realzins akzeptiert, kann natürlich deutsche Staatsanleihen kaufen. Der sichere Hafen Deutschland wird uns erst einmal erhalten bleiben. Die Frage wird aber sein, ob das Vertrauen auch langfristig WZ: Deutschland wird ja bleibt, und mit welchem ganz gern als der Streber Zinssatz das einhergehen innerhalb der Finanz- und wird. Währungsunion dargestellt. Zu Recht? WZ: Ist der Kurs, den EuAlexander Krüger: Ich stel- ropa zur Bekämpfung der le fest, dass immer genauer Krise eingeschlagen hat, auch auf Deutschland ge- der Richtige? schaut wird. Wir haben es Alexander Krüger: Ich glauzum Beispiel im letzten Jahr be, es gibt nicht nur den eitrotz guter Wirtschaftsleis- nen richtigen Weg zur Lötung nicht geschafft, einen sung der Schuldenkrise. Gut ausgeglichenen Haushalt ist, dass Europa davon abvorzulegen und hatten eine gewichen ist, ständig Geld nennenswerte Netto-Neu- auszuschütten, und stattdesverschuldung. In Deutsch- sen angefangen hat, Banken land sind in Zukunft noch mit neuem Kapital auszueine Menge Hausaufgaben statten. Die Rettungsschirme zu erledigen. Um zu sparen, sind zudem gestärkt worden braucht es konkrete Schrit- und vor allem ist endlich ein te, richtige Programme, die Schuldenschnitt für Grieweiterhelfen. Im Moment chenland gemacht worden, dümpelt dieses Thema vor auch wenn er zu klein war. sich hin, vor allem wegen Das große Problem bleibt der Bundestagswahlen 2013. jedoch, dass es keine FisPolitiker haben vor diesem kalunion gibt. Stattdessen Hintergrund wenig Inter- besteht die nationale fiskalesse, deutlich zu sagen: ‚Es politische Entscheidungshosind ernsthafte Einschnitte heit. Was mir fehlt ist, dass notwendig‘. Nehmen Sie Hilfsgelder noch stärker an zum Beispiel die aktuelle konkrete Bedingungen geDiskussion um die Pendler- knüpft sind und deren Einpauschale: Statt sie aufgrund haltung auch konsequent ihrer Fehlanreize endlich ab- eingefordert werden kann. zuschaffen, wird überlegt, Hierfür müssten zwar natisie aufzustocken. Was wir in onale Verfassungen und Euunserem Land heute zudem ropaverträge geändert werals soziale Errungenschaf- den. Die Bereitschaft dazu ten ansehen, hat seinen Ur- wird bis auf Weiteres aber sprung häufig in den 1960er nicht gegeben sein. und 1970er Jahren, also in

Alexander Krüger

Dr. Alexander Krüger arbeitet seit 2008 als Volkswirt für das Bankhaus Lampe. Zunächst verantwortet er in Düsseldorf das volkswirtschaftliche Research. Seit Mitte 2011 ist er Chefvolkswirt des Bankhauses. Vor seiner Karriere im Bankhaus Lampe war Krüger von 2000 bis 2007 bei der WestLB AG.

WZ: Gibt es denn überhaupt noch Länder, wo man sagen kann, da kann man getrost noch Staatsanleihen kaufen? Alexander Krüger: Seit der Lehman-Insolvenz habe ich mir abgewöhnt zu sagen: Das ist sicher, da braucht man sich keine Sorgen zu machen. Das ist gleichzeitig auch das Schöne an dieser Krise: Das Risikobewusstsein der Anleger ist stark gestiegen und Risiken werden auch wieder gepreist. Wer das beherzigt, darf je nach Risikoneigung Staatsanleihen kaufen.

volkswirtschaftlicher Sicht ist das sehr heilsam. Wenn etwas, wie zum Beispiel griechische Anleihen, hohe Zinsen bringt, ist das auch mit mehr Risiko behaftet. Vor der Staatsschuldenkrise ist dieser Zusammenhang doch weitestgehend ausgeblendet worden. Ich finde es gut, dass hierauf wieder geachtet wird. Es gibt keine heile Welt, alles hat seinen Preis.

WZ: Gibt es denn Licht am Ende des Schulden-Tunnels? Alexander Krüger: Ja insoWZ: Sie finden es also gut, fern, als die EZB eingegriffen wenn es ab und an knallt? hat. Die EZB hat sich in der Alexander Krüger: Aus Krise gut verhalten, indem

Bankhaus Lampe

Subprimes

Das Bankhaus Lampe zählt zu den führenden und wenigen unabhängigen, inhabergeführten Privatbanken in Deutschland. 1852 gegründet, befindet sich das Traditionshaus heute vollständig im Besitz der Familie Oetker. Die geschäftlichen Aktivitäten konzentrieren sich auf die umfassende Betreuung von vermögenden Privatkunden, mittelständischen Firmenkunden und institutionellen Anlegern. Neben dem Bielefelder Stammsitz bestehen Niederlassungen und Standorte in Bremen, Berlin, Bonn, Düsseldorf, Dresden, Frankfurt, Hamburg, München, Münster, Osnabrück, Stuttgart, London sowie in Wien.

Subprime bedeutet „zweitklassig“. Auf den Finanzmärkten bezeichnet der Begriff einerseits den Teil des Hypothekendarlehensmarktes, auf dem Kreditnehmer mit schmalem Geldbeutel hoch verzinste Hypotheken zum Hauskauf bekamen. Andererseits meint Subprimes auch den Markt auf dem verbriefte Pakete solcher Hypothekarkredite gehandelt werden - oft zwischen Banken und international. Als die überschuldeten Hausbesitzer ihre Kredite nicht mehr bezahlen konnten, platzte in den USA die Immobilienblase und löste die weltweite Finanzkrise aus.

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sie das System erst einmal hat fiebern lassen, um die Staaten zu Zugeständnissen zu bewegen. Mit ihrer im Dezember begonnenen Liquiditätsflutung nimmt die EZB den Marktteilnehmern nun die Systemangst, die alle gelähmt hat. Zudem haben alle Staaten begriffen, dass die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen sind. Und die Politik hat verstanden, dass man Länder nicht kaputt sparen darf. Das alles lässt hoffen, dass die EU bei Problemen in anderen Ländern künftig besser verfahren wird, als sie es mit Griechenland getan hat. (jsl)

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