WR-Mitgliedermagazin - Landesverbände Hamburg und Schleswig-Holstein Ausgabe 04-2010

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Dr. Ernst Werdermann, Heiko Hubertz, Matthias Leutke und Achim Quinke (v.l.)

Inzwischen werden mit Computerspielen weltweit jährlich 30 Milliarden Dollar umgesetzt, bis 2012 dürften es 52 Milliarden sein. Deutschland ist mit 1,53 Milliarden Euro Umsatz (2009) in Europa zweitwichtigster Markt für die Unterhaltungssoftware. Grund genug für die Landesfachkommission Medien, dem am stärksten wachsenden Segment der Medienwirtschaft besonderes Augenmerk zu schenken. Achim Quinke, Inhaber Quinke Networks und Projektleiter gamecity: Hamburg, der Initiative Hamburg@work, stellte den rund 80 Mitgliedern und Gästen die Ergebnisse der Medienkommission vor. Zentrale Herausforderung Hamburgs als führendem Standort der Spielebranche ist der Fachkräftemangel. Die rund 150 in der Hansestadt ansässigen Unternehmen beschäftigen 2.150 Mitarbeiter und schufen im zweiten Halbjahr mehr als 400 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Doch bei der Suche nach geeignetem Personal stoßen die Unternehmen zunehmend an ihre Grenzen. Längst schon werden die Spiele nicht mehr von Einzelpersonen, sondern von sogenannten Studios (Developer) entwickelt, in denen Designer, Produzenten, Autoren, Grafiker, Programmierer, Tongestalter, Musiker und Tester eng zusammenarbeiten. Die Produktion eines Computerspiels dauert zwischen ein und drei Jahren und kostet zwischen 50.000 und 500.000 Euro; aufwendigere Spiele können Millionen verschlingen. Die Kosten tragen meist sogenannte Publisher (vergleichbar mit Buchverlagen), die später das fertige Produkt auch vertreiben und vermarkten. Den Fachkräftemangel bestätigte auch Heiko Hubertz, Gründer und Ge-

schäftsführer der Bigpoint GmbH. Bigpoint ist das weltweit größte Browsergame-Portal und zählt zu den drei größten Gaming-Portalen der Welt. 2002 gründet der damals 27-jährige zusammen mit einem Freund die Firma m.wire GmbH, 2003 geht das erste Spiel, der Eishockey-Manager „Icefighter“ online. 2006 in „Bigpoint“ umbenannt, können die inzwischen mehr als 150 Millionen Nutzer unter 50 Spielen in 30 verschiedenen Sprachen wählen. Jeden Tag verzeichnet das Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Hamburg und weitere Büros in Berlin, San Francisco, Sao Paulo und Malta hat, 250.000 neue Registrierungen. Hubertz beschäftigt über 500 Mitarbeiter aus 30 Nationen. Die von Bigpoint entwickelte FarmSimulation „Farmerama“ wurde in diesem Jahr als bestes Browsergame mit dem European-Games-Award ausgezeichnet. Außerdem erhielt das Spiel, bei dem es darum geht, einen virtuellen Bauernhof auszubauen, den deutschen Computerspielpreis (LARA). Das Geschäftsmodell ist überraschend einfach: Die Spiele sind kostenlos. Zahlen muss nur, wer besondere Hilfsmittel erwerben, sich Vorteile verschaffen oder Besonderheiten freischalten will. Und just dieses menschliche Verlangen ist so profitabel, dass Hubertz 2008 die Mehrheit seines Unternehmens für 70 Millionen Euro verkaufen konnte. Prognosen zufolge wird die Gamesbranche weiter prosperieren. PriceWaterhouse Coopers erwartet bis 2013 für Handy- und Onlinespiele ein jährliches Wachstum von etwa 12,5 Prozent. Besonderes Potential sieht die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der in Games integrierten Werbung (InGame-Advertising). Prominenter Vor-

reiter ist Barack Obama. Während seines Präsidentschaftswahlkampfs hatte er das Spiel „Burnout Paradise“ als Werbeplattform genutzt, um jüngere Wähler zu erreichen. Hamburg hat gute Chancen, seinen Vorsprung im Games-Bereich auszubauen. Junge wie etablierte Spielefirmen finden durch die Nähe zu den 20.000 Unternehmen der Medien- und IT-Branche ein perfektes Umfeld vor. Die Medienkommission empfiehlt daher: I das Aus- und Weiterbildungsangebot zu stärken, I internationale Talente für Hamburg zur begeistern, I das Clustermanagement auszubauen und zu internationalisieren und I die Medienkonvergenz zu fördern. Wesentlich wird es sein, die Realität von Computerspielen anzuerkennen und in geeignete Bahnen zu lenken. „Wir müssen aufhören, die Spielebranche pauschal zu verurteilen und in die Schmuddelecke zu drängen. Vielmehr geht es darum, die Stärken des Zukunftsmediums zu nutzen“, resümierte der Landesvorsitzende, Matthias Leutke. Mit den sogenannten „Digital Natives“ gelange in den kommenden Jahren eine Generation in die Unternehmen, die mit

Leiter der Landesfachkommission Medien Michael René Weber und Renate Kiel

dem Computer aufgewachsen sei. Sie ziehe neue, digitale Lernformen den traditionellen vor, was auch Konsequenzen für die Zukunft habe. Games seien vielfältig einsetzbar. Große Unternehmen nutzten sie schon seit Jahren für Marketingzwecke, in der medizinischen Rehabilitation, der beruflichen Weiterbildung oder der gesundheitlichen Aufklärung. Hier lägen auch für den Mittelstand noch große Chancen. CA

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