TREND - Magazin für Soziale Marktwirtschaft - Ausgabe 3/2018

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40. JAHRGANG 3 / 2018

Umsteuern Richtung Wachstum:

Mehr Markt für Europa STIMMUNGSBAROMETER

Was die Wirtschaft der ­Bundesregierung ins Pflichtenheft schreibt TOP-INTERVIEW

Airbus-Chef Tom Enders WIRTSCHAFTSTAG

Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Währungsunion


Werbeverbot für legale Produkte? Geht’s noch?

Die Politik reguliert in hohem Maße durch Gesetze und Verbote. Nicht nur die Tabakindustrie, sondern auch die Verbraucher selbst. Dabei geht es um legale Produkte in der „freien“ Marktwirtschaft. Keine Anzeigen, TV-Spots oder Onlinewerbung; Plakate sowie Konsumenteninformationen strengstens reglementiert – all das ist längst befohlen und befolgt. Nun das totale Kommunikationsverbot. Der Vater unserer Marktwirtschaft würde vielleicht sagen: „So schadet man der Wirtschaft, gefährdet Arbeitsplätze und nimmt den mündigen Bürgern die Freiheit, sich zu entscheiden und zu informieren.“ www.zigarettenverband.de


Foto: Franz Bischof

EDITORIAL Wirtschaftsrat wächst

Werner M. Bahlsen Präsident des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

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iesmal möchte ich eine Positivnachricht des Wirtschaftsrates in eigener Sache voranstellen: In diesem Sommer sind wir erstmals auf über 12.000 Mitglieder gewachsen. Das Überschreiten dieser Marke ist eine aussagekräftige Botschaft. Denn in Zeiten, in denen über die sinkende Bindungskraft in unserer Gesellschaft diskutiert wird und viele traditionelle Institutionen wie Gewerkschaften, Kirchen und Parteien Mitgliederschwund beklagen, können wir mit einem ansehnlichen Plus an Mitgliedern aufwarten.

Titelbild: Fotolia.com ©Alterfalter

„Die Abschaffung des Solidaritätszuschlages ist ­angesichts von Rekordsteuereinnahmen längst überfällig.“ Aber nicht nur in der Zahl werden wir größer. Auch der aktive Einsatz unserer Mitglieder auf allen Ebenen nimmt erheblich zu. Offensichtlich wollen sich Unternehmer aktiv beteiligen und über den Wirtschaftsrat politisch engagieren. Da sind sie bei uns an der richtigen Adresse. Mehrfach schon konnten wir die Wirksamkeit unserer Stimme unter Beweis stellen. Zuletzt bei der Senkung des Arbeitslosenbeitrags, für den wir uns in den letzten Wochen deutlich vernehmbar eingesetzt haben: Ab 2019 sinkt er um 0,5 Prozentpunkte statt um 0,3 Prozentpunkte, wie von Arbeitsminister Hubertus Heil angeboten. Mit unserer konstant steigenden Mitgliederzahl in den letzten Jahren gewinnt der Wirtschaftsrat zunehmend an Gewicht. Für die anste-

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henden Debatten und Reformen ist das dringend notwendig. Auch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages ist angesichts von Rekordsteuereinnahmen längst überfällig. Die Wohnungsbaupolitik steckt nach der Mietpreisbremse, die keine einzige Wohnung geschaffen hat, in einer Sackgasse. Und mit der Forderung nach einem festgeschriebenen Mindestrentenniveau möchten vor allem die Sozialdemokraten auf Kosten der Beitragszahler und zukünftigen Generationen schnellen politischen Profit schlagen. Die aktuellen Debatten in der Großen Koalition zeigen, dass es gerade jetzt mehr denn je auf den Wirtschaftsrat und den unternehmerischen Sachverstand seiner Mitglieder ankommt. Aber auch über Deutschland hinaus ist der Wirtschaftsrat, zu dessen DNA der Einsatz für die europäische Idee gehört, eine wichtige Stimme für ­Europa. Hier müssen die Weichen auf mehr Wohlstand und Wettbewerb gesetzt werden, statt immer größere Transfertöpfe als Allheilmittel zu fordern. Unsere Mitglieder machen durch ihr Engagement den Wirtschaftsrat zu einem starken Unternehmerverband. Dass unsere Mitgliederzahl konstant wächst, ist ein ermutigendes Zeichen für die immer noch aktuelle Idee der Sozialen Marktwirtschaft Ludwig l ­Erhards.

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INHALT

Inhalt

TITEL TREND-GRAFIK 22 Europa – quo vadis? 24 Umsteuern Richtung Wachstum: Mehr Markt für Europa  Peter Hahne

8 TOP-INTERVIEW „Je mehr Gemeinsamkeiten nach dem Brexit bleiben, umso besser“ TREND sprach exklusiv mit ­Airbus-­Chef Tom Enders über Europa und den Brexit, den zunehmenden Protektionismus, die Verteilung der Verteidigungsausgaben in der NATO und über die H ­ erausforderung Digitalisierung.

32 Das Wirrwarr um den Brexit  Prof. Dr. Godelieve Quisthoudt-Rowohl

AKTUELL INTERVIEW 8 „Je mehr Gemeinsamkeiten nach dem Brexit bleiben, umso besser“  Airbus-Chef Tom Enders STIMMUNGSBAROMETER 10 Pflichtenheft für die ­Bundesregierung DIGITALISIERUNG 15 Mit Mut und Optimismus nach vorne blicken  Bill McDermott

16 – 22 TITEL EUROPA Umsteuern Richtung Wachstum: Mehr Markt für Europa Europa muss sich wieder auf seine Stärken besinnen: Mehr Markt, mehr Wettbewerb, mehr Subsidiarität.

START EDITORIAL 3  Werner M. Bahlsen AUSSENANSICHT 6 Die Krise der Union  Ansgar Graw

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ENERGIEPOLITIK 38 Motor für den Wirtschafts­ standort Deutschland  Dr. Markus Binder 39 E-Fuels sichern das Erreichen der Klimaziele  Adrian Willig

WIRTSCHAFTSTAG BUNDESDELEGIERTENVERSAMMLUNG 42 Deutschland braucht ein starkes Europa  Werner M. Bahlsen 43 Deutschlands Zukunft sichern  Wolfgang Steiger IMPRESSIONEN 44 Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, ­Währungsunion – ­Zukunftsthemen anpacken, Marktkräfte stärken SEKTIONEN 2018 46 Auszeichnung: Sektionen des Jahres

EUROPA 16 Europa ist der Schlüssel für die Zukunft  Dr. Angela Merkel 18 Europa muss schlanker werden  Sebastian Kurz 20 Wirtschaft braucht einen klaren Kompass  Peter Altmaier DIGITALISIERUNG 34 Die Deutschen müssen endlich einsteigen  Dr. Paul Kowitz FAMILIENUNTERNEHMEN UND MITTELSTAND 36 Ernsthafte Risiken am Horizont  Harald Kayser

10 STIMMUNGSBAROMETER Was die Wirtschaft der Politik ins Pflichtenheft schreibt „Welche Themen brennen der Wirtschaft unter den Nägeln? Der Wirtschaftsrat fragte seine Mitglieder. TREND hat mehr als 1.500 individuelle Antworten ausgewertet und ein Pflichtenheft für die ­Politik erstellt.


INHALT

WIRTSCHAFTSRAT INNENANSICHT 40 Neues aus den Kommissionen STANDPUNKT STEIGER 48 Mehr Realismus im Datenschutzrecht!

JUNGER WIRTSCHAFTSRAT 49 Digitalisierung verändert die Ökonomie ENGAGEMENT 50 Keine Angst vor dem digitalen Wandel Thomas Saueressig

SCHLUSS AUS DEN LÄNDERN 52 Rückblick | Einblick | Ausblick 56 Impressum

FORUM 57 Im Spiegel der Presse 58 Zahlen des Quartals 58 Spindoktor

42 WIRTSCHAFTSTAG Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, ­Währungsunion Damit es Deutschland auch in Zukunft gut geht, muss die Große Koalition jetzt sechs entscheidende Themen angehen. Und: ­Europa muss zusammenstehen und mit einer Stimme sprechen, wenn es gegenüber den USA und China bestehen will.

W I R Ö F F N E N W E LT E N WILLKOMMEN IN DER NEUEN MESSE ESSEN www.messe-essen.de | 3/2018 TREND

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AUSSENANSICHT

Die Krise der Union D

ass Wahlen in der Mitte gewonnen werden, ist richtig – aber dass sie an den Rändern verloren werden können, ist ebenso eindeutig. In einer Zeit, in der Deutschland die Volksparteien auszugehen drohen, erfordern darum die Flügel ebenso viel Aufmerksamkeit wie die Kernwählerschaft. Die SPD, die immerhin drei der acht deutschen Bundeskanzler stellte, ist bereits so massiv geschrumpft, dass sie derzeit nicht mehr als Volkspartei bezeichnet werden kann. In einigen Umfragen rangieren die Sozialdemokraten gleichauf mit oder gar hinter der AfD, und auch die Grünen drohen an ihnen vorbeizuziehen. Die Union bewegt sich auf einem höheren Niveau. Aber der Trend weist ebenfalls abwärts. Im ARD-Deutschlandtrend landeten CDU und CSU Ende August 2018 bei einem neuen demoskopischen Tiefstwert von nur 29 Prozent. Das Elend der Union resultiert daraus, dass niemand weiß, wofür sie steht. Fürs Regieren, klar. Und

Ansgar Graw Foto: M. Lengemann

Chefreporter Die Welt/Welt am Sonntag

„In einer von der CDU geführten Bundesregierung wird nicht über Steuersenkungen debattiert, sondern einvernehmlich ­beschlossen, dass zusätzliche Milliarden in Rente, Pflege und Arbeitslosen­ versicherung fließen.“ 6

darum für große Koalitionen. Oder für ­Jamaika. Oder, geht es nach dem schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther, vielleicht auch für eine Zusammenarbeit mit der Linken. Eine Partei, der die formale Macht wichtiger zu sein scheint als politische Inhalte, lässt sich nicht durch Mitgliederinitiativen auf Kurs bringen, heißen sie nun Konservativer Aufbruch oder Union der Mitte. Die CDU war immer eine pragmatische Partei und ihr Korsett bestand aus weniger Ideologie als das der SPD. Aber erkennbar waren zwischen gelegentlichen Moden und demoskopischen Verführungen zumindest in der Ära Kohl programmatische Fixsterne, bei den Christdemokraten noch stärker als bei den Christsozialen, die in Bayern das Sozialdemokratische bislang gleichsam mitvertreten haben: Die CDU stand für Soziale Marktwirtschaft mit Betonung auf dem Substantiv – während die SPD das Adjektiv in den Vordergrund stellt. Sie stand für einen starken Staat in Bezug auf innere Sicherheit – während die SPD die sozialen Sicherungssysteme als Garanten dieser Stärke sieht. Und sie stand und für eine glaubwürdige Verteidigungspolitik im transatlantischen Rahmen – während in der SPD Skepsis ­gegenüber Washington und Aufgeschlossenheit für Moskau größer waren. Inzwischen mangelt es der Union an profilierten Marktwirtschaftlern, vor allem aber an einem marktwirtschaftlichen Profil. In einer von der CDU geführten Bundesregierung wird nicht über Steuersenkungen debattiert, sondern einvernehmlich beschlossen, dass zusätzliche Milliarden in Rente, Pflege und Arbeitslosenversicherung fließen.

Foto: Jens Schicke

Vom Elend einer Partei, der die Inhalte abhandengekommen sind.

Ihrer Glaubwürdigkeit in Sachen starker Staat droht die Union verlustig zu gehen, weil sie allzu wenig Engagement zeigt, den hunderttau­ sendfachen Missbrauch des Asylrechts zu beenden. Zwar hat die Bundes­ regierung die Möglichkeiten der unkontrollierten Einreise gestoppt und damit ihre P ­ olitik des Sommers 2015 korrigiert. Aber es gibt kein phantasievolles Bemühen, durch veränderte Gesetze oder eine erneute Reform des Asylgrundrechts die illegale Immigration tatsächlich deutlich zu senken, Pull-Effekte des allzu großzügigen

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AUSSENANSICHT

Sozialstaats entschlossen zu reduzieren und die Zahl der Abschiebungen drastisch zu erhöhen. Die Versuche von CSU-Chef Horst Seehofer, mit seinem „Masterplan“ bei diesen Versäumnissen anzusetzen, waren suboptimal. Doch dass die Vorschläge des Bundesinnenministers zur realen

Diskussion über die Wiederaufnahme der Wehrpflicht und ihre Ausweitung zu einem allgemeinen Sozialdienst ein wichtiges Signal. Aber alles Gerede gerade auch von Unions-Politikern ­ über eine „gemeinsame europäische Verteidigungspolitik“ wirkt bizarr, solange die Bundeswehr nicht ein-

wieder alle Flügel nicht nur formales Rederecht bei Parteitagen erhalten, sondern mit kompetenten Exponenten in der öffentlichen Debatte sichtbar werden. Sie müssen Einfluss bekommen auf die Formulierung des neuen Grundsatzprogramms und auf die Tagespolitik der Regierung. Das hat sich in der Vergangenheit bewährt. Kohl war kein Konservativer, aber er ließ konservative Parteifreunde wie Alfred Dregger oder Manfred Kanther gewähren, damit rechts der Union kein Raum entstand für eine erfolgreiche Neugründung. Heute hingegen hat sich die AfD in den Parlamenten etabliert. Kohl war auch kein Marktliberaler. Aber er ließ seinen Finanzminister Gerhard Stoltenberg in den 80er Jahren eine bedeutende Steuersenkung exekutieren, die in drei Stufen zu ei-

So würden die Deutschen wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre (in Prozent) Allensbach Emnid

Forsch’gr. Wahlen

GMS

Infratest dimap

INSA

Bundestagswahl

Veröffentl.

15.8.2018 8.9.2018

8.9.2018

31.8.2018 11.9.2018 6.9.2018

11.9.2018 24.9.2017

CDU/CSU

31

31

31

28

29

29

29

32,9

SPD

20

17

16

18

17

18

17

20,5

GRÜNE

12,5

14

15

14

14

14

13,5

8,9

FDP

9

DIE LINKE 9

9

9

8

9

8

9

10,7

10

10

8

9

10

10,5

9,2

AfD

14,5

15

14

17

16

16

17,5

12,6

Sonstige

4

6

5

4

6

5

4,5

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Bedrohung für die Fraktionsgemeinschaft der Union gerieten, lag auch ­daran, dass es aus dem Kanzleramt keine konstruktive Kritik gab, sondern ­unleidliche Ablehnung, ganz so, als habe Deutschland kein Problem mit illegaler Zuwanderung. In der Außen- und Verteidigungspolitik schließlich unternimmt die Union keine ernsthaften Anstrengungen, den blamablen Zustand der verteidigungsunfähigen Bundeswehr kurzfristig zu verbessern. Zwar ist die von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer eingeforderte

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Forsa

mal die Hälfte ihrer Tornado-Kampf­ flugzeuge und Leopard-II-Panzer und kein einziges U-Boot einsetzen kann. Um ihrer weiteren Erosion als Volkspartei entgegenzuwirken, muss die Union deutlich machen, dass sie bei aller Bandbreite einer Partei der Mitte für Prinzipien in der Innenund Außenpolitik steht – und eben nicht nur für die Verteidigung der Regierungsmacht. Dazu müssen in der CDU, die nach einem Wort von Helmut Kohl auf drei Wurzeln gründet, nämlich auf die konservative, die liberale und die christlich-soziale,

Quelle: www.wahlrecht.de/Umfragen

Institut

nem linear-progressiven Einkommensteuertarif führte. Heute diskutiert die Union über Gerechtigkeit statt über Wettbewerb und Anreize für Unternehmer. Deutschland verdankt seine bisherige Stabilität zu einem großen Teil den Volksparteien. Schrumpfen sie weiter, ist die Demokratie noch nicht verloren, aber gleichwohl gefährdet. Wer in Volksparteien Verantwortung trägt, ist gut beraten, sich diesem Trend durch Rückbesinnung auf bewährte politische Inhalte entgegen­ l zustemmen.

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AKTUELL Interview

– Herr Enders, Großbritannien hat neue Brexit-Pläne vorgestellt, die eine Teilmitgliedschaft im Binnenmarkt und in der Zollunion vorsehen. Welche Auswirkungen hätte dies auf Ihr Geschäft? Was erwarten Sie von der Politik in Brüssel und London? Jede Form von Brexit, ob hart oder weich, ist schlecht für uns und für die Luftfahrtindustrie in Großbritannien. Wenn Großbritannien den harten Ausstieg wählt, dann wäre das sogar ein Anschlag auf Airbus und sein Produktionssystem insgesamt. Kurzfristig wären es Einschränkungen für die Lieferkette, langfristig wäre es eine massive Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Werke auf der Insel, wenn sie nicht mehr nahtlos in einem Produktionsverbund arbeiten und Güter und Personen nicht mehr frei über Grenzen hinweg bewegt werden könnten. Für die Wirtschaft im Allgemeinen, nicht nur für Airbus gilt: Je mehr Gemeinsamkeiten nach dem Brexit noch bleiben, umso besser. Das schlimmste Szenario wäre für mich, wenn sich auf beiden Seiten die Falken durchsetzen würden. Auch in der EU gibt es vereinzelt Tendenzen, den Briten den Austritt so schwer wie möglich zu machen, um potentielle Nachahmer zu warnen. Integrationspolitisch mag das verständlich sein, wirtschaftlich könnte es katastrophale Folgen haben. Es wäre auch außen- und sicherheitspolitisch unverantwortlich.

Foto: Airbus

sprach exklusiv mit Dr. Thomas Enders, CEO von Airbus, über Europa und den Brexit, den zunehmenden Protektionismus, die Verteilung der Verteidigungsausgaben in der NATO und über die Herausforderung Digitalisierung.

„ Je mehr Ge dem Brexi Die Luftfahrt ist ja geradezu ein Symbol des Freihandels. Wir machen es möglich, dass sich Menschen und Waren zwischen den Kontinenten hin und her bewegen. Handelskriege beeinträchtigen die Weltwirtschaft, und von deren Zustand hängt unser Geschäft ab. Airbus ist sowohl in den USA als auch in China mit eigenen Produktionskapazitäten ansässig. Das hilft uns und schützt uns. Zum Glück ist der Flugzeugbau durch internationale Abkommen einigermaßen abgesichert. Aber massiver Protektionismus und anhaltende Handelskriege würden der Luftfahrt die Luft unter den Flügeln wegnehmen!

– Protektionisten sind weltweit auf dem Vormarsch. Sie sind Vorstandsvorsitzender des europäischen ­Vorzeigeunternehmens. Macht sich der drohende Zerfall Europas im Arbeitsalltag bemerkbar? Lassen wir mal die Kirche im Dorf. Die EU zerfällt nicht. Wie sich die EU im Handelskonflikt verhält, finde ich sogar sehr beachtlich. Das Freihandelsabkommen mit Japan, aber auch die Aktionen von Frau Malström und Herrn Juncker im Konflikt mit den USA zeigen sehr klar, was wir Europäer politisch erreichen können, wenn wir mit einer Stimme  – Donald Trump fordert mehr Geld von den Europäern sprechen. Aber natürlich hat die EU schwere Konflikte zu für die gemeinsame Verteidigung, insbesondere von bestehen. Wir verfolgen die Entwicklungen oft mit Sorge, Deutschland. Wie sollte Deutschlands Beitrag zur NATO aber auch mit Optimismus. Denn wir haben bei Airbus und einer europäischen Sicherheits- und Verteidigungsgelernt, dass europäische Integration weder einfach noch politik aussehen? gradlinig verläuft. Was mich freut: Ich erlebe bei unseren In diesem Punkt pflichte ich Präsident Trump voll und ganz Mitarbeitern immer mehr eine sehr ausgeprägte europäibei. Ja, die Europäer halten ihre NATO-Verpflichtungen sche Identität, sie sträuben sich gegen Tendenzen der Renicht ein, allen voran Deutschland. Donald Trump ist nicht nationalisierung und des Protektionismus. Das macht Mut. der erste US-Präsident, der das sagt und er wird auch nicht der letzte sein. Die Art, wie er in dieser Frage seine Forde – Der Handelskrieg zwischen den USA und China, rungen rüberbringt, mag fragwürdig sein, aber im Grundaber auch USA und Europa hinterlässt erste Spuren satz hat er Recht. Europa muss mehr für seine Verteidigung in den Aktienkursen, der Freihandel ist gefährdet. ausgeben und es muss diese Mittel auch deutlich effizienter Spüren Sie dies schon auf den Märkten? einsetzen. Also nicht wieder redundante Strukturen und

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AKTUELL Interview

„Lassen wir mal die Kirche im Dorf. Die EU zerfällt nicht.“ parallele Entwicklungen teurer Systeme, die anschließend in Konkurrenz miteinander treten. Eine vernünftige Koordination ist aber nur möglich in einem einigen Europa. Ein zerstrittenes Europa wird nicht in der Lage sein, gemeinsame und komplementäre militärische Strukturen aufzubauen und gemeinsam neue Waffensysteme zu entwickeln, die den Herausforderungen der heutigen Zeit angemessen sind. Unser Land kann hier nicht auf der Zuschauertribüne verharren. Von uns wird ein Vorangehen mit Entschlossen-

Airbus hat schon vor einigen Jahren angefangen, Antworten auf diese Herausforderungen zu finden und umzusetzen. Auch dafür haben wir A3 gegründet, unser Standbein in ­Silicon Valley. So kamen nicht nur frische Ideen ins Haus. Es ist auch ein höchst produktiver Wettbewerb zwischen unserer traditionellen Konzernforschung und der Start-up S­ zene entstanden. Zu den neuen Ideen, die wir auf diese Weise kreiert haben, gehören unsere Big-Data-Projekte wie zum Beispiel die erste offene Aviation-Plattform unserer B ­ ranche, Skywise, auf der wir sowohl mit Airlines als auch Industriepartnern und Zulieferern kooperieren. Für zivile und militärische Betreiber unserer Luftfahrzeuge generieren wir Mehrwert aus den Daten, die beim Betrieb ihrer ­Flugzeuge anfallen. Damit können sie beispielsweise die Wartung kostengünstiger gestalten. Was Europa generell tun muss: Nicht nur jammern und ängstlich zusehen, was andere machen, sondern selbst neue Wege einschlagen.

emeinsamkeiten nach it bleiben, umso besser“ heit und Augenmaß erwartet. NATO-Vereinbarungen aus Rücksicht auf unvernünftige Koalitionspartner nicht umzusetzen, wird dem deutschen Ansehen schaden.

Dazu kann es nicht schaden, Kompetenz von außen in Unternehmen und Behörden zu holen. Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht.

– Ein zentrales Thema für die deutsche Wirtschaft ist  – Welche wichtigen Neuerungen erwarten Sie im die Digitalisierung. Die Deutschen begegnen digitalen L­ uft­verkehr, wenn Sie zehn Jahre in die Zukunft blicken? Die Flugzeuge werden leiser und energieeffizienter Innovationen jedoch oft mit großer Skepsis. sein. Das ist nicht nur umweltpolitisch wünschenswert, Verschläft Deutschland die digitale Revolution? ­sondern auch wirtschaftlich von Vorteil – und daher wird Die Gefahr, dass Deutschland etwas verschläft, war schon es so k­ ommen. Wir und unsere Partner in Industrie und immer ein großes Thema. Nicht umsonst trägt der Deutsche ­Forschung arbeiten an neuen elektrischen und hybriden Michel eine Schlafmütze. Dennoch würde ich sagen, dass Antrieben and Treibstoffen aus nachwachsenden Rohdas Bewusstsein für die Notwendigkeit von Innovation und stoffen. Die F ­ lugzeuge werden vernetzter sein als heute, Wandel in Deutschland jedenfalls in der jungen Generation sie werden den Flottenmanagern selbst melden, wenn sie so groß ist wie schon lange nicht mehr. Damit müssen wir zur I­nspektion müssen, werden die Ersatzteile von selbst jetzt arbeiten. Wir müssen handeln, und aktiv die Zukunft so rechtzeitig a­ nfordern, dass sie schon da sind, wenn sie gestalten. Wir überlassen viel zu oft den anderen das Feld gebraucht ­werden. Passagiere werden keine langen Warteder Innovation. Wenn ich zum Beispiel lese, dass manche zeiten mehr haben, denn durch Nutzung der DatenmenLeute bei Themen wie Lufttaxi sagen „Ach, sollen sie das gen werden auch die Flugrouten effizienter. Die Wartung doch lieber in China oder sonst wo ausprobieren!“, dann der Flug­zeuge wird dezentraler sein als heute, weil viele frage ich mich, ob da nicht doch noch ein paar SchlafmütTeile vor Ort aus dem 3D-Drucker kommen. In Großstädzen unterwegs sind, die den Schuss nicht gehört haben. ten werden ­senkrecht startende und landende elektrische ­Vehikel fliegen, die leise sind und Menschen wie auch Wa – Neue Player wie Google fordern die Automobilkonzerne ren schneller an ihr Ziel bringen. Das sind Visionen, die heraus, und setzen auch die Luft- und Raumfahrt unter begeistern. Fast bedauere ich, dass ich da nicht mehr selbst Druck. Wie kann Europa die Wettbewerbsfähigkeit Ihrer l dabei sein werde … Branche langfristig sichern?

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AKTUELL Stimmungsbarometer

Pflichtenheft für die Bundesregierung „Welche Themen brennen der Wirtschaft unter den Nägeln? Wie kann unser Land wieder wettbewerbsfähiger werden?“ Fragen, die der Wirtschaftsrat seinen Mit­gliedern stellte. TREND hat mehr als 1.500 individuelle Antworten ausgewertet und einen Katalog vieler guter Vorschläge für einen starken, wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort zusammengestellt.

RENTE

Soziale Marktwirtschaft

Wir müssen die Soziale Marktwirtschaft fördern und dürfen nicht ständig neue Regelwerke einführen. ­Leistung muss sich wieder lohnen.“

Birgit Berdux-Pusch

„ Wir brauchen eine Entlastung

ie Politik muss darauf achten, „  Ddass nicht nur Konzerne,

Arbeitszeit durch Vereinbarungen der Sozialpartner ermöglichen, um damit auch auf Arbeitgeberseite die Attraktivität der Verbands­ zugehörigkeit und so die Tariftreue zu erhöhen.“

Peter Hübner

Renate Tangermann

B ildung

„ Wir brauchen Digitalisierung

Frank Schiwek

10

Digitalisierung

Wir müssen den Bürgern die Angst vor der ‚Digitalisierung‘ nehmen und dürfen das Thema Künstliche Intelligenz nicht verschlafen. Andernfalls ist Deutschland bald von China abhängig.“

Arbeitsmarkt

Wir müssen die Flexibilisierung der

Haushalt und Steuern s­ ondern gerade auch der ­Mittelstand deutlich steuerlich entlastet und bürokratische Hürden spürbar reduziert ­werden.“

der Sozialsysteme. Bei den demografischen Entwicklungen steuern wir auf einen ­finanziellen Kollaps zu.“ Georg Kaiser

und Künstliche Intelligenz als Hauptfächer an allen Schulen. Das Entwickeln ­eines Curriculums und ­dessen Umsetzung ist wich­ tiger als die Ausstattung der Schulen mit Hardware.“

Dr. Hartmut Schwesinger

TREND 3/2018


AKTUELL Stimmungsbarometer

Soziale Marktwirtschaft

Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft müssen verbessert werden, damit Deutschland wettbewerbs­ fähig bleibt. Heute steht ­leider die Umverteilung im Vordergrund.“

Gerhard Schulze

Ein unmittelbarer Ausstieg aus Kernkraft und Kohle schadet Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit. Man darf das alte Wasser erst wegschütten, wenn man neues hat.“

René Thiemann

Manuel Dieckmann

„ Eine Rentenreform ist

Migration

Deutschland braucht dringend ein Einwanderungsgesetz, ­damit der deutsche Mittelstand kompetenten, arbeitswilligen Einwanderern eine echte ­Chance geben und den sich anbahnenden Arbeitskräftenotstand beseitigen kann.“

RENTE

Friedrich Weinhold

Infrastruktur

Bürokratie

Wir ersticken an Büro­ kratie. Als Unternehmer hat man das Gefühl, dass man immer mehr verwaltet und immer weniger ­unternimmt.“

Energie und Umwelt

Digitalisierung

Deutschland benötigt eine ­umfassende Digital-Strategie in allen Lebensbereichen, damit der Anschluss an die USA und China nicht vollkommen ­verloren geht.“

­ nabdingbar, sonst wird unser u ­Rentensystem in den nächsten zehn Jahren kollabieren.“ Detlef Häder

Prof. Dr. Hans Martin Braun

Breitbandausbau und „ Der die Verkehrsinfrastruktur

müssen allerhöchste Priorität haben, da davon viele ­Lö­sungen für die Zukunft abhängen.“

Wie wichtig ist es, eine Sicherheitsstrategie zur Abwehr von Cyberangriffen aus dem Ausland zu entwickeln?

Burkhard Blesel

26

Digitalisierung

Deutschland muss in der Digitalisierung und der Industrie 4.0 Vorreiter werden, um seine starke Position im Maschinenbau und der Automatisierung international zu festigen.“

3

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Sehr wichtig

Wichtig

70

in Prozent, n=2.314

Weniger wichtig Gar nicht wichtig

Dr. Gunnar L. Schmüser

11


AKTUELL Stimmungsbarometer

Wie wichtig ist es, dass der Bundeshaushalt künftig ohne neue Schulden („Schwarze Null“) auskommt?

Haushalt und Steuern

eutschland muss den „  D­Schuldenabbau heute, in den

2 11

wirtschaftlich guten Zeiten ­vorantreiben, um in Krisen handlungsfähig zu bleiben.“

Sehr wichtig

54

in Prozent, n=2.314

32

Dr. Wolfgang Schmal

Wichtig Weniger wichtig Gar nicht wichtig

Sicherheit und Verteidigung

Wir müssen die europäische Verteidigungsfähigkeit durch mehr Ausgaben, Zusammen­ arbeit und Effizienz stärken.“ Dr. Karl Heinz Adlfinger

Digitalisierung

Die Digitalisierung ist der ­Motor einer modernen, leistungsfähigen Wirtschaft. Als eine der führenden Industrienationen in Europa sollte Deutschland in eine leistungsstarke Digitalinfrastruktur investieren, um den Unternehmensstandort nachhaltig zu stärken.“

EUROPA

Energie und Umwelt

Entscheidend ist, die elektrische Energieversorgung ohne Subvention erneuerbarer Energien wieder wettbewerbsorientiert zu gestalten. Das Thema Klima- und Umweltschutz muss auf beweisbare Wirkungsmechanismen begrenzt und entideolo­gisiert werden.“

Marcel Kunze

Infrastruktur

den Wettlauf für die „ Um ­Zukunft nicht zu verlieren,

Hilmar Marsula

12

Banken und deren Risiko­ politik. Die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentral­ bank verschleiert nur die Krise im Euro-Raum.“

Peter-J.  Bisa

B ildung

„ Den Ankündigungen der

Migration

Es wäre wünschenswert, ein Einwanderungsgesetz auf den Weg zu bringen, um eine ­qualifizierte Zuwanderung zu steuern.“

benötigen wir dringend mehr Investitionen in digita­ le und analoge Infrastruktur.“

Prof. Dr. Helmut Alt

eutschland wird zum „ DZahlmeister für europäische

­ olitik, Bildung als prioritäre P Aufgabe zu verstehen, ­müssen endlich Taten folgen.“

Dr. Sven T. Olsen

Christof Schneiderat

TREND 3/2018


AKTUELL Stimmungsbarometer

Migration

Aufgrund des hohen Fachkräftemangels muss Deutschland mehr in Bildung investieren. Die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt ist bis jetzt nicht spürbar.““ Renate Dittgen

2 9 Sehr wichtig

52

Wichtig

in Prozent, n=2.314

36

Ulrike A. Mix

Bürokratie

Deutschland ist im ­inter­nationalen Vergleich ­überreguliert. Wir ­brauchen eine Initiative zum Abbau unnötiger ­Regulierungen.“

Weniger wichtig Gar nicht wichtig

Digitalisierung

Die Digitalisierung ist eine enorme Chance für die deutsche Wirtschaft. Wir alle haben die Chance, diesen epochalen ­Wandel nicht nur mitzuerleben, ­sondern auch aktiv zu ­gestalten.“

Für wie wichtig halten Sie die Vereinfachung der Regelungen zum Datenschutz?

EUROPA

größten Probleme lie­ „ Ugennsere in der Regelungswut der Europäischen Kommission.“

Wolfgang Reichelt

Für wie wichtig halten Sie es, den Solidaritätszuschlag für alle Steuerzahler in der nächsten Legislaturperiode abzuschaffen?

Dr. Bernd-Uwe Stucken 17 Sehr wichtig

Soziale Marktwirtschaft

Maß der Dinge müssen ­wieder Leistung, Wett­ bewerbs­fähigkeit und Erfolg werden.“

3/2018 TREND

Detlev Seeliger

32

5 in Prozent, n=2.314

Wichtig Weniger wichtig Gar nicht wichtig

46

13


AKTUELL Stimmungsbarometer

Soziale Marktwirtschaft

Für wie wichtig halten Sie den Ausbau eines flächendeckenden schnellen Breitbandinternetnetzes?

1 18 Sehr wichtig

79

Wichtig

in Prozent, n=2.314

Weniger wichtig

Gar nicht wichtig

Deutschland braucht für die Zukunft klare Linien in der Zuwanderungs- und Integrationspolitik: Menschen aus Kriegsgebieten müssen wir weiterhin helfen. Aber auch dafür Sorge tragen, dass keine Wirtschaftsflüchtlinge ins Land kommen.“

muss sich inter­ „ Deutschland national wettbewerbsfähig halten – insbesondere als Investitionsstandort. Dazu gehören langfristige Zuver­ lässigkeit für Investitionen sowie ein flexibler, interna­ tional konkurrenzfähiger Arbeitsmarkt anstatt die ­Flexibilität ständig weiter einzuschränken.“

Haushalt und Steuern

ir müssen endlich die kalte „  WProgression und den Soli

a­ bschaffen – und zwar morgen und nicht überübermorgen.“

ie europäische Bevölke­ „ Drung muss darauf vorberei­ tet werden, dass die Wäh­ rungsunion nur funktioniert, wenn sich alle an die Stabili­ tätskriterien halten.“

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Mirko Kolakovic

EUROPA

Rainer Ludwig

Arbeitsmarkt

Ich halte eine Lockerung des Kündi­

Infrastruktur

Erwin Heimberger

Goetz Peter Bierlich

Grafiken: Ergebnis 17. Mitgliederbefragung des Wirtschaftsrates, n=2.314, Erhebungszeitraum Mai 2018, von 100 Prozent abweichende Werte ergeben sich durch „keine Angaben“ bzw. Rundungen

Migration

Der Sozialstaat muss drin­ gend vereinfacht werden, damit er billiger und vor allem effizienter wird – ­zugunsten derer, die ihn wirklich brauchen. Hilfe den Bedürftigen statt Subven­ tionierung der Sozialstaats­ industrie.“

gungsschutzes für sehr sinnvoll. Dadurch wird die Zeitarbeit zurück­ gedrängt und die Unternehmen können sich an die Veränderung der Märkte besser anpassen.“

Dr. Peter Ruland

Digitalisierung

Die Digitalisierung muss dazu genutzt werden, Bürokratie­ prozesse kundenfreundlicher zu machen.“

Christa Schleer

Sicherheit und Verteidigung

Wir müssen die Bundes­ wehr wieder zu einer der ­Landesverteidigung be­ fähigten ­Truppe aufbauen.“ Axel Banike

Christoph Raithelhuber

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Foto: Fotolia.com ©sdecoret

AKTUELL Digitalisierung

Mit Mut und ­Optimismus nach vorne blicken! Der Technologiewandel ermöglicht bisherige Grenzen zu erweitern.

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ist natürlich real. Wir spüren sie alle. Und wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass Millionen von Arbeitsplätzen überflüssig werden. Mc Kinsey schätzt, dass bis 2030 rund 375 Millionen Menschen ihren Beruf wechseln müssen. Das betrifft 14 Prozent der weltweiten Belegschaften. In den Industriegesellschaften wie den USA, Deutschland und China werden die Auswirkungen sogar noch stärker zu spüren sein. Aber: Auch neue Jobs werden entstehen, bessere – wenn wir die Herausforderungen proaktiv angehen. Jedes Unternehmen der Welt wird maschinelles Lernen einsetzen. Die Führungspersönlichkeiten aus der Politik sollten Druck ausüben, um diesen Fortschritt voranzutreiben. Wir dürfen nicht darauf hinwirken, dass uns die Angst von den Chancen ablenkt. Garry Kasparov hat es so ausgedrückt: Er spielt nicht mehr gegen den Computer Schach, sondern er konzentriert sich auf die Vorzüge des Spielens mit dem Computer. Mit anderen Worten: Wenn wir es richtig anstellen, wenn wir die richtigen Prozesse nutzen, dann können Mensch und Maschine zusammen viel wirkmächtiger sein. Der Technologiewandel ermöglicht

uns, unsere bisherigen Grenzen zu erweitern. Zum Beispiel: KI kann für ein vorurteilsfreies Personalrecruitment in Unternehmen genutzt werden. Die Technologie wird zur Technologie für den Menschen. Bill McDermott Sprecher des Vorstands, SAP SE Foto: SAP SE

S

AP wurde vor 46 Jahren gegründet. Von wagemutigen Unternehmern. Hasso Plattner und seine Kollegen hatten einen Traum. Und die Beharrlichkeit, für ihren Traum einzutreten. Heute versorgt SAP 400.000 Unternehmen in 193 Ländern. Das erzähle ich aus einem einfachen Grund: Als Führungskräfte haben wir die Verantwortung, das Fundament unserer Vorgänger zu stärken. Indem wir die Vergangenheit achten, bringen wir eine bessere Zukunft hervor. Ein Beispiel aus meiner eigenen Vergangenheit: Mit 16 Jahren eröffnete ich meinen ersten Shop. Meine Kunden waren Arbeiter, die freitags ihre paychecks bekamen. Deswegen ließ ich sie unter der Woche anschreiben. Dieser Vertrauensvorschuss zahlte sich aus, jeder bezahlte seine Schulden. Vertrauen ist die ultimative Währung der Menschen. Respekt ist die ultimative Form der menschlichen Empathie. Das ist heute wesentlich. Wir befinden uns in einer Zeitenwende hin zur Künstlichen Intelligenz. Heute ist maschinelles Lernen ein ausgereiftes, ein dominantes Konzept, das disruptiv wirkt. Das ist die Chance. Und es gibt die Angst. Die Angst

„Der Wandel war noch nie so schnell, und er wird immer schneller. Er wird also nie mehr so langsam sein wie heute.“ Ich kann Ihnen versichern: SAP wird die Unternehmen in dieser neuen Wirtschaftswelt unterstützen. Der Wandel war noch nie so schnell, und er wird immer schneller. Er wird also nie mehr so langsam sein wie heute. Lassen Sie uns mutig sein – und den Menschen zeigen, dass wir an eine l glückliche Zukunft glauben! (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

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AKTUELL Europa

Europa ist der Schlüssel für die Zukunft Die Große Koalition wird eine Reihe von Dingen auf den Weg bringen, die für Deutschlands Zukunft wichtig sind. Der Schlüssel liegt in Europa: Ohne etwa einen digitalen Binnenmarkt in der EU wird das nicht funktionieren.

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AKTUELL Europa

Foto: Fotolia.com ©elenvd

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„disruptiv“ geht uns inzwischen locker über die Lippen. Aber was das wirklich bedeutet, erahnen wir wohl noch nicht. Als Regierung wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen. Eines unserer ganz großen Projekte ist deshalb das Bürgerportal. Bis zum Ende der Legislatur soll es Gestalt annehmen – jeder Bürger soll so bald wie möglich alle Leistungen vom Staat online abrufen können. Im Konsumentenbereich ist Europa in vielerlei Hinsicht bereits abgeschlagen, hat bestimmte Fähigkeiten überhaupt nicht mehr. Es gibt kein Smartphone, das in Europa hergestellt wird. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Im Übrigen glaube ich, dass das viele Menschen beunruhigt. Sie waren gewöhnt, dass Europa in den vergangenen zwei- bis dreihundert Jahren immer sehr innovativ war. Zum Glück haben wir eine gute industrielle Basis. Und jetzt gehen wir in die entscheidende Phase. Wir müssen beim Internet der Dinge ganz vorne mit dabei sein. Denn alles, was sich vernetzen kann, wird sich vernetzen. Die Künstliche Intelligenz wird vieles bestimmen. Es geht dabei nicht um Mensch gegen Maschine, sondern um ein intelligentes Miteinander. Das müssen wir auch den Menschen sagen, um ihnen die Ängste zu nehmen. Natürlich werden viele Jobs wegfallen. Aber die große Aufgabe lautet: Bildung und Weiterbildung. Die großen Unternehmen sind bei der digitalen Transformation schon weit vorangeschritten. Aber das ganze wird nur klappen, wenn auch der Mittelstand den Schritt zur Industrie 4.0 mitgeht. Eine entscheidende Frage wird sein, wie die Hersteller von realen Waren in Zukunft ihre Beziehungen zu ihren Kunden gestalten. Uns muss gelingen, die Wertschöpfungskette bis zum Kunden aufrechtzuerhalten, damit die großen Internetkonzerne eines Tages nicht die einzige Schnittstelle zum Endkunden sind. Wenn wir das nicht schaffen, wird wesentlicher Wohlstand verlorengehen. Die Bundesregierung macht gegenwärtig eine Bestandsaufnahme zur Künstlichen Intelligenz. Dabei geht es um einen dramatischen Wettbewerb um die besten Köpfe. Zusätzlich müssen wir uns Gedanken machen um die

Finanzierung von Startups. Deshalb wollen wir eine „Strategie Künstliche Intelligenz“ ausarbeiten. Und schauen, wie wir Forschungskapazitäten mit Unternehmen vernetzen. Das ist für Deutschland lebensnotwendig. Ohne einen digitalen Binnenmarkt kann Europa nicht überleben. Einfacher Grund: Kein einziges Land hat allein eine ausreichend große Datenbasis und Schlagkraft für den Wettbewerb mit den USA und Asien.

Dr. Angela Merkel MdB

Foto: CDU - Laurence Chaperon

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er Koalitionsvertrag mit der SPD hat Licht und Schatten. Es war ein schmerzhafter Kompromiss, dass viele Unternehmer nicht vom teilweisen Abbau des Solidaritätszuschlags profitieren. Aber die Große Koalition wird auch einige Dinge auf den Weg bringen, die für Deutschlands Zukunft wichtig sind. 1,5 Millionen neue Wohnungen sollen gebaut werden. Dafür wird es eine Sonderabschreibung geben. Wir werden Familien unterstützen mit einem Baukindergeld und eine steuerliche Forschungsförderung einführen. Und wir werden auf die kalte Progression reagieren. Den Breitbandausbau werden wir so forcieren, dass bis 2025 jeder Haushalt einen schnellen Breitbandanschluss bekommt. Unser Flaschenhals sind die Genehmigungsverfahren – das gilt für Energieleitungen, den Verkehr und die digitale Infrastruktur. Da brauchen wir zu lange. Ebenfalls eine große Herausforderung: unsere Fachkräftebasis. Bis 2030 wird Deutschland sechs Millionen weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter haben. Mit einem Fachkräftezuwanderungsgesetz werden wir deshalb den Standort stärken. Die Soziale Marktwirtschaft hat sich bewährt. Deshalb gilt es, das Vertrauen der Menschen in sie zu stärken. Ich weiß aber auch, wie die Unternehmen auf die Lohnzusatzkosten schauen. Wir haben versprochen, dass wir in der Summe unter 40 Prozent des Bruttolohns bleiben. Thema Handelsüberschüsse: Bei der Diskussion mit unseren Handelspartnern und der Auseinandersetzung mit den USA müssen wir darauf hinweisen, dass nicht allein die Handelsbilanz, die nur die Warenströme abbildet, sondern auch die Dienstleistungsbilanz und die Direktinvestitionen zum Gesamtbild gehören. So haben die USA gegenüber Europa einen Dienstleistungsüberschuss von mehr als 200 Milliarden Dollar. Das größte BMW-Werk der Welt steht nicht in Deutschland, sondern in South Carolina. Auch das gehört zur Würdigung der Gesamtumstände, wenn wir uns über die Handels­ politik verständigen wollen. Die große Herausforderung ist natürlich die Digitalisierung. Das Wort

Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland

„Europa muss sich auf die großen Fragen konzentrieren: Außenpolitik, Migration, gemeinsame Verteidigungspolitik.“ Damit bin ich bei Europa: Ohne multilateralen Ansatz ist Europa nicht überlebensfähig. Europa muss sich auf die großen Fragen konzentrieren: Außenpolitik, Migration, gemeinsame Verteidigungspolitik. Deshalb ist es etwa richtig, die künftigen Waffensysteme zusammenzulegen und auf große Plattformen zu stützen. Wir brauchen auch europäische Rüstungsexport­ richtlinien. Die illegale Migration könnte zur Schicksalsfrage der EU werden. Wir müssen die Außengrenzen Europas schützen, damit der Binnenmarkt weiter existieren kann. Ich bin dabei, dass Frontex-Mandat zu erweitern. Aber dazu gehört auch eine gemeinsame europäische Entwicklungspolitik, die auf wirtschaftliche Entwicklung setzt. Ich bin fest davon überzeugt: Der Schlüssel für unsere Zukunft ist Europa. Jetzt geht es darum, dass wir mutig und entschlossen die Herausforderungen angehen. Dann haben die Worte Roman Herzogs aus seiner berühmten Berliner „Ruck-Rede“ von 1997 auch künftig Gültigkeit: Die besten Jahre liegen l noch vor uns! (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

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AKTUELL Europa

Europa muss schlanker werden! Österreich wird die Wettbewerbsfähigkeit und eine in Vielfalt geeinte Europäische Union, die großen Fragen und eine gemeinsame Außenpolitik ins Zentrum seiner Ratspräsidentschaft stellen.

W

ir leben in einer Zeit großer Veränderungen. Als Außenminister der Republik Österreich bin ich in den letzten Jahren viel gereist. Bei all den Reisen, die ich unternommen habe, war es zum einen immer wieder wunderschön, nach Hause zu kommen. Weil mir bei jeder Reise ins außereuropäische Ausland mehr und mehr bewusst geworden ist, dass Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Freiheit fast überall woanders auf der Welt keine Selbstverständlichkeit sind. Gleichzeitig war es aber auch so, dass ich immer öfter in Länder gereist bin, bei denen ich Sorge hatte, dass sie uns bald einholen oder sogar überholen können.

Sebastian Kurz

Foto: SAP SE

Bundeskanzler der Republik Österreich

„Wenn durch den Brexit 13 Prozent der europäischen Bevölkerung wegfallen, kann es nicht sein, dass das Budget der Verwaltung der Europäischen Union um 20 Prozent wächst.“

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Singapur zum Beispiel war vor 40 Jahren noch ein Entwicklungsland. Heute hat Singapur viele europäische Staaten beim Wohlstand überholt. Deshalb glaube ich, dass wir in Europa eine große Verantwortung haben. Nicht dafür, unsere Grundwerte zu verteidigen. Sondern auch dafür, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Nur wenn wir als EU wettbewerbsfähig bleiben, werden wir den European Way of Life verteidigen können. Wie schnell es gehen kann, haben wir Österreicher selbst erlebt. Vor zehn bis 15 Jahren haben deutsche Zeitungen getitelt: Österreich, das bessere Deutschland. Heute ist Deutschland das Land, das schon zum vierten Mal in Folge keine Schulden macht. Das eine der niedrigsten Arbeitslosigkeitsraten in der EU hat und ein solides Wachstum. Wenn wir uns die Rankings anschauen, sind wir Österreicher im Vergleich bei Vielem zurückgefallen. Wir haben in den ersten Monaten ganz massiv versucht, hier gegenzusteuern, um an Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen. Wir versuchen massiv, gegen Bürokratie und Regulierung anzukämpfen, weil wir fest daran glauben, dass Unternehmer und Menschen Freiheit brauchen, damit sie sich entfalten können. Nach Jahrzehnten der Steuererhöhungen sind wir in Österreich bereit, einen anderen Weg zu gehen. Wir senken die Steuerlast, vor allem für arbeitende Menschen. Wir versuchen, in der Verwaltung schlanker zu wer-

den. Gleichzeitig wollen wir mehr in Bildung und Forschung investieren. Und wir versuchen nachzuahmen, was Deutschland vorgemacht hat: Im nächsten Jahr wollen wir das erste Mal ohne neue Schulden auskommen. Für Österreich wäre das das erste Mal seit 1954. Wir bemühen uns also darum, wettbewerbsfähiger zu werden. Aber wir glauben auch fest daran, dass wir das nicht alleine schaffen – und wir Veränderungen auf europäischer Ebene brauchen. Ein Beispiel: Die EU leistet sich eine Kommission mit 28 Kommissaren. Böse Zungen behaupten, es gibt mehr Kommissare als Zuständigkeiten. Weil jeder Kommissar etwas hinterlassen möchte, führt ein Mehr an Kommissaren nicht zu einem Weniger an Regulierung. Sondern manchmal zu mehr Regulierung als notwendig ist. Die Verwaltung in Brüssel muss deshalb schlanker werden. Wenn durch den Brexit 13 Prozent der europäischen Bevölkerung wegfallen, kann es nicht sein, dass das Budget der Verwaltung um 20 Prozent wächst. Das ist kein Angriff auf die Beamtenschaft. Im Gegenteil. Aber wir müssen definitiv schlanker werden, wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen. Das ist ein wichtiges Ziel unserer europäischen Ratspräsidentschaft. Zum zweiten glaube ich fest daran, dass wir hart arbeiten müssen, um ein geeintes Europa zu schaffen. Nicht jedes Detail braucht europäische Regelungen. Wir brauchen Respekt davor,

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Foto: European Union, Christos Dogas

AKTUELL Europa

dass es unterschiedliche Zugänge gibt, dass es Vielfalt auf unserem Kontinent gibt. Die Spannungen in der EU sind in den letzten Jahren größer geworden. Der Norden klagt über den Süden, der Westen über den Osten. Und andersherum. Es gibt mittlerweile so ein Gefühl, dass es Mitglieder erster und zweiter Klasse gibt. Diese Gräben dürfen wir nicht tiefer werden lassen. Wir brauchen ein in Vielfalt geeintes Europa mit Respekt für unterschiedliche Positionen, aber stets mit einem Umgang auf Augenhöhe. Wenn wir das verlieren, ist es bald vorbei mit dem Projekt Europäische Union. Europa braucht auch mehr Fokus. Mehr Subsidiarität, mehr Konzentration auf die großen Fragen. Auch dafür will sich Österreich während

3/2018 TREND

unseres Ratsvorsitzes einsetzen. Mehr Zusammenarbeit brauchen wir vor ­ allem bei der Sicherheitspolitik, dem Außengrenzschutz und der Migrationsfrage. Nur wenn wir es als EU gemeinsam schaffen, unsere Außengrenzen zu schützen und selbst entscheiden, wer zuwandert, können wir unser Europa ohne Grenzen nach innen aufrechterhalten. Wir werden ­ uns deshalb dafür einsetzen, dass Frontex gestärkt wird. Finanziell, personell und auch, was das Mandat anbelangt. Darüber hinaus liegt unser Fokus im zweiten Halbjahr 2018 auf Wachstum und Wohlstand. Wir müssen alle einen Beitrag dazu leisten, dass die EU ­wieder stärker wird. In einem Europa, in dem Unternehmertum etwas wert ist, in dem auch junge

Menschen das Ziel haben, Unternehmer zu werden. Zu guter Letzt liegt unser Fokus auf einer stärkeren gemeinsamen Außenpolitik. Nur wenn wir geeint auftreten, haben wir gegenüber Supermächten wie den USA und Russland eine starke Stimme. Friede auf unserem Kontinent wird nur mit, nicht gegen Russland möglich sein. Deshalb braucht es bei aller Notwendigkeit, bei Völkerrechtsverletzungen eine klare Sprache zu sprechen, auch den ständigen Willen zum Dialog. An diesem Thema wollen wir arbeiten. Auch wenn es bei den meisten Fragen nicht von heute auf morgen eine Lösung geben wird – es ist wichtig zu wissen, wo man hin l möchte! (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

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AKTUELL Europa

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er Binnenmarkt ist einer der größten Errungenschaften für die Völker Europas. Deshalb werden wir mit Großbritannien auch nach dem Brexit gute Beziehungen unterhalten. Wir gehören alle zur europäischen Familie und haben eine Verantwortung, den Wohlstand und die Wachstumskräfte zu mehren. Wir haben die Verantwortung dafür

Foto: Bundesregierung, Kugler

Peter Altmaier Bundesminister für Wirtschaft und Energie

„Wir haben bereits einiges verändert. Die schwarze Null ist heute für den Bundeshaushalt die Regel, nicht mehr die Ausnahme.“ zu sorgen, dass Unternehmertum sich entfalten kann; dass Menschen darauf vertrauen können, dass ihre Investitionen in den nächsten Jahren sicher sind und Früchte tragen können. Es gibt einige Probleme, die wir lösen können. Viele Menschen warten darauf, am Wohlstand zu partizipieren. Europa ist nicht der Nabel der Welt. Aber wir haben eine gemeinsame Verantwortung dafür, dass wir

die Weichen richtig stellen und die Schwerpunkte richtig setzen. Wenn wir uns umschauen in Europa, dann scheint die Sonne. Zum ersten Mal seit der Banken- und Börsenkrise verzeichnet jeder einzelne Mitgliedstaat Wachstum. Deutschland hat das höchste Wachstum seit Jahren. Deshalb bin ich überzeugt, dass es unsere größte Verantwortung ist, dieses Wachstum, diese gute Stimmung, zu erhalten und weiter zu verbessern. Doch sollten wir uns in guten Zeiten nicht Debatten leisten, die am Ende dazu führen, dass weniger investiert wird. Wir brauchen kein neues Mindestlohnsystem, und wir brauchen auch keine Debatte um die Abschaffung von Hartz IV. Wir sollten stattdessen darüber diskutieren, was wir heute tun müssen, damit es besser wird. Wenn das Potentialwachstum unserer Wirtschaft größer wäre, hätten wir dieses Jahr noch ein deutlich höheres als das tatsächlich erwartete Wachstum erzielen können. Die Kapazitäten sind ausgelastet, teils überlastet. Viele Unternehmen klagen über einen Mangel an Fachkräften. Und viele halten sich mit Inves­titionen zurück, weil sie nicht wissen, wie die staatlichen Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren aussehen ­werden. Ich glaube nicht, dass das Potentialwachstum ein für allemal bei rund 1,5 Prozent festgeschrieben sein muss. Wir müssen als Politik alles dafür tun, damit Unternehmen in neue Pro­

duktionsanlagen und Arbeits­ plätze investieren. Als Wirtschaftsminister setze ich mich dafür einsetzen, dass wir in Deutschland klare Rahmenbedingungen für die Zukunft bekommen. In den letzten Jahren haben wir bereits einiges verändert. Die schwarze Null ist heute die Regel, nicht mehr die Ausnahme. Noch wichtiger ist, dass wir eine Garantie abgegeben haben, in den

Die Wirtschaft braucht einen klaren Politik und Wirtschaft müssen die ordnungspolitische Debatte führen, wie Deutschland wettbewerbsfähig und die Europäische Gemeinschaft widerstandsfähiger wird.

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AKTUELL Europa

gungen, unter denen sie arbeiten und planen könnten. Deshalb müssen wir die ordnungspolitische Debatte führen, wie unser Land wettbewerbsfähig bleibt. Wir haben in den letzten Jahren gezeigt, wie wir mit den klassischen Formen der Globalisierung umgehen können. Wir setzen auf offene Märkte und nutzen den Wind des Wettbewerbs als Rückenwind für unsere Segel. „Made

Foto: European Union, 2018

nächsten vier Jahren die Steuern nicht zu erhöhen. Wir haben versprochen, dass der Staat mit dem auskommt, was er durch zusätzliches Wachstum einnimmt. Das war ein schwieriges, ein mühsames Unterfangen der Koalitionsverhandlungen. Ich würde mir wünschen, dass wir das nicht jedes Mal in Koalitionsverhandlungen neu klären müssten. Sondern dass alle demokratischen Parteien den Mut ha-

Kompass ben, sich darauf zu verpflichten, bei normalem Wachstum auf Steuererhöhungen zu verzichten. Dann hätten die Menschen klare Rahmenbedin-

3/2018 TREND

in Germany“ hat Konjunktur. Unsere Errungenschaften müssen wir in ganz Europa verteidigen und durchsetzen. Gemeinsam mit Frankreich arbeiten

wir an einer Reform der EU und einer Stärkung der Eurozone. Die EU muss widerstandsfähiger gegen Krisen werden. Aber das alles tun wir mit einem ordnungspolitischen Kompass. Und wir tun es so, dass wir nicht Maßnahmen ergreifen, die uns Jahre später wieder in die Krise führen. Unsere französischen Freunde weisen zu Recht darauf hin, dass Europa investieren muss und dass wir ein Interesse daran haben, dass Länder, die unverschuldet in Not geraten, dann auch wieder aus dieser Situation heraus können. Aber, und das bringt auch die Kanzlerin zum Ausdruck, wir wollen das so tun, dass wir denen Hilfe geben, die auch bereit sind, sich selbst zu helfen. Wir wollen dabei helfen, Fehler zu überwinden und die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Wenn heute ein Land Hilfen aus dem europäischen Stabilitätsmechanismus beantragt, muss es dafür ja auch Auflagen in Kauf nehmen. Viel zu lange haben wir versucht, reale Probleme mit nicht vorhandenem Geld zu lösen. Deshalb können wir jetzt nicht darauf setzen, noch mehr nicht vorhandenes Geld auszugeben. Wir sehen, dass es erfolgreich war, in harten Verhandlungen mit Griechenland, Irland oder Portugal auf Konditionalität zu setzen. Hilfe für Schwache ist etwas Großartiges – aber nur dann, wenn sie dazu führt, dass die Hilfen zurückgezahlt werden können und die richtigen Reformen unternommen werden. Wir sollten damit aufhören, Menschen, die Geld verdienen, zu verteufeln und zu diskriminieren. Wenn ein junger Mensch sich mit allen Risiken entscheidet, in die Selbständigkeit zu gehen, dann ist er kein geldgieriger Kapitalist, sondern er leistet einen Beitrag zum Allgemeinwohl. Das müssen wir in der Öffentlichkeit viel mehr ansprechen als bisher, wenn wir erreichen wollen, dass mehr Menschen Unternehmer werden. Aber der Wirtschaftsminister ist natürlich auch der Industrieminister: Wir müssen jeden Tag weiter dafür kämpfen, dass Deutschland seien Anteil von rund 20 Prozent Industrieproduktion auch in l Zukunft hält. (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

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TREND-GRAFIK Europa

USA Anteil 66 %

Die USA haben in der Plattformökonomie klar die Nase vorn: Die 50 wertvollsten Plattformen der Welt

(2015: 67 %) Airbnb 31

(in Milliarden US-Dollar Börsenwert /  jüngste Finanzierung, Juni 2018)

Ebay 40

E

A

Uber 48

Apple 941

Paypal 99

Amazon 818

Booking 103

Netflix 157

Facebook 548

Microsoft 781

Alphabet 783 T Twitter 31

H

H square 25

Salesforce 99

I

Intuit 51

Europa – quo vadis? Text und Grafiken: Katja Sandscheper

Schon im Mai 2019 ist es soweit: Die Europäer haben die Chance über die Europa-Politik abzustimmen – zumindest ein wenig. Doch mit markigen Worten ist es hier nicht getan. Der nächste Kommissionspräsident ist gefragt, die Geschicke der Staatengemeinschaft in neue Fahrwasser zu lenken. Denn die Europäische Union gleicht seit langem einer Dauerbaustelle. Positiv fiel zwar auf, wie die EU-Kommission im Handelsstreit mit den USA agiert hat, und dass Handelsabkommen mit Staaten wie Japan geschlossen werden konnten. Festgefahren sind jedoch die ­Themen Migration, Schuldenkrise und Brexit, aber auch die Frage wie Europa eigentlich Wachstum generieren soll. Einen halbwegs gemeinsamen Nenner finden die Mitgliedsstaaten jedoch bei den Themen Digitalisierung und Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Dies kann als Basis für Wachstum dienen.

Quelle: Bitkom Research, Umfrage unter 559 Industrie­unternehmen ab 100 Mitarbeitern, 2016

USA und Deutschland international führend im Bereich Industrie 4.0 (in Prozent) USA Deutschland Japan Frankreich China Korea Niederlande 0

22

5

10

15

20

25

30

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TREND-GRAFIK Europa

Deutschland belegt 4G bei 4G einen hinteren Platz

Europa Anteil 3 % SAP 145

Z Zalando13 S

Afrika Anteil 2 % (2015: 2 %)

Netzabdeckung 4G in Prozent /

4G

Deutschland Estland

Spotify 30

W Wirecard 21

Durchschnittl. Downloadgeschwindigkeit in Mbps

Belgien

Naspers 112

Schweiz Schweden

Quelle: OpenSignal/Statista

(2015: 3 %)

Die Top-Ten-Staaten in Europa

Tschechien Litauen

Asien Anteil 30 %

Ungarn

(2015: 28 %)

Niederlande Norwegen 0

Alibaba 526

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Zustimmung der EU-Staaten zur einer gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik (in Prozent)

N Netease Samsung 32 Didi 329 Chuxing Ant 80 Financial T Toutiao 150 30 M Baidu J Meituan 92 60 JD.com 57

Luxemburg Deutschland Niederlande Belgien

Quelle: Europäische Kommission, Eurobarometer 04/2017

Quelle: Netzoekonom.de / Idee: Peter Evans

Tencent 509

Spanien Polen Frankreich Portugal Dänemark Tschechien Finnland Irland

Welche Potentiale sich mit einer integrierten Verteidigung in Europa heben ließen

Italien Schweden Österreich

Quelle: OECD, Europäische Kommission, NATO, Weltbank, Europaparlament

0

EU 28

17.160 27.528 Zahl der gepanzerten Personenfahrzeuge Zahl der Typen 37 9 600 Millionen Euro könnten in der EU durch die gemeinsame Nutzung von Infanteriefahrzeugen eingespart werden.

Zahl der Kampfflugzeuge Zahl der Typen

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42 12

1.703 19

20

30

40

50

60

70

80

90

100

USA

Zahl der Waffensystemtypen für ausgewählte Waffensystemkategorien 154 27 500 Millionen Euro könnten in der EU durch ein gemeinsames System zur Zertifizierung von Munition eingespart werden.

Zahl der Tankflugzeuge Zahl der Typen

10

550 4

2.779 11

So viel geben die USA und Europa für die Verteidigung aus (in Prozent) 60

EU 28

USA

Investitionen in Verteidigung in % des BIP

50

1,3 %

40 BIP

30

EU 28

20

14.000.671 E

10

4 %

0

Verteidigungsausgaben ­Personal

Verteidigungsausgaben ­Einsätze und Instandhaltung

Verteidigungsausgaben für Investitionen

Andere Verteidigungsausgaben

BIP

USA 13.111.780  E

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TITEL Europa

Umsteuern Richtung Wachstum:

Mehr Markt für Europa

Europa muss sich wieder auf seine Stärken besinnen: Mehr Markt, mehr Wettbewerb, mehr Subsidiarität.

S

eit der Finanzkrise hat sich die EU auf einen zweifelhaften Weg begeben. Statt Wettbewerb und gemeinsamer Markt beherrschen Transfers und eine europäische Sozialpolitik die öffentliche Debatte. Europa muss sich wieder auf seine Stärken besinnen: Mehr Markt, mehr Wettbewerb, mehr Subsidiarität. Der Wirtschaftsrat fordert eine marktwirtschaftliche Offensive, in deren Zentrum der europäische Binnenmarkt steht. Die Vorschläge des französischen Präsidenten zur „Renaissance der EU“ haben für viel Diskussionsstoff

gesorgt. Ein Jahr ist es her, seit Emmanuel Macron in seiner Rede an der Pariser Sorbonne ein „souveränes, geeintes und demokratisches“ Europa forderte. Die anfängliche Begeisterung für Macrons Entwurf ist im Laufe der Debatte jedoch einem zunehmend skeptischen Realismus gewichen. Ein Eurozonen-Budget, ein europäischer Finanzminister, eine gemeinsame Sozialpolitik? Deutsche, Österreicher und Niederländer lehnen derartige Schritte in Richtung einer Transferunion strikt ab. „Weder ein Euro-Budget noch ein europäischer Finanzminister werden die Probleme

EU – USA – China: Bruttoinlandsprodukt 2015* (Wirtschaftskraft in Milliarden US-Dollar) *Schätzungen

Quelle: United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD): Online-Datenbank: UNCTADstat (10/2016) Lizenz: Creative Commons by-nc-nd/3.0/de – Bundeszentrale für politische Bildung

Welt: 59.691

24

EU: 15.717

USA: 15.143

China: 5.9641 einschließlich Hongkong und Macao

der Eurozone lösen“, stellt ifo-Präsident Clemens Fuest klar. Die kürzlich unterzeichnete Meseberger Erklärung wertet Jürgen Matthes vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln (IW) unterdessen als „Punktsieg für Macron“, der bei den europäischen Steuerzahlern einige „Warnlampen“ zum Leuchten bringen sollte. Im Kern ist Angela Merkel ihrem französischen Amtskollegen Ende Juni beim Eurozonen-Budget entgegengekommen, Investitionen in strukturelle Konvergenz und zur Abfederung wirtschaftlicher Schocks sollen mit neuen Kreditlinien, auch kurzfristiger Natur, finanziert werden, im Raum steht ferner die Stabilisierung nationaler Arbeitslosenversicherungen aus Gemeinschaftsmitteln. „In der praktischen Konsequenz muss ein solcher Wahn naturnotwendig zur Begründung sogenannter ‚Töpfchen‘ ­ führen, das heißt von Fonds, aus denen alle diejenigen, die im Nachteil sind oder es zu sein glauben, entweder entschädigt oder künstlich hochgepeppelt werden“, wusste bereits ­Ludwig Erhard. „Das sind aber Prinzipien, die mit einer Marktwirtschaft nicht in Einklang stehen.“ Erhards Befürchtungen sind mit der deutsch-­ französischen Erklärung leider exakt eingetroffen. „Wir als Wirtschaftsrat kritisieren die immer weitere Abkehr von Markt, Wettbewerb und Subsidiarität“, sagt Generalsekretär Wolfgang Steiger. „Klar ist, die Richtung stimmt nicht.“

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Foto: European Union, 2018; Mauro Bottaro

Text: P eter Hahne


TITEL Europa

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Neues Wachs­tum durch Künst­liche ­Intelligenz Getrieben von Neugier verfolgen Menschen schon seit Jahrzehnten den Gedanken, Mensch und Maschine ­ miteinander zu verbinden und damit ­ das Leben neu zu gestalten. Aber KI ist den Menschen noch lange nicht überlegen. Die Entwicklung der KI verläuft für mich eher als Evolution denn als Revolution. Wir werden Deutschland zu einem weltweit führenden Standort bei der Erforschung von Künstlicher Intelligenz machen. Ich gehe noch einen Schritt weiter – auch bei der Nutzung von KI sollten wir weltweit vorne mitspielen. Wir arbeiten zurzeit intensiv an einem nationalen Masterplan. Im Herbst ­wollen wir ihn vorstellen. Mit Frankreich gemeinsam werden wir dieses Projekt in Europa vorantreiben. Und dabei auch nationale Strategien mit dem Masterplan der EU-Kommission verzahnen. Anja Karliczek MdB

Bundesministerin für Bildung und Forschung (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

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So fließen laut IW bereits heute 34 Prozent des Euro-Budgets in den Kohäsionsfonds, der Erfolg ist bescheiden. Seit der Finanzkrise ist die Annäherung der wirtschaftlichen Verhältnisse in der EU zum Erliegen gekommen. Wie noch mehr Geld aus europäischen Töpfen, ob aus Steuern oder neuen Schulden finanziert, Europa wirtschaftlich stark und fit für die Zukunft machen sollen, erschließt sich nicht. Doch darum, um mehr Geld, um mehr Staat und um mehr Gleichheit geht es am Ende, kritisiert Christian Thiman, der viele Jahre die EZB-Präsidenten beraten hat. ­„Letztlich geht es um die Umverteilung bestehenden Wohlstands durch Zahlungen oder Garantien“, bilanziert Thimann. „Es geht nicht um die Schaffung neuen Wohlstands. Insbesondere wird durch die Vorschläge kein neuer Arbeitsplatz geschaffen.“ Der Befund ist eindeutig: Ein Großteil der Vorschläge, wie sie derzeit in Paris, Brüssel und Berlin diskutiert werden, führen eher zu einer Schwächung denn einer Stärkung der EU. Und das in einer Zeit, in denen den Europäern jeden Tag klarer wird, dass sie sich auf ihre eigenen Stärken besinnen müssen, um China, Russland und den USA im Gerangel der

Weltmächte noch etwas entgegen­ setzen zu können. Kurzum: Die integrationspolitischen Weichen in der EU müssen neu gestellt werden. Der Wirtschaftsrat hat deshalb Leitlinien für eine neue europäische Wirtschaftspolitik erarbeitet. Das Herz der Integration bleibt dabei der europäische Binnenmarkt. Sechs Felder hat der Wirtschaftsrat identifiziert, bei denen die europäische Zusammenarbeit dringend vertieft werden sollte: Digitalen Binnenmarkt schaffen Die Zukunft ist digital. Wachstum und Wohlstand werden jeden Tag mehr mit digitalen Lösungen erwirtschaftet. 28, ab dem kommenden Jahr voraussichtlich 27 fragmentierte Einzelmärkte in der EU mit eigenen Regulierungen sind jedoch ein Wachstumshindernis ersten Grades. Ein vollständig integrierter digitaler Binnenmarkt ist essentiell, wollen die europäischen Gesellschaften den größten Nutzen aus der Digitalisierung ziehen. Mit 415 Milliarden Euro pro Jahr bezif-

Diese Länder sind führend in der digitalen Wirtschaft (Rang und Punkte) 1 Singapur

6,04

2 Finnland

5,96

3 Schweden

5,85

4 Norwegen

5,83

5 USA

5,82

6 Niederlande

5,81

7 Schweiz

5,75

Vereinigtes 8 Königreich 9 Luxemburg

5,67

10 Japan

5,65

15 Deutschland

5,60

5,72

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Quelle: Weltwirtschaftsforum

Foto: European Union, 2018; Etienne Ansotte

TITEL Europa


TITEL Europa

Europas Anteil am weltweiten Bruttoinlandsprodukt geht zurück (Bruttoinlandsprodukt in Prozent) 24

USA 22

EU-27 6

Vereinigtes Königreich

4

China

11

5 5

Kanada

2 2

Mexiko

2 2

Brasilien

2 < 2

Indien

2 < 2

15

BIP

Rest der Welt

fert die EU-Kommission das wirtschaftliche Potential. Bislang bewegt sich Europa aber eher im ­ digitalen Schneckentempo, die USA und China haben die Nase vorn. Mit einem marktwirtschaftlichen Ansatz könnte Europa seine Wettbewerbskräfte entfalten und den Anschluss an die Weltspitze zurückgewinnen. „Europa bietet den geeigneten Handlungsrahmen für eine digitale Ordnungspolitik, die im globalen Maßstab angemessen ist“, ist der Wirtschaftsrat überzeugt. ­Voraussetzung: Ein einheitlicher, harmonisierter Ansatz für den Datenschutz über alle Sektoren. Innovationen sind immer mehr datengetrieben. Daten müssen deshalb überall in der EU verfügbar sein, um Innovationen voranzutreiben. EU-Programme für ­ „trusted platforms“ und interdisziplinäre Forschungscluster tragen dem Datenschutz Rechnung – und können zugleich der Künstlichen Intelligenz (KI) einen wichtigen Schub verleihen. Die EU ist ein globaler Garant für die Rechtssicherheit datenverarbeitender Unternehmen beim grenzüberschreitenden Datenverkehr. Regelungen wie das EU-US Privacy Shield für einen freien transatlantischen Daten­ transfer und die Schaffung einheitlicher Standards zu Haftungsfragen tragen zusätzlich dazu bei, aus Euro-

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18

21

2015 2004

pa einen weltweit führenden Markt für ­ Cyber-Sicherheitslösungen zu ­machen. Energieunion beschleunigen Motor für mehr Wachstum kann auch ein integrierter europäischer Energie-

Von Henry Kissinger ist der Aphorismus überliefert: „Deutschland ist für die Welt zu klein und für Europa zu groß.“ Dieser Satz drückt unser ganzes Dilemma aus. Allein werden wir die großen Probleme heute und in Zukunft nicht lösen können. Aber unsere europä­ ­ ischen Nachbarn empfinden uns häufig als zu groß, zu überheblich, zu domi­ nierend, zu bevormundend. Deutschland muss bereit sein, eine gleichberechtigte Rolle in der EU zu spielen – und anderen die gleichen Mitspracherechte einzuräumen. Es hätte zum Beispiel nicht acht Monate dauern dürfen, bis der französische Präsident auf seine Vorschläge zur Entwicklung der EU eine Antwort aus Deutschland bekommt. Die Welt wartet nicht auf Europa. Die EU wird derzeit heraus­ gefordert wie wahrscheinlich noch nie in ihrer jüngeren Geschichte. Friedrich Merz

Vorsitzender, Atlantik-Brücke e.V. (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

Foto: European Union, 2018; Lukasz Kobus

Quelle: Eurostat und Statistischer Dienst der UN

Japan

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Die Welt wartet nicht auf Europa

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TITEL Europa

Europa muss enger zusammenrücken, um den Herausforderungen der globalen Weltordnung geschlossen entgegenzutreten. Durch den Brexit wachsen die Herausforderungen, weil wir gerade in wirtschaftlichen Fragen eng mit den Briten zusammengearbeitet haben. Wollen wir künftig im Rat und im P ­ arlament Mehrheiten generieren, muss Deutschland stärker auf die Sorgen im Norden und Osten Europas eingehen. Die Vorschläge der Bundeskanzlerin bilden eine gute Grundlage zur Weiterentwicklung der EU. So sollte man den Europäischen Stabilitätsmechanismus zu einem Europäischen Währungsfonds ausbauen. Burkard Balz MdEP

Finanzpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament und designiertes Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

Kapital­markt­union zügig vollenden

Klimaschutz europäisch vorantreiben Klimaschutz ist ein globales Thema, mindestens sollte es europäisch angegangen werden. Nationale Alleingänge helfen dem Klima wenig, schaden der Industrie dafür umso mehr. Deshalb ist es richtig, dass der österreichische EU-Ratsvorsitz in der zweiten Jahreshälfte 2018 „die Rolle der Industrie als wesentlichen Motor

Direktinvestitionen (in Milliarden US-Dollar) 2014 2015 2016 0

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Europa Asiatische Entwicklungsländer USA

für mehr Wachstum“ in den Fokus rückt. „Unser gemeinsames Ziel muss eine gesteigerte industrielle Wettbewerbsfähigkeit der EU sein“, betont die österreichische Regierung in ihrem Programm für den Ratsvorsitz. Der Wirtschaftsrat kann dem nur zustimmen. Weltweiter Klimaschutz und der Umbau der Energiesysteme bei gleichzeitigem Erhalt der industriellen Basis sind eine enorme Herausforderung. Die zugleich aber auch große Chancen eröffnet. Wichtig: Die

Foto: European Union, 2018; Mauro Bottaro

Wenn wir Deutschland stärken wollen, müssen wir vor allem Europa festigen. Das ist keine Option, das ist unsere Pflicht. Der Finanzsektor spielt dabei eine Schlüsselrolle. Auf Dauer werden wir der globalen Konkurrenz wenig entgegensetzen können, wenn wir nicht den Rahmen für einen echten europäischen Finanzmarkt setzen. Konkret: Wir brauchen die Kapitalmarktunion. Für starke internationale Großbanken müssen die Voraussetzungen für mehr Konsolidierung geschaffen werden. Wir fordern keine Abschottung, sondern ­einen gemeinsamen europäischen Markt und ein Ende des fragmentierten Bankensystems. Dann, und nur dann, werden wir der außereuropäischen Konkurrenz auf Dauer Paroli bieten. Christian Sewing

Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Bank AG (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

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Quelle: UNSTAD, FDI/TNC-Datenbank; ©info Institut

Geschlossener ­Auftritt gefragt

markt werden. Energie-, Verkehrsund Telekomnetze verknüpfen sich zunehmend. Diese sektorübergreifenden, intelligenten Infrastrukturen gilt es europäisch voranzutreiben. Auch die Weichen für mehr Cybersicherheit im Energiesektor sind zügig zu stellen. Der Wirtschaftsrat fordert einen beschleunigten Ausbau grenzüberschreitender Netze, eine Harmonisierung der nationalen Fördersysteme für Erneuerbare Energien und das Heben von Effizienz-Potentialen auf europäischer Ebene. Ein europäischer Binnenmarkt muss technologieoffen gestaltet sein, entscheidend sind europaweite technologieneutrale Ausschreibungen und eine beschleunigte Marktintegration der Erneuerbaren.

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TITEL Europa

Energiewende muss in eine industriepolitische Gesamtstrategie eingebettet werden. Eine offener Binnenmarkt für Energie in Europa ist ebenso wichtig wie ein marktwirtschaftliches, am besten ­globales, mindestens aber europäisches CO2-Preissignal in allen Sektoren. Auch für den Klimaschutz ist Europa der bessere Ort, und die Europäer sollten sich weltweit für ein vergleichbares Mengeninstrument wie den ETS zum Abbau von CO2-Emissionen einsetzen. Verkehrsnetze grenzübergreifend planen Die Wettbewerbsfähigkeit jeder Volkswirtschaft hängt entscheidend von ihren Verkehrsnetzen ab. In einem einheitlichen Wirtschaftsraum wäre es also töricht, auf eine integrierte grenzüberschreitende Infrastruktur zu verzichten. Transeuropäische Verkehrsnetze – Straße, Wasser, Schiene, Flugverkehr – bilden das

Rückgrat für einen wettbewerbsfähigen Wirtschaftsraum. Öffentliche Haushaltsengpässe sind keine Ausrede für einen überzogenen Verschleiß und das Verzögern öffentlicher Infrastrukturprojekte. Öffentliche-Private Partnerschaften sind ein elementarer Bestandteil einer modernen Verkehrspolitik. „Gleichzeitig gilt es, Planungs- und Genehmigungsverfahren effizienter zu gestalten, etwa durch eine EU-weite Harmonisierung des Planungs- und Genehmigungsrechts“, regt der Wirtschaftsrat an. Auch für den Verkehrssektor gilt: In der ganzen EU sollte bei der Erforschung klimaschonender Mobilitätsmodelle der Grundsatz der Technologieoffenheit im Mittelpunkt stehen. Verteidigungsprojekte europäisch denken Der letzte Besuch Donald Trumps beim NATO-Gipfel in Brüssel wird den meisten Europäern noch gut in

Fahrplan für ­starken Finanzplatz entwickeln Deutschland braucht einen starken ­Finanzplatz – heute mehr denn je. Der Brexit, so kritisch man ihn politisch bewerten mag, bietet Deutschland Chancen. Wir müssen sie ergreifen und sollten nicht zögern, ökonomisch das Beste für uns herauszuholen. Deshalb brauchen wir einen Fahrplan, für den Ausbau des Finanzplatzes Frankfurt. Die Politik muss die Bedeutung des Finanzsystems erkennen und für einen starken Finanzplatz kämpfen. Dr. Theodor Weimer

Vorsitzender des Vorstands, Deutsche Börse AG (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

Energie für Deutschland. Und Perspektiven in der Region. Zuverlässig, effizient und wettbewerbsfähig sorgt unsere Energie für pulsierendes Leben in Millionen Haushalten, treibt die deutsche Wirtschaft an und ist Grundlage für eine immer anspruchsvollere digitale Welt. Als größtes ostdeutsches Energieunternehmen flankieren wir mit flexibler Bergbau- und Kraftwerkstechnik die Energiewende. Für eine sichere Versorgung in der Stadt, der Firma und zuhause in der Familie.

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TITEL Europa

Die Idee ist relevant

Foto: European Union, 2015; Raphael Seiler

Die grundlegende Idee der EU ist so relevant wie je zuvor. Sie entstand aus Kriegen und Konflikten. Heute haben wir europäische Institutionen. Das Wichtigste ist, dass wir die Auseinandersetzungen zwischen den Natio­ nalstaaten heute friedlich managen. Wenn Großbritannien die EU verlässt, hoffe ich auf neue, starke Beziehungen zur EU. Nach der Scheidung sollten wir in eine neue Phase übergehen: Deutschland muss sich auch zum Fürsprecher der Nicht-Eurozonen-Mitglieder machen. Dänemark oder Schweden ­ fürchten etwa, dass die EU nach dem Brexit zu einem Eurozonen-Projekt wird. Für die Einigung des Kontinents wäre das nicht förderlich. George Osborne

Schatzkanzler des Königreichs Großbritannien a.D.; Senior Advisor, BlackRock (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

Seit Donald Trumps Wahl ist klar: Die Politik ist zurück. Wir können es uns nicht mehr leisten, unpolitisch zu sein. Das ist eine wichtige Botschaft. Eine weitere: Ein klares Bekenntnis zum Freihandel. Freihandel und vernunftbegabte Politik, dafür müssen wir streiten. Trump will Europa spalten. Das müssen wir verhindern. Und uns eins klarmachen: Die USA ziehen sich weiter aus dem Nahen und Mittleren Osten zurück. Europa muss deshalb viel stärker für seine eigene Sicherheit sorgen. Das ist das Gebot der Stunde. Wenn es die EU nicht gäbe, dann müssten wir sie heute gründen. Michael Theurer MdB

Stellvertretender Vorsitzender FDP-Bundestagsfraktion (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

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Erinnerung sein. Unmissverständlich machte der US-Präsident klar, dass sich Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik künftig lieber auf ­ sich selbst verlassen sollte. Mehr Geld für die NATO ist freilich nicht der einzige Hebel. Gemeinsame europäische Verteidigungsprojekte sind ebenso

wichtig. Dafür müssen insbesondere Deutschland und Frankreich ihre Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik stärken. Die EU-Kommission schlägt vor, von 2021 bis 2027 rund 13 Milliarden Euro in den Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) zu stecken. Aus Sicht des Bundes-

Sollte die Bundesregierung den Reformplänen für ein „souveränes, vereinigtes Europa” des französischen Präsidenten Macron entgegenkommen? (in Prozent)

Ja, auf jeden Fall

Eher nein

Eher ja

Nein, auf keinen Fall

Unentschieden

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Quelle: Civey, Stand: 01.07.2018

Gäbe es die EU nicht, müssten wir sie gründen

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verbandes der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist das ein „weiterer Anschub für eine effiziente ­ europäische Kooperation bei Forschung, Entwicklung und Beschaffung“. Der Wirtschaftsrat dringt auf die Einhaltung klarer marktwirtschaftlicher Prinzipien und eine enge Abstimmung mit der Industrie. Ein weiterer Pluspunkt: Mehr Kooperation würde auch den Abbau von Überkapazitäten ermöglichen und die Interoperabilität der europäischen Streitkräfte fördern. Luft- und Raumfahrtindustrie zu deutsch-französischem Thema machen Sie ist ein strategischer europäischer Innovationstreiber par excellence. Beispiel Airbus: Weitsichtige Politiker hoben damals das zivile Airbus-Programm aus der Taufe, inzwischen fliegen Airbus-Maschinen seit Jahrzehnten auf Augenhöhe mit Boeing.

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Die Raumfahrt steht an der Spitze der Technologie- und Innovationspyramide. Sie trägt Lösungen bei zu den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, seien es der Klimawandel, Migrationsströme oder die gemeinsame Sicherheits- und Außenpolitik. Auch die Luft- und Raumfahrt ist prädestiniert dafür, von einem deutsch-französischen Motor angetrieben zu werden. Fazit: Europa muss sich darauf zurückbesinnen, dass ein großer gemeinsamer Markt und wirtschaftliche Freiheit die besten Triebfedern für Erfolg und Wohlstand bieten. So kann der Kontinent wieder zu einem „Powerhouse“ werden. Wirtschaftliche Stärke wiederum ist die Grundvoraussetzung dafür, dass sich Europa in der Welt kraftvoll für seine Werte und Überzeugungen einsetzen kann. „Die beste Medizin dafür bleibt ein intensiver Wettbewerb“, mahnt Ratspräsident l Werner Michael Bahlsen.

Schnellere Um­ setzung ­notwendig Beim Thema Künstliche Intelligenz stehen Deutschland und Europa nicht richtig auf dem Spielfeld. Wir tummeln uns irgendwo an der Seitenlinie herum. Manchmal frage ich mich, ob wir wirklich wissen, worüber wir sprechen. Und stimmt es, wie oft behauptet wird, dass wir alle Voraussetzungen haben und nur mal machen müssten, um mit der KI voranzukommen? Wollen wir Chinesen und Amerikanern weiter das Spielfeld überlassen? Bis 2025 wird der Umsatz in der digitalen Industrie massiv steigen. Ein großer Teil dieses Umsatzes wird von der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz getrieben. E ­ uropa sollte sich also beeilen. Rüdiger Stroh

CEO, NXP Semiconductors Germany GmbH (Auszug aus der Rede auf dem Wirtschaftstag 2018)

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ie meisten Europäer wollten den Brexit nicht und doch müssen wir selbstverständlich das Votum des britischen Stimmvolks respektieren. In den Verhandlungen über eine Vereinbarung zum Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) und die zukünftige Zusammenarbeit geht es deshalb darum, für alle das Beste daraus zu machen. Auch wenn die erste Phase der Verhandlung zur Ordnung des Austrittsprozesses schleppend verlief, konnten letztendlich diese konkreten Fortschritte erzielt werden: 1. Es wird eine knapp zweijährige Übergangsphase ab dem Austritt im März 2019 bis Ende 2020 geben. 2. Die über drei Millionen EU-­ Bürger, welche derzeit in Großbritannien leben und arbeiten werden ihr Aufenthaltsrecht nach dem Brexit behalten. 3. Es wurden Methoden zur Berechnung der finanziellen Verpflichtungen Großbritanniens festgelegt. Diese könnten auf um die 45 Milliarden Euro hinauslaufen. 4. Die Nordirlandfrage konnte noch nicht gelöst werden, dennoch verpflichtet sich Großbritannien, eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland zu vermeiden. Anfang des Jahres begann die zweite Phase der Verhandlungen, in der die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien geklärt wer-

den. Prinzipiell sind diese S­ zenarien möglich: „Weicher Brexit“ Großbritannien bleibt nach dem Brexit Teil des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) – dies ist ein Freihandelsabkommen zwischen Freihandelszone EFTA (ohne Schweiz) und der EU. Das vereinigte Königreich hätte weiter Zugang zum EU-Binnenmarkt, ohne dass eine Zollgrenze zwischen Irland und Nordirland entstünde. Dies würde aber auch bedeuten, dass weiterhin alle Regeln des gemeinsamen Marktes akzeptiert werden müssten, ohne an diesen mitzuwirken. Außerdem würde Großbritannien sich am Budget der Union beteiligen und die Freizügigkeit von Personen gewährleisten – genauso wie Island, Liechtenstein und Norwegen. Streitfälle werden über einen gemeinsamen Gerichtshof gelöst, dessen Urteile denen des Europäischen ­Gerichtshofs (EuGH) folgen. Ein Sonderfall ist die Beziehung zwischen der EU und der Schweiz, die historisch gewachsen ist und durch spezielle Abkommen und EU-Regeln dem Land Zugang zu einzelnen Teilen des Marktes gewährt. Dieses Modell soll jedoch einmalig bleiben. „Harter Brexit“: Eine Möglichkeit wäre, dass Großbritannien trotz Brexit Teil der gemeinsamen Zollunion bleibt und eine Beziehung ähnlich der Türkei zur EU

Das Wirrwarr um den Brexit Noch zeichnet sich nicht ab, welche Art von Brexit es geben wird. Für die verwobenen ­Wirtschaften auf der Insel und dem europäischen Kontinent wäre ein enges Freihandels­ abkommen die beste Variante. 32

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Foto: Fotolia.com ©Pixelbliss

anstrebt. Das hieße weiter gemeinsame Zölle auf Waren von außerhalb der EU zu akzeptieren und von bestehenden Abkommen der Zollunion mit anderen Staaten zu profitieren. Jedoch könnte Großbritannien keine eigenen Zölle erheben oder eigene Zollabkommen verhandeln. Es würde keine Zollgrenze auf der irischen Insel entstehen. Sollte Großbritannien sowohl den EWR als auch die Zollunion verlassen, könnte ein umfangreiches bilaterales Abkommen zwischen der EU und Großbritannien geschlossen werden wie zuletzt mit Kanada. Dieses geht bereits weit über klassische Handelsab­

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Position der britischen Regierung Das Papier „Die künftige Beziehung zwischen Großbritannien und der EU“ vom 12. Juli 2018 soll über die Frage aufklären, welches Szenario die britische Regierung anstrebt, ist jedoch eher als eine schwammige Momentaufnahme einzustufen. Laut dem Papier ist Großbritanniens wichtigstes Ziel eine Freihandelszone mit der EU für Güter, Lebensmittel und Agrarprodukte. Dafür sollen auch EU-Regeln respektiert werden. Ausgenommen werden sollen hingegen insbesondere (Finanz-)Dienstleistungen. Binnenmarkt und Zollunion wollen die Briten weiterhin verlassen. Stattdessen schlägt London ein „gemeinsames Zollgebiet“ vor. Hier würden die Briten EU-Regeln für bestimmte Waren anwenden. Für Produkte, die aus Drittländern in die EU gehen, würde London EU-Zölle erheben – und eigene Zölle, bei Waren, die für den Markt im Vereinigten Königreich bestimmt sind. So soll eine harte Grenze zwischen Irland und Nordirland verhindert werden. Die Pläne sollen in einem Assoziierungsabkommen vereinbart werden. Nach der Übergangsfrist im Dezember 2020 soll die Bewegungsfreiheit enden. Gleichzeitig sollen Unternehmen „talentierte Leute“ nach Großbritannien oder in die EU schicken können. Visafreiheit soll für Touristen, Studenten und EU-Bürger gelten, die vorübergehend dienstlich ins Land reisen.

Die Wirtschaften der EU und Großbritanniens sind derart verwoben, dass die Folgen eines Rückfalls Großbritanniens auf den Status eines Drittlandes verheerend wären. Da Großbritannien weder Mitglied des Binnenmarktes noch der Zollunion bleiben will, muss unser Ziel sein, ein möglichst enges Freihandelsabkommen auszuhandeln. Das Ausmaß der negativen wirtschaftlichen Folgen für Deutschland und die EU hängt maßgeblich davon ab, wie eng und intensiv dieses Freihandelsabkommen gestaltet werden kann – je enger, desto besser.

„Die Folgen eines Rückfalls ­Groß­britanniens auf den Status eines ­Drittlandes wären für die ­Wirtschaften beider Länder verheerend.“ Prof. Dr. Godelieve ­Quisthoudt-Rowohl

Foto: Thierry Dauwe

kommen hinaus, weil es Dienstleistungen und Investitionen berücksichtigt. Sollte auch kein Freihandelsabkommen verhandelt werden, würde Großbritannien nach dem Ablauf der Übergangsphase in Handelsfragen den Status eines Drittlandes erhalten und der Handel somit lediglich den WTO-Prinzipien – Nichtdiskriminierung, Reziprozität, Abbau von Handelsbarrieren und Multilateralismus – unterliegen. Dies würde dazu führen, dass ab sofort EU-Außenzölle für Waren aus Großbritannien gelten. Chaos an den großen Warenumschlagplätzen könnte viele Lieferketten bald zusammenbrechen lassen.

Mitglied im Ausschuss für Internationalen Handel Mitglied des Vorstands der EVP Europäisches Parlament

Großbritannien hat jedoch deutlich gemacht, dass es sich nicht der Rechtsprechung des EuGH unterwerfen will und eine eigene Handels­ politik anstrebt. Fällt der EuGH als Schlichtungsorgan weg, kann dies zu einer Auseinanderentwicklung der Regulierungsregeln führen, was den Warenaustausch zwischen beiden Wirtschaftsräumen beschwert. Wie die anstehenden Verhandlungen über den Brexit verlaufen werden, ist völlig ungewiss. Zum ersten Mal in der Geschichte wird ein Freihandelsabkommen im Rahmen eines ­Desintegrationsprozesses geschlossen und nicht um eine engere Zusammenarbeit verschiedener Staaten anzustreben. Es wird sich zeigen, ob Großbritannien den zukünftigen Wettbewerb in einem geregelten Rahmen geklärt sehen oder die EU ausspielen will. Davon hängt der Erfolg der Gesamt­ l verhandlungen ab.

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AKTUELL Digitalisierung

Die Deutschen müssen Deutschland kommt bei der Digitalisierung nur mehr als mühsam voran. Und das liegt nicht daran, dass wir nicht ­erkannt hätten, wie wichtig die ­Veränderungsprozesse sein werden oder es an Geld mangelt, sondern weil wir diese Welt nicht richtig verstehen.

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ie Digitalisierung ist wie ein Zug, in den die USA, China und Israel längst eingestiegen sind, und der den Bahnhof verlassen hat. Deutschland steht noch immer an der Bahnsteigkante und schaut mit Erstaunen und Begeisterung hinterher. Doch statt den Bahnsteig zu wechseln, um einen Anschlusszug zu nehmen, hoffen die Deutschen weiterhin, dass der Zug noch einmal zurückkommt und sie mitnimmt. Doch der Zug wird nicht zurückkommen. Unter den zehn wertvollsten Tech-Unternehmen finden sich acht amerikanische, zwei chinesische und kein europäisches. Trotz zuletzt erhöhter Anstrengungen beim Breitbandausbau bleibt Deutschland bei Glasfaseranschlüssen weiterhin Entwicklungsland. Bis 2025 – also in sieben Jahren! – wollen wir gigabitfähig sein, was für die digitale Welt eine halbe Ewigkeit bedeutet. Und während jährlich bis zu 23 Milliarden

Dr. Paul Kowitz Foto: Jens Schicke

Bereichsleiter Innovation, Digitales und ­Immobilienwirtschaft Wirtschaftsrat der CDU e.V.

US-Dollar in den USA in Künstliche Intelligenz investiert werden, sind es in Europa gerade einmal drei Milliarden US-Dollar – allen Bekundungen um die Bedeutung der Technologie zum Trotz. Unser Problem ist nicht, dass wir nicht erkannt hätten, wie tiefgreifend die digitalen Veränderungsprozesse sein werden. Unser Problem ist auch nicht, dass wir nicht über das Geld verfügen, an der Entwicklung teilzuhaben: Für den Breitbandausbau stellt die öffentliche Hand in dieser Legislaturperiode bis zu zwölf Milliarden Euro bereit, für den Digitalpakt Schule werden fünf Milliarden Euro investiert und auch bei der steuerlichen Forschungsförderung ist der Staat bereit, auf Einnahmen zu verzichten. Hinzu kommt, dass privates Kapital in der Nullzinsphase händeringend nach Anlagemöglichkeiten sucht, die es womöglich in innovativen Proptechs, Fintechs und Insurtechs findet. Unser vor allem deutsches Problem ist das mangelnde Verständnis von der neuen Welt. Solange wir Daten immer noch als Rohstoff bezeichnen, bringen wir stets unsere Unkenntnis zum Ausdruck. Daten sind vielleicht Treibstoff, aber kein Rohstoff. Daten sind duplizierbar, replizierbar und werden nicht auf natürliche Weise knapper als Rohstoffe. Was in manchen Ohren

„Was in manchen Ohren ­ketzerisch und ignorant klingen mag, gehört zum digitalen V ­ erständnis: Daten gehören niemandem.“

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ketzerisch und ignorant klingen mag, gehört dennoch mit zum digitalen Verständnis: Daten gehören niemandem. Sowohl in der bundesrepublikanischen wie auch europäischen Rechtsprechung ist das deutlich geworden. Nicht einmal das personenbezogene Datum gehört einer Person, weil nicht abgegrenzt werden kann, was offensichtlich ist, wie etwa die Haarfarbe, und was nicht, wie etwa der Geburtsort. Genau genommen ist jedes Datum für sich genommen auch ziemlich unbedeutend. In der digitalen Welt ist letztlich nur Big Data von Wert, die große Wolke aus heterogenem Datenmaterial, das es auszuwerten lohnt, wodurch wiederum das einzelne personenbezogene Datum erheblich in den Hintergrund rückt.

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AKTUELL Digitalisierung

Foto: Fotolia.com ©den-belitsky

en endlich einsteigen

Warum ist das wichtig zu verstehen? Weil wir schlicht aus falschem Verständnis eine Datenschutzpolitik betreiben, die der Sache nicht gerecht wird. Dabei leitet der Terminus Datenschutz schon in die Irre, weil Daten nicht das Grundbedürfnis nach Schutz einfordern. Vielmehr geht es um das berechtigte Anliegen, Verbraucherschutz zu betreiben. Wer das für Dialektik hält, hat noch immer nicht die schräge Geisteshaltung der Datenschutzgrundverordnung verinnerlicht und sieht nicht kommen, was die E-Privacy-Verordnung anzurichten droht. Diese Politik basiert auf dem Prinzip der Datensparsamkeit. Kaum etwas an einer Digitalpolitik ist falscher als

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dieser Grundsatz. Der Wert eines Datums lässt sich nicht bemessen, indem man die Marktkapitalisierung etwa von Facebook ins Verhältnis setzt zur Anzahl seiner Nutzerdatensätze, wie mancher annehmen mag. Der Wert eines Datums bemisst sich vielmehr – abhängig von der jeweiligen Verwendung – am Wert der ­Information, zum Beispiel im ­ Rahmen von Big Data-Analysen, KI-An­wendungen oder Produktplatzierungen. Unterstellt, dass der Datenwert vom Informationsgehalt abhängt, bedeutet Datensparsamkeit nichts anderes als Informationsminimierung. Wenn das Europas Antwort auf die Globalisierung ist, macht die Digitalisierungs­ lokomotive künftig einen großen Bo-

gen um den digitalen europäischen Binnenmarkt. Dabei werden Daten im digitalen Zeitalter mehr denn je gebraucht, um Sprunginnovationen und Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Die Technologie der künstlichen Intelligenz braucht Trainingsdaten, damit Maschinen zu lernen beginnen. Diese Maschinen werden in der Industrie genauso zum Einsatz kommen wie in der Altenpflege. Roboter werden uns also auf der einen Seite helfen, das Problem des Fachkräftemangels fast vollständig zu lösen und auf der anderen Seite eine tiefgreifende Veränderung der Arbeitswelten zur Folge haben. Manchem macht diese Veränderung auch Angst. Statt also über Datenschutz und reaktive Regulierung zu sprechen, müsste sich eine Gesellschaft vorbereiten und die Politik einen Gestaltungsanspruch an die neue Welt entwickeln. Man muss nicht alles mitmachen, was technisch geht, aber man muss es verstehen lernen. Kein Wirtschaftssystem ist für die Veränderungen besser gerüstet als die – paradoxerweise 70 Jahre alte – ­ Soziale Marktwirtschaft. Wir sind mit ihr gerüstet, Disruptionen sozial­ ­ politisch leichter zu antizipieren, ohne innovationshemmend zu sein, haben im weltweiten Maßstab exzellente Bildungsstätten und Forschungseinrichtungen und gründen Innovationen auf einem breit aufgestellten Mittelstand, um den uns die ganze Welt beneidet. Wenn wir Wohlstand und W ­ ettbewerbsfähigkeit in Deutschland erhalten wollen, wäre es dringend ­geboten, jetzt den Bahnsteig wechseln und endlich einzusteigen. ­ Unser Zug muss nicht zwingend dieselbe R ­ ichtung nehmen wie der amerikanische oder chinesische. Deutschland hat großes Potential, seinen eigenen Weg zu finden. Eines ist dabei gewiss: Der Zug von damals ist lange l weg.

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AKTUELL Familienunternehmen und Mittelstand

Europas Unternehmen blicken mit Optimismus und Sorge zugleich in die Zukunft.

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nd läuft und läuft und läuft … Die deutsche Wirtschaft wächst in diesem Jahr zum achten Mal in Folge. Erstmals seit der Wiedervereinigung gibt es mehr als 40 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer, immer weniger Menschen sind arbeitslos, die Unternehmen freuen sich über volle Auftragsbücher und blicken – trotz Brexit, aufziehendem Handelskrieg und Streit über die Migration – zuversichtlich in die Zukunft. Das gilt nicht nur für Deutschland, sondern auch für Familienunternehmen und Mittelständler in unseren europäischen Nachbarländern. Also alles in bester Ordnung? Nicht ganz. Für die Studie „European Business Survey 2018“ hat PwC rund 2.500 Entscheider aus Familienbetrieben und mittelständischen Unternehmen in allen 28 EU-­ Mitgliedsländern sowie in Norwegen,

Foto: Frank Rumpenhorst

Harald Kayser Vorstandsvorsitzender PwC Europe SE

„Deutschland und die EU müssen ihre rechtlichen Anforderungen senken, damit ­Unternehmen ihre ­Innovations- ­und Wirtschaftskraft voll ausnutzen können.“ der Schweiz und der Türkei (EU31) befragt. Das Ergebnis zeigt: Wir befinden uns in einer Phase des Umbruchs. Bei allem Optimismus müssen Politik und Wirtschaft die Anzeichen kommender Krisen ernster nehmen. Über 95 Prozent der befragten Unternehmen schätzen ihre aktuel­ le Geschäftslage als „gut“ oder „eher gut“, den Zustand ihrer Unternehmen

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Ernsthafte Risiken am Horizont als „relativ stabil“ oder „sehr stabil“ ein. Fast die Hälfte der Unternehmen will die Investitionen in Ausstattung, Maschinen und Anlagen erhöhen und die Belegschaften ausbauen. So weit so gut. Gleichzeitig benennen die Unternehmen Risiken, die sich schon heute als massive Wachstumsbremse erweisen.

Mangelhaftes Bildungswesen Ein Drittel aller deutschen und europäischen Unternehmen klagt darüber, dass Schulen und Universitäten schlecht oder am Bedarf vorbei ausbilden. Besonders hoch ist die Unzufriedenheit im Osten Europas – in Bulgarien und Ungarn liegt sie bei 75 Prozent.

Fachkräftemangel Allein in Deutschland summiert sich der jährliche Umsatzverlust auf rund 64 Milliarden Euro. Für 60 Prozent aller befragten deutschen Unternehmen ist das Fehlen qualifizierter Mitarbeiter das größte Risiko. In allen EU 31-Staaten zusammen beträgt der volkswirtschaftliche Verlust rund 325 Milliarden Euro.

Gängelung durch Behörden In den meisten europäischen Ländern sehen die Unternehmen die nationalen Bürokratien als größeres Hemmnis für ihre Entwicklung als Verordnungen und Vorschriften aus Brüssel, insbesondere in Rumänien, Griechenland, Kroatien und Finnland. Angesichts der grassierenden medial vermittelten EU-Müdigkeit ist dies ein bemerkenswerter Befund. Um sich gegenüber den Herausforderungen der Zukunft zu wappnen, müssen mittelständische Unternehmen ihre eigenen Hausaufgaben ­erledigen und mehr Zeit und Geld in Digitalisierungsprojekte, Employer Branding, betriebliche Weiterbildung und den Wissensaufbau investieren als bisher. Vor allem aber ist die Politik am Zug. So muss Deutsch­

Rückständige digitale Infrastruktur Fast die Hälfte aller deutschen Unternehmen haben bereits oder fürchten Wettbewerbsnachteile, weil sie keinen Zugang zum Breitbandinternet haben und damit digitale Geschäftsmodelle oder -prozesse nicht so forcieren können, wie sie es gerne hätten. Interessant: Europaweit bemängeln dies nur 25 Prozent der Unternehmen.

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Foto: Fotolia.com ©learchitecto

AKTUELL Familienunternehmen und Mittelstand

land dem w ­achsenden Fachkräftemangel unter anderem durch eine gemeinsam von Bund und Ländern getragene Bildungsreform begegnen. Ein Land, in dem fast 50.000 Jugendliche ohne Hauptschulabschluss ihre Bildungs-„Karriere“ beenden, verschwendet die wichtigste Ressource der heutigen Zeit, das Humankapital. Ziel sollte es sein, die richtigen Arbeitskräfte für den Arbeitsmarkt ­

der Zukunft auszubilden und auf absehbare Engpässe schon jetzt zu ­ reagieren. Zu dieser Strategie gehört auch, das brachliegende Potential bei vielen jungen Migranten zu erkennen und diese für Ausbildung und Arbeitsmarkt fit zu machen. Entschlackung von Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen darf nicht länger nur ein Fall für das Re­ ferat 133 – der Geschäftsstelle Büro-

Die größten Risiken des europäischen und deutschen Mittelstands (in Prozent) Mangel qualifizierte Arbeitskräfte

Quelle: PWC - European Business Survey 2018

nationale Regulierung und Bürokratie Regulierung und Bürokratie durch EU Wettbewerb Rohstoffpreise Energiepreise

EU 31 Deutschland

Spannungen und Kriege Cybersicherheit 0

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kratieabbau – im Bundeskanzleramt sein. Deutschland und die EU müssen ihre rechtlichen Anforderungen senken, damit Unternehmen ihre ­Innovations- und Wirtschaftskraft voll ausnutzen können. Allein die staatlich verordnete Dokumentationswut, von der Arbeitszeiterfassung bis zur Speicherung persönlicher Daten, verschlingt in mittelständischen Unternehmen kostbare Zeit, die an anderer Stelle für Kreativität und unterneh­ merische Entfaltung fehlt. Erkannt hat die Politik den dringenden Handlungsbedarf beim Ausbau der Breitband-Übertragungsnetze. Vor allem in ländlichen Regionen ist ausgerechnet Deutschland teilweise schlechter vernetzt als viele Schwellenländer dieser Welt. Laut Euro­ päischem Rechnungshof wird es nicht gelingen, wie geplant bis 2020 mindestens die Hälfte aller EU-Bürger an ultraschnelle Breitbandverbindungen über 100 Mbit/s anzuschließen. Es gibt also Handlungsbedarf. Noch läuft und läuft und läuft der Wirtschaftsmotor in Deutschland und Europa rund. Es wäre jedoch fahr­ lässig, außer Acht zu lassen, dass dies l kein Selbstläufer ist.

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Foto: Christian Bedeschinski / Vattenfall

AKTUELL Energiepolitik

mehr gesichert. Und ohne deren Anteil von rund 25 Prozent am deutschen Stromverbrauch lägen die Preise an der Strombörse für die Wirtschaft ebenfalls um rund 25 Prozent höher. Auch beim Thema Klimaschutz hat die Braunkohle keine Bringschuld – im Gegenteil! Die Braunkohleindustrie hat – ebenso wie die gesamte deutsche Industrie – ihre Lang­ fristplanungen so ausgerichtet, dass sie mit den internationalen Verpflichtungen D ­ eutschlands vollständig kompatibel sind.

Motor für den ­Wirtschaftsstandort Deutschland

In der Debatte über die Zukunft der Kohle gibt es zwei ­grundlegende Missverständnisse: Gesprochen wird über saldierte Strommengen und ein paar Tausend Arbeitsplätze. Das ist nicht richtig.

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nergie ist das Lebenselixier unserer Volkwirtschaft, sie versorgt als Roh- oder Brennstoff den Motor unseres modernen Lebens. Eine jederzeit sichere Stromversorgung zu international wett­ bewerbsfähigen Kosten ist mehr als ein Standortfaktor: Sie ist die Grundlage für Wachstum und Wohlstand, für Innovation und Investition, für

Foto: LEAG / Andreas Franke

Dr. Markus Binder Mitglied des Vorstandes, Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke AG

„Ohne die heute rund 20 Gigawatt flexibel steuerbaren ­Braunkohlekraftwerke wäre die Stabilität unseres Strom­ netzes nicht mehr gesichert.“ 38

Beschäftigung und sozialen Frieden. Mit dem Ende 2022 abgeschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie wird die Braunkohle der wichtigste Garant für diese unverzichtbare Zuverlässigkeit und Preiswürdigkeit im Strommix Deutschands sein. In der Debatte über die Zukunft der Kohle finden wir immer wieder zwei Missverständnisse. Zum einen wird über saldierte Strommengen gesprochen, die nichts über die tatsächlich erforderliche sekundenbruchteilscharfe Verfügbarkeit der Kraftwerke aussagt. Zum anderen reduziert man die Dimension auf „ein paar Tausend Arbeitsplätze“ in den Bergbau­ regionen, was die Kollateralschäden bei Auftragnehmern, mittelständischen Industriepartnern und – via Strompreiseffekt – bei der gesamten stromintensiven Wirtschaft auszublenden versucht. Tatsache ist: Ohne die heute noch rund 20 Gigawatt flexibel steuer­ baren Braunkohlekraftwerke wäre die Stabili­ tät unseres Stromnetzes nicht

Dies gilt ausdrücklich auch für das Klimaabkommen von Paris. Unsere Kraftwerke unterliegen ausnahmslos dem EU-Emissions­handel. Wir haben unsere europäischen CO2-Verpflichtungen stets akribisch eingehalten und werden dies auch in Zukunft tun. Die LEAG hat 2017 mit einem neuen ­Revierkonzept die in Planung befindliche Kohlemenge von damals gut zwei auf rund 1,2 Milliarden Tonnen reduziert und damit auf die Inanspruchnahme von 850 Millionen Tonnen verzichtet. Nach den umfassenden Modernisierungen und Neubauten der letzten zwei Jahrzehnte ist dies ein weiter Beleg dafür, dass wir unsere Hausaufgaben in Sachen Klimaschutz gemacht haben. Es ist nun an der Bundesregierung, diese Beiträge und Leistungen zu würdigen und darauf nicht mit immer neuen Forderungen und nationalen Alleingängen zu reagieren. Wir erwarten Verlässlichkeit und Vertrauensschutz statt weitere Lasten und l Kosten.

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AKTUELL Energiepolitik

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lüssige Kraft- und Brennstoffe stellen hierzulande derzeit rund 98 Prozent der Antriebs­ energie im Verkehr und etwa 22 Prozent der Heizenergie bereit. Zudem deckt die chemische Industrie drei Viertel ihres organischen Rohstoffbedarfs mit Mineralöl. Will Deutschland seine klimapolitischen Ziele für 2050 erreichen, müssten flüssige Energieträger wie Kerosin, Benzin, Diesel oder Heizöl zunehmend treibhausgasneutral werden. Möglich wäre das zum Beispiel mit synthetischen aus erneuerbarem Strom hergestellten Brenn- und Kraftstoffen. Vielversprechende Verfahren heißen Power-to-Liquid (PtL) und Power-and-Biomass-to-Liquid (PBtL). Die so gewonnenen E-Fuels können genauso verarbeitet, gespeichert, transportiert und verwendet werden wie heutige flüssige Energieträger – und lassen sich diesen auch beimischen. Bereits die jüngst veröffentlichte dena-Leitstudie zeigt: Im weiteren Verlauf der Energiewende wird ein breiter Energiemix deutlich günstiger sein als ein hoher Grad an Elektri­

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fizierung. Eine neue Prognos-Unter­ suchung stellt klar: Ein Energiemix, der E-Fuels mit einschließt, ist zudem der ro­bustere Weg zu mehr Klimaschutz. Eine sehr weitgehende CO2-Reduktion (95 Prozent) ist nur mit E-Fuels möglich. Aus heutiger Sicht könnte PtL laut Prognos-Studie im Jahr 2050 zu wettbewerbsfähigen Kosten zwischen 0,70 und rund 1,30 Euro je Liter erzeugt werden. Voraussetzung wäre ein groß-industrieller Einstieg in die PtL-Produktion – vor allem in sonnen- und windreichen Ländern. Das würde neue wirtschaftliche Perspektiven eröffnen und wäre auch handelspolitisch sinnvoll. E-Fuels sind in allen Verbrauchssektoren und der bestehenden Infrastruktur einsetzbar. Heizgeräte, Tankstellen sowie Fahrzeuge könnten so weiter genutzt werden. Ein ­großer Vorteil – gerade für Verbraucher. Natürlich sollte der E-Fuels-Einsatz ­ immer möglichst effizient erfolgen. Anzustreben sind nun ein verstärkter Aufbau von Forschungsund Entwicklungskapazitäten sowie ein allmählicher, aber stetiger

Markt­hochlauf. Dies setzt allerdings geeignete Rahmenbedinungen für ­ ­Investoren voraus. Aufgrund der derzeitigen regulierungsbedingten Kosten könnte der Einstieg am besten über den Straßenverkehr gelingen.

Dipl.-Ing Adrian Willig Geschäftsführer Institut für Wärme und Oeltechnik e.V. (IWO) Foto: IWO

Flüssige erneuerbare Kraftund Brennstoffe sind für eine weitgehend treibhausgas­­ neutrale Energieversorgung ­unverzichtbar. Solche E-Fuels könnten zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten werden. Das zeigt eine neue ­PrognosStudie zu Status und Perspek­ tiven flüssiger Energieträger in der Energiewende.

Foto: Fotolia.com ©rcfotostock

E-Fuels sichern das ­Erreichen der Klimaziele

„Ein Energiemix, der E-Fuels mit einschließt, ist der robustere Weg zu mehr Klimaschutz.“ Daher ist aktuell bei der CO2-Flottenregulierung für Lkw und Pkw – neben der E-Mobilität – auch die Anrechnung von E-Fuels zu berücksichtigen. Dies wäre im S­ inne der Techno­ logieoffenheit. Die vollständige Studie finden Sie unter www.zukunftsheizen.de/­ l eFuelsStudie

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WIRTSCHAFTSRAT Innenansicht



NEUES AUS DEN KOMMISSIONEN 

Texte: A rmin Peter

INDUSTRIEBEIRAT

Deutsch-österreichische Innovationsoffensive beschlossen Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz diskutierte mit Unternehmern im Wirtschaftsrat das Thema „Agenda für einen starken und innovativen Industriestandort Deutschland und Österreich in Europa“. Der Präsident des Wirtschaftsrates, Werner M. Bahlsen, betonte, dass Europa sich in einer Umbruchphase befinde und große Aufgaben auf den Kontinent zukämen. „Wir beim Wirtschaftsrat wissen genau: Die industriepolitischen Herausforderungen im digitalen Zeitalter können nur mit innovativen Ansätzen und im europäischen Schulterschluss gelöst werden“, sagte Bahlsen. Als positives Beispiel für die Bündelung von Innovationskräften führte er die Initiative „European Energy Lab 2030“ des Wirtschaftsrates mit Stationen in München, Berlin und Wien an. Eindrücke und Kern-Botschaften der deutsch-österreichischen Innovationsinitiative wurden in einem kurzen Film zusammenge-

fasst. Bundeskanzler Kurz betonte, Österreich wolle wieder wettbewerbsfähiger werden: „Aber wir müssen auch schlanker werden in der Europäischen Union, um zeitgemäßer entscheiden zu können.“

KÜNSTLICHE INTELLIGENZ

Europäischer Masterplan für ­Automatisierung und KI gefordert In der Sitzung der Bundesfachkommission „Künstliche Intelligenz und Wertschöpfung 4.0“ forderte ihr Vorsitzender Hans-Georg Krabbe von der Politik einen europäischen Masterplan für Automatisierung und Künstliche Intelligenz ein. „Die Hälfte des weltweiten Fundings in KI-Startups fließt derzeit nach China. Von den international 22.064 KI-Spitzenkräften, die das Portal „LinkedIn“ gezählt hat, sind 40 Prozent in den USA beschäftigt und nur knapp drei Prozent in Deutschland. Unter den zehn Unternehmen mit der größten

Marktkapitalisierung sind acht US- und zwei chinesische Firmen – jedoch kein einziges europäisches Unternehmen“, bilanzierte Krabbe. Andreas Steier MdB, Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung des Bundestages, kündigte eine Strategie für den Einsatz und Umgang mit Künstlicher Intelligenz noch für diese Legislaturperiode an. Ziel sei es, möglichst viel Wertschöpfung in Deutschland zu generieren. Die Mitglieder der Kommission plädierten dafür, den Chancen von KI mehr Gehör zu verschaffen, statt nur auf Risiken und Gefahren hinzuweisen. Gesetzgeberische Abgrenzungen von Chancen und Risiken sollten sich künftig zudem eher auf die Bemessung von Wahrscheinlichkeiten als auf deterministische Lösungen stützen. Die Kommission will sich zudem zum Thema Datenschutz positionieren und sich dafür einsetzen, dass Daten ein handelbares Gut werden.

EUROPÄISCHE FINANZMARKT- UND WÄHRUNGSPOLITIK

Unter dem Vorsitz von Dr. Lutz Raettig beriet die Bundesfachkommission Europäische Finanzmarkt- und Währungspolitik über die Reformnotwendigkeiten der Eurozone, die Risiken des wirtschaftspolitischen Programms der neuen italienischen ­Re­gierung sowie Fragen der Bankenabwicklung und Finanzsta­ bilität. Einen besonderen Schwerpunkt bildeten in der Diskussion die Folgen der expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Prof. Dr. Gunther Schnabl von der Universität Leipzig

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k­ ritisierte in seiner Analyse die Umverteilungswirkungen und die verheerenden Folgen auf die marktwirtschaftliche Ordnung.

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Fotos: Jens Schicke

Folgen der expansiven Geldpolitik


WIRTSCHAFTSRAT Innenansicht

STAATSFINANZEN

Alle Bundesländer melden ­Haushaltsüberschüsse Mit einem hochkarätigen Gast, dem Leiter des Ifo-Instituts Prof. Dr. Clemens Fuest, erörterte die Bundesarbeitsgruppe Staatsfinanzen die Verhandlungen zum Bundeshaushalt. Es galt einen Kompromiss zu finden, zwischen Spielräumen für steuerliche Entlastung und den im Koalitionsvertrag vereinbarten Ausgabeplänen. „In naher Zukunft weisen alle 16 Bundesländer Haushaltsüberschüsse auf “, sagte der Vorsitzende Eckhard Rehberg MdB. „Dies liegt neben der guten Wirtschaftslage auch an erhöhten Zuweisungen von Steuergeldern sowie einem fünf Milliarden schweren Entlastungspaket für die Kommunen.“ Prof. Dr. Clemens Fuest skizzierte die Zukunft der finanziellen europäischen Integration und die möglichen Folgen für den Bundeshaushalt. „Die Haushaltslücke aufgrund des Brexits beläuft sich auf zehn bis 15 Milliarden Euro pro Jahr“, bilanzierte Fuest. „Diese kann nur durch Mittelkürzungen oder höhere Beiträge der verblie-

benen Staaten geschlossen werden. Letzteres ließe den deutschen Anteil am EU-Haushalt von 19 auf 21,5 Prozent oder um rund 35 Milliarden Euro steigen.“ Fuest plädierte dafür, die Ausgaben für die Agrar- und Strukturpolitik zurückzufahren und frei gewordene Mittel an anderer Stelle zu nutzen. Die Arbeitsgruppe war sich einig in der Forderung einer Abkehr von immer weiterer Vergemeinschaftung von Schulden und Risiken in Europa sowie einer Rückbesinnung auf die ursprüngliche Intention einer erfolgreichen Wirtschaftsgemeinschaft. Dazu ist mehr denn je eine schlanke und schlagkräftige Administration notwendig. Mit einem immer größeren, teureren und schwerfälligeren Verwaltungsapparat, der es sich in einer Schuldenunion bequem macht, ist Europa nicht zukunftsfähig.

DIGITAL HEALTH

ENERGIEPOLITIK

Neue bürokratische Hürde

Überstürzten Kohleausstieg vermeiden

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens bietet große Chancen für Deutschland. Auf dem Weg dahin sind allerdings noch zahlreiche Hürden zu überwinden. Welche, und wie sie am besten überwunden werden können, darüber tauscht sich die Bundesfachkommission Digital Health regelmäßig aus. Uwe Eibich, Vorstand der CompuGroup Medical SE, referierte über den Stand der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte: „Eine besondere Herausforderung ist die Inbetriebnahme in den rund 200.000 Arzt- und Zahnarztpraxen bis Jahresende.“ Eine relativ neue Hürde stellt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dar. Sie bedeutet für Arztpraxen einen erheblichen Mehraufwand: „Ärzte waren schon auf Grundlage der bestehenden Rechtslage verpflichtet Datenschutz und -sicherheit sicher­ zustellen“, erklärte Eike Makuth von der Bundeszahnärztekammer. „Steigt jedoch der Bürokratieaufwand, fehlt die Zeit für die Patienten.“ Die Mitglieder der Bundesfachkommission äußerten den Wunsch nach einem pragmatischen Umgang mit der DSGVO in Deutschland.

In der Sitzung der Bundesfachkommission Energiepolitik ging es um die Chancen der Digitalisierung bei der Vernetzung von Erzeugung, Vermarktung und Verbrauch. Der Vorsitzende Dr. Karsten Wildberger betonte die Notwendigkeit, Potentiale der Digitalisierung für die Energiewende stärker zu nutzen und Herausforderungen als Chancen zu begreifen. Die Unternehmer waren sich einig, dass marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen geschaffen und staatliche Abgaben und Umlagen reduziert werden müssen, damit sich neue Technologien durchsetzen können. In dieser Legislaturperiode müsse ein Rahmen entwickelt werden, der die Digitalisierung zum Motor einer effizienten Energiewende mache. Gleichzeitig gelte es einen überstürzten Kohleausstieg zu vermeiden. Diese Kernbotschaften bekamen der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, und Marie-Luise Dött MdB mit auf den Weg. Die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion betonte, dass Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit gleichrangig zu nachhaltigem Klimaschutz behandelt werden müssten. Eine Verschärfung der im Nationalen Aktionsplan ­Klimaschutz festgeschriebenen Sektorziele bis 2030 lehnten die Mitglieder der Bundesfachkommission klar ab.

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WIRTSCHAFTSRAT Bundesdelegiertenversammlung

Deutschland braucht ein starkes Europa Europa muss zusammenstehen, wenn es gegenüber den USA und China bestehen will.

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ie Amerikaner überziehen Europa mit Strafzöllen. Wer hätte das je für möglich gehalten? Über den Protektionismus wurde zwischen Europa und den USA viel geredet, um eine Eskalation zu verhindern, nicht nur per Twitter. Inzwischen sagt der französische Finanzminister: Wir sind noch nicht in einem Handelskrieg, aber nicht mehr weit davon entfernt. Wir erleben eine fundamentale Plattenverschiebung im

Werner M. Bahlsen Foto: Jens Schicke

Präsident Wirtschaftsrat der CDU e.V.

„Deutschland braucht eine ­engagiertere Innovationspolitik.“ transatlantischen Verhältnis. Gleichzeitig baut China seine Position durch gezielte Unternehmenskäufe strategisch aus. Europa hat nur eine Chance, wenn es zusammensteht. Wie lässt sich Europa stärken? Aus Paris und Brüssel kamen Vorschläge zur Neuaufstellung der EU, denen wir nicht zustimmen können wie dem Finanzausgleich und der Ausweitung der deutschen Haftung. Aber die großen Fragen unserer Zeit wie Handelspolitik, Flüchtlingsströme, Wachstum, Digitalisierung und Energiewende werden wir national nicht lösen können. Dafür braucht es ein handlungs-

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fähiges Europa. Deshalb ist es wichtig, dass die Bundesregierung ein Zielbild entwickelt. Europa ist mehr als ein Wirtschaftsklub. Es ist ein einmaliges Friedens- und Freiheitsprojekt. Und Europa bietet Rückhalt in Krisenzeiten. Aber wir wollen nicht für alle Schulden haften. Wenn die EU funktionieren soll, müssen wir zurück zum Vertrag von Maastricht. Europa muss den Rahmen setzen, aber Platz für nationale Entwicklungen lassen. Und Solidarität kann immer nur Hilfe zur Selbsthilfe sein. Auch in Deutschland heißt es umzudenken: Der Wirtschaft geht es gut. Aber wir dürfen die Hände nicht in den Schoß legen. Innovation ist die Grundlage für Fortschritt, Wohlstand und Zukunftsfähigkeit. Deutschland braucht eine engagiertere Innovationspolitik und sollte denen Rückhalt geben, die für Neues Risiken eingehen. Das heißt, in Ideen und Köpfe investieren und einen zeitgemäßen Rahmen für Investitionen schaffen. Nicht jede Firma kann die Kosten der Digitalisierung stemmen. Deshalb brauchen wir die steuerliche Forschungsförderung. Bei der Digitalisierung müssen wir die politischen Zuständigkeiten bündeln. Trotz einer Staatsministerin für Digitales im Kanzleramt, befassen sich 14 Bundesministerien mit dem Thema. Zudem gilt es Überregulierungen zu vermeiden – Stichwort: Datenschutzgrundverordnung, die Unternehmen mit Bürokratie und Kosten überzieht. Ein zentrales Thema ist auch die Bildungspolitik. Deutschland muss hier mehr und effektiver inves­

tieren. Bildung ist eine entscheidende Gerech­tigkeitsfrage. Wir brauchen ein modernes Bildungssystem mit bundeseinheitlichen Standards, aber ­ bitte auf dem ­ ­ Niveau von Bayern, nicht Bremen. Ein zentraler Punkt deutscher Wettbewerbsfähigkeit ist das Steuersystem. USA, Frankreich und Großbritannien vereinfachen ihre Steuersysteme und senken Sätze. Deutschland wartet ab und freut sich über Rekordeinnahmen, die schnell wieder versiegen können. Es ist Zeit für eine große Unternehmenssteuerreform. Der Solidaritätszuschlag gehört abgeschafft – komplett. Unser zentraler Kritikpunkt an der Großen Koalition: Es wird zu viel umverteilt und zu wenig in die Zukunft l investiert.

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WIRTSCHAFTSRAT Bundesdelegiertenversammlung

Deutschlands ­ Zukunft sichern Tempo etablierte Geschäftsmodelle. Besorgniserregend ist unser digitaler Rückstand: Auf 100 Einwohner kommen 0,7 Breitbandanschlüsse. Das ist die rote Laterne in allen Industrieländern.

Foto: Jens Schicke

2.  Gesetzliche Rente. Mit dem

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timmten 1972 noch 83 Prozent aller Wähler für die Volksparteien Union und SPD waren es 2017 nur noch 53 Prozent. Diese beiden Wahlverlierer bilden nun eine Regierung. Kein Wunder, dass der Kit dieses Bündnisses brüchig ist: Schlüsselprojekte landen auf der langen Bank und 105 Prüfaufträge in 18 Kommissionen. Wirtschaftlicher Erfolg, Jobwunder und sprudelnde Steuereinnahmen stehen aber nicht unter Denkmalschutz. Der IWF warnt vor einer alternden Bevölkerung und einer wenig produktiver werdenden Wirtschaft. Damit es Deutschland auch in Zukunft gut geht, muss die Große Koalition jetzt sechs Themen angehen:

1.  Digitalisierung. Digitale Produkte und Prozesse verdrängen in rasantem

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Rentenkapitel im Koalitionsvertrag rollt eine gewaltige Beitrags- und Steuerlawine auf die Jungen zu. Wird das Konzept umgesetzt, fallen 2025 Zusatzkosten von elf Milliarden Euro pro Jahr an, 2030 bereits 45 Milliarden Euro und 2048 mehr als 125 Milliarden Euro. Den Königsweg, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln, schließt die Bundesregierung aus.

3.  Haushalts- und Steuerpolitik. Steuer­ er­höhungen konnten verhindert werden, aber die überfällige Entlastung der Leistungsträger ist gescheitert – trotz immer neuer Steuereinnahme­ rekorde. Der Wirtschaftsrat fordert eine umfassende Steuerreform. 4.  Europapolitik. Deutschland macht seine Europapolitik erpressbar. Stichwort: Target-Forderungen. Rund eine Billion Euro haben wir an andere Euro-Staaten mit schwacher Bonität verliehen, ungesichert, zins­ und tilgungsfrei. Italien will jetzt einen Schuldenschnitt oder eine EU-­Einlagensicherung durchsetzen. Fazit: Die Schuldenkrise mit neuen ­Schulden zu bekämpfen ist gescheitert. Die ­Triebfeder für Wohlstand in

Europa muss wieder der Binnenmarkt werden. 5.  Flüchtlingspolitik. Der Wirtschafts-

rat hat es geschafft, das Zuwanderungsgesetz im Koalitionsvertrag zu verankern. Jetzt muss es schnell umgesetzt werden und zwei Kernaufgaben erfüllen: den Zuzug in die Sozialsysteme begrenzen, Asylanträge schneller prüfen, abgelehnte Bewerber zügig abschieben und: Fachkräften den Weg nach Deutschland erleichtern.

Wolfgang Steiger Generalsekretär Wirtschaftsrat der CDU e.V.

Foto: Jens Schicke

Damit es Deutschland auch in Zukunft gut geht, muss die Große Koalition jetzt sechs Themen angehen.

„Besorgniserregend ist unser digitaler Rückstand.“ 6.  Arbeitsmarktpolitik. Hartz   IV ist ­ ilfe zur Selbsthilfe. Wer arbeitet H muss deutlich mehr bekommen. Wer auf Kosten des Steuerzahlers lebt und gesund ist, muss zu einer Gegenleistung für die Gemeinschaft verpflichtet werden. Wer sich weigert, dem müssen Leistungen gekürzt werden können.

Um die Demokratiekrise anzugehen, braucht Deutschland eine Politik, die dem Aufstiegsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft neue Kraft verleiht, die den Weg in die digitale Welt weist, die innere Sicherheit stärkt und neue Dynamik in Europa auslöst. l

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WIRTSCHAFTSRAT Wirtschaftstag

„ Wachstum, Wettbewerbsfäh Zukunftsthemen anpacken, M

Bühne für Politik und Wirtschaft

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nter dem Motto „Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Währungsunion – Zukunftsthemen anpacken, Marktkräfte stärken“ ­diskutierten auf dem Wirtschaftstag in Berlin mehr als 3.500 hochkarätige Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft über die ­Zukunftsaufgaben für ein wirtschaftlich starkes Deutschland. Sicherheit, Eigentum und Freiheit müssen für den ökonomischen Erfolg eines Landes garantiert sein. „Das wirtschaftspolitische Umfeld für unsere Unternehmen und Betriebe wird jedoch zunehmend schwieriger. Die Bundesregierung muss umsteuern und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern, etwa indem sie den Solidaritätszuschlag zügig für alle abschafft“, forderte Werner M. Bahlsen, Präsident des Wirtschaftsrates, zum Auftakt der Veranstaltung.

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WIRTSCHAFTSRAT Wirtschaftstag

Fotos: Hans-Christian Plambeck, Jens Schicke

higkeit, Währungsunion – ­ Marktkräfte stärken“

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WIRTSCHAFTSRAT Sektionen 2018

Auszeichnung:

Sektionen des Jahres Zum vierten Mal vergaben Präsidium und Bundesvorstand des Wirtschaftsrates den begehrten Ehrenpreis für engagierte Sektionen. Text: P atricia Schrams

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ie Sektionen bilden den Kern des Wirtschaftsrates. Den Familienbetrieben vor Ort als Wurzeln der deutschen Wirtschaft kommt besondere Bedeutung zu. Dabei sind die Leitlinien des ehrbaren Kaufmanns die Grundlage für die Prinzipien des Unternehmerverbandes“, begrüßte Werner Bahlsen, Präsident des Wirtschaftsrates, die Gäste. Der Wirtschaftsrat hatte in die Parlamentarische Gesellschaft nach Berlin eingeladen, um besonders engagierte Sektionen auf Vorschlag der Landesverbände im Namen von Präsidium und Bundesvorstand auszuzeichnen. Nicht teilgenommen haben die Landesverbände Brüssel, Saarland, Bremen und Hamburg, weil sie 2018 keine Sektionen hatten. Die nominierten Sektionen zeichnen sich etwa durch die intensive Pflege unternehmerischer und politischer Netzwerke, die Planung spannender Veranstaltungen, herausragende Presseaktivitäten, gute Kampagnen oder den intensiven Dialog mit der Politik aus. Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates Wolfgang Steiger kommentierte die Preisverleihung: „Es ist unsere Aufgabe, unseren wirtschaft­ lichen Sachverstand zu den entscheidenden Themen in die politische Debatten einzubringen. Das erfordert nicht selten viel Geduld. Wie herausfordernd und langwierig dies sein kann, das haben Sie als Sektionssprecher schon erfahren.“ Nach einer Exkursion in das aktuelle politische ­Geschehen, würdigte auch der Präsident des Wirtschafts­ rates, Werner M. Bahlsen, die wichtige Arbeit der Sektions­

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sprecher vor Ort. „Das Ehrenamt übernimmt persönlich Verantwortung, um die drängenden Fragen unserer Zeit zu beantworten. Die große Wertebasis, die durch die Expertise von 12.000 Mitgliedern entsteht, ist sehr entscheidend für die Arbeit des Wirtschaftsrates.“ Werner M. Bahlsen bedankte sich für die engagierte Arbeit in den Landes­ verbänden und Sektionen: „Sie geben dem Wirtschaftsrat ein Gesicht – wir danken Ihnen für Ihr Engagement und freuen uns, dass Sie dabei sind!“ Nach der Preisverleihung übernahm Ehrengast Annegret Kramp-Karrenbauer das Mikrofon. Sie stellte die Frage, ob die Soziale Marktwirtschaft im 21. Jahrhundert noch dazu in der Lage sei, Wohlstand für alle zu schaffen. Haben wir noch Menschen im Land, die hier zustimmen? Die Generalsekretärin der CDU Deutschlands wies darauf hin, wie wichtig es sei, das Vertrauen in die Soziale Marktwirtschaft wieder aufzubauen und zu stärken. „Im transatlantischen Verhältnis wird dieses Vertrauen enorm auf die Probe gestellt. Die Grundlage unserer Gesellschaftsordnung, Verträge einzuhalten, wird ständig über den Haufen geworfen“, so Annegret Kramp-Karrenbauer. Für ihre Ausführungen Schwachstellen, wie die niedrigen Verteidigungsausgaben auszumerzen, bekam sie anerkennenden Applaus. Sie setzte sich außerdem dafür ein, Europa zusammenzuhalten und zu stärken. Die Sektionssprecher konnten anschließend mit Annegret Kramp-Karrenbauer über aktuelle politische l ­Fragestellungen diskutieren.

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WIRTSCHAFTSRAT Sektionen 2018

Wirtschaftsrats-Präsident Werner M. Bahlsen überreichte die Ehrenurkunden an die Sektionssprecher oder ihre Vertreter und einen Landesvorsitzenden des Jungen Wirtschaftsrates.

Junger Wirtschaftsrat in NRW Landesvorsitzender Lars Fiele, Geschäftsführender Gesellschafter, Stremmer Sand + Kies GmbH, Bottrop-Kirchhellen

Hannover Marius-Quintus Jäger, Geschäftsführender Gesellschafter, Arnold Jäger Holding GmbH, Hannover

Flensburg / Schleswig Hauke Präger, Relationsship Management, VR Bank Flensburg-­ Schleswig eG, Flensburg

Pforzheim Georg Wellendorff, Geschäftsführer, Wellendorff Gold Creationen GmbH & Co.KG, Pforzheim

Kaiserslautern / Südwestpfalz Horst Peschla, Geschäftsführer, Peschla & Rochmes GmbH, Kaiserslautern

Groß-Gerau Stephan H. Schildge, Geschäftsführer, E + P Real Estate Management GmbH & Co. KG, Rüsselsheim

Rostock Kristin Fibian, Mitglied des Sektionsvorstandes und Inhaberin, Adiant Druck Rostock, Roggentin, in Vertretung des Sektionssprechers, Thomas Lambusch, Geschäftsführender Gesellschafter, SEAR GmbH, Rostock

Altmark Dr. Christoph von Katte, Rechtsanwalt, Friepörtner & v. Katte, ­Rechtsanwälte, Magdeburg

Südbrandenburg

Fotos: Jens Schicke / Fotolia.com ©Robert Kneschke

Peter Kopf, Geschäftsführer, Kopf Heizungs- und Klimatechnik GmbH, Cottbus

Ostthüringen Chemnitz Kathrin Werner, Prokuristin, MAVEG mbH, Chemnitz

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Peter Schmidt, Geschäftsführer, JENATEC Industriemontagen GmbH, Jena

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Foto: Jens Schicke

STANDPUNKT STEIGER 48

„Mit der DSGVO wird der Datenschutz immer mehr zum Hemmschuh einer ­erfolg­reichen Digitalpolitik. Gut gemeint ist mal wieder das Gegenteil von gut gedacht.“

Wolfgang Steiger Generalsekretär des Wirtschaftsrates der CDU e.V.

Mehr Realismus im Datenschutzrecht!

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lbtraum statt Anwenderfreundlichkeit: Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) hat vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen für Ärger gesorgt. Viele Firmen müssen seit dem 25. Mai erhebliche personelle und finanzielle Belastungen stemmen. Gestaltung und Umsetzung dieses bürokratischen Monsters sind das perfekte Negativbeispiel für ein wirtschaftsfreundliches Datenschutzrecht. Denn das geht genau andersherum. Im größten Industrieland Europas treffen derzeit verunsicherte Unternehmer auf verkürzte Sprechzeiten in Behörden. Meldungen über Datenpannen werden nicht bearbeitet. ­Damit wird die Datenschutzpolitik zu einem Fiasko. Ganz abgesehen davon verfehlt die Verordnung ihr ­ursprüngliches Ziel: Mit der europaweiten Harmonisierung des Datenschutzrechtes sollte eigentlich ein gemeinsamer Standard gefunden werden, wie dem Verbraucherschutz im Zeitalter der datengetriebenen Geschäftsmodelle Rechnung getragen werden kann. Genau das verhindern aber nicht weniger als 68  (!) Öffnungsklauseln, weil jedes Mitgliedsland der EU wiederum eigene Vorstellungen entwickeln kann. Und Deutschland setzt noch einen drauf, indem die Implementierung in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt wird. Da blickt doch wirklich niemand mehr durch! Die Bundesregierung sollte jetzt für schnelle gesetzliche Klarstellungen und echte Erleichterungen sorgen. Alle derzeit auftretenden Probleme mit unbestimmten Rechtsbegriffen, Lücken in den Gesetzen

und fehlenden Abstimmungen mit der bestehenden Gesetzeslage waren absehbar. Vor allem kleinere Betriebe sind die Leidtragenden. Der Wirtschaftsrat fordert deshalb eine Mittelstandsklausel, die KMU von den rigiden Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung ausnimmt. Vor allem aber muss sichergestellt werden, dass Abmahnvereine nicht ihr Unwesen treiben und Unternehmer schnell wieder gewiss sein können, auf der rechtlich sicheren Seite zu stehen. Deshalb setzt sich der Wirtschaftsrat dafür ein, dass bei etwaigen Rechtsverstößen auch weiterhin das Grundprinzip „erst verwarnen, statt bestrafen“ gilt. Leider ist die DSGVO nur das Symptom eines grundsätzlichen Problems: Die aktuelle Datenschutzpolitik wird dem modernen Digitalzeitalter nicht gerecht. Während Daten der wichtigste Treibstoff für Innovationen der Zukunft sind, setzen Bundesregierung und EU auf eine Verbotspolitik und verhindern damit zum Beispiel, dass Trainingsdaten für Künstliche Intelligenz-Technologien verarbeitet werden können. Das wird Europa im internationalen Wettbewerb noch weiter hinter die digitalen Champions China und USA zurückwerfen. Und es ist hilft ganz gewiss nicht weiter, dass Berlin und Brüssel bereits an neuen bürokratischen Monstern arbeiten. Der Wirtschaftsrat fordert deshalb ein Moratorium für die auf EU-Ebene diskutierte E-Privacy-Verordnung, solange Folgen und Wirkungen der DSGVO in den Mitgliedstaaten nicht zweifelsfrei absehbar sind. Dies wäre das mindeste, was die Politik für Mittelständler l tun könnte.

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JUNGER WIRTSCHAFTSRAT Positionspapier

Digitalisierung verändert die Ökonomie

Foto: Fotolia.com ©Alexander Limbach

Auszug eines Positionspapiers des Jungen Wirtschaftsrats zur Digitalisierung im Mittelstand.

Text: M arcus Ewald

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er Schwarm produziert, der Schwarm bewertet, der Schwarm verteilt: Soziale Netzwerke machen mit Content, was Medienkonzerne früher selbst leisteten. Das gilt auch für den Handel. Auf Amazon listen sich Hersteller selbst, die Kunden bewerten die Produkte und Amazons Logistik liefert aus. Die drei Funktionen Dinge finden, Dinge sortieren und Dinge verteilen sind Grundfunktionen jeder Unter­ nehmung. Pharmaunternehmen finden Medikamente, beurteilen ihre Nützlichkeit und verbreiten sie im Gesundheitssystem. Maschinenbauer finden physikalische Lösungen, sortieren die nützlichsten aus und verkaufen die Maschinen. Eine der Triebfedern der Industrialisierung ist das Verbinden einzelner Individuen zu komplexen Organisationen. Deren Regeln und Prozesse formen eine eigene Organisationsintelligenz. Diese aber wird als Werttreiber abgelöst werden. Die Digitalisierung wird dabei oft missverstanden – viele halten sie für das Übersetzen einer analogen in eine digitale Organisationsintelligenz. Das ist zwar notwendig, aber nicht hinreichend. In der Finanzbranche beispielsweise wird die Digitalisierung nicht die Banken digital machen, sondern die Ökonomie des Bankings verändern. Letztendlich wird sie in allen Branchen die Ökonomie verändern und den Großteil der Wertschöpfung vereinnahmen, indem

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ihre Methoden mehr Lösungen finden, sie besser sortieren und besser verteilen. Dabei bedient sich die Digitalisierung dreier Methoden. Die erste aus der derzeitigen Frühphase der Digitalisierung ist eine chaotische Netzwerkintelligenz, die mit Likes, ­Shares arbeitet. Sie wird hauptsächlich durch einfache Emotionen reguliert, aber das genügt bereits, um die Medien- sowie die Handelsbranche schwer zu erschüttern. Die Netzwerkintelligenz wird um zwei weitere Mechanismen ergänzt werden: Der regulierten Netzwerkintelligenz und der künstlichen Intelligenz. Beide werden die ­Zukunft in Co-Evolution antreiben. Die regulierte Netzwerkintelligenz basiert derzeit auf Blockchain. Einander Unbekannte interagieren innerhalb vorfestgelegter, komplexer Regeln in einem Internet der Verträge und Anreize. So lassen sich höhere kognitive Funktionen zu mitreißenden und überlegenen Dynamiken verbinden. Die Algorithmen der künstlichen Intelligenz werden durch Daten aus der digitalisierten Organisationsintelligenz, der Netzwerk- und der regulierten Netzwerkintelligenz trainiert. Sie werden Erlerntes reproduzieren und automatisieren sowie die anderen Intelligenzen befruchten und verbessern. Für eine wahrhaft digitale Ökonomie in Deutschland muss der deutsche Mittelstand jetzt beginnen, alle Formen l zu nutzen.

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WIRTSCHAFTSRAT Engagement

Text: A rmin Peter

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ie Digitalisierung stellt Deutsch­ land vor nie dagewesene Herausforderungen. Nur wer sich ändert, wird bestehen. Der rasante Wandel aller Lebensbereiche verunsichert jedoch viele Menschen. Da kann ein wenig Optimismus nicht schaden. Thomas Saueressig gestaltet den digitalen Wandel als Chief Information Officer von SAP aktiv mit. Und Optimismus

tern. Wir haben Top-Unis, eine Industrie mit zahlreichen Weltmarktführern und einen Mittelstand, um den uns die ganze Welt beneidet. Deutschland prägt die Industrie 4.0 bereits mit.“ Thomas Saueressig weiß, wovon er spricht: Seit Mai 2016 ist der 33-jährige Leiter der Informationstechnik bei SAP – und damit der jüngste CIO eines deutschen DAX-Unternehmens. Bereits zu Studienzeiten hat er bei SAP

an, offen für neue Themen zu sein und auch mal Risiken einzugehen.“ Genau darum geht es ihm auch in der Bundesfachkommission Internet und Digitale Wirtschaft. Der neue Vorsitzende möchte deutliche Akzente setzen und warnt: „Bei Themen wie Künstliche Intelligenz, Cyber Security, der Schaffung einer Gründerkultur und engerer Vernetzung von Startups und Industrie sind Länder wie China oder

Keine Angst vor dem digitalen Wandel ist für den neuen Vorsitzenden der Bundesfachkommission Internet und Digitale Wirtschaft im Wirtschaftsrat eine Selbstverständlichkeit: „Deutschland hat alle Voraussetzungen, um die Digitalisierung erfolgreich zu meis-

gearbeitet, jetzt ist Saueressig sehr jung bereits im C-Level angekommen. Sein Alter spielt im täglichen Umgang aber keine Rolle, wie er sagt: „Manche sind mit über 60 Jahren noch innovativer als jeder 18-Jährige. Es kommt darauf

die USA schon viel weiter. Hier muss Deutschland sich mehr anstrengen, um das Potential aus unseren guten Voraussetzungen zu schöpfen. Sonst werden wir vom Innovationstreiber zum reinen Konsumenten.“

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Foto: Fotolia.com ©xiaoliangge

„Digitalisierung nutzt allen – heute werden Umsätze in Höhe von hunderten Milliarden Euro nur dank der ­Industrie 4.0 erzielt.“

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Auch beim Thema Investitionen in die digitale Infrastruktur hinke Deutschland deutlich hinterher. „Grundvoraussetzung für die Digitalisierung ist eine entsprechende Netzabdeckung. Hier gibt es leider noch immer gewaltigen Nachholbedarf “, moniert Saueressig. Große Hoffnungen setzt er in den neuen Mobilstandard 5G: „Das könnte die nächste Revolution werden. Vielleicht wird es mit 5G auch leichter, die weißen Flecken auf der Landkarte abzudecken.“ Ein weiteres Thema auf der Agenda der Bundesfachkommission ist der Datenschutz. Die Datenschutzgrundverordnung bedeutet für viele Mittelständler und Kleinunternehmen bürokratischen Mehraufwand. Saueressig kann der Debatte dennoch auch Positives abgewinnen: „Wir haben eine gesunde Debatte, da jetzt jede Firma und jeder Mensch das Thema ernst nehmen muss“, bilanziert er. „Zugleich müssen EU und Bundesregierung aber darauf achten, den Datenschutz modern und innovativ zu gestalten.“ Denn die Nutzung persönlicher Daten sei kein Selbstzweck, wie Thomas Saueressig betont. Vielmehr gehe es immer darum, das Nutzererlebnis zu verbessern. „Nehmen wir als Beispiel die Medizin: Eine Röntgenbildauswertung durch künstliche Intelligenz kann Diagnosen verbessern, sie macht also das Leben der Menschen besser.“ „Digitalisierung nutzt allen“ – mit dieser positiven Grundhaltung stellt sich Thomas Saueressig seiner täglichen Arbeit. Sei es bei SAP oder im Wirtschaftsrat, er blickt mit Optimismus in die Zukunft. Auch auf die Ängste der Bürger vor Arbeitsplatzverlust oder veränderten Anforderungen an Arbeitnehmer möchte Thomas Saueressig eingehen: „Kurzfristig bedeutet der digitale Wandel natürlich Veränderung in vielen Jobs. Aber wenn wir in die Vergangenheit blicken, sehen wir, dass alle industriellen Revolutionen letztlich mehr Arbeitsplätze und Wohlstand geschaffen haben.“ Hinzu kommt, dass es sich bei der Industrie 4.0 um kein fernes Zukunftsszenario handelt – die Veränderung ist bereits in vollem Gange. „Schon heute werden Umsätze in Höhe von hunderten

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Foto: SAP SE

WIRTSCHAFTSRAT Engagement

Thomas Saueressig ist Leiter der Informationstechnik bei SAP – und mit 33 Jahren der jüngste CIO aller DAX-Unternehmen. Als neuer Vorsitzender der Bundes­ fach­kommis­sion Internet und Digitale Wirtschaft des Wirtschafts­rates will er sich dafür stark machen, dass die B ­ undes­regierung das ­Potential aus Deutschlands guten Voraus­setzungen für eine gelungene Digitalisierung voll ausschöpft. Milliarden Euro nur dank der Digitalisierung erzielt“, erklärt Saueressig. „Als CIO von SAP helfe ich bei der Bereitstellung von Prozessen, mit denen Unternehmen skalieren können. Und als Kommissionsvorsitzender möchte ich mich dafür einsetzen, dass wir auch politisch rechtzeitig die Weichen für die Zukunft stellen.“ Deshalb wünscht sich Saueressig von den Entscheidern die Vermittlung einer „positiven Grundstimmung“ gegenüber neuen Technologien. „Mit den richtigen Studiengängen oder Ausbildungen können die nötigen Skills entwickelt werden“, sagt er. „Denn durch die Digitalisierung verstärkt sich der Trend hin zu höherwertigen Jobs.“ Dass der Mensch eines Tages durch Maschinen ersetzt werden könnte, glaubt Thomas Saueressig hingegen nicht: „Empathie und Kreativität kann kein Computer lernen. Beides braucht man aber in fast jedem Beruf.“ Hier könnten frei gewordene Potentiale optimal genutzt werden.

Vor allem Empathie wird Thomas Saueressig in seiner neuen Funktion gut brauchen können, denn jenseits der technischen Umsetzung muss die Digitalisierung von viel Überzeugungsarbeit begleitet werden. Umfragen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit der Arbeitnehmer Angst vor dem digitalen Wandel hat. Auch das muss die Bundesfachkommission Internet und Digitale Wirtschaft in ihrer Arbeit berücksichtigen. Thomas Saueressig hat die Ängste der Menschen auf dem Schirm – und er kann überzeugend für den digitalen Wandel argumentieren. Privat findet der 33-jährige Ausgleich im Kreise seiner Familie. Sauer­essig ist vor kurzem Vater geworden und genießt jede Minute mit seinem Sohn. „Nur der Sport kommt dabei manchmal etwas zu kurz“, sagt er und lacht. Der Wirtschaftsrat freut sich, mit ­Thomas Saueressig einen innovativen CIO und engagierten Z ­ ukunftsdenker an der Spitze der Bundesfachkommisl sion zu wissen.

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WIRTSCHAFTSRAT Aus den Ländern

Baden-Württemberg

Foto: Wirtschaftsrat

Bundesminister Andreas Scheuer in Stuttgart Auf dem Sommerempfang begrüßten die Unternehmer im Wirtschaftsrat Baden-Württemberg den Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer. Im Z ­ entrum standen die Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge ab 2019 in Stuttgart sowie der Breitband- und Infrastrukturausbau. Landesvorsitzender Joachim Rudolf sprach sich erneut gegen Fahrverbote aus: „Die Diesel-Debatte wird wenig sachlich, teilweise hysterisch geführt. Statt leichtfertig Verbote auszusprechen, wäre es sinnvoller, in intelligente Technologie zu investieren.“ Andreas Scheuer betonte, es müsse versucht werden, Schadstoffbegrenzung ohne Verbote zu erreichen. „Wir müssen einen Anreiz für Investitionen in Technologien schaffen, ohne dabei eine Antriebsart zu bevorzugen.“ Der Bundesminister sprach sich auch dafür aus, synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff stärker in den Blick zu nehmen. Er appellierte an die Gäste, die Landesvorsitzender Joachim Rudolf begrüßt Bundesminister Andreas Scheuer Diskussion zu versachlichen.

Berlin-Brandenburg Sommerfest mit CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer Der Landesverband Berlin-Brandenburg begrüßte zu seinem Sommerfest die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, die vor rund 200 Multiplikatoren aus Wirtschaft und Politik sprach. Die Soziale Marktwirtschaft benötige Wettbewerb, der auf fairen Regeln basiere. Dies sei im internationalen Kontext nicht immer gegeben. Daher sei es wichtig, „dass auch Deutschland daran mitarbeitet, global nicht in einem ungeordneten Wettbewerb hineinzugehen.“ Sie habe angestoßen, ein neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten. Um die Leitfragen dafür zu finden, habe sie eine „Zuhörtour“ quer durch Deutschland unternommen. Die Renaissance der SoziAnnegret Kramp-Karrenbauer, Dr. Nikolaus Breuel alen Marktwirtschaft habe dabei eine wichtige Rolle gespielt. Für die Union gelte der Grundsatz: Leistung muss sich lohnen. Sie wundere sich darüber, dass es auch in der Union Stimmen für ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe. „Für mich gilt: Wer arbeitet muss mehr verdienen, als jemand der nicht arbeitet. Wir sagen zu Recht, die Soziale Marktwirtschaft gehört zur DNA der CDU – vor allem aber ist der Mittelstand die DNA der Sozialen Marktwirtschaft“.

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Hauptredner auf der Zukunftskonferenz „Digitalisierung im Mittelstand“ im neu eröffneten Carmen-Würth-Forum in Künzelsau war Prof. Dr. Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart. Er erläuterte die Entwicklungsstufen der digitalen Transformation und wagte die Prognose, dass 2020 die Weltbevölkerung von 7,6 Milliarden Menschen von 50 Milliarden vernetzten Geräten umgeben sein werde. Dies beschrieb er als die „Geburt der Zugangs­ökonomie“. Auf einem Podium wurden Fragen zur Umsetzung der Digitalisierung im Mittelstand diskutiert. Von der Politik forderten die Experten nicht zuletzt, zügig die nötige Infrastruktur auszuProf. Bauernhansl spricht über die digitale Transformation der Gesellschaft bauen.

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Digitalisierung im Mittelstand

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Rückblick Einblick Ausblick

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer spricht zu 200 Unter­ nehmern in Berlin

Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, ­ Niedersachsen, Schleswig-Holstein Parlamentarischer Abend Rund 200 Gäste aus Politik und Wirtschaft kamen zum Parlamentarischen Abend in die Bremische Landesvertretung. Der Landesvorsitzende des Wirtschaftsrates Bremen, Jörg Müller-Arnecke: „Im Norden einen uns nicht nur die Liebe zum Grünkohl, sondern auch die Themen, für die wir gemeinsam mit der Politik kämpfen müssen.“ Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände in Bremen, bezeichnete die „Rente mit 63“ als „teuren Wahlkampfschlager“, durch den der Wirtschaft

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etwa eine Million Beschäftigte verlorengegangen seien, obwohl Nachwuchs fehle. Aus dem Bundesminis­ terium für Wirtschaft und Energie (BMWI) kam Staatssekretär Dr. Ulrich Nußbaum. Der frühere bremische Senator für Finanzen sprach über die Dr. Ulrich Nussbaum, Staatssekretär im Projekte, die das BMWI länderWirtschaftsministerium im Gespräch mit übergreifend im Norden voranJörg Müller-Arnecke, Landesvorsitzender Bremen treiben will. Wenn die deutsche Wirtschaft stark für künftige Herausforderungen sein wolle, müsse auch Norddeutschland fit gemacht werden. Zum einen gelte es, die maritime Wirtschaft und Infrastruktur durch zusammenarbeitende Häfen, die Fertigstellung der Ostsee-Autobahn und die Elbe zu vertiefen, zum anderen die Rolle Norddeutschlands bei der Energiewende zu stärken – vor allem durch einen schnelleren Netzausbau. Elisabeth Motschmann MdB nannte zwei Gründe, warum das Verhältnis zu US-Präsident Donald Trump kompliziert sei: NATO-Verteidigungsausgaben und EU-HandelsbilanDie Bundestagsabgeordnete Eli­ züberschuss. Beides Themen, die die sabeth Motschmann sprach über Bundesregierung „nicht von heute auf das komplizierte Verhältnis zu den USA morgen wegbügeln könne“.

Brüssel Rechtsakt zur Cybersicherheit „Verbraucher, Unternehmen, Institutionen und Demokra­ tien sind Opfer von Cyberangriffen. Vollendung und Erfolg des ­digitalen Binnenmarktes hängt vom Vertrauen der Menschen in die digitalen Technologien ab“, sagte Prof. Dr. Angelika Niebler MdEP vor dem Wirtschaftsrat Brüssel. Der von der EU vorgeschlagene „Rechtsakt zur Cybersicherheit“ lege die Rolle und das Mandat der europäischen Cybersicherheitsagentur ­ENISA fest, und führe ein europäisches System für die freiwillige ­Cybersicherheitszertifizierung ein, um die Sicherheit verbundener Geräte, digitaler Produkte und Dienste zu verbessern. Prof. Dr. Niebler befürwortete den Rechtsakt zur Cybersicherheit. Er sei von entscheidender Bedeutung, um Risiken für Informa­tionssicherheit und Netzwerksysteme zu minimieren.

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Prof. Dr. Angelika Niebler MdEP vor dem Wirtschaftsrat Brüssel

Mitgliederkarte des Wirtschaftsrates Prof. Dr.

Max von Musterhausen Nr. 12345 http://unternehmer-mehrwert.de 3/2018 TREND

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„Digitalisierung darf nicht als zufällig empfunden werden“, betonte Prof. Dr. Helge Braun, Bundesminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes auf dem Parlamentarischen Abend des Landesverbandes Hessen in Berlin. Digitalisierung sei ein strategischer Prozess, mit dem sich die Führungen in Wirtschaft und Politik intensiver beschäftigen müssten. In der Debatte um die digitale Ausrichtung in Deutschland, werde zu schnell auf Experten verwiesen. „Unsere wirtschaftliche Zukunft hängt von der Frage ab, wie wir mit Daten umgehen“, so Prof. Dr. Braun. „Der wirtschaftliche Treiber der Digitalisierung ist maßgeblich die Nutzung von Daten als Geschäftsmodell.“ Die Bundeskanzlerin wolle eine zentrale Strategie zur künstlichen Intelligenz festlegen, und noch im Herbst ein Förderprogramm auflegen. „Es ist die zentrale Aufgabe der Politik, Bürgern zuzusichern, dass Prof. Dr. Helge Braun, Bundes­ sie souverän über ihre Daten verfügen minister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes können.“

Ministerpräsident Tobias Hans beim Wirtschaftsrat in Saarbrücken

Nordrhein-Westfalen Bundesministerin Anja Karliczek diskutiert mit Unternehmern Wie kann die Forschungspolitik den Wohlstand sichern? Wie lässt sich das Innovationstempo erhöhen? Welchen Stellenwert hat der Föderalismus in der Bildungslandschaft? Das waren nur einige Fragen, die Bundesministerin Anja Karliczek MdB vor dem Wirtschaftsrat Steinfurt beantwortete.

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Mehr Aktion bei der Digitalisierung

Ferner müssten die Kommunen in ihrer Finanzkraft gestärkt werden. Das Land sei zu Hilfen bereit, wenn die Kommunen Gegenleistungen erbrächten. Doppelfunktionen müssten abgebaut und kommunale Kooperationen eingegangen werden, um Kosten zu senken. In der Diskussion, die der Landesvorsitzende Wolfgang Holzhauer moderierte, machte Hans deutlich, dass er auf den Sachverstand der Unternehmer im Wirtschaftsrat setze.

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Kammer für Handelsfragen einrichten Auf Einladung des Wirtschaftsrates in Hessen diskutierten die hessische Staatsministerin der Justiz, Eva Kühne-Hörmann, der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Felix Hufeld sowie der Leiter der Wirtschaftskanzlei Clifford Chance LLP Malcolm Sweeting, in Frankfurt über die Auswirkungen des Brexit und die Finanz­ industrie und der Mittelstand am besten mit ihm umgehen. Kühne-Hörmann plädierte für Vorkehrungen im deutschen Recht und für eine Kammer für Handelsfragen am Landgericht Frankfurt: „Wenn wir Europa weiter zusammenführen wollen, dann gilt es, schnelles und sicheres Recht anzubieten – international und auf Hessische Staatsministerin der Englisch!“ So könnten AuseinandersetJustiz, Eva Kühne-Hörmann, will zungen gelöst und die Wettbewerbsfäam Landgericht eine Kammer für Handelsfragen einrichten higkeit sichergestellt werden.

Saarland Gute Zukunft für saarländische Wirtschaft Nicht einmal 100 Tage im Amt, präsentierte sich der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans Unternehmern im Wirtschaftsrat. Bis Ende des Jahrzehnts müsse das Saarland aus eigener Kraft seine Eigenständigkeit nachweisen. Voraussetzung sei dafür die Sanierung des Landeshaushaltes und die Einhaltung der Schuldenbremse. Bis zur Finanzmarktkrise sei das Saarland besser gewachsen als die Bundesländer im Durchschnitt. Durch die stärker betroffene industrielle Produktion gelte es hier immer noch aufzuholen.

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Bundesministerin Anja Karliczek diskutiert mit Unternehmern der Sektion Steinfurt

NRW-Digitalminister Pinkwart zum Breitbandausbau Nordrhein-Westfalen steht bei der Digitalisierung nach Einschätzung des zuständigen Ressortministers Prof. Dr. Andreas Pinkwart noch vor großen Herausforderungen. Er appellierte an die 150 Unternehmer in Düsseldorf: „Deutschland muss endlich aus seinem Dornröschenschlaf erwachen.“ Der Minister präsentierte seine Vision einer digitalen Gesellschaft und ließ auch Themen, wie die Datenhoheit und -sicherheit oder Neuausrichtungen am Arbeitsmarkt nicht aus. Schwerpunkte legte er auf die materiellen Voraussetzungen und den lückenhaften Glasfaserausbau. Nur acht Prozent der Gewerbegebiete seien durch Glasfasernetze erschlossen. Dies sei zu wenig wie ebenso die Anschlussquote der rund 6.000 Schulen im Land. Nur sieben Prozent aller Haushalte hätten Glasfaser-Anschlüsse mit 1.000 Megabit Übertragungsrate. Der Ausbau der Datenautobahnen käme trotz 3,5 Milliarden Euro Fördergelder seit 2015 zu schleppend voran. Dies müsse anders werden, betonte Pinkwart. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Landesregierung, Netzbetreibern und Kommunen sollen bis 2022 alle Gewerbegebiete und Schulen an Gigabit-Netze angeschlossen sein und drei Jahre später alle Haushalte Prof. Dr. Andreas Pinkwart, im Land. Dafür stünden Zuschüsse bis Minister für Innovation, Digitalisierung und Energie zu fünf Milliarden Euro bereit.

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Hessen

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Hochwertige Informationen gefragt Dr. Bertram Zitscher, Geschäftsführer des Wirtschaftsrates in Schleswig-Holstein, stellte die These auf, dass ARD und ZDF „ihrem primären Auftrag, der hochwertigen Informationsversorgung zur Stärkung der freien Meinungsbildung im Interesse von Demokratie und Vielfalt, immer weniger gerecht werden“. Dr. Christoph Degenhardt unterstrich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Aufgabe habe, die Menschen mit Informationen zu versorgen und nicht zu unterhalten. Für den Professor für Staats-, Verwaltungs- und Medienrecht an der Universität Leipzig kommt es darauf an, dass die gebührenfinanzierten Anbieter „sich in Zeiten der Überflutung mit Informationen als Insel der Glaubwürdigkeit behaupten und die Frage nach der Zukunft nicht ohne die Frage nach der Qualität der Inhalte gesehen werden kann.“ Bevor Anke Schwitzer, Mitglied im NDR-Rundfunkrat, berichtete, wie die Qualitätsanforderungen und v.l.n.r. Prof. Dr. Christoph Degenhart (Uni Leipzig), Anke das BeschwerdemaSchwitzer (Mitglied NDR-Rundfunkrat), Prof. Dr. Jörn Radtke (FH Kiel) und Moderator Dr. Bertram Zitscher. nagement beim NDR

aufgestellt sind, ging Dr. Jörn Radtke, Professor Fachbereich Medien, Fachhochschule in Kiel, auf die Frage ein, wie die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sichergestellt werden kann. Es sei daher wichtig, dass sich Journalismus wieder auf die Grundregeln, fundierte Recherche und Trennung von Bericht und Meinung, konzentriere. Holger Hartwig

Hamburg Ökonomie und Migration: Herausforderungen für Europa frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch zeigte Der sich angesichts der Entwicklungen in der Weltwirtschaft besorgt. Es breite sich ein ökonomischer Nationalismus aus, der die Länder zwinge, sich anders zu organisieren. Große Staaten oder Einheiten mit mehr als 500 Millionen Einwohnern würden die Zukunft prägen. Deshalb könne Nationalismus das Auseinanderfallen Europas bedeuten – mit gravierenden wirtschaftlichen und politischen Folgen, insbesondere für Deutschland. Koch hob angesichts dieses Szenarios die Bedeutung des Euros hervor „als wichtiges Landesvorsitzender Dr. Henneke LütgeInstrument, um gemeinsam in der rath (l.) und Roland Koch, Hessischer Ministerpräsident a.D. Welt aufzutreten zu können“.

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Niedersachsen zum Zugpferd der Digitalisierung machen Rund 70 Unternehmer des Wirtschaftsrates diskutierten in Hannover mit dem niedersächsischen Landesminister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler. Der Minister berichtete über die Aufgabenschwerpunkte seines Ministeriums und die Zusammenarbeit von Politik und Wirtschaft. Hauptziel sei es, Niedersachsen im Bereich Forschung und Innovationen zu einem der Zugpferde der Digitalisierung in Deutschland zu machen. „Wir können nicht oft genug über das Thema Digitalisierung sprechen.“ Thümler betonte, dass die Folgen des digitalen Wandels keine Nischenthemen seien. Man müsse den Menschen die Angst Björn Thümler, Niedersächvor Neuem nehmen, um einen nachhaltigen sischer Minister für Wissenschaft und Kultur Wandel zu schaffen.

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Kamin-Abend mit Staatsministerin Barbara Klepsch Das Gesundheitswesen gehört zur Infrastruktur und ist ausschlaggebend für die Arbeitswahl. Wie wirksam und wirtschaftlich die gesundheitliche Versorgung stattfindet, liegt auch im unternehmerischen Interesse, zumal sie über die Arbeitskosten finanziert wird. In ländlichen Regionen, wo die mittelständische Wirtschaft vorwiegend ansässig ist, verlangen Qualitäts- und Versorgungsdefizite Lösungen. Dies diskutierten Unv.l.n.r. Landesvorsitzende Simone Hartmann, ternehmer im Wirtschaftsrat Sächsische Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Barbara Klepsch Sachsen mit der Sächsischen

Staatsministerin für Soziales und Verbraucherschutz, Barbara Klepsch, auf einem Kamin-Abend. Schnell kristallisierten sich als Herausforderungen vor allem der Ärztemangel auf dem Land, die Telemedizin und die überbordende Bürokratie bei Ärzten sowie in der Pflege heraus. Der Freistaat will diese Probleme unter anderem durch stärkere Vernetzung oder über Pflegebudgets lösen. Der Wirtschaftsrat übergab der Staatsministerin Klepsch ein Positionspapier zum Thema.

Thüringen Fachkommission Gesundheit diskutiert mit Rainer Brüderle jüngste Arbeitstreffen der Fachkommission GesundheitsDas wirtschaft im Thüringer Landesverband begann mit einer Situationsanalyse in der Pflege durch Rainer Brüderle, Präsident des bpa Arbeitgeberverbandes e.V. Er begrüßte die Einführung der Pflegeversicherung, mit der die Soziale Marktwirtschaft auch in der Pflege Einzug gehalten habe. Margit Benkenstein, PflegeCentrum Sonnenschein GmbH und Vorstandsmitglied des bpa Arbeitgeberverbandes e.V. befürwortete die Anwendung der von ihrem Verband ausgearbeiteten Arbeitsvertragsrichtlinie. Konträr diskutierte die Kommission Pflegepersonalstärkungssowie Pflegeberufegesetz und Länder-Pflegekammern. Marcus Weber, Asklepios Fachklinikum Stadtroda, sprach sich für die Pflegekammer aus. Dennoch votierte die Kommission gegen eine Pflegekammer Thüringen als Arbeitnehmervertretung mit Zwangsmitgliedschaft. Einig war man sich, dass die gesetzliche Pflegeversicherung v.l.n.r. Marcus Weber, Margit Benkennur eine Teil-Kasko-Versichestein, Stephan Hauschild, Vorsitzender rung darstellen könne. der Landesfachkommission Gesundheitswirtschaft, Rainer Brüderle. Karsten Seifert

Impressum Herausgeber: Werner Michael Bahlsen, Präsident, für den Wirtschaftsrat der CDU e.V.

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Niedersachsen


Im Handelsblatt vom 12.06.2018 „Die transatlantische Freundschaft geht mit Donald Trump gerade durch eine Stressphase, aber wir müssen zwischen der Person des aktuellen Präsidenten und der amerikanischen Nation trennen, die als funktionierende Demokratie immer noch besser als andere Anwärter auf die globale Führung für uns Deutsche und Europäer ist“, erklärte Werner M. Bahlsen, Präsident des Wirtschaftsrates.

Die Rheinische Post vom 14.07.2018 Der CDU-Wirtschaftsrat wirft der Bundesregierung vor, mit Dieselfahrverboten Autofahrer, Handwerker und Lieferanten zu „enteignen“. Dieselfahrer würden unverschuldet in Haftung genommen, sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger. „In Frage steht zudem, ob der Verkehr tatsächlich der große Verursacher schlechter Stadtluft ist.“ Im Hamburger Abendblatt am 23.08.2018 Anlässlich der Sitzung der Kohlekommission des Bundes am Donnerstag warnt der Wirtschaftsrat eindringlich vor einem „überstürzten Ausstieg“ aus der Kohleverstromung. „Die Kohle hat unser Land über den Sommer gerettet“, sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger. „Wir brauchen diesen verlässlichen Energieträger noch lange.“

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Im Spiegel der Presse ImSpiegel

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In der Welt am Sonntag vom 22.07.2018 Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, sieht das „bürgerliche Lager durch die Fehler in der ­Zuwanderungspolitik tief erschüttert“. Zudem sorgt sich der Hesse um das Wirtschaftsprofil der Partei. „Die CDU sollte mit allen ihren Flügeln gleichmäßig fliegen, um eine gute Landung beim Wähler hinzubekommen.“ Die Fuldaer Zeitung am 30.07.2018 Gerade Langzeitarbeitslose sollten nicht in Jobs vermittelt werden, die sich nur deshalb tragen, weil die Arbeitsagentur in den ersten beiden Jahren 100 Prozent des Mindestlohns zuschießt. Dies würde unweigerlich dazu führen, dass zahlreiche Stellen nur eingerichtet werden, um öffentliche Fördergelder abzugreifen“, mahnt Generalsekretär Wolfgang Steiger in einem Namensbeitrag. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.07.2018 „Gerade der Mittelstand plagt sich mit einer Vielzahl von unbestimmten Rechtsbegriffen, hoher Bürokratie und in der Folge mit nach wie vor hohen Kosten für die Implementierung“, lässt sich Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrates, zitieren. „Mindestens auf die Dauer dieser hohen Rechtsunsicherheit fordern wir eine Mittelstandsklausel ein, in der kleine und mittlere Unternehmen, Vereine, Stiftungen und Start-ups von den Regelungen der DSGVO ausgenommen werden.“ In Die Welt vom 09.08.2018 Beim Wirtschaftsrat der CDU hält man den Vorwurf, die hohen Exportzahlen deutscher Unternehmen würden in anderen Volkswirtschaften Schaden anrichten, für „absurd“. Schließlich steige der Anteil ausländischer Wertschöpfung am deutschen Export stetig, argumentiert Wolfgang Steiger, der General­ sekretär des Wirtschaftsrates. „Bevor Deutschland e­ xportiert, importiert es viele Vorprodukte gerade auch aus anderen europäischen Ländern“, so Steiger. Die Bild vom 21.08.2018 Der Steuer-Zuschuss des Bundes in die Rentenkasse müsste schon bis 2030 von 100 auf 160 Milliarden Euro im Jahr ­steigen. Dafür müsste etwa die Mehrwertsteuer von heute 19 Prozent bis zum Jahr 2040 auf 26,3 Prozent erhöht werden. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschafts­ rates: „Ein grober Verstoß gegen den Generationenvertrag. Die Zeche dafür muss dann der junge Beitragszahler schultern.“ In Die Welt vom 02.08.2018 „Unsere sozialen Sicherungssysteme sind keine Sparkassen“, sagt der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger: „Eine Absenkung des Arbeitslosenbeitrags um 0,6 Prozent­ punkte wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung.

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Die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 29.08.2018 „Der Soli ist mit seinem ursprünglichen Zweck nicht länger zu rechtfertigen und muss endlich für alle abgeschafft werden“, urteilte Generalsekretär Wolfgang Steiger.

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Deutsche Start-ups sammelten im ersten Halbjahr 2,2 Milliarden Euro als reine

Risikokapital­investitionen ein. Das ist

ein Plus von 3,5 Prozent. Die Zahl der Inves­ Trotz aufflammenden titionen stieg dabei auf einen Rekord: 272 Handelsstreit toppte die Trans­aktionen oder ein Plus von drei Prozent. deutsche Wirtschaft den Quelle: EY Vorjahreswert im ersten Halbjahr um knapp vier Prozent und setzte Waren im Wert von 662,8 Milliarden Euro im Ausland ab. Die Nachfrage nach deutschen Produkten zog mit 5,4 Prozent besonders deutlich in anderen EU-Ländern an. Quelle: Statistisches Bundesamt

Ein übereilter Kohleausstieg würde die Mehrzahl der energieintensiven Unternehmen durch höhere Stromkosten deutlich belasten. Für einen energieintensiven Industriemittelständler etwa hieße das höhere Stromkosten von um die 15 Euro pro Megawattstunde und Mehrkosten in Höhe von 100 Millionen Euro pro Jahr bedeuten.

Zahlen des Quartals

1.000.000.000 Eine Milliarde Euro fordert der Bauernverband an finanzieller Unterstützung für die landwirtschaftlichen Betriebe angesichts der zu erwartenden Ernte­ausfälle durch die anhaltende Dürre in Deutschland ein. 340 Millionen bekommen die Landwirte von Bund und Ländern.

47,1 Fußballweltmeisterschaft und die sommerliche Hitze haben den Bierabsatz angekurbelt. 47,1 Hekotliter oder 0,6 Prozent mehr verkauften deutsche Brauereien und Bierlager. Quelle: Welt

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung

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Für rund 800 chinesische Produkte hatte US-Präsident Donald Trump Zölle auf Waren im Wert von 34 Milliarden US-Dollar beschlossen. Jetzt hat er nachgelegt: Auf weitere 279 Güter im Wert von 16 Milliarden US-Dollar gelten Einfuhrzölle in Höhe von 25 Prozent. Dazu zählen ­ vor allem Industrieprodukte wie Eisenträger und Dampfturbinen.

Die Bundesländer erzielten im ersten Halbjahr einen satten Überschuss von 15,6 Milliarden Euro und schneiden noch besser ab als der Bund. Mit einem Plus von 10,4 Milliarden Euro gegenüber 2017 stehen die Länder besser denn je dar. Überraschung: Nordrhein-West­ falen erzielte mit 2,2 Milliarden Euro nach Bayern den zweithöchsten Überschuss.

Quelle: Manager Magazin

Quelle: Handelsblatt

Quelle: www.energieintensive.de

Nun soll die CDU also auch mit der Linken koalieren können. Mit diesem Vorschlag bescherte der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein Daniel Günther seiner Partei mitten im Sommer tagelang Negativschlagzeilen. Viele Leitartikel bürgerlicher Medien sinnierten darüber, ob dies ein logisches Fortschreiten der Entwicklung der CDU in den letzten Jahren sei. Wenn man den Verlust von rund 1,3 Millionen Unionswählern an die FDP und über einer Million an die AfD analysiert, müsste die Konsequenz eigentlich eine andere sein. Aber vielleicht dachte ja Daniel Günther, nach dem Weggang dieser Wähler müsste die Partei weniger Rücksicht auf wirtschaftsliberale und konservative Wähler nehmen. So wie nach der Bundestagswahl schon das Erreichen des „Wahlziels“, dass keine Regierung gegen die CDU gebildet werden konnte, zu einem Erfolg schöngeredet wurde. Die Absicht Günthers, die CDU koalitionsfähig in Richtung linksaußen zu machen, zeigt jedoch, wie wenig sich Teile der CDU Gedanken um prinzipielle Grundkoordinaten machen. Abgesehen von ihrer SED-Vergangenheit steht die Linke für ein ganz anderes Menschenbild: Das Individuum wird nur durch seinen materiellen Status geprägt, tritt hinter das Kollektiv zurück und wird durch dieses, vertreten durch den Staat, allumfassend versorgt. Das ist der völlige Gegensatz zum eigenverantwortlichen Menschen in der christlich geprägten Sozialen Marktwirtschaft, dem die Gemeinschaft in Notsituationen Hilfe zur Selbsthilfe gewährt. Da passt nichts. Über zwei Millionen Wähler werden hingegen in ihrer Entscheidung bestätigt, der Union den Rücken zu kehren. Und: In diesem Herbst müssen für die Union erst einmal Bayern und Hessen gewonnen werden. Dort hat Günther erst einmal Zweifel gesät. TREND 3/2018

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