Die Erdgasförderplattform A6-A

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Energie aus der Nordsee Die Erdgasfรถrderplattform A6-A

Wir fรถrdern Zukunft.


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Vorwort

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Die Erdgasfรถrderplattform A6-A Die Geschichte Die Lage Die Geologie Die Konstruktion

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Arbeit und Leben offshore

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Erdgas ist nicht nur Erdgas Die Fรถrdertechnik

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Crew und Umwelt haben Vorrang Sicherheit im Offshore-Betrieb

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Zeittafel


Vorwort Einladung zum Kennenlernen Wären Offshore-Anlagen nicht grundsätzlich mit einem Standort-Code aus Buchstaben und Ziffern benannt – wir von Wintershall hätten der Förderplattform A6-A einen stolzeren Namen gegeben. Denn stolz sind wir auf diese Anlage allemal. Wie beim Diamanten, der seine strahlende Schönheit nicht dem Verkäufer, sondern dem Schleifer verdankt, gilt schließlich auch in unserer Branche das Finden, Fördern und Aufbereiten von Erdgas immer noch als das Meisterstück des Geschäfts. Für Wintershall ist die Plattform A6-A die erste, in Eigenverantwortung betriebene Erdgasförderplattform in der deutschen Nordsee. Mehr noch: Vom ersten seismischen „Blick“ tief unter den Grund der Nordsee über die Probebohrungen bis zur Errichtung der Plattform waren es die Geophysiker und Geologen, Ingenieure und Betriebswirte von Wintershall, die die Erschließung der Lagerstätte geplant und begleitet haben. Deshalb ist die stählerne Insel auf hoher See für uns mehr als eine Zapfanlage für Energie. Sie ist Sinnbild und Beweis unserer Offshore-Kompetenz, die wir zum Nutzen unseres Unternehmens weiter ausbauen und vertiefen wollen. Mit dieser Broschüre möchten wir Sie einladen, die Arbeit und das Leben auf unserer Offshore-Anlage kennen zu lernen. Stechen Sie mit uns in See. Begleiten Sie uns auf den folgenden Seiten zur Förderplattform A6-A.

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Die Erdgasförderplattform A6-A Funktional vom Scheitel bis zum Wasserspiegel: Am Rande des „Entenschnabels“, dem äußersten Ende des deutschen Nutzungsbereichs der Nordsee, steht seit Sommer 2000 die Erdgasförderplattform A6-A. Hier ankert neben der Offshore-Anlage ein Drilling Rig, mit dem weitere Bohrungen bis zur Erdgas führenden Gesteinsschicht in den Meeresboden getrieben werden. Dabei müssen die Bohrmeißel bis auf eine Tiefe von mehr als 4.500 Metern vordringen.

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Die Geschichte

Das „Unternehmen Entenschnabel“ Die nautische Position 3°59’40” Ost/55°47’29” Nord, gut 160 Meilen nordwestlich der Elbmündung, war für die Erdgasgewinnung früher ein unwichtiger Fleck auf der Seekarte. Obwohl von zahlreichen ertragreichen Vorkommen umgeben, galt das einzige im deutschen Nordseesektor existierende Gasfeld als unwirtschaftlich. Erst mit der Möglichkeit, die bestehende NOGATPipeline zum Festland zu nutzen, wurde die Erschließung des 1974 entdeckten Felds A6-A attraktiv. Das Ergebnis dieser Entwicklung erhebt sich weithin sichtbar über den Horizont: die Förderanlage A6-A, von Wintershall errichtet und betrieben. Nach nur 18 Monaten Bauzeit hat sie im September 2000 die Erdgasproduktion aufgenommen. Das Feld A6-A ist eine der ergiebigsten deutschen Erdgasquellen und hat einen Anteil von knapp drei Prozent an der Erdgasförderung in der Bundesrepublik. Der Erdgasfund im „Entenschnabel“, dem äußersten Ende des Nordseesektors deutscher Nutzung, wurde durch das „Deutsche Nordsee-Konsortium“ erschlossen. Die vier Konsortialpartner sind die BEB Erdgas und Erdöl GmbH (40,45 %), die EWE AG (2,50 %), die RWE Dea AG (7,10 %) und die Wintershall Holding AG (49,95 %). Das Konsortium hat unser Unternehmen mit der Entwicklung der Anlage und deren Förderbetriebsführung beauftragt. Laut Vertrag wird das aus dieser Lagerstätte geförderte Gas vollständig an die N. V. Nederlandse Gasunie geliefert. Die Anlage ist das erste Offshore-Projekt in den internationalen Gewässern des von Deutschland beanspruchten Teils der Nordsee. Mit ihr wurde eine Infrastruktur geschaffen, die auch die Erschließung weiterer Erdgasvorkommen in benachbarten Seegebieten ermöglicht. Das Projekt schafft Arbeitsplätze für hoch qualifiziertes Personal und Offshore-Know-how in Deutschland. Darüber hinaus festigt der Erfolg als Offshore-Operator den guten Ruf unseres Unternehmens, nicht nur bei den Global Playern im Öl- und Gasgeschäft, sondern auch bei unseren Geschäftspartnern. Sie können auf die Kompetenz von Wintershall vertrauen.

Über 2.500 Meter tief fraß sich der Meißel der Bohrinsel „Transocean Nordic“ in den Nordseeboden.

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Die Lage

(N) (UK)

(DK) A6/B4

A6/F3 Kondensatleitung

A6/F3 Gasleitung

F3/FB

(D)

NOGAT-Pipeline

(NL) Um die Angabe nautischer Positionen für die Offshore-Industrie zu ver-

Den Helder

einfachen, ist die Nordsee in Blöcke aufgeteilt. Die Blöcke sind von zwei benachbarten Längen- und Breitengraden begrenzt und mit Buchstaben (gilt für Deutschland und die Niederlande) oder Zahlen gekennzeichnet (bei allen anderen Nordsee-Anrainerstaaten). Jeder Block ist in 18 gleich große, durchnummerierte Teilblöcke unterteilt. Das Feld A6-A liegt im

Amsterdam Block A6. Als erste Anlage in diesem Block heißt sie „A6-A“ (A für Alpha). Heute wird alles, das Feld, die Plattform und die Förderung, einheitlich mit A6-A bezeichnet.

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Die Geologie

Vergangenes Leben spendet Energie Das Erdgas, das die Anlage A6-A zutage fördert, stammt wie die anderen Erdgasvorkommen in der Nordsee aus dem Erdzeitalter des Oberkarbon – aus einer Zeit vor rund 300 Millionen Jahren. Damals prägten ausgedehnte Sumpflandschaften das Gebiet zwischen dem heutigen England und Norwegen. Unter tropischen Bedingungen bildeten sich gigantische Mengen an Biomasse, die teilweise unverwest in den Sümpfen versanken und unter Luftabschluss zu Torf wurden. In langen geologischen Prozessen überlagerten Sedimente den Torf. Unter dem Druck der über ihm liegenden Gesteinsschichten und der mit zunehmender Tiefe ansteigenden Temperatur verwandelte sich der Torf zunächst in Braun-, später in Steinkohle, das ErdgasMuttergestein. Hauptträger des Gasvorkommens, das sich unterhalb der Nordsee am Ende des „Entenschnabels“ über eine Fläche von etwa fünf mal 2,5 Kilometern erstreckt, sind Zechstein-Karbonate und die Sandsteine des Oberen Jura. Diese Reservoirgesteine mit ihren ausgedehnten Systemen aus Poren und Klüften stammen aus einer Zeit großräumiger geologischer Umgestaltung, die vor 250 Millionen Jahren begann und von Meeresspiegelschwankungen geprägt war. Im Laufe eines zyklischen Wechsels von Erosion, Sedimentation, Hebung bzw. Senkung und erneuter Erosion lagerten sich am Boden eines damaligen flachen Küstengewässers jene Schichten ab, die heute den bis zu 50 Meter mächtigen Trägerhorizont für das Erdgas bilden. Schließlich schlossen vor etwa 150 Millionen Jahren undurchlässige Tonschichten die künftige Lagerstätte deckelartig ab. Weitere rund 20 Millionen Jahre später begann die Anreicherung von Kohlenwasserstoffen in den Porensystemen der Kalk- und Sandsteine. Dort blieben sie unangetastet – bis sie der Bohrmeißel 1974 in einer Tiefe von 2.500 Metern unter dem Meeresboden als Erdgas aufspürte. Crewwechsel: Nach einem zweistündigen Flug über die Nordsee haben die Ingenieure und Techniker wieder „festen Boden“ unter den Füßen. Eskortiert vom „Helicopter Landing Officer“ verlassen sie das Hubschrauberdeck.

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Die Geologie Zwischen 1976 und 1988 wurden weitere Probebohrungen durchgeführt. Fünf Produktionsbohrungen, abgeteuft zwischen Oktober 1999 und Januar 2006, fördern das Erdgas zutage. Sie biegen unterhalb 2.000 Meter in verschiedene Richtungen ab und verlaufen über eine Strecke von 600 bis 800 Metern annähernd horizontal in der Trägerschicht. Derartige Horizontalbohrungen sind heutzutage technischer Standard. Denn mit dem raffinierten Innenleben moderner Bohranlagen lässt sich der Bohrkopf problemlos steuern: Gleich hinter dem Meißel befindet sich ein Mess- und Steuerungssystem, das genaue Daten über den Ort des Bohrwerkzeuges und dessen Lage im Raum an den Steuerstand über Tage sendet. Auf der Basis dieser Daten kann das Bohrteam den Neigungswinkel des Motors einstellen – auf Werte zwischen null und 2,5 Grad. Beim nachfolgenden Bohrvorgang ändert die Bohrung ihre Neigung allmählich bis in die Waagerechte. Dabei wird die Neigung so gesteuert, dass die Bohrung dem Verlauf der Trägerschicht folgt. Auf diese Weise wird die Lagerstätte über eine sehr viel längere Strecke „angezapft“ als bei einer Vertikalbohrung, was die Anzahl der notwendigen Bohrungen reduziert.

Bohrkerne geben Auskunft über die geologische Beschaffenheit der Lagerstätte.

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Die Konstruktion

Ein Technikpark auf sechs Etagen Von Weitem sieht die Förderanlage A6-A aus, als könne sie auf ihren dünnen Beinen leicht zum Spielball der Wellen werden. Doch beim Näherkommen entpuppt sich das Tragwerk der Plattform als stabile Konstruktion, deren Stützen aus sechs meterdicken Rohren bestehen. Angeordnet wie die Sechs auf einem Würfel sind sie 150 Meter im Grund der Nordsee verankert, die an dieser Position etwa 48 Meter tief ist. Vertikale und horizontale Diagonalverbindungen stabilisieren die Anlage, deren höchste Spitze 78 Meter aus dem Wasser ragt. Auf sechs Decks verteilen sich die zur Aufbereitung des Erdgases notwendigen Anlagen, dazu Funktionsräume und Unterkünfte sowie ein Hubschrauber-Landeplatz. Das unterste sogenannte Subcellar-Deck ist 19 Meter oberhalb des Meeresspiegels auf die Tragkonstruktion aufgesetzt. Dieser Abstand dient der Sicherheit: Bei schwerem Wetter kann sogar eine sogenannte Jahrhundertwelle mit einer geschätzten Höhe von 15 bis 17 Metern unter der Plattform hindurchrollen, ohne Schaden anzurichten. Das Subcellar-Deck beherbergt technische Anlagen, hauptsächlich Tanks und Pumpen, und ein Schlauchboot mit Außenbordmotor. Es ist durch zwei Außentreppen mit dem darüber liegenden Kellerdeck verbunden. Hier, knapp 24 Meter über Normalnull, münden die Erdgasförderrohre in die Aufbereitungsanlage und fußt der sich über drei Decks erstreckende Mannschaftstrakt. Im Sockelgeschoss auf dem Kellerdeck befinden sich die zwölf Schlafräume der Plattform. Von dort sind es nur ein paar Schritte zum unteren der beiden Rettungsboote. Vom Kellerdeck aus sind alle darüber liegenden Decks über ein geschlossenes Treppenhaus und über Außentreppen zu erreichen.

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Die Konstruktion

Knapp 29 Meter über dem Meer beherbergt das sogenannte Mezzanin-Deck die Kommandozentrale der Plattform. Im Kontrollraum, ausgerüstet mit Überwachungsmonitoren, Radarschirmen, Funk- und Telefonanlage, laufen alle Fäden zusammen. Auf gleicher Ebene liegen der Gemeinschaftsraum der Crew, eine Kabine mit Fitnessgeräten, Werkstatt, Labor und Instrumentenraum. Zwischen der Außentür des Kontrollraums und dem Treppenhaus hängt das zweite Rettungsboot. Eine Ebene höher, auf dem 33 Meter über Normalnull eingesetzten Zwischendeck, liegt der Umkleideraum der Crew. Von draußen durch einen Windfang eintretend, können die Techniker hier nasses oder schmutziges Arbeitszeug gegen trockene, saubere Kleidung tauschen. In diesem Raum stehen auch die Waschmaschinen und Trockner. Gleich nebenan befindet sich ein kleiner Shop für zollfreie Waren sowie der Speiseraum, an den sich die Küche und das Lebensmittel-Vorratslager anschließen. Damit endet der Mannschaftstrakt. Der größte Funktionsraum dieses Decks ist ein 2,5 mal 8 Meter großer Raum, in dem die analogen Signale aller Messinstrumente in digitale Daten umgewandelt werden. Gut 37 Meter hoch über dem Meeresspiegel befindet sich das Hauptdeck, von dem der Schornstein der Anlage bis in 78 Meter Höhe aufragt. Abgesehen von Anlageteilen für die Erdgasaufbereitung, zwei Stromgeneratoren und einem Notstromaggregat steht hier der im März 2003 installierte Verdichter, der den für den Transport des Erdgases zur Plattform F3/FB erforderlichen Druck erzeugt. Vom Hauptdeck aus bedient die Crew auch den 16-TonnenKran mit einer Reichweite von 30 Metern. Zwei Treppen führen von hier auf das Helikopterdeck, den 43 Meter hoch gelegenen, 22 mal 22 Meter großen Landeplatz der Plattform.

Dem Bau der Tragkonstruktion folgt das „Hook-up“: Millimetergenau setzt der Schwimmkran „Thialf“ die 3.100 Tonnen schwere Plattform auf das „Jacket“.

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Arbeit und Leben offshore


Arbeit und Leben offshore

Routinejob mit guten Aussichten An das, was für alte Hasen ein Job wie jeder andere ist, müssen Neulinge sich erst gewöhnen. An den Weg zur Arbeit etwa: zwei Stunden im dröhnenden Hubschrauber über die graue Nordsee mit anschließender Landung auf einem winzig aussehenden Helikopterdeck, 43 Meter hoch über den Wellen. Oder an den Wind, der die Arbeit in der luftigen Höhe einer Förderplattform begleitet: Bei drei Beaufort zupft er nur an der Kleidung, ab Stärke sechs reißt er Worte von den Lippen oder Türen aus den Händen und von neun Beaufort an aufwärts verwandelt er jede Offshore-Anlage in den ungemütlichsten Platz im Meer. Zweimal pro Woche fliegt der Helikopter zum äußersten Ende des „Entenschnabels“, um einen Teil der Crew der A6-A auszutauschen. Sie besteht insgesamt aus acht technischen Mitarbeitern, einem Koch und einem Helfer. Für Jobs 300 Kilometer fernab der niederländischen Küste haben sich bisher nur Männer gefunden – alles Deutsche oder Niederländer. Die Amtssprache an Bord der A6-A ist jedoch weder Deutsch noch Niederländisch, sondern Englisch, wie auf den meisten Offshore-Anlagen. So heißt der Chef der Crew „Head of Mining Installation“ (HMI). Als ranghöchster Entscheidungsträger an Bord leitet er den Betrieb und trägt die Verantwortung für die Sicherheit von Personal und Anlage. Seine „Kommandozentrale“, vergleichbar mit der Brücke auf einem Schiff, ist der Kontrollraum drei Stockwerke unterhalb des Helikopterdecks. Von dort aus wird auf Monitoren die Steuerung des gesamten Förderprozesses überwacht, per Radar der Schiffsverkehr rund um die Plattform beobachtet und der gesamte Funkverkehr sowie die Kommunikation abgewickelt.

Materialpflege gehört zu den Routinetätigkeiten auf der Plattform A6-A.

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Arbeit und Leben offshore

Der Chef der Förderinsel hat einen Assistenten, der ihn bei Abwesenheit vertritt und darüber hinaus die Arbeit auf der Plattform koordiniert. In Abstimmung mit dem HMI ordnet er die verschiedenen Kontrollen an und verteilt Pflege- und Reparaturarbeiten. Der Assistent ist auch für die Verwaltung zuständig, vor allem für die Führung der Logbücher, die Auskunft über das Ergebnis der regelmäßigen Funktionstests geben. Da die Anlage automatisch läuft, besteht die Arbeit auf der Plattform hauptsächlich in der Überwachung, Wartung und Störungsbeseitigung. Während Druckmessungen, Temperaturen und Pegelstände in Tanks und Leitungen permanent auf den Monitoren im Kontrollraum zu sehen sind, müssen andere Anlagenteile vor Ort geprüft werden. Checklisten legen fest, welche Einrichtung die Crew wann zu kontrollieren hat. So stehen auf der Wochenliste fast zwei Dutzend Punkte, darunter das Nebelhorn der Plattform, die Dieselaggregate, die Betäubungsmittel im Bordhospital oder die Sprinkleranlage. Andere Einrichtungen kommen monatlich, einmal im Quartal, halbjährlich oder jährlich auf den Prüfstand. Die umfangreichen Kontrollarbeiten, dazu die tägliche Überwachung der Elektronik und der Steuerungsprogramme sowie anfallende Reparaturen sind Aufgabe der sechs Techniker an Bord der Plattform. Von Beruf meist Elektroniker oder Mechaniker, sind sie so umfassend ausgebildet, dass sie jede anfallende Arbeit ausführen können. Offshore ist jeder von ihnen für eine Spezialdisziplin zuständig, muss aber auch für „interdisziplinäre“ Arbeiten zur Verfügung stehen. In gut ausgerüsteten Werkstätten finden die Techniker alles, was sie an Werkzeug und Material benötigen. Was dennoch fehlt, bringt ein Schiff. Es benötigt für die Fahrt zur Plattform 16 Stunden. Vom frischen Gemüse über den Schweißdraht bis zum Toilettenpapier findet sich so ziemlich alles auf dem „Einkaufszettel“, den die Crew von Zeit zu Zeit an die Ausrüstungszentrale der Wintershall in Ijmuiden bei Amsterdam schickt.

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Arbeit und Leben offshore

Um das leibliche Wohl der Crew kümmern sich der „Smutje“ und sein Helfer. Eine perfekt eingerichtete Küche bietet dem Koch alle Möglichkeiten, die Crew zu verwöhnen. Der Helfer packt in der Küche mit an, deckt im Speiseraum ein und ab, bedient Spül- und Waschmaschine und reinigt die Kammern der Mannschaft. Der Arbeitstag auf der Plattform beginnt morgens um acht und endet um 20 Uhr. Und wer zwölf Stunden am Stück arbeitet, zeitweilig bei Wind und Wetter auf den ungeschützten Außendecks, der freut sich auf die Unterbrechung durch ein leckeres Essen. Nicht nur deshalb hat auf hoher See die Verpflegung eine ganz besondere Bedeutung. Gutes Essen und die gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten entschädigen ein wenig für den fehlenden Kontakt mit Angehörigen während des einwöchigen Aufenthalts auf See. Der Koch der A6-A bringt täglich vier Mahlzeiten auf den Tisch – und zwar vom Feinsten. Da kann es zum zweiten Frühstück schon mal Käsesoufflé geben, zum Mittagessen Bohnensuppe, Crêpe Suzette und gemischten Salat, später zum Abendessen schließlich Lammroulade mit Rotkohl und Reis. Doch damit nicht genug: Zwischen den Mahlzeiten stehen für die Crew ständig heißer Kaffee und wahlweise Kuchen oder Speiseeis bereit. Nur Bier und Wein bietet die Küche nicht an: Alkohol ist auf der Plattform streng verboten. Das gilt auch für die Freiwache von 20 Uhr bis zum nächsten Morgen um acht. Auf kleinere Störungen reagiert das System durch Abschalten des entsprechenden Programmsegments. Störfälle, die die laufende Erdgaslieferung oder sogar die Sicherheit der Anlage und der Besatzung bedrohen könnten, lösen einen akustischen und optischen Alarm aus. Für die Freizeit steht der Crew ein großer, wohnlich eingerichteter Raum mit Fernseher und DVD-Player zur Verfügung. Auf demselben Deck lädt ein Fitnessraum zum Trimmen ein.

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Arbeit Arbeit und und Leben Leben offshore Offshore

Wer weder fernsehen noch Sport treiben mag, kann sich auf dem bereitgestellten PC mit Spielen vergnügen oder sich auch in die eigene Kammer zurückziehen. Die mit Nasszelle, Stockbetten, Schrank und kleinem Schreibtisch eingerichteten Schlafräume sind zwar für zwei Personen ausgelegt, aber im Regelbetrieb nur von einer Person besetzt. Hier können Crewmitglieder ungestört lesen oder mit ihren Angehörigen telefonieren. Es sei denn, draußen bläst ein solcher Sturm, dass der Lärm den Menschen an Bord selbst das Lesen oder Telefonieren verleidet. Dann wird es zwar ungemütlich, aber dennoch nicht gefährlich. Denn die Konstruktion der Plattform ist so ausgelegt, dass sie selbst einer Jahrhundertwelle trotzen kann. Das Schlimmste, was der Besatzung in einem solchen Fall passieren könnte, wäre eine verspätete Ablösung. Aber auch für diesen Fall ist vorgesorgt: Die Vorräte reichen für mindestens zehn Tage.

Gutes Essen hält die Crew bei Laune, besonders, wenn es draußen stürmt. Mit einem Menü, das mit der Speisekarte manches guten Restaurants konkurrieren kann, gewinnt der „Smutje“ leicht jeden Beliebtheitswettbewerb an Bord.

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Erdgas ist nicht nur Erdgas


Die Fördertechnik

Abgesehen von den Wohnunterkünften sieht eine Offshore-Anlage zur Erdgasförderung mit ihren Tanks, Pumpen und Rohrleitungen, den Ventilen und Armaturen aus wie eine Chemiefabrik auf Stelzen. Da macht auch die A6-A keine Ausnahme. Denn bevor das Gas in die Pipeline gepresst wird, muss es zunächst den Umweg über die Plattform nehmen. Und das liegt am aufwändigen Prozess der Aufbereitung. Das Erdgas, das im „Entenschnabel“ gefördert wird, kühlt auf dem Weg nach oben von gut 100 auf etwa 70 Grad Celsius ab, zudem verliert es an Druckenergie, so dass es zu einem geringen Teil flüssig wird. Dieses Kondensat, eine Art Leichtöl, muss vom eigentlichen Gas getrennt werden. Zudem enthält das Rohgas Verunreinigungen aus Staub, Kohlendioxid, Stickstoff und Wasser, die ebenfalls sorgfältig entfernt werden müssen, nicht zuletzt den Pipelines zuliebe. Denn saure Sekundärstoffe wie kohlensaures Wasser würden dem Rostfraß Vorschub leisten. Daher die vielen Metallzylinder an Bord der Plattform. Die meisten sind nichts anderes als Abscheidegefäße, die unter einem sehr fein regulierten Druckund Temperaturregime arbeiten. Am Ende muss der Druck auf die nötigen Transportwerte eingestellt werden: maximal 135 bar für das Erdgas und maximal 200 bar für das Kondensat. Von der Plattform aus werden die aufbereiteten Produkte wieder nach unten geleitet: In getrennten Leitungssträngen am Meeresboden fließen Erdgas und Kondensat 117 Kilometer nach Süden zur niederländischen Plattform F3/FB. Auf der Plattform F3/FB wird das Erdgas in die NOGAT-Pipeline eingespeist, die bei Den Helder das niederländische Festland erreicht. Das Kondensat fließt zunächst in einen Tank und wird später per Schiff weitertransportiert.

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Crew und Umwelt haben Vorrang


Sicherheit im Offshore-Betrieb

Kaum eine Tätigkeit erfordert so viel Vorsicht wie der Umgang mit feuergefährlichen Stoffen. Deshalb – und weil Arbeit auf See zusätzliche Gefahren birgt – werden an die Sicherheitsstandards von Offshore-Anlagen strengste Maßstäbe angelegt. Auch auf der Plattform A6-A muss der Komplex „HSE“ (Health, Safety, Environment, auf Deutsch: Gesundheit, Sicherheit, Umwelt) höchsten Anforderungen genügen. Das spürt ein Besucher schon bei der Landung. An beiden Seiten des Helikopterdecks steht je ein Crewmitglied im feuerfesten Schutzanzug bereit, um einen eventuellen Brand sofort mit einer Schaumkanone ersticken zu können. Nachdem die Ankömmlinge in den Wohnraum der Plattform geführt worden sind, belehrt sie der Sicherheitsbeauftragte der Crew über das Alarmsystem und richtiges Verhalten im Ernstfall. Außer durch Helikopterunfälle droht Gefahr hauptsächlich durch den Austritt von Gas, Kondensat oder Treibstoffen, durch Schiffe, die mit der Plattform kollidieren könnten, durch defekte Ausrüstung oder bei „Mann über Bord“ und Verletzungen. Der Abwehr dieser Gefahren dienen bauliche Maßnahmen, spezielle Ausrüstung, personelle Maßnahmen und Verhaltensanweisungen im Gefahrenfall. Zu den baulichen Schutzeinrichtungen gehören etwa die Trennung von Mannschaftstrakt und Betriebsanlagen durch explosions- und feuerfeste Schotten, spezielle Rettungszonen oder Sprinkler in geschlossenen Räumen. Zur Sicherheitsausrüstung zählen Feuerlöscher, Rettungswesten, -inseln und -boote, Geräte und Material zur medizinischen Versorgung sowie Radarund Alarmanlagen. Als personelle Maßnahmen gelten der Sicherheitsbeauftragte an Bord sowie ein dreitägiger Kurs, in dem das Offshore-Personal den Ernstfall auf See probt: Feuerlöschen, Erste Hilfe, Katastrophenmanagement und das Bedienen von Rettungsbooten. Voraussetzung für Verhaltensanweisungen im Gefahrenfall sind ein abgestuftes Alarmsystem sowie klar definierte Verhaltensregeln für bestimmte Gefahrensituationen.

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Sicherheit im Offshore-Betrieb

Beispiel Kollisionsgefahr: Zwei unabhängige Radaranlagen registrieren lückenlos den Schiffsverkehr rund um die Plattform. Dringt ein Schiff in die äußere Sicherheitszone von 15 Seemeilen ein, so geben die Radaranlagen Alarm. Bei Überschreiten der zweiten Sicherheitslinie mit einem Radius von 6,6 Seemeilen nimmt die Crew mit dem Schiff Funkkontakt auf. Falls kein Kontakt zustande kommt, wird die Evakuierung der Plattform vorbereitet. Das Eindringen des Schiffes in die 500-Meter-Zone hat den „Shutdown“ zur Folge: Binnen Sekunden werden die Bohrlöcher durch Ventile unterhalb des Meeresbodens geschlossen, die Anlage wird entgast und die Crew verlässt die Plattform. Die zwei Rettungsboote bieten jeweils 16 Personen Platz. Sie sind motorisiert und überstehen selbst eine Kenterung in schwerer See ohne Schaden. Den Sicherheitszustand der Plattform zeigen vierfarbige Ampeln, die auf jedem Deck an allen gut sichtbaren Positionen angebracht sind. Buchstäblich im „grünen Bereich“ befindet sich die Förderanlage, wenn das Signal „Grün“ dauerhaft leuchtet. Gelbes Blinklicht bedeutet erhöhte Alarmbereitschaft. Der Grund dafür kann eine Funktionsstörung oder eine gefährliche Arbeit sein. Bei rotem Blinklicht, ausgelöst etwa bei Feuer oder Gasleckage, muss die Anlage abgeschaltet und jede Feuerschutztür geschlossen werden. Crewmitglieder, die keine spezielle Aufgabe wahrnehmen, versammeln sich im Wohnraum und warten Anweisungen ab. Blaues Blinklicht bedeutet „Plattform verlassen“. Jede Person begibt sich auf den vorgeschriebenen Rettungswegen zu dem ihr zugewiesenen Rettungsboot. Bei Unfallverletzungen oder plötzlich auftretenden Krankheiten steht auf dem Mezzanin-Deck ein Krankenzimmer zur Verfügung. Es bietet alles, was für eine medizinische Erstversorgung nötig ist. Bei Bedarf wird sofort ein Notfallarzt von Den Helder zur Plattform geflogen oder das SAR-Kommando der Küstenwache alarmiert (SAR = „Search And Rescue“).

Evakuierungsübung: Der Alarm kam, als die Crewmitglieder gemütlich vor dem Fernseher saßen. Zwei Minuten später stehen sie in Überlebensanzug und Rettungsweste auf dem Außendeck bereit zum Besteigen des Rettungsbootes (im Hintergrund).

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Sicherheit im Offshore-Betrieb

Vergleichbar hohe Sicherheitsstandards gelten dem Schutz der marinen Umwelt und der Atmosphäre. Schon vor Beginn der Produktionsbohrungen hat ein niederländisches Institut im Auftrag des Deutschen Nordsee-Konsortiums die marine Artenvielfalt in der näheren Umgebung des A6-A-Standortes untersucht. Dieses im Juni 1999 nach den PARCOM-Richtlinien durchgeführte „Baseline Monitoring“ umfasste unter anderem Wasser- und Bodenproben sowie Unterwasser-Filmaufnahmen. Für die Dokumentation etwaiger Umweltschäden wurde im Juni 2000, 2001 und 2004 je ein „EffektMonitoring“ durchgeführt. Negative Einflüsse auf die Umwelt wurden dabei nicht festgestellt. Im ungestörten Normalbetrieb sind Störungen der Umwelt praktisch ausgeschlossen, da die Gas- und Kondensataufbereitung im geschlossenen System stattfindet. Leckagen werden von hochempfindlichen Detektoren, die über die ganze Anlage verteilt sind, sofort registriert. Zur Früherkennung möglicher Lecks in den Pipelines wird regelmäßig ein intelligenter „Molch“ – ein Inspektionsroboter – durch die Leitungen gepumpt, um deren Zustand zu überprüfen. Über Emissionen infolge von Störfällen muss die Crew präzise Buch führen. Die Umweltdokumentation erfasst auch alle Abfallsorten und -mengen, die getrennt gesammelt, per Schiff an Land gebracht und dort entsorgt werden. Fäkalien werden dagegen in der Kläranlage der Plattform biologisch abgebaut. Die ganze Plattform ist so konstruiert, dass sie nach Betriebsende komplett demontiert und an Land entsorgt werden kann. Dazu hebt ein Schwimmkran die Decks am Stück vom Jacket. Das Jacket wird mehrere Meter unterhalb des Meeresbodens gekappt und ebenfalls als Ganzes an Land gebracht. Auch die Bohrrohre werden unterhalb des Meeresbodens durchtrennt und abtransportiert, die Bohrlöcher mit Betonfüllungen dauerhaft abgedichtet. Eine abschließende Bodenplatte wird durch natürliche Strömungen in den Meersand eingespült, so dass schon wenige Wochen nach Betriebsende nichts mehr an die Offshore-Förderung erinnert.

Abflug: Nach einer Woche Arbeit auf ihrer Stahlinsel mitten in der Nordsee erwartet die Crewmitglieder eine ebenso lange Freischicht an Land. 23


Zeittafel

1974

Aufschlussbohrung A6-1 findet Gasfeld in Block A6

1976 – 1988

Weitere Probebohrungen A6-2, A6-3 und B4-3 bestätigen Fund und Ausdehnung in den Block B4

22. Februar 1999

Unterzeichnung des Erdgasliefervertrages zwischen dem Deutschen Nordsee-Konsortium und der N. V. Nederlandse Gasunie

Februar 1999 – Juni 1999

Bau des Rahmentragwerks (Jacket) der Förderanlage in Vlissingen, Niederlande

Februar 1999 – Mai 2000

Bau der Decks in Zwijndrecht, Niederlande

8. Juli 1999

Das Jacket wird in den „Entenschnabel“ geschleppt

28. September 1999

Ankunft der Bohrinsel „Transocean Nordic“ im Feld A6/B4

Oktober 1999 – März 2000

Abteufen der drei Förderbohrungen A6-A1a, A6-A2a, A6-A3

Januar 2000 – April 2000

Verlegung der Gas- und Kondensatpipeline

Juni 2000 – September 2000 Montage der Decks auf dem Jacket, Inbetriebnahme

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September 2000

Produktionsbeginn

Mai 2002

2 Milliarden Kubikmeter Erdgas produziert

März 2003

Installation des Erdgastransportverdichters

April – Juli 2003

Abteufen der Förderbohrung A6-A4

Februar 2005

5 Milliarden Kubikmeter Erdgas produziert

August 2005 – Januar 2006

Abteufen der bisher letzten Bohrung A6-A5


Verantwortlich für den Inhalt Wintershall Holding AG Friedrich-Ebert-Straße 160 34119 Kassel, Deutschland Tel.: +49 561 301-0 Fax: +49 561 301-1702 Konzeption und Gestaltung DAMM & BIERBAUM, Frankfurt am Main Satz und Reinzeichnung DAMM & BIERBAUM, Frankfurt am Main Lithografie Dimedia GmbH, Frankfurt am Main Druck und Verarbeitung Franz Kuthal GmbH & Co. KG, Mainaschaff Papier LuxoSamtoffset holzfrei matt gestrichen Bilderdruck – veredelt mit chemischen Additiven der BASF AG


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