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Forschungsprojekte im Fokus
Projekte Mittelpunkt im
Gerade in diesem Moment forschen zahlreiche schlaue Köpfe an einer Heilung von Querschnittslähmung. Mit verschiedensten Ideen, Methoden und Herangehensweisen wollen sie ihr Ziel erreichen. Hier rücken wir sieben Forschungsprojekte ins Rampenlicht.
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Abfangjäger im Blut
Der Narbe auf der Spur
MEDICAL COLLEGE OF WISCONSIN, INC., NEUROSURGERY, USA
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KAROLINSKA- INSTITUT, STOCKHOLM, SCHWEDEN Gewebeschaden entsteht bei einer Rückenmarksverletzung in zwei Phasen: Nach dem ursprünglichen Trauma des Unfalls kommt es zu nachfolgenden Schäden durch Einblutungen und Entzündungen. Blutabbauprodukte wirken toxisch und können eine Entzündung zusätzlich verstärken. Die deutsche Wissenschaftlerin Antje Kroner-Milsch arbeitet an Methoden, um den entstehenden Schaden möglichst zu minimieren.
Eine Anreicherung von Abfangproteinen soll dabei helfen, den toxischen BlutfarbstoΩ „Häm“ zu binden. Das Labor in Wisconsin erforscht das bei Patienten mit einem hohen Querschnitt, wo besonders viele Körperfunktionen betroΩen sind. Die HoΩnung ist, mit den Abfangproteinen den Sekundärschaden eindämmen zu können und zu verhindern, dass es nach dem Unfall zu Einblutungen und Entzündungen kommt.

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Fotos: Wimmer Photography, Erik Cronberg Der menschliche Körper repariert geschädigtes Gewebe in der Regel nicht. Stattdessen ersetzt er es mit dauerhaftem Narbengewebe. Solche Narbenplatten behindern jedoch das Nervenwachstum. Christian Göritz und sein Team haben sich daher auf die Suche nach den Treibern dieser Narbenbildung gemacht. Dabei sind sie auf Bindegewebszellen gestoßen, sogenannte Perizyten, die in dem Prozess eine Schlüsselrolle spielen könnten. Diese Zellen sind normalerweise an der Blutgefäßwand zu finden.
Die Forscher untersuchen, welche Moleküle und Immunzellen für das Einwandern dieser Zellen verantwortlich sind. Dieses Wissen würde helfen, Medikamente zu entwickeln, um Narbenbildungen in Zukunft gering zu halten. Das soll eine Regeneration der Nervenfasern und die funktionelle Erholung verbessern.
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Mit dem Glückshormon zu mehr Bewegung
UNIVERSITY OF LOUISVILLE, KENTUCKY SPINAL CORD INJURY RESEARCH CENTER, USA
Eine Querschnittsverletzung zerstört Nervenzellfortsätze, sogenannte Axone. Die Folge ist der direkte Untergang von Nervenverbindungen. Chemische Signalmoleküle können im Rückenmark dadurch nicht mehr so gut verbreitet werden. Einer dieser wichtigen BotenstoΩe ist Serotonin, weithin aus der Hirnforschung als das Glückshormon bekannt.
Es gibt verschiedene Arten der Stromtherapie. Mit elektrischer Stimulation lassen sich gelähmte Muskeln kurzzeitig aktivieren. Bei anderen Verfahren zielt der elektrische Reiz auf zentrales Nervengewebe (Gehirn und Rückenmark) oder peripheres Nervengewebe. Für beide Anwendungen können Elektroden auf die Haut geklebt werden. Kei Masani und Dimitry Sayenko aus Kanada kombinieren beides und
Ein erhöhter Serotoninspiegel im Rückenmark könnte durch die noch erhaltenen Nervenzellfortsätze wieder zu mehr Motorik führen. Diesen interessanten Ansatz verfolgen Jessica D’Amico und David RouΩet von der Universität Louisville, USA. Sie untersuchen an Patienten, ob sich mit unterschiedlich dosierten Serotonin-Tabletten die Nervenerregbarkeit während eines Bewegungstrainings steigern lässt.
stimulieren Rückenmark und Muskeln gleichzeitig. Mit dieser doppelten Stromtherapie soll es möglich werden, ohne Hilfsmittel frei zu stehen. Ihr Ziel ist die Entwicklung von Leggings, in die diese Technik eingearbeitet ist. Für ein stabiles Stehen müssen sie aber zunächst die Grundlagen einer solchen Kombinationstherapie schaΩen.
Unter Strom – selbständiges Stehen

TORONTO REHABILITATION INSTITUTE, TORONTO, KANADA
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Das Rätsel der Immunabwehr
UNIVERSITY OF CAMBRIDGE, CLINICAL NEUROSCIENCES, GROSSBRITANNIEN Wie die Krankheitsprozesse in unserem Körper nach einer traumatischen Querschnittsverletzung exakt ablaufen, ist noch nicht genau entschlüsselt. Eine chronisch verlaufende Entzündung spielt beim Zelluntergang und der Ausbildung einer Narbe aber wohl eine zentrale Rolle. Die Entzündung wird sowohl durch ortsansässige Immunzellen, die Mikroglia, als auch durch patrouillierende Fresszellen aus dem Blut, die Makrophagen, befeuert. Welcher Zelltyp dabei welche Rolle übernimmt, ist schwierig zu klären. Denn eingewanderte Fresszellen erscheinen im gleichen Gewand wie die Mikroglia.
Stefano Pluchino und sein Team aus Cambridge wollen jetzt dem Geheimnis der beiden Zellpopulationen auf die Spur kommen. Genanalysen und Fluoreszenzmarker, also die fluoreszierende Markierung von Zellen, helfen dabei. Auf diesem Wege wollen die Forscher den genauen Ablauf der Entzündungsreaktion enträtseln.
Auf der Suche nach dem richtigen Typ Stammzelle
TEXAS A&M UNIVERSITY, BIOLOGY, USA
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In der Stammzelltransplantation steckt viel HoΩnung auf Heilung. Transplantierte neurale Vorläuferzellen, sogenannte neural progenitor cells, können bereits an der Verletzungsstelle unterschiedliche Typen neuer Nervenzellen erzeugen. Sie werden über Verknüpfungen in das verletzte Nervensystem eingebaut. Das macht die Zellen zu attraktiven Kandidaten, um die motorischen Netzwerke wiederherzustellen.
Ein durchschlagender Erfolg konnte bisher nicht verzeichnet werden. Ein Grund für das Ausbleiben einer erfolgreichen Erholung könnte sein, dass man noch zu wenig über die Aufgaben und das Potenzial der unterschiedlichen Nervenzelltypen weiß. So stellt sich etwa die Frage, welche Zelltypen im Zusammenspiel notwendig sind, um eine Beinbewegung wiederherzustellen. Dies bearbeitet Wissenschaftlerin Ashley Tucker nun in den USA. Die Ergebnisse sollen die Forschung einen wichtigen Schritt nach vorne bringen, um eine Stammzelltransplantation für den Menschen zu entwickeln.
Einer Gruppe von Wissenschaftlern um Grégoire Courtine aus Lausanne ist es kürzlich gelungen, dass chronisch verletzte Patienten wieder ihre ersten Schritte machen konnten. Dieses Projekt hat viel Aufmerksamkeit erregt. Die Forscher verwendeten elektrische Rückenmarksstimulation in Höhe der Lendenwirbelsäule und kombinierten diese mit einer Roboter-gestützten Gangrehabilitation.
Nun versuchen sie, das Konzept auch auf Patienten mit hohem Querschnitt (Tetraplegiker) zu übertragen. Je höher ein Querschnitt, desto mehr Körperfunktionen sind beeinträchtigt. Diese Patienten wünschen sich vor allem, ihre Arme und Hände besser bewegen zu können. Noch sind Vorexperimente notwendig, um mit Stimulation auch Arm- und Handfunktion wiederherzustellen. Die Forscher entwickeln Protokolle, die die richtigen anatomischen Ansatzpunkte und den optimalen zeitlichen Ablauf umfassen. Zusammen mit Rehabilitation soll die Methode die Greifbewegung der Hände verbessern.

Stimulation in Raum und Zeit
ÉCOLE POLYTECHNIQUE FÉDÉRALE DE LAUSANNE, GENF, SCHWEIZ
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