Schon im Vorfeld hatte sich Johannes Ilg in der „Wiener
mals einer „sanften“ Restaurierung unterzogen. Seit 2011
Allgemeinen Zeitung“ Gedanken über die Zukunft ge-
wird durch das Architekturbüro P.Good mit großem
macht: „Menschen werden draußen wohnen und be-
finanziellen Aufwand vonseiten der Stadt Wien an einer
sucht werden, die kleinen Freundschaften und die gro-
umfassenden, denkmalpflegerischen Kriterien entspre-
ßen Feindschaften werden froh machen und wehtun.
chenden Sanierung der Werkbundsiedlung gearbeitet,
Die Ausstellung wird zur Siedlung werden, wenn und bis
die ersten fertiggestellten Häuser wurden im Juni 2012
dort die Verbindung von Haus und Glück, von Wohnung
der Öffentlichkeit präsentiert.
und Erlebnis sich begibt. Bis nicht nur die mit neuen
Bis heute wird in der Werkbundsiedlung gelebt, und
Käufern importierten Kinder, sondern die neugebore-
der Umstand, dass die Häuser als Architekturdenkmale
nen dort schreien, bis die Toten fortgeschafft werden.
staatlich geschützt sind, macht das Leben dort sicher
Bis man draußen leben wird.“3
nicht einfacher. Interessen von Bewohnerinnen und Be-
Wie die meisten Bauausstellungen war die Werkbundsiedlung ein finanzieller Misserfolg: Aufgrund der
Abb. 13 Bruno Buzek, Vogelschau der Werkbundsiedlung, 1931
wohnern müssen gegen jene des Denkmalschutzes abgewogen werden.
hohen Preise und der schwierigen wirtschaftlichen Lage konnten nur 14 Häuser verkauft werden, der große Rest
Zum Katalog
wurde von der GESIBA vermietet. Im August 1932 zogen
In seinem Aufbau soll der Katalog einmal mehr den
die ersten Bewohnerinnen und Bewohner ein: Beamte,
Ausstellungscharakter der Werkbundsiedlung unter-
Lehrer, Ingenieure, Architekten, Künstler und Schrift-
streichen: In den Aufsatzteil sind die Beschreibungen
steller – vor allem „geistige Arbeiter“. Nach dem „An-
der Häuser eingebunden – in der Reihenfolge der histo-
schluss“ 1938 wurde der ehemalige Werkbund- und
rischen Nummerierung werden die einzelnen Haus-
GESIBA-Präsident Neubacher erster NS-Bürgermeis-
typen vorgestellt. Grundrisse, Ansichten und Schnitte,
ter Wiens, die Werkbundsiedlung ging in das Eigentum
Angaben zur Wohnfläche werden mit dem erstmaligen
der Gemeinde Wien über. In der Folge wurden mehrere
Reprint des nur in wenigen Exemplaren erhaltenen his-
Bewohnerinnen und Bewohner Opfer der rassistischen
torischen Verkaufskatalogs der GESIBA geliefert. His-
Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Auch viele
torische Fotografien von Martin Gerlach, Julius Scherb
Architektinnen und Architekten, Gestalterinnen und
und Franz Mayer zeigen Ausstellungssituation und Ein-
Gestalter der Ausstellung von 1932 mussten emigrieren,
richtung der Häuser im Sommer 1932. Ihnen werden Fo-
einige kamen ums Leben. Der modernen Architektur in
tografien von Margherita Spiluttini (1985) und David
Österreich wurden in jeder Hinsicht die Grundlagen
Schreyer (2012) gegenübergestellt, die ein aktualisiertes
entzogen; die Werkbundsiedlung erinnert an die Über-
– wenn auch ebenso selektives – Bild der Wiener Werk-
zeugung, ein besseres Leben aus dem Geist der Moderne
bundsiedlung vermitteln.
gestalten zu können. Nach 1945 entdeckte eine junge Architektengeneration in der Werkbundsiedlung die abgerissenen Fäden der Moderne. In den späten 1970er-Jahren unter Denkmalschutz gestellt, wurde die Werkbundsiedlung 1983– 1985 durch Adolf Krischanitz und Otto Kapfinger erst-
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Achleitner 1985a, S. 7. Frank 1931, S. 135. Johannes Ilg: Die Werkbund-Siedlung, in: Wiener Allgemeine Zeitung, 29.7.1932, S. 6.
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