Wien Museum Ausstellungskatalog „Werkbundsiedlung Wien 1932 - Ein Manifest des neuen Wohnens“

Page 15

Schon im Vorfeld hatte sich Johannes Ilg in der „Wiener

mals einer „sanften“ Restaurierung unterzogen. Seit 2011

Allgemeinen Zeitung“ Gedanken über die Zukunft ge-

wird durch das Architekturbüro P.Good mit großem

macht: „Menschen werden draußen wohnen und be-

finanziellen Aufwand vonseiten der Stadt Wien an einer

sucht werden, die kleinen Freundschaften und die gro-

umfassenden, denkmalpflegerischen Kriterien entspre-

ßen Feindschaften werden froh machen und wehtun.

chenden Sanierung der Werkbundsiedlung gearbeitet,

Die Ausstellung wird zur Siedlung werden, wenn und bis

die ersten fertiggestellten Häuser wurden im Juni 2012

dort die Verbindung von Haus und Glück, von Wohnung

der Öffentlichkeit präsentiert.

und Erlebnis sich begibt. Bis nicht nur die mit neuen

Bis heute wird in der Werkbundsiedlung gelebt, und

Käufern importierten Kinder, sondern die neugebore-

der Umstand, dass die Häuser als Architekturdenkmale

nen dort schreien, bis die Toten fortgeschafft werden.

staatlich geschützt sind, macht das Leben dort sicher

Bis man draußen leben wird.“3

nicht einfacher. Interessen von Bewohnerinnen und Be-

Wie die meisten Bauausstellungen war die Werkbundsiedlung ein finanzieller Misserfolg: Aufgrund der

Abb. 13 Bruno Buzek, Vogelschau der Werkbundsiedlung, 1931

wohnern müssen gegen jene des Denkmalschutzes abgewogen werden.

hohen Preise und der schwierigen wirtschaftlichen Lage konnten nur 14 Häuser verkauft werden, der große Rest

Zum Katalog

wurde von der GESIBA vermietet. Im August 1932 zogen

In seinem Aufbau soll der Katalog einmal mehr den

die ersten Bewohnerinnen und Bewohner ein: Beamte,

Ausstellungscharakter der Werkbundsiedlung unter-

Lehrer, Ingenieure, Architekten, Künstler und Schrift-

streichen: In den Aufsatzteil sind die Beschreibungen

steller – vor allem „geistige Arbeiter“. Nach dem „An-

der Häuser eingebunden – in der Reihenfolge der histo-

schluss“ 1938 wurde der ehemalige Werkbund- und

rischen Nummerierung werden die einzelnen Haus-

GESIBA-Präsident Neubacher erster NS-Bürgermeis-

typen vorgestellt. Grundrisse, Ansichten und Schnitte,

ter Wiens, die Werkbundsiedlung ging in das Eigentum

Angaben zur Wohnfläche werden mit dem erstmaligen

der Gemeinde Wien über. In der Folge wurden mehrere

Reprint des nur in wenigen Exemplaren erhaltenen his-

Bewohnerinnen und Bewohner Opfer der rassistischen

torischen Verkaufskatalogs der GESIBA geliefert. His-

Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Auch viele

torische Fotografien von Martin Gerlach, Julius Scherb

Architektinnen und Architekten, Gestalterinnen und

und Franz Mayer zeigen Ausstellungssituation und Ein-

Gestalter der Ausstellung von 1932 mussten emigrieren,

richtung der Häuser im Sommer 1932. Ihnen werden Fo-

einige kamen ums Leben. Der modernen Architektur in

tografien von Margherita Spiluttini (1985) und David

Österreich wurden in jeder Hinsicht die Grundlagen

Schreyer (2012) gegenübergestellt, die ein aktualisiertes

entzogen; die Werkbundsiedlung erinnert an die Über-

– wenn auch ebenso selektives – Bild der Wiener Werk-

zeugung, ein besseres Leben aus dem Geist der Moderne

bundsiedlung vermitteln.

gestalten zu können. Nach 1945 entdeckte eine junge Architektengeneration in der Werkbundsiedlung die abgerissenen Fäden der Moderne. In den späten 1970er-Jahren unter Denkmalschutz gestellt, wurde die Werkbundsiedlung 1983– 1985 durch Adolf Krischanitz und Otto Kapfinger erst-

1 2 3

Achleitner 1985a, S. 7. Frank 1931, S. 135. Johannes Ilg: Die Werkbund-Siedlung, in: Wiener Allgemeine Zeitung, 29.7.1932, S. 6.

15


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.