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DIDAKTIK

DAS HERZSTÜCK Die Werkstatt ist der Fixpunkt im Raum, das Zentrum allen Tuns. Eine Werkstatt wird nicht aufgebaut fĂŒr eine bestimmte Zeit, eine Werkstatt ist immer da, ist verlĂ€sslicher Dreh- und Angelpunkt. Sie ist klar strukturiert und systematisch aufgebaut. Diese Klarheit ermöglicht den ­Kindern viel SelbststĂ€ndigkeit und EigenstĂ€ndigkeit. Die Klarheit der Struktur stellt die nötige Sicherheit fĂŒr das freie Tun her. Wenn die Kinder einen Plan, eine Idee im Kopf entwerfen, mĂŒssen sie wissen, wo was zu finden ist, damit sie ihre Ideen zum Gelingen bringen können. Kinder mĂŒssen Gefahren begegnen können, der Umgang mit Gefahren und Herausforderungen macht die Kinder stark. Es gibt keinen anderen Ort im Kindergarten, an dem sich die Kinder so korrekt an die Abmachungen halten, wie in der Werkstatt. Ist die Werkstatt einmal fest im Raum installiert und zugĂ€nglich gemacht, schauen sich die Kinder gegenseitig auf die Finger; ich als Lehrperson werde nur noch in wirklich heiklen Situationen und Fragestellungen beigezogen. Alles andere geben sich die Kinder untereinander weiter. Es gibt immer Beginnerinnen und Beginner, Fortgeschrittene, Expertinnen und Experten . Es wird viel beobachtet und zugeschaut,

Eine klare Ordnung ermöglicht den Kindern das selbststĂ€ndige Arbeiten – und sieht erst noch toll aus.

diese scheinbar untĂ€tige Anteilnahme birgt enormen Lernzuwachs. Aus PlatzgrĂŒnden sind Werkstatt und Bibliothek zusammengewachsen und das ist auch gar nicht schlecht. An der ­RĂŒckwand der Bibliothek, sie wurde aus Schalungsbrettern gezimmert, hĂ€ngen die wichtigsten Werkzeuge klar nach Thema sortiert. In der Bibliothek lauern in Form von SachbĂŒchern viele Ideen und Antworten auf anfallende Fragen, EinfĂ€lle und

LĂŒcken. Die Kinder brauchen die Bibliothek ganz selbstverstĂ€ndlich als Hilfe zur Selbsthilfe und wissen genau, wo sich welches hilfreiche Buch versteckt. Werken und Werkstatt ist also auch Leseförderung. So einfach und sinnstiftend kann das sein.

Die Baustelle Neben der Werkstatt ist auch die Baustelle ein wichtiger Baustein in der Spiel- und Lernumgebung. Das Angebot der ­Baustelle im Kindergarten erinnert an die Bauecke, nur dass das Werkzeug und das Material eben in ursprĂŒnglicher Grösse zur VerfĂŒgung gestellt und zusammengesucht ­werden: Leitern, Bretter, Holzrugel, Hanfseile, GummibĂ€nder, Wellkarton, Abdeckband, Stecken, WĂ€scheklammern, ­Schachteln oder HolzbĂ€nke, die auch als SitzbĂ€nke benutzt werden. Das Wort Baustelle ist sehr wohl wörtlich zu verstehen. In unserem Alltag ­begegnen wir beinahe an jeder Ecke einer Baustelle. Es sind Orte, wo Menschen mit verschiedenen FĂ€higkeiten gemeinsam etwas Neues entstehen lassen. Da wird gegraben, gesĂ€gt, gehĂ€mmert, gepflastert, es werden Rohre verlegt, verbunden, ­angeschlossen, es braucht Kraft, Köpfchen, Überlegungen, PlĂ€ne und Ideen. Es wird geredet, gestritten und auf die Schulter geklopft. Baustellen sind die Orte, wo Kinder gerne stehen bleiben. Ganz lange stehen bleiben. Es sind die Orte, die Kinder immer wieder besuchen wollen. Das schlichte Baumaterial lĂ€sst eine unerschöpfliche Vielfalt an Spiel- und ­Gestaltungsmöglichkeiten zu. Es ist einfach und bleibt immer unfertig. Es ermöglicht die Umsetzung unzĂ€hliger eigener Ideen. Alles kann beliebig verĂ€ndert und umgestellt werden. Die Baustelle bietet zudem Gelegenheit zu grossrĂ€umigen Bewegungen, verbunden mit kniffligen feinmotorischen Arbeiten. Das Spiel regt zu unmittelbarem Handeln und zur ­BewĂ€ltigung handfester Probleme an. ­Dabei kommen Neugier, die Lust am ­Erkunden und Erlebnishunger ins Spiel. Die vielfĂ€ltige Wirkung dieses Tuns ergibt eine P ­ alette von LernanlĂ€ssen. Diese reicht vom Sozialverhalten im gemeinsamen Konstruieren, rĂ€umliche Wahrnehmung durch Messen und Vergleichen, bis zum Unterscheiden von Farben, Formen und

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WERKSPUREN

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Dimension. Im Tun und Wirken können sich die Kinder entfalten, gleichzeitig aber auch lernen, mit Gefahren umzugehen und an Grenzen zu wachsen. Die grosse Kunst bei der Begleitung und DurchfĂŒhrung einer Baustelle ist es, den Kindern den nötigen Freiraum zu gewĂ€hren und gleichzeitig eine klare ­Infrastruktur zur VerfĂŒgung zu stellen. Ein wesentlicher Aspekt beim Aufbau und bei der Begleitung einer Baustelle ist die ­Ordnung. Da viel Material vorhanden ist und der Klassenraum sich durch die ­BautĂ€tigkeit verĂ€ndert, ist es wichtig, durch eine klare Strukturierung Orte zu schaffen, wo Material gelagert und gehortet wird. Von da wird das Material bei Bedarf geholt und nach der Verwendung wieder zurĂŒckgebracht.

Wichtige Arbeiten und hilfreiche Erkenntnisse werden dokumentiert – ein Schatz an Bildern und Erlebnissen.

DAS TAGEBUCH Was habe ich wo, warum, mit wem, wie erarbeitet und gestaltet? Wie ist es mir bei der Arbeit ergangen? Was ist mein n ­ Ă€chstes Ziel? Wo will ich hin? Wer kann mir dabei helfen? Was brauche ich fĂŒr meine Arbeit? Nicht alles, was im Kindergarten und in der Schule gestaltet wird, kommt nach Hause. Wichtige Arbeiten werden daher fotografiert und ins Tagebuch geklebt. Das können auch Zeichnungen und kurze T ­ exte sein. Manchmal sind die Kinder beim Durchstöbern ihrer TagebĂŒcher selber erstaunt ĂŒber all ihr Wirken und Tun. Das macht stark. AUTORIN Barbara Schneckenburger ist Grundstufenlehrerin und KindergĂ€rtnerin und arbeitet hauptsĂ€chlich als KindergĂ€rtnerin. Sie arbeitet am Institut Unterstrass als Praktikumslehrperson und ist Gastreferentin am Unterstrass und an der PHZH.


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