Dancing towards the Essence

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brachten wir auch bei Bernhard und Ursi Luginbühl, wo ich deren überbordend grosszügige und kreative Lebensweise in mich aufsog. Feierlicher und weniger spontan verlief unser einmaliger Besuch bei Picasso, wo man tagelang anrufen musste, um einen möglichen Termin zu erhalten. Doch einmal in seiner malerischen von Büchern und Bildern angehäuften «Wohnstube» war man ganz selbstverständlich aufgenommen und integriert. Einen tiefen Eindruck machte auf mich Diego Giacometti, den wir sehr oft in Paris besuchten. Seine unsägliche Trauer nach dem Tod seines Bruders Alberto – ohne ein Wort darüber auszusprechen – werde ich nie vergessen, seine immense Hochachtung vor dem Werk seines Bruders, in dessen Dienst er sich jahrelang selbstlos gestellt hatte, die Bescheidenheit seinen eigenen Werken gegenüber, seine Art, wie er sich als «Ur-Bündner» auch die Eleganz des Pariser Lebens zu eigen gemacht hatte... Neben den vielen Künstlern erlebten wir auch spannende Begegnungen mit Museumsdirektoren und Kuratoren. Franz Meyer und seine wilde Frau Ida Chagall kannte ich schon aus dem Elternhaus, wie auch zahlreiche Kunsthändler, etwa den jungen Ernst Beyeler, Vater und Sohn Nathan sowie Marianne Feilchenfeldt, die oft bei uns zu Besuch waren. Ich erinnere mich noch gut an ihren wunderbaren Mann, Walter Feilchenfeldt, eine Legende. Diese Leute gehörten zu unserem Alltag.

Raumansicht mit Werken von berhard Havekost, Albrecht Schnider und Václav Pozárˇek

Wann war der Startschuss für deine eigene Sammlung? Mein Sammeln begann um 1993 nach der Trennung von meinem Ehemann Eberhard Kornfeld. Am neuen Wohnort waren die Räume und Wände zu Beginn leer. Alles begann eher spielerisch. Ich hab nie obsessiv und akribisch nach Werken gesucht, es ergibt sich intuitiv, die Kunstwerke finden eher mich als ich sie. Klar besuche ich viele Galerien, Museen oder Künstlerateliers und informiere mich heute vor allem über das Kunstschaffen der jungen Künstler. Mein Leben war immer von Kunst geprägt, das Sehen, das unmittelbare berührt werden, auch die Sehnsucht danach sind ein Teil von mir. Heute sehe ich es als ein Teil des Ausdrucks meines Lebens: Kunst kommt, wie bekanntlich Arnold Schönberg 1911 festgehalten hat, von Müssen, der Suche nach Auseinandersetzung. Sind dir persönliche Beziehungen in der Kunst wichtig? Bei meiner eigenen Sammlertätigkeit kam es immer wieder zu intensiven Freundschaften wie etwa mit Alfredo Jaar, dessen soziale Anliegen die Triebfedern zu seinen eindrücklichen Werken sind. Alfredo kam durch einen Glücksfall in mein Haus, um hier zu wohnen, und irgendwo fanden wir uns in gemeinsamen Visionen und deren Umsetzung. Mit Albrecht Schnider verbindet mich seit Jahren eine von Kreativität, Behutsamkeit und tiefer Menschlichkeit geprägte Freundschaft. Der Besuch seiner Ausstellung im Haus am Waldsee in Berlin 2011 zusammen mit Andreas Fiedler war für mich eine Sternstunde künstlerischer Auseinandersetzung mit seinem Werk. Inspirierend sind auch die Rundgänge durch Ausstellungen mit Heinz Egger. Besonders in Erinnerung ist mir der von Heinz arrangierte Besuch im Atelier von Hans Josephson. Der Künstler war mir als Besuchern gegenüber eher unzugänglich und abweisend geschildert worden. So sah ich diesem Atelierbesuch mit Bangen entgegen. Doch aus dem nur kurz geplanten Besuch wurden Stunden intensivster Auseinandersetzung mit seinem wahrlich monumentalen Werk, gekrönt von einer heissen Schokolade, die uns der Künstler höchstpersönlich in seinem Atelier braute. 108


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