JUBILÄUM
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DANKBAR RÜCKWÄRTS, GLÄUBIG AUFWÄRTS, MUTIG VORWÄRTS Dies war stets das Leitmotiv meines Großvaters Hermann Wegst, mit dem er jeden Vertrag, jeden Geschäftsbrief handsignierte. Ein Leitmotiv, das uns auch heute noch stets Maxime ist bei allen Entscheidungen, die wir in dem Familienunternehmen treffen. Stets im Sinne der Kunden und zum Wohle des Unternehmens und seiner Mitarbeiter. Liebe Kunden, Gäste und Freunde des Hauses WEGST. Wir feiern in diesem Jahr 120 Jahre Bestehen des Unternehmens auf Sylt. Just vor 120 Jahren wurde auch die erste Olympiade der Neuzeit in Athen ausgetragen. 120 Jahre Wettbewerb im Sport wie auf dem Marktplatz. Zwischen Sport und Handel gibt es viele Parallelen. Es braucht Konkurrenz, an der man sich messen und Vorbilder, an denen man sich aufrichten kann. Schließlich muss man sich vorbereiten, um erfolgreich zu sein. Wir blicken auf 120 Jahre erfolgreichen Wettbewerb im Handel zurück. Die Geschichte, der Wettbewerb des Hauses begann jedoch in Geislingen im Ländle – sogar schon vor etwa 150 Jahren. Wir wollen dankbar zurückblicken. Mit diesem Sonderheft geben wir einen Einblick über die Vergangenheit, aber auch wie wir heute aufgestellt sind. Mein persönlicher Dank geht an unsere treuen Kunden, an meine langjährigen Mitarbeiter und Lieferanten und an meine Freunde und Familie. 120 Jahre sind eine lange Zeit. 120 Jahre wiegen zunächst schwer – wo gibt es das heute noch? Wie sieht die Zukunft aus? Können wir in diesem Umfeld auch nach wie vor bestehen? 2
120 Jahre erfüllen einen mit Stolz. Stolz auf das, was die Vorfahren geschaffen haben. Die wichtigsten Entscheidungen des Hauses wurden sicherlich von ihnen getroffen. Diese Entschlossenheit und dieser Mut waren stellvertretend für viele Sylter Unternehmer, die in ganz schwierigen Zeiten sehr mutige Entscheidungen trafen. Es war eine bewundernswerte Unternehmergeneration. Die Herausforderungen heute sind andere, als sie es damals waren. Ist es heute leichter im Einzelhandel erfolgreich zu sein? Man wird die Frage nicht de nitiv beantworten können. Die Märkte haben sich geändert: Trends sind schnelllebiger, Lebenszyklen von Produkten kürzer, Rabattschlachten aggressiver, Marken dominieren, Stichwort Onlinehandel. Ein Professor lehrte mir einmal: „Der Markt kennt keine Moral“. Das stimmt – damals wie heute. Wir nehmen die Herausforderung an, weil wir wissen, dass wir Kunden etwas bieten können – damals wie heute. Heute sind wir dankbar und wir feiern – mit Ihnen zusammen. Morgen sind wir wieder unendlich mutig. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen Ihr Carsten Wegst, Geschäftsführer
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ZWEI AUF EIN GESPRÄCH Hans-Hermann und Antje Wegst gehen seit 46 Jahren gemeinsam durchs Leben. Er, wenige Wochen nach Beginn des Zweiten Weltkriegs geboren, und sie, waschechte Friesin und Spross der traditionsreichen Sylter Bäckerei-Familie Abeling, blicken zurück auf 120 Jahre Familiengeschichte. Vier Generationen haben das Traditionsunternehmen Wegst zu dem ge-
macht, was es heute ist. Der 76 Jahre alte Steuerberater und die 68-jährige
gelernte Bauchzeichnerin sind Teil dieser Erfolgsgeschichte. Nach dem Tod
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Erinnerungen werden wach, wenn Hans-Hermann Wegst über seine Kindheit spricht. Seiner Frau Antje war schon früh klar, dass sie irgendwann beru ich in das Familienunternehmen einsteigen würde
heute ungebrochen ist. Hörte er mich von unten nicht spielen, kam er aus dem Laden heraufgestürzt, um mich zu ermahnen. Seine Kunden ließ er dabei einfach stehen.
i h re s S c h w i e g e r v a t e r s Hermann Wegst übernahm Antje Wegst im Jahr 1988 die Regie im Schmuckgeschäft. Bis heute verbindet sie mit sicherem Gespür Traditionelles mit zeitgemäßen Angeboten. Das Ehepaar ist stolz auf seine drei Kinder Dürken Freier (Steuerfachangestellte), Göntje Rosenzweig (Anwältin) und Carsten Wegst, der vor neun Jahren als Geschäftsführer die Leitung des Familienbetriebs übernommen hat. Herr Wegst, Ihre Eltern Hermann und Marie waren das, was man wohl als Vollblut-Unternehmer be-
zeichnen würde. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Kindheit? Hans-Hermann Wegst: Meine Eltern waren von morgens bis abends im Geschäft, aber das Familienleben hat darunter nie gelitten; es war trotzdem immer jemand da für uns Kinder. Wenn ich vor unserem Geschäftshaus stehe, schweifen meine Gedanken häu g Jahrzehnte zurück. Ich schaue dann nach oben zum Turmzimmer, sehe mich als Achtjährigen am Klavier sitzen und höre meinen Vater, wie er mich im Spielen unterweist und dabei meine große Liebe zur Musik weckte, die bis
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Und ich erinnere mich an meine Mutter am Heiligen Abend, die mit ihren zwei ungeduldigen Söhnen auf den Vater warten musste, der bei Sturm und Regen noch die letzten bestellten Waren mit dem Rad zu den Kunden brachte. Ohne ihn, das war auch uns Kindern bewusst, konnte die Bescherung unter dem Tannenbaum im Turmzimmer natürlich nicht beginnen. In der Kirche um 23 Uhr schlief er dann oft ein, weil der 24. Dezember der Hauptverkaufstag war und er die Nacht vorher oft gar nicht ins Bett kam. Ich habe oft dabei geholfen, im Lager die Ware auszupacken. Das Füllmaterial in Form von Holzwolle wurde danach im Keller verbrannt. Als 1948 die
hätten bedrucken lassen können. Mein Vater kaufte ein, was ihm ge el, meine Mutter das, was den Kunden ge el. Dafür engagierte sich mein Vater anderweitig, war unter anderem
heute in der Sakristei zu nden ist.
acht Jahre lang Stadtvertreter und fast 40 Jahre Kirchenvorstand. Daneben war er ein Freund der Ringreiter: Als Sponsor übernahm er die Gravuren der Pokale und beim jährlichen Ringreiter-Umzug durch die Stadt Westerland schenkte er vor seinem Geschäft Korn aus. 1962 stiftete mein Vater der Westerländer Stadtkirche die Figur „Segnender Christus“, die lange über dem Taufstein hing und
und Mitbringsel Sylt typisch gestaltet, zum Beispiel Kettenanhänger und Brieföffner, die mit einer Möwe verziert waren. Später hat er auch Muschelkästen angeboten und mit seiner schönen Handschrift aufgewertet. Er war außerdem der Erste, der die Form der Insel als Logo genutzt hat. Es war seine Idee, die Silhouette zu vermarkten. Aber die Insel Sylt kann man nicht als Marke schützen lassen
Antje Wegst: Mein Schwiegervater hat seine E l f e n b e i n s c h n i t z e re i e n auch touristisch verkauft
Wer hatte in unternehmerischen Dingen die Hosen an – Ihr Vater oder Ihre Mutter? Hans-Hermann Wegst: Mein Vater war als Elfenbeinschnitzer ein Künstlertyp, meine Mutter die Geschäftsführerin. Ein Arbeitstag meines Vaters dauerte nicht selten von 6 bis 23 Uhr, wobei ein hohes Maß an Genauigkeit und Sorgfalt den Geschäftsalltag bestimmten. Ich weiß noch ganz genau, wie er jedes Preisschild selbst beschrieb und bemalte, obwohl wir sie auch
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Währungsreform in Kraft trat und die D-Mark da war, gab es eine wahre Angebotsfülle. Zuvor wurden die Waren – wie in allen anderen Geschäften auch – gehortet und versteckt. Der erste Kunde mit der neuen Währung in der Tasche, ein Beamter, gab bei uns sofort die gesamten 40 Mark aus, die damals jeder Bürger als Erstzahlung erhalten hatte. Da war mein Vater glücklich, denn endlich kam wieder Geld in die Kasse.
Frau Wegst, wann war Ihnen denn klar, dass Sie in das Familienunternehmen Ihres Mannes einsteigen wollen? Antje Wegst: Wir haben 1971 geheiratet. Irgendwann fragte mich mein Mann einmal, ob ich mir vorstellen könnte, im Geschäft zu arbeiten. Ich habe das nie verneint, das Kaufmännische liegt mir im Blut. Aber erst einmal waren andere Dinge an der Reihe. Ich unterstützte meinen Mann in seinem Steuerbüro, die Kinder wurden geboren und Frühstücksgäste waren im eigenen Haus zu betreuen. Bis dahin kümmerten sich meine Schwiegereltern ja
auch um alles, wobei ich bereits zu dieser Zeit in der Saison bei ihnen ausgeholfen habe, die Buchführung erledigte und mit m e i n e r S c h w i egermutter Messen besuchte.
Ich erinnere mich an meine Mutter am Heiligen Abend, die mit ihren zwei ungeduldigen Söhnen auf den Vater warten musste, der bei Sturm und Regen noch die letzten bestellten Waren mit dem Rad zu den Kunden brachte. «
W e l c h e E r i n n erungen haben Sie an Ihre Anfangszeit? A n t j e We g s t : D u rc h Learning by doing habe ich mir viele Fachkenntnisse selbst erarbeitet. Ich habe mich der Aufgabe, im Unternehmen Mitverantwortung zu übernehmen, bewusst und gerne
gestellt und übe diese Tätigkeit auch heute noch mit derselben Begeisterung und Freude aus wie am Anfang. Sehr gut erinnere ich mich noch an meine Anfangszeit im Laden, als ich plötzlich Bernstein verkaufen musste. Das war zunächst überhaupt gar nicht mein Schmuck. Wir hatten diese langen „Oma-Ketten“ mit unterschiedlicher Steindicke im Angebot und ich fand‘ die eigentlich unverkäu ich. Der BernsteinVertreter riet mir dazu, sie auf keinen Fall aus dem Sortiment zu nehmen – was ich aber trotzdem getan habe. Keine zwei Jahre später haben wir stattdessen kürzere Ketten ver-
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kauft. Und diese sind bis heute sehr beliebt bei den Kunden und ich war begeistert vom Bernstein. Herr Wegst, warum haben Sie sich beru ich gesehen gegen das Familie n u n t e r n e h m e n e n tschieden? Hans-Hermann Wegst: Ich habe mich nicht dagegen entschieden. Ich habe meine Schulzeit auf Sylt mit dem Abitur beendet, wodurch sich ein ganz anderer beru icher Lebensweg ergeben hat. Ich habe in Hamburg Betriebswirtschaft studiert und in Neumünster eine Ausbildung zum Steuerberater absolviert. Im Anschluss daran unterrichtete ich drei Jahre lang als Dozent für Steuerrecht an Fachschulen und der Steuerberaterkammer, ehe ich mich 1969 als selbstständiger Steuerberater in Westerland niederließ. Zu der Zeit führten meine Eltern das Geschäft und später stellte sich die Frage gar nicht mehr. Wir hatten mit Rolf Egehave fast 30 Jahre lang einen sehr patenten Ge-
schäftsführer in der Firma und meine Frau war ja auch noch da. Die vergangenen zwölf Jahrzehnte waren nicht immer einfach. Zwei Weltkriege führten zu vorübergehenden Schließungen des Geschäfts und die Weltwirtschaftskrise brachte enorme Einbußen. Nichtdestotrotz: Ihr Unternehmen hat alles überdauert und ist stetig weiter gewachsen. Was lautet das Wegst’sche Erfolgsrezept? Hans-Hermann Wegst: Das Aufspüren von Geschäftsfeldern ist wichtig. Meine Mutter war oft auf Messen unterwegs, um neue Trends zu entdecken und einzuführen, die dann wenig später von der Konkurrenz nachgeahmt worden sind. Antje Wegst: Man muss immer sehen, dass man dem Kunden Neuigkeiten präsentiert. Sich von der Masse abzusetzen, ist das A und O.
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Was hat es eigentlich mit dem Elefantenkopf auf sich, der über dem Geschäftseingang prangt? Hans-Hermann Wegst: M e i n Va t e r, H e r m a n n Wegst, besuchte mit seinen Eltern auf der Reise Geislingen-Sylt auf der Zwischenstation in Hamburg immer Hagenbecks Tierpark. Dort zeichnete er begeistert Elefanten ab – insbesondere den Elefantenkopf über dem Haupteingang. Nach diesen Skizzen ließ er den Bronzeguss anfertigen, der noch heute an die Elfenbeinschnitzerei erinnert und einem Wahrzeichen gleicht.
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IN VIERTER GENERATION AUF ERFOLGSKURS Geschaffen von vorausschauenden und mutigen Wegbereitern, hat sich das Familienunternehmen Wegst anfangs durch Elfenbeinschnitzerei, später durch filigranen Friesenschmuck bundesweit einen Namen gemacht. 1896 eröffnete die Familie ihr erstes Geschäft auf Sylt. 120 Jahre später feiert das Traditionshaus nun eine Erfolgsgeschichte, wie sie in einer schnelllebigen Zeit auf einem hart umkämpften Markt alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist
Imposantes Bauwerk in der Friedrichstraße: Oben ist das „Haus Westerland“ Mitte der 1930er Jahre zu sehen.
Die Geschichte der Familie Wegst beginnt weit entfernt vom Meer rund 1.000 Kilometer südlich der Insel Sylt: am Rande der Schwäbischen Alb in dem beschaulichen Städtchen
gekrönte unternehmerische Zukunft legten.
und die betuchten Reisenden schlugen eißig zu.
Geislingen liegt zwischen Stuttgart und Ulm. Der legendäre Orient-Express „Paris-Istanbul“ machte
Während sich die meisten Elfenbeinschnitzer damit begnügten, ihre Waren vor Ort zu vertreiben, dachte J o h a n n e s We g s t bereits weiter. Es war die Zeit, zu der über
Das Richtfest wurde am 23. April 1932 gefeiert
Geislingen an der Steige. Im 18. Jahrhundert entwickelte sich der Ort zu einer Hochburg für Elfenbeinschnitzerei. 33 Meister ihres Fachs waren dort kurz vor der Jahrhundertwende ansässig – unter ihnen Johannes Wegst. Seine Fingerfertigkeit und sein unternehmerisches Gespür waren es, die den Grundstein für eine von Erfolg
d o r t re g e l m ä ß i g e i n e Stunde Halt, weil die Lok umgesetzt werden musste. Robert Wegst nutzte dieses Zeitfenster für eine p f ge Geschäftsidee: Aus einem Bauchladen heraus, den seine Ehefrau umgebunden hatte, warb er auf dem Bahnsteig für seine Elfenbeinschnitzereien –
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all im Land namhafte Erholungsorte aufblühten, in denen sich der Adel und die gut Situierten tummelten. Während Johannes Wegst für die Sommermonate in Bad Landeck (Schlesien) einen Laden anmietete, schickte er seine drei Söhne zur Expansion des Familienbetriebs in aufstrebende Kurorte. Sohn Hermann verbrachte den Sommer in Bad Pyrmont. Zur selben Zeit baute Sohn Hans ein Geschäft in Bad Neuenahr auf. Der 18-jährige Sohn Robert trat die weiteste Reise an: Die Wahl seines Vaters war auf das an der Danziger Bucht gelegene Ostseebad Zoppot gefallen, das sich da-
mals zu einem mondänen Seebad entwickelte. Dort eröffnete Rob e r t We g s t 1891 sein Geschäft. Vor Beginn der Saison 1891 k a m e n Va t e r Johannes und Sohn Robert eines Morgens um 8 Uhr mit einigen Waren in Zoppot an. Dort besichtigten sie einen Laden, in dem Robert verschüchtert fragte, was denn nun als nächstes zu tun sei. „Do muascht zum Schreiner und Dir a paar Holzplatten besorga und die Platta beziehe ond desgleicha au im Schaufenster ond dann muscht zusehe, dass au was verkaufscht.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich der Vater und machte sich noch am selben Tag auf die Rückreise nach Geislingen. Später erzählte R o b e r t We g s t s e i n e m Sohn Hermann: „Nun stand ich da, weit über
Hermann Wegst 1977 in seinem Schmuckladen
1.000 Kilometer fern von daheim, mutterseelenallein, in einer Gegend mit einer völlig anderen Sprache – da habe ich mich erst einmal hingesetzt und bitterlich geweint.“ Fünf Jahre lang verkaufte Robert Wegst während der Sommermonate in Zoppot die heimischen Erzeugnisse. Im Frühjahr 1896 stieß er dann in einer Hamburger Zeitung auf ein Inserat: Auf Sylt stand ein Laden zur Vermietung frei. Er bewarb sich und erhielt tatsächlich den Zuschlag.
Es war eine günstige Zeit, zu der der Geislinger nach 11
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In Westerland angekommen, stellten sich schnell zufriedenstellende Umsätze ein. Gleichwohl beobachtete Robert Wegst, dass auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig mehr Sommerfrischler anierten, weshalb er sich im Jahr 1900 für einen Umzug in ein kleines Eckgeschäft auf der anderen Straßenseite entschloss. Diese neue Lage sollte sich als „Goldgrube“ entpuppen, erinnerte sich später Hermann Wegst, der Sohn von Robert Wegst.
Der Schmuckwaren-Laden in der Friedrichstraße 26 im Jahr 1928
Westerland kam: Ein paar Jahrzehnte zuvor hatte man Sylt als Badeort entdeckt. 1880 wurden 2.000 Sommerfrischler gezählt, 1905 waren es bereits 22.000. Im Jahr 1914 zog der Unternehmer erneut um. Nachdem Robert Wegst von den Planungen für einen Dammbau erfahren hatte, war ihm klar, dass sich die Friedrichstraße als kürzeste Verbindung zwischen Bahnhof und Strand
zu einer gefragten Hauptstraße entwickeln würde. Er kaufte ein Grundstück in der Friedrichstraße 31 und beauftragte einen Architekten, ein Wohnund Geschäftshaus zu entwerfen. Pünktlich zur Saison 1914 eröffnete der Unternehmer sein Geschäft mit großem Schaufenster und moderner Ladeneinrichtung. Doch die Freude währte nur kurz. Der Erste Weltkrieg brach aus und am 2. August 1914 musste sich 12
Robert Wegst wie viele andere auf dem Feld vor der Keitumer Kirche zur Musterung ein nden. Aus dem Unternehmer wurde ein Soldat. Vermutlich waren es seine handwerklichen Fähigkeiten, die ihm das Leben retteten: Robert Wegst lag im Schützengraben vor Verdun, als er plötzlich nach Berlin abkommandiert wurde. Dort erwartete ihn in der Charité der bekannte Professor Ferdinand
für die invaliden Soldaten entwickelt. Eine wichtige Komponente waren dabei Stifte aus Elfenbein. Statt Einsatz an der Front hieß es für Robert Wegst nun, nach Vorgaben Sauerbruchs unterschiedliche Elfenbeinstifte zu fertigen. Nach dem Krieg ging Robert Wegst wieder den gewohnten Geschäften nach: In Geislingen wurde produziert, auf Sylt verkauft.
Robert Wegst sen.
Aber die Waren aus Elfenbein hatten auf der Insel ihr Alleinstellungsmerkmal verloren, weshalb ab den 1920er Jahren in der Geislinger Werkstatt verstärkt ligraner Friesenschmuck nach historischen Motiven gefertigt wurde. Zu einer seiner Lieblingsvorlagen machte Robert Wegst die Stranddistel. Eine davon p anzte er sich in seinen Garten in Geislingen, um sie dauerhaft ansehen zu können. 1928 kaufte Robert Wegst in Westerland das nur wenige Meter von seinem
Wohnund Geschäftshaus entfernte damalige „Hotel Reichshof“ an der Ecke Friedrichstraße/Elisabethstraße. Bis heute be ndet sich dort der Geschäftssitz der Firma Wegst. Ungeachtet der Weltwirtschaftskrise baute er das Gebäude 1931 um – die Baumaßnahme war in der damaligen Zeit die größte in ganz SchleswigHolstein. Fünf Jahre später übergab Robert sen. das Geschäftshaus an seine Söhne Hermann und Robert jun.
Johannes Wegst vor seinem Geschäft in Bad Landeck (Polen) um 1880
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Sauerbruch. Dieser hatte Prothesen
Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, blieb auch das Nordseeidyll Sylt nicht verschont. Die Brüder Robert und Hermann Wegst mussten an die Front; die Geschäfte ruhten und wurden erst nach Ende des K r i e g s i n d e n J a h re n 1947/48 wieder aufgenommen, als langsam touristisches Leben auf die Insel zurückkehrt. Ab 1971 war Hermann Wegst Alleininhaber des Unternehmens, das er gemeinsam mit seiner Ehefrau Marie durch jahrzehntelangen persönlichen Einsatz bis heute geprägt hat. Als glücklichen Zufall sollte sich herausstellen, dass er bei einem Messebesuch
1978 die Bekannt- Nun stand ich da, weit s c h a f t m i t R o l f über 1.000 Kilometer fern Egehave machte, v o n d a h e i m , m u t t e r der damals leiten- seelenallein, in einer der Mitarbeiter eiGegend mit einer völlig nes Husumer Texanderen Sprache – da tilhauses war und habe ich mich erst einschließlich als Geschäftsführer zu m a l h i n g e s e t z t u n d Wegst wechselte. bitterlich geweint. « Nach dem Tod von H e r m a n n We g s t Kunden hochwertige 1988 führte Rolf Egehave Tischwäsche und später weiterhin das Stammhaus, auch ausgesuchte Textilien Schwiegertochter Antje anbieten. Wegst konzentrierte sich 2007 ging Rolf Egehave fortan auf das Schmuckgenach fast 30 Jahren in den schäft. Zugute kam der verdienten Ruhestand. Mit Firma, dass ihr GeschäftsCarsten Wegst stieg die führer durch seine früheren vierte Generation der FaTätigkeiten gute Kontakte milie in die Geschäftsfühzu führenden Einkaufsverrung ein. Der heute 39bänden besaß. So konnte Jährige hat in den vergandas Haus Wegst seinen genen knapp zehn Jahren sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Sortimentsauswahl teils neue Wege eingeschlagen. Und auch wenn sich im Laufe der Zeit manches verändert hat, nden sich im Warenangebot noch immer Klassiker wie die Muschelkästchen wieder: „Die gehen immer“, p egte ber e i t s C a r s t e n We g s t s Großvater zu sagen.
Blick auf die Friedrichstraße mit dem alten Hotel Reichshof rechts, 20er Jahre
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WEGST SYLT TRADITION IM TREND 350 Quadratmeter Verkaufsfläche, ein üppiger Lagerbereich, 50.000 vorrätige Artikel, drei zusammenhängende Läden und ein 15-köpfiges Team, das seine Kunden stets kompetent berät, mit Insider-Tipps zur Seite steht und weiß, wie man ein Stückchen Urlaubsfeeling mit von der Insel nach Hause nimmt
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Zahlen und Fakten sprechen für sich und die 120 Jahre alte Erfolgsgeschichte des Traditionsunternehmens Wegst beweist, dass die Familie bis hierhin konsequent die richtigen unternehmerischen Entscheidungen getroffen und mit Weitsicht gehandelt
stets nach dem Besonderen, nach Dingen, die den Alltag verschönern und den Sylt-Urlaub in den eigenen vier Wänden verlängern. Neben der Vielfalt des Angebots bürgt eine weitere wesentliche Komponente für den Erfolg: das freundliche und sach-
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kundige Team. Heute sind in der Firma Wegst 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt – viele von ihnen seit langer Zeit, einige halten dem Unternehmen bereits über 30 Jahre die Treue. „Jeder hat seinen eigenen Verantwortungsbereich und kümmert sich selbstständig um dessen Organisati-
Individualität und Exklusivität wird groß geschrieben im Hause Wegst – „und das im bezahlbaren Bereich“, wie Geschäftsführer Carsten Wegst betont. Er und seine Mutter Antje, die sich federführend um das Uhren und Schmucksortiment kümmert, suchen
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on“, sagt Carsten Wegst. Ein wichtiges Anliegen ist es ihm, das Traditionshaus sicher in die Zukunft zu führen. Umbauten und neue Ladeneinrichtungen waren dafür notwendig, wobei der Geschäftsführer auf Stil und Funktionalität Wert legte. So erfolgte 2007 der Umbau des vorherigen Tischwäsche-Geschäfts zum heutigen „Bernsteinladen“. Zeitgemäße Linienführung, farbliche Harmonie und schlichtes Design prägen das Geschäft. Die in die Wa n d e i n g e l a s s e n e n Schmuckschaukästen sind ein besonderer Blickfang. 2009 setzte dann auch der U m b a u d e s H a u p t g eschäfts neue Akzente. Seither bildet ein runder Kassentresen den Mittelpunkt, die Fläche im Turmbereich wurde mit eingebunden und sandfarbene Fliesen mit braunen Elementen sorgen für SyltFlair – ist es doch, als ginge man über Holzstege zum Strand ans Meer. Die helle, von runden Formen geprägte Einrichtung kommt durch das Tageslicht, das durch die Öff-
nung der Schaufenster in das Geschäft hineinstrahlt, ganz besonders zur Geltung. Last but not least folgte vor fünf Jahren der Umbau des Schmuckladens. In hellen Wand-, Deckenund Bodenfarben gestaltet, präsentiert sich das Geschäft mittlerweile mit funktionalen Ladenmöbeln, einer erweiterten Angebotspalette und moderner LED-Beleuchtung für eine brillante und farbechte Wiedergabe der Schmuckstücke.
Das Hauptgeschäft: exklusive Geschenke, Souvenirs und mehr Wer das „Haus Westerland“ in der Friedrichstraße betritt, weiß gar nicht, wo er anfangen soll zu gucken. Zuerst zu den Sylt typischen Leckereien, zu der großen Auswahl an maritimen Dekoartikeln oder doch lieber erst einmal einen Blick auf die ex-
klusive Sylt-Fashion für Sie und Ihn werfen? Von Geschenkartikel, Souvenirs, Lederwaren, Taschen, maritimer Mode, Porzellan und Tableware hin zu Lebensmitteln, Lampen,
Seifen aus Schafsmilch, die mit einer Insel-Silhouette verziert sind und verschiedene Düfte haben, exklusiv aus Österreich in den hohen Norden Deutschlands importiert. Auch ei-
Heimtextilien, Postkarten und Strandequipment: Bei Wegst gibt es (fast) nichts, was es nicht gibt. „In unserem Geschenkehaus ndet man die besonderen Dinge. Ich arbeite mit sehr vielen, kleinen auch unbekannten Lieferanten zusammen“, sagt Carsten Wegst.
nige der Taschen, Kerzen und Teelichthalter „gibt es wirklich nur bei uns“. Unikate sind auch die Lampen, die eine französische Freundin der Familie Wegst in der Normandie fertigt. Carsten Wegst lernte die Künstlerin auf einer Messe kennen; seither stellt sie Lampenfüße aus Treibholz für die Sylter Firma her – auf Wunsch handbemalt mit Insel-Sil-
Wir stellen ausgewählte Geschenkideen einmal näher vor: So werden Sylt-
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houette. Zudem klebt sie Bilder, die sich aus Muscheln, Steinchen und Sand zusammensetzen. Durch diese Kombination und einem gehörigen Haufen Kreativität entstehen kleine und große maritime Kunstwerke. „Unsere Kunden honorieren das Individuelle und dass wir uns von der sonst üblichen Massenware absetzen“, betont der Geschäftsführer, der für Raritäten wie diese quer durch Europa
nach Madrid, Mailand, Paris und England reist. Kundenwünsche stehen bei Wegst an erster Stelle. Darf es vielleicht eine nach eigenen Farbvorstellungen handgefertigte „Canvasco“-Tasche aus gebrauchtem Segeltuch sein? Die qualitativ hochwertigen Einzelstücke werden in ein e m B r e m e r F r a u e ngefängnis gefertigt und erfreuen sich großer Beliebtheit. Oder möchten Sie beim nächsten Gala-
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Dinner mit Sylt-Manschettenknöpfen buchstäblich glänzen? Kein Problem, denn auch hier bietet Wegst eine Lösung an. Geschirr und Handtücher sowie Heimtextilien wie Top appen und Backhandschuhe sind bei Wegst kein billiger China-Import. Die Sylt-Logos werden in der Schweiz mit der Hand auf die Qualitätsware gestickt. Und auch hier gilt: Gibt es nur in der Friedrichstraße 33.
In den Regalen ndet sich neben hochwertigen Friesentöpfen der Marke Seltmann und hochwertigem Porzellan der Marken Rosenthal und Hutschen-
große Auswahl an Strandspielzeug parat. Innen nden die Kleinen dann viele weitere Sachen, die Kinderaugen zum Leuchten bringen. Eine plüschige
Stetig am Wachsen ist seit einigen Jahren die Anhängerschar der Sylt-Fashion bei Wegst. Maritime Hemden, Blusen und T-Shirts für Sie und Ihn punkten mit modernen Schnitten, angesagten Farben sowie Sylt-Logo, Insel-Koordinaten-Aufdruck und Aufschriften wie dem Wahlspruch der Friesen: „Lewer duar üs Slaav“, was übersetzt „Lieber tot als Sklave“ bedeutet.
reuther auch das für Friesland typische Geschirr im Friesendekor „Indisch Blau“, das u.a. in vielen Sylter Appartements zu nden ist. Bei Wegst gibt es das volle Programm: von der Untertasse, über den Suppenteller hin zur Sauciere.
Robbe mit Sylt-Halstuch zum Beispiel. Stofftiere sind immer besonders gefragt, weiß Renate Bernatzki, die seit 27 Jahren bei Wegst beschäftigt ist und sich um den Bereich Kinderartikel und Bekleidung kümmert. „Außerdem sind wir die einzigen in Westerland, die die traditionellen Fischerhemden anbieten – auch für Erwachsene übrigens.“ Generell sind Streifen und der
Das volle Programm gibt es auch für die jüngsten Besucher. Bereits vor dem Eingang steht in den Sommermonaten eine
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Und weil nach dem Urlaub vor dem Urlaub ist, hilft das „Stadtlicht“ bei Inselweh: Mit detailverliebter Sorgfalt wird Sylt dabei zum Leuchten gebracht. Das „Stadtlicht“ besteht aus einem dreiteiligen Set: Transparentschirm, Sockel für Teelichter und Landschaftskontur aus FederEdelstahl. Einmal zusammengesteckt, wird die Silhouette Sylts durch ein Teelicht auf die Außenhülle aus Transparentpapier projiziert. So bringt es die Insel zum Leuchten, markante Bauten wie der Kampener Leuchtturm werfen ihre Schatten auf den Schirm.
maritime Look bei Groß und Klein beliebt. Hoch im Kurs stehen etwa Lätzchen, Spieluhr und Rassel mit Sylt-Silhouette. Alle Jahre wieder wird es ab Ende August weihnachtlich im Hause Wegst. Dann nämlich, wenn maritimer Adventsschmuck, Sylt-Baumschmuck, Rosenthal-Kugeln und die Orchester - Erzgebirgsengel von „Wendt & Kühn“ in den Laden einziehen. Zu früh ist das laut Geschäfts-
führer Carsten Wegst keinesfalls, denn viele Gäste seien zu dieser Zeit zum letzten Mal in diesem Jahr auf der Insel und wollen es sich nicht nehmen lassen, ihre spezielle Sylt-Erinnerung für das Weihnachtsfest mit nach Hause zu nehmen.
M a r k e nschmuck und Uhren
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Schmuck begleitet das Unternehmen Wegst seit Beginn an. Hermann Wegst war Goldschmied und ein F re u n d d e s l i g r a n e n Handwerks. Auch heute noch spielen Halsketten, Ringe, Armbänder und Ohrringe eine tragende Rolle für den Familienbetrieb. Wichtig ist Geschäftsführer Carsten Wegst, dass Echtschmuck verkauft wird – Silber und Gold, kein Modeschmuck, „wobei wir uns mit unserem Sortiment im mittleren
Preissegment bewegen“. 80 Prozent der Schmuckstücke kosten bis 300 Euro. Ein kleiner Anhänger liegt bei 19 Euro, eine hochwertige Tissot-Uhr je nach Modell bei rund 1.000 Euro. Von der Flik-Flak-Uhr über Kinderschmuck hin zu angesagten Marken wie Fossil, Swarovski, Ice-Watch und Michael Kors versucht Wegst, seinen Kunden stets alle Top-Labels und die neuesten Modelle an-
zubieten. Seit zwei Jahren sehr gefragt sind zum Beispiel „Engelsrufer“ – himmlische Schmuckstücke, die sich, geboren aus einer spanischen Tradition heraus, um das persönliche Wohlergehen ihrer Trägerinnen kümmern sollen. Durch sanftes Klingeln einer Klangkugel in den „Engelsrufer“-Anhängern und -Charms sollen persönliche Schutzengel gerufen werden.
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Nicht weniger angesagt sind derzeit die AnkerArmbänder von Paul Hewitt, bei denen norddeutsches Lebensgefühl auf zeitlosen Chic trifft. Die so genannten „Phreps“ bestehen wahlweise aus strapazierfähigem Echtleder oder robustem Nylon und sind in fünf Größen erhältlich. Geschlossen werden sie mit einem Edelstahloder Messinganhänger.
Individueller Schmuck bei Wegst Auch wer es in Sachen Schmuck außergewöhnlich und einmalig mag, wird bei Wegst fündig werden. Denn dort ist jedes Bernsteinschmuckstück ein Unikat. Der Natur-Bernstein ist vor rund 40 bis 50 Millionen Jahren in riesigen Waldparadiesen entstanden, die heute von der Ostsee und dem nnischen Meer bedeckt sind. Das gold-gelbe Harz stammt aus besonderen Fichten. Und so besonders diese Bäume waren, so besonders sind es auch die Ketten, Ohrringe, Anhänger, und Armbänder, die es bei Wegst in sämtlichen Längen, Dicken und Formen zu kaufen gibt. „Bernsteinschmuck ist Vertrauenssache“, weiß Antje Wegst. „Deshalb arbeiten wir schon seit Jahrzehnten mit Lieferanten zusammen, die wir genau kennen und die für die Echtheit bürgen.“ Zuviel minderwertige Ware werde Kunden
derzeit woanders angeboten. Ein ganz besonderes Highlight für Individualisten ist auch der edle Friesenschmuck, den es weltweit so nur bei Wegst zu kaufen gibt. Im Schmuckladen ist eine Reihe an exklusiven Exemplaren ausgestellt, die unter Vorlage von Museumstücken aus der Zeit von 1690 bis 1750 in der hauseigenen Werkstatt handgefertigt werden. Egal ob Silber oder Gold, ob Brosche, Pillendose oder Armband: Die Gründerväter würden es mit Freuden sehen, dass ihr Traditionshandwerk auch heute noch einen würdigen Rahmen bei Familie Wegst einnimmt. Die unverkäu ichen Originale, die Hermann Wegst einst sammelte, können im Geschäft in einer Vitrine bewundert werden. Nach wie vor heiß begehrt und auch über den OnlineShop oft nachgefragt ist der Syltschmuck in Gold und Silber, der ebenfalls exklusiv bei Wegst erhältlich ist. Zur Auswahl stehen neben verschiedenen Ket-
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tenanhängern und Ohrringen in Inselform sowie Sammel-Elementen für Pandoraoder TrollbeadsArmbänder mit Sylt-Motiven auch Ringe mit Leuchtturm, Insel-Silhouette und Sylt-Schriftzug sowie Damenund Herrenuhren, die wahlweise mit Sylter Sand, Muscheln oder Bernstein befüllt sind. Abgerundet wird das Sortiment von Perlenschmuck sowie hochwertigem Goldschmuck. Zudem gibt es eine breite Palette an Granatschmuck. Letztlich ist es egal, ob es um Kleidung, Schmuck oder Geschenkartikel geht: Es ist die Liebe zum Detail, die Wegst ausmacht; die Individualität und das Bestreben, mehr als nur irgendein Geschäft in der Westerländer Friedrichstraße zu sein.
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„ICH BIN MIT HERZBLUT DABEI, WEIL…“ Geschäftsführer Carsten Wegst im Gespräch
Als kleiner Junge besuchte er seinen Großvater Hermann Wegst gern und häu g im Geschäft, wo er hin und wieder ein zusätzliches Taschengeld zugesteckt bekam. In den Ferien verdiente sich der Sprössling durch Mithilfe im Lager so manche ExtraMark dazu und als Jugendlicher war er sogar als Ladendetektiv im Einsatz: Die Rede ist von Carsten Wegst. Der heutige Geschäftsführer und waschechte Sylter lebt mit seiner Familie in Westerland. Im Interview spricht der 39Jährige, der in Nürnberg Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt „Entrepreneurship“ studiert hat, über einen sich wandelnden Markt, Zukunftsperspektiven und die Tatsache, dass er eigentlich nie vorhatte, das Familienunter- nehmen zu leiten.
Ein nicht immer einfacher, aber dennoch von Erfolg gekrönter Weg liegt hinter Ihnen und Ihrer Familie. Sieht sich das Unternehmen auch für die Zukunft gerüstet? Carsten Wegst: Zunächst einmal: Klassische Familien- unternehmen, wie wir eines sind, gibt es leider auf Sylt ja kaum noch. Marken spielen scheinbar eine immer wichtigere Rolle und der Einzelhandel, vor allem auf der Insel, bewegt sich in einem starken Konkurrenzumfeld. Beispiels- weise machen einige Labels eigene Stores auf. Der Name Wegst ist zwar hilfreich, um am Markt bestehen zu können. Aber wir können uns nicht darauf ausruhen. Wegst ist kein Selbstläufer. Nichtsdestotrotz blicke ich zuversichtlich in die Zukunft. Unser Geschäft hat
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eine 1A-Lage, ist bei Kunden sehr beliebt und genießt einen sehr guten Ruf bei Lieferanten. Denn für uns sprechen Kontinuität und Treue. So unterhalten wir viele langjährige Geschäftsbeziehungen mit unseren Partnern. Zum Beispiel haben wir für die Firma Fossil, mit der wir nun schon fast 30 Jahre zusammen- arbeiten, einen Premium-Bereich eingerichtet. Ein Beispiel von vielen. Kurzum: Ja, wir sind gut gerüstet. Wie sieht Ihr Zukunftsfahrplan aus? Carsten Wegst: Wir müssen aktuell und attraktiv sein und bleiben. Uns muss der Spagat gelingen, sich nicht zu abhängig von einer Marke zu machen, aber gleichzeitig ein Angebot vorzuhalten, das den individuellen Kundenwün-
schen entspricht. Ich bin viel auf Messen unterwegs, um das Außergewöhnliche zu nden, etwas, das sich von der Masse abhebt. Manchmal muss man weit reisen, um das Besondere zu nden. Sie haben die Konkurrenz bereits angesprochen. Welche Rolle spielt das Internet? Carsten Wegst: InternetStores sind natürlich eine Konkurrenz für uns. Immer mehr Menschen kaufen online ein – dort wird vornehmlich preisgesteuert eingekauft. Wo gibt es beispielsweise den besten Preis für diese eine Uhr? Dass es sich um ZweiteWahl-Ware handeln könnte, man eine Uhr auch noch kürzen muss etc. scheint manchem Onlinekunden gar nicht zu interessieren. Unsere Aufgabe ist es, diese Kunden durch kompetente Beratung zurückzuholen und von unserem Service nachhaltig zu überzeugen. Dafür brauchen wir natürlich gute Mitarbeiter – und die haben wir.
Ich habe natürlich auch, als ich damals die Ges c h ä f t s f ü h r u n g ü b e rnommen habe, einen eigenen Online-Shop eingerichtet. Wir waren wohl vor zehn Jahren eines der ersten Unternehmen auf Sylt, das diesen neuen Vertriebsweg eingeschlagen hat. Heute spricht jeder von „Multi-Channel-Vertriebswegen“, die vielen kleinen inhabergeführten Geschäften auf dem Land und in Randlagen helfen. Aber wir vertreiben online nur Exklusivprodukte und Eigenmarken wie unseren Syltschmuck und unsere Syltuhren. Aber auch unsere Friesentöpfe sind im Internet sehr begehrt – und das sogar weltweit. Bis in die USA und nach Australien habe ich sie schon verschickt. Der Onlineshop wächst und mittlerweile biete ich unseren Kunden online an die 1.000 Produkte zusätzlich an. Welchen Stellenwert haben soziale Netzwerke für Wegst? Carsten Wegst: Wir sind auf Facebook und Instagram präsent. Die Kom-
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Ich bin mit Herzblut dabei, weil es um mein Eigenes, meine Familie geht. >> munikation auf Facebook schafft Transparenz für Kunden und hilft uns dabei, unsere Kunden besser zu verstehen und zu wissen, was nachgefragt wird. Derzeit haben wir knapp 2.700 Gefällt-mirAngaben. Instagram eignet sich besonders, um Bilder und Stimmungen zu veröffentlichen. In der Regel stelle ich pro Woche ein bis drei Posts online – kleine Anzeigen, Produkte, Geschichtliches oder auch mal ein Sonnenuntergang von Sylt. Mit der WegstApp für Smartphones haben User die Möglichkeit, die Facebook- und Instagram-Einträge gebündelt zu sehen. Sie haben Zugriff auf den Online-Shop und können einen virtuellen Rundgang durch unser Geschäft machen. Sind weitere Neuerungen geplant? Carsten Wegst: Wir haben uns vor einigen Monaten
ein neues so genanntes Corporate Design gegeben, also ein einheitliches U n t e r n e h m e n s e r s c h e inungsbild. Ein neues Logo bildete die Basis - Blöcke, Stempel, Briefpapier, Tüten Flyer etc. folgten: Alles folgt jetzt einem einheitlichen Duktus. Überall ndet sich die Farbe Friesenblau wieder. Ein solches Corporate Design wertet die Marke Wegst auf. Außerdem planen wir für das nächste Jahr im Kleidungsbereich ein eigenes Sylt-Programm mit InselSilhouette. Im SchmuckSegment wollen wir neue, Sylt-Elemente herausbringen, passend zum Beispiel für Armbänder und Ketten von „Pandora“ und „Trollbeads“. Bisher haben wir unter anderem Tetrapoden, die Keitumer Kirche und einen Strandkorb im Sortiment. Diese Elemente werden von unserem Goldschmied angefertigt und ausschließlich bei uns vertrieben. Und unser Onlineshop w i rd b a l d e i n e n „ R elaunch“ erfahren. Neues
Design, bessere Bedienung, Smartphone optimiert. Sie sehen, bei Wegst gibt es laufend Neuerungen, weshalb es sich immer mal wieder lohnt, vorbeizuschauen. In diesen Tagen schon eröffnet unser „Weihnachtsmarkt“ mit vielen neuen Dekorationsartikeln, Sammlerobjekten und Geschenkideen. Seien Sie willkommen. Sie sind mit dem Geschäft aufgewachsen. War für Sie immer klar, dass Sie es irgendwann übernehmen werden? Carsten Wegst: Nein, es war nie klar, zurückzukehren. Damals arbeitete ich in einer ganz anderen Branche und hatte eigentlich andere Zukunftspläne. Vor fast 10 Jahren suchten meine Eltern einen Nachfolger für unseren Geschäftsführer, der in den Ruhestand ging, und fragten mich. Ich empfand es als großes Ehre aber auch große Aufgabe, die ich mit Respekt und Demut anging. Ich bin froh, dass ich mich damals für diesen
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Weg entschieden habe. Familienleben und Beruf lassen sich auf Sylt perfekt miteinander verbinden, auch wenn wir im Saisongeschäft tätig sind. Die familiäre Atmosphäre im Unternehmen ist viel wert. Ich bin mit Herzblut dabei, weil es um mein Eigenes, meine Familie geht.