5 minute read

Vorwort

Die Funktion einer SAC-Hütte ist simpel: Sie soll dem Berggänger Schutz bieten. Seit dem Bau der ersten Hütte des Schweizer Alpen- Clubs SAC – der 1863 im Kanton Glarus errichteten Grünhornhütte – ist dieser Grundgedanke gleich geblieben. Die frühen SAC-Architekten wie Hans Leuzinger und insbesondere Jakob Eschenmoser prägen im Ansatz die Grundstrukturen der Hütten – die platzsparenden Grundrisse, die Abfolge und die Gestaltung der Räumlichkeiten – bis heute. Gerade in den vergangenen 25 Jahren hat sich das Hüttenbild jedoch stark verändert. Sei es durch den vermehrten Einsatz von Architekturwettbewerben, sei es durch neue Bedürfnisse und Anforderungen.

Die SAC–Hütte ist für den Schweizer das Synonym einer Berghütte. Vor dem geistigen Auge sieht man eine sich in die Umgebung integrierende, mit Stein gemauerte Hütte, mit kleinen Fensteröffnungen und farbigen Fensterläden, die dem Unbill des Wetters trotzt; enge Innenräume, verkleidet mit in den Jahrzehnten abgedunkeltem Holz, steile Treppen, feuchte Kleider… die Hütte bietet Schutz. Auch ich trage diese Erinnerungen aus meiner Kindheit in mir. Begibt man sich tatsächlich auf eine Bergtour, so trifft man auf verschiedenste Hütten. Wurde früher oft mit Stein gebaut, so verwendet man heutzutage bei An- und Ersatzbauten wie auch bei Neubauten unterschiedlichste Konstruktionsmaterialien, setzt modernste Technologien ein und nachhaltige Haustechnikkonzepte um. Die Bedürfnisse der Besucher haben sich ebenfalls verändert. Erwartet wird oft mehr Komfort: mehr Raum beziehungsweise Privatsphäre, Mehrbettzimmer anstelle von Massenlagern, Warmwasser und vieles mehr. Einige Besucher vermissen bei architektonischen Änderungen die konsequente, minimalistische Umsetzung des Schutzgedankens, während andere gerade erst durch erfolgte Anpassungen bei der Ausstattungen einen persönlichen Bezug zu den SAC-Hütten finden. Denn heutzutage besuchen die Hütten nicht mehr nur ausschliesslich Alpinisten, die auf dem Weg zu einem Berggipfel sind, sondern auch Wanderer, deren eigentliches Ziel die Hütte ist. Und immer mehr entdecken auch Familien das Wandern in den heimischen Bergen.

Bild oben: Historisches Foto aus der Lauteraarhütte.

Bild linke Seite: Dammahütte.

Terrihütte. In der kleinen Dammahütte auf der Göscherenalp fühlt man sich in die Zeit der Grosseltern zurückversetz. Die Hütte wirkt heimelig und geborgen, auf das Wesentliche beschränkt. Das Essen wird an zwei Tischen serviert, mit Sicht in die offene Küche. Es ist eng und doch nicht unangenehm, sondern familiär und gemütlich.

Einen eindrücklichen Gegesatz zur Dammahütte bilden Neubauten wie zum Beispiel die Cabane de Tracuit bei Zinal. Die grossen Panoramafenster lassen die Blicke immer wieder nach aussen gleiten, und an der metallverkleideten Aussenfassade sind zusätzlich Solarpaneelen integriert, um die Sonneneinstrahlung in Energie umwandeln zu können. Der Komfort ist in einer solchen neuen Hütte deutlich höher, schon alleine deshalb, weil man für den nächtliche Toilettengang weder eine Taschenlampe braucht noch man sich nach draussen in die Kälte begeben muss.

Während bei einigen Anbauten gekonnt mit Gegensätzen wie Alt und Modern oder mit Stein, Holz und Metall gespielt wird, rückt andernorts die inszenierende Architektur bewusst in den Hintergrund. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Terrihütte auf der Greina-Hochebene. Bewusst hatte ich im Vorfeld auf das Studieren der mir zur Verfügung stehenden Unterlagen verzichtet. Doch während mir bis dahin alle neuen Anbauten klar als solche ersichtlich gewesen waren, so verunsicherte mich nun diese Hütte. Die steinerne, mächtige und alt aussehende Hauptfassade faszinierte mich beim Näherkommen besonders, denn es waren keine Flechten daran zu entdecken. Langsam erkannte ich und dass diese Fassade ein Kopfbau ist, es sich dabei um den neuen Anbau aus dem Jahre 2007 handeln muss. Gerade die zurückhaltende Nutzung des örtlichen Baumaterials Stein für die Aussenhaut und die Verwendung von massivem Kantholz im Innern macht die Qualität dieses Anbaus aus und schlägt die Brücke von alten Bruchsteinbauten zu modernen Elementbauten. Dass diese Bauweise nicht die Ausnahme ist, zeigt die aktuelle Erweiterung der Albert-Heim-Hütte in den Urner Alpen.

Mit der Eröffnung der neuen Monte-Rosa-Hütte im Jahr 2010 gelang es dem Schweizer Alpen-Club, sich nicht nur in der Schweiz, sondern auch international von einer modernen Seite zu präsentieren. Aber auch neuere Hütten wie zum Beispiel die Cabane de

Moiry, die Cabane de Tracuit oder die Topalihütte öffnen sich nach aussen und haben grosse Fensterfronten, sodass die rauhe Bergwelt zum Greifen nah ist, gleichsam zelebriert und nicht mehr ausgegrenzt wird. Die Innenräume sind hell und grosszüg geworden. Neue Materialien haben diesen Wandel nicht unbedeutend beeinflusst. Diese Gebäude stehen prägnant und selbstsicher in den Bergen. Wer sich auf den Weg macht, wird erstaunt sein, welche Vielfalt an Hütten der SAC in den Schweizer Bergen sein eigen nennen darf. Dieser Wandel wird mit Erstaunen, aber auch mit Kritik aufgenommen, von Architekturinteressierten und Laien: Wie viel Modernität wird benötigt, welcher Komfort ist überflüssig? Ist eine autarke Energiegewinnung überhaupt möglich, und wenn ja, zu welchem Preis? In diesem Buch findet sich eine Auswahl von 24 SAC- Hütten – von der alten, kaum sanierten Hütte, über An- und Nebenbauten bis hin zu futuristisch anmutenden Neubauten, welche, mit Ein- und Mehrtagestouren kominiert, zum architektonischen Berg- erlebnis werden.

Noch kurz zu meiner Person: Ich bin leitender Architekt mit Weiterbildungen in Holzbau, Nachhaltigkeit sowie Brandschutz. Zusammen mit meiner Frau Monica wohne ich in Bern und fröne in der Freizeit der Leidenschaft für Sport und die unmotorisierte Bewegung. Oft sind wir in den Schweizer Alpen unterwegs, haben über 60 SAC-Hütten besucht und übernachten manchmal auch in einem kleinen Zelt. Zu Fuss waren wir bereits mehrmals in der Sierra Nevada in Nordamerika unterwegs, aber auch Alaska, Grönland, Tadschikistan oder Neuseeland gehören dazu, um nur ein paar Orte zu erwähnen. Mit dem Fahrrad haben wir gegen 30 Länder – vorwiegend in Afrika – bereist. Bei knapp 40 ˚C fuhren wir durch Angola, kämpften uns bei starkem Gegenwind über den San-Francisco-Pass, der Chile und Argentinien verbindet, überquerten aber auch über hohe Pässe im indischen Teil des Himalayas. Herausforderungen anderer Art ergeben sich auf Kajaktouren in kühlen Regionen wie Alaska und Grönland. Noch kältere Temperaturen erleben wir jeweils auf unseren Skitouren mit Cross Country Skis und Pulkas in Skandinavien, wo wir über das Schauspiel von Nordlichtern immer aufs Neue fasziniert sind. Weitere Infos finden sich auf unserer Website beaufort-6.ch

Monte-Rosa-Hütte.

Der Autor unterwegs in der Sierra Nevada.

This article is from: