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Serie Quartiere: Goldiwil
SERIE QUARTIERE
Wandern, biken und skifahren in Stadtnähe
Goldiwil ist mit gut 1200 Einwohnerinnen und Einwohnern das kleinste Thuner Quartier, aber das flächenmässig grösste – und das höchstgelegene. Es bietet Naturliebhabenden einen idealen Wohn- und Lebensraum in Stadtnähe.
Die Goldiwiler Egg auf 1172 Metern über Meer bietet eine hinreissende Aussicht auf Niesen und Stockhorn. Hoch erhoben über dem Stadtzentrum gilt Goldiwil als Sonnenterrasse Thuns. Die besondere Lage zeichnet das Quartier aus: Es liegt inmitten der Natur und ist doch per Bus in 15 Minuten ab Bahnhof Thun erreichbar. Ausflüglerinnen und Ausflügler suchen Goldiwil genauso auf wie Menschen, welche in der Natur und doch in Stadtnähe wohnen möchten. Die schöne Landschaft, die Hanglage, ein Dorfzentrum mit Kirche, Einkaufslädeli und Post, aktive Vereine und historische Besonderheiten – das ist Goldiwil.
Ausflugsort
Goldiwil bietet eine Vielzahl von Wegen zum Wandern und Spazieren. Der Aufstieg von Thun nach Goldiwil führt grösstenteils durch den Wald und ist daher auch bei heissen Temperaturen im Sommer beliebt. Durch den Bau von zwei Trails hat mit Downhill eine neue Trendsportart in Goldiwil Einlauf gefunden. Ein Bike-Shuttle bringt Bikerinnen und Biker von Thun zum Start der Strecke, die über zwei Kilometer in rund 15 Minuten nach Thun führt.
Ehemalige Gemeinde
Zur Stadt Thun gehört das langgezogene Dorf mit heute rund 1200 Einwohnerinnen und Einwohnern seit gut 100 Jahren. Bis Ende 1912 war Goldiwil eine eigenständige Gemeinde und teilte sich in «ob dem Wald» und «nid dem Wald», dem heutigen Quartier Lauenen-Hofstetten-Ried. Die Grenze bildete der Grüsisbergwald. Um 1900 wohnten zwei Drittel der Bevölkerung unterhalb des Waldes. Damals stieg bei der Bevölkerung unterhalb des Waldes das Interesse an der aufkommenden städtischen Infrastruktur Thuns. Dem gegenüber stand der Gemeindeteil «ob dem Wald», der grösstenteils landwirtschaftlich geprägt war und dieses Bedürfnis nicht teilte. Ein erster Anlauf zur Fusion mit Thun scheiterte 1903. Unter finanziellem Druck nahm Goldiwil die Gespräche bereits Ende 1911 wieder auf. Goldiwil forderte die gleichen Rechte und Pflichten, die in Thun galten, sowie den Erhalt des ländlichen Charakters in den Schulen «ob dem Wald». Am 4. August 1912 stimmten 174 Goldiwiler Bürger über die Fusion ab. Die Mehrheit hiess diese gut, obwohl die Bürger «ob dem Wald» sich fast einstimmig gegen die Fusion aussprachen.
Schulgemeinde
Besonders ist, dass Goldiwil auch nach der Eingemeindung eine relativ hohe Autonomie in Schulfragen behielt. So wurde die Schule im Dorf nach der Eingemeindung nicht von der politischen Gemeinde Thun verwaltet, sondern von der Schulgemeinde Goldiwil, dies bis zur Bildung der Oberstufenzentren und der zentralen Schulkommission. Die Schulgemeinde Goldiwil besteht noch heute und übernimmt die Koordinationsaufgaben zwischen der Stadt Thun und den Anwohnenden von Goldiwil. Ihre Aufgaben entsprechen heute weitgehend denen eines Quartierleists. An der jährlichen Schulgemeindeversammlung befinden Bürgerinnen und Bürger Goldiwils über Themen des täglichen Zusammenlebens. «Je nach Thema wird es an den Versammlungen auch mal emotional, zum Beispiel letztes Jahr bei der Frage, ob auf bestimmten Strassen wegen der Schulwege Tempo 30 angestrebt werden soll», sagt Peter Greuter, Präsident des Schulbüros. Als einziges Thuner Quartier stellt Goldiwil ein ständiges Mitglied für die städtische Schulkommission.



Bild linke Seite: Goldiwil ist das einzige Thuner Quartier, das baulich nicht an ein anderes Quartier grenzt. Bild oben links: Goldiwil ist ein Paradies für Naturliebhabende. Bild oben rechts: Das ehemalige Hotel Jungfrau prägt bis heute das Ortsbild. Mittlerweile ist es ein Mehrfamilienhaus. Bild links: Peter Greuter, Präsident des Schulbüros und langjähriger Goldiwiler, kennt das Dorf oberhalb Thuns bestens und schätzt die gute Lage.
Vereine als Treffpunkt
Dass die Goldiwiler Bevölkerung Freizeit in der Natur verbringt, liegt auf der Hand. Wo treffen sich die Einwohnerinnen und Einwohner? In der Gaststätte? Seit Jahren gibt es kein Restaurant mehr. «Goldiwilerinnen und Goldiwiler suchen den Kontakt zu anderen Menschen im Dorf über die Vereine. Sie sind wichtig», sagt Peter Greuter, der seit vielen Jahren in Goldiwil lebt. Der Bevölkerung stehen zum Beispiel Feldschützengemeinschaft, Kirchen- und Männerchor, aber auch ein Turnverein zur Verfügung. Ein sehr traditionsreicher Verein ist der Skiclub, der 1934 gegründet wurde. Der Skiclub Goldiwil betreibt den einzigen Skilift der Stadt Thun, der vorwiegend für Kinder geeignet ist, und bietet ein Jahresprogramm mit Ski-, Velo- und Bergtouren.
Wintersportort Goldiwil
Goldiwil hat eine Geschichte als Wintersportort. «Das Dorf zählte 1912 zu den wichtigsten Wintersportorten des Berner Oberlands und rangierte hinter Grindelwald, Adelboden, Kandersteg, Zweisimmen und Gstaad», weiss Peter Greuter. In dieser Zeit war Goldiwil Gastgeberin von mehreren Ski- und Schlittenrennen. «Die Schlittenabfahrten über die Goldiwilstrasse sind legendär und vor allem der älteren Generation bis heute ein Begriff», sagt Peter Greuter. Im Vergleich zum städtisch geprägten «nid dem Wald» setzte der Tourismus in Goldiwil verhältnismässig spät ein. Ein Grund dafür waren die schlechten Strassenverhältnisse, die bis Ende des 19. Jahrhunderts einen Personentransport mit grösseren Fahrzeugen nicht zuliessen. Zu dieser Zeit entstanden die ersten beiden Hotels «Alpenruhe» und «Blümlisalp», wobei Ersteres einem Brand zum Opfer fiel. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden die Hotels «Jungfrau» und «Waldpark», die Goldiwil als attraktiven Wintersportort stärkten. Das Hotel Jungfrau mit seinem Türmchen prägt bis heute das Ortsbild. Mittlerweile sind die drei Hotelgebäude Mehrfamilienhäuser.
Wohnen in Goldiwil
Goldiwil ist ein Wohnort, aber weniger ein Arbeitsort. Arbeitsplätze gibt es im Dorf wenige. «Auch die Bauernbetriebe sind sehr stark zurückgegangen», sagt Peter Greuter, «man kann sie an zwei Händen abzählen», erklärt er und ergänzt: «Wir sind ein Pendlerdorf. Glücklicherweise haben wir eine gute Verkehrsanbindung an die Stadt Thun und ihre Umgebung sowie nach Bern.» Gut erschlossen sowie stadtnah und schön gelegen – in Goldiwil lässt es sich wohnen.
Text: Fabio Burri Bilder: Patrick Liechti, Stadtarchiv Thun/ Postkartensammlung Marcel Müller, zvg