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50 Jahre DHB Rotweiss Thun
«Rotweiss ist wie eine zweite Familie»
Der Damenhandballclub Rotweiss feiert sein 50-jähriges Bestehen. Desirée Knecht ist schon lange dabei. 2016 wurde sie mit der U17 Schweizermeister, vier Jahre spielte sie in der 1. Mannschaft. Doch jetzt muss sie einen herben Rückschlag verkraften.
Zeigen Sie mal Ihre Hände. Klebt kein
Harz mehr daran? (lacht) Nein, die sind sauber. Es gibt zwei Wundermittelchen, Babyöl oder Handcreme. Als Handballerin hat man die immer dabei. Aber leider benötige ich zurzeit sowieso kein Harz. Aufgrund einer Schulterverletzung konnte ich seit einer Weile nicht spielen und war auch beim Saisonauftakt nicht dabei. Lange war ich zuversichtlich, doch leider ist es nun nicht möglich, aufs Spielfeld zurückzukehren. Ich muss mich schweren Herzens vom aktiven Handball und aus der 1. Mannschaft zurückziehen.
Das ist sehr bitter für Sie als so junge Spielerin. Wie gehen Sie mit dem Rück-
schlag um? Es ist nicht einfach. Ich muss lernen, es zu akzeptieren und positiv zu bleiben. Und dem Verein bleibe ich zum Glück erhalten.
Bevor wir in die Zukunft schauen, möchte ich kurz zurückblicken. Angefangen hat ja alles sehr vielversprechend. Sie sind sehr talentiert, schnell und verfügen über eine gute Sprungkraft. Leichtathletik hätte sich da auch ange-
boten. Warum Handball? Ich habe ganz viel ausprobiert als Kind, auch Leichtathletik und Tanzen und war auf der Suche nach einem Sport, der zu mir passt. Meine Mutter spielte Handball und empfahl mir, mal reinzuschauen. Ich ging in die Halle und kam nicht mehr raus.
Was macht die Faszination aus? Die stetige Herausforderung. Im Handball braucht man ein wenig von allem. Es ist ein sehr vielfältiger Sport. Es braucht Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Explosivität, schnelle Reaktionsfähigkeit. Auch das Miteinander im Team und Kämpfen gegen ein anderes gefällt mir.
Sie feierten schon früh einen grossen Erfolg mit dem U17-Schweizermeister-
titel 2016. Ja, das war eine unglaubliche Saison. Wir haben Vollgas gegeben. Das war Nervenkitzel pur. Diese Emotionen werde ich nicht vergessen.
2016, mit 16 Jahren, gaben Sie auch das Debüt in der 1. Mannschaft von Rotweiss. Damit gehörten Sie zu den konstantesten Spielerinnen. Wie erlebten Sie die vielen Wechsel im Team? Wir hatten tatsächlich einige Wechsel. In der letzten Saison hatten wir gewisse Schwierigkeiten, uns zu finden. Momentan sind wir ein sehr junges Team. Grundsätzlich ist es aber für alle Mannschaften bei jedem Saisonstart mit neuen Spielerinnen eine
Herausforderung. Man muss sich auf die neuen Charaktere einstellen, es braucht eine gewisse Zeit, als Team zusammenzuwachsen, sich aufeinander einzustellen und seine neue Rolle zu finden. Denn am Schluss zählt das Team als Ganzes.
Spielerinnen der 1. Mannschaft haben vier bis fünf Mannschaftstrainings, hinzu kommen Ausdauer-, Krafttrainings, Physiotherapie und die Spiele. Wie kriegten Sie den Spitzensport und Ihr Studium
unter einen Hut? Mit Planung, Disziplin und Unterstützung des Umfeldes. Sonst ginge es nicht. Alle arbeiten bzw. studieren zwischen 80 und 100 Prozent. Wichtig sind auch Absprachen mit dem Arbeitgeber.
Da blieb wohl nicht viel Freizeit übrig. Was motivierte Sie immer wieder zum
Weitermachen? Zwischendurch hinterfragte ich es schon. Aber meine grosse Leidenschaft für den Handball war stärker. Handball gibt mir so viel zurück.
Thun gilt als Handball-Hochburg. Im Allgemeinen fristet der Sport hinter Fussball und Eishockey jedoch ein Schattendasein. Ist das nicht frustrierend?
Es ist schade. Fussball ist halt viel präsenter im Fernsehen. Handball ist einfach weniger populär. Dabei ist Handball ja viel cooler als Fussball (schmunzelt).
Rotweiss steht auch ein wenig im Schat-
ten von Wacker, oder? Ja, aber wir arbeiten daran, präsenter zu sein. Rotweiss will auch vermehrt mit Wacker zusammenarbeiten, damit wir gegenseitig profitieren können. In den letzten Jahren ist schon einiges gegangen im Bereich der Professionalisierung. Aber der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Die Sponsorensuche ist sicher wichtig, aber auch im Bereich Jugendförderung unternehmen wir viel.
Zur Person
Desirée Knecht ist am 26. November 2000 geboren und in Steffisburg aufgewachsen. Seit 2012 spielte sie für den DHB Rotweiss, die letzten vier Jahre in der 1. Mannschaft (Flügel links). Sie studiert Pflege an der Berner Fachhochschule Bern.
www.rotweissthun.ch
Was zum Beispiel? Ab sechs Jahren können die Kinder bei uns anfangen. Wir bieten Schulsport an, sind immer am Schnuppersporttag der Stadt Thun dabei und beteiligen uns an Projekten wie «Handball macht Schule», bei dem Spielerinnen und Trainer Handball an Schulen vorstellen. Wir haben zudem verschiedene Jugendmannschaften, unter anderem spezielle Förderung der U9/U11-Stufe und ein Inter-Team auf U18-Stufe, um die Besten und Ambitioniertesten zu fördern.
Im Gegensatz zu Wacker hat Rotweiss bis jetzt das letzte Quäntchen noch gefehlt für einen Titel. Woran liegt es?
Wir waren ja schon sehr nah dran am Cupsieg. Es ist schwierig zu sagen, woran genau es liegt. Es sind verschiedene Faktoren. Wir «schräubeln» an verschiedenen Orten. Denn wir wollen mehr. Der neue Trainer Urs Mühlethaler hat viel Erfahrung, auch was Titel angeht. Davon können wir sicher profitieren, er gibt uns neue Inputs, brachte eine neue Philosophie rein. Wir haben zum Beispiel neu Mentaltraining eingeführt.
Er sei ziemlich fordernd, habe ich gehört.
Er hat ganz klare Vorstellungen, und Disziplin ist ihm sehr wichtig. Das lag mir gut, ich bin sehr diszipliniert und ehrgeizig und konnte extrem viel von ihm lernen.
Handball ist ein sehr physischer Sport.
Nichts für zarte Pflänzchen, oder? Eher nicht. Aber es ist wie gesagt auch ein sehr vielseitiger Sport. Ich schätzte diesen Ausgleich und die Möglichkeit, mich in einem Spiel auszupowern.
Wie geht es denn nun weiter auf Ihrem
sportlichen Weg? Sport spielte immer auch neben der Halle eine wichtige Rolle. Ich mache viel Bergsport. Zudem bin ich auch als Trainerin tätig, aktuell bei der U18 von Rotweiss und in der U13 in Steffisburg. Die Arbeit mit Kindern gefällt mir sehr. Ich möchte meine Tätigkeit als Trainerin weiterführen und mein Wissen weitergeben. So kann ich weiter bei Rotweiss bleiben. Für mich ist es wie eine zweite Familie.
Interview: Simone Tanner Bilder: Erich Häsler, zvg
Bild linke Seite: Desirée Knecht bleibt dem Verein Rotweiss als Trainerin erhalten. Bild rechts: Sprungkraft und Schnelligkeit sind Desirée Knechts Stärken. Bild unten: Die 1. Mannschaft des DHB Rotweiss mit Trainer Urs Mühlethaler (Mitte links).

