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Innenstadtgenossenschaft Thun

«Die Gastronomie wird Leben in die Städte bringen»

Seit einem guten halben Jahr ist der Thuner Kinobetreiber Alain Marti Präsident der Innenstadtgenossenschaft Thun (IGT). Im Interview erklärt er, wie er den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht werden will und wie der Detailhandel auf das veränderte Konsumverhalten reagieren kann.

Alain Marti, was macht für Sie die Stadt Thun aus? Alain Marti: Thun ist eine der schönsten Städte, die ich kenne. Sie hat die perfekte Grösse: Man findet alles und es ist trotzdem persönlich. Thun ist eine Stadt mit extrem hoher Lebensqualität, einer wunderschönen Altstadt, der grössten Shopping-Insel; eine Stadt mit Wasser, Bergen, Naherholungsgebieten. Die Stadt für mich zum Leben.

Sie sind seit April Präsident der IGT. Welches sind die grössten Herausforderungen? Die IGT ist sehr heterogen. Vom Einmannbetrieb bis zum internationalen Grosskonzern sind alle vertreten in der City-Organisation. Auch die Ansprüche sind dadurch verschieden.

Kinobetreiber und IGT-Präsident Alain Marti.

Wie kann man diesen Ansprüchen gerecht werden? Es beginnt mit der Zusammensetzung des Vorstandes. Die Vielfalt sollte dort vertreten sein. Es braucht einen Branchenmix. Dadurch entsteht ein gewisses Grundverständnis für die verschiedenen Bedürfnisse. Wir setzen uns für gute Rahmenbedingungen und Themen wie Erreichbarkeit, Sicherheit und Sauberkeit ein. Hier vertreten wir die Interessen im Namen aller Mitglieder.

Welche Eigenschaften kommen Ihnen als Präsident zugute?

Meine Vernetzung hier in Thun ist sicher ein Vorteil, wie auch meine Neutralität und die Tatsache, dass ich kein Detailhändler bin, sondern Kinobetreiber. Dadurch bringe ich eine unkonventionellere Sichtweise in die IGT.

Welche Ideen konnten Sie schon umsetzen? Wir arbeiteten vor allem im Hintergrund. Im neu zusammengesetzten Vorstand klärten wir Abläufe, verteilten Aufgabengebiete und legten in einem Workshop die kommenden Schwerpunkte fest.

Können Sie einige nennen? Wir wollen uns auf ein paar wenige Projekte und Aktionen konzentrieren, diesen aber mehr Gewicht geben. Ein Leuchtturmprojekt ist die Tannenbaum-Geschichte auf

Nebst seiner Arbeit als Kinobetreiber ist Alain Marti einen Tag pro Woche für die IGT unterwegs.

dem Rathausplatz. Da der Baum in den letzten Jahren immer wie- betreiber? Das Kino wurde schon x-mal totgesagt, mit dem Aufder für Kritik sorgte, suchten wir in einem Casting den schönsten kommen des Fernsehens, Video, DVD usw. Aber Kino ist geblieben Baum und liessen ihn von einem Profiunternehmen schmücken. und wird bleiben. Denn es ist ein Unterschied, ob man einen Film Jetzt erstrahlt er in seiner ganzen Pracht. auf dem Tablet oder auf Grossleinwand Gibt es weitere Ideen und Projekte? Wir ini«Das Kino wurde schon schaut. Und die Atmosphäre, wenn im Kinosaal alle lachen oder weinen, kriegt man mit tiierten eine Dankeschön-Cüpli-Aktion: x-mal totgesagt. Aber keiner Home-Cinema-Anlage hin. Das kann Wenn man am Donnerstagabend in der Stadt für 100 Franken einkauft, erhält man Kino ist geblieben und man nur im Kino erleben. Schwierig aber ist es, mit der technischen Entwicklung mithalin den Geschäften, die Mitglied bei der IGT wird bleiben.» ten zu können. sind, einen Gutschein. Mit diesem kann man am selben Abend zwei Gläser Sekt in einem der IGT-Restaurants Welche Strategien verfolgen Sie hier? Eine Chance ist, dass ein beziehen. Damit wollen wir den Abendverkauf stärken und uns bei Kino nicht mehr nur Kino ist, sondern Eventlokal. Wir generieren allen bedanken, die in der Stadt einkaufen. mittlerweile über die Hälfte des Umsatzes nicht mehr mit Kino.

Sie vertreten als neuer Präsident auch eine jüngere Generation.

Gibt es Projekte, die speziell auf die Jungen abzielen? Ganz so jung bin ich mittlerweile auch nicht mehr (lacht). Aber die Jungen in der Stadt zu halten, ist eine grosse Herausforderung – nicht nur für Thun. Wir haben keine Patentlösung für dieses veränderte Einkaufsverhalten der jungen Leute. Shopping läuft heute online und viele fliegen regelmässig in eine europäische Metropole und kaufen da ein.

Was haben Sie als IGT dem veränderten Konsumverhalten und

dem Online-Handel entgegenzusetzen? Nebst einer guten Erreichbarkeit, günstigen Mieten und einem guten Branchenmix braucht es auch neue Ladenkonzepte. Die Verschmelzung von stationärem und digitalem Handel wird sich verstärken und weiterentwickeln. Ich glaube fest daran, dass die Gastronomie eine entscheidende Rolle spielt. Was meinen Sie konkret? Ein Konzept wie der Mühleplatz funktioniert und zieht auch junge Leute in die Stadt. Die Gastronomie wird sich weiter ausbreiten und Leben in die Städte bringen. Das wird vermehrt Einzug halten, auch bei uns.

Die Digitalisierung wirkt sich auch auf die Kinobranche aus. Mittlerweile hat jeder Zweite eine Home-Cinema-Anlage oder lädt sich die Filme auf sein Tablet. Was bedeutet das für Sie als Kino-

Das Weihnachtsgeschäft und die damit verbundenen Events lau-

fen. Also auch für Sie die wichtigste Zeit im Jahr? Unbestritten. Wenn die Leute frei haben, kommen sie gern ins Kino. Auch bei uns ist High-Season. Die Weihnachtszeit ist deshalb für mich nicht ganz so besinnlich.

Interview Simone Tanner

Bilder Erich Häsler

Innenstadtgenossenschaft Thun (IGT)

Die IGT ist die City-Organisation der Stadt Thun. Ihr gehören Vertreterinnen und Vertreter des Detailhandels, der Gastronomie und des Gewerbes an. Die IGT setzt sich als Interesseorganisation für deren Anliegen ein und ist Ansprechpartnerin gegenüber Behörden und Medien. Die IGT fördert und belebt die Innenstadt. Sie ist eine Non-Profit-Organisation und als Mitglied der schweizerischen Vereinigung der Innenstadt-Organisationen (SVIO) hat sie Zugang zur nationalen Politik betreffend Förderung der Schweizer Innenstädte. Der IGT-Vorstand zählt aktuell zwölf Mitglieder. Im April 2017 hat Alain Marti, Betreiber des Kino Rex, das Präsidium von Patrick Aeschbacher übernommen.

www.thuncity.ch

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