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Neue Serie: Serie Lernende bei
from ThunMagazin 02/17
by WEBER VERLAG
Sherlock Holmes auf Südkoreanisch
Die Stadt Thun bietet zahlreiche Lehrstellen an. In einer neuen Serie stellt «thun! das magazin» Lernende vor. Den Start macht Soo Hye Ropelato. Der Liebe wegen ist die Südkoreanerin vor zweieinhalb Jahren in die Schweiz gezogen. Seit 2016 lässt sie sich in der Stadtbibliothek zur Fachfrau Information und Dokumentation ausbilden.
«Am liebsten lese ich Krimis», sagt Soo Hye Ropelato und lächelt schüchtern. Besonders angetan hat es ihr Sherlock Holmes. Sie hat alle DetektivGeschichten des britischen Schriftstellers Sir Arthur Conan Doyle gelesen – auf Südkoreanisch. Denn in Südkorea ist Soo Hye Ropelato geboren und aufgewachsen. Vielleicht war es Zufall, vielleicht auch Schicksal, dass sie ausgerechnet während eines Sprachaufenthalts in Irland ihrer grossen Liebe begegnete, einem Schweizer. Die beiden heirateten und vor zweieinhalb Jahren zog die 25Jährige nach Steffisburg. Sie konnte damals kein Wort Deutsch. Heute spricht sie die Sprache fliessend und versteht bereits Berndeutsch.
Bei der Ausleihe steht die Ausbildnerin Sarina Beer (Mitte) Soo Hye manchmal noch zur Seite.
Neugier und ein Faible für Sprache
In ihrer früheren Heimat hatte Soo Hye Ropelato studiert und den Bachelor in Sozialarbeit erlangt. Die Ausbildung ist in der Schweiz nicht anerkannt. «Ich war anfangs ziemlich verunsichert und musste mich völlig neu orientieren», erinnert sie sich. Nach einem Jahr Intensivkurs Deutsch und Gesprächen mit Berufsberatern entschied sie sich für eine Lehre zur Fachfrau Information und Dokumentation bei der Stadtbibliothek Thun (siehe auch Infobox). Gerne lesen allein reicht nicht, um diesen Beruf zu erlernen. «Man sollte neugierig sein, den Kontakt mit Kunden mögen, ein Faible für Sprache haben sowie ein breites Allgemeinwissen», sagt die
Aufgaben
• Dokument erwerben/erhalten, weitergeben von Information. • Medienbestand aufbauen, Medien ordnen, bearbeiten. • Arbeit in Bibliotheken, universitären Instituten, in Archiven,
Informationsabteilungen von Firmen/Verwaltungen. • Ist Allrounder, geschickt im Umgang mit Informations und
Kommunikationstechnologien.
Anforderungen
• Analytisches/systematisches Denken, Ordnungssinn. • Sprachbegabung, hohe Zuverlässigkeit. • Dienstleistungsbewusstsein, Interesse an (neuen) Medien.
Ausbildung auch in Thun
• Dreijährige Lehre mit beruflicher Praxis in einer Bibliothek, einem Archiv oder einer Dokumentationsstelle. Ein bis zwei
Tage pro Woche Besuch der Berufsschule.
* Quelle: www.ausbildungid.ch
Ausbildung zur Fachfrau/zum Fachmann I + D auch in der Stadtbibliothek Thun
Stadtbibliothek Thun
• Die Stadtbibliothek Thun wurde 1785 gegründet. Seit dem
Umzug an die Bahnhofstrasse (1996) hat sie sich zu einem
Medien und Informationszentrum entwickelt. • Die Stadtbibliothek öffnet allen Menschen in Stadt und Region
Thun den Zugang zu einem aktuellen, vielfältigen Angebot an
Büchern, Zeitschriften, Musik-CDs, DVDs und Hörbüchern. • Rund 64 000 Medien für alle Altersgruppen stehen zur Auswahl bereit.
Lehrstellen bei der Stadt Thun
• Die Stadtbibliothek Thun bildet seit Sommer 2003 Fachleute
Information und Dokumentation aus. • Schnuppertag in der Stadtbibliothek Thun: 31. Oktober 2017. • Freie Lehrstellen bei der Stadt Thun werden jeweils im
August, ein Jahr vor Lehrbeginn, ausgeschrieben. Weitere
Informationen auf der Website www.thun.ch/lehrstellen
www.thun.ch/stadtbibliothek



Oben Soo Hye Ropelato ist wie alle Mitarbeitenden in der Stadtbibliothek verantwortlich für ein Büchergestell. Unten links Beim Einfassen und Reparieren von Büchern ist Fingerspitzengefühl gefragt. Unten rechts In der Stadtbibliothek stehen rund 64 000 Medien für alle Altersgruppen zur Auswahl bereit.
Ausbildungsverantwortliche Sarina Beer. Soo Hye habe all diese Qualitäten. «Und sie ist äusserst pflichtbewusst, ehrgeizig, diszipliniert und höflich», ergänzt Beer. Es sind Eigenschaften, die sowohl in der Schweiz wie auch in Südkorea einen hohen Stellenwert haben. Zuweilen entdeckt Ropelato aber auch kulturelle Unterschiede: «In Südkorea begrüsst man die Menschen nicht mit Namen, es gilt als unhöflich. Hier ist es genau umgekehrt. Das musste ich erst lernen.»
Erwerben, katalogisieren, ausleihen
Morgens, wenn die Lernende in der Stadtbibliothek ankommt, hilft sie, alles für die Kundschaft vorzubereiten. Medien müssen eingelesen und wieder weggeräumt, Zeitschriften katalogisiert werden. Später arbeitet sie zuweilen im Grossraumbüro am Flicktisch und fasst Bücher und andere Medien ein: «Ich mag diese Arbeit als Ausgleich zum manchmal hektischen Bibliotheksalltag sehr wegen der Ruhe.» Wie alle anderen Mitarbeitenden der Stadtbibliothek ist auch Soo Hye Ropelato verantwortlich für ein Büchergestell. Dieses muss sie aufgeräumt und à jour halten. Nicht oft ausgeliehene Bücher gilt es auszusortieren. Das Kategorisierungsregelwerk wird Ropelato erst im kommenden Lehrjahr kennen und anwenden lernen.
Nervös bei der Ausleihe
Soo Hye Ropelato mag vor allem die Vielfältigkeit ihres Berufs. Eine zentrale Aufgabe ist die Arbeit am Desk bei der Ausleihe. Obwohl die junge Frau den Kontakt mit den Kundinnen und Kunden sehr mag, ist sie immer noch etwas nervös, wenn sie bei der Ausleihe arbeitet. Die Kundschaft zu beraten und ihr bei der Recherche von Büchern zu helfen, ist anspruchsvoll. Manchmal braucht die Lernende noch Hilfe, die Leute aber haben die höfliche, zierliche Frau schon längst ins Herz geschlossen. «Vor einigen Wochen hat mich eine Kundin erstmals mit Namen begrüsst. Das hat mich sehr gefreut und berührt», sagt Soo Hye Ropelato und lächelt wieder ihr schüchternes Lächeln.
Text Simone Tanner
Bilder Patric Spahni