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Generationentandem: Interview mit dem Gründer und der Co-Präsidentin

«Es geht primär um Toleranz»

Der Verein «und – das Generationentandem» ist einmalig und Vorreiter in Sachen Generationenarbeit. Gefördert wird der Dialog zwischen Alt und Jung. Die Ideen gehen Gründer Elias Rüegsegger (25) und Co-Präsidentin Vreni von Känel (65) noch lange nicht aus.

ELIAS RÜEGSEGGER, hatten Sie einen speziellen Bezug zu Ihren Grosseltern, oder was hat Sie als 18-Jährigen zum

Generationen-Projekt motiviert? Elias Rüegsegger: Ich hatte einen guten Bezug zu meinen Grosseltern, aber das war nicht der primäre Auslöser. Es war vielmehr mein Interesse daran, etwas auf die Beine zu stellen, Leute zusammenzubringen und zu vernetzen. Am Anfang stand meine Maturarbeit, ein journalistisches Projekt, das Magazin «und» für Alt und Jung, produziert von Alt und Jung. Dabei kristallisierte sich der generationenverbindende Aspekt mehr und mehr heraus. Noch während des Schreibens der Maturarbeit war für mich und alle, die damals schon mit dabei waren, klar, dass das Projekt weitergehen soll. Schliesslich gründeten wir den Verein.

Heute produziert Ihr Verein viermal im Jahr das Magazin «und», betreibt eine Website und führt zahlreiche weitere Projekte im Bereich Generationenarbeit durch, wie z.B. Technikhilfe für ältere Menschen. Was ist Ihr Hauptziel?

Vreni von Känel: Es geht primär um Toleranz gegenüber Andersaltrigen und Andersdenkenden. Wir wollen Brücken bauen zwischen verschiedenen Generationen und Lebenswelten und den sozialen Zusammenhalt stärken. Es geht darum, sich auf Augenhöhe zu begegnen, vom unterschiedlichen Erfahrungsschatz zu profitieren, einander zu unterstützen. Deshalb sind wir immer im Tandem unterwegs, Alt und Jung. E.R.: Häufig haben Generationenprojekte den Hang zum Kulturpessimismus im Stil von «früher war alles besser». Oder auch Vorurteile gegenüber jüngeren Menschen, «die sowieso immer mit ihren Stöpseln in den Ohren herumlaufen und sich für niemanden als für sich selbst interessieren.» Mit solchen Vorurteilen möchten wir aufräumen.

Wie schafft man das? E.R.: Es geht darum, etwas über die anderen Lebenswelten zu erfahren, etwas gemeinsam zu tun. Wir möchten etwas Sinnstiftendes kreieren – für das Gemeinwohl, aber auch für jeden Einzelnen. Dabei fokussieren wir bewusst nicht auf die Berufswelt und die Familie. Uns geht es gerade um den Dialog ausserhalb davon. Oft werden die Generationenkonflikte auch künstlich hochgeschaukelt bzw. die Generationen gegeneinander ausgespielt, wie zum Beispiel in der AHV-Debatte. Dem möchten wir ebenfalls entgegenwirken.

Elias Rüegsegger, Sie studieren Theologie. Basiert das Projekt auf christlichen Werten? E.R.: Oft haben die Leute das Gefühl, unser Verein sei religiös oder politisch begründet. Aber wir sind sowohl politisch als auch konfessionell neutral. Bei uns können alle mitmachen, egal welcher Herkunft, welcher politischen Gesinnung oder welcher Religion.

«Ich wünsche mir, dass unsere Arbeit Früchte trägt.»

Ich mag den Begriff «christliche Werte» nicht sonderlich. Für mich gibt es vielmehr «menschliche Werte» oder eine «menschliche Moral», die jedem innewohnt. Sicher ist: Falls ich einmal Pfarrer sein sollte, wird sich meine Erfahrung beim Generationentandem auf meine Arbeit auswirken. Ich habe enorm viel gelernt.

Was zum Beispiel? E.R.: Viele ältere Leute sind Vorbilder für mich. So wie sie möchte ich auch älter werden. Mich beeindruckt ihre Offenheit, ihr immer noch währender Gestaltungswille und die gleichzeitige Gelassenheit. V.v.K.: Man lernt, offen für andere Ansichten und Meinungen zu sein. Mit Doktrinen erreicht man nichts.

Was Sie bis jetzt geschildert haben, tönt sehr harmonisch. Gibt es auch schwierige Momente, Uneinigkeiten,

Zoff? E.R.: Auf jeden Fall. Oft wird es da ja gerade spannend. Es gibt auch Zielkonflikte innerhalb unseres Vereins, z.B. wie sehr man grösser und professioneller werden will in Zukunft. Solche Dinge handeln wir aus.

Anders als andere Vereine wächst Ihrer und zählt mittlerweile 250 Mitglieder plus 250 Abonnenten des Magazins. Sie haben namhafte Sponsoren wie Migros Kulturprozent oder die Stadt Thun. Der Erfolg kann einem auch über den

Kopf wachsen. E.R.: Ja, wir befanden uns an einem Wendepunkt, an dem wir uns für die Professionalisierung entschieden haben, um weiterzukommen. Das heisst zum Beispiel, dass ich eine bezahlte 30-Prozent-Anstellung habe und weitere 60 Stellenprozente geschaffen wurden. V.v.K.: Diese Entwicklung bringt auch neue Herausforderungen, z.B. im administrativen Bereich oder in der Personalführung. Es gilt nun, den Selbstfinanzierungsgrad zu steigern. Aber es heisst auch weiterhin viel Freiwilligenarbeit aller Mitglieder.

«Wir möchten etwas Sinnstiftendes kreieren.»

Sind Sie Idealisten? V.v.K.: Ja. Doch. Es kommt zwar sehr viel zurück. Aber es braucht eine grosse Portion Idealismus. E.R.: Der idealistische Aspekt liegt vor allem darin, dass wir an die Umsetzbarkeit aller Ideen glauben. Wir fragen uns nicht, wie viele Helferinnen und Helfer wir finden für das Generationenfestival, sondern wie viele wir brauchen und dann bringen wir sie zusammen.

Stichwort Generationenfestival. Was

erwartet das Publikum dort? E.R.: Ein buntes Programm für alle. Das Festival findet auf dem wunderbaren Areal des Gymnasiums Seefeld statt, das auch viele Thunerinnen selber nicht kennen. Wir haben ein Aussen- und Innen- sowie ein Bühnen- und Workshop-Programm. Es soll auch ein Begegnungsort sein. Es gibt Möglichkeiten mitzudenken, mitzutun (vgl. auch Infobox, Anm. der Redaktion).

Ihr Verein befindet sich im verflixten siebten Jahr. Was steht als Nächstes

an? V.v.K.: Mit unserer neuen Strategie streben wir ein qualitatives und quantitatives Wachstum an. Wir wollen vermehrt berufstätige Menschen und Familien ansprechen und als Mitglieder gewinnen. Unser Ziel ist es, generationenverbindend zu handeln, und das umfasst alle Generationen. E.R.: Wir möchten etwas bewegen. Wir wollen nicht nur im Kleinen in Thun wirken, sondern über die Grenzen der Stadt hinausdenken und -gehen, unsere Idee, uns selbst als Pionierprojekt bekannter machen.

Haben Sie Ihre Idee bzw. Ihren Verein eigentlich urheberrechtlich schützen

lassen? E.R.: Nein, bewusst nicht. Unsere Projekte dürfen kopiert werden. Wir bieten gerne auch Hand und geben unser Wissen weiter.

Wie soll Thun in 20 Jahren aussehen?

E.R.: In Thun soll es mehr Orte der Begegnung geben. Und über Thun hinaus sollen die Menschen auch nebst Familie und Beruf im Austausch sein mit ihren Mitmenschen. V.v.K.: Ich wünsche mir, dass unsere Arbeit Früchte trägt, auch ausserhalb Thuns.

Interview: Simone Tanner Fotos: Erich Häsler

Links: Zwischen Elias Rüegsegger und Vreni von Känel liegen 40 Jahre. Kein Grund, nicht zusammen etwas auf die Beine zu stellen. Rechts unten: Auf dem roten Platz beim Gymnasium Seefeld steigt am 6. und 7. September das Generationenfestival.

Generationenfestival 6.&7. September

Festival auf dem Areal des Gymnasiums Seefeld (Mittlere Strasse). Mit Märit, Musik (von Knackeboul über Friskit, Trummer & Stoller, Rooftop Sailors bis Alexandre Dubach), Literatur (Tabea Steiner, Guy Krneta), Tanz, Theater, Kinderprogramm, Workshops. Der Eintritt ist frei. Kollekte.

www.generationenfestival.ch, www.generationentandem.ch

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