4 minute read

Jon Keller: «Der Kontakt mit

Next Article
AEK BANK 1826

AEK BANK 1826

«Der Kontakt mit Zuhörern auf Stadtführungen ist immer faszinierend.»

Der Historiker Jon Keller hat sich ein enormes Wissen über die Geschichte der Stadt angeeignet und auch weitergegeben. Auch als Pensionierter ist der ehemalige Stadtarchivar als origineller und witziger Gästeführer unterwegs – aus Liebe zur Stadt.

Jon Keller kennt jedes Detail auf dem Thun-Panorama von Marquard Wocher.

an, aber nur in einer spiele ich eine historische Figur: als Graf Ladislaus Esterhazy von Ungarn lasse ich die Glanzzeiten des Thuner Fremdenviertels Hofstetten im «Fin de Siècle» auferstehen.

Wann haben Sie erkannt, dass «trockene» Historie, mit Humor ver-

mittelt, besser ankommt? Im Laufe der Jahre habe ich gemerkt, dass das Einflechten von kleinen Anekdoten und von Gags beim Publikum auf Stadtführungen gut ankommt. Trockene Materie kann so aufgelockert werden.

Jon Keller, das Thema Ihrer Doktorarbeit als Histori- Könnte man sagen, dass es Thuns Altertümer sind,

ker hat Sie nie mehr losgelassen. Ja, das stimmt. Das «Kleine Anekdie Sie jung erhalten? Vielleicht. Aber angesichts der Thema meiner Dissertation lautete: «Örtlichkeitsnamen und Namengebung in der Stadt Thun im Laufe doten und Hunderte von Jahren, welche das Schloss Thun zählt, müssen ja meine 70 Jahre wirklich als jung der Jahrhunderte». Die Ortsnamenkunde, die Topo- Gags kommen erscheinen. nomastik, interessiert mich nach wie vor und sehr oft werde ich gefragt, woher beispielsweise Namen wie gut an.» Fühlten Sie sich bei Ihren Recherchen mehr als Ge«Thun», «Bälliz» oder «Scherzligen» kommen. schichtsforscher oder -schreiber? Das geht Hand in Heute geben Sie sich bei Führungen gerne als historische Figur. Resultate einem geneigten Publikum zu Kenntnis, etwa in den Was reizt Sie dabei? Ich biete diverse Themenführungen in Thun Jahresberichten des Schlossmuseums Thun. Hand. Man betreibt historische Recherchen und bringt dann die

Seit dem Umbau bietet das Thun-Panorama-Gebäude Platz für die Dauerausstellung im Altbau und Sonderausstellungen im Neubau.

Gab es in Ihrer Arbeit Themen oder Gebiete, denen Ihr spezielles Gymnastikkurs, um mich fit zu halten. Dank meinen zahlreichen Interesse galt? Ja, neben der Ortsnamenkunde galt und gilt mein Stadtführungen bin ich oft in Bewegung, «on the road». besonderes Interesse den berühmten Gästen, welche in der Vergangenheit Thun besuchten und sich meist sehr positiv über Thun Als nun 70-Jähriger denken Sie wohl kaum ans Kürzer treten. Was äusserten. Weitere Themen waren das Krisenjahr 1918 in Thun treibt Sie an? Der Kontakt mit dem Publikum bei Führungen und ¬– letztes Kriegsjahr des Ersten Weltkrieges, Grippeepidemie, Vorträgen, ca. 120 pro Jahr, ist immer faszinierend, denn jede Landesstreik, Internierte – und nationalsozialistische Aktivitäten Gruppe ist anders. Einmal sind es Schüler, dann sind es Senioren, in Thun in den 30er-Jahren. einmal sind sie aus Thun, aus anderen Teilen der Schweiz oder Sie gelten als grosser Förderer städtischer Partnerschaftsprojekte. die Zuhörerschaft einstellen und so ist keine Führung gleich wie Was reizte Sie daran? Meine Frau und ich haben Projekte in Gab- die andere. rovo (Bulgarien) und Gadjagan (Togo) unterstützt, in beiden Ortschaften laufen Partnerschaftsprojekte der Stadt Thun. Wir waren sicher, dass unsere Beiträge sehr «Der Preis ist Dafür ehrt Sie im kommenden Monat die Stadt mit dem Thunpreis. Was bedeutet er Ihnen? Der Preis sinnvoll eingesetzt werden und nicht in obskuren Ka- eine sehr ist eine sehr grosse Ehre für mich. Aber auch eine nälen versickern. Wir haben die Resultate besichtigt und waren sehr befriedigt: Schulpavillons in Gadgrosse Ehre für Verpflichtung: Ich werde mich auch weiterhin be mühen, die Geschichte der Stadt und ihre Se jagan und ein Autisten-Zentrum in Gabrovo. mich.» henswürdigkeiten einer breiten Öffentlichkeit in

Sie haben Thuns Geschichte aufgearbeitet und viel darüber publi-

ziert. Gibt es noch Offenes, haben Sie Projekte? Ja, momentan be- Text Beat Straubhaar, Weber AG Bilder Erich Häsler, Interlaken treibe ich Recherchen zum heute nicht mehr existierenden Weihnachtssingen von jungen Leuten im 19. Jahrhundert. Diese zogen Jon Keller – oft in Bewegung in Thun von Gasse zu Gasse und gaben Weihnachtslieder zum Geboren am 10. September 1945 in Bern. Besuch der Schubesten, hoffend auf Spenden und Geschenke. len und des Gymnasiums in Bern. Anschliessend Studium an Wenn Sie mal gerade nicht an Recherchen sind – haben Sie auch Abschluss 1970 mit dem Lizentiat. Ein Jahr später folgte das Hobbys? Was gehört zu Ihrem Alltag? An erster Stelle ist die LekDoktorat. Von 1973 bis 2009 war Jon Keller Stadtarchivar in türe zu nennen. Ich bin ein eigentlicher Bücherwurm und ein guter Thun. Seit seiner Pensionierung im Jahre 2009 ist er StadtKunde der Stadtbibliothek Thun. Namentlich lese ich belletristiführer, Thun-Panorama-Führer und Freelance-Historiker. In sche Neuerscheinungen von Autoren aus allen Kontinenten. Aber der Freizeit liest er gerne und hält sich sportlich fit. Jon Keller auch Biografien von historischen Persönlichkeiten finden mein beist verheiratet, das Ehepaar Keller hat einen erwachsenen sonderes Interesse. Daneben besuchen meine Frau und ich sehr Sohn. Im Dezember erhält Jon Keller, dessen Lieblingsort in gerne kulturelle Veranstaltungen: Theater, Konzerte, Filme etc. Thun das Thun-Panorama ist, für seine Verdienste den ThunWas Sport betrifft, sind Wandern, Nordic Walking und Langlauf im preis überreicht. Winter zu nennen. Zudem besuche ich zweimal wöchentlich einen auch aus dem Ausland. Selbstredend muss ich mich immer auf geeigneter Form zu vermitteln. der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern,

This article is from: