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Vorwort

Vorwort

Es ist Mittag vorbei, ein bitterkalter Wintertag Ende Januar. Die Schneewolken, die in den letzten Stunden zwanzig Zentimeter Champagnerpulver auf die Bettmeralp und die rissige Zunge des Grossen Aletschgletschers gelegt haben, verziehen sich langsam. Sie geben den Blick frei auf die weiten, langen Südosthänge von Driest- und Zenbächengletscher und zum Fusshornbiwak, unserem heutigen Tourenziel. Die Vorfreude ist gross, denn die Prognosen versprechen sehr kalte, aber wolkenlose Tage. Perfekte Bedingungen für sonnige Touren in einer uns noch unbekannten Gegend. Der Zustieg beginnt mit einer stiebenden Abfahrt hinunter zum Gletscher. Neunzig Minuten später ist der Eisstrom gequert, gewaltige Randspalten haben viel Zeit gekostet. Abendlicht über frisch verschneiter Landschaft, die Wolken sind weg, die Kälte nimmt zu. Was machen wir? Die Stirnlampen sind dabei – also weiter.

Die Verhältnisse sind stabil, vierzig Zentimeter Neuschnee federleicht, wir kommen gut voran, aber das Licht schwindet rasch. Die Lampen hervorkramen, die Kälte beisst – oje, die Batterien waren doch letzte Saison schon schwach. Nicht einfach, im Tagesrestlicht die Route zu finden. Noch leuchtet die Karte auf Georgs Smartphone, aber der Akku leidet massiv. Ein erstes Fell löst sich vom Ski – abgefroren. Ersatz ist dabei, aber viel gebraucht. Das letzte Licht stirbt, ein zweites Fell bleibt liegen, was tun wir hier? Plötzlich donnern Militärflugzeuge im Tiefflug. 8 Uhr abends, das WEF in Davos muss bewacht werden. Flieger kreisen über (fast) menschenleerer Gegend, flitzende Positionslichter in mondlosem Schwarz, der Lärm ist gewaltig, unsere Moral am Ende, der Hunger nagt, die Kälte beisst und wir sehen nix. Auf einmal fahles Licht über dem Aletsch. Die Flieger lassen Licht an Fallschirmen heruntersinken – oder sind es Halluzinationen? Das letzte Stück zum Biwak wird für Sekunden sichtbar – das schaffen wir. Alle fünf Minuten stoppend und die tiefgefrorenen Felle im Schritt aufwärmend erreichen wir das Fusshornbiwak gegen 22 Uhr. Der Eingang ist frei, kein Schneeschaufeln, wir freuen uns auf Schutz und etwas Wärme.

Dass Militärflieger eine Konstante im Projekt Berner Alpen Ost geworden sind, erkenne ich erst jetzt, im Rückblick. Ohrenbetäubend der Lärm, wenn ich wochentags auf Tour unterwegs war. Wie ich die Donnerkisten jeweils verflucht habe! Im zweiten Winter entdeckte ich, dass die Flieger auch Taktgeber sein können. Montag bis Freitag, Punkt 13.30 Uhr: Donnergrollen im Osten der Berner Alpen, Hinweis für mich, dass es Zeit wäre, auf dem Gipfel zu sein. Dass ich am 10. März dieses Jahres, an einem der wohl perfektesten Wintertage in diesem Jahrtausend, mit Pilot Peter Schlatter und Bordfotograf André Kohn für Gipfelaufnahmen im Militärhelikopter sein durfte, bot nochmals eine neue Perspektive.

Ganz ohne Absicht und Hintergedanken ist auf einer Tour die Aufnahme entstanden, die nun den Titel von Berner Alpen Ost schmückt und neben dem Axalphoren den Fliegerschiessplatz der Schweizer Luftwaffe zeigt. Das Bild war ziemlich umstritten – nicht wegen der Abbildung von militärischen Anlagen mitten im eidgenössischen Jagdbanngebiet Schwarzhorn, sondern wegen der Skispur, die durch das Schutzgebiet führt. Als mich Daniel Anker vor einigen Jahren anfragte, ob ich die beiden Skitourenführer der Berner Alpen künftig bearbeiten wolle, da sein langjähriger Coautor Ralph Schnegg im Sommer 2011 in den Bergen ums Leben gekommen war, fühlte ich mich zwar geehrt, aber auch sehr traurig. Ich hatte mit «Räufu» für die Skitourenkarten oft zu tun gehabt. Zuverlässig, genau und mit einer schönen Portion Schalk im Nacken habe ich Ralph erlebt und durfte ihn kontaktieren, wann immer es mit meinem Zentralschweiz-Führer nicht vorwärtsging – und nun sollte ich sein Erbe antreten.

Ich habe Dänu schliesslich zugesagt, ihm aber mitgeteilt, dass ich auf Skis nicht so steil unterwegs sei, wie es «Räufu» war, und dass ich nicht jede mögliche Auf- und Abfahrtsvariante im Führer beschreiben würde. Viele einstige Routen mussten auch den Wildtieren zuliebe geopfert und dürfen nicht mehr beschrieben werden. Als Kompendium für Skitouren in den Berner Alpen Ost gilt daher für immer der Führer meiner Vorgänger mit Ausgabe 2004!

Für die Unterstützung im Projekt Berner Alpen Ost möchte ich mich bei vielen Personen bedanken.

Ganz herzlichen Dank an Georg Huggler und an meine Söhne David und Max Pröschel, die mich immer wieder auf lange, aber längst nicht immer lohnende Touren begleiten mussten. Danke auch an die Hüttenwartinnen, Gebietskenner, Bergführerinnen, Freunde und Bekannten: Jürg Abegglen, Christian Almer, Susanne Brand, Käthi und Markus Brefin, Egi und Regula Feller, Käthi Flühmann, Hansruedi Häni, Hans und

Hildi Hostettler, Hansruedi und Tina Gertsch, Raphael Imsand, Heinz Inäbnit, Stefan Kohler, David und Patrick Koller, Aschi Müller, Patrick Rohner, Martin Rüegsegger, Aschi Rufibach, Christoph Sager, Erna Schuler, Peter Schwitter, Peter von Känel, Fritz von Kännel, Marco Volken, Richi Walker, Albrecht Wandluh, Hans und Vreni Winterberger-Lohner, Francesco Wyss für die grosse Hilfsbereitschaft, die wertvollen Hinweise, die vielen Tipps, das Begleiten, die Begegnung, das Korrigieren und Ergänzen, für die Bergbilder und die Gastfreundschaft.

Vielen Dank an Daniel Anker, der mir das Vertrauen geschenkt hat, sein / ihr Werk zu überarbeiten, für meine Fragen immer ein offenes Ohr hatte und sie jeweils engagiert und mit viel Humor klärte. Einen riesigen Dank vor allem an meine Lektorin Sandra Ryf, die enorm dazu beigetragen hat, dass ein Verirren anhand der Beschreibung praktisch ausgeschlossen werden kann.

Nun wünsche ich viel Spass und tolle Erlebnisse auf Skitouren nicht nur im Osten der Berner Alpen.

Martin Maier

Bern-Lorraine, Oktober 2016