DIE 50 SCHÖNSTEN ERLEBNISSE DER SCHWEIZ
IWONA EBERLE JOCHEN IHLE MILO HÄFLIGER FRANZ HOFMANN
IWONA EBERLE JOCHEN IHLE MILO HÄFLIGER FRANZ HOFMANN
Alle Angaben in diesem Buch wurden von den Autoren sorgfältig recherchiert, nach bestem Wissen und Gewissen erstellt und von ihnen und dem Verlag geprüft. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben besteht keine Gewähr und jegliche Haftung wird ausgeschlossen. Die Leserinnen und Leser unternehmen die Erlebnisse auf eigenes Risiko und haben jede Tour sorgfältig vorzubereiten und mit der gebotenen Aufmerksamkeit zu unternehmen.
Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wieder gabe.
Der Verlag Werd & Weber wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016 – 2020 unterstützt.
© 2019 Werd & Weber Verlag AG, CH-3645 Thun / Gwatt
Autoren
Iwona Eberle
Jochen Ihle
Milo Häfiger
Franz Hofmann
Karten
Pia Bublies, Hamburg, www.piabublies.de
Thomas Gloor, Schweizer Wanderwege SAW, Bern
Werd & Weber Verlag AG
Cover-Gestaltung Sonja Berger
Satz Milena Portenier
Lektorat / Korrektorat Laura Scheidegger
ISBN 978-3-85932-972-0
www.werdverlag.ch www.weberverlag.ch
Dauer 3½ –4 Stunden
Anforderung mittel
Länge 26,7 Kilometer
Strömung flott
Wasser Juli / Aug. 16–19 °C
Empfohlener Abfluss bis 200 m3/s Thun SMS an 9234: Q 2030
Tücken «Uttiger Welle» (Schnelle)
Kurze Variante: Uttigen–Eichholz 2–3 Stunden
Dies ist der Klassiker unter den Schweizer Gummibootstrecken. An heissen Sommertagen treiben Hunderte die Aare hinab. Flussaufwärts bietet sich dem Auge eine einzigartige Parade der berühmten Berner Alpengipfel.
Beim Einstieg hinter dem Restaurant Bellevue in Thun-Schwäbis geht’s oft zu wie auf einer Chilbi Zwischen Dutzenden Booten packen Böötler ihre Siebensachen in wasserdichte Säcke oder Plastikfässer, andere sind am Aufpumpen, junge Männer verkaufen Glace und Getränke. Vor der Rampe ins Wasser steht man Schlange. Allerdings nicht lange. Denn kaum ist ein Boot im Wasser, trägt die Strömung es rasch weg
Die Ufer sind dicht grün bewachsen und lassen einen komplett vergessen, dass man durch dicht besiedeltes Gebiet fährt . Bei jeder Flussbiegung wechseln sich die Berge im Hintergrund nun ab. Als erste zeigen sich die drei schneebedeckten Gipfel der Blüemlisalp, die Polo Hofer in seinem Schmachtfetzen «Alperose» besang
Die «Uttiger Welle» ist ein Riesenspass, aber nicht zu unterschätzen.
Über eine breite Betontreppe mündet von rechts die Zulg (km 1,9) in die Aare Sie trägt Wasser aus dem Gebiet der Sieben Hengste in den Emmentaler Alpen herunter. Sie ist es übrigens auch, die der Aare nach Gewittern einen grossen Teil ihrer braunen Verfärbung verpasst .
Nun geht es lange geradeaus, bis über dem rechten Ufer eine hohe Felswand erscheint, das Wasser wird unruhig Es scheint, als wolle einen die Aare auf ihre berühmt-berüchtigte Stelle einstimmen: die Uttiger Welle. Sie liegt am Ende einer langgezogenen Linkskurve unter der Eisenbahnbrücke Uttigen (km 5,1). Grosse Felsen in der Flussmitte bilden unter der Wasseroberfläche eine Schwelle. Kein Rauschen kündigt das spritzige Abenteuer an, das bevorsteht Dafür das Jauchzen und Kreischen der Böötler, die vorher über die «Uttiger Welle» reiten . Bei allem Spass ist Vorsicht geboten: Starke Walzen können Schwimmende sogar mit Rettungsweste unter Wasser ziehen . Das Boot gleichmässig belasten und mit Paddelschlägen gerade durchsteuern . Kehrwasser im Uferbereich erleichtern das Anlanden, um das Boot nötigenfalls auszuleeren
Eindrückliche Nagelfluhwände säumen nun das linke Ufer Wie Lianen hängen Efeustränge über sie herab, ein bisschen Urwald im Mittelland . Im Hintergrund dominieren die Berner Voralpen mit Niesen
Vision für die Aare (blau) im Jahr 2030 im Vergleich zum heutigen (gerade schwarze Ufer linien) und dem Zustand im 19. Jahrhundert vor der Begradigung.
Die Aare wird aus ihrem Korsett befreit
Bis zur Aarekorrektion 1871 bildete die Aare zwischen Thun und Bern eine weit ver zweigte Auenlandschaft Sie veränderte sich ständig und bot Tieren und Pflanzen vielfältige Lebensräume. Damit Kulturland gewonnen werden konnte, wurde sie begradigt und kanalisiert Zwischen künstlichen Dämmen wurde die Flussbreite auf rund 50 Meter beschränkt . Bis 2030 wird die Aare auf einigen Abschnitten ein paar Arme und etwas Raum für ihre natürliche Dynamik zurückerhalten
und Stockhorn . Nach der Jabergbrücke (km 8,0) stösst von rechts die Autobahn zur Aare. Ihr Rauschen wird uns für die nächsten 10 Kilometer begleiten
Nach einigem Gondeln zwischen grünen Ufern präsentiert sich linkerhand der stattliche Landgasthof Thalgut (km 10,1) direkt an der Aare. Flussabwärts in der Ferne sehen wir den Sendeturm auf dem Bantiger. Nun folgen die auf dem Abschnitt Thun–Bern typischen Betonbuhnen , im Volksmund «Sporen» genannt Die rechtwinklig von rechts in die Aare ragenden Flussverbauungen wurden im 19. Jahrhundert errichtet, um die Fliessgeschwindigkeit am Kanalufer zu verkleinern, damit dieses nicht einbricht . Seit den 1940er-Jahren sind sie betoniert Bei schönem Wetter räkeln sich Sonnenanbeter darauf, und Rauchschwaden von Grillfeuern steigen auf.
Am linken Ufer ziehen die Hänge des Belpbergs vorbei . Gleich nach der Schützenfahrbrücke (km 14,0) mit ihren tückischen dünnen Pfeilern folgt rechts die Badi Münsingen (km 14,0) Das Anlegen ist verboten, weil besonders ältere Schwimmende in Panik geraten können, wenn sie wegen Booten am Ufer den Fluss nicht verlassen können .
Hier beginnt der rund 9 Kilometer lange Belper Giessen, der zu den grössten verbliebenen Auenlandschaften der Schweiz zählt Auf diesem Abschnitt wird die Aare immer mehr aus ihrem Korsett befreit . Bei der Hunzigenau (km 15,6–16,5) sind am rechten Ufer ausserdem neue Seitenarme ausgebaggert worden . Sie können bei normalem Abfluss befahren werden . Vorsicht vor Totholz und Untiefen . Unmittelbar nach einer Insel vor der Hunzigenbrügg (km 16,6) steht am linken Ufer das Restaurant Campagna mit seinem grossen Tipi
Der folgende rechte Seitenarm von Raintalau-Flühli (km 17,4–18,5) darf nicht befahren werden . Wir nähern uns der gedeckten Auguetbrügg (km 20,9) beim Flughafen Belpmoos. Genügend Abstand zu den eng stehenden Pfeilern halten Ab hier säumen wildromantisch hohe Bäume das Ufer, und viele schöne Plätzchen laden zum Rasten und Grillieren ein .
Nach dem Muribad (km 21,7) am rechten Ufer folgen vor Bern noch ein paar hübsche Flussschlaufen . In einer Rechtsbiegung liegt rechts das Fähribeizli mit der Seilfähre Bodenacker (km 23,6) Linkerhand folgt die Wiese beim Camping Eichholz (km 25,1–25,6), wo an Sommerabenden meist Partys im Gang sind Kurz darauf zieht rechts der Tierpark Dählhölzli (km 25,8) vorbei, Steinböcke schauen von ihren Felsen auf das Treiben auf der Aare hinunter.
Ab der Auguetbrügg laden unzählige Plätzchen zum Rasten ein.
Es ist ein feines Geklimper, das die Aare bei Bern erzeugt, indem sie Kieselsteine vor sich herschiebt . Um das faszinierende Unterwassergeräusch zu geniessen, braucht man beim Schwimmen nur ein Ohr ins Wasser zu legen Der Berner Blogger Andi Jacomet hat die Aare-Musik mit einem Mikrofon eingefangen und im Internet zugänglich gemacht: www.jacomet .ch/themen/aare
Hier beginnt die wohl bestbesuchte Schwimmstrecke der Schweiz Zu Hunderten laufen Schwimmerinnen und Schwimmer jeden Alters den Fussweg zwischen Marzili und Eichholz hoch, um sich von dort die Aare hinuntertreiben zu lassen – und plötzlich fährt man zwischen unzähligen Köpfen . Der Schönausteg (km 26,1) ist beliebt bei Brückenspringern Wir halten uns ans linke Ufer und booten unter der hohen Monbijoubrücke (km 26,7) kurz vor dem Marzilibad aus. Eine letzte Ausstiegsmöglichkeit vor dem SchwellenmätteliWehr folgt wenig später am Ende der Holzwand des Marzilibads Das «Marzili», das aus dem Jahr 1782 stammt, ist im Sommer einer der beliebtesten Treffpunkte Berns und trumpft mit einem prächtigen Blick auf das Bundeshaus.
ÖV:
Thun: Bahnhof Schwäbis (Halt auf Verlangen) oder Bushaltestelle Steffisburg, Schwäbis
Uttigen: Bahnhof Uttigen
Wabern: Tramhaltestelle Wabern, Eichholz
Bern: Marzili-Bähnli und Bahnhof Bern
Parkplätze:
Thun: Uttigenstrasse 9
Uttigen: beim Bahnhof
Wabern: Gurtenbahn-Parking (Dorfstr 37)
Bern: Casino-Parking (Kochergasse 1)
Zurück zum Auto mit dem ÖV:
Bern <> Thun: ca 40 Minuten
Wabern <> Uttigen: ca . 40 Minuten
Abfluss: Vor Tour prüfen Bei Hochwasser noch grössere Kentergefahr in «Uttiger Welle»
Starke Strömung: Rettungswesten besonders empfehlenswert, auch wegen Wasserwalzen in «Uttiger Welle»
Ausstieg: Bei viel Gummibootsverkehr schon im Eichhölzli aussteigen, da es am Marzili nur wenige Ausstiegsmöglichkeiten gibt .
Aare: Thun–Bern
Für geübte Schwimmerinnen und Schwimmer grundsätzlich gut geeignet, starke Strömung
Wegen einzelner grosser überspülter Steine empfiehlt es sich, mit den Füssen voran zu schwimmen . Meiden: Bereich «Uttiger Welle». Siehe auch Aare-Karte der Schweizerischen Lebensrettungsgesellschaft SLRG unter www slrg ch Temperaturabfrage per SMS an 9234: T 2030
Viele schöne Möglichkeiten, vor allem ab der Hunzigenau . Kaum Feuerholz am Ufer.
Im Umkreis des Marzilibads Bern gibt’s leckere hausgemachte Glace zum Mitnehmen und lauschige Gartenwirtschaften
Dampfzentrale: April–Sept . täglich, Okt .–März Mo–Sa; beim Ausstieg
Gelateria di Berna: Mitte April bis Mitte Okt . Mo–Sa 12–22 Uhr, So 12–20 Uhr; gegenüber Eingang Marzilibad, 24 Glacesorten
Bistrot Marzer: Di–Sa, Brückenstrasse 12; am Weg zum Marzili-Bähnli, Reservation empfohlen, Tel 031 311 29 29
Gartenrestaurant Marzilibrücke: täglich, Gasstrasse 8; am Weg zum Marzili-Bähnli, Reservation empfohlen, Tel 031 311 27 80
Viele nette Restaurants und Bars auch in der Berner Altstadt an der Front (Bundeshaus-, Bären- und Waisenhausplatz)
Weiterfahrt nach Hinterkappelen
Nach Marzili über Dalmazi brücke die Fluss seite wechseln, anschliessend das rechte Aareufer entlang und an den Restaurants vorbei zum Einstieg am Schwellenmätteli
Lauschige Übernachtungsmöglichkeit an der Aare: Camping Eichholz, Wabern, www.campingeichholz .ch, Tel 031 961 26 02, auch Zimmer verfügbar
Kantonspolizei Bern, Seepolizeien
Thunersee und Wohlensee: Tel 033 356 86 41
www aarebootsvermietung ch
www aareschlauchboot ch
www liquidsunshine ch
www.outdoor-interlaken .ch
Thunersee www thunersee ch
Bern www bern com
Marzilibad
Schönausteg
Gurten
4
WABERN
AUSSTIEG
Wabern: bei Camping Eichholz Kiesstrand links, 15 min
AUSSTIEG
Bern: am Marzili unter Monbijoubrücke links, Marzili-Bähnli 10 min
Einkehren
1 Restaurant Bellevue, Steffisburg: So–Fr; beim Einstieg
2 Landgasthof Thalgut, Gerzensee: Mi–So
3 Restaurant Campagna, Belp: Juni–Sept. täglich
4 Fähribeizli Muri: Mai–Sept. täglich
Weiterfahren möglich, Schwellenmätteli-Wehr rechts umtragen, siehe «Touren zusammenhängen»
Tierpark Dählhölzli
Muribad
RaintalauFlühli Belper Giessen
3
Belpberg
Hunzigenbrügg Hunzigenau
Auguetbrügg
EINSTIEG Aare Thun–Bern
2
Badi Münsingen
Schützenfahrbrügg
«Uttiger Welle»
Jabergbrücke
UTTIGEN KIESEN
Uttigen: nach Eisenbahnbrücke links, 5 min
EINSTIEG 1
Thun-Schwäbis: Schlipf hinter Restaurant Bellevue, 5 min
Zulg
Regiebrücke
Thunersee
Früher einwassern nicht möglich: Durchfahrt durch Stadt Thun verboten
Ganzen Generationen von Ausflüglern ist das Niederhorn im Berner Oberland dank der einstigen Sessel- und heutigen Gondelbahn zum Begriff für einen lohnenden Aussichtsberg geworden Manche beschränken sich auf einen Rundblick und den Besuch im Bergrestaurant; andere hingegen nehmen den Gratweg zum Gemmenalphorn und allenfalls weiter Richtung Grünenbergpass und Habkern in Angriff.
Nach der Gondelfahrt: Panoramablick vom Niederhorn gegen den Thunersee.
Gutes Profil an den Schuhen ist ein Muss, denn der stellenweise recht exponiert verlaufende Bergweg verlangt Trittsicherheit Auch etwas Fitness ist erforderlich: langer Abstieg, kein Restaurant unterwegs, weitgehend schattenlose Route, ruppiges Terrain (hauptsächlich im Bereich des Karstgebietes Seefeld). Für die Mühen entschädigen aber nicht bloss grossartige Panorama-Aussichten, sondern auch Natur erlebnisse – ein guter Teil der Wanderung verläuft durch Natur schutzgebiet!
Gern gönnen wir uns zu Beginn eine gemütliche Gondelbahnfahrt von Beatenberg aufs Niederhorn, um flott an Höhe zu gewinnen . Die Fahrt geht zuerst durch Bergwald und dann, nach der Zwischenstation Vorsass, über Alpweiden bis auf 1932 m ü. M . Auf dem Gipfel des Niederhorns – in Wirklichkeit ein Gratvorsprung – hat es Fernmeldeeinrichtungen Auch wenn diese technischen Anlagen nicht gerade zur Verschönerung der Alpenwelt beitragen, gelten sie doch als gutes Zeichen: Hier muss die Rundsicht nämlich besonders lohnend sein .
Unwillkürlich richtet sich der Blick nach Südosten zum firnbedeckten Dreiklang Eiger, Mönch und Jungfrau, umgeben von zahllosen weiteren Gipfeln . Unten glitzert der Thunersee, nach Norden fällt die Steilwand der Niederhornfluh ins Justistal ab Gegenüber, im Nordwesten, verläuft die Alpenrandkette des Sigriswilergrates mit dem Sigriswiler Rothorn (2050 m ü. M .). Auffällig ist am Ende des Justistals der halbkreisförmige Passübergang der Sichle (1679 m ü. M .) ins Eriz . In den Namen Beatenberg und Justistal leben die Namen zweier Missionare weiter: Beatus und Justus sollen im frühen Mittelalter der Thunerseeregion das Christentum gebracht haben, doch sind sie eher Gestalten der Legende als historisch fassbare Figuren Nun aber los! Die Route lässt sich nicht verfehlen, führt sie doch die ersten fünf Kilometer immer dem Grat entlang. Unterwegs wird der höchste Punkt des Tages erklommen, das Gemmenalphorn mit seinen 2061 m ü. M . Wir sollten gut aufpassen, hat uns der Gondelbahnangestellte in seinem singenden Berner Oberländer Dialekt gesagt, denn unterwegs würden wir sicher Steinböcke sehen Trotz emsigen Herumsperberns ist das Steinwild vorerst nicht auszumachen, bloss zwei Gämsen überqueren den schmalen Pfad und verschwinden hinter einem Felsturm . Dann aber, beim Burgfeldstand zwischen Niederhorn und Gemmenalphorn, liegt ein kapitaler Steinbock auf einem Geländevorsprung an der Sonne, während einige Geissen und Jungtiere schwindelfrei in den Felsen über dem Steilabsturz ins Justistal einzelnen Grasbüscheln nachsteigen Durch die Farbe ihres Fells sind die Tiere in der Landschaft ideal getarnt; von den Touristen in zwanzig bis dreissig Meter Enfernung lassen sie sich keineswegs stören . Die Kolonie am Gemmenalphorn wurde hier um 1950 angesiedelt . Sie ist ein Ableger der Stammkolonie am Augstmatthorn über dem Brienzersee
Wegen seiner leichten Zugänglichkeit vom Niederhorn her wird das Gemmenalphorn gerne besucht Doch weiter geht selten jemand: Das Seefeld, eine nach Südosten leicht geneigte Platte aus Hohgantsandstein, zählt zu den einsamsten Regionen im Berner Oberland . Der bräunlich verwitternde Hohgantsandstein ist locker mit Busch-
Das Steinwild am Gemmenalphorn ist an Touristen gewöhnt.
werk und Nadelbäumen bestanden . Weiter im Nordwesten wird der Hohgantsandstein durch hellen Schrattenkalk abgelöst, der von tiefen Karren durchzogen ist In dieser typischen Karstlandschaft hat die Vegetation einen schweren Stand: Alles Wasser versickert sofort im Untergrund . Kahl ragen daher die höchsten Karsterhebungen, die Sieben Hengste, in den Himmel .
Das Seefeld bildet den westlichen Teil des Naturschutzgebietes Hohgant – Seefeld, mit 23 Quadratkilometer Fläche eines der grössten der Schweiz Vor rund fünfzig Jahren bestanden Pläne, die geschützte Region wesentlich zu erweitern und zwischen Sigriswil und dem Brienzer Rothorn einen 100 Quadratkilometer grossen Naturpark zu schaffen .
Mitten durch das Seefeld zieht sich unser Pfad zum Grünenbergpass hin . «Die Abgeschiedenheit und Stille des Seefelds stellt aus naturschützerischer Sicht einen hohen Wert dar, den es zu bewahren gilt», gibt das bernische Naturschutzinspektorat zu bedenken «Die gefährlichen Karrenfelder eignen sich übrigens so wenig zum Spazieren wie das unübersichtliche Gelände im übrigen Seefeld, und der Wanderweg zum Grünenbergpass soll der einzige bleiben .»
Sumpfge Natur im Moorgebiet Seefeld-Oberberg.
Beim Abstieg gegen den Grünenbergpass (1555 m ü. M .) geht der Blick nach Nordosten zum Hohgant . Allerdings präsentiert sich dieser Kalkklotz von hier nicht so schroff wie vom Mittelland aus, dem er seine steil abfallenden Felswände zeigt Wir sehen den Hohgant als schiefe Ebene Im unteren Teil ist sie mit lockerem Wald bedeckt, oben zum Grat hin aber tritt der helle Gesteinsuntergrund hervor. Auch hier sickert das reichliche Regenwasser sogleich in die Tiefe und lässt kaum Pflanzen aufkommen . Die unfruchtbare Region in einer Höhenlage zwischen 1800 und 2000 m ü. M ., wo sonst saftige Alpweiden vorherrschen, gab Anlass zur Sagenbildung Einst habe auf dem Hohgant eine reiche Siedlung gestanden, erzählt man sich, doch Hochmut und Verschwendungssucht hätten zu deren Untergang geführt .
Wo die Alpwirtschaft zurücktritt, kann sich die Natur entfalten So ist das Seefeld ein wahres Vogelparadies Hier brüten regelmässig Steinadler, und wenn die von weither angereisten Ornithologen durch ihre Feldstecher schauen, bekommen sie mit etwas Glück nicht nur
Haselhuhn und Birkwild zu Gesicht, sondern auch die selteneren Arten Schneehuhn und Auerwild . Ferner beheimatet die parkartige Urlandschaft weitere Bergvögel wie Alpendohle, Tannenhäher, Zitronenzeisig, Ringdrossel und Wasserpieper. Neben den Ornithologen sind im Seefeld gelegentlich auch Höhlenforscher anzutreffen . Der ganze Gesteinsuntergrund ist, wie gesagt, von Klüften und Gängen durchzogen; die «Bergsteiger unter Tag» vermessen das ausgedehnte System und glauben, dass es in seiner Ausdehnung an das Höllloch-Labyrinth im Muotatal heranreiche. Für botanisch Interessierte besonders lohnend ist das Trogenmoos am Grünenbergpass, wo sogar die Fleisch fressende Pflanze Sonnentau vorkommt . Von Grünenbergpass und Trogenmoos senkt sich die Route beständig nach Habkern hinunter. Das letzte Teilstück vor dem Tagesziel ist asphaltiert . Gerne würden wir noch weiter auf Naturboden wandern, und seien es bloss die harten Kalksteinplatten des Seefelds
Route Niederhorn ob Beatenberg – Burgfeldstand – Gemmenalphorn – Oberberg – Seefeld – Grünenbergpass – Trogenmoos – Wolfbach – Habkern .
Anreise
Mit dem Postauto von Interlaken West oder mit der Standseilbahn von Beatenbucht nach Beatenberg Dann mit der Gondelbahn aufs Niederhorn .
Rückreise Von Habkern mit dem Postauto nach Interlaken West
Wanderzeit 5–6 Stunden mit wenig Steigung und rund 1000 Meter Gefälle.
Karte
Landeskarte 1:25 000, Blatt 1208 «Beatenberg»
Gaststätten Beatenberg, Niederhorn, Habkern .
Variante
Wer den langen Abstieg nach Habkern scheut, kann sich auf das schönste Teilstück der Gratwanderung beschränken, die Strecke Niederhorn – Gemmenalphorn . Dauer hin und zurück inkl Gipfelrast: etwa 3 Stunden
«Robin Hood wanderte aus dem tiefen Sherwoodwald heraus [...] endlich führte ihn sein Weg zu einem breiten Bach, den eine schmale Brücke aus Baumstämmen überspannte Von der anderen Seite näherte sich ein Wanderer, der nun genau wie Robin die Schritte beschleunigte, denn jeder wollte zuerst über den Steg.» Wir wissen es, die Geschichte nahm ein feuchtes Ende, damals, als sich Robin Hood und Little John das erste Mal auf einer Brücke im Sherwood Forest begegneten
Mit viel Luft unter den Sohlen vom Gadmertal zur Windegghütte
T3 / T4
3 ½ h
6 km
1060 m
Softeis: Der Triftgletscher zieht sich massiv zurück.
Wir sind nicht im Sherwoodwald, sondern im Triftgebiet unterwegs. Doch auch wir überqueren auf unserem Weg zur Windegghütte eine Brücke, auf der wir nur wenig Platz haben und daher sehr konzentriert bei der Sache sein sollten . Die Triftbrücke ist 102 Meter lang und führt in einer Höhe von 70 Metern über die Schlucht des Triftwassers. Der Gang über eine der längsten und höchsten Hängeseilbrücken der Alpen sorgt für eine gehörige Dosis Kribbeln im Bauch .
Seit im Frühjahr 2005 die Triftbahn von den Kraftwerken Oberhasli erneuert und für den öffentlichen Betrieb ausgerüstet wurde, ist der Zustieg zur Windegghütte auch für Familien mit Kindern eine schöne Tageswanderung Jeweils 8 Personen passen in die beiden roten Kabinen, da heisst es an Schönwettertagen früh aufstehen – oder eben Schlange stehen . Die einstige Transportbahn schwebt durch
Mutprobe: Der Gang über die Triftbrücke.
die Triftschlucht hinauf ins gleich namige Gletschertal bis Underi Trift. Gipfel mit seltsamen Namen wie Fläschen-, Mähren- oder Windegghorn stehen da beisammen; auch nicht gerade vertraut klingen Radlefshorn, Murwetestock und Graui Stöckli . Ein furioser Auftakt, die Fahrt hinein in diesen wilden Felsenkessel . Der Weg zur Windegghütte ist vorbildlich markiert, führt zunächst eben auf den Talboden, quert das Triftwasser und wechselt dann von der bewaldeten Ost- zur felsigen Westseite. Hier trifft man auf den Weg, der von Schwendi heraufzieht und steigt nun leicht, aber stetig bergan bis zum markanten Bosslis Stein . Drei Varianten führen ab hier zur Windegghütte, eine erste gleich rechts auf direktem Weg steil hinauf Nach links weist die Markierung zur Triftbrücke, in stetigem Auf und Ab über glatte Granitplatten Im Verlauf dieses Weges gibt es noch eine zweite, weniger steile Möglichkeit, um zur Hütte aufzusteigen, doch wenn die Kids die Hängeseilbrücke erspähen, kennen sie nur noch eine Richtung: geradeaus.
Die nach nepalesischem Vorbild gebaute Konstruktion ist an sechs Stahlseilen aufgehängt, besitzt eine Lauffläche aus Lärchenholzplanken und hängt spektakulär über der gewaltigen Schlucht des Triftwassers. Für ein beruhigendes Gefühl sorgen die zwischen Lauf fläche und oberstem Drahtseil angebrachten Drahtgeflechte Wer nun mutig auf die leicht schwankende Brücke hinausspaziert, unter den Schuhsohlen nichts als Luft spürt, in den Ohren das dumpfe Grollen des 70 Meter tiefer rauschenden Triftwassers, der erhält ein alpines Adventure-Angebot, völlig gratis.
Die Triftbrücke wurde jedoch nicht fürs Spektakel gebaut, sondern aus einer Notwendigkeit heraus Bis Mitte der 1990er-Jahre reichte die Zunge des Triftgletschers noch bis zum Felsriegel am Anfang der Schlucht . Wer zur Trifthütte wollte, stieg damals via Leitern auf den Gletscher hinab. Inzwischen ist der Gletscherzungenbereich stark geschmolzen und im Gletschervorfeld hat sich ein See gebildet . Der Triftgletscher ist gar der am schnellsten schmelzende Gletscher der Schweiz So sind die fotogen auf dem Gletschersee treibenden Eisschollen nichts anderes als die Folgen der weltweiten Klimaerwärmung
Variantenreich: Wege zur Windegghütte.
Auf der anderen Seite der Brücke ist der erste Teil des Abenteuers zu Ende und die Kinder dürfen sich stolz ins Brückenbuch eintragen . Der Weg führt nur für erfahrene Bergwanderer weiter zur Trifthütte. Welch mächtiger Eisstrom muss dieser Triftgletscher einst gewesen sein! Doch noch immer ist die Kulisse beeindruckend – der Gletscher sendet seinen eiskalten Hauch herüber. Beim Rückweg über die schwankende Nepalbrücke geniessen wir noch einmal Gefühle wie im Himalaja, wo Seilbrücken wichtige Verkehrswege sind, tiefe Schluchten überqueren und entlegene Gebiete erschliessen . Die «Faszination Trift» ist ein eindrucksvolles Bergabenteuer, welches in der familienfreundlichen Windegghütte seine Fortsetzung findet . Mit trittsicheren Kindern, die gerne über Felsen kraxeln und Action suchen, wählt man die über Felsbänder führende, seil- und kettengesicherte Aufstiegvariante direkt oberhalb der Seilbrücke. Mit kleineren Kindern nimmt man jedoch besser den «Familienweg» bei der erwähnten Abzweigung nach dem Bosslis Stein Auf dem Rückweg steigen wir auf dem ursprünglichen Hüttenweg hinab zum Bosslis Stein Der Abstieg durch den mit grossen Felsen durch setzten Buschbestand erfordert noch einmal Aufmerksamkeit . Es ist zwar nicht der Sherwood Forest und Little John versteckt sich auch nicht hinter den Bäumen, aber auf der Triftbrücke hätte selbst Robin Hood weiche Knie bekommen .
Polarfrischer Lehrpfad
Vom Hotel Steingletscher an der Sustenpassstrasse führt der Gletscherpfad Steinalp bis zum Gletschertor des Steingletschers Der Lehrpfad informiert auf 15 Stationen über das Innen- und Aussenleben des Gletschers und berichtet Wissenswertes über Flora und Fauna am Gletscherrand (Wanderzeit ca 3 Stunden) Eine ausführliche Broschüre ist erhältlich im Alpin Center Sustenpass, www sustenpass ch, www grimselwelt ch Mitten hinein in die Gletscherwelt führt der Zustieg zur Tierberglihütte (Aufstieg ab Umpol 2 Stunden, T4, mit trittsicheren Kindern), www tierbergli ch Tipp
Route Talstation Triftbahn (1022 m) – Underi Trift (1357 m) –Bosslis Stein (1600 m) – Triftbrücke (1760 m) –Windegghütte SAC (1887 m).
Wanderzeit 3 ½ Stunden mit jeweils 530 Metern Auf- und Abstieg (Bergstation Triftbahn–Triftbrücke 1 ½ Stunden, Triftbrücke–Windegghütte 30 Minuten, Abstieg 1 ½ Stunden).
Tourencharakter / Schwierigkeit
Erlebnisse
Varianten
T3 / T4 . Abwechslungsreiche Hüttenwanderung in wildromantischer Szenerie Von der Bergstation bis Bosslis Stein, danach drei Möglichkeiten, um zur Hütte zu gelangen Variante 1 biegt rechts ab und führt steil und direkt hinauf zur Hütte Varianten 2 und 3 führen links am Stein vorbei bis zur nächsten Abzweigung. Hier Möglichkeit, wenig steil zur Hütte aufzusteigen oder weiter zur Seilbrücke, bei der ein dritter Weg (Seil- und Kettensicherungen) über Felsbänder hinaufführt . Weiss-rot-weiss markierte Bergwege Zustieg und Überquerung der Triftbrücke T4 (weiss-blau-weiss), darf nicht unterschätzt werden . Gutes Schuhwerk unbedingt erforderlich, Kinder nicht unbeaufsichtigt lassen Nur für trittsichere und schwindelfreie Kinder – und Erwachsene.
Triftbahn; Hängeseilbrücke; SAC-Hütte; Klettergarten .
Anstelle der Seilbahn kann auch von den Postautohaltestellen Furen oder Schwendi /Chäppeli aufgestiegen werden Die Wanderzeit verlängert sich bei beiden Varianten im Aufstieg um 1 ½ Stunden . Mit kleineren Kindern weniger zu empfehlen, höchstens mit Übernachtung in der Windegghütte
Beste Jahreszeit Juli bis Oktober.
Anreise / Rückreise
Verpflegung / Unterkunft
Karten
Internetlinks
Mit dem Postauto über Innertkirchen zur Talstation der Triftbahn .
Windegghütte (bewartet Juli bis Anfang Okt .), Tel . 033 975 11 10, www.windegghuette.ch
Landeskarte der Schweiz 1:50 000, 255T «Sustenpass»
www. haslital . swiss, www.grimselwelt .ch