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Ödeme
Ödeme: Wie sie entstehen und was dagegen hilft
Wasser macht rund 60 Prozent unseres Körpergewichts aus. Staut sich Flüssigkeit im Gewebe an, entstehen Ödeme. Diese sind meist ungefährlich, können aber Anzeichen einer schweren Erkrankung sein. Das «natürlich» informiert über den Wasserstau im Körper, wie wir unseren Körper entwässern und weshalb wir, wenn möglich, barfuss gehen sollten.
Text: Erna Jonsdottir
Von aussen sieht man es uns nicht an: 45 Liter Wasser tragen wir im Schnitt jeden Tag mit uns herum. Wie gross der Wasseranteil im Körper ist, hängt vom Geschlecht, dem Fettanteil des Körpers sowie vom
Alter ab. Während ein Babykörper aus etwa 80 Prozent Wasser besteht, macht der Wasseranteil eines Erwachsenen im
Schnitt 65 Prozent aus. Und weil wir für gewöhnlich mit dem
Alter schrumpfen, nimmt auch der Flüssigkeitsanteil um bis zu 15 Prozent ab. Im menschlichen Körper hat Wasser die unterschiedlichsten Funktionen. Einerseits reguliert es unsere Körpertemperatur und versorgt alle Zellen und Organe mit Nährstoffen. Andererseits sorgt Wasser für das Ausscheiden von
Abbauprodukten wie zum Beispiel Harnstoff. Dieser entsteht beim Abbau von Eiwissbausteinen (Aminosäuren) in der Leber. In der Niere wird das Stoffwechselabbauprodukt gefiltert und mittels Wasser via Blase aus dem Körper geschieden. Deshalb gilt: Nur wer seinen Körper mit genug
Wasser versorgt, kann die wichtigen Funktionen seiner
Organe aufrechterhalten und schützen. Wasser gibt den Bestandteilen unseres Körpers aber auch Struktur. So ist Flüssigkeit in unseren Knochen enthalten und macht einen Grossteil unseres Muskelgewebes,
Gehirns und Lunge aus. Die Flüssigkeit verteilt sich ebenso in unseren Zellen, in den Zellzwischenräumen (Interstitium), dem Bindegewebe und der Unterhaut. Auch unser
Blut besteht hauptsächlich aus Wasser.
Wie ein «Oidema» entsteht
Die Aufnahme, Verteilung und Abgabe von Wasser und seinen Inhaltsstoffen wird als Flüssigkeitshaushalt bezeichnet. Gerät unsere Wasserbilanz durcheinander, kann der Organismus nicht mehr alle Funktionen aufrechterhalten. Die Folge: Die Flüssigkeit staut sich im Gewebe an und sorgt für eine Schwellung. Im Fachjargon spricht man dann von einem Ödem. Das Wort wird vom griechischen «Oidema» abgeleitet und bedeutet Geschwulst oder Schwellung. Die Entstehung eines Ödems ist eng mit dem sogenannten Elektrolythaushalt verbunden und ist physikalisch sehr komplex. Vereinfacht erklärt, geschieht das Folgende: Steigt der Druck in den kleinsten Blut- oder Lymphgefässen, wird Flüssigkeit aus dem Blut- oder Lymphsystem ins umliegende Gewebe gepresst. Dabei kommt es zu einer Schwellung. Solange der Zu- und Abfluss in und aus den Zwischenzellräumen gleichermassen funktioniert, kann sich keine Flüssigkeit im Gewebe anstauen. Die Ursachen von Ödemen können unterschiedlicher Natur sein. Was alle wasserbedingten Ödeme gemeinsam haben: Beim Eindrücken der geschwollenen Körperstelle, bleiben Dellen (Eindruckstellen) im betroffenen Gewebe zurück.

Unangenehm, aber harmlos
Ein zu hoher Venendruck kann zum Beispiel bei einer Herzschwäche oder bei Krampfadern auftreten. Allerdings müssen Wassereinlagerungen nicht immer Anzeichen einer schweren Erkrankung sein: Die meisten Menschen sind irgendwann in ihrem Leben von Ödemen betroffen. Typi-
Erkrankungen und Ödeme
Genauer hinschauen müssen die Betroffenen, sollte der Venendruck nur in bestimmten Gefässen ansteigen. Das ist zum Beispiel bei einem Blutgerinnsel in den Becken- oder Beinvenen (Thrombose) oder bei einer Venenschwäche der Fall. Vorsicht gilt auch, sollten Beine, Füsse oder Gesicht schlagartig anschwellen, sich unnatürlich warm oder kalt anfühlen oder sich rot oder blau verfärben. Ebenso schlechte Anzeichen sind Fieber, Schmerzen oder Atemnot. Dann sollte dringend ein Arzt aufgesucht werden. Denn Ödeme können auch die Folge von folgenden Krankheiten sein:
•Herz-, Nieren- oder Leberschwäche,
•Abflussstörungen des venösen Blutes (Venenschwäche) in den Beinen,
•Eiweissmangel,
•Störungen des Lymphabflusses (Lymphödeme),
•allergischen Reaktionen (Wespenstiche),
•Nebenwirkung von Medikamenten gegen Bluthochdruck (Kalziumantagonisten), Schmerzmittel (nichtsteroidale
Antirheumatika), kortison-haltige Präparate oder Medikamente gegen Depressionen (Antidepressiva).

scherweise entstehen sie bei zu langem Sitzen oder Stehen in den Füssen, Knöcheln oder Beinen; also dort, wo die Flüssigkeit der Schwerkraft folgt. Insbesondere heisse Sommertage können zu einem hohen Venendruck führen und Wassereinlagerungen zur Folge haben.
Hormonelle Veränderungen bringen den Wasserhaushalt ebenso durcheinander. Sie folgen demselben Mechanismus und erhöhen den Venendruck in allen Gefässgebieten. Während das prämenstruelle Syndrom (PMS) in den Tagen vor der Monatsblutung verstärkt zu Wassereinlagerungen im Gesicht, in den Händen und Brüsten führt, sind auch schwangere Frauen, vor allem kurz vor der Geburt, bestens mit Wassereinlagerungen im Körper vertraut.
Diese Schwellungen sind in der Regel alle harmlos und lassen sich durch das Hochlagern der Beine, mit Kühlung oder durch Bewegung lindern. Durch die körperliche Tätigkeit wird die Muskelpumpe aktiviert, womit das überschüssige Wasser im Gewebe über die Blutbahn wieder zurück zum Herzen transportiert wird.
Diuretika in der Schulmedizin
Die Behandlung von Ödemen richtet sich nach der Ursache. In der Schulmedizin werden ausgeprägte Ödeme durch die Gabe von Diuretika quasi ausgeschwemmt. Diuretika sind harntreibende Mittel, die dafür sorgen, dass die Nieren verstärkt Wasser aus dem Körper schleusen. In der Regel wird die Ursache, zum Beispiel bei einer Herzinsuffizient, medikamentös behandelt. Bei Ödemen, die durch eine Venenschwäche entstehen, kommen Kompressionsstrümpfe zum Einsatz. Ebenso Anwendung finden sie bei Thrombosen; dies in Kombination mit gerinnungshemmenden Medikamenten (Antikoagulation).
Die einzige Wassereinlagerung, die nicht medikamentös therapiert wird, ist das Lymphödem. Der Grund: Die Lymphflüssigkeit ist sehr eiweissreich. Eiweisse haben die Eigenschaft, Wasser an sich zu binden und sind gegenüber den Diuretika resistent. Eine wirkungsvolle Technik ist die manuelle Lymphdrainage. Die Behandlung, findet meist in zwei Phasen statt und führt dazu, dass die Eiweisse ausgeschieden werden können.
Salz bindet Wasser
In der Naturheilkunde gibt es unterschiedliche TherapieAnsätze. Neben der Lymphdrainage lange Tradition hat die Hydrotherapie: Sehr beliebt sind die Wasser-Anwendungen von Pfarrer Sebastian Kneipp – sein Hydrotherapie-System bietet eine Vielfalt von Anwendungsmöglichkeiten. KneippGüsse mit warmem und kaltem Wasser helfen zum Beispiel gegen Durchblutungsstörungen; Wassertreten (kalt) wirkt tonisierend auf die Venenwände und die Hautdurchblutung. Vorsicht: Heisse Anwendungen sind bei Venenerkrankungen grundsätzlich kontraindiziert.
Die Gesundheitslehre von Pfarrer Kneipp basiert auf fünf Säulen – dazu gehört auch die Ernährung. Salzreiche Lebensmittel wie Käse, Fleisch und Wurst fördern Wassereinlagerungen im Körper. Deshalb sollten sich Ödem-Patientinnen und -Patienten salzarm ernähren. Ebenso wichtig sind frische und ausgewogene Mahlzeiten. Ungünstig sind überschüssige Pfunde. Denn Fettgewebe begünstigt Ödeme, oder anders: Übergewicht fördert Wassereinlagerungen im Körper.
Aquaretika versus Diuretika
Aus naturheilkundlicher Sicht kann auch eine Übersäuerung die Ursache von Wassereinlagerungen sein. Deshalb machen neben der Ernährungsumstellung auch eine Entsäuerungskur sowie eine Reinigung des Lymphsystems Sinn. Pflanzen, die sich positiv auf das Lymphsystem auswirken, aktivieren den Lymphfluss, fördern die Nierentätigkeit, erhöhen die Urinmenge und beugen so Wassereinlagerungen vor.
Diese Pflanzen werden unter dem Begriff Aquaretika zusammengefasst. Ihr Vorteil gegenüber herkömmlichen Diuretika besteht darin, dass sie nicht nur überschüssiges Wasser ausschwemmen, sondern gleichzeitig zahlreiche Vitamine, Spurenelemente und Mineralien mitliefern. Hinzu kommt ihr breites Wirkspektrum: Sie sind nicht nur harntreibend, sondern je nach Pflanze auch lymphaktivierend, entzündungshemmend, immunstärkend und blutflussfördernd.
Heilpflanzen gegen Ödeme
Ganz nach dem Motto der Hildegard von Bingen «Gegen jedes Leiden ist ein Kraut gewachsen» helfen die unterschiedlichsten Heilpflanzen bei Ödemen. Wichtig: Bei Ödemen infolge einer Herz-, Nieren- oder Leberschwäche sind diese Tees nicht geeignet. Viele davon wachsen sogar zwischen Tür und Angel. Am häufigsten Anwendung findet die kaliumhaltige Birke. Birkenblätter-Tee erhöht die Harnmenge um das fünf- bis sechsfache. Wegen ihrer entwässernden und entzündungshemmenden Wirkung findet die Heilpflanze in der Phytotherapie seit jeher zur Durchspülung der Harnwege Anwendung.
Für seine harntreibende und blutreinigende Wirkung bekannt ist der Löwenzahn. Das tut er wie die Birke insbesondere wegen seinem hohen Gehalt an Kalium. Mit den in der Pflanze enthaltenen Bitterstoffen ist eine Löwenzahnkur im Frühling übrigens perfekt zum Entgiften. Das als Unkraut verschriene Gewächs erhöht die Aktivität von Leber sowie Nieren und leitet problematischer Stoffe aus. Nicht zu vergessen ist die Brennnessel. Ihr Tee hat eine harntreibende und entzündungshemmende Wirkung, welche die Bildung von Ödemen verhindert oder deren Abbau fördert. Zudem beliefert das Kraut den Körper mit Eisen, Kalzium, Magnesium, Kalium, Phosphor und Silizium.
Ein ausgezeichnetes Mittel zur Entwässerung des Körpers ist auch der Ackerschachtelhalm oder Zinnkraut. Vorsicht geboten ist beim Sammeln in der Natur; es besteht Verwechslungsgefahr mit dem giftigen Sumpfschachtelhalm. Zinnkraut enthält hohe Mengen an Silizium und regt die Nierentätigkeit an. Im Zusammenhang mit den Ödemen stärkt es vor allem die Gefässwände und erhöht deren Flexibilität.
Bei Venenerkrankungen finden noch zahlreiche anderen Heilpflanzen Anwendung in der Phytotherapie – darunter Mäusedorn, Rosskastanie, Steinklee, Weinlaub, Schafgarbe oder Zaubernuss. Von wegen Zauber: Im Sommer erleben High Heels ihr Comeback. Sie mögen war zauberhaft aussehen, führen aber zu Krampfadern. Wer dies vermeiden will sollte flache Schuhe tragen und öfters barfuss gehen. Das betrifft auch Menschen, die bereits an einer Venenerkrankung leiden. •
Gegen jedes Leiden ist ein Kraut gewachsen. »

