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Stadtgeschichte aus der Altstadt S

Erhalten, weil im Museum bewahrt

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Die Aufgabe von Museen ist es, Kulturgut zu bewahren, damit es für zukünftige Generationen erhalten bleibt. So auch in Rostock, wo das heutige Kulturhistorische Museum seit 1881 Objekte der Geschichte Rostocks sammelt und damit für uns bewahrt hat. Eröffnet wurde das Museum, das heute zu den größten und bedeutendsten kunst- und kulturgeschichtlichen Sammlungen in Mecklenburg-Vorpommern gehört, bereits 1859. Seit 1881 gab es eine Sammlung stadtgeschichtlicher Objekte im sogenannten Altertumsmuseum, seit 1885 auch in einer Ausstellung. Hier blieben viele Objekte auch aus der Geschichte der Rostocker Altstadt erhalten, die heute sonst verloren wären. Einige sollen hier vorgestellt werden. Viele davon sind auch heute in den Ausstellungen des Kulturhistorischen Museums zu sehen. Sie alle, und noch zahlreiche mehr, gehören zum wertvollsten Besitz unserer Heimatstadt, ist mit ihnen doch unser Herkommen und unsere Tradition verbunden.

Teil vom Chorgestühl der St. Nikolaikirche in Rostock Rostock, 15. Jh. · Holz, geschnitzt

Der Chorstuhl stammt aus St. Nikolai in Rostock. Die Sitze sind klappbar. Schnitzereien unter den breiten Seitenlehnen zeigen Dämonen in Form von Teufelsköpfen mit langen, hoch aufgerichteten Ohren. Die St. Nikolaikirche ist dem Patron der Fischer, Seefahrer und Reisenden geweiht. Sie wurde 1260 in einem Testament erstmals erwähnt und 1312 geweiht. Ihr kleiner Pfarrbezirk umfasste das Gebiet östlich der Altschmiedestraße und dem Wendländer Schilde und wurde im Norden von der Kleinen Goldstraße, der Alten Scharrenstraße und der Molkenstraße begrenzt.

Gemälde vom Epitaph des Nikolaus Gryse aus der Rostocker St. Katharinenkirche, 1620 Öl/Holz

Nikolaus Gryse gehörte zu den ersten evangelischen Predigern in Rostock. Besondere Bedeutung für die Rostocker Reformationsgeschichte erlangte seine Biografie Joachim Slüters von 1593. Gryse wurde 1543 in Rostock geboren. Er starb 1614 in der Stadt. Der lutherische Geistliche hatte ab 1560 evangelische Theologie an der Universität Rostock studiert. Er wurde 1574 Prediger an St. Katharinen, der Kirche des ehemaligen Rostocker Franziskanerklosters, und übernahm 1577 das Predigeramt im Kloster zum Heiligen Kreuz. Das Gemälde war Teil seines Epitaphs in der St. Katharinenkirche. Es gelangte bei der Auflösung der Kirche 1809 zunächst in die städtische Armenschule in der Klausur des ehemaligen Klosters und Ende des 19. Jahrhunderts in das Museum.

Modell des Giebelhauses Am Wendländer Schild 5 · Schwerin, Max Münchow, um 1947 · Holz, farbig gefasst

Die steinernen Kaufmannshäuser standen auf schmalen Grundstücken mit dem Giebel an der Schmalseite zur Straße. Hinter dem Haus erstreckten sich große Hofgrundstücke. Die hohe Diele im Vorderhaus war über ein Tor zugänglich. Hinter dem Giebel mit den Luken und dem Keller lagerten die Waren. Die Wohnräume befanden sich in einem hofseitigen Anbau, dem Kemladen. Die Straße Am Wendländer Schild (Beim Altstädter Schilde) in der südlichen Altstadt in der Nähe der St. Nikolaikirche wurde 1339 erwähnt. Ein dreieckiger Platz, Schild genannt, diente wie ein Markt dem Handel. Am Wendländer Schild und in der benachbarten Mühlenstraße standen ebenfalls eine Reihe großer Giebelhäuser. Das Kaufmannshaus war am Giebel mit der Jahreszahl 1594 datiert.

Darstellung eines Lohgerbers von der Tür der Gerberkapelle in der St. Nikolaikirche Rostock, um 1720 · Holz, geschnitzt, gefasst Evangelisch-Lutherische Innenstadtgemeinde (Leihgabe)

Ein besonderes Objekt aus der Geschichte der Altstadt ist in der Dauerausstellung zur Stadtgeschichte zu sehen. Ihren Stolz zeigten die Handwerker in Rostock seit dem Ende des 14. Jahrhunderts in Kapellen, die sie in den Kirchen unterhielten. Diese aus dem Mittelalter stammende Tradition führten in Rostock die Ämter der Krämer und seit 1400 der Schuhmacher in St. Marien sowie das Gerberamt seit 1424 in St. Nikolai. Die dreietagige Gerberkapelle mit dem Gerberaltar war prachtvoll ausgemalt und durch zwei große Öffnungen mit dem Kirchenraum verbunden. Hier folgten die Gerber von einer erhöhten Empore aus dem Gottesdienst. Im 18. Jahrhundert markierte die Figur eines Gerbers die Zugangstür zur Kapelle. Stolz präsentiert der Meister das Produkt des Amtes: eine Rinderhaut.

Porträt des Bürgermeisters Matthäus Liebeherr Rostock, 1684 · Öl/Leinwand

Matthäuser Liebeherr war Bürgermeister und wohnte in der Altstadt. Rostock besaß mehrere Bürgermeister, zeitweise vier, meist jedoch drei, die aus den Reihen der Ratsherren gewählt wurden. Da die Ämter im Rat Ehrenämter waren, die neben dem eigentlichen Broterwerb besetzt wurden, befanden sich nicht immer alle Bürgermeister und Ratsherren im Dienst. Dem sitzenden Rat standen jeweils zwei Bürgermeister vor. Das Porträt des Bürgermeisters Matthäus Liebeherr zeigt den

Patrizier im typisch frühbarocken Gewand auf der Höhe seiner Macht. Aufgewachsen im Dreißigjährigen Krieg, lenkte er in einer schwierigen Zeit die städtischen Geschicke. Auch die Auseinandersetzungen mit Herzog Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow bekam er hautnah zu spüren: Weil die Stadt sich in der Agonie nach dem Stadtbrand 1677 weigerte, die Türkensteuer an den Herzog abzuführen, besetzten 1686 landesfürstliche Soldaten sein Haus. Liebeherr starb am 20. Juli 1692.

Stempel des Siegels der Wind- und Wassermüller vom Mühlendamm Rostock, 1789 · Messing/ Holzgriff

In der Mitte des Siegels ist das Zeichen des Amtes, ein von einem Greifen und einem Löwen gehaltenes Mahlwerk, darüber Winkel und Zirkel, abgebildet. Die Wassermüller am Mühlendamm sind 1262 belegt. Der erste Hinweis auf die Windmüller stammt aus dem Jahr 1564. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts gab es Versuche, die konkurrierenden Ämter zu vereinigen. Der vorliegende Siegelstempel von 1789 symbolisiert das Ergebnis dieses Prozesses.

Prunkglas, sogenannter „Kurfürstenhumpen“ der Rostocker Lohgerber, 1720 · Glas

Dieser ‚Kurfürstenhumpen‘, ein in lebhaften Emaillefarben bemaltes Glasgefäß mit einem Fassungsvermögen von etwa 1,5 l, entstammt dem sogenannten Rostocker Lohgerberschatz. Zwischen den umlaufend dargestellten Reiterfiguren der deutschen Kurfürsten ließen die Rostocker Lohgerber stolz ihr Berufswappen einfügen. Die Lohgerber, Hersteller des groben Leders für Sättel und Stiefel, waren trotz ihres übelriechenden Gewerbes eine ausgesprochen angesehene Berufsgruppe in der Stadt. Kostbar gestaltete Trinkgefäße wie dieses repräsentierten auf ihren Versammlungen und Festen das Selbstbewusstsein und den Wohlstand der Rostocker Lohgerber.

Kasel, Priestergewand vom Altar der Rostocker Bruchfischer in der Nikolaikirche um 1420/30 · Leinen

Die Fischer des Altstädter Fischerbruchs verstanden sich nicht nur als Berufsgenossen, sondern unterhielten auch gemeinschaftlich einen eigenen Altar in der St. Nikolaikirche. Diese Kasel, ein kostbares Priestergewand, stifteten die Fischer um 1420 ihrem Geistlichen, der an ihrem Altar regelmäßig die Gottesdienste vollzog. Der farbige Modeldruck des Leinengewandes ist vor allem wegen der eindrucksvollen Kreuzigungsszene auf dem Rücken einzigartig. Am Gerberbruch 1898 Fotograf: Raphael Peters, Rostock

Die Arbeit der Gerber war ausgesprochen übelriechend, nicht zuletzt deshalb waren ihre Werkstätten vor den Mauern der Stadt angesiedelt. Hier beugt sich ein Lohgerber - um 1900 waren 28 in Rostock tätig - in typischer Arbeitshaltung über seinen Gerberbaum, einen schweren Holzbalken, auf dem er mit seinem Scherdegen, einem gebogenen Schabmesser, Häute entfleischt. Die Lohgerber produzierten das derbe unelastische Leder z.B. für Schuhsohlen, wogegen die Weißgerber das zarte Leder für Handschuhe oder Bucheinbände herstellten.

Pokal des Amtes der Rostocker Lohgerber Rostock, 1583 · Zinn „Stop“ (gesprochen Stoop) nennt man diese typisch norddeutsche Form konischer Becher, die für Wein oder Bier benutzt wurden. An seinem kräftigen Henkelpaar ging dieser etwa zwei Liter fassende Zinnpokal bei den Festen der Rostocker Lohgerber seit 1583 als Willkommenstrunk von Hand zu Hand. Erst kürzlich konnte dieser besonders prächtig gearbeitete Stop der Werkstatt des Zinngießermeisters Karsten Loenemann zugeschrieben und damit zweifelsfrei als Rostocker Arbeit identifiziert werden.

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