SYM Magazin 4/2014

Dezember 2014

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www.ev-akademie-boll.de

Thema: Ist das Kunst oder kann das weg?

Dokumenta-Künstler Mo Edoga und sein Boll-Werk ● Französische Literatur ● Imamin Halima Krausen ● Kein moderner Schrebergarten – was ist urbanes Gärtnern? ● Jazz als Lebensphilosophie

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser,

»Man muss immerfort verändern, erneuern, verjüngen, um nicht zu verstocken.« Davon war schon Johann Wolfgang von Goethe überzeugt. Wir haben diesen Ausspruch ernst genommen und unserem Magazin »SYM« in diesem Sommer eine Verjüngungskur verordnet – mit einem vorzeigbaren Ergebnis, wie ich finde: SYM ist nicht nur lesbarer, sondern auch attraktiver geworden. Vielleicht haben Sie schon das neue Format bemerkt, das vom langweiligen A4-Format abweicht und dadurch Ihre Aufmerksamkeit erhöht? Wir haben außerdem eine neue, leichter lesbare Laufschrift gewählt und verwenden größere Bilder, die nun alle vierfarbig sind. Um nicht beim Inhalt sparen zu müssen, haben wir den Umfang des Heftes um vier Seiten erhöht. Das Gesamtkonzept mit einem inhaltlichen Schwerpunkt haben wir beibehalten. Wir wollen zwar nicht verstocken, aber Bewährtes durchaus bewahren. Wir freuen uns über Rückmeldungen. »Ist das Kunst oder kann das weg?« Woher der Spruch kommt, ist nicht geklärt (s. S. 11). Er wird aber ziemlich genau dem entsprechen, was der Hausmeister in der Düsseldorfer Kunstakademie gedacht hat, bevor er den – wie sich später herausstellte – 40 000 DM wertvollen Fettfleck entfernte, den Beuys dort angebracht hatte. Wieviel das Kunstwerk des Dokumenta-Künstlers Mo Edoga wert war, das dieser 1992 auf dem Akademie-Gelände baute und das irgendwann aus »Sicherheitsgründen« von der Direktion entfernt wurde (s. S. 5-6), weiß man nicht. Auf alle Fälle gab es darüber heftige Diskussionen, was man in dem Besucherbuch von damals nachlesen kann. Debatten, die uns heute fast ein bisschen fehlen.

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»Ist das Kunst oder kann das weg?« Etwas flapsig fragt der Spruch danach, wie sehr sich Kunst vom Alltag unterscheiden muss, um noch als Kunst zu gelten. Zum anderen stellt er implizit die Frage, welchen Beitrag Kunst in einer Gesellschaft leisten soll und kann. Bei Mo Edoga ging es damals nicht nur um die Aktion. Studienleiter Jobst Kraus, der das Ganze initiiert hatte, wollte auch neue Formen des Lernens etablieren – das »Lernen im Vorübergehen«. Auch in anderen Beiträgen des neuen Hefts geht es um kulturelle und theologische Herausforderungen, denen wir uns stellen sollten: Sei es das Porträt einer Imamin in Hamburg, sei es das Politische, das hinter dem urbanen Gärtnern steht oder die Frage, was wir heute mit Christoph Blumhardt anfangen sollen.

Lassen Sie sich provozieren und schreiben Sie uns Ihre Eindrücke!

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Weihnachtszeit und ein goldenes neues Jahr 2015, Ihre

Redaktion SYM

Sym 4/2014

Inhalt

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Aktuell ...

Aus der Akademie

Blumhardt-Sozietät gegründet Projekt mit Folgen: Dietenheim kann die neue ÖkofairTextil-City werden

Rezepte Von Personen

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Akademiegeschichte »Die Augen müssen schmausen bevor der Intellekt anfängt zu arbeiten«

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8 Schwerpunkt: Ist das Kunst oder kann das weg?

Vorwärts zum Reich Gottes! Die Reich-Gottes-Hoffnung Christoph Blumhardts und die sozialethischen Impulse Kaleidoskop

Kunst

Intellektuell – in Frankreich kein Schimpfwort

Horst Peter Schlotter – Der Kopf ist ein Gefäß

Kein moderner Schrebergarten – Was ist urbanes Gärtnern?

Jazz. Interview mit Herbert Lindenberger

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Halima Krausen – die Imamin

Vorschau

Messie-Syndrom

Publikationen Rezensionen Verlosung

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Impressum

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Kommentar Nein zum Einfrieren von Eizellen!

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Tagungen vom 7. Dezember 2014 bis 16. April 2015

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Meditation Titelbild Graffiti in Tübingen Foto: Martina Waiblinger

Maria und ihr Buch – Bitte nicht stören!

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Aktuell

Christoph Blumhardts und seiner theologischethischen Arbeit an.« Wesentliche Archivalien zu Christoph Blumhardt werden in diesem Zusammenhang in den nächsten Wochen dem Archiv der Evangelischen Akademie Bad Boll übergeben. Dazu gehören Duplikate seiner Reden, Ansprachen, Briefe und Predigten. Aus dem Kreis der Familie Blumhardt kommen weitere Dokumente hinzu. Sie bieten ausreichend Material, dem sich die Blumhardt-Sozietät zuwenden kann.

Im Anschluss an die Blumhardt-Tagung diskutierten die Anwesenden mit Direktor Jörg Hübner und dem Juristen Sascha Binder alle Punkte der vorgeschlagenen Satzung für die Sozietät.

Blumhardt-Sozietät gegründet Im Rahmen der Tagung »Gerechtigkeit statt Wohltätigkeit. Christoph Blumhardts gesellschaftspolitisches Erbe«, die vom 3. bis 5. Oktober stattfand, wurde eine Blumhardt-Sozietät e.V. gegründet. Sie hat sich zur Aufgabe macht, »das Interesse und die Auseinandersetzung mit der Person, dem Werk und der Wirkung von Christoph Blumhardt anzuregen, nachhaltig zu fördern und in Bad Boll zu verankern.« Die Sozietät »regt die wissenschaftliche Aufarbeitung der noch vorhandenen Archivalien

Projekt mit Folgen: Dietenheim kann die neue Ökofair-Textil-City werden

Ökofaire Textilien sollen zum Motor der Kommunalentwicklung werden.

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Ökofaire Textilien sollen zum Motor der Kommunalentwicklung in Dietenheim werden. Dieses Ziel verfolgt ein Projekt der Universität Ulm gemeinsam mit der Hochschule Reutlingen. Auch der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (KDA) Ulm ist daran beteiligt. Die idyllische Stadt bei Ulm soll zum Zentrum des Handels und der Verarbeitung von Kleidung aus sozial verantwortlicher Produktion und ökologisch verträglichen Rohstoffen werden.

Das Land Baden-Württemberg fördert das so genannte »Reallabor« mit 960 000 Euro.

Die Universität Ulm und der KDA hatten bereits im »Ulmer Netzwerk gesellschaftliche Verantwortung im Mittelstand« gemeinsam ein vom Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördertes Nachhaltigkeitsprojekt unter dem Dach des Ulmer Initiativkreises nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (UNW) umgesetzt. Im Mai 2014 veranstaltete das Netzwerk in Bad Boll die Tagung »Nachhaltig erfolgreich – neuen Chancen im Textilmarkt«. Das Dietenheimer »Reallabor« knüpft daran an und vereint zahlreiche der damaligen Akteure.

Zur Realisierung des Vorhabens wird der Vorstand der Sozietät bald einen wissenschaftlichen Beirat berufen. In der Gründungsversammlung sind Christian Buchholz, Schuldekan i.R. aus Dürnau zum Vorsitzenden und Irmela Berger-Beyer, eine Ururenkelin Christoph Blumhardts aus Kirchheim/ Teck, zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden. Aus der Evangelischen Akademie Bad Boll wird Akademiedirektor Prof. Dr. Jörg Hübner im Vorstand der Sozietät mitwirken. s.a. S. 8-10 Weitere Mitglieder des Vereins sind herzlich willkommen: Bitte wenden Sie sich an Christian Buchholz: chribuchholz@web.de

Dietenheim im Alb-Donau-Kreis zwischen Ulm und Memmingen mit seinen rund 6.500 Einwohnern war ein traditioneller Standort der Textilindustrie. Inzwischen gibt es nur noch einen produzierenden Betrieb. Wie in vielen Kleinstädten auf dem Land ist das Stadtbild von zahlreichen Leerständen geprägt. Hier soll kein Öko-Outlet entstehen. Wenn es nach den Vorstellungen der Projektpartner geht, soll künftig mit fair gehandelten Bio-Materialien produziert werden. Mit Hilfe von Design-, Vermarktungs- und Vertriebskonzepten wollen die Projektpartner das langweilige Öko-Image der vergangenen Jahrzehnte hinter sich lassen. Die nachhaltige Kleidung soll vor allem auch modebewusste Kundinnen und Kunden anlocken. Und wenn das Konzept aufgeht, haben die Planer schon vorgesorgt: Auch das Mobilitäts- und Stadtentwicklungskonzept ist bereits in dem Projektantrag berücksichtigt.

Der KDA ist dabei mit seinen Erfahrungen in der Umsetzung von sozialer Unternehmensverantwortung, in der Moderation von Beteiligungsprozessen und bei der Organisation von Tagungen einbezogen.

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Akademiegeschichte

»Die Augen müssen schmausen, bevor der Intellekt anfängt zu arbeiten« Von Claudia Mocek »Ich durfte die Mona Lisa des ausgehenden 20. Jahrhunderts sehen. Quelle Surprise. Und das in Bad Boll! Die Zukunft hat begonnen, und ich wäre fast daran vorbeigelaufen«, schrieb ein Besucher der Akademie dem Installationskünstler Mo Edoga 1993 ins Besucherbuch. Ein anderer meinte dagegen:

Kloschüsseln und Heizkörper, Türstöcke und Fensterrahmen: Was bei der Renovierung des Hauptbaus der Akademie als Sperrmüll abfiel, verarbeitete der Beuys-Schüler zu einer »Müll-Ikone«. »Die Akademie bringt nichts auf die Mülldeponie – sie ruft Mo Edoga, der macht aus Abfall Preziosen und ein BollWerk«, kommentierte ein Besucher die Skulptur, die im Akademiepark in den Himmel wuchs.

Dabei ist »Wachsen« wörtlich zu verstehen: Edogas Objekte entstanden nicht nach Entwürfen oder Plänen – sie wuchsen. Während der Entstehungszeit wohnte Edoga im Südflügel und arbeitete von früh bis spät an den Werken.

Seinem Wunsch, die Installationen nicht abzubauen, sondern der natürlichen Alterung zu unterwerfen, kam die Direktion zunächst nach. Doch angeblich aus Sorge um die Verkehrssicherheit wurden sie plötzlich doch abgebaut.

Studienleiter Jobst Kraus, der das Kunst-Projekt initiiert hatte, sah darin die Chance, neue Formen des Lernens anzuregen, die Menschen aus der Zu-

»Zum Klettern finde ich das Holzgestell wunderbar. Doch Kunst ist wirklich nicht der richtige Name dafür.« Mit seinen Werken wollte der Land-ArtKünstler und promovierte Mediziner provozieren. Das gelang ihm nicht nur 1992 auf der documenta 9 in Kassel mit dem »Signalturm der Hoffnung« aus Schwemmholz. Es gelang ihm auch ein Jahr später in Bad Boll mit der »MüllIkone« und dem »Boll-Werk«. Vor wenigen Monaten, am 17. Juni 2014, ist der Künstler, der aus Nigeria stammte und lange Zeit in Mannheim lebte, im Alter von 62 Jahren gestorben.

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Jobst Kraus und Mo Edogo am »Boll-Werk« (m.).

Die Installation (r.) lud nicht nur Kinder zum Klettern ein. Die »Müll-Ikone« (l.) mit ihren Kloschüsseln löste viele Diskussionen aus.

schauerposition heraus zu holen und ein »Lernen im Vorübergehen« zu fördern. »Durch die ungewohnte und provokante Kombination alltäglicher und banaler Gegenstände wird der gewohnte ästhe-

tische Konsum in Frage gestellt und zu neuen Sehweisen und sinnlichen Erfahrungen provoziert«, erläuterte Kraus.

Damals kamen viele, um das Kunstwerks zu sehen. Manche blieben auf Distanz, andere näherten sich neugierig, erkundeten das »Boll-Werk« kletternd – vor allem Kinder und Jugendliche ließen sich nicht abschrecken, im Gegenteil: Angeregt durch Edogas Werk machte sich die vierte Klasse der Boller Grundschule gleich an die Umsetzung eines ähnlichen Projekts, und schuf Neues aus Altem. Die Kinder des Kindergartens lernten aus Zweigen Kugeln zu formen.

Palettenbänder und Kabelbinder, mit denen der Künstler Hölzern und anderen Materialien eine federnde Stabilität verlieh, avancierten zu beliebten Bastelutensilien.

Dass die Kunstaktion auch Widerspruch herausforderte, gehörte zum Konzept: Gespräche und heftige Diskussionen über die Frage »Was ist Kunst?«, aber

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Akademiegeschichte

auch Gespräche über erdbebensicheres Bauen, über Holznutzung und -wiederverwendung unter Mitarbeitenden, Einheimischen und Gästen fanden statt, aber auch ein »Kunst-Hock« mit Musik und Bier; ein Gesprächsabend mit Schreinern, Zimmerern und dem Künstler; eine Mitarbeiterversammlung unter freiem Himmel; eine Veranstaltung zu Müll und Kunst mit Müllexperten aus Politik, Industrie und Verwaltungen – Fritz Kuhn, Franz Untersteller und der kürzlich verstorbene Bad Boller Künstler Klaus Heider kamen unter anderen. Es wurden Gedichte geschrieben, Bilder gemalt.

Bürger aus der Umgebung brachten Holz und Accessoires wie ein Schneckenhaus zur Integration in das Kunstwerk. Selbst zu Ansätzen von Vandalismus wie dem Zerschneiden der Kunststoffbänder verleitete die Installation.

sierung in der Kunst, die unbedarftes, kindliches Wahrnehmen verhindere. »Die Augen müssen schmausen«, fand der Künstler, »bevor der Intellekt anfängt zu arbeiten«.

Edoga schuf seine Land-Art-Werke mit Hilfe von Kunststoffbändern, die er »Ariadnefäden der Weltgeschichte nannte«.

Diesem Konstruktionsprinzip blieb er

Edogas Arbeitsweise sei wissenschaftlich, ohne auf die scheinbar gesicherten Erkenntnisse westlicher Naturwissenschaften zu vertrauen. Statisch seien die Werke kaum zu berechnen und dennoch stabil. So habe die Mannheimer Feuerwehr einst erfolglos versucht, die Großplastik »Vater Rhein und Mutter Neckar« zu demontieren. Kunst sei für Edoga eine Dimension des Denkbaren und nicht nur des Möglichen.

»Meine Frage: ›Machen Sie das allein?‹ wurde beantwortet: ›Ein Kunstwerk kann man nur allein machen...‹ Ich werde darüber nachdenken!«, notierte ein Besucher ins Gästebuch. Doch wie wurde aus dem Neurochirurgen Edoga, der unter anderem in Johannesburg praktiziert hatte, ein Installationskünstler?

Nach dem Rückgang des Jahrhunderthochwassers von Rhein und Neckar 1988 entdeckte Edoga die Schwemmhölzer und andere Objects trouvés als inspirierendes Material. Daraus errichtete er die turmartige Skulptur »(Huldigung an) Vater Rhein und Mutter Neckar«.

Eine Einladung zur documenta 9 folgte, entlang der Fulda sammelte Mo Edoga Bau- und Treibholz und errichtete in 100 Tagen den »Signalturm der Hoffnung«.

Die Besucher konnten das Entstehen verfolgen und mit dem Künstler diskutieren. Er avancierte zum Publikumsliebling.

Die Universität Kassel berief ihn schließlich zum Professor. Weitere Installationen folgten, zum Beispiel an der Drau in Österreich. Edoga sorgte sich nicht nur um die Umwelt, er kritisierte auch die zunehmende Intellektuali-

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Dr. Martin Stather, 1993 Direktor des Mannheimer Kunstvereins und Förderer von Mo Edoga, referierte zum Abschluss der Arbeit des Künstlers in Bad Boll und betonte: »Die Kunst Mo Edogas ist eine Kunst im ganz ursprünglichen Sinn.

Sie hat im wahrsten Sinne des Wortes mit Handwerk zu tun, mit organischem Wachsen, und wirkt beispielhaft in ihrer Zeit. Und sie exemplifiziert das Chaos, das, dem Wortsinn widersprechend, im Werk Mo Edogas wohlgeordnet ist.« Indem man die Struktur des Werks kletternd erfährt, lerne man vieles über die Arbeitsweise des Künstlers, die voller Überraschungen sei. »Nicht zuletzt überträgt sich etwas vom Forschertum des Künstlers auf den Kletterer.«

treu: Er verschraubte die Materialien nie, sondern band alles aneinander. Seine Arbeitsweise bezeichnete er als »nichteuklidisch«, er verband alles mit allem und erhob so das Chaos – die Geometrie der Natur – zum Ordnungsprinzip.

Ein Akademiebesucher schrieb dazu: »Chaos, ein Prinzip der Unendlichkeit, ein Ziel der Kunst! Dies habe ich heute materialisiert gesehen.«

Als wichtiges Moment von Edogas künstlerischer Strategie bewertet Stather die »feine Ironie«, die immer wieder intellektuelle Seitensprünge ermögliche – wie in Bad Boll, wo Heizkörper zu einem Monument der Kälte gebündelt seien und so zu einem Gegenpol des lebendigen Prozesses würden, den das Holz verkörpere. »Totemartig werden diese Artefakte errichtet, Mahnmalen gleich, die vom Verfall eines Naturbewusstseins sprechen.« Stather sah in Edogas Schaffen einen wichtigen Wegstein in der zeitgenössischen Kunst, der Geist und Tat zu gleichen Teilen verbinde, die Auseinandersetzung dort provoziere, »wo sie in urdemokratischen Gesellschaften einmal zu Hause war – in der Zusammenkunft der Menschen unter freiem Himmel«.

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Kunst in der Akademie

Horst Peter Schlotter - Der Kopf ist ein Gefäß

Kopf (Rätsel) 2010,190x90 Pigment, Acryl auf Nessel

Worauf es bei Schlotter ankommt, ist nicht primär die Fähigkeit des Künstlers, »zu machen«, sondern vor allem seine Fähigkeit »nicht zu machen«, d. h. »geschehen zu lassen.« Die Werke entstehen nicht nur aus dem Prinzip des Kreierens, d.h. aus der künstlerischen Aktivität sondern mehr noch aus einer sensiblen Passivität, einer Aufmerksamkeit und sie können nur gelingen: im Innehalten. (…) Er wollte Bilder schaffen, bei denen er »möglichst wenig macht«. »Das Problem der Künstler nämlich ist«, sagt Schlotter, »dass sie meist zu viel machen. Mich eingeschlossen.« (…)

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Als wir uns über seine Arbeit unterhielten, fiel mir auf, dass Schlotter in einer außergewöhnlichen Weise über seinen Umgang mit dem künstlerischen Materialien sprach. Schlotter sagt nicht, dass er das Material verwende, sondern er sagt, dass er »unterwegs ist mit seinen Materialien.« Auf seinem Weg wird ihm vom Material etwas zugespielt, das er als Künstler dann im Sinne des Materials weiterspielt. Diese Äußerung führt uns ins Zentrum seines Schaffens: Schlotters künstlerisches Arbeiten ist kein Machen im engen Sinne, kein Bearbeiten, Verarbeiten von Material mit einem bestimmten Ziel, es ist kein Konstruieren, kein Produzieren. Für diese Form des zielgerichteten, produzierenden Machens verwendeten die alten Griechen das Wort »techné«. Und diesem technischen Machen stellten sie einen anderen Begriff gegenüber, der in der Übersetzung »hervorbringen« oder »hervorkommen lassen« bedeutet.

Es ist das Wort Poiesis, Poesie. Und in eben diesem Sinne der Poiesis arbeitet HP Schlotter. Er ist nicht Macher, Techniker, sondern Hervorbringer, d.h. Poet in einem ursprünglichen Sinne. In diesem Hervorbringen entstehen Werke, die bei aller Stimmigkeit und Ausgewogenheit eben nicht komponiert sind. Es ist, als würden sie sich wie von selbst, spielerisch in ihr Gleichgewicht fügen.

Freie Spiele sinnlicher Momente, die ihre feine Poesie gerade in ihrer Undurchschaubarkeit entfalten. Diese Poesie aus Fügung, aus einem aufmerksamen »Hervorkommen lassen« macht für mich das Werk von Horst Peter Schlotter aus. aus Dr. Tobias Wall, Eröffnung Horst Peter Schlotter – Innehalten (Holzgerlingen, 26. April 2014)

1949 In Stuttgart geboren 1970 - 76 Studium an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart 1972 / 73 Studium am Exeter College of Art und an der Exeter University, Exeter Großbritannien 1971 - 75 Studium Anglistik und Kunstgeschichte, Universität Stuttgart seit 1976 Malerei, Zeichnung, Druckgraphik, Künstlerbücher, Kleinplastik, Objekte, Installationen sowie Lehrtätigkeit 1984 Mitglied im Künstlerbund Baden-Württemberg seit 1982 Lebt und arbeitet in Weil der Stadt-Münklingen Zahlreiche Katalogbeiträge und eigene Katalogveröffentlichungen.

Arbeiten in öffentlichen und privaten Sammlungen.

Vernissage, Sonntag, 1. Februar 2015, 11 Uhr im Café Heuss, Leitung: Susanne Wolf Information und Anmeldung zum Mittagessen: Andrea Titzmann, Tel. 07164 79-307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de Dauer der Ausstellung: 1. Februar bis Ende März Laufende Ausstellung (bis Mitte Januar): ENTWERFEN. Studierende der Kunstakademie Stuttgart entwerfen einen Raum der Stille

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Christoph Blumhardt

Vorwärts zum Reich Gottes!

Die Reich-Gottes-Hoffnung Christoph Blumhardts und ihre sozialethischen Impulse Von Traugott Jähnichen Christoph Blumhardt ist der erste evangelische Pfarrer, der im Jahr 1899 Mitglied der von einer revolutionären Dynamik geprägten Sozialdemokratie geworden ist. Dieser einzigartige Schritt wurzelt in seiner vom württembergischen Pietismus beeinflussten ReichGottes-Theologie und ist darüber hinaus von genuin sozialethischen Überlegungen bestimmt. Es ist verfehlt, in Blumhardt den Vertreter einer schwärmerischen Frömmigkeit zu sehen. Seine theologischen wie sozialethischen Anliegen sind von bleibender Aktualität.

Blumhardts Reich-Gottes-Hoffnung ist von universaler Weite, welche die Eingrenzung auf den kirchlichen Bereich oder auch eine bloße Jenseitshoffnung deutlich übersteigt: »Aber diese Christianisierung genügt fürs Reich Gottes nicht. … Nun fragt sich‘s: Wie vergöttlichen wir diese große Welt, in die wir hineingestellt sind?« Besonders charakteristisch ist die Differenz zu seinem Zeitgenossen Friedrich von Bodelschwingh in Bethel, der seine Zeitschrift – in Abgrenzung zum sozialdemokratischen »Vorwärts« – »Aufwärts« nannte und dessen Frömmigkeit wesentlich auf eine Bereitung zum Sterben und damit auf eine Abwendung von der »Welt« zielte. Demgegenüber betonte Blumhardt: »Gott hat das irdische Leben wichtig gemacht«, denn das »Himmelreich kommt von unten her.« Blumhardts Reich-Gottes-Hoffnung umfasste somit auch den irdischen und leiblichen Bereich des Lebens, das Reich Gottes fängt »irdisch an« und in diesem Sinn soll sich die Gerechtigkeit Gottes auch auf Erden zeigen und die Not der Menschen wenden. Dementsprechend ist das gesellschaftliche Leben »primär der Ort«, an dem das Reich Gottes »zur Geltung kommt.« Daneben verband Blum8

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Christoph Blumhardt

hardt seine Reich-Gottes-Hoffnung mit einer dynamischen Zukunftserwartung, in Anknüpfung an die heilsgeschichtliche Theologie – mit chiliastischen Tendenzen – seines Tübinger Lehrers Johann T. Beck. In diesem Sinn nahm er in der Geschichte Impulse des Neuen war, da Jesus der kommende Heiland ist und letztlich »alle Geschichte des Reiches Gottes … eine Art Revolutionsgeschichte« ist. Dies impliziert die Hoffnung auf eine »andere Gesellschaftsordnung«, für Blumhardt konkret »eine neue Zeit für die Proletarier.« Da das Kommen Christi der entscheidende Impuls der Vorwärts-Bewegung der Geschichte ist, müssen die Christen »dem Fortschritt der Zeit die Spitze bieten … wir gehen ja am energischsten vorwärts, wir suchen den Tag … Christi« , um dem Reich Gottes »gleichsam Quartier« zu machen. So folgt aus der Reich-Gottes-Erwartung unmittelbar ein gesellschaftliches Engagement, indem Blumhardt die Lösung der »sozialen Frage« als theologische Aufgabe bezeichnete: »Gott will auch die soziale Frage lösen … und ehe die soziale Frage gelöst wird, hat unser Christentum die Höhe nicht erreicht.« Auch im Blick auf die Perspektive der Lösung der »sozialen Frage« zeigt sich eine charakteristische Differenz Blumhardts zu seinen theologischen Zeitgenossen. Man kann die »soziale Frage« systematisch als Krise der sozialen Sicherungssysteme, als fehlende Regelung der industriellen Arbeitsbeziehungen und als Emanzipationskrise des Proletariats differenzieren.

Während die Konservativen in Kirche und Gesellschaft vorrangig Probleme der sozialen Sicherung durch diakonische und sozialpolitische Maßnahmen zu beheben versuchten, die Liberalen auch das Problem der Arbeitsbeziehungen thematisierten, ging es Blumhardt vorrangig um eine gesellschaftliche Anerkennung und Integration der Arbeiterschaft. Er sah in der Sozialdemokratie die Antwort auf die »soziale Frage«, weil sie die »arbeitenden, die nach Millionen zählenden Klassen zu heben, bilden und zur Geltung zu brinSym 4/2014

»Mit dieser frühen ökologischen Einsicht hat Blumhardt hellsichtig die Umweltblindheit der modernen Welt erkannt. Klarer kann man den Zusammenhang zwischen den sozialen und ökologischen Krisen nicht bezeichnen.«

»Was würde Christoph Blumhardt heute sagen, wenn er sich die Errungenschaften sozialdemokratischer Regierungsarbeit anschauen würde? - Ist das alles, was ihr mir zu sagen habt?

Gibt es bei Euch weniger ganz Arme und Reiche?«

Prof. Dr. Jürgen Moltmann (li.) und Dr. Erhard Eppler sprachen auf der Blumhardt-Tagung am 3.-5. Oktober zu dem Thema: »Wie ich zu Blumhardt kam«.

gen« versucht hat. Daher reichte er den Sozialdemokraten »die Hand als der, der ich bin, als Nachfolger Christi, und bin als solcher mit so ganzer Liebe aufgenommen worden.« Blumhardt verstand seinen Weg als Brückenbau zur Sozialdemokratie, deren politische Ziele er unterstützte und durch den Verweis auf das Vorbild Jesu legitimierte. So sah er in Jesus den Kämpfer gegen soziale Not, den Friedensprediger und den ersten »internationalen Menschen«, letztlich das Urbild eines »echten Sozialisten«.

Prägnant war ferner Blumhardts antikapitalistisches Ethos: Er entwickelte eine scharfe Kritik der Eigentums- und Besitzverhältnisse, welche Solidarität verhinderte, und geißelte die Geld-Ökonomie als Herrschaft des Mammons.

Die kapitalistische Herrschaft beruhe auf dem unpersönlichen Gesetz der Kapitalvermehrung, weshalb der Kapitalismus »blind (ist) gegen die Sklavengefühle seiner Arbeiter.« Positiv betonte Blumhardt, dass die »Bedürfnisse der Geringen« erfüllt werden müssten

»aus dem Recht, das Gott jedem gibt«, insbesondere das »Recht ans Brot.« Einen Weg der Realisierung sah er in der Genossenschaftsbewegung, für die er sich auch im Landtag einsetzte. Als Ziel proklamierte er einen »Arbeits-Kommunismus«, die Menschen sollen »in der Arbeit in Gemeinschaft und Liebe verbunden« sein.

Nach einer Legislaturperiode von 1900 bis 1906 verzichtete er auf eine erneute Kandidatur, er wollte nur noch in der »Agitation«, d.h. in der Wirkung auf die Menschen tätig bleiben. Sein Ziel war eine parallele Veränderung der Menschen und der Verhältnisse, als Hauptsache bezeichnete er aber nun die »innerliche Erneuerung des Menschen.« In diesem Sinn übte er auch eine gewisse Kritik an der Sozialdemokratie: »Es fehlt die Liebe zum Feind. … Sie kommen zu sehr ins Theoretische. Einer soll immer wie die Partei denken und sprechen.

Man ist ganz so wie in der Kirche.« Blumhardt blieb bis zu seinem Tod 1919 Parteimitglied, in der Traueransprache 9

Christoph Blumhardt

wurde besonders gewürdigt, dass er Christus über den gesellschaftlichen Graben zu den Sozialisten gebracht habe. Darüber hinaus sind die Formulierung der sozialethischen Option für die Armen und Elemente einer theologisch-ethischen Kritik des Kapitalismus bleibende Impulse. Bei Blumhardt verbinden sich Reich-Gottes-Hoffnung, prophetische Kritik und konkretes Engagement. Mit diesem Profil war er in seiner Zeit ein wegweisender Solitär.

Prof. Dr. Traugott Jähnichen hat an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum einen Lehrstuhl für Christliche Gesellschaftslehre.

Christoph Blumhardt 1842 geboren in Möttlingen bei Calw 1869 Beginn seines Wirkens als Sekretär seines Vaters Johann Christoph Blumhardt 1900 bis 1906 Vertreter der Sozialdemokratischen Partei im Württembergischen Landtag 1919 gestorben in Jebenhausen

Aus der Biografie von Christoph Blumhardt Christoph Blumhardt war Pfarrer der Evangelischen Landeskirche in Württemberg und Sozialdemokrat. Vor gut 100 Jahren war es unerhört, als Christ den »gottlosen« Sozialdemokraten anzugehören. Für das Kirchenvolk im Württembergischen Königreich, in dem man allein Gott und die von ihm verordnete Obrigkeit fürchtete, war es ein Skandal, dass ein Pfarrer 1899 den Sozialdemokraten beitrat. Die Sozialdemokratie erschien den Christen damals als etwas Widergöttliches.

Die Sozialdemokratie wollte doch die gottgegebene Ordnung verändern und umstoßen.

So nötigte auch das Evangelische Konsistorium in Stuttgart Blumhardt, auf den Rang und Titel eines württembergischen Pfarrers zu verzichten.

Blumhardt begründete damals seinen Schritt so: »Wo die Nationalitäten Ehrgeiz, die Verherrlichung der durch Krieg und Blutvergie-

ßen erlangten Ehre, Bekämpfung religiöser Überzeugung zugunsten einer Konfession betreiben, wo einseitige Wirtschaftsinteressen verfolgt werden zum Schaden anderer Menschen, kurz: wo mehr oder weniger der Egoismus, der Kapitalismus die Triebfeder des Handelns ist, da kann ich viel weniger im Geiste Christi mittun, als wo zugunsten Mühseliger und Beladener, zugunsten der Enterbten und Unterdrückten, zugunsten der stumpf gewordenen Masse eine andere Gesellschaftsordnung gesucht wird.« Wer war dieser Christoph Blumhardt aus Bad Boll? Von seiner Kirche geächtet und gleichzeitig von besonderer Ausstrahlung. Er wurde der geistige Vater der so genannten »Religiösen Sozialisten«, die sich vor allem in der Schweiz um die Theologen Kutter, Ragaz und Karl Barth scharten. Es war vor allem seine »Reich Gottes-Botschaft« die viele bis in unsere Gegenwart fasziniert und inspiriert hat.

Blumhardt war ein ausdrucksstarker Mann und guter Redner. Er war eigentlich kein Theologe, sagen seine Biografen. Er hat kein einziges theologisches Buch geschrieben, dafür Andachten, Predigten, Ansprachen und viele Briefe. Nur pflichtgemäß wurde er Theologie-Student. »Saulsrüstung« nannte er die Theologie und in einem seiner Briefe stöhnt er: Herr, erlöse uns von der Theologie.

Er meinte damit eine bestimmte dogmatische Art, Theologie zu betreiben, bei der der Glaube in der langweiligen Richtigkeit erstarb.

Für Blumhardt geht es in der Welt um eine einzige Grundfrage: »Ein Punkt, vom dem aller Streit, aller Hader, alles Kriegswesen ausgeht, das ist das Eigentum.« Diese Frage laute seit Jahrtausenden: »Wem gehören die notwendigen Dinge der Erde? Wem gehören die notwendigen Dinge zum Leben?« Christoph Blumhardt starb nach langer Krankheit 1919 in seinem Altersitz Wieseneck in Jebenhausen. Auf seinem Grabstein steht sein Lebensmotto, Sätze aus dem Lied, das sein Vater 1852 dichtete: »Dass Jesus siegt, bleibt ewig ausgemacht. Sein ist die ganze Welt.« Pfr. Harald Wagner, gekürzter Text aus: Christoph Blumhardt. Evangelische Friedensväter und Friedensmütter in Württemberg

Kurhaus in Bad Boll

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Kaleidoskop

Urban Art in Stuttgart Nach Urban Gardening gibt es jetzt auch Urban Art. Seit März 2014 hat die Urban Art Gallery mit 300 qm in der Rotebühlstraße zweimal wöchentlich ihre Türen geöffnet. Die Macher sind Marc C. Woehr und Daniel Unger. Ihr Schwerpunkt liegt auf urbaner Kunst, Graffiti und Streetart – das gibt es weder in der Landeshauptstadt noch bzw. kaum im süddeutschen Raum. Urbane Kunst ist in den letzten Jahren – nicht zuletzt durch den Streetart-Popstar Bansky und andere kommerziell erfolgreiche Künstler aus der Schmuddelecke und Illegalität gekommen und erfährt neue Wertschätzung. In Stuttgart sind Werke zum Beispiel von Daniel Geiger im ganzen Stadtbild zu sehen.

Verschiedene Artikel in der Stuttgarter Zeitung

Woher kommt die Frage: Ist das Kunst oder kann das weg?

Die Frage, von wem der Satz: »Ist das Kunst oder kann das weg?« kommt, ist ungeklärt. War es Mike Krüger, der seine Deutschlandtour 2010 so nannte? Auf alle Fälle hat dieser Spruch inzwischen Karriere gemacht und ist überall anzutreffen. Lange vor Mike Krügers Tour hat sich der Hausmeister

der Düsseldorfer Kunstakademie genau diese Frage gestellt und beantwortet. 1986 entfernte er die berühmte »Fettecke« von Joseph Beuys. Beuys wollte mit den fünf Kilogramm Butter ein Werk schaffen, das Farbe und Konsistenz verändert, das »lebt«.

Der tatkräftige Einsatz des Hausmeisters kostete das Land Nordrhein-Westfalen 40 000 DM Schadensersatz an Freund Johannes Süttgen, der das Werk für sich beanspruchte.

Buch: Kassel.

Ist das Kunst oder kann das weg?

Seit 2012 gibt es ein Buch mit dem provokanten Titel zur Dokumenta in Kassel. Es handelt sich um einen sehr speziellen Reiseführer für all jene »Unerschrockenen«, die nach Kassel reisen und auch noch etwas von der Stadt, der Umgebung und der Geschichte wissen wollen. Die Gebrüder Grimm, deren Geschichten um Kassel beheimatet sind, Wilhelm der II. und sein Dackel werden ebenso thematisiert wie das Herkules-Denkmal und allerlei »Kunst-Geschichten« der Dokumenta, z. B. die vom Sturm zerfetzte Skulptur des Künstlers Ai Wei Wei namens »Template«. Dem Künstler gefiel »Template« nach dem Sturm außerdem besser als vorher. Die nächste Dokumenta 14 findet 2017 statt. Die Evangelische Akademie Hofgeismar bietet dazu immer ein interessantes Besichtigungsprogramm an.

Dumont Buchverlag, 2012

Stuttgart 21: Kunst und Widerstand Stuttgart 21, das Verkehrs- und Städtebauprojekt zur Neuordnung des Eisenbahnknotens Stuttgart wurde zu einem Lehrstück der politischen Partizipation. Da eine Beteiligung der Bürgerschaft an dem Großprojekt ursprünglich nicht vorgesehen war, haben sich die S21Gegner formiert und verschiedene Formen des Protests ausprobiert: Montagsdemonstrationen, das Zeltdorf im Schlosspark und Schlichtungsgespräche – u. a. mit Heiner Geißler – gehörten genauso dazu wie der Bauzaun am Nordflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs.

Hier sammelten sich immer mehr Karikaturen, Sprüche, Zeichnungen und Gedichte. Der Bauzaun wurde eine politische Kunstinstallation und ein so wichtiges Zeitzeugnis, dass sich auch das Haus der Geschichte in Stuttgart (HDGBW) dafür interessierte. In einer Ausstellung vom 16.12.2011 bis 1.4.2012 zeigte es eine »erste beispielhafte Bestandsaufnahme dieses Konflikts, der die politische Kultur im Land erschüttert und vielleicht sogar verändert hat«. Mittelpunkt der Ausstellung waren 80 Meter des Bauzauns, die dort gezeigt wurden.

Ein kleinerer Teil des Bauzauns ist in der Dauerausstellung des Hauses der Geschichte zu sehen.

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Europa, Du Schöne

»Intellektuell« – in Frankreich kein Schimpfwort Mit Frankreich stand im Juni gleich ein europäisches Schwergewicht im Mittelpunkt der von Annegret Wolfram konzipierten Tagungsreihe über Gegenwartsliteratur. Wie behandelt Frankreich – als ein für das Projekt Europa historisch und kulturell zentrales Land – gesellschaftspolitische und soziale Probleme in seiner aktuellen Literatur? Diese Frage stand im Zentrum der Tagung.

Von Dr. Frank Jäger Als Diskussionsgrundlage dienten zwei Romane aus der französischen Gegenwartsliteratur. Zum einen der erste große Erfolgsroman des bis heute als Skandalautor berüchtigten Michel Houellebecq, »Ausweitung der Kampfzone« (1994), zum anderen der Bestseller der marokkanisch stämmigen Autorin Muriel Barbery, »Die Eleganz des Igels« (2006). Das Selbstverständnis Frankreichs als »Grande Nation«, als europäische Kulturnation und seine Rolle in 12

Europa stand dabei im Vordergrund der Tagung.

Am Beispiel Michel Houllebecqs lässt sich das für Frankreich wichtige Phänomen des engagierten Intellektuellen veranschaulichen. Houellebecqs Roman beschreibt das Leben eines typischen Mittelklasse-Singles, der in ökonomischer Hinsicht erfolgreich ist, privat und emotional aber verarmt und entfremdet erscheint. Die Umwelt und die Mitmenschen, die er auf schonungslose und verachtende Weise kommentiert, widern

ihn an. Für Houellebecq ist die Welt, in der die Franzosen und damit auch Europa sowie die Industrienationen leben, eine doppelte Kampfzone. Sie besteht zum einen aus einer marktwirtschaftlichen und kapitalistischen Diktatur (nur wer über ein geregeltes und mittelständisches Einkommen verfügt, ist überlebensfähig), zum anderen aus einer sexuellen Diktatur (nur wer sexuell attraktiv und erfolgreich beim anderen Geschlecht ist, erfährt Wertschätzung und Anerkennung). Die Art und Weise, in der Houellebecq seinen Erzähler das Geschehen kommentieren lässt, zeichnet sich durch teilweise vulgäre und durchweg zynische Sprache aus, nicht zuletzt bleibt Houellebecq damit einer der meist diskutierten und meist gelesenen Autoren Frankreichs. Im Hinblick auf anregende Diskussionen bietet Houellebecq bis heute nicht nur den Franzosen zahlreiche Angriffsflächen. Indem er aktuelle gesellschaftspolitische Fragen von gesamteuropäischem Interesse aufwirft (Islamkritik, Klonen, Pornographie etc.), stellt sich Houellebecq in eine Reihe französischer Schriftsteller, die sich in der Tradition der französischen Aufklärung à la Voltaire provokant und gleichzeitig engagiert in das Weltgeschehen eingemischt haben.

Der Roman von Muriel Barbery steht dazu scheinbar in einigem Kontrast. Die Geschichte des Romans spielt in einem Pariser Miethaus, in dem vor allem die Diplomatenfamilie der zwölfjährigen Paloma an der Oberflächlichkeit und Neo-Dekadenz zu Grunde zu gehen Sym 4/2014

Europa, Du Schöne

droht. Als scharfer Kontrast dazu dient die alte Concierge Madame Michel, die in ihrer kleinen Loge zurückgezogen lebt und das Geschehen im Haus mit kritischem Blick beobachtet und kommentiert. Die Begegnung der beiden, die durch den Einzug eines reichen Japaners (Monsieur Ozu) erfolgt, lässt einige Einblicke in gesellschaftliche und soziale Probleme des aktuellen Frankreichs zu. Anders als Houellebecq versucht Barbery die Lage Frankreichs mit Charme und Witz zu analysieren, was dem Roman einerseits das Etikett des »modernen Märchens«, anderseits den Vorwurf einer allzu gewollten Konstruktion und Unglaubwürdigkeit einbringt, so etwa die Tatsache, dass beide Protagonistinnen (Paloma und Madame Michel) eine Vorliebe für die japanische Kultur haben, die sodann als Kontrastfolie für teilweise allzu klischeehafte Eigenarten der französischen Kultur benutzt werden.

Was bleibt also nach dem Blick auf einen (zugegeben winzigen) Ausschnitt der französischen Gegenwartsliteratur? Aus einer kulturhistorischen und literarischen Tradition heraus wurde versucht, die für Frankreich typische Mischung aus skandalträchtiger Provokation und gesellschaftspolitischem Engagement, auch im Hinblick auf aktuelle Europadebatten zu begreifen. Die spätestens zur Zeit der französischen Aufklärung begonnene Einmischung des Schriftstellers in gesellschaftliche Belange (vgl. Voltaire, Diderot, Rousseau) hat sich Frankreich durch das 20. Jahrhundert mit Albert Camus und Jean-Paul Sartre hindurch bis heute bewahrt.

Das literarische Feld, um einen Begriff des französischen Soziologen Pierre Bourdieu zu verwenden, hat sich dabei als das wichtigste und nach wie vor einflussreichste Leitmedium erwiesen. Während in Deutschland der Begriff des »Intellektuellen« bis heute eher negativ belegt ist, genießt der Intellektuelle in Frankreich nach wie vor hohes Ansehen, verfügt allerdings auch durch die Medien und Verlage über großzügiger geförderte und vielfältigere Plattformen, als dies in Deutschland der Fall ist (man denke nur an Bernhard Henry-Lévy oder Alain Finkielkraut, die sich neben ihren Publikationen in zahlreichen Fernseh- und Radiosendungen zu aktuellen Themen zu Wort melden). Diese für das Selbstverständnis der Franzosen ausschlagSym 4/2014

Bild links: Michel Houellebecq in dem Film »Entführung«, Bild oben: Aus der Verfilmung des Romans von Muriel Barbery: Madame Michel und der reiche Japaner Monsieur Ozu

Die Tagungsreihe »Europa, Du Schöne« von Annegret Wolfram wird 2015 fortgeführt. In den nächsten Jahren gewährt die Akademie Bad Boll weitere Einblicke in die Gegenwartsliteratur der europäischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Vom 28. bis 31. Mai 2015 steht Irland im Fokus: Die Iren sind berühmt für ihre Kunst, Geschichten zu erzählen.

Unter Anleitung des Schriftstellers und Übersetzers Hansjörg Schertenleib, der seit vielen Jahren in Irland lebt, werden ausgewählte Beispiele aus der irischen Literatur des 20.

Jahrhunderts und der Gegenwart gelesen und diskutiert.

»Was hegen wir für Frankreich? Ärger, Schwärmerei, Verdruss, Neigung? Alles, nur keine Gleichgültigkeit.« Friedrich Sieburg, Literaturkritiker

gebende und in deutschen Augen nicht selten arrogant wirkende Diskussions- und Streitkultur hat sich seit der Aufklärung in Frankreich genauso halten können wie die Weigerung, Philosophie, Schreiben und Politisieren voneinander zu trennen. Michel Houellebecq stellt in diesem Sinn ein Paradebeispiel für den Schriftsteller als Provokateur dar. Durch die Gegenüberstellung und teilweise lebhafte Diskussion der beiden Romane während der dreieinhalbtägigen Tagung hat sich ein Satz bewahrheitet, den der Journalist und Literaturkritiker Friedrich Sieburg geäußert hat: »Was hegen wir für Frankreich? Ärger, Schwärmerei, Verdruss, Neigung? Alles, nur keine Gleichgültigkeit.« Frank Jäger

Dr. Frank Jäger, Romanisches Seminar an der Universität Freiburg

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Urban Gardening

Kein moderner Schrebergarten Was ist urbanes Gärtnern?

Dr. Christa Müller Die in manchen Medienberichten angebotene Lesart, beim urbanen Gärtnern handele es sich um eine verklärende Romantisierung des Landes vom sicheren Hafen der Stadt aus, weist in die Irre. Beim Urban Gardening geht es vielmehr um die Sehnsucht nach der Stadt, und zwar nach einer Stadt, die das Land nicht ausbeutet und vergiftet, sondern die es wertschätzt und mit ihm kooperiert, einer Stadt auch, die facettenreicher erlebt werden will und die als pluraler Lebensraum inszeniert wird, und zwar jenseits von Investorenkonzepten und auch jenseits postfordistischer Verwaltungskonstrukte.

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Der historische Vorläufer des urbanen Gemeinschaftsgartens ist darum auch nicht der Kleingarten aus der Epoche der Industriemoderne, der eindeutig in der Kontinuität einer industriegesellschaftlichen Kolonisierung der Natur steht (auf Kante geschnittene Hecken, großzügiger Einsatz von Pestiziden, etc. – auch hier ist jedoch in den letzten Jahren eine Ökologisierung, nicht zuletzt auch durch den Zuzug jüngerer Familien, zu vermerken). Der Gemeinschaftsgarten des neuen Typs möchte kein Refugium vor der lauten Stadt bieten, vielmehr bedarf er geradezu des verdichteten urbanen Umfeldes, bedarf vor allem des öffentlichen Raums, zu dem er sich in Beziehung setzt und den er neu definie-

ren möchte. Bei den neuen Formen des Gärtnerns handelt es sich damit nicht um modernisierte Formen des Schrebergärtnerns, sondern um sehr eigene Formen der urbanen Intervention und der Aneignung des öffentlichen Raums, die mittels der eigenen Praxis und Ästhetik permanent für eine Renaturierung der Stadt plädiert.

Die neue Gartenbewegung gärtnert folglich nicht nur, um sich mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen und schöne Orte für alle zu öffnen. Sie tut es auch, um sich einen überzeugenden und »geerdeten« Standpunkt aufzubauen, von dem aus sie aus einer entschieden praxisgesättigten Ebene mitreden kann Sym 4/2014

Jazz als Lebensphilosophie

Foto links: Dr. Christa Müller (2. v. re.) bei einem Podiumsgespräch während der Michaelisakademie am 28. September. Von links: Volker Kugel, Direktor des Blühenden Barock, Ludwigsburg, Marielisa von Thadden, Akademie, Waltraut Ulshöfer, MdL a.D., rechts: Susanne Wolf, Akademie

bei Themen wie der Privatisierung des öffentlichen Raums, der globalisierten Lebensmittelproduktion, der bäuerlichen Landwirtschaft, der Biodiversität, der Regionalisierung der Nahrungsmittelproduktion und der Welternährung.

Auch und vor allem aber gärtnert sie, um ihren Körper und ihre Sinne in ein neues Verhältnis zur Welt setzen zu können.

Offenkundig ist einer neuen Generation intuitiv bewusst, dass es zukunftsweisend ist, sich von der Verabsolutierung der Ratio zu verabschieden und sie stattdessen Erfahrungsräume schafft, die allen Sinneswahrnehmungen ihre Erkenntnisfähigkeit zugestehen. Michel Serres beschreibt in »Die fünf Sinne« die Armut einer Welt, in der Verstehen nur über die Sprache und den Diskurs vorgesehen ist, die uns Halsbänder anlegt und »Hasen und Ziegen ausschließt« und die in letzter Konsequenz dazu führte, dass sich die Sinne in einen »schwarzen Kasten« zurückzogen. Mit paradox erscheinenden und weitreichenden Folgen: »Nie werden wir nach etwas anderem verlangen als danach, dass er sich wieder öffne.«

Dr. Christa Müller ist Soziologin, forscht zu urbaner Subsistenz und leitet die »anstiftung« in München, die urbane Gemeinschaftsgärten, Repair Cafés und offene Werkstätten fördert, erforscht und vernetzt.

Auszug aus: Christa Müller: Urbane Akteure mit modernem Naturverständnis. In: Leitschuh, Heike et al. (Hg.): Jahrbuch Ökologie. Gesellschaft im Einklang mit der Natur, S. 94-99, Hirzel Verlag, Stuttgart 2014

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Jazz Jazz Jazz Jazz

Interview mit Herbert Lindenberger Was ist das Besondere am Jazz?

Die Freiheit der Improvisation. Die Vitalität und rhythmische Kraft, die man »körperlich« erfahren muss. Der »erfüllte Augenblick«. Und natürlich die Lebensfreude, die diese Musik ausstrahlt. Aber kann man überhaupt noch von »dem Jazz« sprechen, nach der Entwicklung der letzten 10, 20 Jahre? Ein Blick auf den Stammbaum des Jazz zeigt, dass der »Hauptstrom« in einem fast unübersehbaren Delta von Seitenarmen zu versanden droht. Die Gegenwart besteht aus einer Pluralität der Stile, Handschriften und Regionen, in der man leicht die Orientierung verlieren kann.

Und was sagen die Musiker dazu? Der Pianist Michael Wollny ist nach wie vor fasziniert von der »Idee des Jazz«, die »die Veränderung, das Unerwartete, das individuell Verschiedene zulässt«, wenngleich er einräumt, dass man das »kaum noch zu einem Begriff zusammenfassen kann«. Der Saxofonist Joshua Redman lobt als eine großartige Sache am Jazz, »das improvisierende Spiel«. Denn »Du bist dann im Moment, in der Gegenwart, wie bei keiner anderen Musikform. Alle Fragen der Bedeutung lösen sich im Akt des Improvisierens auf und werden Gegenwart. Auch der, der nur zuhört, wird Teil dieses Augenblicks.« Gibt es eine spezielle Lebensphilosophie, die dahinter steht?

Leben und leben lassen? Hip sein? A Way of Life? Das Neue ausprobieren?

Sich dem Zufall hingeben? Das Dionysische über das Apollinische stellen? Bedenkenswert ist das Modell des Unternehmers und Musikers August-Wilhelm Scheer, der den Jazz »als ein wunderbares Modell für Management in der Wirtschaft« sieht, weil »eine Jazzgruppe mit einem Minimum an Regeln ein Höchstmaß an Kreativität erreicht«. Im turbulenten Umfeld der Wirtschaft – vor

allem in der IT-Industrie – sei es oft gar nicht mehr möglich, Pläne zu machen.

Vielmehr müsse schnell reagiert, d.h. improvisiert werden. Das funktioniert dann besser innerhalb einer Gruppe mit flacher Hierarchie und individuellen Entfaltungsmöglichkeiten.

Was hat uns Jazz heute zu sagen?

Die UNESCO hat bei der Einrichtung des »International Jazz Day« den es seit 2012 gibt, folgende Begründung geliefert: »Der Jazz ist viel mehr als Musik: ein Lebensstil und ein Instrument zum Dialog, sogar zur sozialen Veränderung. Die Geschichte des Jazz erzählt von der Macht der Musik, die Künstler aus verschiedenen Kulturen und Herkünften zusammenbringt und die als Anstifter von Integration und gegenseitigem Respektieren wirkt.« Auch in der deutschen Politik, speziell zu der Frage, ob das »Staatsziel Kultur« im Grundgesetz verankert werden soll, wird auf die »gesamtstaatliche Relevanz« des Jazz hingewiesen: »Der Jazz hat ein Potenzial, die Gesellschaft zu verändern.« Wie sprechen Sie Jazz aus (deutsch oder englisch)?

Die Gegner und Verächter sagen »Jatz«, die Anhänger und Gebildeten sagen »Dschäss«, der innere Kreis der Kenner und Musiker sagen wieder »Jatz«.

Die Fragen stellte Martina Waiblinger.

Herbert Lindenberger, Musikkritiker des deutschen Schallplattenkreises, ist Referent der Jazz-Tagung am 31. Januar 2015, s.a. S. 22/23.

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Vorbeterin

Halima Krausen Halima Krausen ist eine der wenigen Vorbeterinnen in Deutschland. Obwohl es im Islam nicht vorgesehen ist, betet sie für Männer mit – zum Missfallen konservativer Muslime.

Von Franziska Broich »Pray-in« nennt Halima Krausen ihre Taktik, wenn die Männer sie mal wieder nicht reinlassen wollen. Dann betritt sie eine Moschee und fängt direkt an zu beten. Egal wie sehr ihre männlichen Glaubensbrüder zetern und sie zum Teufel wünschen – ein muslimisches Gebet darf nur im Notfall unterbrochen werden. »Und ein wütender Mann ist absolut kein Notfall«, sagt Krausen mit ihrem rheinischen Dialekt und lacht kurz und tief. Die stämmige Frau mit den runden Brillengläsern und dem weißen Kopftuch mag solche Anekdoten.

Sie zeigen, dass es eigentlich ganz einfach ist, sich gegen die Männer durchzusetzen.

Was Halima Krausen täglich tut, ist nicht selbstverständlich. Die 64-jährige Aachenerin entschied sich mit 14 für den Islam, heute ist sie eine der wenigen muslimischen Vorbeterinnen in Deutschland. Vermutlich die Einzige, die für Männer das Gebet spricht.

Seit 19 Jahren ist Halima Krausen Chefin der deutschsprachigen Gemeinde in der ImamAli-Moschee an der Hamburger Außenalster.

Damals ernannte sie ihr männlicher Vorgänger Iman Rahzdi nach jahrelanger Lehrzeit zu seiner Nachfolgerin. »Seitdem sitze ich hier und keiner hat es gemerkt«, sagt Krausen.

Wie jeden Samstag hält Halima heute die Koranexegese. Neun Leute sind gekommen, darunter vier Männer. Krausen spricht für alle das Gebet. Ihre Handflächen sind zur Decke gerichtet, die Augen geschlossen. Krausen und ihre Gemeinde haben in der blauen Moschee an der Außenalster Gastrecht.

In Krausens Exegese-Gruppe ist eher das Arabisch ein Problem. Stockend liest Gemeindemitglied Peter Schütt die Originalsuren aus 16

dem Koran vor. Immer wieder unterbricht Krausen ihn, korrigiert mit donnerndem Tonfall seine Fehler. Schütt nimmt ihr die Ruppigkeit nicht übel, sie kennen sich seit Jahren. Genau wie er ist auch Krausen vom Christentum zum Islam konvertiert. Allerdings mag sie den Begriff »konvertieren« nicht. »Ich habe halt zu Gott gefunden. In welche Schublade er mich am Ende steckt, ist ihm überlassen. Insofern mein Chef da oben sich überhaupt für Schubladen interessiert«, sagt sie und zeigt mit ihrer beringten rechten Hand an die Decke.

Nach dem Vorlesen der Verse geht es an die gemeinsame Interpretation. Krausen ist Feministin, auch wenn ihr das viele aufgrund des Kopftuches reflexartig absprechen. Sie interpretiert den Koran historisch-kritisch.

Die vielzitierten Passagen über Polygamie und Steinigung sieht Krausen als Fehlinterpretation einer männerdominierten Gesellschaft. »Der Koran ist wie ein Spiegel: Man schaut hinein und bekommt ein Bild zurück«, sagt Krausen. Sie hat selbst an einer Koranübersetzung mitgewirkt, die Gemeinde respektiert ihre Auslegungen.

In anderen muslimischen Zentren sähe das anders aus: »Die Mehrheit der Gelehrten ist der Meinung, dass eine Frau als Vorbeterin nicht geht. Der Fall in Hamburg ist Deutschland- und weltweit eine absolute Ausnahme«, sagt der Korangelehrte Bülent Ucar vom Zentrum für Interkulturelle Islamstudien in Osnabrück. Die islamische Theologin Myesser Ildem sagt über Krausen: »Halima ist eine Pionierin. Sie ist eine Autorität, auch für Männer.« Die internationale Szene habe das bereits begriffen, die deutsche weniger.

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Vorbeterin

- die Imamin Nach der Exegese kommt ein junges Mädchen aus Indonesien auf Krausen zu. Septyani Paputugan ist in der Runde eine der wenigen Frauen ohne Kopftuch. Ihr Freund hat ihr vorgeschlagen, die Bibel zu lesen. Sie selbst hat nun Angst, sich damit zu versündigen. »Mensch, du hast doch einen eigenen Kopf!

Ich habe auch alle möglichen Religionsbücher gelesen!«, fährt die Imamin sie an. Die junge Frau bleibt hartnäckig: »Aber was ist, wenn du stark bist und ich schwach?«, fragt sie. »Nur schwarz und weiß taugt nichts.

Sogar ein Computer kann eine Million Farben anzeigen. Und ich sehe doch, dass du klüger bist als ein Computer«, erwidert Krausen.

Paputugan freut sich über diese Antwort, künftig will sie öfter in die Moschee kommen. »Ich bin gespannt, wie die Nachbargemeinde auf sie und ihren nicht-muslimischen Freund reagiert«, sagt Krausen später. Ihr selbst sei das »Parteibuch«, wie sie die Glaubenszugehörigkeit nennt, allerdings »völlig wurscht«.

Nur wenige Tage später liefert sie den Beweis für diese Aussage. Halima Krausen besucht zum zweiten Mal die Interreligiöse Konferenz Europäischer Theologinnen, die dieses Mal in Köln-Riehl stattfindet. Das Thema: »Gewalt gegen Frauen – eine lässliche Sünde?« Feministische Theologinnen aller Religionen nehmen an der Konferenz teil: Rabbinerinnen, Christinnen, muslimische Frauen – viele von ihnen wurden in den letzten Jahren gute Freundinnen der Imamin.

Nach ihrer Pensionierung möchte sie am liebsten auswandern, nach Großbritannien zum Beispiel. Sie mag, wie die Menschen dort Verantwortung für ihre Religion übernehmen. »Und dass man dort meinen Humor versteht«, fügt sie augenzwinkernd hinzu.

sprechen. Alle anderen waren Männer. Nach ihrer Rede meldete sich jemand aus dem Plenum und fragte: »Aber Frauen haben im Islam doch gar nichts zu sagen?« Darauf habe Krausen nur erwidert: »Was tue ich denn hier die ganze Zeit, verdammt?« Der Text ist zum ersten Mal im »Boss« Klartext Magazin der Deutschen Journalistenschule der Lehrredaktion 50B im November 2012 erschienen.

Auf der Sommerakademie »Und schuf sie als Mann und Frau – Was ist der Mensch?

Neue Zugänge zu den heiligen Schriften in Judentum, Christentum und Islam« (7.-9.

September 2014) war Halima Krausen eine von drei Referentinnen, die ihre jeweiligen hermeneutischen Zugänge zum Menschenbild aufgezeigt haben. Hier wurde schnell deutlich, dass Auslegung meint, genauer hinzuschauen: Was steht hier wirklich im Text? Was sagen grammatikalische Formen über den Inhalt aus, wenn man klassische Interpretationen zur Seite legt? Und was sind die dahinter liegenden Kerngedanken, über den direkten Text hinaus? »Jedes Individuum hat einen persönlichen Bund mit Gott«, so Krausen. »Der Koran spricht nie nur die Muslime als soziale Gruppe an; hier sind alle Menschen gleichermaßen gemeint«. Und das heißt auch: Frauen wie Männer.

Dann versucht sie es trotzdem noch einmal mit einer Anekdote. Bei einer Konferenz sollte sie nach einem Rabbi, einem Priester und einem Pfarrer über die Zehn Gebote Sym 4/2014

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Messie-Syndrom

Das Messie-Syndrom enttabuisieren Tagungsreihe zum MessieSyndrom in Bad Boll Im Jahr 2003 gab es in Bad Boll die erste Tagung zum Messie-Syndrom mit dem Titel: »Messies – Schlamperei oder Krankheitsbild?« Zehn Jahre später haben wir mit einem Fachtag das Thema wieder aufgegriffen. Das Interesse war groß und so haben wir 2014 eine Reihe mit verschiedenen Modulen angeboten: drei Seminare für Fachkräfte, ein Seminar für Betroffene, ein Seminar für Angehörige und eine Fach- und Grundsatztagung, zu der wir Fachkräfte sowie Betroffene eingeladen haben.

Seit der ersten Tagung hat sich einiges getan: Es gibt neue Erkenntnisse in Wissenschaft und Praxis, die wir mit unseren aktuellen Tagungsprojekten beleuchten. Wichtigstes Ziel der Veranstaltungsreihe ist es jedoch, das Thema zu enttabuisieren, d.h. die Messie-Symptomatik zu verstehen und als therapierbare Störung ins Bewusstsein zu bringen.

Unsere Themen sind: Definition, Ursachen und Typologie des MessiePhänomens. Woran erkennt man das Messie-Syndrom schon in seinen frühen Ausprägungen? Welche therapeutischen Angebote und praktischen Unterstützungsmöglichkeiten kann man Betroffenen empfehlen? Wir untersuchen auch, welche Überschneidungen und Unterschiede es zwischen dem Messie- und dem Vermüllungs-Syndrom gibt. Wir fragen nach entsprechenden differenzialdiagnostischen Hintergründen und beleuchten interdisziplinäre Konzepte.

Die Veranstaltungsreihe ermöglicht Austausch, Begegnungen und Vernetzungen zwischen Fachleuten verschiedener Bereiche sowie zwischen Betroffenen und Angehörigen. Die Teilnehmenden kom18

men aus unterschiedlichen Kontexten, wie z.B. Landrats- und Sozialämtern, Alten- und Krankenpflegevereinen, dem Diakonischen Werk, aus ökumenischen Sozialstationen, Stadtverwaltungen, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, Wohnbaugenossenschaften, sozialen Betreuungsgemeinschaften, Selbsthilfegruppen, Angehörigengruppen und sozialpsychiatrischen Diensten.

Möglichkeiten der praktischen Unterstützung und Veränderung im Außen müssen immer begleitet sein von therapeutischen Prozessen, damit sie nachhaltig wirksam sind.

Christa Engelhardt, Studienleiterin

Wie Messies wirklich sind Gespräch mit Veronika Schröter Am 21. Juli 2014 wurde im Schweizer Radiosender SRF ein Gespräch gesendet, das Cornelia Kazis mit Veronika Schröter geführt hat. Veronika Schröter ist Psychotherapeutin und MessieSyndrom-Expertin, die regelmäßig in Bad Boll referiert. Im Folgenden bringen wir Auszüge aus dem Gespräch, in dem Schröter mit typischen Vorurteilen aufräumt und den Fall einer 80-jährigen Frau mit Messie-Syndrom schildert.

Veronika Schröter zu verschiedenen Fehleinschätzungen: Messis vermüllen sich Tag für Tag Es ist ganz wesentlich festzustellen, dass das Messie-Syndrom kein Vermüllungs-Syndrom ist. Letzteres ist ein eigenständiges Krankheitsbild. Es gibt vier Hinweise, die auf das VermüllungsSyndrom hinweisen: In den Wohnungen der Betroffenen ist es feucht, es gibt Ungeziefer und es bildet sich Geruch

und Schimmel. Das Messie-Syndrom ist eine Wertbeimessungsstörung. Das heißt, dass ein Mensch nicht mehr unterscheiden kann, was für ihn nützlich ist und was nicht. Er ist dazu deshalb nicht in der Lage, weil in seinem Leben alles gleichermaßen existenziell notwendig geworden ist.

Messies sind mittellos und ungebildet In der Universität Freiburg haben wir vier Jahre lang an einer wissenschaftlichen Studie gearbeitet, die genau von dieser Vorstellung ausging: wahrscheinlich sind das ungebildete Menschen.

Die Studie hat jedoch gezeigt, dass die Betroffenen hauptsächlich aus der Mittel- und Oberschicht kommen, also weder mittellos noch ungebildet sind.

Messies leben zurückgezogen Das ist bedingt richtig, wenn man bedenkt, dass Messies einen Aspekt leben, der heißt, »in meine Wohnung kommt niemand mehr rein«. Ich kenne viele Menschen, die mich deshalb als Therapeutin aufsuchen, weil sie sagen: »Wissen Sie, ich habe so ein Bedürfnis, einmal wieder jemand zu mir einzuladen.« Aber genau das geht nicht – aus Scham. Das ist die Form der Einsamkeit, die sie bei sich zuhause erleben.

Ansonsten sind Menschen mit MessieSyndrom sozial hoch engagiert und in sämtlichen Vereinen anzutreffen. Diese dort gefühlte Entspannung und Anerkennung können sie bei sich zuhause gar nicht mehr erleben.

Messies sind therapieresistent Wenn ich in die Wohnungen von Betroffenen komme, ist das wie ein Bollwerk von Energie. Da ist viel Energie vorhanden, aber es handelt sich hier um gestaute Energie. Wenn wir herausfinden wollen, was so notvoll wurde, dass Sym 4/2014

Comic: Patrick Sommer, H-TEAM e.V.

Messie-Syndrom

Die Grafik »Mäuse« stammt von Patrick Sommer, der sie für das H-Team e.V. - hilft Bürgern in Not gezeichnet hat.

es nicht in einen Ausdruck kommen konnte, müssen wir einen therapeutischen Raum für das eröffnen, was über viele, viele Jahre ins Unbewusste transferiert wurde. Und wenn das geschieht, wird deutlich, dass das MessieSyndrom gut behandelbar ist. Dann kann es sich auflösen, und an die Stelle des Symptoms tritt die Würde des Menschen.

Messies kriegen gar nichts mehr auf die Reihe Von wegen – Messies sind Lebenskünstler. Es sind meist Personen mit mittlerem oder hohem Bildungsgrad, viele haben gute Stellungen und Positionen. Richtig ist, dass sie bei sich zuhause eine Symptombildung entwickelt haben. Das ist einfach Fakt. Aber nach außen hin sind das Menschen, die oft sehr beliebt sind. Menschen mit einer hohen kreativen Kulturentwicklung, die sie außerhalb der eigenen vier Wände durchaus zum Wohle der Gesellschaft einbringen können.

Beispiel einer 80-jährigen Frau, die von einer mit Zeitungen vollgestopften DreizimmerWohnung in ein 14-Quadratmeter-Zimmer ins Altersheim sollte. Ich habe sie gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, dass ihre Sachen tatsächlich alle in dieses Zimmer passen. Da Sym 4/2014

sagte sie: »Nein, ich weiß es, aber ich kann gar nicht loslassen. Könnten Sie kommen und mir helfen?« Ich habe ihr angeboten, dass sie zu mir kommt, und dass wir gemeinsam versuchen zu verstehen, warum sie das alles gesammelt hat. Ich fragte sie, was sie sammelte. Sie teilte mir mit: »Alles über Gesundheit.« Ich sagte: »Oh ja, dann scheint das ein ganz wichtiges Thema für Sie zu sein.« »Ja, das ist ja für jeden wichtig.« Ich fragte sie, ob sie in ihrem Leben Ärzte hatte, denen sie sich anvertrauen konnte. Sie meinte, sie brauche keine Ärzte, dafür habe sie ja die Zeitungen. Und dann habe ich sie gefragt, ob sie sich an ihre Kinderkrankheiten erinnern kann. Sie war empört und sagte: »Ich komm’ doch nicht hierher, um mit Ihnen über Kinderkrankheiten zu sprechen.« Doch dann teilte sie mir plötzlich mit: »Jetzt merke ich, dass mir die Frage ganz arg weh tut. Es stimmt, dass ich immer, wenn ich krank war, zu Oma und Tante weggeben wurde. Daraufhin habe ich immer schlimmere Symptome entwickelt.« Ich konnte daraus für mich den Grund für das Symptom herleiten. Es war mir klar, dass diese Frau einmal eine Entscheidung für sich getroffen hat: Ich werde für mich selber sorgen, wenn es mir einmal nicht mehr gut geht.

»Das Wort »Messie« ist abgeleitet von mess (Englisch für Chaos, Unordnung, Schwierigkeit). Im deutschsprachigen Raum wurde der Begriff durch Bücher der selbst betroffenen Amerikanerin Sandra Felton populär.

Sie gründete die weltweit erste Gruppe der »Anonymen Messies« und publizierte mehrere Bücher über das Thema, u.a. »Im Chaos werden Rosen blühen» und »Im Chaos bin ich Königin«.

Die Psychotherapeutin und MessieSyndrom-Expertin aus Freiburg hat bei den Messie-Tagungen in Bad Boll referiert.

Die Akademie bietet 2015 weitere Seminare für Fachkräfte zum MessieSyndrom an. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an: Erika Beckert, Tel. 07164 79-211, erika.beckert@ ev-akademie-boll.de.

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Was kommt?

Was kommt?

Tagungen vom 7. Dezember 2014 bis 16. April 2015 Gesellschaft, Politik, Staat Vielfalt im Landkreis Göppingen Interkulturelle Öffnung als Chance für Kommunen – 4. Demografie-Fachtag 11. Dezember 2014, Bad Boll Der demografische Wandel im Landkreis Göppingen gibt den Anstoß zu einer bewussten interkulturellen Öffnung der Verwaltungen, der Kindergärten, Schulen und Vereine, um jedes Kind in seiner Entwicklung optimal zu unterstützen.

Wie das genau geht, erfahren Sie anhand gelingender Beispiele aus anderen Kommunen.

Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers, Iris Fahle, Suzanne Chemnitzer, Rudolf Dangelmayr, Sabine Mannsperger, Stefanie Lunczer Infos: Romona Böld, s.S. 25 Der große Krieg 1914-1918 – Vom Erinnern zur Friedensarbeit Weihnachtsfriede unterm Kanonendonner. Kirche und Theologie im Jahr 1914 11. Dezember 2014, Bad Boll

Mit diesem Studientag zum Großen Krieg startet eine Tagungsreihe, die sich bis ins Jahr 2018 jährlich anhand eines Erinnerungsortes des 1. Weltkrieges mit den Ursachen und Folgen dieser »Urkatastrophe der Moderne« beschäftigt, um im Erinnern Impulse für die Friedensarbeit und Friedensethik heute zu bekommen. In der ersten Tagung in diesem Jahr geht es um das erste Weihnachtsfest 20

im Krieg, den »Weihnachtsfrieden« an Abschnitten der Westfront und um Kirche und Theologie im Jahr 1914.

Tagungsleitung: Wolfgang Mayer-Ernst Infos: Gabriele Barnhill, s.S. 25 Zwischen Distanz und Nähe Ehrenamtliches Engagement für Flüchtlinge 9. bis 10. Januar 2015, Bad Boll Die Zahl der Asylsuchenden in BadenWürttemberg steigt kontinuierlich.

Landkreise und Kommunen stellt dies vor große Herausforderungen.

Gleichzeitig engagieren sich immer mehr Freiwillige in der Begleitung von Flüchtlingen. Es bilden sich Initiativen, Asylarbeitskreise oder Freundeskreise, die im Umfeld neuer Unterkünfte ein Klima des Willkommenseins schaffen wollen. Die Menschen vor Ort wollen den Asylsuchenden helfen und ihnen ihre Solidarität zeigen. Doch wie kann diese Motivation im alltäglichen Engagement erhalten bleiben, ohne die eigenen Bedürfnisse zu vernachlässigen?

Tagungsleitung: Simone Helmschrott, Dr. Manfred Budzinski, Ottmar Schickle Infos: Susanne Heinzmann, s.S. 25 Kollegiales Coaching Bürgerbeteiligung Ein Trainingstag für Moderierende 13. Januar 2015, Bad Boll Immer mehr Kommunen wollen verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung fördern. Wie gestalten sich solche Prozesse der Bürgerbeteiligung vom Organisieren, Moderieren, bis hin zum Dokumentieren? Der Tag bietet Raum zur Entwicklung von Souveränität bei der Anwendung verschiedener Moderationsmethoden, zur Vernetzung und Inspiration mit Fachleuten der Moderation.

Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller, s.S. 25

Kirchliche Entwicklungszusammenarbeit in Baden-Württemberg Strategietag 26. Januar 2015, Haus der Katholischen Kirche Stuttgart Der jährliche Strategietag richtet sich an Mitarbeitende der Kirchen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit sowie die Vertreterinnen und Vertreter übergreifender Verbände und Organisationen in der Entwicklungszusammenarbeit. Ziel ist ein ökumenischer Austausch zwischen Entscheidungsträgern und Multiplikatoren in der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit, um die begonnenen Projekte vernetzt weiter zu gestalten.

Tagungsleitung: Simone Helmschrott, Dr. Dieter Heidtmann Infos: Susanne Heinzmann, s.S. 25 Anwalt des Kindes Fort- und Weiterbildung zum Verfahrensbeistand 2. bis 6. Februar 2015, Bad Boll In Streitfällen vor dem Familiengericht sollen und wollen Verfahrensbeistände als Anwältin/Anwalt des Kindes den Kindern im Verfahren eine Stimme geben und ihnen zu ihrem Recht verhelfen.

In Zusammenarbeit mit der Hochschule Esslingen bietet die Akademie die Fort- und Weiterbildung zum Verfahrensbeistand an. In drei Unterrichtsblöcken werden die rechtlichen, psychologischen, sozialen, therapeutischen und praktischen Kenntnisse für diese anspruchsvolle Aufgabe vermittelt.

Die Teilnehmenden können in diesem Kurs ein Hochschulzertifikat zum Verfahrensbeistand erwerben.

Tagungsleitung: Wolfgang Mayer-Ernst, Prof. Dr. Susanne Dern Prof. Dr. Christine Köckeritz Infos: Gabriele Barnhill, s.S. 25 Meiner Meinung eine Stimme geben Bürgerbeteiligung und Engagement konkret 6. bis 7. Februar 2015, Bad Boll Bei öffentlichen Auftritten sind Stimme und Körpersprache oft entscheidender als die Inhalte. Damit Meinung und Argumente von Akteuren und BürgerInnen in Ehrenamt, Freiwilligen Diensten Sym 4/2014

Was kommt?

oder kommunalen Beteiligungsprozessen richtig ankommen, werden Stimme, Sprache und Kommunikation auf ihre Wirkung hin analysiert und trainiert.

Tagungsleitung: Sigrid Schöttle Infos: Marion Heller, s.S. 25 »Geht doch?!« Ansätze wirksamer Förderung für besonders auffällige junge Menschen 13. bis 15. Februar 2015, Bad Boll Sie bringen auch Profis in der Jugendkriminalrechtspflege zum Verzweifeln: extrem verhaltensauffällige, massiv delinquente Jugendliche, bei denen alle Bemühungen ins Leere zu laufen scheinen. Welche Faktoren stehen hinter dieser Auffälligkeit und welche Erfahrungen mit der Förderung dieser besonders auffälligen jungen Menschen gibt es? Die Tagung stellt sich diesen Fragen und wird versuchen, Antworten und Perspektiven zu finden.

Tagungsleitung: Wolfgang Mayer-Ernst Infos: Gabriele Barnhill, s.S. 25 Professionalität im gesellschaftlichen Wandel. Inklusion als Bürde oder Vision? Bad Boller Psychiatrietagung 26. bis 27. Februar 2015, Bad Boll Gesellschaftliche Veränderungen haben Auswirkungen auf die Professionalität.

Gerade im Zeitalter der Inklusion stehen neue Fragen im Raum: Treffen hier Ambivalenzen aufeinander? Welche Veränderungsimpulse sind mit dem Stichwort Inklusion verbunden? Was bedeutet dies für die Sozialpsychiatrie und ihre jeweiligen Arbeitsfelder? Welche bleibenden Leitbilder prägen die berufliche Identität im Wandel der Zeiten? Welche Haltung und welcher Geist sind erforderlich, damit Inklusion gelingen kann? PraxisBeispiele aus den Teilbereichen der Sozialpsychiatrie werden vorgestellt und diskutiert.

Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Prof. Dr. Jürgen Armbruster, Ulrich Hartmann, Christoph Holl, Torsten Hau, Iris Maier-Strecker Infos: Erika Beckert, s.S. 25

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»Hört das denn nie auf ?!« Altneuer Antisemitismus in Europa 14. bis 15. März 2015, Bad Boll Es hat viele erschreckt und empört, wie schnell und heftig im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg im Sommer 2014 in Deutschland und Europa wieder antisemitische Parolen skandiert, Juden angepöbelt und jüdische Einrichtungen angegriffen wurden. Nicht nur in gehässigen Parolen, sondern auch in vermeintlich gebotener Kritik an der Politik der israelischen Regierung war der alte Judenhass zu erkennen. Im Austausch mit jüdischen und muslimischen Partnern fragen wir nach den Ursachen oder Auslösern dieses neuen und doch alten Antisemitismus und suchen im Gespräch nach Mitteln, ihm entgegen zu wirken.

Tagungsleitung: Wolfgang Mayer-Ernst, Michael Dr. Volkmann Infos: Gabriele Barnhill, s.S. 25 Armenische Identität 1915-2015 Gewalt, Geschichte, Gegenwart 20. bis 21. März 2015, Bad Boll

Armenischer Gottesdienst in Göppingen

Armenien und armenische Identität 100 Jahre nach Verfolgung, Gewalt und Völkermord: Wie prägt diese Vergangenheit die Gegenwart? Wie definiert sich armenische Identität in Armenien, aber auch darüber hinaus in der internationalen Diaspora und in Deutschland? Wir werden verschiedene Meinungen anhören, Schlaglichter auf Geschichte und Gegenwart werfen und fragen, was 2015 für die armenische Identität bedeutet.

Tagungsleitung: Simone Helmschrott Infos: Susanne Heinzmann, s.S. 25

Die Vertrauensperson – Teil des Werkstattrates Fachtag für Vertrauenspersonen 25. März 2015, Bad Boll Werkstatträte benötigen Vertrauenspersonen zur Assistenz ihrer Arbeit: für Beratung, Aufgaben in Gremien, zur Unterstützung und Durchsetzung von Interessen. In dieser Fortbildung stehen die vielfältigen Aufgaben, Rollen und Anforderungen an die Vertrauenspersonen für Werkstatträte im Blickpunkt.

Fach-, organisations- und personenbezogene Handlungshilfen werden erörtert.

Tagungsleitung: Christa Engelhardt, Silke Frisch Infos: Erika Beckert, s.S. 25 Selbstmanagement mit dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM®) ZRM®-Grundkurs 8. bis 10. April 2015, Bad Boll Das Zürcher Ressourcen Modell ist ein Ansatz des Selbstmanagements, das die Stärken in den Blick nimmt. Es erschließt persönliche Entwicklungskräfte und erweitert den eigenen Handlungsspielraum auch in schwierigen Situationen.

Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Romona Böld, s.S. 25 Verantwortungsbewusstes Führen und Entscheiden. Selbst- und Zeitmanagement im Berufs- und Privatleben 13. bis 15. April 2015, Bad Boll In diesem Seminar zeigen qualifizierte Trainerinnen, wie sich praktische Ethik für Menschen in Entscheidungssituationen schrittweise üben und konkret anwenden lässt. Theorie- und Praxiseinheiten gehen konkret auf Ihre persönliche Entscheidungs- und Konfliktsituationen ein.

Tagungsleitung: Dr. Irmgard Ehlers Infos: Romona Böld, s.S. 25 Leitbild Frieden Wege zu einer friedenslogischen Flüchtlingspolitik 16. bis 18. April 2015, Bad Boll Angesichts der weltweiten Lage erscheint das Umdenken von einer Sicher21

Was kommt?

heits- hin zu einer Friedenslogik auch für Deutschland notwendiger denn je.

Die Konsequenzen eines solchen Umdenkens für den Bereich der Flüchtlingspolitik wollen wir auf dieser Tagung ausloten. Eine »friedenslogische Flüchtlingspolitik« denkt nicht in Kategorien von Gefahr und Abgrenzung, sondern wendet Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung an. Politik bezieht dann die globalen Zusammenhänge konsequent ein. Die Tagung dient also insbesondere auch der Vernetzung von Friedens- und Flüchtlingsarbeit.

Tagungsleitung: Simone Helmschrott Infos: Susanne Heinzmann, s.S. 25

Theologie, Kultur, Religion Lesbische Identitäten Queer gedacht, geliebt, gelebt 12. bis 14. Dezember 2014, Bad Boll Lesben verbünden sich im Kampf um politische Anerkennung mit anderen Gruppen in LGBTTIQ-Netzwerken.

Welche Aspekte lesbischer Identität kommen dabei zur Geltung, welche bleiben außen vor? Heißt Lesbe sein, feministisch zu sein? Wie kann lesbische Identität in ihrer Vielfalt politisch wirksam werden und in der Aufklärungsund Bildungsarbeit thematisiert werden?

Tagungsleitung: Susanne Wolf, Ivona Linhart, Sarah-Luise Weßler Infos: Andrea Titzmann, s.S. 25 Begleitet – beschützt – beflügelt Meditatives Tanzen für Frauen 2. bis 4. Januar 2015, Bad Boll Tanzend überwinden wir die Schwelle am Anfang eines Jahres. Thematisch folgen wir den Spuren von Engeln in der Bibel. Als Gottes Boten begleiten sie die Wege von Menschen, fordern zum Innehalten heraus, beschützen und beflügeln. Zu geistlicher und weltlicher Musik von Bach bis heute tanzen wir nach zeitgenössischen Choreografien.

Die Tänze münden in den Tanzgottesdienst am Ende des Seminars.

Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Andrea Titzmann, s.S. 25 22

Ordiniert – passioniert – pensioniert?

Pfarrbilder im Wandel 7. bis 10. Januar 2015, Bad Boll Gemeinden verändern sich. Entsprechend wandelt sich auch die Berufsrolle der Pfarrerin/des Pfarrers. Was verändert sich und wohin? Welche Aspekte und Kriterien müssen für ein zeitgemäßes Pfarrbild bedacht werden? Was bedeutet die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Ordinierten? Welche Art von Verantwortung ist mit der Ordination auch im Ruhestand verknüpft?

Tagungsleitung: Susanne Wolf, HansDieter Wille, Prälat i. R., Tübingen Infos: Andrea Titzmann, s.S. 25 Von der Einstudierung zur Aufführung: Das Magnificat in drei Tagen 9. bis 11. Januar 2015, Bad Boll Unter Leitung des Göppinger Kirchenmusikers Gerald Buß werden wir während der Tagung das Magnificat von Johann Sebastian Bach einstudieren und es beim Neujahrsempfang der Evangelischen Akademie Bad Boll aufführen. Wenn die Zeit reicht, soll dem Bach‘schen Werk das Magnificat des zeitgenössischen estnischen Komponisten Arvo Pärt zur Seite gestellt werden. Zwei einführende Vorträge zu Text und Musik des Bach‘schen Magnificats runden die Tagung ab.

Tagungsleitung: Dr. Gudrun Holtz, Prof. Dr. Jörg Hübner, Gerald Buß Infos: Karin Nitsch, s.S. 25 Schulabbrecher auf dem Weg zum Job Unterrichtsbezogene Theatermethoden 15. bis 16. Januar 2015, Bad Boll (Tagung während der Woche) 17. bis 18. Januar 2015, Bad Boll (Tagung am Wochenende) Schulabbrecher stehen im Fokus. Sie brauchen besondere Wege des Lernens.

Italienische Pädagogen haben viele Jahre Erfahrung gesammelt mit Schülern, denen keiner mehr etwas zutraut. Mit ihnen zusammen gehen wir über die bekannte Theaterpädagogik hinaus: Theatermethoden werden direkt mit schulischen Inhalten verbunden. Schulabschluss und berufliche Qualifizierung sind das Ziel!

Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s.S. 25 Die Mandoline – klassisch, romantisch, feurig. Töne der Klassik im Kurhaus 18. Januar 2015, Bad Boll

Warum gibt es in Japan mehr Mandolinenspieler als in Italien? Der japanische Kaiser hatte den berühmten Mandolinisten, Komponisten und Instrumentenbauer Raffaele Calace (1863-1934) eingeladen und war so begeistert,dass ganz Japan der Mandoline verfiel.

Carla Senese und Riccardo del Prete kommen aus der Heimatstadt Calaces, Neapel, und bringen den Geist und eine unglaubliche Spieltechnik mit, um Originalkompositionen aus der Romantik miterleben zu lassen.

Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s.S. 25 Woher wissen die, wann sie dran sind?

Jazz als Lebensphilosophie verstehen (Teil II) 31. Januar 2015, Bad Boll Der Musikkritiker des deutschen Schallplattenkreises, Herbert Lindenberger, durchforstet zusammen mit Live-Musikern die Jazzgeschichte. Jazz war und ist stets eine Kritik an der Gesellschaft.

Seine Besonderheit ist seine Offenheit – diese Musik ist nie fertig. Hier wird eine Haltung praktiziert, welche der Gesellschaft gut tut: miteinander auf dem Weg sein. Bildung kann deswegen Jazz brauchen. Die Tagung ist der zweite, aber unabhängige Teil einer Tagungsreihe zur Lebensphilosophie des Jazz.

S.a. Seite 23 (Teil III) Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s.S. 25 Sym 4/2014

Was kommt?

Vernissage Horst Peter Schlotter Der Kopf ist ein Gefäß 1. Februar 2015, Bad Boll Siehe Seite 7 Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Andrea Titzmann, s.S. 25 Archäologie des gesamten Alten Testaments. Forschung zwischen Politik und Theologie 6. bis 8. Februar 2015, Bad Boll Das Erste Testament macht den größten Teil der Bibel aus. Archäologie bedeutet »in die Tiefe gehen« – praktisch und symbolisch. Alle wesentlichen Ortslagen des Alten Testaments werden vorgestellt, die Entwicklung der Grabungsmethodik erläutert und, wo immer möglich, der Bezug zu Theologie und Glaube verdeutlicht. Aktuelle politische Vorgänge zeigen, wie wichtig die Kenntnis historischer Hintergründe ist.

Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s.S. 25 Blogger Barcamp Bad Boll #Bx4 Für Kundige und Neugierige 6. bis 7. Februar 2015, Bad Boll Blogs sind Online-Schaufenster für Gedanken, Fotos, Videos, Links. Das Bad Boller Blogger Barcamp bietet Raum zur persönlichen Begegnung für Bloggerinnen, Blogger und Neugierige. Nach einem Vortrag als Startimpuls wirken alle in Workshops mit: Erfahrungen austauschen, voneinander lernen, miteinander diskutieren und gemeinsame Projekte entwickeln.

Tagungsleitung: Susanne Wolf Infos: Andrea Titzmann, s.S. 25 Braucht die evangelische Kirche noch das Alte Testament? Zu einer neu eröffneten theologischen Debatte 23. Februar 2015, Bad Boll In der evangelischen Theologie wird seit einigen Jahren die Frage der Kanonizität des Alten Testaments erneut problematisiert. An dem Studientag werden an der Kontroverse beteiligte Theologen, darunter der Systematiker N. Slenzka und der Alttestamentler F. Hartenstein, ihre gegensätzlichen Positionen vorstellen und diskutieren. In Arbeitsgruppen mit Sym 4/2014

den Referenten kann man sich über das Thema aus der Perspektive verschiedener theologischer Fächer austauschen.

Tagungsleitung: Dr. Gudrun Holtz Infos: Marion Heller, s.S. 25 Jazztag in der Akademie Warum Jazz wichtig ist für die Gesellschaft (Teil III) 28. März 2015, Bad Boll Jazz ist unfertige Musik. Man weiß nie, wie sie ausgeht. Dies ist wie im Leben.

Jazz lehrt, sich auf Unfertiges einzulassen. Der Jazzmusiker und Vorsitzende des Jazzclubs Tübingen, Martin Trostel, zeigt, wie dies geht. S.a. S. 22 (Teil II) Tagungsleitung: Dr. Thilo Fitzner Infos: Andrea Titzmann, s.S. 25 Handeln im Horizont der Zeit Ethik und Eschatologie bei Paul Tillich 10. bis 12. April 2015, Bad Boll

Auf der in Zusammenarbeit mit der Deutschen Paul-Tillich-Gesellschaft (DPTG) veranstalteten Tagung befassen sich etablierte Forscher und Nachwuchswissenschaftler mit verschiedenen Aspekten der Ethik und Eschatologie Paul Tillichs, der einer der bedeutendsten Theologen und Religionsphilosophen des 20. Jahrhunderts war. Neben allgemein gehaltenen Einführungen in die Thematik stehen Vorträge zu seiner politischen Ethik, seinem Zeitverständnis sowie zur Kapitalismuskritik bei Christoph Blumhardt und Paul Tillich auf dem Programm. In Arbeitsgruppen werden Aspekte des Tagungsthemas vertieft.

Tagungsleitung: Dr. Gudrun Holtz, Prof. Dr. Jörg Hübner, Prof. Dr. Christian Danz, Wien Infos: Karin Nitsch, s.S. 25

Wirtschaft, Globalisierung, Nachhaltigkeit 2. ifex-Arbeitstagung 20 Jahre Initiative für Existenzgründungen und Unternehmensnachfolge 9. bis 10. Dezember 2014, Bad Boll Die Initiative für Existenzgründungen und Unternehmensnachfolge verbessert das Klima für junge Unternehmer im Land. Durch innovative Förderansätze für rund 1800 Partner ist Baden-Württemberg mit Informations-, Qualifizierungs-, Beratungs- und Finanzierungsangeboten im Bundesvergleich vorne mit dabei. Partnertagung zur Weiterbildung, zum Erfahrungsaustausch und zur Vernetzung der Gründungsexperten.

Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Oksana Rudt (ifex) Infos: Conny Matscheko, s.S. 25 Mut zur Transparenz III Korruptionsbekämpfung in der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit 21. bis 23. Januar 2015, Bad Boll Seit sieben Jahren arbeiten verschiedene Missions- und Entwicklungswerke auf Initiative von Transparency International Deutschland zusammen mit der Evangelischen Akademie Bad Boll an konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung von Korruption in der Entwicklungsarbeit.

Dazu gehören die Bewusstseinsbildung beim Personal, Präventionsmaßnahmen in der Projektplanung und in der Mittelverwaltung, eine stärkere Beteiligung der Zielgruppen und eine zielgerichtete Kontrolle. Diese Fachtagung stellt innovative Ansätze der Korruptionsprävention vor.

Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Michael Detscher, Sonja Grolig Infos: Conny Matscheko, s.S. 25 Wenn möglich, bitte wenden!

Zukunft der Mobilität 23. bis 25. Januar 2015, Bad Boll Fahrradfahren ist für immer mehr Menschen attraktiv, Carsharing boomt, Elektromobilität wird als Zukunftsmodell propagiert. Gleichzeitig nimmt der Verkehr eher zu, bestehen die hohen 23

Was kommt?

in Beziehung, Freizeitaktivitäten und Engagement für andere zu erkennen, ist das Ziel des Seminars.

Tagungsleitung: Karin Uhlmann, Volker Stücklen Infos: Claudia Zimmermann, s.S. 25

Belastungen für Mensch und Umwelt weiter. Wie lassen sich Pfadabhängigkeiten auflösen? Wo gibt es Erfolge, wo liegen Blockaden für zukunftsfähige Konzepte? Die Tagung geht Mobilitätsbedürfnissen nach, informiert über technische und gesellschaftliche Innovationen und diskutiert politische Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Mobilität.

Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt, Carmen Ketterl, Romeo Edel Infos: Romona Böld, s.S. 25 KiTa-Verpflegung Nachhaltig essen und trinken in der KiTa 9. bis 10. Februar 2015, Bad Boll Immer mehr Kindertagesstätten haben verlängerte Öffnungszeiten und stehen damit vor der Herausforderung, den Kindern ein gesundes, schmackhaftes und dennoch bezahlbares Mittagessen anzubieten. Gleichzeitig wächst in unserer Gesellschaft das Interesse an einer Ernährung, die gut ist für Mensch und Umwelt. Die Tagung zeigt auf, welche Verpflegungsangebote es für KiTas gibt und was eine gute und nachhaltige KiTaVerpflegung ausmacht. Wir möchten KiTas bei der Einführung eines Verpflegungsangebots unterstützen und Wege aufzeigen, dieses Angebot nachhaltig zu gestalten.

Tagungsleitung: Carmen Ketterl Infos: Brigitte Engert, s.S. 25 Ausstieg aus dem Beruf – Aufbruch wohin?

25. bis 28. Februar 2015, Bad Boll Altersteilzeit, Vorruhestand und Ruhestand sind verbunden mit dem Abschied aus vielen Rollen und Beziehungen.

Den Abschied ernst zu nehmen und die Chancen der neuen Lebensphase 24

Privatsphäre und Öffentlichkeit in der digitalen Welt 27.2.2015, treffpunkt 50plus Stuttgart Wie verändern sich Privatheit und Öffentlichkeit in der digitalen Gesellschaft? Für Beschäftigte und alle wirtschaftlichen Akteure geht es in der virtuellen Arbeitswelt um den Schutz der Privatsphäre; als politisch aktive Bürger und Bürgerinnen sind sie auf eine ungeteilte Öffentlichkeit angewiesen.

Zunehmend stellt sich die Frage, wieviel persönlicher Freiraum und wieviel Transparenz und Beteiligung im öffentlichen Raum eigentlich nötig sind für eine funktionierende Demokratie. Wir diskutieren die Rolle von Privatsphäre und Öffentlichkeit in Arbeitswelt, Gesellschaft und Politik.

Tagungsleitung: Dagmar Bürkardt, Susanne Wolf Infos: Romona Böld, s.S. 25 Tier und wir – Ist erlaubt, was nicht verboten ist? Ethische Kontroversen, Dilemmata, Grauzonen im Tierschutz 6. bis 8. März 2015, Bad Boll An den Tierschutz werden von der Gesellschaft auch ethische Ansprüche herangetragen, die über gesetzliche Regelungen hinausgehen. Die Tagung versucht anhand von zwei Themenschwerpunkten zu klären, was Tierethik für die Akteure im Tierschutz bedeutet und welche Instrumente zur Verbesserung des Tierschutzes zur Verfügung stehen.

Ein Schwerpunkt sind strittige Auslegungen des deutschen Tierschutzrechts in Bezug auf die Tötung von Tieren.

Ein weiterer Schwerpunkt beleuchtet ethische Problemstellungen im Umgang mit Tieren als Lebensbegleiter oder im Einsatz für den Menschen.

Tagungsleitung: Dr. Regina Fein, Carmen Ketterl Infos: Brigitte Engert, s.S. 25

Welt:Bürger gefragt!

Entwicklungspolitische Landeskonferenz Baden-Württemberg 11. April 2015, Messe Stuttgart Messe Stuttgart Seit 2012 arbeiten im entwicklungspolitischen Dialog »Welt:Bürger gefragt!« engagierte Bürgerinnen und Bürger, die Kirchen, die Kommunen, das entwicklungspolitische Landesnetzwerk DEAB, die entwicklungspolitischen Organisationen von Bund und Land sowie die Migrantenorganisationen zusammen. Die Evangelische Akademie Bad Boll organisiert und moderiert diesen Beteiligungsprozess. Gemeinsam mit den entwicklungspolitisch aktiven Organisationen und Initiativen in Baden-Württemberg laden wir zur Entwicklungspolitischen Landeskonferenz 2015 ein.

Tagungsleitung: Dr. Dieter Heidtmann, Dr. Regina Fein, Simone Helmschrott Infos: Conny Matscheko, s.S. 25 Glückliches Österreich Betriebsseelsorge, Arbeitnehmerorganisation und soziale Sicherheit 13. bis 16. April 2015, Cardijn-Haus, Linz/Österreich Linz, einer der bedeutendsten Industriestandorte in Österreich, gibt Einblicke in die Besonderheiten der dortigen Arbeitswelt: Arbeiterkammern, Arbeitsstiftungen und die Arbeit der katholischen Betriebsseelsorge bieten interessante Anregungen für Sozialethik, Sozialpolitik und kirchliche Arbeit. Außerdem stehen Begegnungen in der Evangelischen Kirche Österreichs auf dem Programm.

Anmeldung für Pfarrerinnen und Pfarrer der württembergischen Landeskirche über den Dienstweg (siehe Fort- und Weiterbildungsprogramm).

Tagungsleitung: Karin Uhlmann, Martin Schwarz, Thomas Löffler, Siegfried Aulich Infos: Claudia Zimmermann, s.S. 25

Sym 4/2014

Rezept

Sekretariate: Kontakte Gabriele Barnhill Tel. 07164 79-233, Fax 79-5233 gabriele.barnhill@ev-akademie-boll.de Erika Beckert Tel. 07164 79-211, Fax 79-5211 erika.beckert@ev-akademie-boll.de Romona Böld Tel. 07164 79-347, Fax 79-5347 romona.boeld@ev-akademie-boll.de Eliane Bueno Dörfer Tel. 0731 1538-571, Fax 1538-572 eliane.doerfer@ev-akademie-boll.de Brigitte Engert Tel. 07164 79-342, Fax 79-5342 brigitte.engert@ev-akademie-boll.de Marion Heller Tel. 07164 79-229, Fax 79-5229 marion.heller@ev-akademie-boll.de Susanne Heinzmann Tel. 07164 79-217, Fax 79-5217 susanne.heinzmann@ev-akademie-boll.de Silke Klostermann Tel. (07164) 79-225, Fax 79-5225 silke.klostermann@ev-akademie-boll.de Conny Matscheko Tel. (07164) 79-232, Fax 79-5232 conny.matscheko@ev-akademie-boll.de Andrea Titzmann Tel. (07164) 79-307, Fax 79-5307 andrea.titzmann@ev-akademie-boll.de Karin Walz Tel. (07164) 79-402, Fax 79-5402 karin.walz@ev-akademie-boll.de Heidi Weinmann Tel. 0711 351459-30, Fax 351459-55 heidi.weinmann@ev-akademie-boll.de Heidi Weiser Tel. 07164 79-204, Fax 79-5204 heidi.weiser@ev-akademie-boll.de Claudia Zimmermann Tel. 07131 98233-14 Fax 07131 98233-23 claudia.zimmermann@ev-akademie-boll.de

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Winterliches Gemüse-Pakora für vier Personen 300 g Kichererbsenmehl Kreuzkümmel, Chilipulver 1 Msp. Backpulver 300 ml Wasser Frittierfett Die Zutaten zu einem zähen Teig, ähnlich wie Pfannenkuchenteig, verrühren und quellen lassen.

2 Zwiebeln in Ringe schneiden, leicht salzen 1 Kartoffel schälen und in Scheiben schneiden 250 g Blumenkohl waschen und in Röschen brechen 250 g Rosenkohl putzen Beide Kohlarten leicht vordämpfen.

Frittierfett auf 190° vorheizen, Gemüsestücke nacheinander in Teig eintauchen und frittieren.

Im Backofen warm halten.

Dazu einem Joghurtkräuterdip und Blattsalat reichen.

Wichtig ist eine zähe Konsistenz des Teigs, damit er gut am Gemüse haftet.

Gut geeignet sind auch Champignons, Zucchinischeiben, Brokkoli-Röschen oder Butternusskürbisstücke. Mit Sojajoghurt oder Ajvar ist das Gericht auch für Veganer geeignet.

Guten Appetit, Marianne Becker

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Aus der Akademie

Aus der Akademie Abschied von Ulrike Leipersberger

29 Jahre – das ist eine lange Zeit. So lange war Ulrike Leipersberger in der Evangelischen Akademie Bad Boll tätig.

Angefangen hatte sie 1985 beim KDA Stuttgart (Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt), in dem sie bis 2004 tätig war und an dem, wie sie sagt, immer noch ihr Herz hängt. Der KDA war da-mals größer und interdisziplinär mit TheologInnen, SozialsekretärInnen und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen besetzt. Es war eine andere Zeit: Arbeitgeber und Arbeitnehmer standen gesellschaftlich stärker auf Konfrontationskurs. »Das hat sich auch im KDA in heftigen Diskussionen gespiegelt«, so Ulrike Leipersberger. Hinzu kam, dass die Gewerkschaften sich im Umgang mit Kirche oft schwer taten und andersherum auch.

Ein wichtiger Bereich im KDA wurde für Ulrike Leipersberger die ArbeiterInnen-Bildung. Es existierte damals ein landeskirchlicher Topf, aus dem »Gesprächswochen für Arbeiter und Arbeiterinnen« finanziert werden konnten – schon damals mit dem Ziel, Bildungszeit in Baden-Württemberg gesetzlich zu verankern. »Wir warben in den Firmen

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um eine Freistellung der Arbeiter und Arbeiterinnen.« Wichtige Themen waren Teamarbeit, Kollegialität und Selbstbewusstseinstraining. In zahlreichen reinen Frauentagungen ging es um die besondere Situation von Frauen und deren Doppelbelastung. Beteiligt waren Firmen wie Daimler, Bosch, die Stuttgarter Straßenbahnen und die Stadtverwaltung Stuttgart. Interessant ist ja, dass dieses Thema heute wieder aktuell ist und dass um ein »Bildungszeitgesetz« in Baden-Württemberg gerungen wird.

Die Arbeit mit Frauen bildete insgesamt einen Schwerpunkt in der Arbeit von Leipersberger. 1995 hat sie gemeinsam mit anderen frauenpolitisch interessierten Frauen den FrauenRatschlag Region Stuttgart gegründet und dessen Ziele und Inhalte bis zu seiner Auflösung 2010 mitbestimmt. Dieser Verein wurde im Zuge der Errichtung des Verbandes Region Stuttgart, der ab 1994 ein direkt gewähltes Parlament hatte, gegründet. Ziel war es, Genderaspekte in die Bereiche Städte- und Verkehrsplanung sowie Wirtschaftsförderung zu bringen.

Der FrauenRatschlag wurde ein Interessenspektrum von engagierten Frauen in der Region, das die gleichberechtigte Partizipation in allen wirtschaftlichen, politischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Fragen der Region Stuttgart vorantrieb. Leipersberger: »Wir haben ein großartiges Frauennetzwerk im Raum Stuttgart geschaffen – und ich habe selbst sehr davon profitiert«.

Nach knapp 20 Jahren wechselte die Studienleiterin nach Bad Boll. »Nicht ganz freiwillig«, wie sie erzählt. »aber der KDA wurde reduziert und für Theologen reserviert. Bad Boll war mir vertraut – nicht nur durch Sitzungen und Tagungen, auch durch die Frauenakademien, die seit 1978 eine starke Tradition hatten.« Ulrike Leipersberger traf am Anfang eine sehr aktive Frauengruppe an, die Fraueninteressen vertrat. Alle zwei Jahre veranstaltete diese Gruppe eine »Frauenakademie«: »Da war die Akademie nur für Frauen reserviert. 100 bis 120 Frauen und Kinder kamen dazu.

Vier Tage lang wurden frauenpolitisch

wichtige Themen diskutiert und äußerst kreativ umgesetzt.« Der letzte Wechsel zum treffpunkt 50plus kam für sie 2009 – es ging zurück in ihre Heimatstadt. »Besonders wichtig wurde für mich hier ein Thema: das selbstorganisierte gemeinschaftliche Wohnen im Alter, für das es viel Interesse gab und gibt und das in zahlreichen Veranstaltungen aufgenommen wurde.

Vieles entwickelte sich weiter.« Das hat ihr auch Spaß gemacht: »Ich bin ja eigentlich eine Netzwerkerin.« Die Zusammenarbeit mit den vielen Initiativen des treffpunkt 50plus, wie z.B. dem Oma-Opa-Leihservice bereicherten ihre Arbeit. Genauso wie das Offene Foyer – das »Schaufenster« des treffpunkt50 plus, in dem unterschiedlichste Themen zur Sprache kommen.

Ende November war auch dieser Abschnitt vorbei. Ulrike Leipersberger kommt jetzt in die passive Phase der Altersteilzeit und wird sich entsprechend der Erfahrungen aus den Seminaren zur Vorbereitung auf den Ruhestand, die sie durchgeführt hat, Zeit lassen mit einer neuen Festlegung.

Neu: Ursula Werner Am 1. Dezember beginnt Ursula Werner als Studienleiterin im treffpunkt 50plus.

Nach dem Abitur und einem sozial-diakonischen Jahr in einer Nürnberger Kirchengemeinde machte sie eine Ausbildung als Diakonin auf der Karlshöhe in Ludwigsburg. Für ihr berufliches Selbstverständnis war die »Verknüpfung von Sozialpädagogik und Theologie« schon damals wichtig. In der Pauluskirche in Zuffenhausen begann ihre gemeindediakonische Arbeit mit einem breiten Spektrum. In enger Zusammenarbeit mit Menschen und Organisationen entwickelte sie z.B. eine Gesprächsgruppe für Pflegende und eine Gruppe, die eine Frauenliturgie gestaltete. Und sie gründete eine Gruppe für griechische Frauen in der Nacherwerbsphase. 1999 wechselte die Mutter zweier Söhne zu

Sym 4/2014

Rezensionen

mit Ehrenamtlichen und BesucherInnen Neues entwickeln. Mein Herz schlägt für Menschen, die Lust haben sich zu engagieren und damit Gesellschaft aktiv zu gestalten. Sei es in großen Bezügen oder im direkten persönlichen Umfeld.

Somit freue ich mich auf spannende Begegnungen und gegenseitige Inspiration für Neues und Bestehendes.«

Rezensionen Jean Pierre Wils, Kunst. Religion.

Versuch über ein prekäres Verhältnis.

Tübingen, Klöpfer & Meyer, 2014 einem Krankenpflegeverein nach Esslingen. Diese neu eingerichtete Stelle sollte die Bedürfnisse von Menschen in der 3. und 4. Lebensphase aufnehmen und Angebote entwickeln. Es entstanden u.a. ein Besuchsdienst und verschiedene Urlaubsangebote. Dies war nur durch das Engagement vieler Ehrenamtlicher möglich.

Parallel dazu begann Ursula Werner mit einem berufsbegleitenden Aufbaustudium der Gerontologie an der Hochschule Vechta, das sie mit einem Diplom abschloss. 2010 wechselte sie zum Evangelischen Betreuungsverein Stuttgart. Dort stand die Arbeit mit Menschen in schwierigen persönlichen Lebenslagen im Vordergrund. Die Führung von gesetzlichen Betreuungen erfordert nicht nur ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen für die Betreuten, sondern auch ein gutes Netzwerk zu verschiedenen sozialen Trägern und umfassende Kenntnisse im Bereich des Sozial-, Erb- und Betreuungsrechts.

Die Gewinnung und Ausbildung von ehrenamtlichen BetreuerInnen eröffnete ihr viele Kontakte zu engagierten Menschen unterschiedlichster Herkunft. Zu ihrer neuen Stelle, die Ursula Werner am 1. Dezember antritt, sagt die 51-Jährige: »Ich freue mich auf die neue Herausforderung beim Treffpunkt 50plus. Hier kann ich meine bisherigen Erfahrungen einbringen und zusammen

Sym 4/2014

Jean Pierre Wils lehrt Politische Philosophie und Kulturphilosophie in Nijmegen / Niederlande. Mit diesem Buch will er die These belegen, Kunst sei nicht Ersatz für Religion, sondern im besten Fall ihre Erbin, sofern sie sich ernsthaft dem Thema »Verletzung und Verheilung« widme. Der Autor möchte den religiösen Begriff der Erlösung vermeiden. Er war römisch-katholisch, versteht sich aber nicht mehr als Christ. Erhalten geblieben ist ihm die ästhetische Begegnung mit Elementen des Christentums. Er will Abstand halten zur Religion, ohne ihre Perspektive zu verlassen. Doch unter den zahlreichen Wissenschaftlern, die Wils anführt, ist kein einziger Theologe.

Wils geht Religion und Kunst bis tief in die Menschheitsgeschichte nach. Im Opferritus bewältigten Menschen mittels Gewalt die Erfahrung von Gewalt, die sie von der Natur und von Artgenossen erlitten. Hinzu kam der Mythos als Erzählung, aus beiden entstand der Kult. In ihm verbanden sich Religion und Kunst ursprünglich zur Inszenierung von Verletzungen und Verheilungen.

Von der kultischen Gestalt hat sich nach Wils die Religion aber inzwischen weit entfernt. Aktuell zeige sie sich weichgespült als Spiritualität oder hart als Fundamentalismus in der enthusiastischen oder der gewaltbereiten Variante. Ob diese Dichotomie alles Religiöse erfasst, darf bezweifelt werden.

Was Wils über die Kraft der Kunst schreibt, ist erfrischend nüchtern und gleichermaßen kritisch gegen kunstreligiöse wie kunstkritische Anwandlungen. Er hat dabei keineswegs nur die bildende Kunst vor Augen, obwohl manche Passagen das nahelegen, sondern thematisiert auch Musik (Monteverdi und Bach) sowie – vor allem im Schlusskapitel – die zeitgenössische Literatur. »Nicht zuletzt ist es das Gespräch mit den Toten, das Religionen immer geführt haben und das heute ohne unsere ästhetischen Investierungen restlos verstummen wird. Ob auch die Kunst dazu in der Lage ist, gehört zu den Fragen, die hier gestellt werden sollten. Denn im Gespräch mit ihnen, mit den Toten, werden die großen Verletzungen und die möglichen Verheilungen thematisiert. Der Dialog mit den Toten bildet gleichsam die Probe aufs Exempel.« (S. 10 f.) Nötig ist Wils zufolge eine Sprache, die die Toten aus dem Verstummen holt. Sie soll die Unverfügbarkeit des Lebens thematisieren und ein anderes nicht-funktionales Verständnis der Zeit. Wils bringt Beispiele dieses Gesprächs aus der Literatur. Ist das Zufall? Oder gibt es aus seiner Sicht keine gelingenden Beispiele aus den anderen Künsten? Darüber hätte man gern noch mehr gelesen.

Susanne Wolf

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Rezensionen, Publikationen

Friedrich Zündel, Jesus in Bildern aus seinem Leben, Leibniz Verlag, St. Goar, 2013 (469 Seiten), Neudruck der Ausgabe von 1886 Friedrich Zündel, Aus der Apostelzeit, Leibniz Verlag, St. Goar 2012, (491 Seiten), Neudruck der Ausgabe von 1886 Friedrich Zündel (1827 bis 1891), zuletzt Pfarrer in Winterthur, hat Johann Christoph Blumhardt Anfang der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts in der Möttlinger Gemeinde erlebt. Er war von dieser Erweckungsbewegung so tief beeindruckt, dass sich der junge Student am Polytechnikum Stuttgart von seinen bisherigen Berufsplänen verabschiedete und mit dem Theologiestudium begann.

Im Rückentext von »Jesus in Bildern seines Lebens« heißt es, dass Zündel »Blumhardts bester Schüler« wurde und »ihm zeitlebens verbunden« blieb: »Im vertraulichen Umgang ergründeten beide die gemeinsamen Erfahrungen und gelangten dabei zu einer tiefen, existentiellen Anschauung des Lebens Jesu und der Apostelzeit.« Zündel verstand seine Theologie, die er in drei Bänden zusammenfasste, als einen Versuch, die Theologie des älteren und jüngeren Blumhardt systematisch darzustellen, wobei er die politische Wendung des jüngeren Blumhardt um 1899 nicht mehr wahrnehmen konnte, sie allerdings in seinen drei Bänden quasi vorwegnimmt.

Die beiden Nachdrucke ergänzen als Band 1 und 2 eine Trilogie. Ein weiterer Band, der durch mehrere Neuauflagen eine große Resonanz erfuhr, trägt den Titel: »Pfarrer Johann Christoph Blumhardt. Ein Lebensbild«. Band 1 stellt weit vor jeder historisch-kritischen Forschung einen sehr menschlichen Jesus vor, der einen inneren Kampf durchmacht und mit Gott an der Menschheit leidet, die die »Freundlichkeit des Schöpfers« nicht anerkennen will.

Letztlich ist diese Menschheit, die die Schöpfung missachtet, durch und durch unfrei. Durch seinen Tod am Kreuz wollte Jesus nach Zündel erreichen, dass die Menschheit aus dieser Unfreiheit auf-

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bricht. Paulus, der im Zentrum von Band 2 steht, wird von Zündel konsequent als ein Apostel der Freiheit dargestellt: »Die Freiheit ist von allen Begriffen des Apostels der kühnste und auch das gewaltigste Proberesultat seines Wirkens.« Natürlich: Die beiden Bücher sind schwer zu lesen. Eine eingängige Alltagskost sind sie nicht. Für den theologisch gebildeten Laien sind sie dennoch interessant: Sie führen uns einen Jesus und einen Paulus vor, der von allen dogmatischen Deutungsmustern befreit wird. Das wirkt auch heute noch sehr reinigend. Und: Zündel lässt erkennen, wie sehr der Ruf in die Freiheit der Schlüssel für Blumhardts Engagement in der Gesellschaft ist. Müsste nicht dieser christlich motivierte Ruf in die Freiheit heute erneut laut werden?

Jörg Hübner

Publikationen Neu: Halbjahresprogramm (HJP) 1/2015 Das neue HJP ist erschienen. Von Januar bis Juli stehen 67 offen ausgeschriebene Tagungen auf dem Programm der Evangelischen Akademie Bad Boll. Sie wollen das Wohnen der Zukunft inklusiv mitgestalten? Sich über die Archäologie des Alten Testaments informieren? Über die ökofaire Zukunft in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft oder über Sterbehilfe diskutieren? Dann werden Sie im neuen Programm viele interessante Veranstaltungen finden. Einen Schwerpunkt bilden im nächsten Halbjahr Tagungen zur Teilhabekultur: »Kollegiales Coaching Bürgerbeteiligung«, »1 Jahr EngagementStrategie Baden-Württemberg – wie läuft´s?« oder »Zwischen Distanz und Nähe. Ehrenamtliches Engagement für Flüchtlinge« – drei Beispiele von Veranstaltungen, die im ersten Halbjahr 2015 angeboten werden.

Neu: Akademiereisen und Ferienangebote für 2015 Zwischen den Jahren kann es sehr anregend sein, sich von unseren geplanten

Akademiereisen oder Ferienangeboten in Bad Boll im neuen Jahr inspirieren zu lassen. Die neue Broschüre wird um Weihnachten gedruckt sein. Sie kann bestellt (s.u.) oder auf unserer Website heruntergeladen werden. Für das neue Jahr sind folgende Akademiereisen geplant: Jordanien (Wander- und Studienreise, 19.-30.4.), Slowenien (Wander- und Studienreise, 15.-30.5.), Israel (Fachexkursion Altes Testament, 24.5.-4.6.), Palermo-Neapel (»In der Unterwelt«, 2.8.-9.8.), Leipzig (Musiker und Revolution, 1.-5.9.).

In Bad Boll findet wieder ein Literaturseminar statt, dieses Mal zu Irland (28.-31.5.), die Ferienwoche kreativ zum Thema »Vielfalt ist bunt«, (2.-8.8.) und die philosophische und literarische Sommerakademie, 2015 zum Marxismus (29.8.-6.9.), zu Homer (7.-9.9.) und zu Platon (10.-13.9.).

Bestellungen: Sie können das HJP und die Broschüre mit den Reise- und Ferienangeboten bei uns bestellen - das HJP kommt sofort, die kleine Reisebroschüre kommt um die Weihnachtszeit: reinhard.becker@ ev-akademie-boll.de Onlinedokument »Ägypten unter neuem Regime – Von der Transformation zur Stagnation? Christliche und muslimische Loyalitäten« war der Vortrag von Markus Bickel betitelt, den er am 17. Oktober im Hospitalhof hielt. Die Veranstaltung wurde durchgeführt von der Evangelischen Akademie Bad Boll, in Kooperation mit dem Islambeauftragten der Landeskirche, Heinrich Rothe, sowie dem Hospitalhof in Stuttgart. Neben den politischen Rahmenbedingungen, die Bickel beschrieb, waren insbesondere die religiösen Minderheiten, die Frage der Verfassung sowie die Herausforderungen für den christlichislamischen Dialog in Deutschland ein Thema. Deutlich wurde: Die Bewertung der Ereignisse in Ägypten mag unterschiedlich sein, das Gespräch miteinander ist das entscheidende. Der Vortrag ist online auf der Website der Akademie.

Sym 4/2014

Aus der Akademie

Verlosung

Welche Angebote der Evangelischen Akademie Bad Boll wollen Sie gerne regelmäßig erhalten?

Bitte wählen Sie aus! Alle Angebote sind kostenfrei.

- SYM, Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll

erscheint vier Mal im Jahr (zu bestellen über unsere Website oder über Reinhard Becker, Sekretär von Presse und Öffentlichkeitsarbeit, s.u.)

- Newsletter der Evangelischen Akademie Bad Boll (zu bestellen über unsere Website: ev-akademie-boll.de)

- Halbjahresprogramm der Evangelischen Akademie Bad Boll Der am Niederrhein lebende Kulturphilosoph und Ethiker Jean Pierre Wils hat sich eines Themas angenommen, das von höchster Aktualität und Bedeutung ist: die Betrachtung des spannungsgeladenen Verhältnisses zweier prägender Kulturphänomene, der Kunst und der Religion. Seine Kernthese lautet: Neben Konflikt und Kompensation tritt die Komplementarität, die neben der Spannung auch die Berührung der Phänomene zulässt. (Josef Bordat in Titel Kulturmagazin). Siehe auch Rezension S. 27.

Wir verlosen drei signierte Bücher.

Machen Sie mit und schreiben Sie uns eine E-mail. Wir sammeln bis 19. Dezember. Dann entscheidet das Los und Sie werden benachrichtigt.

Mails, Postkarten oder Briefe an: Redaktion SYM Akademieweg 11, 73087 Bad Boll martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de

Sym 4/2014

(zu bestellen über: Reinhard Becker, Tel. 07164 79-302 oder reinhard.becker@ev-akademie-boll.de)

Flyer mit dem Ferienangebot der Akademie und mit den Studienreisen -

Impressum SYM – Magazin der Evangelischen Akademie Bad Boll 11. Jahrgang 2014, Heft 4/2014 ISSN: 1613-3714 Herausgeber: Evangelische Akademie Bad Boll (Dr. Jörg Hübner) Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Martina Waiblinger Redaktion: Martina Waiblinger Fotonachweis: akg-images / MPortfolio / Electa, S. 31; Archiv, Evangelische Akademie Bad Boll: S. 4/5; Franziska Broich: S. 16/17; Carlucci, Giacinto: S. 14; dpa: S. 23; Thilo Fitzner: S. 32; Jobst Kraus: S. 5 (2), Pathé-Film AG: S. 13; picture alliance / dpa, Marijan Murat: S. 21; picture alliance / dpa, S. 12: Hugo Ortuño; picture alliance / dpa, Bernd Weißbrod: S.11; privat: S. 15, 19, 22, 27; Günter Renz, S. 14, S. 24: Shutterstock, Unbekannt:

S. 20; Martina Waiblinger: S. 4, S.9, S. 11, S. 25, S. 26, Ulrich Waiblinger: S. 9; Uwe Walter: S. 5 (1), 6; SYM erscheint vierteljährlich.

Anschrift des Herausgebers: Evangelische Akademie Bad Boll Akademieweg 11, 73087 Bad Boll Tel. (07164) 79-0 E-Mail: info@ev-akademie-boll.de Redaktion: martina.waiblinger@ ev-akademie-boll.de Tel. (07164) 79-302 www.ev-akademie-boll.de Das Papier wurde chlorfrei und säurefrei gebleicht.

Druckerei: Mediendesign Späth GmbH, 73102 Birenbach Konzeption & Layout: Werbeatelier Waiblinger 72070 Tübingen

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Kommentar

NEIN zum Einfrieren von Eizellen Evangelische und katholische Frauenverbände fordern Umdenken Der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB), die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) und der Dachverband der Evangelischen Frauen in Deutschland (EFiD) distanzieren sich ausdrücklich von Bestrebungen wie denen der amerikanischen Konzerne Facebook und Apple, Mitarbeiterinnen das Einfrieren von Eizellen zu finanzieren.

Nach Auffassung der Vorsitzenden Ilse Falk (EFiD), Dr. Maria Flachsbarth (KDFB) und Maria Theresia Opladen (kfd) wird mit diesem Vorgehen der Unternehmen eine moralische Grenze überschritten. »Ein solches Angebot an Frauen, ihre Eizellen für einen späteren Zeitpunkt der Mutterschaft einzufrieren, suggeriert, dass Arbeitskraft und Karriere von Frauen einen höheren

Wert haben als die Gründung einer Familie oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir lehnen eine Instrumentali-sierung von Frauen zur Steigerung des unternehmerischen Profits ab«, lautet die gemeinsame Position.

Die Frauenverbände sehen die Gefahr, dass Frauen sich unter Druck gesetzt fühlen und ihre Lebensplanung aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, den Interessen des Unternehmens unterordnen. Außerdem können Frauen nicht davon ausgehen, dass eingefrorene Eizellen ein Garant für einen späteren tatsächlich erfüllten Kinderwunsch sind. Gesundheitliche Belastungen und Risiken bei diesem Vorgehen müssen stets bewusst sein. »Wir begrüßen, dass Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen

halten und fördern möchten, aber dies ist der falsche Weg«, so die Verbandsvertreterinnen.

Von Politik und Wirtschaftsunternehmen fordern die evangelischen und katholischen Frauenorganisationen, dem amerikanischen Beispiel eine deutliche Absage zu erteilen und in Deutschland mehr Anstrengungen für eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unternehmen. »Die vermeintlich frauenfreundliche Unterstützung ist auf den zweiten Blick eine Diskriminierung von Frauen und widerspricht ihrer Würde. So etwas darf es in unserem Land nicht geben«, lautet der Appell an die Verantwortlichen.

22. Oktober 2014, Pressemitteilung EFiD

Durchgeplant von der Wiege bis zur Bahre Kommentar von Sabine Menkens In den USA sind jetzt mit Apple und Facebook die ersten Firmen auf den Plan getreten, die Frauen die Eizellenkonservierung bezahlen. »Freeze now, breed later« könnte die zynische Parole lauten.

Oder auch: Erst die Karriere, nach dem Peak dann das Kind. Ein generöses Angebot, das sich perfekt einpasst in die All-inclusive-Wellness-Konzepte des Silicon Valley. Alles, was du brauchst, ist die Firma. Sie besorgt dir die Wohnung, wäscht die Wäsche, organisiert deine Freizeit, friert deine Eizellen ein. Und wenn alles gut gegangen ist, organisiert sie den weiblichen High-Potentials die Kinderbetreuung. Damit die möglichst schnell zurück an den Arbeitsplatz kön30

nen. Frauenfreundlich ist das höchstens vordergründig. Denn in Wahrheit geht es um Kontrolle. Um das Baby nach Businessplan. Um die totale Ökonomisierung des Lebens. Durchgeplant von der Wiege bis zur Bahre, ausgerichtet nach Opportunitätskosten des jeweiligen Einsatzes. Und im Zusammenspiel mit der ausgefeilten Präimplantationsdiagnostik ist dann ja auch das optimierte Baby drin, vor Einsatz in die Gebärmutter TÜV-geprüft und mit Gütesiegel versehen. Halleluja! Merkt jemand, dass etwas auf der Strecke bleibt?

Gemeint ist nicht nur die Wildheit, die Spontaneität, das Umgehen mit dem Unvorhergesehenen. Gemeint ist der

Respekt und die Demut vor dem Wunder und dem Geheimnis des Lebens. Was wir brauchen, ist nicht ein Boss, der unsere Eizellen einfriert. Was wir brauchen, sind Arbeitgeber, die das Leben kennen und ihren Mitarbeitern – Frauen wie Männern – ermöglichen, sich darauf einzulassen, statt es zu vertagen mit ungewissem Ausgang. Denn dann könnte sich herausstellen, dass man es am Ende verpasst hat.

Aus: Die Welt, 6.11.2014 (Auszug)

Sym 4/2014

Meditation

Maria und ihr Buch Bitte nicht stören!

Von Wolfgang Mayer-Ernst So richtig ins Lesen vertieft, mag man eigentlich keine Störungen. Wo man tief eingetaucht ist in sein Buch, da will man nicht unterbrochen werden, weder durch die Türklingel noch durch das Telefon. Selbst ein freundlicher Besuch ist nicht unbedingt willkommen. Auch der Besucher, der da die lesende Maria über ihrem Buch überraschen will, holt sich darum in dieser Verkündigungsszene des niederländischen Malers Rogier van der Weyden eine freundliche, aber bestimmte Abfuhr.

So mögen zumindest begeisterte Leserinnen und Leser diese Geste der Maria deuten. Als ein freundliches, aber bestimmtes: »Bitte nicht jetzt!« »Einen kleinen Moment noch!« »Nur doch diese Seite!«.

Aus kunstgeschichtlicher Sicht stimmt eine solche Interpretation der Handgeste nicht. Denn es handelt sich dabei um ein Zeichen der frommen Demut. So wie sich das für einen Altar im 15. Jahrhundert in der Kölner Kirche St. Columba gehört, für die van der Weyden seinen prächtigen Dreikönigsalter mit unserer Szene gemalt hat. Heute aber steht dieses Bild nicht mehr in einem sakralen Raum des späten Mittelalters, sondern in einem des 19. Jahrhunderts, der Alten Pinakothek in München. Und da, mitten unter all den anderen »Kulturgütern« muss auch diese Deutung der Maria als einer Leseratte, die sich nur sehr unwillig bei der Lektüre unterbrechen lässt, erlaubt sein.

Wo doch schon eine Maria mit einem Buch sich einer spielerischen Deutung verdankt. Denn in der biblischen Erzählung von der Verkündigung steht davon nichts, eine lesende Maria ist zu ihrer Zeit eher unwahrscheinlich. Und bis ins 12. Jahrhundert hinein findet sich auf den Darstellungen der Verkündigungsszene als Attribut der Maria entweder ein Wasserkrug oder eine Spindel. Beides sind fromme Ausdeutungen und Ausschmückungen der sehr prosaischen Erzählung im Lukasevangelium. Ein Hinweis auf den Brunnen, an dem Maria die Wasser der Gnade schöpft und weiterträgt bzw. an ihre Arbeit am Tempelvorhang. Die lesende Maria zeigt sich erst sehr viel später. Natürlich mit frommer Lektüre. Dort, wo man mitlesen kann, ist meist die Verheißung aus dem Jesajabuch aufgeschlagen: »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären …«

Sym 4/2014

Dreikönigsaltar von Rogier van der Weyden, um 1455, Alte Pinakothek

Bei van der Weyden können wir nicht mitlesen. Und darum liest unsere Phantasie in dem Buch der Maria, was sie will.

Doch weit aufregender als der konkrete Text ist und bleibt, dass Maria uns hier als Leserin begegnet. Nicht weil wir dann staunend feststellen, dass die Heilige eine fundamentale Kulturtechnik beherrscht. Sondern weil sie uns darauf verweist, was das Besondere an der Lesekultur ist. Dass wir eintauchen in fremde Welten. Dem Anderen, dem Fremden begegnen und uns auf ihn einlassen. Verstehen lernen. Nicht nur uns selbst, sondern auch unser Gegenüber. Denn dazu lädt ja jede Begegnung mit Kultur ein, ja fordert es heraus: dass wir nicht bei uns selbst bleiben, sondern uns eindenken in ein Gegenüber.

Es verstehen wollen. Es verstehen lernen. Ihm so in der Tiefe begegnen können.

Gott sei Dank also, war Maria eine Leserin. Denn ob sie sich sonst auf diese fremde Geschichte, mit der der Engel sie da beim Lesen stört, eingelassen hätte?

Wertvoll also sind sie, die Momente, in denen wir so versunken verstehen lernen. Um all dem Fremden, das uns begegnet, nicht mit Misstrauen, sondern mit unserer Neugier auf neuen Lesestoff zu begegnen.

Wolfgang Mayer-Ernst ist seit Juli 2014 Studienleiter im Arbeitsbereich Politik und Recht in der Evangelischen Akademie Bad Boll.

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Abs. Evangelische Akademie Bad Boll, Akademieweg 11, 73087 Bad Boll – Postvertriebsstück 64670 – Entgelt bezahlt

Reisen bildet Tarantella in Apulien

Tarantella-Musiker in einer Kneipe und in der Öffentlichkeit - auch für die Jugendlichen gehören die Musik und der Tanz zum Alltag.

Tarantella, der Spinnentanz ist ein alter Brauch aus Apulien, der seit einiger Zeit eine Renaissance erfährt. Der Biss der Tarantel ist sehr schmerzhaft. Die Heilung erfolgte durch eine dreitägige Musiktherapie, Musik mit Akkordeon, einem Tambourin und / oder einer Geige und Gesang. Dasselbe funktioniert auch bei psychischen Leiden. Junge Leute haben die Musik der Tarantella wiederentdeckt. Das Typische ist der sehr ausgeprägte Rhythmus. Heute

tanzen alle im Alter von 4-99 – vor allem beim Petrus und Paulus-Fest in Galatina im Juni. Das geht drei Tage.

Musikmachen hilft in besonderer Weise auch schwachen Schülern und Schülerinnen. Wer Musik macht, lernt, dass er oder sie wichtig ist.

Mit diesem gesteigerten Selbstbewusstsein beginnen die Jugendlichen wieder zu lernen.

Die Bilder sind von einer Akademiereise mit Thilo Fitzner im Juni 2014: »Tarantella – Apulien und der Spinnentanz«. Die Gruppe hat auch Schulen und Künstler besucht.

Die Skulptur oben zeigt die Heilung einer psychisch Kranken. Unten links und rechts: Petrus und Paulus Fest mit Prozession in Galatina/Apulien.