Ferdinand de Rothschild, Vroni, 1879

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1? r o n i



Wroni. Novelle

iöaron Ferdinand

von Rothschild.

mm

sftjtöQ * 5

Leipzig: F.

A.

Brockhaus. 18 79 .


Das

Recht der Uebersetzung

ist Vorbehalten.


^te

Abendsonne dnrchglühtc das dunkle Grün

des Waldes Stämme

mit purpurnem

der hohen Bäume

Schimmer

und hob die

kräftig und scharf hervor.

Majestätisch sank die goldene Scheibe unter den flam¬ menden Horizont , im Scheiden noch mit den mannichfachsten Farben

und Schattirungcn

wellenförmigen

Hügel

zögernden Schrittes

bemalend .

Dann

die Dämmerung

mählich ihren friedlichen Schatten

die Hänge nahte

der sich

und breitete all¬

über die Thalcbcnc,

in welcher das saubere , von dem schmalen Fluß wie von einem silbernen Reifen umschlossene Städtchen lag. Dieses ergreifende Naturschauspiel ging unbeachtet an einem Manne vorüber , der in tiefes Sinnen versunken lange auf einem schroffen Fclsenvorsprung Die

cinbrechcnde Dunkelheit

Winseln

des Jagdhundes

und

das

verweilte. ungeduldige

an seiner Seite

mahnten

ihn endlich zum Aufbruch. Vroni.

1


2 „Ja , öit hast recht , Hektar " , sagte er , das Thier streichelnd ,

„ wenn

es späte Nacht

ich

che wir

noch

länger

warte

hcimkommcn .

wird

Auf , laß uns

gehen !" Der

Hund

Munter

sprang

ließ

sich nicht

er voran .

zweimal

anffordcrn.

In

ruhigem

Schritt

folgte

ihm

sein Gebieter .

Es

wurde

dunkel .

Das

Abcnd-

roth

verblich , und

in

lieblicher

Anmuth

strahlte

Mond

am

sternfunkelndcn

derer

schaute

zu seinem

Gefühl

der

Wchmuth

sem

Eindrücke

„Nur

einen

Firmament sanften

überkam

hingcbend , hielt Augenblick

ihn ,

die¬

er

er , den Kopf

ja , Alter , wie

in

schöner Nacht

von

unsympathischen

und

Ruhe

thun

Da

schlug

mir

im

in der

Gehen

seines

noch eine

Hundes

lieb¬

freien

Natur

Menschen !

zu sein,

Diese

Stille

gepriesene

Stille

so wohl ."

plötzlich

durch

die

und

sah

geringer

ihm

unbemerkt

Entfernung

gebliebene

Kapelle .

Er

blickte auf

eine bis dahin Ein

der offenen Pforte , voran

unbedeckten Hauptes

inne.

sehr ich es liebe,

einer Glocke an sein Ohr .

bewegte sich aus

sich

da unten zurück-

daS Läuten in

und

noch , Hektar , nur

kosend , „ du

fern

Wan¬ Ein

kchrc ! Ach " , sagte

allein

Der

Lichte empor .

kleine Weile , bevor ich zu den Leuten

weißt

.

der

in vollem Ornat , und

bunter

von Zug

der Priester wallte

den


Berg

hinab

dem

Städtchen

zu .

warten , bis die Procession er

zu Hektor .

Und

verschwunden

und

der Wallfahrer war ,

Alles , was

mit

unten

von

dem

der

er geflissentlich

zu meiden . Bergstcig

bequemen

ist " , sagte

die letzte Gestalt Chorgesang

leiseste Widerhall

mehr

Weg

wieder

in Berührung

den

doch

andächtigen

setzte er seinen der Welt

wollen

angelangt

erst nachdem

nicht

vernehmen

„ Wir

So

, den

zu fort.

stand , schien

verschmähte

er selbst

die Procession

hinab-

gczogcn war , und bahnte sich neben demselben

her einen

Pfad

durch das Er

und

Gebüsch.

mochte wieder

eine gute Weile

glaubte

schon ,

sich dem

nahen , als

er das

Geräusch

Eine

Regung , über

innere

gegangen

Ende

des

leichter

Tritte

konnte , bewog ihn , abermals

bleiben . Dem

knurrenden

er eine der

Hunde

er in den Schatten weibliche

falben

luftiges

Gestalt

hcranschwebcn , die ihm

in

Sie

an ; cs war

hielt

Stelle : so hatte

betrachten .

Aufgelöst

Mondes

denn

schöpf erschien .

fallende

gebietend, .

sah

bar

ihm

Schweigen

Hier

des

Phantasiegcbildc

neben

stehen zu

einer Baumgruppe

Beleuchtung

zu

vernahm.

die er sich keine Rechcn-

schaft ablcgcn

trat

Waldes

sein

wie

mehr

wie

ein

ein irdisches

Ge¬

einige Augenblicke eine besonders

unmittel¬ steil ab¬

er Gelegenheit , sie genau wallte

ihr

dunkles

Haar

1*

zu in


4 üppiger Fülle , das blasse Gesicht umrahmend , zu den weiten Falten Er

ihres

schneeweißen Gewandes

zuckte zusammen über

herab.

den beinahe

geisterhaften

Ausdruck , welcher ihre Züge verklärte .

Aus ihren

Augen

perlten Thräncn

und hingen

lange an den

feuchten Wimpern , bis sie der zarten Fessel entgleitend gleich Thautropfen

den Boden benetzten. In der einen

Hand hielt sie einen Strauß von weißen Blumen , in der andern eine brennende Kerze. Noch lange nach¬ dem sie vorübcrgeschrittcn , sah er ihr nach.

„ Auch

sie wallfahrtet

Welch

zur Kapelle —

trübes Gehcimniß

aber allein !

birgt wol das Herz dieses schönen

Wesens ? " * *

In

dem Wirthshanse

war 's noch lange

„ Zum

goldenen Stern"

nicht Feierabend .

Im

draußen auf dem Platze vor der Hauptthür Strom

Hofe

und

wogte ein

aus - und cinzichcndcr Gäste : Bürger , Offi¬

ziere und Bauern

bunt

durcheinander .

Die

einen

kamen zum Abcndimbiß , die andern blos zum Zeit¬ vertreib ; diese aus regelmäßiger Gewohnheit , jene aus dem bcsondcrn Anlaß

des heutigen Feiertages ; die


o meisten

nur , um sich an der lebhaft

zu ergötzen .

Lautes

Reden

gelegenen Spcisesaal der Menge

auf

der Aufwiirtcr und

alles

in

, mit

den Zurufen

Gläser

und

Teller,

als mistöncndcr

Lärm

der

drang

und

Tochter , am Thcctisch

saßen.

" , begann

, „ dieses

die Baronin

Getümmel

wird

auszichcn

und uns eine Privatwohnung

denn doch zu arg .

ist ja heute nur

vierzehn

hier

dritte

, dann

Euphronie Welt

Tagen

der

du ! Wir

in Bergcnau

Feiertag .

Erst

Frühe und

lockt.

beten

unmäßig

Namen der Heiligen und Völlerei ." „Die

werden

war

so, Mama ." verweilen

erst

, und

ist

cs

dies

die heilige

die heilige Anna , und heute die heilige

, welche die Bauern

zur Schenke

jubeln

Wir

suchen müssen ."

ausnahmsweise

, meinst

Brigitte

In

mir

„Ausnahmsweise

schon der

Erde

des obern Stockwerks , in welchem zwei

„Rein , Marianne

seit

zu ebener

dem

der Eingangsstiege

, dem Klirren

Damen , Mutter

„Es

Scene

vermischte sich mit dem Geplauder

das zusammen

in ein Zimmer

bewegten

Feiertage

zur

Das

Kirche

nennen

und

sich kasteien , des So

gewähren

alle

sie Religion!

leben .

misbraucht

zum Vorwände

und

Abends man

den

für Schauspielerei

doch auch Erholung

von

der Arbeit ." „Du

bist heute wieder

voller

Widerspruchsgeist,


6 Marianne . Mir scheint, die hiesige Cur bekömmt dir schlecht und verbittert deine Laune ." Marianne lächelte. „Oder " , fuhr ihre Mutter

fort , „ verstimmt dich

die Langeweile dieses Ortes , wie sie mich verstimmt? Du hast recht, es ist hier kaum zu existircn .

Fünf¬

zehnhundert Badegäste , und kein einziger zusagender, angenehmer Bekannter „Die Jahreszeit

dabei !" ist noch nicht günstig ; die Gäste

auö der Residenz werden sich wol erst nächsten Monat hier einfindcn ." „Weißt du, Marianne , ich finde cs eigentlich sehr unartig von deinem Vetter , daß er uns noch nicht be¬ sucht hat . Greifenclan ist nur wenige Meilen von hier entfernt .

Dort

haust der Herr Graf in den Ruinen

seiner Ahnenburg

wie ein Klausner

in seiner Höhle.

Er hätte uns längst seine Aufwartung

machen sollen."

„Albrccht ist empfindlich. In seinem Stolze Verwandten

seiner Armuth und

scheut er sich vielleicht , seine reichen

aufzusuchen."

„Pah ! Ein verstockter Kopf — das ist es eben, was mich ärgert . Ich schrieb ihm gleich nachdem wir hier angckommen , und noch ist keine Antwort erfolgt. Warum Tie

ward er denn auf einmal so menschenscheu?

Welt erzählt sich doch genug von ihm ."


7 „Die

Welt

ist oft so ungerecht ."

„Mein

Kind , in

deinem

so viel

von

Welt

nicht

der

wie in dem meinigcn . nicht

Mann

haben .

,

der

mit

Ist

Träger

kennt

von

man

Albrecht

der

munkelt

eine eigene Be-

es denkbar , eines

noch

den Menschen

Ich sage dir , die Welt

umsonst ; es muß

wandtniß

Alter und

daß

ein junger

gcachtetstcn

deutschen

Namen , sich in einem Eulcnthnrme

begräbt , wenn ihn

nicht ganz besondere

bewegen ? "

Ursachen

dazu

„Aber , Mutter , du weißt ja , was ihm widerfahren ist .

Gilt

das

„Was

nicht als

höre ich ?

eine hinreichende Du

weißt

riöse Geschichte ?

Ich

seine Beziehungen

zu Amalien

„Amalie

dachte , vor

— Amalie

Marianne

und

erblaßte .

senkte den

Blick

und

„Du

unartiges

man

über

und Albrecht ! "

„ Also

arbeitete

„ Nein , ich meinte

?"

geschwiegen ."

sagte

Vermögensvcrhältnissen

dir hätte

von Crefeld

Sie

Stickerei .

Erklärung

auch um die myste¬

das

ist es ? "

hastig

an

die Aenderung

ihrer

in seinen

." Mädchen " , erwiderte

die Baronin,

„du zwingst mich zum Reden , so sehr cs mir auch wider¬ strebt !

Eigentlich

erfahren ,

solltest du von solchen Dingen

wenngleich

du

schon

die

zwanzig

nichts erreicht

hast . Nun , er war noch mehrere Wochen nach dem trau¬ rigen Ereignisse

in der Residenz

und

blieb

der bevor-


8 zugte Anbeter unserer reizenden Amalie . Auf einmal verschwand er und zog sich auf seine Burg

zurück."

„Warum ? " „Ja , wenn ich das wüßte ! Die Welt raunt sich zwar mancherlei zu; aber was die Welt sagt , brauchst du nicht zu hören .

Auch glaube ich nichts davon ."

Während der letzten Worte ward die Thür geöffnet , und unser Bekannter

leise

aus dem Walde stand

auf der Schwelle. „Himmel " , rief die Baronin liche, unerwartete und

aus , durch das plötz¬

Erscheinen ihres Neffen

betroffen

erschreckt, „ da kommt er ja wie gerufen und

mag dir nun selbst alles erzählen ." Marianne

hatte sich von ihrem Sitze erhoben.

Die Stickerei war ihrem Schoße entglitten ; ohne dar¬ auf zu achten, eilte sie dem Ankömmling

entgegen.

„Willkommen , Albrecht " , sagte sic, ihm die Hand reichend; „ wir freuen uns , dich zu sehen." „Guten Abend, Cousine ! Guten Abend, gnädige Baronin !"

Und er küßte die mit Ringen beladenen

Finger seiner Tante , welche sich von ihrer Aufregung kaum zu erholen vermochte. „Aber nein , wie du uns überrascht hast ! Als ich dich so plötzlich vor mir sah, im grauen Rock, den breitkrämpigcn

Hut über die Stirn

gedrückt, sodaß


9 fast nichts

als

der lange Bart

sehen war , hielt „Ein wird .

Was

Was

ich dich für

Gespenst , das wollten

ist cs , das Die

mir

berichten

ward

verlegen ; aber

antwortete

warum

du auf

meinen

warum

du

eher

jetzt bist du ja hier , und machen .

Im

mit

dir

deinen

thun .

Hund

In

nicht geantwortet

, und

hast

sehen

lassen .

ich dir

, damit wir

Marianne

kniete

ans dem Boden ; ihre den

sagen,

Doch

keine Vor¬

du uns

nicht

recht freundlich fängt

schon

an

zu verziehen ."

der That

braunen

schmiegte

uns

läßt , wollen

Sich ,

sic sammelte

sollst

so will

Gcgcnthcil

so bald wieder allein

soll ? "

: „ Du

Brief

dich nicht

cs gerufen

befehlen , liebe Tante?

ich Ihnen

Baronin

zu

ein Gespenst ."

erscheint , wenn

Sic

sich schnell nnd

würfe

von deinem Gesicht

das

blonden

Haaren

deö

sich an seinen

welche auf ihren Wangen

Mädchen

neben

Hektar

Locken mischten

sich mit

treuen

ThicrS ,

Kopf , um

nicht

nnd

sie

die Freude,

und in ihren

Augen leuchtete,

„So

laß doch das häßliche Thier

und bereite den

für

deinen

zu vcrrathcn.

Thcc

stundenlang

Vetter !" rief

die Baronin

.

gegangen , sieh nur

den Staub

auf seinen

Kleidern . — dir 's bequem .

Du Ich

„ Er

ist

mußt

müde

sein , Albrecht ; mache

will

dir

ein Zimmer

im Hause


10 bestellen . Doch heute ist hier alles aus Rand und Baud; wenn ich nicht selbst gehe, bekommen wir keinen Bescheid ." Sic ging — und blieb so lange aus, daß cs fast schien, als wäre sic, weil kein Zimmer im Gasthofe frei, gcnöthigt gewesen , in der Stadt Umfrage nach einem Logis zu halten. „Und wie geht cs mit deinem Befinden, Ma¬ rianne?" fragte Albrecht , als sie allein waren. „Ich danke dir, ganz gut", erwiderte sie freudig, ihm das erfrischende Getränk reichend . „Die Mutter meint zwar, ich sei schwach und krank. Ich fühle mich nur etwas ermüdet, körperlich wie geistig etwas an¬ gegriffen durch die Reihe von Conccrten , Bällen und Gesellschaften , die ich drei Winter hindurch mitmachcn mußte. Dafür bin ich nun hierher geschickt , um Salz und Stahl zu schlucken . Ach, die langweiligen ein¬ samen Gänge an den Brunnen!" „Gewiß, die Mutter irrt sich", sagte Albrecht. „Dein Aussehen ist blühend. Und von jetzt an wirst du nicht allein nach der Quelle wandern. Du er¬ laubst mir wol, dich zu begleiten, solange ich hier verweile." „Wann willst Du denn wieder fort?" frug sie schüchtern.


11 „Bin

ich doch erst eben

fragst

mich schon nach

Böses

Mariannchcn Sie

an .

dem Datum

blauen

„ Nein , Albrccht , das Du

kennst

keinen Begriff zusehcn .

Die Jahre

meiner

Abreise?

Augen

treuherzig

hast Du

mich

ja

besser ;

meiner

Kindheit

die Erinnerung

frisch in

mir

seit wir

erwachsen

getrennt .

Wie

fort .

nicht

ernst

ge¬

du

kannst

dir

Wir

bleiben

mir

un¬

an die alte

Zeit

lebt

haben

uns

wenig

sind ; die Verhältnisse

weit

du

dich verändert

ich noch nicht zu sagen ; ich aber

gesehen,

haben

bin dieselbe geblieben.

noch ,

wie du

zu uns

kamst , und

mir

Märchen

erzähltest , und mir

Spielsachen

schenktest ?

zwischen tratst

in die Kinderstube

quälte ?

nahmst , wenn Du

und freundlich .

Wenn

ich dich kommen

ich all

kleinen

Kummer ,

meinen

Knie und „Du

war

allerlei

Oder , wie du vermittelnd

und mich in Schutz

mich neckte und

uns

hast , vermag

du

Bruder

dir

machen , wie ich mich freue , dich wiedcr-

vergeßlich , und

Weißt

und

!"

sah ihn mit ihren

meint .

angekommen ,

warst

da¬ der

so gut

sah , vergaß

kletterte

auf

deine

glücklich ."

sprichst wahr , du

ändert " , erwiderte

Albrecht .

hast dich gar

nicht ver¬

„ Der

der Welt

Strudel

hat uns getrennt , ja , und uns auf verschiedene Bahnen geführt .

Mich

hat der Sturm

gepackt und zerzaust ."


12 „Blcib

nur

recht lange hier , Albrccht — falls

es dich nicht " , setzte sic hinzu , „ gar zu mächtig nach Grcifcnclan

zieht."

„ 'Nach Grcifcnclan

zieht cs mich vorderhand gar

nicht" , erwiderte er hastig. Sic

sah ihn verwundert an . Da öffnete sich die

Thür , und die Baronin „Mein

trat wieder ein.

verehrter Herr Neffe" , sagte sic mit iro¬

nischer Verbeugung , „ wir genießen die große Ehre, Sie

zum Nachbarn

zu haben .

Herr

und Fräulein

Schuber sind eben dabei . Ihnen ein bequemes Zimmer hier neben uns cinzurichtcn ." „Immer

dieselbe gute freundliche Tante " , ver¬

setzte Albrccht und empfahl sich den Damen.

Auf

der Esplanade

stunde die Schar

wogte in früher

der Curgästc .

Bcrgcnau

Morgen¬ war als

Bad erst vor kurzem in Aufnahme gekommen und bot für die rasch anwachscnde Zahl mangelhafte Die

Unterkunft

und

von Fremden

nur

kärgliche Unterhaltung.

langgestreckte Esplanade , auf

einer tcrrassirten


13 Anhöhe gelegen, war mit jungen Linden bepflanzt , die noch keinen Schatten gaben , und schwache Ranken be¬ gannen erst lose die Laube zu umziehen , in welcher die Badckapelle schlechte Musik machte. Bor der aus einem Felsen Jünglinge

sprudelnden

Heilquelle

und Greise , Frauen

drängten

sich

und Mädchen , mit

wenigen Ausnahmen wirklich Leidende; noch nicht wie nach den rcnommirtcn ältcrn Badeorten kamen nach Bergcnau

Gäste mehr zum Vergnügen

als um Ge¬

nesung zu suchen. Die Baronin

und Marianne

erschienen, von Al-

brccht begleitet . Die Tante machte ihren Ressen bald auf die Schönheiten der Natur , bald auf die Schön¬ heiten unter den Promcnirendcn ihr jedoch nur

zerstreut sein Ohr .

still einher , ihr Brunncnglas „Wir

aufmerksam .

ging

in der Hand.

müssen aber jetzt zur Quelle , Albrccht " ,

sagte die Baronin ; „ Marianne trunken .

Marianne

Er lieh

hat noch nicht ge¬

Willst du uns hier erwarten ? "

Er war unschlüssig.

Seine Blicke musterten die

Vorübergehenden ; es schien als vergebens . Dann

suchten sic jemand folgte er den Damen . Sie fanden

den Brunnen drängt .

noch dicht von Wasserbegchrcndcn um¬ „ Bleibe zurück, Marianne " , sagte Albrccht;

„gib mir dein Glas , ich werde dir das Wasser holen ."


14 Mit

Mühe

sanfte Stimme das Glas und

arbeitete

er sich vor .

: „ Erlauben

der Baronesse

gewahrte

gestalt .

an

„ Mein

Da sprach eine

Sie , mein Herr , ich werde füllen ."

den Felsen

Er

erhob

den Blick

eine

Fraucn-

gelehnt

Gott , sic ist cs !"

Außer sich vor Er¬

staunen , reichte er ihr das leere Glas . Bald

hielt sie cs

ihm gefüllt entgegen ; doch er zauderte , es zu ergreifen. „Aber

Albrecht , was

rianne ; „ so gib mir „Verzeih mädchcn

hast du denn ? "

rief Ma¬

doch den Becher !"

!"

Und

er nahm

so hastig

aus

der Hand , daß er einen Thcil

des Inhalts

ihn

dem Brunncn-

verschüttete . Die Leute um ihn her lachten

über seine Ungeschicklichkeit . Als er die Fassung gcwann , sah

er , daß

an

der Quelle

wicdcr-

zwei Mädchen

standen , welche

für

die Gäste

Die

war

eine kurze , untersetzte , kräftige

zur Rechten

Figur ,

mit

flochtcncm

starkgcröthctem Haar ,

einer

breiten

eines

gesunden

etwas

Stumpfnase

verschieden

mit

einer Bäuerin

nichts

Gestalt

Wasser

Gesicht , grellen

schöpften.

grobem

blauen

festge-

Augen

— der gewöhnliche

und

Typus

Landmädchcns.

Ganz

muthigc

das

von ihr war ihre Genossin , die

halbgebückt

Arm sich ans den bemoosten sie für die Nymphe

gemein

hatte .

Wie

die an-

mit dem entblößten

weißen

Stein

dcö Brunnens

stützte , konnte man halten . Ihr

üppiges


15 Haar

quoll in langen Locken herab . Jede ihrer Be¬ wegungen war voll Grazie . Sie stand , durch ein Gitter vor dem Andrängcn der Leute geschützt, auf einer erhöhten

Stufe

Antlitz war

wie

auf

einem

Picdcstal .

Ihr

blaß und ernst . In

dunkeln Wimpern liches Sehnen .

den schwarzen, von umflorten Augen lag ein schmerz¬ Aber wenn sic die gefüllten Gläser

darrcichtc , bewegte sich jede Muskel ihres Gesichts in lebendigem Spiel . Nähern Bekannten lächelte sie zu, und die halbgeöffneten Lippen zeigten dann perlengleiche, blcndcndwciße Zähne . Sie wurde von vielen begrüßt und schien die an sie gerichteten Worte mit Gefallen hinzunchmcn , während das dunkle Auge wie Feuer erglänzte. „Ihr wandten. „Wen

kennt sie wol ? " srug Albrccht seine Ver¬ denn ? "

„Daö Mädchen im weißen Kleide, das uns den Becher füllte ." „Freilich ; sie ist die Tochter Schuber ." „Das

unsers

Wirthes

ist nicht möglich !"

„Warum nicht ? Was hast du denn ? Sic war verreist und ist erst vor ein paar Tagen zurückgekommcn. Ich werde dir manches von ihr erzählen , wenn wir


16 allein

sind " , sagte

ist schön ,

wie dn

die Baronin

leise zu ihm .

„ Sic

ohne Zweifel

auch zugebcn

wirst " ,

fuhr sie laut fort , „ und deshalb am Brunnen ." „Deshalb

versieht sic den Dienst

— weil sie schön ist ?

Wie

hängt

das

Brunnen

ge¬

zusammen ? " „Sehr

einfach .

braucht , wird einen

Jeder ,

eingeschrieben

gewissen Betrag

von dem Wasser

der und

den

hat für jedes

zu zahlen .

Um nun

Glas

recht viel

zu verkaufen , stellt die Gemeinde

hübschesten

und

freundlichsten

der Gläser

an .

In

die Töchter

Schubcr 's —

die

Schwestern

— , und dafür

erhält

Mädchen

diesem Jahre

zum

Füllen

fiel die Wahl

beiden

Mädchen

der Vater

die

auf sind

ein Pro¬

cent von der Einnahme. „Pfui , wie abscheulich !" „Ja , ja , Bcrgcnau tiver

Ort , aber

ist zwar

„Ach , sieh diese reizende die Baronin Sie

muß

zu Mariannen

.

Toilette " , wandte

sich

„ Kennst du die Dame?

eben erst angekommcn

„Bitte

noch ein sehr primi¬

sein ."

, Tante " , unterbrach

sic Albrccht ,

wollte

sei zwar

„ du

sagtest " — „Ich

sehr primitiver

sagen , Bcrgenau Ort , aber

noch ein

wer in diesem Thale

naive


17 Unschuld und Sittenreinhcit zu finden meint, der täuscht sich gewaltig. Damit steht cs hier fast schlim¬ mer als in der Residenz ." Ein dunkler Schatten lagerte sich ans Allirccht 's Stirn . Er fragte seine Cousine: „Du mußt oft Ge¬ legenheit haben, das schöne Mädchen zu sehen , da sie doch wol im Gasthof wohnt?" „Die Mutter sagte dir ja, daß Vroni Schuber erst vor einigen Tagen wieder nach Hause kam. Ich sah sic bisjetzt selten; wenn sie nicht am Brunnen ist, muß sie im Spcisesaale mit anfwartcn." „Kann sie es wirklich sein?" überlegte Albrccht für sich, in Gedanken vertieft. „ Diese edle Gestalt, diese feingcmeißelten Züge, diese anmnthsvollcn Be¬

wegungen. . . Und doch, die Achnlichkcit ist zu groß! Aber wie seltsam: gestern Abend eine wallfahrtcndc Büßerin, und heute . . . !" Als cs wieder Zeit war, das Brunncnglas von neuem füllen zu lassen, verabschiedete sich Albrccht Plötzlich von den Damen. Verwundert schauten sie ihm nach, über das sonderbare Benehmen ihres Ver¬ wandten in verschiedenem Sinne sich äußernd, während er die Terrassen hinunter dem Gasthofc zueiltc. * * *

Lroni.

2


18

„Wie

lange

gesehen ,

Marianne

Tage

seiner

zu

ist cs mm

her , daß ich dich zuletzt

?"

Albrccht

sagte

Cousine , als

Moos

am Waldcsrande

einem

länger » Spaziergänge

niedergelassen

keine Zeit zur Antwort ich's , daß ihr sich eigentlich „Dn ihn

mich so freundlich

klaren

um deiner

der Erinnerung Sester

als

indem

sie das

nun

du

deiner

„Du

weißt

da ist , mitten ein alten

Ritter

in

Dienern „Und

Existenz

Augen

anschcnd ; „ sic liebt dich

selbst willen , sondern

glauben

magst ,

einsamen

einzigen sic

von

dir

das

du

Ahnenburg

führst ."

, wie Da

vergangener

Zeit ,

allein

und meinen

Hunden ."

dieser

Sehnst

wohl

cs mir

Hause ich wie mit

meinen

ungeselligen , thatloscn

du dich nicht nach einem

dem dn deine Talente Leben

Sohn.

beklagt ,

grünen

spricht

Wald .

„Rein , mein

auch wegen

Leben

nicht , Marianne

du bist mit

hat ."

der Mutter " , versetzte sie,

verlorenen

zufrieden ?

Felde , auf

Er ließ ihr

empfingt , mich , der

an ihren

im

.

gegen euch betragen

abgeschlossene

auf

weiche

— „ Ja wahrlich , kaum begreife

so unmanierlich

mit ihren

folgenden das

hatten , um von

auszuruhen

bist der Liebling

nicht nur

am

sie sich auf

war

vcrwerthcn

kannst ? "

zu sehr von Stürmen


19 hcimgesucht . Sich , warum-soll ich cs dir nicht mitthcilcn, Marianne? Sagtest du nicht, deine Mutter habe in mir beinahe den Sohn wicdcrgefunden ? Laß mich dein Bruder sein, laß mich dich Schwester nennen. Deine liebevolle Seele ist klar in deinem treuen Auge ausgeprägt, und ich fühle, daß du mich trotz meiner Fehler nicht unsachtest ." „Ich bin noch jung, und es mangelt mir an Weltkenntniß ; aber was ein treu ergebenes Herz bieten kann, das ist dein. Vielleicht wird es mir einst noch gelingen, dich zu verstehen ." „Daß mein Vater unser reiches Erbe verpraßte, wirst du gehört haben", sagte er, ihre Hand in der seinen haltend, „ auch wie ich in Prunk und in Saus und Braus ausgewachsen bin. Die schönste Zukunft schien mir bevorzustehen ; doch niemand kümmerte sich um meine Erziehung; ich mußte mein eigener Lehrer werden. Bald wurde ich des tollen Treibens in der Stadt müde, der Trinkgelage , der Schwelgereien , des nächtlichen Schwürmcns , dein ich mich in einem Alter ergab, wo andere in die Schule gehen und sich Kenntnisse erwerben . Ich bezog aus eigenem Antriebe die Universität. Mit Eifer warf ich mich auf daö Studium. Besonders fesselten mich die Naturwissen¬ schaften ; denn die Natur , den freien Himmel, den 2*


20 dunkeln Wald

hatte ich stets geliebt .

meinem Thun und Streben

Mitten

aus

riß mich jedoch das Gebot

des Vaters . Er drohte mir mit Enterbung , mit seinem väterlichen Fluche, wenn ich dieses nach seiner Ansicht unwürdige

Leben fortsetzte.

denz zurück.

Warum

Ich mußte in die Resi¬

soll ich dich mit dem wechseln¬

den Verlauf

des Kampfes peinigen , der meine Brust

zerspaltete ?

Es war eine beständige Fehde zwischen

Wissensdrang

und Vergnügungssucht , die letztere ward

von meinem Vater

begünstigt und von meiner ver¬

nachlässigten Erziehung . Leben widerspruchsvoll Urthcil

So

mußte sich denn mein

gestalten , und

der Welt blieb nicht aus .

schloß ich mich trotz der väterlichen Drohungen

auf

ganze Tage

das tadelnde

Manchmal

ver¬

Verbote

und

in mein Zimmer

mit

meinen Büchern und Lehrern : endlich erschlafft durch den ewigen Hader , warf Strudel

ich mich wieder in

der Vergnügungen .

meine Kräfte aufreiben .

den

Solcher Zwiespalt mußte

Nur

Eins

vermochte mich

noch vor mir selbst und vor meinem Vater zu retten. Ich suchte — und fand es." Marianne

zitterte , ihre Hand glitt aus der ihres

Vetters .

Ohne

cs zu bemerken, sprach er wie im

Traume

weiter .

Er hatte , so schien es , vergessen,

wer zugegen war und ihn anhörtc.


21 „Amalie war an einen alten ihr verhaßten Gatten gekettet— sie fühlte sich unglücklich . Ihre Beziehungen zur Welt waren fast ähnlich den weinigen. Zum ersten mal empfand ich das volle beseligende Gefühl der Liebe; ich ward innc, daß die Gcistesbethörungen, welche ich früher für Liebe gehalten, nur Zerrbilder meiner Phantasie gewesen ; ich begriff jetzt, daß es einen Zweck hicniedcn gäbe, wofür es der Mühe wcrth ist zu leben und zu schaffen— die Verwirklichung des eigenen Ideals . . ." „Nun ?" sagte Marianne, als er zögerte und stockte. „Nun , ans einem kurzen Traum voll seliger Wonne erwachte ich zur niederschmetternden Wirklich¬ keit. Amalie hatte mit meiner ernsten Neigung ge¬ spielt— sic liebte einen andern!" „Die Abscheuliche !" „Du weißt, daß mein Vater zuletzt in völligen Wahnsinn verfiel. Der Keim seiner Krankheit, von der meine verkehrte Erziehung einen hinlänglichen Beweis lieferte, entwickelte sich plötzlich zur Reife. Er mußte— so gefährlich waren die Ausbrüche seiner Wuth — einer Anstalt übergeben werden. Das ge¬ schah um dieselbe Zeit, in der ich die Untreue Ama¬ liens entdeckte , und um das Maß meines Elends voll


22 zu machen, ward ich auch von unfern zerrütteten Vcrmögensumstünden

in Kenntniß

war von Gläubigern

gesetzt.

Unser Hans

angefüllt ; und bei dem tiefsten

innern Gram , der mein Herz zerriß , mußte ich mich mit Abrechnungen , Gesetzesdentelcicn und Advokatcnkniffen befassen.

Ich

gab her , was ich hatte ; von

allen Habseligkciten , die ich besessen, blieb mir nichts; von meinem Glücke nur ein hohler Schall , von den durchkosteten Genüssen nur

eine bittere

von meinem Familienstolze

nur kränkender Vorwurf ."

„Du

Erinnerung,

mußt furchtbar gelitten haben ."

„Ja ; aber doch weniger und anders wie ich er¬ wartet hätte .

Als mir Amaliens

Falschheit hintcr-

bracht wurde , dachte ich, der Gram müßte mich tödten. Zu meinem Erstaunen fand ich indcß , daß der Verlust der Wankelmüthigcn mich beinahe gleichgültig ließ. Was ich betrauerte , war die Enttäuschung meiner süßesten Hoffnung . das Ideal

Ich hatte in unscrm Verhältniß

erblickt, nach dem ich mich sehnte.

Ich

betete es an wie eine Gottheit — es erwies sich als ein schnödes Götzenbild , das

von selbst zusammen¬

stürzte .

Ich hatte es mit der ganzen Poesie meiner

Gefühle

ausgcstattet ; zu spät erkannte ich den citeln

Wahn , und mit schmerzlicher Reue ward ich gewahr, daß nur in einem von Gott

geheiligten Glück das


23 Ideal

zu finden

verweilte Welt

sei . -

' Trotz

und besonders

Amalien

kundgcbcn .

ertrug

ich

es

nicht

mehr ;

ich

meine

alte

Ahnenburg

, das

einzige

zu

veräußern

ich der Trauer

trüben

hoffnungslos „Albrccht

ward die

nach

wollte der

einigen

Wochen mich

in

Bcsitzthum , was

gestattet

Gedanken

meiner

flüchtete

war .

um die Täuschungen

heit , meinen und

Aber

nicht

Kummers

Ich

nicht die Schmach

Niederlage

mir

meines

ich noch lange in der Stadt .

Da

lebe

der Vergangen¬

nachhüngcnd

, einsam

."

" , sagte Marianne

ein schweres Los znthcil . Vorsehung

dir

Aber

absichtlich

weiser

für

Ideal .

Wol

kannst

einem

Wege

tief

gerührt , „ dir vielleicht

hat

cs

bcschiedcn

als

Weg¬

sehnst

dich

nach

dem

du es erreichen ;

aber

nur

auf

Eingreifen

in

die Zukunft .

durch

Du

das

muthige

die Welt der Wirklichkeit . Du darfst nicht verzweifeln; du

mußt

deine

Schwcrmuth

arbeiten .

Deine

Studien

kommen ;

sic werden

das

richtige

einem

von

der Schleier hüllt , wird

Gclcis dir

nur

deine

dunkel

sich wieder

vor

dir

verstörten

zurückleiten .

Jetzt

geahnten

du

mußt

jetzt zu

gute

Gedanken

in

suchst du

nach

Ziele .

Wenn

lüftet , der deinen

jenes Ziel , wird

nennst , dir klar

abwerfcn werden

Augen

das , was stehen ."

Geist

um¬

du dein Ideal


24 Er

schüttelte

den Kopf : „ Die

Welt

haßt

mich,

ich weiß cS." „Die

Welt

ist der böse Leumund , der

meisten

schadet , weil

falscher

Scham

zu nahe ,

um

freiwillig

untergräbst

ruhig

„Marianne aber

in

führungen

wir

vor ihr

Regungen

aus

verheimlichen .

Ich

stehe dir

zuzuschcn , wie

du

dein

bist ein liebes

gutes

Mädchen;

Unschuld

des Lebens

vermagst

du

Glück

die

nicht zn begreifen .

edel , den sündhaften

Theil

Du

gut in mir

siehst nur , was

guten

am

."

, du

deiner

unsere

uns

meiner

Du

Ver¬ bist zu

Natur

zu verstehen.

ist .

arbeite

Ich

und

will noch mehr arbeiten ; aber ich fühle , daß der Trieb, der meine

Seele

wie

mit

unsichtbarer

mich zu Grunde

richten

Erfüllung

heißesten

„lind

meines der

wäre ? "

wird .

Geißel

Ich

treibt,

lechze nach

der

Wunsches ."

fragte

sie mit

,

wo

bleibst

du

suche dich ja

schon seit

einer

ganzen

Stunde

die Stimme bereit ."

der Baronin

; „ das

Abendbrot

erhob

sich das

inniger

Theilnahme. „Aber

Mit chen. den

Marianne

einem

Seufzer

Albrccht

drückte

ihr

seinen

Mund

Finger

auf

die Hand ,

denn ?

Ich

!"

rief

ist längst

holde

Mäd¬

bedeutete

sic,

legend , zu schweigen.


25 und schritt dann , ehe ihn ' die Tante

entdeckt hatte,

tiefer in den Wald hinein.

„Aber

Herr Lieutenant , Sie

wollen doch nicht

Vorbeigehen, ohne mich zu grüßen ? " „Fräulein

Vroni , Sic sind cs ? Wie konnte ich das ahnen ! Ich schlich ja so langsam wie eine Schild¬ kröte und sah immer aus das Fenster des SpciscsaalS, in der Hoffnung , Ihre

reizende Gestalt zu erblicken, und jetzt erst werden Sic mir sichtbar." „Ich saß hinter der Gardine

Ihnen

und — soll ich es

gestehen? — ja , ich wartete auf Sic ." „Sic

himmlisches Wesen , ich komme sogleich

hinein ." „Wohl , so kommen Sic !" Der Offizier

eilte ins Hans .

beweglich am Fenster .

Ihr

Vroni

blieb un¬

schelmischer Blick war

verschwunden , und um den Mund

lagerte

sich ein

schmerzlicher Zug . Sie strich mit ihren kleinen weißen Händen

ängstlich das

dunkle Haar , das

in einen Knoten geschürzt über den Nacken hcrabslvß . Jetzt


26 klopfte er an. „ Herein!" rief sie. Aber die Thür war von innen verriegelt. „ Ich wußte es; er kann warten", murmelte sie für sich hin, laut aber „Gleich, gleich!" dem Klopfenden zurufend. Sie zögerte, ihr wallender Busen verrieth den Sturm in ihrem Innern. „Soll ich, oder soll ich nicht? Er oder ein Anderer — Einer wird cs ja doch zuletzt sein." Immer un¬ geduldiger pochte draußen der Lieutenant.

„Broni, Fräulein Broni! Ocsfncn Sic, oder ich renne die Thüre ein!"

„Gleich, gleich! Ich bin mit dem Aufräumen noch nicht fertig." Dann fuhr sie in ihrem Selbst¬ gespräch fort: „ Er wird mich wieder mit seinen An¬ trägen bestürmen , und ich mag ihnen doch nicht Gehör geben." „Ich höre Ihres Batcrö Stimme", flüsterte er durch das Schlüsselloch. Das schien sie zum Entschluß zu bringen; sie schritt zu der Thür und schob den Riegel zurück. „Hier bin ich, Herr Ungestüm!" sagte sie öffnend. „Fast möchte ich schwören ", begann der Lieu¬ tenant, „ Sie hätten mit jemand ein vertrautes teteä-tete gehabt. Wäre er vielleicht durch jene Thür in die Küche entflohen? " Sie runzelte die Stirn : „ Glauben Sie, ich fürchte


27 mich vor Ihnen ?

Träfe ' Ihre

Vcrmuthung

zu , so

hätte ich Sic gar nicht eingelassen ." „Sie

reizende Zauberin !"

„Keine Redensarten , Herr von Frischte . Sic

hübsch artig

und treten Sie

ein.

Seien

Setzen wir

uns . Erzählen Sie mir , waö gibt cs Neues in der Stadt ? " „Nichts als daß ich Sic liebe." „Ich dachte, daö wäre schon acht Tage alt ." „Sic

hcrzpcinigcndcr Engel , kann man denn Ihr

Gcmüth gar nicht erweichen ? " „Gar nicht ? Hm , cs kommt nur darauf an —■ Sic versprachen mir ja , artig zu sein " , mahnte sie, da er ihre Hand

wiederholt

in

die scinige nahm.

„Ich langweile mich grenzenlos . Amnsircn Sic mich. Sagen Sie nur , wer war der fremde Herr , der heute mit der Baronin kam ? " „Das

und ihrer Tochter an den Brunnen

wissen Sie

nicht ? Er wohnt ja hier im

Hause ." „Nein , ich weiß cs nicht." „Es ronin ."

ist Graf

Grcifcnclan , ein Neffe der Ba¬

„Kennen Sie ihn ? " „Nicht näher . In

der Residenz trafen wir einige-


28 mal zusammen , bei verschicdcncn Gelegenheiten , am dritten Drte. Jetzt scheint er der reichen Baroncß Marianne nachzugehen , er will wol sein Grafcnwappcn frisch vergolden ." „Danach sieht er mir nicht aus." „Wonach nicht? Böses Fräulein Brom!" „Nach einem— nach einem—" „Nun? Ich bin neugierig." „Ich meine, nicht nach einem so oberflächlichen Menschen , wie Sic sind", sagte sic lachend. „Ich danke Ihnen für das Compliment . Sie haben sich wol schon in sein fades Gesicht vergafft? " „Ich? Was füllt Ihnen ein?" „Ja , Sie ! Mir ist er zuwider mit seinem träu¬ merischen Blick und seinen hochtrabenden Ncdcnsartcn. Freilich, Ihrem Geschlecht imponirt das. Sie brauchen die Achseln nicht zu zucken ; die erste Dame der Stadt war seine Geliebte. Er ging ihr plötzlich durch, und aus Acrgcr darüber, aus verletzter Eitel¬ keit — denn sic liebte ihn eigentlich nicht — wäre sic beinahe cingegangen ." „Eingegangcn?! — So sprechen Sie von einer Dame?" „Auf Sie, Fräulein Vroni, paßte der Ausdruck auch nicht übel. Gleichen Sie doch einem wilden


29 migcbändigtm wenn

Roß

ich glaube , Sie

haben , fliehen Sic Plötzlich Hände

Sie

und bezähmt

im Nu

davon ."

änderte

sie wieder

die ihrigen

bin ; aber

gut .

Sie

sie : „ Joseph,

„Vertrauen

Sie

mir , Vroni .

sind ,

bin

ich cs Ihnen

hält

mich

in

Bergcnau Am

in mir

ich vor,

nicht was ."

gut

.

es ; sonst

Doch geben Sie

es geht seit einiger Zeit etwas

Gegenwart

abgewandt.

wissen

reden .

zu

, und seine

will mich nicht besser stellen , als

noch weiß ich selber

Begriff

von ihm

nehmend , sagte

gut , sehr

Ich

wieder

ihre Haltung

ich nicht so mit Ihnen

Zeit .

Pampas:

endlich erreicht

mir

sich währenddem

in

würde

südamerikanischcn

hatte

ich bin Ihnen

mir

der

Tage

Wenn

noch viel

zurück ? Ihrer

Sie

mehr .

Nichts

Heimkehr

abzureiscn ; da begegneten

als war

Sie

mir Was Ihre

ich im

mir : ich sah

Sie , ich blieb , und ich bleibe ." Er

nahm

Sie

an

seine

Brust .

Sie

wehrte

ihm nicht. „Ich

bin eine schlichte harmlose

sprach sie. Weil

ich geliebt

Unsere und

„ Doch

habe .

Bürgersleute

wenden

begegnen .

Das

verzeiht

sehen mich

sich um , wenn Sie

Person , Joseph " ,

man nennt mich schlecht.

über

sie mir

Warum?

die Welt

nicht.

die Achsel an auf

der Straße

wissen wohl , daß sic nicht besser sind


30 als ich, aber sic behandeln mich streng und stolz, weil ich arm bin und der Vater mich zu niedrigen Diensten zwingt ." „Lag , weil du schön bist , schöner als alle diese BürgcrSmüdchen . In deinem einfachen Kleide über¬ strahlst du sic weit mit all ihrem Putz und Schmuck. Ach, Vroni , du bist so schön!" „So

sprachen schon viele zu mir ; und

dafür

muß ich nun leiden und büßen . — Wohl , ich will es tragen " , fügte sic nach einer Weile hinzu , „ sollten sie mich auch mit ihrem Achselzucken und ihrem Neide noch härter strafen ! Ihnen , Joseph , glauben Sie mir, bin ich recht gut ; aber lassen Sic mich jetzt!" „Tic

lassen , Vroni !

Warum ?

Warum

unser

Glück aufschicbcn? " „Ich sagte Ihnen

ja , es geht etwas in mir vor

— ich weiß selbst nicht was .

Sobald

geworden , werde ich mich mit Ihnen

ich mir klarer auösprcchcn.

Sic sind ein lieber Mensch , immer lustig und gut ge¬ launt . Sie passen eigentlich besser zu meiner Schwester als zu mir . Die -Ich

würden Sie glücklich machen, mich

bitte Sie , Joseph , lassen Sie von mir ." „Nein , Vroni , ich kann nicht von dir lassen ! ich

kann dich nicht aufgcben !" sprach er mit Erregung. In

diesem Augenblicke wurde die Thür

geöffnet,


31 und herein trat Schuber, der Wirth. Als er Vroni müßig dasitzcn sah, fuhr er auf sie los: „ Schon wieder? Schon wieder ertappe ich dich beim Nichtsthnn? Nimm dich in Acht, ich jage dich noch auö dem Haufe!" Das Mädchen erhob sich, und ihrem Vater gcgcnübcrtrctcnd, erwiderte sie mit bleichem Gesicht, aber in ruhigem Tone: „ Du weißt, ich bin noch sehr schwach , noch unfähig zum Arbeiten." „Glaubst du, ich leide faullenzcndc Nichtsthucrinncn in der Wirthschaft ? " schrie er, glühend vor Zorn, wie gewöhnlich halb berauscht von übermäßig genossenem Wein. „Ich war ja den ganzen Morgen am Brunnen, und abends werde ich wieder im Speiscsaal mit auf¬ warten." „Was ? Du willst mir noch trotzen und wider¬ sprechen , du nichtsnutzige Dirne! Wozu habe ich dir Speise und Kleidung gegeben und dich in die Schule geschickt ? Doch nicht damit du jetzt zum Tagediebe wirst? In die Küche sollst du und der Köchin helfen; sic hat alle Hände voll zu thun und weiß sich vor Arbeit nicht zu retten. Oben bei der Baronin ist Abendessen für drei Personen bestellt . Da lob' ich mir die Lina — die ist in der Küche, ohne daß ich


oo

OL

ihr 's

erst

hilfst

ihr !"

heißen

muß .

Gleich

gehst

hin

und

der Offizier ,

aus

Vroni

wich nicht von der Stelle.

„Herr

Schuber " ,

den Gastwirth lein Vroni

sagte

nun

zngchend , „ so lassen

Sie

doch Fräu¬

sich erholen ; sie ist nicht wohl .

Da , sehen

Sic , wie bleich sie ist — gönnen „Ei , was Wollen

Sic

werde

geht Sic

das

Sie

ihr jetzt Ruhe ."

an , Herr

mich lehren , wie ich mit

umzugehen heftig .

du

habe ? " erwiderte

„ Bitte , lassen

Sie

Lieutenant?

meiner

er barsch , doch weniger mich mit ihr

schon wissen , sie zu Verstände

allein ; ich

zu bringen ."

-In

dem

Mädchen

kämpfte

Offizier

sich

wendend ,

sagte

sic

mit

Stimme

: „ Bitte , folgen

Sic

dem

Wunsche

Paters

, verlassen „Wie

dem

Sie

Das

„ Wenn

er vor

schon sitzen.

uns

cs

Aber

sie nicht

so

Schuber 's

grauen

Augen

tern ? "

tobte

krampfhafter meines

er ging aus

hübsch

wäre " ,

hübsch ist sie , sehr hübsch ! " Gesicht

„Glaubst

dem

sich hin , „ ich ließe den Starrkopf

runde

blieb

Zu

jetzt ."

seine kleinen

Vroni

heiß .

befehlen , Vroni " — und

Zimmer .

murmelte

und

Sie

Tochter

erglühte

flammten

wieder,

voll Zorn.

unbeweglich. du , ich lasse mich von er plötzlich .

„ Du

mußt

dir

einschüch¬

gehorchen , du


33 mußt und wirst arbeiten,, wenn ich es befehle . Wo soll ich das Geld für meine vielen Auslagen hcrnchmcn, wenn meine Töchter die großen Damen spielen? Am Ende werde ich gar noch Mägde halten müssen zu ihrer Bedienung, während sie selbst die Hände in den Schos legen." „Ich sage dir ja, Vater, ich werde den Dienst gern wieder aufnehmcn . Ich bin aber jetzt noch zu schwach und kann nicht den ganzen Tag arbeiten." „So ? Sich mit dem Herrn Baron abzugcben, mit ihm zu tändeln und in die Fremde zu ziehen, dazu ist Zeit und Kraft da; aber wenn es heißt, in die Küche gehen, da ist's unmöglich ." „O mein Gott", stammelte sie, „ gib mir Ruhe, daß ich mich sammeln kann! — Du hast es ja gewollt" , fuhr sie ernst aber ruhig fort; „ hast du nicht den Baron stets zu mir geführt, und mich zu iljnt hingeschickt ? Sagtest du mir nicht, ich solle ihm nur gut sein und schön thun, er sei ein reicher Kunde und brächte manches Goldstück in die Kasse? Be¬ ständig gabst du mir Gelegenheit , mit ihm allein zu sein. Ach, wer war es denn, der mich um Geld, ja mn Geld an den Baron verkaufte? Wer drückte nachsichtig ein Auge zu, als ich die Folgen meines Fehlers— meines Fehlers! o du gerechter Himmel! Vroni.

z


34 — in mir

trug ?

Wer

rieth

mir , dem Baron , als cr

mich schnöde verließ , nachzuziehm

und ihn um Hülfe

anzuflehen ?

Vater , mein eigener

Wer war cs ?

Mein

Vater , du selbst ! " „Was bist von

, du

willst

Sinnen

„Ich

mich

noch unschuldigen ?

Du

!"

dich unschuldigen ? Nein ! Glaubst

du etwa,

daß ich deinen

Rathschlägen Gehör gab ? Blickte ich dir nicht in die Seele , sah ich nicht ein , daß ich dir von

Jugend

an

Gelderwerb

? . . .

nichts

gewesen als ein Mittel zum Nein " , fuhr sie fort , mit dem Aus¬

druck der hestigstm „nein , meinem

Leidenschaft

eigenen

ließ mich umgarnen den Reden

gen Himmel

Triebe

folgte

schmeicheln¬ ; an deine Zornausbrüche , an

deine Härte , an deine Lieblosigkeit mir

seine zärtlichen

Mir

entging

auch

war

Worte

die Falschheit das

wie

gewöhnt , erschienen erquickender

im Ton

abscheuliche

cr mit dir getroffen

ich vcrmnthcn

, daß

meine

Schönheit

bot !

Ich

war

Reiz

und

ihn —

liebte

gedankt , daß das

seiner

hatte .

blieb und die grausamen

Stimme; un¬

Wie

konnte

nur

einen

ein unschuldiges

Kind

ihm

jetzt bin ich erfahrener . arme

Balsam.

Ucbcrcinkommcn

bekannt , das

flüchtigen

Ich

durch die snßklingcnden

des Barons

mir

blickend,

ich nur .

Gott

sei

kleine Geschöpf nicht am Leben Menschen

nie kennen lernte.


35 die

cs mishandclt

Hütten, - wie

sie inich

war

sich, er geberbete

miShandelt

haben ." Der

Gastwirth

wie

ein Rasender .

Vroni

in ihrer

schon lange geschlichen

ein

angchört

Weder

seiner

erwiderte

hatten

Mann

die Ecke des Saales

größten

in

noch

es bemerkt ,

die cintrctcnde Theil

dieser

zwischen dem Baron Schuber

brausend

zu

deinem

ihre

Liebhaber ; warum

Vorthcil .

Er

hatte

daß sich

Dunkelheit

be¬

Unterredung

mit

und mir

Alle Mädchen

Geld

ist

darf

es nichts

cs mit

ihm

solltest und

des Orts

er sich hier

herumtrcibt

daß er arm

ist , und

Er

andere , reichere

nur

zahlte ; folglich

haben

ihm ist ' s nichts , hörst du !

haben

war

er

oder ein Geiziger. mit

dem Lieutenant

nichts

davon , daß

und dir nachläuft . heirathcn

nur

du nicht den dcinigcn

aus , und

werden ; wir

vorging " ,

und keuchend , „ war

besser als ein anderer , ein Acrmerer Jetzt

hält

Wuth

sich

hatte.

„Was

haben ?

er in

Leidenschaft

und , durch

günstigt , den

außer

Ich weiß,

wird er dich auch nicht. Liebhaber

Nimm

ab ; also mit

dir den Herrn

von

Blutzer , wenn du willst ; der hat Vermögen

und scheint

dir nicht ungcncigt .

geschwatzt;

fort

Aber jetzt ist cs genug

in die Küche !" Er ging ans sie zu , um sie gewaltsam

fortzuführen. 3*


36 „Nicht

von

der

Stelle ! "

rief

sie in

empörter

Stelle !

Ach ,

wenn

Aufregung

; „ nicht

nicht mein

Vater

wärest , wenn

Schranken

setzte !

So

ich vergeblich mir

suche.

glühenden

von

nach Von

der

die Pflicht

keine

weit hast du es gebracht , daß

einer

leisen Spur

Jugend

Farben

mir

du

ans

maltest

die Freuden

nisses ;

du

gewöhntest

Männern

;

du

kosungen

der Gäste , um

mich

gestattetest

der Scham du

in

mir

mit

eines

Liebesverhält¬

den

klmgang

an

die Tändeleien

mit

und

jede bessere Regung

Lieb¬ in mir

zu ersticken und mich um

so leichter zu verkaufen , als

die Blüte

hcranreiftc

meiner

Schönheit

und die Käufer

sich einfandcn .

Dieser

Augen , dieses

romantische

alles

haben

dir manches

geschafft .

Das

ist dir

gelungen ; aber

es ist

den Kern

zu verderben ,

der

nennt

Tasche dir

nicht

geglückt ,

meinem Herzen

üppige

wurzelt .

ich von irgendjemand

abscheuliche

abzuschließen daß

einen Heller

er

reich

kann

ist ,

und

einen eines

ich bei meiner

wie

. So

man

Goldstück

das

in

die

in

es , habe

Geld , weder Kleider wisse denn , daß jeder

unnatürliche

im Stande

ich niemals

Gesicht

Niemals , du weißt

noch Schmuck angenommen neue

Wuchs , diese dunkeln

Handel ,

den

du

wärest , nutzlos

bliebe ; wisse,

reichen

Mann

deshalb ,

weil

würdigen

werde .

Wie

Blickes

Vergangenheit

und

der

schönen


37 Erziehung, die ich genossen , jetzt auf züchtige Sitte halten! Ich kann noch lieben und geliebt werden; aber lieben werde ich nur den Mann , den ich mir selbst wähle, und wäre er ein Bettler. Nicht umsonst wandelte ich gestern Abend in die Kapelle und erbat mir als besondere Gunst, die ganze Nacht, auf dem harten Fußboden kniend , weinen und beten zu dürfen. Unter Thränen und in meiner Bittern Hcrzensnoth gelobte ich, nur dem angehörcn zu wollen, der wenig¬ stens so viel Achtung für mich hegt, daß er mich zu kaufen verschmäht . Das macht dich wol lachen? — Ach, du bist mein Vater, und ich muß dir gehorchen . Gut, ich werde arbeiten wie eine Magd, nur heute laß mir noch Ruhe, denn ich breche sonst zusammen ." Der Gastwirth hatte mit Lachen und Fluchen die Rede seiner Tochter unterbrochen . Bei ihren letzten Worten konnte er sich vollends nicht mehr halten. Der Rausch war ihm mehr und mehr zu Kopfe ge¬ stiegen und hatte sein Gehirn vollständig umnebelt. „Du bist doch nur eine Dirne trotz alles deines Großthuns", schrie er, „ und arbeiten sollst du mir, wenn du auch daran zu Grunde gehst!" Er sprang auf sie zu und wollte sie beim Arme fassen, wich aber vor dem entsetzlichen Ausdruck des Zornes und Widerwillens zurück , der ihm aus dem Auge des


38 Mädchens stürzte

cntgcgenflammte

.

Wüthcnd

und

rasend

er nach dem Tische T)in , und ehe Gras

Albrecht,

der sich zwischen die beiden warf , es verhindern

konnte,

nahm

der

Wütherich

ein

Messer

nach

seiner

Tochter .

Sie

sah

und

schleuderte

es

gegen

sich

den Stahl

gerichtet ; sie wußte , daß

sie getroffen

werden

aber

der

Fest

sie wich nicht

von

wie eine antike Bildsäule des

Vaters

Hand

erwartend .

ihren

Augen

Lippen ,

aus

achtung .

Ohne

mörderische

Waffe

ihr

Zeit

schob er

so daß die Klinge zwar

tiefe

Wunde

und

stolz

sie da , den Wurf

von

Kaum

sprühte

zuckten

und

in das Herz

nur

das

ihren

schwere ,

Ver¬

wäre

gedrungen .

Mädchen

Arm

ihre

grenzenlose

Albrecht ' s Dazwischcnkunft

zur

rechten

Stelle .

stand

müsse,

traf

doch nicht

die Noch

zur

Seite,

und ihr

eine

lebensgefährliche

beibrachtc.

Der

Anblick des Blutes

auf

die

vom

„Ich

hab 's nicht

so bös

wollte

dir eigentlich

nur

Zorn

wirkte endlich ernüchternd

berauschten

Angst

des sagte

machen . . .

ist ja nicht so gefährlich " , fügte den Arm

Sinne

gemeint " ,

Ebenso

lautlos

wie sie den Streich

sic , nachdem

entfärbte

sich ihre Wange

sic ihn

er ;

er ihr

wehrte. erwartet

empfangen .

noch etwas

„ ich

Nun , es

er hinzu , als

betastete , ohne daß sie cs ihm

verblieb

Wirths.

hatte,

Vielleicht

mehr , aber kein


39 äußeres ihr

Zeichen

tobte .

vcrrieth

„ Geh

den heftigen

auf

deine

Kampf , der in

Kammer

dir den Arm " , sagte der Gastwirth in der Küche Nachsehen " — und Kaum

waren

verhallt , so brach Wortwechsel

das

von

Mädchen ,

dem verfolgenden weiche Moos

nicdersinkt , so glitt

jeder

seiner

fast unbewußt

Weidmann am

Broni

ihr

, gewahrte

mit

frischem

und die Wunde

dann

auf

das

Sofa

bedeckte.

Nun

ging

und

und

sie eine Weile

werde

wieder

sic versuchte

das

Auges

; ihrer

selbst

sie doch , wie er führte , halb

trug,

Blut

Arme

das

vom

verband , wie er sie mit

Schwester

bei ihr bleiben

wollte

des Grafen.

seinem

er leise hinaus ; bald

er ; „ ich werde ich Sic

fühlte halb

sorgfältig legte

kraftlos

thrüncnfeuchtcn

Wasser

er ebenso leise mit ihrer „Lassen Sie

Bache

Bewegungen

Zimmer

spülte

Broni

heftigen

endlich entronnen,

labenden

in die Arme

sanften

sic auf sein eigenes dort

dem

erschöpft , zusammen.

Blick ihres halbgebrochcnen

folgte

davon.

im Gange

scheuen Rehe gleich , das , nach langer

auf

Ter

eilte verlegen Schritte

Flucht

das

verbinde

; „ ich will selbst

feine schweren

und dem Blutverlust

Dein verwundeten

und

Jagdrock

aber kehrte

zurück.

hier ruhen " , flüsterte bis

sie erwacht ; dann

rufen ." Gesicht

nach

zu sprechen , um ihm

ihm

umwcndcn;

zu versichern , daß


sic sich schon besser fühle ; aber die Lippen versagten ihr den Dienst .

Alles verfinsterte sich um sie her, die Gestalten zerronnen ihr wie im Nebel , und nach einem schwachen Seufzer

verlor sic die Besinnung.

*

Gras

von Greifenclan

hatte seine ersten Lebens¬

jahre in der Wiege des Glücks verbracht . Vortheile

An alle

gewohnt , die seine hochadelige Stellung,

verbunden mit bedeutendem Reichthum , ihm gewährte, an niemand gefesselt, war ihm seine Jugend wie ein fieberhafter Traum vorübcrgcrauscht . Das Erwachen kam Plötzlich und war um so bitterer . Weniger aus Gram

über die erlittenen

ähnlichen Täuschungen

als aus Furcht vor neuen

und damit

verknüpften

Dc-

inüthigungen zog er sich in seine einsame Burg zurück. Wie von des Adlers Horst auf hohem Felsen blickte er von da hinaus in die weite Welt . Unruhig wogte es in seiner Brust . Die Gestalten seines wahnsinnigen Vaters , seiner treulosen

Geliebten ,

seiner wankel-

müthigen Freunde

und danklosen Gefährten

vor seinem innern

Auge auf und mahnten ihn an

tauchten


41 eine Vergangenheit Er

vermochte

, die ex für

sich selbst

ob seine Entsagung

ihm

er mit

vollkommene ihm

seiner

seiner

Jugend

niemand

hatte

seine Studien

seiner

Klarheit

rathend

schönen Anlagen

auszubilden

Augenblicks

und

gerieth

von

natürlichen

stets

weiter das

und

,

demselben

mit

zustreben .

Dieses

eine

Rüstigkeit Ziel

Man

konnte ihn mit

zwar

zur Malerei

wegen

mangelnder

ständig

über

der

nische Fertigkeit sich, als

hatte

dem Antrieb

empfand

Ziel

aber

war

ihm

entgegcnnie

deutlich.

vergleichen , der befähigt

Ausdauer

Durchbildung

künstlerischen

Untreue

Gleichgültigkeit Wesen

anders

und

Intuition So

ein-

zu setzen und

opfermuthig

Künstler

er

Richtung

und

einem

des

, die ihn Lebenspfade

dennoch

bestimmte

vernachlässigt .

sich dieses

Er tappte

in hohem Grade

er Amaliens

hältnismäßige

gestanden;

gesucht .

nützlichen

znschlagcn , sich ein festes , edles

die war

die Keime

nur

Und

Ein¬

und

oft in Verirrungen

abführten .

Bedürsniß

Niemand

zur Seite

umher , folgte

immer

Das

ob

sah , war

geleitet

in der Dunkelheit

einem

kostete , und

Existenz .

in

hielt.

zu geben,

zurücksehne .

erschreckender

Leere

begraben

viel Opfer

er sich nach dem Verlorenen zige , was

immer

nicht Rechenschaft

ist , aber

die

be¬ tech¬

kam es , daß

erfuhr , über wundern

er

seine ver¬

konnte .

vorgestellt , als

Er cs in


42 Wirklichkeit

war .

Amalie

war

eine leere , flatterhafte

Natur , und

seine Liebe zu ihr nur

jugendlicher

Sinne .

Er

hatte

eine Verblendung

dieses Verhältnis

einem

überirdischen

Glanze

heimen

Begegnungen

, in den Schwüren

und

Treue ,

eigene

während

Erscheinung Leidenschaft

befähigen

könnte .

neuen

Geiste

wollte

er in

das

Amalie

glaubte

den

ge¬

ewiger

Liebe

nur

an

ihre

Keime

einer-

er

zu erkennen , die ihn zu Großem Er

einem

würdiges

welcher dachte ,

mächtigen

hinausscgcln

geschmückt ; in

mit

meinte ,

sic

beseelen ;

unter

Meer

würde

des Lebens

und durch

sie sowol

ihn

ihren

mit

Farben

und

der Thatcn

für

sie Ruhm-

als

leisten . Er sah sie wie sie hätte

sein können,

nicht wie sie war ; und als der Lichtglanz , mit welchem seine Phantasie altes

Gefühl

und

in

sie umkleidet

hatte , erlosch , kehrte sein

der Leere zurück .

seinem

Unglück

Er

dachte

ward

er auf

unglücklich,

einmal

an die

Baronin. Die und

gute Dame

hatte

ihn

als Knaben

ihn reichlich mit Kuchen und Obst

er erwachsen

war , speiste sie ihn mit

ihrer

und

Rede

möglichst

Freundlichkeit

viel mit Mariannen

sich in der Gesellschaft Vetters

wohl

.

verzärtelt

versorgt .

Als

den Süßigkeiten

Dabei

allein , und

ließ

sie ihn

diese schien

des geist - und kenntnisreichen

zu fühlen .

Alles

was Greifenclan

hieß,


43 war

von

Hause

aus

für

die Baronin

vollkommen ; außerdem

aber

gefiel

ganz besonders .

Schon

als

ihre

Wiege

sie ihn im Geiste

lag , hatte

und nachdem wandelte

er seiner

Habe

die

besorgte

Mutter

Tochter

und

würde

Mariannens

Mitgift

Aber

Albrccht

seine Burg

zu

gehen ,

lockte ihn

Vermögen

noch der

sich nur

nach der lange Theilnahme

ihrer

Er

übrige

thun.

verließ , uin nach weder

Mariannens

Person .

entbehrten

.

; denn — Mariannens

nicht auörcichcn , so

als

und

verlobt;

geworden , ver¬

das

Bcrgenau

wart

auch

noch in der

mit ihr

sollte

Liebenswürdigkeit

Reiz

Albrccht

in Gewißheit

Schönheit nun

ihr

verlustig

sich ihre Hoffnung

meinte

nothwcndig

Er

sehnte

weiblichen

Gegen¬

wußte , er werde

sich be¬

haglicher

fühlen

am Thcetisch

thuenden

Tante

und der guten Eonsine

mit den weichen

blauen

Augen

als

in seiner

einsamkeit .

Und

allein

mit Hektar

so entschloß

der nicht der Persönlichkeit deren

Burg¬

er sich zu dem Besuche,

der Damen

, sondern

nur

Einfluß

auf seine Stimmung

galt.

Dennoch

hätte

können , daß er

den Wunsch nicht

zwischen der ihm schön-

cs dazu kommen

der

Baronin

erfüllte , wäre

begegnet .

Albrccht

war

jung ; seine

Phantasie

mußte

jeder Eindruck

auf

Verlangen

gefoltertes

arbeitete

lebhaft .

so lange

von

Tief

Täuschung

und

ihm Vroni

sein


44 Herz wirken . Er hatte eine schwärmerische Verehrung für das Schöne in jeder Gestalt . Als cs ihm , durch den Reiz des Geheimnißvollen erhöht , in der Person eines weiblichen Wesens plötzlich und so ganz unvcrmuthet cntgegcntrat , zündete cs sofort eine lodernde Flamme in seiner Brust . Durch Vroni 's Unterredung mit ihrem Vater hatte er einen Einblick in ihre un¬ gestümen inncrn Kämpfe erlangt ; da stiegen neben seiner begehrlichen Liebe Nebclbilder von tausend hochstrcbenden Hoffnungen in ihm auf . Die edle Er¬ scheinung des Bürgermädchens hatte auf seinen bis zur Erschütterung erregten Geist einen unbeschreib¬ lichen Eindruck gemacht. Inwiefern

er den Gedanken

an seine nereen Ideale

mit ihr verknüpfte , und in welcher Art das Wesen beider durch den gegenseitigen Einfluß aufeinander umgestaltet wurde , wird vielleicht durch den Fortgang

dieser kleinen Erzählung

anschau¬

lich werden. *

* *

Inzwischen lag die kranke Vroni einsam in ihrer Kammer . Ihr Vater hütete sich wohl , die Schwelle zu überschreiten .

Schwester Lina und der Arzt bil-


45 beten

ihre

einzige Gesellschaft .

Erkundigungen und andern

nach

Blumensträuße aber

ihrem

jungen

Leuten

und

die Romane

Blumensträuße

Wohl kamen zahlreiche

Befinden unter

Romane

ließ

warf

wurden

sie ungelesen

Eines

Tages

ließ

sie

noch zu angegriffen

war

sich Marianne

später , als

gesehen Hütte , war Während Bewußtsein

.

Als

sie wieder

ihr

,

bleiches

sie erschrocken zurück . Arbeit

überhäuft

;

denn

zur Last , und dazu

Anforderungen Laune

gern

die Aufwartung

zu sorgen .

und

Besuche

um

erschienen.

Wenn

ohne

zu betrachten ; aber darin

dem

war

jetzt

Dienst

am

im Speisesaal

nun

hatte

Doch

erblickend,

Lina

sie für

die Pflege

war 'sie so kräftig

so frisch an Geist , daß

sie sich allen

unverdrossen

der

heitersten

Dienerin

wachte

fügte .

Wie

und eine

mit

treue

sie am Lager der Kranken , bis die Gefahr war .

zu gern

blieb Vroni

außer

ungetheilt

Schwester

,

Schwester

fiel ihr

der

amnelden;

Antlitz

Brunnen

an Körper

bei ihr

zu sich kam , verlangte

, um ihre Züge

mit

die

dem Fenster.

drei Tage

fuhr

gesendet;

sie die Baronesse

sie einen Spiegel abgemagertes

ihr

aus

diese nicht wieder

der ersten

Offizieren

liegen , und

sie gleichgültig

aber

empfangen , und

von

den Curgüsten ; auch

Vroni

zu reden

es ihr in ihrem gewöhnlichen

überwunden

versuchte , verwies gutmüthigen

sie

, aber etwas


46 barschen Tone : „ So

schweige doch still , das Sprechen

ist dir ja noch untersagt ! " Lina an

lebte nur

den Brunnen

für ihre kamen

Arbeit .

und

je mehr

Spcisesaal

zu bedienen

hatte , desto

sie.

ihren

galt

Für

seinem für

Vater

Werthe

in

baarer

sich keinen Gewinn

den Fleiß

um seiner

gut vollbrachten

aber lange

war konnte .

Gäste

sie im

vergnügter

war

jeder

Gast

nur

nach

Münze ;

Lina

aber

suchte

selbst willen

und

freute

sich des

Vroni

der

Genesung

näher;

sie noch so schwach , daß sic sich kaum Nun

chelnde Liebkosungen

suchte sie Lina

zum Reden

durch

zu sprechen , und

mit der Schwester , so verschieden

von ihr war .

Tie

verlangte

lichcrm ,

als

was

ihr

langen

Zeit

geboten

nach Andcrm

die Traumgebildc hatten .

Kopf stets von ihrer Arbeit zu sitzen , war

für

Vroni

zu erfahren

und

Marianne

Aber

Graf

von Greifcnclan

und Wirkder

Lina

hatte

Nur

letzten den ruhig

so viel war

im Stande , daß die Ba¬

noch

letztere die Cur weiter

diese auch

voll ; fünf Minuten

sic eine Qual .

und

schmei¬

zu bringen ; denn sic

sehnte sich danach , wieder mit jemand

von ihr

Leute

durch die Fremden ; sic liebte

rückte

bewegen

ronin

mehr

Tagewerks.

Allmählich

sei es nur

Je

im

Gasthofe

verweilten

gebrauche ; ferner , daß der

sic täglich zweimal

nach Vroni 's


47 Befinden

frage .

Lina

meinte ,

sie fände

das

gan;

natürlich , auch daß der Graf

in der ersten Zeit

von

Vroni 's Krankheit

bei ihrem

und

die Worte

oft

lange

belauscht

Bett

gesessen

habe , welche sie bewußtlos

gestöhnt

— Worte , die für

dagegen

sich Albrecht

mit

Lina

keinen Sinn

hatten,

bedeutsamer

Verständlichkeit

Kämmerlein

, in dem Vroni

nur

ein

Dachfenster

spärlichen

Sonnen¬

offenbarten. Es lag ;

war

das

ein enges

Licht

hineindringcn strahlen der

konnte

,

eine

Natur

doch

waren

für

die

sic nichts

als

ein Stückchen

sah und

Zuweilen

setzte sich ein auf

den

und

äußersten

nieder

Lied . Vroni

begrüßte

sie beneidete

ihn

heit .

O , wie

wol bisweilen dacht .

Sie

hätte

Jahre

reinigen

zu

eines auf

den

Zweig,

zwitscherte

sein

lustiges

ihn jedesmal

die

Im

Von blauen

Buchfink

Stunden

Apfelbaums.

mit einem Seufzer,

um seinen Frohsinn

ungestümer

Außenwelt .

Leidende .

Ast

und

Wie träge sich ihre Kräfte immer

die

Erquickung

Himmel

wippte

durch

und

langsam

seine Frei¬

dahinschlichen!

sammelten ! Immer

heftiger,

wurde

ihr

Verlangen

nach

der

Anfang

ihrer

Krankheit

hatte

sie

mit Scham

an ihre

war

dann

ihres

Lebens

können .

über

Aber

Vergangenheit

sich selbst

entsetzt

gegeben ,

um

mit

Genesung

der

ge¬ und

sich davon kam


48 auch die moralische Verblendung zurück . Den Eid, den sie sich täglich erneuert hatte, unterließ sie nun zu

wiederholen ; zuletzt lächelte sie sogar über ihre fromme Einfalt; ja als sie die wicderkehrcnde Gesundheit in ihren Adern zu spüren begann, blickte sie mit einem gewissen bittern Spott auf ihren Fall zurück . Sie wurde hart; sie klagte das Schicksal an; sie fand in ihrem Charakter, in ihrer Lage hundert Entschul¬ digungen für die begangenen Fehler. Schon brannte sie vor Lust und Begierde, wieder hinauszuziehcn in die schöne Welt, ob auch die schwachen Glieder ihr noch den Dienst versagten. Jeden Tag mußte ihr Lina über den Grafen und die Baronesse berichten . Einmal aber wurde Lina ungeduldig und antwortete auf ihre stürmischen Fragen derb und kurz: „ Was geht's dich an, was die Herrschaften treiben? Wenn dich's so danach ge¬ lüstet, es zu wissen, magst du selber zuschauen ." „Ich — wie kann ich das?" „Ei von deinem Fenster ans; da sieht man in den Garten, und in dem geht der Graf immer mit seiner Cousine spazieren ." „In unserm Garten?" erwiderte Vroni, und ihre Stimme zitterte; „ aber du weißt ja, daß mir das Fenster zu hoch ist und ich nicht hinaussehen kann."


49 „Da ist leicht zu Helsen ", sagte Lina, deren Gutmüthigkeit erwärmte und in Eifer gcrieth, sobald ihre Hände etwas zu thun bekamen . Sie legte mehrere Kissen übereinander auf einen Sessel, rückte ihn an das offene Fenster, und Vroni stieg, wenn auch müh¬ sam, hinauf. Begierig blickte nun die Genesende herunter in dm Garten. Sie sah Albrccht und Ma¬ rianne dort Arm in Arm gehen, in vertraulichem Gespräch begriffen . Wie gern hätte sic gehorcht , wie gern ein Wörtchen aufgefangen , aber es war unmög¬ lich. Sic bog ihren Kopf weit aus dem schinalen Fenster. Um ihren Hals war lose ein rothscidenes Tuch geschlungen . Das flatterte nun, gerade als das Paar unten vorübcrging, wirbelnd zur Erde. Ma¬ rianne bemerkte cs nicht; Albrccht jedoch hob es auf und richtete dann seinen Blick schnell empor, aber er sah nur, wie eine weiße Hand eben das kleine Dach¬ fenster hastig wieder schloß. Wohl wußte Albrccht, wessen Hand er gesehen, wessen Tuch er aufgehoben . ' Lange ging er stumm neben seiner Cousine und fühlte nichts als die ver¬ sengende Glut des weichen Seidenstoffes auf seiner Brust. Seine fortdauernde Anwesenheit in Bergcnau hatte die Hoffnung der Baronin zur Gewißheit ge¬ steigert, und Albrccht mußte sich mit vorwurfsvollem Vroni.

4


50 Gewissen ganz

sagen , daß

redlich

Absichten

handle ;

seiner

keinem Worte

bloße

Umstand und

denn

er merkte wenn

seiner

der

Baronin

schwätzigen

Zungen ,

erschien

doch der

Gegenwart

im

, die Er¬

und

die

in Bewegung

ge¬

zu setzen.

Albrccht 's ver¬

indeß

weder

gekränkt

so häufig

und

ihm

gegenüber mit

er cs wollte , mäßigte

wenn

er

und

leitete

die Grenzen ihn mit

der

auf

Irrwegen

weilen

litt , sie kämpfte

aber

sah .

Albrccht

ihm seinen

muthig

wol

weile .

es wirklich , wie trauten

weiter .

's

Unruhe

in

seinem

Wesen ,

leuchten

in

seinem

Oft

zu¬

frug

so lange

sic ver¬

er sagte , weil

er sich

wohler

fühlte

als

Aber

eine

gewisse

cigenthümliches

Auf¬

Verwandten

öder

sie auch dabei

in Bcrgcuau

Grcifenclan

überschritt,

sicherer Hand , wenn

Wie

sich, warum

so

Schwärmcrsinn,

Besonnenheit

sanfter

sie ihn

seinen

auch

nähren

der Welt

lange

bei

er denselben

welche jede Regung

noch beleidigt ; sie sprach

War

die

mit Marianne

zu

nicht

wohl

verlängerten

seines Verkehrs

Marianne

sehr

entgegcnkam , so genügte

wartungen

stand ,

seinen Verwandten

Tante , und

mit

Gasthofe

er an

Einsamkeit ? ein

in

Antlitz , wenn

er von dem Beruf

der Frauen

sprach — und cö war

dies ein Licblings-

thema

ihm

Argwohn .

von

vermochte

erregte

sie das Rüthsel

ihren

Doch

nicht zu lösen ; denn sie sah


51 in

Bcrgcnan

kein

weibllches

fesseln

konnte ; und

gültig

sei, davon

Lösung

des Geheimnisses

sie vermuthet

Oft

daß

war

Wesen ,

wenn

Lina

und

kam ihr

*

&

Marianne

durch

war

stets mit

Schaffen

derber

und volksmüßiger Sid

stets

heitern

als

fand

erquickt

und

innere

Kämpfe

?

blauen

er¬

thätigcn

Lina ' s

und

etwas

sie keinen An¬

an ihren

offenherzigen, und

verließ

sic

Auch an dem Tage,

Vroni 's aufgefangen Sie

ordnend .

fand

hatte,

sic allein

„ Lassen Sic

znsehen " , sagte sie ; „ es wird

stören .

Wovon

großen

An

Reden

zu Lina .

Ihnen

, ihrem

nahm

beruhigt .

reinigend

wol niemand „Matt

Natur

das Halstuch

unch eine Weile

an einem

anders , als

in der Gesellschaft

zuzusehen .

gutmüthigen

sich Marianne

im Spciscsaal

uns

Die

der Wirthschaftsführung

sogar Gefallen

und

Albrecht

begab

gleich¬

ganz

es gefiel Marianne

stoß .

meistens

völlig

hatte.

beschäftigt , und Wirken

Albrecht

sie nur zu sehr überzeugt .

schöpft war , suchte sie Zerstreuung Lina ' s .

das

sie selbst ihm

Ach, ich bin so ermattet ! "

denn ? "

fragte

Lina

Teller.

4*

und

rieb


52 „Wahrscheinlich „Baronesse nichts

t

vom Nichtsthun

! . . . und

."

das

sagen

Sie

so mir

thätig

dir nichts ? " „Warum

nicht ?

Ich

möchte

gern

cs heißt

ja , die Cur

strenge

schon hinreichend

solle sich dabei

wenig

beschäftigen ."

aber

an , und man „Pah sollten

, das

recht

sind wo'l nur

fleißig

das

ist das

Teller

und

Gläser

den lieben

langen

Ihnen wieder

arbeiten .

schadet,

Sie

einmal

wie ich

und

putzen

Tag , ich wette , die Suppe

würde

.

Wollten

abspülcn , aufräumen

schmecken und

das

Roth

käme

mir , ich beneide Sic !

Was

bleichen Wangen ."

„Lina , glauben

Sie

gäbe ich nicht für Ihre tauschte

Sie

Ihnen

besser

auf Ihre

Gerade

Was

Nichtsthun

schon

Grillen .

sein,

gleich

mit

gesunde , glückliche Natur ! Ihnen .

Auch

ich möchte

Ich gern

wirken und arbeiten , damit , wenn ich mich des Abends zur Ruhe

begebe , ich das

eine Thütigkeit sagt , » von Tage , Jahre „Ihren

anögeübt der

großen

Bewußtsein

in mir

trüge,

zu haben , welche , wie Schiller Schuld

der Zeiten

Minuten,

streicht »." Schiller

gegen , verstehe

verstehe ich nicht recht , Sic

ich schon besser , und

vor , als

ob mit Ihnen

wäre .

Bcrzeihen

Sic ,

nicht alles daß

ich

cs kommt

hin¬ mir

ganz in Ordnung mir

die

Freiheit


53 nehme " , fuhr sie fort ; „ .aber Sie sind so freundlich und herablassend zu mir gewesen , daß ich mich bei Ihnen

gar nicht fremd fühle .

es schon lange gemerkt : Sie

Nun denn , ich habe tragen

einen geheimen

Kummer in sich — da sitzt der Knoten .

Sic

so gesund wie ich, und gewiß würden Sie

auch gern

sind

schaffen und ein lustiges Lied dazu singen, wenn nur der Kummer heraus wäre . Gelt , habe ich nicht recht? Wenn Sie mir vertrauen

wollten , Baronesse

— das

Sprechen wird Ihnen besser thun als all der Krimskrains von Brunnen ." „Sie

sind ein gutes Mädchen , Lina -— "

„Ich weiß nicht, ob ich gut bin ; aber Ihnen ich ausnehmend

gut ; dafür müssen Sic mit mir wie

mit dem Beichtvater mehr Erfahrung Sie

bin

reden . . . Hab' auch vielleicht

als so ein heiliger Herr !

Sehen

mich nicht so erstaunt an ! Wie die Vroni bin

ich nie gewesen ; dafür behüte mich die heilige Jung¬ frau . Ich will ihr nichts Ueblcs nachsagen ; ihre Schuld ist es ja nicht, aber so wie sie könnte ich doch nimmer handeln .

Das

peinigen .

Also , was ist'S? " —

Gewissen

würde

mich quälen

und

„9ictn , ich kann nicht — " „Soll

ich es sagen , was Ihnen

fehlt ? . . .


54 Verliebt

sind

Sic !

Nicht ? —

nicht so aufzufahren

; es hört

„Ich

weiß nicht , was

mir

das

«du » ; cs

„Ich

weiß nur

das

ist , daß

redet

Sie

Oho , Sie

uns

ja niemand

zu ."

meinst .

Erlaub'

so viel

leichter ."

du damit sich damit

eins " , unterbrach beständig

einen Mann , den Sie

an

brauchen

sic Lina , „ und

ihn

denken , an

so sehr , so gar

den

sehr gern haben.

Sic

möchten am liebsten , daß er immer

um Sic

Sie

meinen , wenn

aufwachen , die

Zeit

werde

und

das Frühstück

Sie

gar nicht

früh morgens

kommen , bis er sich sehen läßt;

schmeckt Ihnen

nicht , und Sie

gehen vor Ungeduld . Endlich kommt Sie

recht freundlich

zu ihm

zu Liebe thun , damit

er merke

Sic

cs mit

ihm

meinen .

und

fühlt

nichts , und

Sie

ist . . .

Da

es so ungeschickt

er wiederkommt vor —

, geht

und das

„Lina , werden ? "

macht

wie

sind

Sie

oder

mit

wie

er ge¬

sich böse ,

haben , und wieder

daß wenn

wie zu¬

krank ! " du

„Gelt , ich hab ' s errathen ?

liebgehabt ,

Mögliche

fühle , wie gut

fort ,

es doch gerade Sie

alles

der Böscwicht , der

geht

angcfangcn

konntest

auch durchgemacht .

und

Aber

ver¬

er — da möchten

sein , ihm

merkt kommen

wäre;

das

alles

so gewahr

Hab ' ich's doch selber

Ei , der Mcinige

sag ' ich liebgcwonnen

hat mich wieder .

Nur

da

er


55 von vornehmen Stande

war und mich nicht heirathen

wollte , und ich mich nicht zu dem hergeben mochte, was er im Sinne

hatte , so ward nichts daraus , und

wir waren geschiedene Leute." „Arme Lina ! Warst du nicht recht unglücklich? " „Ich weiß es nicht.

Ich habe schrecklich geweint

und manchmal meinte ich, ich müßte vor lauter Kum¬ mer zerspringen .

Zuweilen

packte es mich so, daß

ich ihm gerne nachgelaufcn

war ' — ich blieb aber

doch zu Hause .

Jetzt weiß ich schon fast nichts mehr

davon , daß cs in mir so getobt hat ." „Vergessen werde ich ihn nie , und sollte ich da¬ rüber ins Grab sinken!" „Versündigen wird . . . " „Woher

Sie

sich nicht

der

Graf

weißt du , daß es der Graf ist ? Hätte

ich mich selbst verrathen !? " „Sehe

ich Sic

nicht täglich mit ihm

und be¬

merke, wie Sic bei jedem Wort , das er spricht , die Farbe verändern ? Gebe ich nicht Acht, wie Sie alles für ihn bestellen?

Nichts kann für den verwöhnten

Herrn gut und bequem genug sein. Ach du mein Gott !" „Lina , siehst du , ich habe ihn schon licbgehabt, da wir noch Kinder waren . Als ich ihn später wicdersah, wurde das Gefühl stärker , und jetzt . . .


„Kann Lina

man

in einem

diese

Männer

plötzlichen

Anfall

den Teller , den

sie abzureiben

den Tisch , daß er in Stücke kommt Und

ihm

Wesen

Weil

und warf

im Begriff

war , auf

„ So

ein Engel

er stößt ihn von sich!

den schlechten Männern

zu gut ist .

wollen das Schlechte

schrie

von Zorn

zerbrach .

in den Weg , und

warum ?

begreifen ? "

ein edles

Ja , das

würdigen

sie nicht ; die

. . .O

, die Männer

, ich könnte

sie hassen ! " Marianne zufrieden

lächelte .

geben , wenn

zieht , seiner

wcrth

ich genau .

Ich

dere ; und

doch ist hier

mit

„ Ich

wollte

mich ja

die Glückliche , die er mir

wäre .

Albrecht 's Charakter

täusche mich nicht , er liebt in Bergcnau

schon vor¬ kenne

eine an¬

kein Mädchen,

dem er umgeht ." Lina

erblaßte ; sie schritt

ab .

Dann

blieb sie wie versteinert

vor Marianne

stehen .

„ Du

Arme ! "

Plötzlich

ballte

sie die Faust

und

ich hab ' s ! „Bist

aber

sagte

hastig

im Zimmer

sie. —

auf

aber

und schrie gellend auf : „ Ich hab 's,

Pfui , pfui !" du von Sinnen

, Lina ? "

Es

wäre

besser gewesen , Lina

hätte

in

ihrer

Aufwallung

sie der Mäßigung

und Vorsicht . von dieser

„ Das

vergaß

geschwiegen;

ist einer der schlechtesten Streiche

abscheulichen

Vroni !" sagte

sie.


„Vroni ? — Was meinst du damit ? " „Ich blödsinniger Tropf ! Hat cr die Vroni nicht vor der Wuth des Vaters

gerettet ? Und hat er nicht

voll zärtlicher Angst an ihren : Bette gewacht und mich dann täglich mit Erkundigungen bestürmt ? Wahrlich, meine Schwester ist doch ein grundschlechtes Mädchen! Sie ist wie ein Magnet für die Männer sie nun auch diesen an sich ziehen !" -

. . . muß

„Was

kann deine Schwester dafür ? " sagte Ma¬ rianne , den Kopf senkend, damit Lina ihre Thräncn nicht sähe. „Gewiß kann sie dafür ! Sic hat ihn umstrickt !" rief Lina flammend vor Zorn. „Er

mag sic immerhin

liehen " , fuhr Marianne

fort , die Unterbrechung nicht beachtend; „ ich bin nicht und werde nicht eifersüchtig ; ich will ja nur sein Glück. Aber , wird sic ihn glücklich machen?

Kann sic cs,

wenn nur ein Thcil von dem wahr ist, was man von ihr sagt ? " „Unrechtes Verlangen „Wie

bringt niemals

meinst du das ?

Der

Segen !"

Funke der Liebe

kommt von Gott .

Wer weiß , welche Absichten am

Ende die Vorsehung

verfolgt !

geprüfter Mensch.

Albrecht ist ein viel¬

Vielleicht ist daö seine letzte Prü¬

fung , aus der er rein und geläutert

hcrvorgcht —


58 ein besserer Schwester

und glücklicherer

Lina

zuckte die Achseln . Wir

Sie

ist fein

und

Sie

über

schwach .

zart

, aber

wie

Doch Sie

nehmen , Fräulein

noch lange

hier bleiben ? "

doch

gemein

eine Dame

ist nicht böse, nein ; aber

zu Herzen

„Ich

habe mit ihr meine

fast nichts miteinander

hohem Stande . die maßen

„ Ich

sind wol Schwestern

so verschieden , daß wir

Mutter .

Ich kenne deine

sehr wenig ."

schwere Noth .

haben .

Mensch !

von

schwach,

dürfen sieh' s nicht

Baronesse .

Werden

Sie

weiß es nicht ; ich überlasse

es ganz meiner

Für

Heil : wo

mich

sehe ich nirgends

soll

ich es suchen ? " „Kommt

Zeit , kommt Rath ! Jetzt weiß ich selber

nicht , was

ich von dem allen

mir

bunt

ganz

vor

bestimmt , daß werde ." „Thn

denken soll , denn

den Angen .

ich der Vroni

das

tüchtig

nicht , Lina ; mir

erwiderte

Marianne

walten .

Die

mir

nicht

so ungetrübt

an

die Zukunft

allzu

zum Ertragen

mir

wohlgethan

,

mir

die

lesen

nicht ! "

Vorsehung

liegen , verflossen

, daß

ich verwöhnt Ansprüche

dir

weiß ich

zu Gefallen

große wird

mit

nur

den Text

anfstehend ; „ laß

Jahre , die hinter

Kraft

Eins

es ist

wäre

und

machte .

Die

sich schon finden .

Es

hat

zu sprechen ;

bist

ein

du


59 treues biederes thun ! " „Lassen

Herz .

Sie

Konnte

es

nur

ich doch etwas

gut

sein ,

ronesse " , sagte Lina , den Mund

für dich

Fräulein

Ba¬

verziehend , um

Schluchzen

zu unterdrücken .

„ Der Himmel

und wird

Ihnen

noch gnädig

sein ."

„Lebe

wohl

für heute ; ich muß zu meiner

ihr

ist gerecht

Mutter

hinauf ."

*

Wenige verlassen

Minuten

hatte ,

trat

sam

mußte Ihr

und

nicht zu fallen . Falten wie

nachdem Marianne

öffnete

Lina 's Schreck vor

*

sich leise die Thür

Vroni

schwacher , tonloser eine Weile schlecht ,

zu

sich an

die Wand

stützen , nm

weißes

Gewand

hing

in weiten

Gestalt .

„ Der

Vater

dem Jahrmarkt Stimme

" , begann

Es

geht mir

ich bin

noch so von kann ; aber

halt ' ich es nicht länger

ist,

sie mit

, „ und so komme ich ans

mich kaum fortschlcppeu mer

und

schritt müh¬

zu dir herunter .

und

herein .

Sie

um die abgcmagertc ich höre , auf

das Zimmer

mehr

zwar

Kräften ,

daß

noch ich

oben in der Kam¬ aus ."


60 Sic

wankte , und

als

sic sich ans den Stuhl

niederlicß , schien sie einer Ohnmacht nahe. „Tu bist cd? " sagte Lina , „ du ? " — und ihre runden Augen rollten wie Feuerkugeln. „Warum ich bin eS. stören .

sichst du mich so sonderbar an ? Ja, Habe ich dich erschreckt?

Laß dich nicht Ich setze mich hier hinter die Gardine und

schau', was ans dem Platze draußen vorgcht . Endlich sehe ich doch wieder Leben." „Der

Arzt hat dir ja die Bewegung

noch streng

verboten " , sagte Lina. „Ich lechze nach Veränderung . Wochenlang war ich da oben eingcspcrrt ; ich ertrage

cs nicht mehr,

und sollte cs mir das Leben kosten . . . " Ihre

blassen Wangen wurden noch bleicher; aber sie war von einer ätherischen Schönheit . Welch edle Anmuth in ihren

Zügen ! Welch ergreifender Reiz in jeder ihrer Be¬ wegungen ! „Sic kommt wie vom Himmel gesandt ; cs ist ein Fingerzeig von oben, daß ich reden soll." „Was

murmelst

du da ? . . .

Sage , waren

heute viele Tischgäste ? Hast du tüchtig zu thun ge¬ habt ? Lina , es thut mir leid um dich; doch warte, bald wird mir 's besser gehen , und dann werde ich doppelt mit arbeiten ."


Gl „Laß

das nur

pt

du mir

böse ? "

„Bist „Ja

!"

„Und

warum ? "

„Ä 'ömttcft „Du wieder

wahrlich

weißt

gesund

„Ach , Hülfe

sein ."

besser anwcndcu ."

ja , ich bin noch krank ; wenn ich aber

bin , dann

das

ist

nicht , meine

vier Paar

deine Zeit

verspreche

mir

ich — "

einerlei ; ich

zwei Arme

können

von deinen . — Aber

brauche mehr

du treibst

großen Unfug , Vroni , cs ist eine Schande ehrliches Haus ! Mann ,

Der Vater

wenn

er uns

behandelt , und

unser

gcnau .

Wird ' s aber

„Bist „Du ich werde

brauchst

auch nicht

der Fähnrich

als zu

für

immer

ist das

wol nicht lange

unser

zum

besten

erste in Bcr-

mehr

bleiben ."

?

Rede , was

hast du ? "

mich gar

nicht dazu

aufzufordern,

schon von selber reden .

dem Hauptmann

thun wirklich

ist doch ein rechtschaffener

Gasthaus

du von Sinnen

deine

Also .

Alö du mit

umgingst , sagte ich nichts ; wie sich

mit dich bewarb

und du ihn

machtest , daß er in den Krieg

so verrückt

zog und sich erschießen

ließ , drückte ich eine Auge zu ; von der Geschichte mit dem Baron

will

ich gar

nicht

sprechen .

Jetzt

aber

sag ' ich : Halt ! " „Daß

ich ein Abscheu der Menschen

bin , du hin!i


62 gegen das genug

Muster

aller Tugend , das

vorgchalten , liebe Lina !

daß ich dir so wenig gleiche .

hast du mir

Ich kann nichts Danke

oft

dafür,

dem lieben Gott,

wenn

du willst , daß er dich so geschaffen hat , wie du

bist .

Wo

du

wahrlich

aber

heute hinaus

willst , das

sehe ich

noch nicht ."

„Schau , Vroni , ich will mich nicht ereifern . bist meine Welt .

Schwester , und

Die

Mutter

wir

stehen allein

ist tobt , der Vater

Du

auf der

ist — nun,

wir

wollen

vom Vater

nicht reden .

Ich

bin um

ein

paar

Jahre

älter

du

das

Recht ,

dir

als

meine

Meinung

nicht

schelten ; nur

und

zu sagen . um

habe

Aber

einen

Vroni

hatte

aber

schneller

ich dich

bis dahin ziemlich zerstreut

zugehört.

glänzten

und

„Das

mir

Zittern .

eine

!"

Augen ,

ihr

ganzer

Körper

So

schritt

Athem

ging

gcricth

sie ans

in

Lina

fast erschreckt cntgcgcnsah.

Leben , das

Tod ! " begann ist

ihre

schwerer , ihr

ein krampfhaftes zu , welche ihr

ich dich

will

bitten : Laß ab von dem Grafen

Nun

jetzt will

Gefallen

du führst , wäre

für

sic ; „ die Arbeit , die dir Freude Last .

du nicht und wirst

Was

lieben

heißt , das

du nie verstehen .

Räthsel , wie du crrathcn

Es

mich der macht, verstehst

ist mir

ein

konntest , daß ich den Grafen

liebe ; doch kümmert ' s mich wenig ."


63 „Du mu ßt von ihm .ablassen!" „Ich weiß nicht, was du willst. Hab' ich doch noch kein Wort mit ihm gewechselt . Für mich ist die Liebe Speise und Trank. Ich bin so matt und elend, daß ich mit dir kaum reden kann: nur meine Liebe erhält mich. Als ich Albrccht zum ersten mal sah, fühlte ich sogleich , er werde von entscheidendem Ein¬ fluß auf mein Leben sein. Er erschien mir in meinen Träumen, ich nannte ihn in meinen Gebeten. Als er mich aus der Hand des Vaters errettet hatte und ich an seiner Brust ruhte, da fuhr es mir wie ein Gewitter durch die Glieder, trotz der schmerzenden Wunde. Auf meinem Krankenlager schwebte mir sein Bild vor Augen, in meinem Geiste lebt es unaus¬ löschlich . Ihn zu sehen, ihn zu sprechen , ihm zu danken und — o Gott! wenn cs möglich wäre — von ihm geliebt zu werden, das ist mein einziges Flehen und Sehnen." „Unglückliche ! Wahnsinnige!" „Nenne mich wie du willst. Was liegt mir am Leben, was am Urthcil der Menschen ! Frage den Vater, was er aus mir gemacht hat, wenn du mich nicht begreifen kannst." „Und hat er es nicht mit mir ebenso anfangen wollen wie mit dir?"


04 „ Wirst

du denn niemals

bist wie Stein , während Liebst

du ?

Nein .

Sehnsucht

cs in mir

Aber

nach Liebe ?

nach Zärtlichkeit

?

ich

liebe ! dn

Was

kennst !

daß

Fühlst

Wunder Ich

aber

die

also ,

daß

werde

wie

getrieben , ich kann nicht von ihm lassen ." denn nichts dich zurückhaltcn ?

andern

Geliebten

nicht den Grafen „Also hörcn !

du

je ein Verlangen

„Kann einen

dn kalt

siedet und glüht?

Hast

Nein .

du keine Versuchungen von Geißeln

cinschen ,

das

; erjage

— jeden

andern , nur

war

Eine

cS ?

Sage , liebst du

„Ich ? —

Du

ihn

solltest

Erjage

dir

dir wen dn willst , nur nicht den ! "

Predigt

soll ich an-

etwa ? " mich

doch besser kennen!

Aber ein anderes

Mädchen

liebt ihn , ein zartes , gutes,

treues

Mädchen .

Sie

ihr

gesetzt.

Folgt

^So

ist

mag

Doch

reich

Stande

ganzes

Glück

auf ihn

er einer andern , so geht sie zu Grunde ."

ich entsagen ? Kind !

hat

sic zu Grunde Es

sic ist jung

und wird

und

hat

die Welt

und

kann

unter

Was

aber

alles

genommen :

habe

ich ?

Warum

soll

Das

arme

Darum

lange

bin

vor

sich trösten .

Sie

?

sich.

Sie

den Vornehmsten Nichts !

ich bin

und gemieden . ich jung

gehen !

ist wol die Baronesse

arm ,

Die

will ich lieben und

schön .

Welt

ich bin

Bald

ist

von

wählen. hat

mir

ausgcstoßen

und

leben , so

genug

wird


65

Kummer das Alter herbeiführen , und mir nichts bleiben als die Erinnerung. Soll ich auf mein Glück verzichten ? Nein, ich will's ergreifen, da ich's noch zu genießen vermag." „Und meinst du, daß diese Liebe dich beglücken kann? Was wird das Ende sein? Gleichgültigkeit, Widerwille, Haß auf beiden Seiten! Laß ab von ihm, Broni — liebe Vroni!" „Du sprichst als ob das allein bei mir stände. Wie aber, wenn er mich liebte; wird er mir so leicht entsagen? Glaubst du das wirklich? Und ich weiß, daß er mich liebt; ich lese cs in deinen Mienen. Sieg , Sieg ! Er liebt mich! — Lina, wie bedanrc ich dich , daß du so gänzlich unfähig bist, auch nur ein wenig von dem Glück zu empfinden , das mich beseligt, das mich mit unaussprechlicher Wonne durchbebt ." „Wenn das arme Kind gestorben sein wird", sagte Lina weinend , „werd' ich dir eine Locke von ihrem Haar bringen— zur beglückenden Erinnerung an das schuld¬ lose Opfer, das deine Liebe, wie du cs nennst, ge¬ fordert hat. — Arme, gute, reine Marianne!" Auf Vroni's Gesicht zuckte es wie von Schmerz. Ihre dunkeln Augen färbten sich noch dunkler, und der Strahl des Jubels, der in ihnen geglüht, erlosch unter den aufquellenden Thränen. „Ja , du hast recht, Broni.

5


66 ich bin

ein verworfenes

nicht , Lina !

Die

Wesen ; aber

Zukunft

nicht ,

Schwester ,

gebe .

Und

daß

ich mir

für wen ?

keine Gemeinschaft

wird

Für

habe .

schlecht bin ich

es lehren .

Verlange

selbst

Todesstoß

den

eine Fremde , mit der ich Wohl

weiß ich , daß mein

Wandel

tadelnswerth

gewesen .

Aber

die

heilige

Jungfrau

wird

heiße Reue

und Buße

gnädig

meine

annehmen ; täglich Bilde ,

daß

Wunderbar

bete ich voll

sie mich fühle

selbst

gerüstet .

verläßt

mich wieder

Es

war

Mädchen

beschütze ,

ich mich

sie habe mich erhört

sie

gestärkt

ach , bei jeder

ihrem

mich

rette.

und meine, mit

neuen

mir

Prüfung

die Kraft ! "

unterdessen in

daß

dann

vor

und mich zum Kampfe

Aber

saßen

Inbrunst

der

spät

geworden .

dunkeln

Stube

Die

zwei

beisammen.

Lina

suchte noch eine Zeit lang auf ihre Schwester einzuwirken , bis sic durch die Magd , welche mit Licht ein¬

trat , unterbrochen in ihr ihr

wurde .

stilles Kämmerchen

Vroni

wankte

und sank dort

Lager.

*

* *

nun

hinaus

erschöpft

ans


67

Alle Straßenecken

Bergcnans

bunten

Plakaten

Schrift

eine hochwichtige

Geringeres

des Landesherr stattsinden

eine glänzende günstiger

werde ;

abgebrannt einen

die

Hälfte .

Es

halben

verkündeten , nichts

Kapelle

zngesagt , und dem Balle

werde

des Gartens

Eintrittsgeld

Gulden , für

die Damen

lockende bereitete

öffentlichen

Anzeige

Aristokratie

gemeinschaftlich

mit Tanz

Ausnahmen Bergcnans

der Cnrgäste

vor. in der ,

wo

sich hcrablicß, in

demselben

und Baroninnen

die Berührung

Frauen

der

nicdern

sie wurden

auch

von

strömte ,

mächtig.

.

mit

Blut

nur

znsammenzukommen

daß Gräfinnen

diese

betrage sogar

wirkte

den Bürgerlichen

nur

wie

Bei Feuer¬

sich auf die Lustbarkeit

Vergnügungen

die weibliche

zum

folgen .

werden ; das

ja auch eine der seltenen

Liste der

Saale

fetter

solle auch ein prachtvolles

Die

und Klein war

auffallender

die Brombergischc

Beleuchtung

Witterung

nur

Groß

in

Nachricht

», ein großes Fest im Schützen¬

habe ihre Mitwirkung

werk

die

mit riesigen

nämlich , als daß am 18 . August , dem Ge¬

burtstag hause

beklebt ,

waren

ergriffen . schlugen

Bürgcrklasse demselben

Die

nicht

nicht

scheuten,

VcrgnügnngSstrndcl

Herzen ,

nicht

Aber

minder

in

denen

blaues

erwartungsvoll


68 wie

die

der

Sorgfalt

schlichten

wählten

voll wetteiferte Mode

Bürgerinnen

sie ihre

.

Toiletten

Mit

gleicher

, und geheimniß-

man , so streng als möglich der neuesten

zu huldigen .

Bcrgcnaus

sich für

diese Gelegenheit

stattct .

Aus

der

Putzhandlungen

frisch

Residenz

und

waren

hatten

reichlich nicht

ansge-

nur

Kisten

mit Bändern

und Blumen , sondern

auch Wagen

voll

Nätherinncn

eingetroffcn

nur

zur

Arbeit

hatte , war

Auch Taumel

die

mit

gute

mit

,

und

Nadel

beschäftigt.

hatte

allgemeine

Sic

der

entschloß

Feste beizuwohnen , und hieß Marianne lette

sorgen .

Diese

folgte

für

sich ,

dem

ihre

Toi¬

der mütterlichen

ohne Widerspruch , doch gleichgültig Unglaublich

Finger

und Zwirn

Baronin

hingerissen .

was

Weisung

und theilnahmlos.

erschien cs , daß sogar Schuber

Familie

Befehl

konnte

man

cs ein Wunder

wirth

machte

kein Hehl

gab , den Ball

daraus , daß ihm

dergleichen

wie

Tanzen

und

Feuerwerk ,

seien .

seine

Töchter

zu

einem

gehen wollten , erhielt

jedesmal

nur

sich dann irgendeiner

din anschließen .

so dieses mal .

Nicht

auf

wollte

sie begleiten.

den Ball

gehen ,

und

verhaßt

Tanzkränzchen

eine die Erlanb-

niß , und sie mußte

sollten

wol

nennen , denn der Gast-

Lustbarkeiten , Wenn

seiner

zu besuchen , und

guten Freun¬ Beide Mädchen

der

Batcr

selbst


69 Woher diese Plötzliche Umkehr in der Handlungs¬ weise des Gastwirths? -Die Antwort lag ziemlich nahe.

Wie alle niedrige, rohe und gemeine Naturen sich eigen¬ willig und herrisch geberden , wo ihnen nichts im Wege

steht, aber um so unterwürfiger sich beugen, wenn ihnen ein überlegener Geist entgegentritt , so unterlag Schuber dem gebieterischen Eindruck des Grafen Albrecht. Gewöhnlich vermieden es die zwei Männer, sich zu begegnen oder miteinander zu sprechen ; dieser, weil er den andern verachtete , jener aus Feigheit. Schuber fühlte, daß der Graf ihn durchschaue ; er ge¬ stand sich mit Scham und Entrüstung, daß er, ohne es zu wollen, ohne zu wissen wie und warum, dessen Winken gehorchen müsse . Es empörte ihn, und er stieß, wenn er allein war, Drohungen und Flüche gegen denselben aus. Kam er ihm aber von ungefähr in den Weg und ruhte Albrccht 's forschendes strenges Auge ans seinen lauernden Gesichtszügen , dann er¬ bebte er und schlich , den Meister über sich erkennend, scheu und wie gebrochen davon. Zwei Tage vor dem Schützenhausballe war er mit seinem Gaste — und nie hatte er einen ihm unliebsamcrn beherbergt— in dem schmalen Hausgange zusammengetroffen . Der Graf hielt ihn an. Ein Ausweichen war unmöglich. „Nicht wahr, Herr Schuber, Sic werden Ihre beiden


70 Fräulein

Töchter

können

gar

auch

nicht

Vroni 's Genesung Das

Blut

auf

das

umhin , Sie

Fest

stieg dem Wirth

: „ Ja

Absicht ."

sagte

Albrecht

einmal

über

ist

ging

.

andere

Gesicht .

Laut

aber

Herr

Schuber ! "

Der

Wirth

und schalt sich Tropf , einen

habe

immer

noch darauf , er werde

cinschüchtern

er sich wieder

lassen .

Zwar

einen

rechnete

seine Zusage

zu umgehen , und können , inzwischen

den erstaunten

Mädchen , sich zu dem Balle

herrlicher

hinaus

ins

und

aber

befahl

Abend

lockte alles , was Augen

zum

Die

bürgerliche

.

er doch, zu rüsten. nur

Füße

Sehen

hatte,

Welt

um kleine runde , mit Bier - und Weingläsern Tische

beisammen ,

verschiedene Gruppen des

Saales

Lieutenant

während

Einige

von Frischte , flatterten

saß

besetzte

die Badegesellschaft

gesondert , die Winkel

einnahm .

er

finden,

so seine Selbständig¬

gesunde

Schützenhaus

von dem

Vorwand

keit behaupten

Tanzen

aber

vor die Stirn

Grafen

zum

stammelte

einen dummen

Esel , eine feige Memme , weil

Ein

Nein,

Graf ; es war gleich

recht ,

weiter .

der Faust das

ins

wohl , Herr

„ Das und

schlug sich mit

doch Fräulein

zum Henker , nein ! —

so brauste es in seinem Innern

meine

Sie

feiern ."

ich denke nicht dran ; gehen Sie

er die Antwort

führen ?

müssen

,

in

und Ecken

Offiziere ,

darunter

umher

und unter-


71 hielten

die Verbindung

menschlicher ihren

Wesen .

Großthaten Der

Die

und

Saal

war

und hochgewölbt . über

reichte

zwischen

ein

Tänzer

Siegen

links

Damen

.

An der Wand

dem Eingänge

gegen¬

breiter

bis

Spiegel

standen

Die

, daß jeder

reise

Fahne

sich Kränze

von

deren

saßen

zierten in

Gast

bei seiner

Ab¬

als

Andenken

dem

der weißen

Die

Toilette . ; sie trug

zu ihrem stand .

ans

Tochter

der Residenz .

trefflich

des Saales

Immergrün

und Marianne

Sie

Ausnahme

für

jungen

wanden

und Wand

frischen mit

guter

hervortraten.

Gräfin

auffallender

Ruhesitz

mit ihren

Um diese Trophäen

dunkelm

Die Baronin

ihr

Wände

Landes

, welche auf

gekommen .

ans

zum

Nationen . Es war Sitte

seines

hinterließ .

$.,

war . Rechts

vermögende

Schützcnhansc

Farbenwirknng

den Boden,

verwandelt Divans

andern

Bcrgenan

Feldblumen

an

und Distinction

der verschiedensten

die

sich zu

Form

davon

Sprößliugen

bereiteten

länglicher

von Rang

Fahnen

Olla - potrida

vor.

geräumig , von

der dort in ein Blnmenparterre und

dieser

waren

einem und

Nur

ein Kleid

zarten

Teint

Die

Baronin

Divan

einigen

Damen

ziemlich früh neben

Freundinnen

erschienen

Marianne von blauem und

blonden

der

in reicher

machte

eine

Mull , der Haar

und die Gräfin

vor¬ unter-


hielten sich damit , daß sie die anwesenden beobachteten

und

anstauschten . einsilbiger ihre

zu .

Die

den jungen

rollten

Tänze

kungen

über

gegeneinander ging

noch sehr

cs

jung;

schon recht erfahren nach

begriffen , und sie ver¬

nicht , als

cngagirt

wurde .

die Offiziere

und

brccht , der , in einer

scharf

auf Entdeckungsreisen

Männern

auch ihre Freude

nächsten

Gäste

Mädchen

war

aber

umher , offenbar jungen

lebhaft

Comtesse

Augen

iutcrcssanten hehlte

Kritiken

Zwischen

braunen

im Saale

ihre

sic zu mehreren Ihre

freien

namentlich

der

Bemer¬ über

Al-

Ecke des Saales

stehend , eifrig,

wie es schien , mit dem Bezirksvorsteher

sprach und die

Damen

vollkommen

ignorirte

nicht geringe

Verlegenheit

eignet , ihre

gedrückte

Es worden mäß

mochten

Gesellschaft

nun

Schuber

Er

selbst , im Ballanzng

imponirende

mit

getanzt

des Vortünzers

ge¬

der

die

und Kuchen labte .

Da

zwei Töchtern

in den Saal.

, war eine mehr lächerliche als

Erscheinung . Auf die unbeholfenste

Weise

er sich in dem neuen Frack , den er kaum drei¬

im Jahre

Mädchen

ge¬

zu heben.

kleine Panse , während

seinen

in

sehr wenig

drei oder vier Tänze

sich an Gefrorenem

trat

mal

Stimmung

bereits

eine

fetzten Marianne

und waren

sein , und der Anordnung

folgte

bewegte

,

hatte

anzog .

Vor ihm ging Lina .

sich tüchtig

aufgepntzt .

Rothe

Das

gute

Bänder


73 umflatterten

sie ; das gelbe Kleid war mit dicken blauen

Kornblumen

und farbigen

Schleifen

der geschmacklose Anzug glänzende prägten

Roth

überstrahlt Zuletzt

ihrer

Wangen

Züge wurden und

kam

Vroni . in

Atlasbande

, das

und

ihre

stark ausge¬

durch die grellen Farben

daher

treu , ganz

bedeckt. Doch paßte

zu ihrem Aussehen , denn das

Weiß

in

ihrem

Sic

war , ihrer

Ausdruck

gekleidet .

desselben gemildert.

Licblingsfarde

Außer

einem

weißen

durch ihr

üppiges

dunkles

Haar

ge¬

flochten war , und

einigen

weißen

Blumen

, hatte

sic

keinen

sich.

So

Zierrath

das

Eintreten

so

leicht

an ihres

und

Vaters

natürlich

Ihr

Lina

hatte

bereits

Geiste

sich ihre

ferne

zugewinkt , das

Blick

Blicke

durch

noch nicht zu erheben

lief ,

schen auf sie gerichtet

waren.

•w

Mariannen

mit

als

vermochte

von Hunderten

Ecke des Saales

gemustert ,

gewundert , das

die Gesellschaft

steuerte

Geistern

im von

bleiche Antlitz Albrecht 's bemerkt,

fühlte , daß die Augen

Schuber

Sie

gesenkt am Boden. Saal

ausgesucht ,

und sich über das Murmeln Eintritt

war,

sich Vroni .

haftete

ganzen

Tänzer

linkisch

sie von unsichtbaren

aber

den

und

und ihrer Schwester bewegte

schwebte dahin , als wäre getragen .

verlegen

seinen

los , wo er , unfern

seit ihrem

Vroni und nur

liebloser

Töchtern

ans

ihre eins Men¬

eine

von der Baronin,


74 eine

ihm

bekannte

Bürgcrfamilie

sitzen

Murmeln

war

blieb

allgemeine

Aufmerksamkeit

zuletzt . Angekommenen

zugewcndet .

die

eine unbehagliche

Stille

Baronin

und

Regeln

des guten

Tons

auf das

obachteten , gaben

sogar

zuerst

die

Offiziere ,

die jungen

Mädchen

linge

aus

fernen

Die

Bürgerfamilie

sah .

Dem

gefolgt , doch ungetheilt

Die

welche

den

Gräfin , die

doch

sonst

die

Gewissenhafteste

be¬

das Beispiel , indem

sie

anstarrtcn , als

wären

es Fremd¬

, zu der Schuber

seine Töch¬

Zonen.

ter geführt , bestand aus Frau

Goldmann

nebst Tochter

und

durchfurchten

die Stirn

Nichte .

der Gattin

Tiefe

Runzeln

des Lcbkuchenhändlers

Fleischerstochter Gastwirths

.

Sie

erwiderte

mit vornehmer

sie freundlicher

zu , aber

sichtlich auszuweichcn ,

unter

ihren

dem Gruße

Von Saale dem

als

ihre

bergen

Küchlein

sich neben

der

ob sie die junge Brut

, stierte

umher , rieb

das

ein über

im

nichts bemerkt . Nach¬

sichern

Goldman » anvertraut

sie

an sich, ihren

dem Eindruck , den Vroni ' s Erscheinen

seine Töchter

des nickte

wollte.

hervorries , hatte Schuber er

; Lina

Vroni 's suchte sie

diese

ausspreizend , als Fittichen

die Begrüßung

Herablassung

und

setzte, zog die alte Henne Spitzcnmantel

, einer wohlgenährten

Obhut

der

Frau

er noch eine Zeit

laug

andere

mal

seinen Cylinder


75 mit

dem Frackärmel

einem Collegen über

das

Seideln

glatt , und

ins Nebenzimmer

aufgezwungene

Bier

„Das

begab

Vergnügen

ist

also

das

berühmte

Mutter ,

,Ma , foi , sie ist wirklich

sic es wagt , sich hier

in

zahlloseu

oder

berüchtigte

durch

ihr

„Warum

zu Mariannens schön !

Aber

der Gesellschaft

dünkt mich denn doch etwas

daß

zu zeigen,

stark " ; und sie prüfte

Vergrößerungsglas

von

Vroni 's Gestalt.

, liebe Therese ? "

fragst

noch , warum ?

das die ganze Stadt Ausbund

in

hinnnterspülte.

Schuber " , sagte die Gräfin

„Du

zu

, wo er seinen Aerger

Fräulein

neuem

sich dann

von

Galanterie

Schicklichkcitsgefühl

Ein

mit Fingern ,

sollte

haben ,

Mädchen ,

deutet

als auf einen

wenigstens

sich nicht

auf

so viel

unter

ehrbare

ich , wäre

es doch

Leute zu wagen ." „Nun

, nun , so arg ,

meine

nicht ." „Ich geworden ,

dächte , der Empfang müßte

einen

, der ihr

hinreichenden

von dem Urtheil , welches

hier zutheil

Beweis

geben

die öffentliche Meinung

über

sie fällt ." „Ich

bin

gewiß

nicht

zu

nachsichtig ,

Vroni 's Leichtsinn verdient

keine Verzeihung .

öffentlich

und Schimpf

mit

Kränkung

Therese; Sie

aber

zu behandeln.


76 scheint mir

andererseits

dort

diese Frau

ihres

Alters

Goldmann und

Verdacht

erhabene

meisten

andern

über

will

zn weit

Corpnlenz

Tugendheldin

?

Schuber

!

Sieh , wie Ist sic trotz

eine

über

allen

Und haben wol die

ein Recht , mit

zn Gericht

Strenge

zn sitzen ? "

„Aber

warum

„Mein

Gott , es ist die alte Geschichte . Bcrgenan

sein

spricht man denn so hart von ihr ? "

Sündcnopfcr

anmuthigcr

ist

;

als

dadurch

und

deren

sie in Verruf

kundigen

Allerdings

Verhültniß

ich

Mädchen

Mütter

nichts

,

von ihren daß

sie

den Math

ebenfalls

schöner

und

der Stadt, Besseres

zu

zn bringen , in der Hoffnung,

die Aufmerksamkeit

abzulenken .

da Vroni

die übrigen

so wissen diese und thun , als

finde

sich aufbläht

ihrer

Bürgerfranen

Fräulein

gegangen .

zum

eigenen Fehlern

nach

ihrem

stadt¬

hat , hier zu erscheinen,

mindesten

sonderbar .

Ich

denke mir , sic will einen Versuch mit der Welt machen; denn

wenn

ich nicht irre , so ist dies

seit Monaten sellschaft „Die erwiderte

, daß

sic sich in

einer

das

erste mal

öffentlichen

Ge¬

sehen läßt ." Männer

nehmen

sie mit

neidischen

Schar

von Tänzern

den eben beginnenden

sich um Vroni

tanzte

in

als

nicht so genau " ,

sehen mußte , wie eine ganze

Man

die Gräfin ,

es leider

Walzer

Touren , und

während

Augen für

bewarb.

die Comteffe


trotz ihrer die Herren geholt , Marianne das

Fräulein

Beachtung

hcraywinkenden

Blicke nur

ganz vernachlässigt

selten

wurde , und auch

Goldmann

nebst

ihrer

Cousine

fand , walzten

Vroni

und

Lina

wenig

beständig

durch den Saal. Albrecht

war noch im Gespräch

Vorsteher ; dennoch entging

mit

dem Bezirks-

ihm keine Bewegung

Vro-

ni ' s , kein Wort , das in seiner Nähe über sic gesprochen ward . Jetzt geleitete

war

seine

der Tanz Dame

Lina ' S Gesicht prangte Wange

dagegen

zu Ende , und jeder Tänzer

au

ihren

Platz

der Purpur

wurde

zurück .

Auf

der Freude , Vroni ' s

bleicher

und bleicher .

Wohin

sie sah , begegnete sie den haß - und neiderfüllten

Blicken

der

Frauen .

birgskapelle

Der war

Polster ,

auf

Tanzes

ausrnhen

harte ihr

dem

Boden

sanfter sie jetzt

sollte .

der

einsamen

erschienen

als

von

Aufregung

der

Ge-

das weiche des

O , wie wünschte sie sich weit,

weit hinweg! Die Paar

Musik

um Paar

begann

eine

Quadrille

eilte herbei , und das

zu

spielen.

Commandowort

des Tanzordners

forunrte

die Reihen .

Währenddem

schritt

Albrecht

nach der Gegend

des Saals,

wo

auch Graf

die

tanzlustige

znsammcndrüngte mit

kräftiger

junge

Welt

von

Bergenan

.

Mehrere

zierliche

junge

Herren

Hand

beiseite

schiebend ,

nahte

er sich

sich


78 Vroni und forderte sie zur Quadrille auf. Sie erhob Er bot ihr den Arm und trat mit ihr zu einer noch nicht vollzähligen Gruppe. „Ein vis-a-vis, hierher ein vis-a-vis!" rief der Bortänzcr mit schallender Stimme; „ Herr Graf Grcifenclan braucht ein vis-a-vis" — aber alle Paare waren bereits untcrgebracht. „Fräulein Goldmann, Sie haben noch kein vissich von ihrem Sitze.

a-vis ; bitte, hierher!" Die Tochter der LebkuchenHändlerin hüpfte mit einem der jungen Herren heran, die Albrechl so nichtachtcnd behandelt hatte. Sie war offenbar hoch erfreut über die Ehre, einem Grasen gegenüber placirt zu werden; aber als sie Vroni er¬ blickte , veränderte sich plötzlich ihre Miene. „ Nein, ich bin zu müde", stammelte sie; „ ich will die Qua¬ drille lieber nicht mittanzen." Damit eilte sie an die Seite ihrer trinmphstrahlendcn Mama zurück. Vroni's Schmerz über diese öffentliche Beleidigung war tief und heftig. Sic wankte. Sogar Lina, die

ans einiger Entfernung den Vorgang mit angesehen hatte, ward bleich . Bis dahin war ihr die gegen Vroni herrschende Misstimmnng nicht aufgefallen ; nun aber sah sic mit Augen vor sich, daß man die Schwester beschimpfte . Kaum noch ihrer Sinne mächtig, wandte sich Vroni zum Gehen; doch Albrecht hielt


79 ihren

Arm

fest in

der Stelle .

Er

dem

seinigen

schickte einen

und

wich nicht

bittenden

von

Blick zn seiner

Cousine hinüber . Marianne

verstand

ihn .

blick schmerzlichen Kampfes

in ihrcin

Innern

— dann

"ickte sie ihm Gewährung

zu .

hatte

Herr

Frischke sie um den Tanz

gebeten

ihr

bekommen .

Wir

müssen

Sie , Herr antreten .

ehe die Vereinsamung merkt worden Paar

Lieutenant

ihnen

das

begann. die

ersten

Tour

kreuzten , drückte Albrecht Mariannen bist gut !" sagte er ; und „ Ich !

Verzeihen

Marianne

Sie

dies ihr

erster

von

friedenheit

belohnten

windung .

Und das Beispiel

einem

zündenden

welche bisher

Paare

sich

die Hand .

„ Du

danke Ihnen , gnädiges

verklärt . gethan !

Beklemmung

.

sic für die That

Funken

Seit

Ruhe

hätte

sie

langer

Zeit

Sie

fühlte

und

Zu¬

edler Selbstüber¬

Mariannens aus

Vroni.

Was

glücklicher Augenblick .

sich frei

jeder

zwei

mir ! " flüsterte

schien ganz

nicht um Albrccht ' s willen war

neu eingetretcne

gegenüber , und der Tanz

Fräulein

Und

Albrccht 's und Broni 's viel be¬

war , stand

der

er¬

, kommen

Schnell , schnell !"

Als

in

von

und einen Korb von

Nun sagte sic plötzlich , seinen Arm

greifend : „ Kommen Sie !

Eben

Ein Augen¬

wirkte gleich

die Gesellschaft .

Die,

Vroni ain tiefsten zu demüthigen ge¬ dachten , zeigten sich jetzt am eifrigsten , mit der Baroneß


80 zu wetteifern und dem gekränkten Mädchen Genugthuung widerfahren zu lassen. Freilich ward ihnen dazu vorerst keine Gelegenheit. Wie in einem Traum hatte sich Vroni während des Tanzes bewegt . Das einzige, was ihr nicht ent¬ ging, waren Marianncn's theilnahmvolle Blicke. Die Worte, die Albrecht zu ihr sprach, vernahm sie ohne deren Bedeutung zu fassen, und auch dessen , was sie erwiderte, konnte sie sich, als cs kaum ihren Lippen entflohen war, nicht mehr entsinnen . Endlich begann der Nebel um sie sich zu lichten; sie sah, daß der Tanz zu Ende war. „Luft! Ich brauche Luft!" klagte sie mit schwacher Stimme. Albrecht wollte sie an ein Fenster führen; doch sie bat ihn: „ Nein, ins Freie! Fort von hier! Geleiten Sic mich aus dein Saal !" Es war wieder eine längere Panse ungeordnet. Tänzer und Nichttänzer eilten zum Büffet oder wogten und drängten im Tanzraum durcheinander . Niemand bemerkte , wie Albrecht mit Vroni den Ansgang ge¬ wann. In der Garderobe ließ er sich ihren Shawl geben und hüllte ihr ihn um die Schultern. Dann führte er sie hinaus in den Garten. Dort aber riß sie sich plötzlich von ihm los. Mit einem Angstschrei floh sic von seiner Seite. Doch


81 er eilte ihr nach und erreichte krampfhaft warf .

weinend , auf die Bank

strömenden

Uebcr mination

einer kleinen Laube

Thräncn.

dem Garten

lag

tiefe

und Feuerwerk , wozu

waren , sollten

Fenster

die Anstalten

getroffen beginnen;

des Schützcnhanscs

starrten

durch die Finstcrniß

kenmasscn

hingen

am

verhüllend .

Es

herrschte

dicke Luft lastete

schon so fieberhaft

Horizont

und

Sterne

auf Vroni , deren

Nerven

fast zu zerspringen

sich über

ihre

schwülen Blut

Mond

beugte

durchzuckte Gestalt .

das

Wol-

gespannte

Schmerz

ihm

Schwere

eine dumpfe Gewitterschwüle.

Albrccht

der

,

.

beängstigend

drohten .

Druck

Illu¬

später » Stunde

erst zu einer

die erleuchteten

Dunkelheit .

wie Geisteraugcn

Die

sie sich,

„ O , diese Schmach , diese Schmach ! " schluchzte

sie unter

nur

sic wieder , als

Auch er litt unter

Atmosphäre .

durch

schöne , von dem

Glühend

stürmte

die Adern ; flüchtige

Schattcn-

gebildc

zogen ihm vor den Augen

vorüber .

Stirn

klopfte

Fragen ; in seinem

Herzen

pochte mächtig

es wie ein wildes

und ungestüm

Vroni 's Thräncn Endlich Sic

brach

sic das

mich , Herr

nun , wie die Welt ich ohne Brom .

das

die Antwort.

fingen

an

bange

Schweigen

Graf , o verlassen

An seine

stiller

Sie

zu

fließen.

: „ Verlassen mich !

Ich sah

mich von sich stößt ; bis jetzt lebte

Bewußtsein

meiner

Schande ; ich ahnte 6


82 nicht, welche Folgen mein Thun mir zuziehcn mußte; jetzt erkenne ich, daß cs Sünde war . Ja , der VaterHat recht : ich bin ein verworfenes Geschöpf!" Albrccht wollte antworten , doch die Sprache ver¬ sagte ihm . Ihr weißes Gewand schimmerte geister¬ haft , und ihre großen feuchten Augen hefteten sich flehend auf ihn. Sie misdeutete sein Schweigen . verurtheilcn

mich !

Ich

„ Also auch Sie

dachte es wol ,

auch Sie

halten mich für schlecht. Doch nein , nein , das bin ich nicht, ich schwöre es Ihnen ! Sie werden mich ja nie mehr sehen, nie mehr mit mir reden.

Nach dem

heutigen Auftritt müssen Sic mich meiden. Sie werden Bergcnau verlassen . . . Und ich? ich? Ich fliehe in die weite Welt , wo mich niemand kennt und wo meine Schmach mich nicht zu Boden drückt. O mein Gott !" Er hatte so vieles zn erklären , zu fragen , mitzuthcilcn — doch nichts als ihren Namen brachte er über seine Lippen : „ Brvni !" „Wohl , ich verdiene , daß sie mich zürnend anrufen .

Ich will fort , heute Abend noch.

ich nach Haus

und vertausche diesen Ballstaat

einem schlichten Wollenklcid . . . graut , habe ich Bergcnau Fort

Jetzt gehe mit

Ehe der Morgen

schon weit hinter mir . . .

mit euch, ihr Bänder , ihr Blumen ! Liegt im


Staube

wie die, welche ihr zieren solltet ! Euer eitler

Tand soll mich nicht mehr reizen ." Aber dem Willen

fehlte die Kraft ; ihre Hand

glitt zitternd am Körper herab .

Der Schmerz über¬

wältigte sie, und erschöpft sank sie zu Boden . Schnell richtete Albrccht sie wieder ans. Dann setzte er sich neben ihr auf die Bank. Mit scheuem Blick sah sic ihn von der Seite an. „Nein , berühren Sic mich nicht ! Der Vater hat mir oft gesagt , ich sei die Schande

selbst, und wer mir

nahe , der beflecke sich." „O , Ihr

Herz ist gut und rein ."

„Lassen Sie

mich; ich könnte Ihnen

Unglück

bringen !" „Brom , mein Kind !" flüsterte er. „Nur mich nicht !

eine Bitte , Herr

Graf : verrathcn

Ich will jetzt mein Bündel

Sic

packen und

fliehen , che die Meinigcn

nach Hause kommen. — Doch nein " , stöhnte sie wieder in wilder Angst, „ nein,

die Sünde

wird mir nachzichcn, der Vater wird mich

ausfindig machen, er bringt mich zurück . . . Fürchter¬ lich, entsetzlich! Nichts kann mich vor den Menschen retten , nichts — als der Tod !" Sie wollte enteilen , doch Albrccht schlang seinen Arm um ihren Leib.


84 „Warum Sie ? "

halten

Sic

mich ?

Und sie suchte sich aus

znwindcn .

„ Der

Tod

Warum

Sie , gerade

seiner Umarmung

ist mir

süß ,

los-

ich sehne

mich

nach ihm !" „Brom , Sic

sind ganz außer

„Ja , ich bin ' s ! gefaßt

sein !

Ich

Wie

Fassung !"

könnte ich auch ruhig

beschwöre

Sie ,

lassen

Sic

und mich

fort ! " „Nicht

um die Welt !

Sic

könnten

sich ein Leid

zufügcn ." „Und

wenn

ich es thäte ? "

„Und

wenn

du

thörtes

Kind !

Du

es thätcst ?

Unglückliches ,

wirst , du mußt

leben ! "

„Leben

ist leiden ; ich kann nicht länger

„Das

sollst du auch nicht mehr ."

„Sic

thun

da

er sic mit

hatte

ihre

vermochte

mir

weh ! " rief

Gewalt

Kräfte

verdoppelt ; Herr

sein ; cs gilt , sagte Ihr

aufgelöstes

vor

seinen

gefähr

berührten

nur

Die

Leidenschaft

mit

Anstrengung

zu werden ,

doch cs mußte

er sich , ein Unglück

Haar

Augen

umwallte

wie

ein

sich ihre

von den Wimpern . seines

und

hing

Don

un¬

Flor .

Gesichter .

heißen Hauch

zu verhüten.

sic beide

zarter

die Thränen

leiden ! "

sie, mit ihm ringend,

zurückhielt .

er ihrer

be-

Da

Athcms , die Glut

Er

küßte ihr

empfand

sie den

seiner Wange.


85 „Sie Ihr

thun

mir

weh ! "

klagte

Faß

war

„So

ist es gut " , sagte er .

ansgcglittcn

sicht, dir weh zu thun .

„ Es

Macht ! . . .

sic nicht " , fuhr

er mit

sic sich gegen ihn

sträubte .

bebender

Ja , ich achte dich ! Aber

schwören ,

du mußt daß

Stimme

„ Ich

will dir zeigen , daß Achtung

will ich dich

Hörst du , Vroni , ich achte

dich meinem Willen

du mir

fort , als

ergeben

und

sonst

. . .

gehorchen

willst ,

ich weiß , du wirst

cs mir

schwören ."

„Was

an mir ? "

Doch

liegt Ihnen

halbcrsticktcm „Mehr Sie tief

meine Ab¬

Sich , ich misbrauchc

ich dich achte , und durch meine retten .

vor ihm.

war

Jetzt bist du meine Gefangene,

du bist in meiner

dich !

sie noch einmal.

; sie fiel nieder

in

als

du ahnst ." seinen flammenden

Innerstes

gedrungen

Schlag

seines

gefühlt

. . . sic war

entschwand

Herzens

an

Blick

gesehen , der

war ; sic hatte

ihrem

den

pochenden

Busen

besiegt .

Und

mit

ihrer

Kraft

zugleich der wilde

Sinn

, der ihren

Geist

umdunkeltc ;

er

Duldsamkeit

; ihr ungestümer

zerschmolz

weibliche Hingebung „Ich

sic mit

Tone.

hatte ihr

erwiderte

schwöre

in

Sanftmuth

und

stille

Trotz löste sich in weiche

auf. was

auf , ich bitte Sic ! "

Sic

wollen ; nur

stehen Sic


86 „So

, jetzt bist

du mein !" sagte

er , sic zu der

Baut

geleitend ; „ jetzt bist du mein

im Geiste .

halte

dich ruhig ; sprich nicht !

erschöpft

arme

Vroni ! "

Sie

faltete

Augen .

Und

die Hände Mit

dem

ruhten

seine Blicke

Hand

und küßte sic. „Mein

verdanke mein

gütiger

er drückte

Ausdruck

innigster Da

hart

ihr .

mein

wilder

Dasein .

als

gegen mich , und ich verstehe

„Die

Welt

gegen

andere .

kinder

ist nicht

selbst machen

„Ach , wären

Fuß

härter

Die Welt sie uns

Thcilnahme sic seine

znm zweiten

mal

Erst

Sie

retteten

Verzeihen

Verzweiflung

daß ich stets auf feindlichem

senkte die

ergriff

Schon

Seele .

du bist,

seine Brust. und

auf

Leben , jetzt meine

die Ansbrüche

sic an

wie zum Gebet

Retter !

ich Ihnen

Wie

!

Ver¬

Sie

mir

Die Welt

ist so

die Welt

so wenig,

mit ihr

lebe ."

gegen

Sie , Vroni,

ist schön ; wir Menschen¬ zur Hölle ."

doch alle Menschen

wie Sie , so gut,

so mild , so edel ! " „Still

, Vroni ; fassen Sie

zu der Gesellschaft wird

uns

Man

müssen

Sie

— inan die Welt

kann ich aber in diesem verstörten

Anzüge

vor den Leuten

sagen

wird

Sie

würde

beide vermissen ; und

da nicht alles „Wie

zurück .

sich jetzt .

was

und glauben ! "

erscheinen ? "


87 „Ich behülflich

werde Ihre

Schwester

sein , Gewand

Eben

war

rufen ; sie wird Ihnen

und Haar

wieder zu ordnen ."

die halbstündige

Panse

zu Ende

gangen , und die Klänge

eines

von

neuem

Die

Abwesenheit

des

war

nur

von

Personen

bemerkt

worden :

Lina

und

Marianne

Schwester

besorgt .

Vergebens

und alle Ncbenräume

nach ihr

zum Tanz . zwei

der Baronesse

Er

den Garten

Nahrung Blick

lassen .

damit

Schmerz und

sahen sie aber

mit

zur

Schwester

in

Saal

nicht

die bösen

Zungen

neue

warf

ihm

einen

Marianne

fühlte

Vetter

einen

aus , als

er

ihr

die

wußte , er würde

danken , verzichtete

Vroni

zürnenden

Brust ; doch sie verbarg

wich ihrem

mit

entfärbten

den

bctheiligte

Lina

stand

in

ihrer

Sic

Al-

Miene

seinen

Dankbarkeit Tanze , bis

die Saal

nicht finden

strahlende

bewiesene Großmnth Sie

um den

Zureden ,

sich.

in

wollte .

.

von

ihr

Sie

entfernte

ihre Bewegung sie anrcdcn

Nun

Seine

und

erhielten .

stechenden

Paars

durchsucht , und als sie

Lina , sie möge

gehen

zu und

sie

sie Vroni

Widerspruch bat

znrückznkehren ,

war

hatte

, daß

eintreten .

sonderbarem

Wangen .

Schwester

lockten

beide , sic habe sich von dem Grafen

begleiten

brccht wieder in

Die

mittheilte

könne , vcrmnthctcn nach Hans

.

wiener Walzers

ge¬

aber

für auf

seine

sich scheinbar

eifrig

am

an der Hand

zurückkam.


88 Vroni zog aller weilte

sah fast noch schöner aus Augen

sie im

auf

sich.

Saale .

Allein

Die

als

nur

zuvor

und

kurze Zeit

ver¬

begaben

sich

Schwestern

zu ihrem Vater , der noch immer in dem Nebenzimmer am Biertisch Tanzen

saß , und

ermüdet

wünschten , ihnen

den

nach Haus

geworden

erklärten

ihm , sie seien vom

und

durch die Hitze angegriffen

, sie

Ball

zu

mit

gehen .

verlassen , Allein

war , sich zum

er

möchte

so schwer es Schuber

Besuch

des

Festes

zu ent¬

schließen , so schwer war er jetzt vom Platze zu bringen. i>lur

die Dazwischenkunft

brach

seinen

und

mit

Widerstand

tausend

gegen

seinen

wohl

verständlich

seines Dämons .

Er

unausgesprochenen

Gebieter , war ,

, des Grafen,

krümmte

den Rücken,

Verwünschungen

dessen mahnender

Blick

fügte

das

er sich in

ihm

Unver¬

meidliche. „Lassen Sie zu seiner wir

uns auch aufbrcchen !" sagte Albrccht

Tante .

müssen

„ Ein

Gewitter

suchen , unter

dem Feuerwerk Marianne

wird

Obdach

ohnehin

lächelte

ist im Anzuge , und zu kommen ;

aus

nichts ."

schmerzlich .

Fest habe seit Vroni ' s Scheiden

Sie

glaubte , das

keinen Reiz inehr

für

Albrccht , und

er suche nur

nach einem Vorwände , cs

zu verlassen .

Doch

hierin

irrte

die

Damen

der

That

um

sie sich ; er war

besorgt .

Am

in

Horizont


89 zuckten schon Blitze.

Der Wind begann zu toben. Es konnte nicht lange mehr dauern, so mußte das Gewitter losbrechen. „Albrccht hat recht" , sagte die Baronin; „ Ma¬ rianne, wir wollen gehen." Als sie in ihren Wagen stiegen , heulte der Sturm¬ wind. Im Hofe des Schützenhauscs ging es wirr durcheinander . Ein panischer Schreck hatte die Gäste ergriffen. Jeder wollte so schnell wie möglich nach der Stadt zurück, die einen zu Fuß, die andern zu Wagen. Es war ein Unglück für die geputzte Gesell¬ schaft, daß in dem Schützenhause das Bier so gut ge¬ wesen und so reichlich geflossen war. Die Kutscher hatten es sich nur zu sehr schmecken lassen, und die meisten befanden sich nun in fast unzurechnungsfähigem Zustande. Der, welcher die Damen und Albrccht zu fahren hatte, war förmlich betäubt. Er hielt sich kaum auf seinem Sitze. „Der Mann ist betrunken!" rief ängstlich die Baronin aus, als sic das Hin- und Herschwanken des .Fuhrwerks gewahr wurde. „ Laß das Fenster herunter und befehle ihm, vorsichtig zu fahren." Doch die Stimme Albrccht 's verhallte ungehört; hatten doch alle Stimmen der Natur sich erhoben und briilltcn nun in chaotischem Chor. Der Wind pfiff und sauste;


90 prasselnd strömte der Regen herab und schlug mit Geräusch gegen den Wagen , gegen die Steine , gegen alles , was ihm im Wege stand ; der Donner krachte stärker und stärker , vom Echo durch die Kette der getragen ; auf allen Seiten

Berge

zugleich flammten

zackige Blitze am pechschwarzen Himmel. „Gräßlich , gräßlich !" jammerte die Baronin Marianne

blieb still und in sich gekehrt — „ Der

Elende wird uns umwerfen und tödten !" In

der That

war die Lage äußerst bedenklich.

Es ging bergab , und die Pferde stürzten unaufhalt¬ sam vorwärts . Der Kutscher rief und peitschte auf die geängsteten Thiere los , ihren eilenden Lauf nur noch mehr dadurch anspornend . Der Aufruhr der Elemente hatte ihn keineswegs nüchtern gerüttelt . In seinem Rausche erkannte er nicht die Gefahr . Er dachte an nichts , als

recht schnell aus Regen und

Sturm ins Trockne, vielleicht noch in die Schenke zu kommen. „Halt ! Halt !" rief ihm Albrecht zum Wagen¬ schlag hinaus zu. „Fürchtest du dich denn ? " sagte Marianne. „Ja , ich fürchte mich, um deinetwillen . . . Halt ! Halt !" rief er abermals . Doch alles umsonst; der Kutscher schnalzte mit der Zunge , schwang die


91 Peitsche, und weiter rasten die Pferde den abschüssigen Weg hinab. Die Baronin rianne

war einer Ohnmacht

saß regungslos

nahe ; Ma¬

da.

Albrecht aber zog rasch das Fenster am Rücksitz herunter , packte den Kutscher, ihn auf die Seite schiebend, am Arm und schlängelte sich gewandt wie eine Eidechse durch die Oeffnung hindurch auf den Bock.

Es war so finster , daß er weit vor sich sehen konnte , wenn nicht ein Blitzstrahl für einen Augenblick die Dunkelheit

keinen Schritt

erhellte. Er nahm dem Kutscher die Zügel aus der Hand , vermochte jedoch nicht, die nun völlig wild ge¬ wordenen Pferde zu bändigen . Jetzt gewahrte er beim Schein eines jähen Blitzes , daß der Wagen gerade einem an der Krümmung des Weges stehenden Fclsblock zurollte , an dem er unfehlbar zerschellen mußte, falls es ihm nicht gelang , ihn vorher zum Stehen zu bringen .

Mit der höchsten Kraftanstrengung riß er die Zügel zurück; die Pferde bäumten sich, ängstlich wiehernd , hoch auf , fochten mit den Vorderbeinen in der Luft , und

brachen dann

beide gleichzeitig zu¬

sammen . Die Räder des Wagens seine Insassen waren gerettet.

standen

still —

Den Kutscher hatte der heftige Anprall vom Bock geschleudert; er lag , aus einer leichten Kopfwunde


92 blutend , besinnungslos selbst

die Stränge

Pferden

wieder

Boden .

Albrecht

der

Deichsel

lösen

von

Hierauf

sagte

zu den Damen

Angst

festbindcn

an

den Wagenschlag

und

: „ Ich

gehe in die Stadt

, um

er

trat

ruhig

Bleibt

zu holen .

den

und

Baum

einen

an

sich ruhig

und

ließen .

mußte

helfen , die vor

auf die Beine

zitterten

Hülfe

am

sitzen , bis

im Wagen

vom

ich wicdcrkomme ; es gießt noch wie mit Eimern

sich schweigend.

verhielt

rianne

Nach kurzer

sah

du durchnäßt

„Wie

ihn seine Cousine

anredetc,

ihren

Wangen.

sagte

bist !"

es dir

wirst ! "

„ Ja,

du

gar

krank

du

vielleicht

den

furchtsamen

Bctter

zu

beruhige

dich ,

so

dann

hättest

erwiderte

er .

„ Doch

schlimm

steht

es nicht ; hier

genug "

fügte

er

legend , „ und

beigeholtcn

sic ; „ wenn

und

nicht

Die

auf

Thräncn

schadet

nur

pflegen " ,

Als

von

Spuren

er

an¬

einem

mit

kehrte Albrecht

Zeit

zurück .

dern Gefährt

Muth

betete ; Ma¬

und

gesunken

die Knie

auf

an

Ueberfluß

keinen

die

,

Baronin

besaß , war

Sonnenscheins.

voll goldigen

seinem Herzen Die

von Nüsse , aber in

eilte fort , triefend

Er

Himmel ."

hinzu ,

Dankbarkeit

beiden Damen Wagen

und

habe

ich noch Wärme

die Hand

auf

seine

Brust

auch ." stiegen in den von ihm hcrfuhren

allein

zur Stadt

; er


93 selbst blieb noch zurück , um für die Fortschaffung verunglückten

Fuhrwerks

zu sorgen.

Auf seinem Zimmer ledigte Er

der

völlig

ermüdet ,

aber

die

scheuchte öffnete

im Gasthofc

sich Albrccht

war

den

Schlaf

das Fenster

den Regen

zu .

sein

erhitztes

seiner

Gefühle

Schreibtisch satz über

von

Der

durchnäßten innere

seinen

Morgen

Erziehung

des Herzens

Brennstoff

hat mir wenigstens dessen heiterte

Er

den

Sturm

er sich an den

begonnenen

vollendet .

Auf¬

Nachdem

durchgelesen , sprach er lächelnd zu

sich : „ Schade , daß cs nicht Winter

zerriß - die Blätter

.

bereits , che

Um

einen früher

ver¬

noch strömen¬

dämmerte

zu beschwichtigen , hatte

gesetzt und

Kleider.

Aufregung Augenlidern

sich abkühlte .

er ihn noch einmal

prächtigen

angclangt , ent¬

und sah dem immer

Blut

des

ist ; hier hätte

zum Feucranmachcn

."

Und

ich er

mit den Worten : „ Nun , die Arbeit als Blitzableiter

sich der Himmel

duft füllte das Zimmer .

Albrccht

nieder , und .bald

ihn

umfing

gedient !"

Unter¬

auf ; frischer Morgen¬ sank in einen Sessel

ein erquickender

Schlaf.


94 Lina

und

Vroni

waren

Albrecht

vor

Lange

zu

Während

sic sich auszukleiden

begannen , zuckte der erste Blitz

durch die Dunkelheit.

angekommen .

Hause

an

dachte

Vroni

die zurückgebliebenen

Freunde , und

durchbcbtc

ihr

eben noch von

Aber

sie

verbarg

ihre

der sie nun

die

die Bänder

und

der Angst

ein Schauer

Herz .

übervolles

Seligkeit

vor der Schwester , mit

Empfindung

theilte.

Kammer

kann ich selber thun ."

danke , das

„Ich

nach einer Weile

„Lina " , Hub Vroni

aus , ich will

dich morgen

„ruhe

lösen ."

Haar

deinem

aus

Blumen

mich

„ laß

„Lina " , sagte sie ,

allein

wieder

an,

an den Brun¬

nen gehen ." „Hat

er

etwa

dir

dort

ver¬

an Vroni 's Wimper .

„ Ich

ein

Stelldichein

sprochen ? " Eine

Thräne

sehe, du willst du mir

perlte

keinen Dienst

von mir annehmcn . Daß

böse bist , weiß ich, und ich gab dir wol Grund

dazu ; ist es dir aber „Dir

verzeihen ?

nen bist und Unehre

unmöglich , mir Und was ?

Daß

zu verzeihen ? " du von Sin¬

über unser ganzes Haus

bringst?

Freilich , du kannst ja nichts dafür ; du hast ja feuriges Blut bin

wie

eine Löwin " , sagte sie spöttisch , „ und ich

kalt wie ein Stein !

Nicht

wahr ?

Darum

kann


95 ich dich nicht

verstehen ; aber

schämen

kann ich mich

doch deinetwegen , und

eher will ich sterben , als

daß

ich mir

von

Hat

man

einen

je so

Dienst

etwas

dir

gesehen !

erweisen

Mußtest

verlassen , um mit

deinem Liebsten

wandeln ? Hättest

du nicht wenigstens

können ? Jetzt

Wahrhaftig

,

laß mich aber Vroni

„Ich

den Saal

im Garten

zu lust¬

bis heute warten

dich bewundern

! —

schlafen ."

kniete vor ihr und sprach unter Thräncn:

habe nur

mich nicht ! zu dir ?

ich muß

lasse .

du

dich , Lina , auf der Welt ; verlasse

Zn

du

wem soll ich mich wenden , wenn nicht

Ach ,

ich besitze leider

Selbstbeherrschung

wie du ,

und

rcißcn , wo ich es nicht sollte .

nicht

Verstand

und

ich lasse mich Ich

mußte

ins

hinFreie,

um Athcm

zu schöpfen ; du weißt ja nicht , was

dort

vorgegangcn

.

du,

wie ich leide . meinem

Kopfe ,

Lina , antworte an

bin

dir

wetteifern

Vater

mir

bei , Lina !

O wüßtest

Es

brennt

in meinem

Herzen

und

ich weiß

mir

nicht

mir doch ! Du wirst sehen , von morgen

im

rastlosen

soll keinen Grund zu sein . Ich

und in

zu rathcn.

ich eine Andere ; ich werde . arbeiten

zufrieden sangcn .

Stehe

fühle

lich , so leicht ."

Ich

Schaffen .

mehr muß

und mit Selbst

haben , mit ein anderes

mich ja so umgcwandelt

der

mir

un¬

Leben

an-

, so glück¬


96 Lina erwiderte , schon halb im Schlummer du

leidest

und

du

bist

glücklich ?

du

mich

Ich

: „ Wie,

verstehe

dich

lernen ?

Ich

nicht ! " „Wann

wirst

begreifen

leide , weil ich mich seinetwegen

schäme ; weil

sehe , daß ich des edeln Mannes

und seiner Liebe nicht

würdig

bin ; ich leide , weil

Bergangcnhcit fürchte , bilden

sie

zu wird

ich die Schmach

meiner

empfinden

beginne ,

und

weil

eine

trennende

Scheidewand

ewig

zwischen ihm und mir .

Aber

weil

ich ihn liebe

hatte

mich in seiner Gewalt , und

O daß cS wahr mich achtet !

und

wäre , was

Lina

er gesagt , wahr , daß er

mir , was soll ich thun ?

hörte

sie nicht

mehr .

Athemholcn

war

Schwester deine Worte

den Rath

die

einzige

Antwort

hast

vertraut

warum

?

Oder

gehört ? Wie anders

Ein

gesunder

regelmäßiges auf

Vroni ' ö

du nicht früher

der

hat sie nicht

aus

Hütte sich die Zukunft

können ! Aber als sie dir ihren warnen¬

gab , warst

wo du danach

Ihr

Fragen.

Vroni !. Warum

für dich gestalten

Ich

gut ist ."

fesselte ihre Glieder .

Arme

Lina , er

er küßte mich nicht.

fester Schlaf

leidenschaftliches

ich

ich bin glücklich,

weil er mich liebt .

Lina , rathe

weiß ja nicht , was Aber

ich cin-

du noch nicht reif dafür , und jetzt,

verlangst , jetzt heißt es : es ist zu spät!


97

und

Arme

Brom !

sieh ,

wie

werden . als

Ja , öffne

die Wolken

Nicht

wilder

die stürmischen

sieh , plötzlich leuchtet

auch

vom

jagen

du

das

Fenster,

Sturmwind

gejagt

sie durch

Regungen

den Himmel,

durch deine Brust . Da

reißt

das

Gewölk , und

durch den Riß

der Mond

sanft

und

hernieder .

friedlich

ist es auch mit dir , Vroni .

Deine

schimmert

lassen

dir keine Ruhe .

süßer

Schein

dir

wieder

fliegen

dunkle Wolken , vom heulenden

gejagt , darüber

Nun

entgegen .

hin .

Doch

Du

da

tauchen

geliebt , Sie

lachen

Spott

die Gestalten

als

und Frohlocken .

lange , und Orkan

die Knie , und

und Verzeihung

.

Aber

der Männer

, die dich einst

vor

Geiste

Schrcckbildcr dir höhnisch

der Hoffnung

nicht

sinkst aus

weinst , und flehst um Gnade

So

unsteten Gedanken

deinem

zu und umschweben Du

rufst

auf.

dich mit

nach Albrecht ; du

rufst

ihn zum Zeugen

an und betheuerst , daß du nicht

mehr

das leichtfertige

Mädchen

höhnischer barkeit

grinsen

von ehedem seiest .

sie, wenn du von Achtung

sprichst ; sie halten

Nur

und Ehr¬

dir einen Spiegel

vor , und

mit Entsetzen erblickst du darin

dein eigenes Bild , durch

häßliche

Du

Flecken

verunstaltet

.

möchtest

dich rein

waschen von den Flecken — es ist unmöglich ! Angst

schreist du laut

auf

wacher , schrecklicher Traum Vroni .

und wirst

Inder

gewahr , daß ein

dich gefoltert

hat. 7


98 Mit Glanzes „Sie

aufgelöstem

Haar , die Augen

, stand Vroni haben

vor dem Bett

seine

ihrer

feuchten

Schwester.

mich alle verachtet " , sprach sie ; „ auch du

verachtest mich , Lina , auch du willst erbarmen .

voll

Es

bleibt

Liebe !

mir

nur

ein

Albrecht , ich bin

rjr

dich meiner

nicht

Nettungshafcn:

dein ! dein , dein !"

K *

Der

grausigen

Nacht

gefolgt . Heiterstes stallklaren

Gewitter und

gewöhnlich

den Kops

zum

der Promenade

Als

erwachte ,

verlassen

hörtes

Ereigniß

denn

Lina

war

sah

hatte .

Schwüle

Alle Blüten Regen

er¬

streckten die Bewohner Feuster

hatte

in den Alleen Lina

Pflegt .

durch den wohlthätigcn

als

Städtchens

Morgen

durch den kry-

Kraft , die nach einem

zu verjüngen

waren

Früher

Lager

erglänzte

Die Luft , von drückender

auch die Badegesellschaft

ihr

ein herrlicher

jene belebende

die Natur

Gräser

frischt . des

Sonnenlicht

Aether .

befreit , athmete

war

hinaus , und

sich zeitiger

als

sonst

eingefuudcn. sie , daß Es

war

Vroni dies

bereits

ein

uner¬

in dem Leben der beiden Schwestern; stets

die

erste

wach

und

in

den


99 Kleidern .

Mit

Bangigkeit

des

gestrigen

an .

War

denkend , zog sie sich hastig das

Betragen

doch tief

Schwester

in ihrem

alles Zorns Besorgniß sie an

der

Herzen

unaustilgbar

den

Brunnen

,

Vroni

sie mußte

nicht ;

und dabei

Voll

schon

eine

war .

Auch hier

große

Anzahl fand

den

Dienst

allein

Miene

heucheln .

vermehrte

und die Schwester

fiel ihr

auf , daß auch weder

ihre

Angst .

der Esplanade

erschienen.

Vroni

wie

hatte ,

verlebt .

Zweifel

wir

ans

Bitter «

Schmerzes

sich in

ihrer

Stunde

gesehen ,

eine

und

pcinvollc

und wechselnde

seliger Sie

Wonne

liebte ,

werde .

und

welcher die Seelen

getrennter

Banden

Albrccht

vereinigt .

entzündet ,

er sein eigenes

das

Selbst

be¬ sic

Ja , in seinem

mußte cs sein wie in dem ihrigen . Sic Zauber

Es

noch Albrccht

Brust . geliebt

den unwiderstehlichen

lose Gefühl

Jede

Marianne

an sich selbst

Gefühle

fühlte , daß sie wieder

Stunde

sie

versehen

ließ sich nicht blicken .

kämpften

wenn

geschehen sein , eilte

noch eine freundliche

Minute

Herzen

wurzelte und

verrann

Nacht

aller

so

Gereiztheit

wo

versammelt

ge¬

die schwesterliche Liebe .

, es möchte ein Unheil

von Cnrgüsten

auf

entrüstet ,

trotz

Abends

sie auch über

empfand

jenes magnetischen Liebenden

mit

Zugs,

geheimen

hatte

in ihr das

namen¬

den

Menschen

ergreift,

aufgibt

und ein anderes


100 Wesen

an

dessen Stelle

hören , mit

ihm

setzt.

zusammen

Ihn

zu sehen und zu

zu sein , die Worte

seinen Lippen zu lesen , dem schwermüthigen Sprache

zu lauschen , den Schmelz

vernehmen , an der Glut seiner

Augen

sein

Aufschwung ,

seiner

dem Bewußtsein

Entzücken ,

von ihrem Anblick herrühre , das Verlangen Seite

.

Die

ganze

vergessen .

aber

wieder

und

Schande !

Gefallene

das

geißelnde War

seine

sie

wollte der

fliehen Keim

vor

des

sei , dann

Beim

nun

ihr heißes

sie

an

seiner

sie.

Dann

seiner

ihm für

immer

zeigen,

im

um

ihren

Beistand

zu

Und

als

die purpurnen

trat

wieder

Gewalt

dem engen vollendete

bitten ;

sein

Bild

mit

Gemach ; sic mußte sic ihren

aber

Morgcnanzng

er¬

Begriff ,

die

Lina

litt

schlief so

Sonnenstrahlen

der ganzen Es

nicht

um ihren Rath,

in ihre Kammer

vor ihre Augen .

ihm

Brust

entsagen. sic

fest .

kleine Fenster

die

noch

zu wecken , sie noch einmal

durch das

sie ,

Nein,

ihrer

war

Schmach

der Edeln ?

Schwester

nun

ihrer

würdig ?

nur

in

Tagcsgraucn

Verklärung

durchströmte

ihm ,

Guten

, daß

war

Bewußtsein

sie

zu

wollte

— seiner , des Edelsten

daß

storben

Welt

Seligkeit

Ton seiner

seiner Stimme

Wangen , dem Feuer

zu hängen , mit sein

von

drangen , da verführerischen

sie nicht länger

hinaus !

in

Geräuschlos

und eilte ins Freie


101 — wohin, sie wußte cs selbst nicht. Leicht wie ein Vogel, glücklich wie die trillernde Lerche hoch in den Lüften, hüpfte sie am Ufer des Flusses entlang und sang Ihre Licblingslieder , begleitet vom Rauschen des Wassers. Dann blieb sie stehen und warf Steine in die Flut, wie ein Kind hell auflachend , wenn die Perlenden Tropfen emporspritzten. Sie wandertc weiter ans der grünen Flur. Da begegnete ihr eine alte Frau , eine Bäuerin, die zur Arbeit ging. Die Alte nahm den Rechen vom Rücken und stützte sich darauf. - Vroni erkannte sic sogleich. Vor Jahren hatte sie im Wirthshause gedient. Jetzt war ihr das Gedächtniß entschwunden , sic war kin¬ disch geworden . Sie lebte bei gutmüthigen Bauern, welche sie nährten und pflegten . Ihnen zog sie nach zu der Wiese, um das gemähte , vom nächtlichen Regen naß gewordene Heu wenden und trocknen zu helfen. In dem Uebermaß ihrer Freude fühlte Vroni das Bcdürfniß, einen Thcil davon auf andere übcrquellcn zu lassen; sie rief der Alten zu: „ Halt, Anna, er¬ kennst du mich denn nicht? " „Freilich kenne ich dich. Du bist ja des Scppcrl's Gretcl" — so hatte ihre junge Nichte geheißen, die als Braut gestorben war. Anna hatte an ihrem offenen Sarge geweint— denn damals gehörte die


102 Altc

noch

der

menschlichen

einen letzten Kuß gedrückt .

Gesellschaft

an

ans ihre kalte mhrtenbekränzte

Vroni

wußte

es durchschauerte

um

und

Stirn

die traurige

Geschichte,

sie.

„Du

bist des Scpperl

' s Gretcl " , fuhr

die Altc

fort , „ und

du siehst gut

ans , ja , sehr gut .

Wirst

du

bald

die Hochzeit

und fröhlich

daher

feiern ?

Du

kommst

so leicht

getanzt ; eile dich , eile dich , sonst

kommst du zu spät !" „Anna gläubische Broni . als

" ,

sagte

Vroni ,

nicht

ohne

Ahnung ,

„ besinne

Du

Kind

und mir

warst

auf

eine aber¬

dich

doch ,

ich heiße

bei uns

im Hause

und

hast mich

Armen

getragen ,

mich

gewartet

den

vorgesungen . "

„Nein , nein , ich sage dir , du irrst

dich , du bist

das

Gretcl ; nur

Das

war

so ruhig ; cs ging

Erde

gebückt und die Hände

in den Himmel

hast du dich verändert .

hinauf .

da oben ; der liebe Herrgott „Ja hoch , meinen

immer

mit

gefaltet , du aber

Es

ist doch nichts

ich bin

Bräutigam

!"

zur

schaust

zu sehen

, der zeigt sich da nicht . "

, du hast recht , Anna ; ich trage

denn

Gretcl

dem Kopfe

den Kopf

stolz

auf

mein

Glück

und

auf

'So

fiel

Vroni

der

Alten

in

die Rede , und der Gedanke , daß Albrccht

ihr Bräu-


103 tigam wcrdcn könnte, sprach sich in ihren verklärten Zügen ans. „Du wirst aber bald sterben" , fuhr die Alte mit ihrem einfältigen, schmerzlichen Lächeln fort; „ ich habe dich ja selbst, das heißt die Gretel, in den Sarg gelegt, und da du die Gretel bist, werde ich dich wieder hincinlegen und zudecken , mein armes Gretel!" Brom erbleichte . Sic hatte schon ein blankes Silbcrstück aus der Tasche geholt, um es der Alten in die Hand zu drücken ; aber nun war sie nicht im Stande es ihr zu geben. Wie eisige Tropfen auf glühendes Eisen, so zischten die Worte der Alten in ihr glückcrfülltes Gemüth. Wol verdampfen die Tropfen gleich, aber sie hinterlassen einen schwarzen Fleck. Die Alte zog weiter. Vroni blieb am Feldweg stehen— jetzt still, in sich gekehrt und traurig. Da hörte sie Schritte nahen; sie erschrak , und ehe sie sich sammeln konnte— stand Albrecht vor ihr. Sie war wie gelähmt und schien keiner Regung fähig; sie sah nichts als eine tausendfarbigc glühende Wolke, vor ihren Ohren sauste cs wie das Brausen wilder MccreSwogcn. Sie wankte und wäre zu Boden gesunken, hätte Albrecht nicht ihren Arm erfaßt. „Vroni , endlich finde ich dich!" sprach er sanft


104 und liebevoll . „ Ich sah dich das Haus verlassen; du flattertest davou wie eine weiße Taube — endlich habe ich dich eingeholt!" Wie hold war seine Stimme! Welche Seligkeit leuchtete ans seinen Blicken! Erst wenige Stunden war cs her, daß sic den Ton seiner Stimme ver¬ nommen; aber dazwischen lag die in stürmischen Ge¬ danken durchwachte Nacht — cs dünkte sie schon eine Ewigkeit zu sein. „Herr Graf " , stammelte sie, „ ich bin über¬ rascht—" „Du bist bleich, Vroni; ich habe dich erschreckt. Komm, laß mich ein Plätzchen für dich suchen , wo du ansruhen kannst; weißt du auch, daß du schon beinahe eine Stunde aus der Wanderung bist?" Er nahm sie bei der Hand, und wie ein müdes Kind ließ sie sich von ihm leiten. So gingen beide stumm nebeneinander den weichen gewundenen Wicsenpfad entlang bis an einen Bach, der etwas oberhalb in den Fluß mündete . Hier stand, von hohen Bäumen beschattet , eine verfallene ehemalige Mühle. Ihr jetziger Besitzer trieb eine Wirthschaft darin, wo die Bauern Sonntags zusammenkameu , um Kegel zu schieben oder sich sonst beim Bicrglas und ihrer Pfeife die Zeit zu vertreiben.


105 Rings um dcn Stamm einer uralten Linde war eine Bank befestigt . Auf ihr ließen Albrecht und Vroni sich nieder. Er hielt sie mit seinem Arm um¬ faßt; aber sie sprachen kein Wort, lieber ihnen brei¬ tete schützend der Baum seine vollbelaubten Aeste und Zweige ans. Ein Schwalbenpaar schoß pfeilschnell durch die Luft, küßte sich im Vorüberfliegen und zwitscherte sich einen fröhlichen Morgengruß zu. Trau¬ lich murmelte der plätschernde Bach. Kein rauher Laut störte die Harmonie der Natur. Weiterhin aus den Wiesen sah man Mäher und Müherinuen bei der Arbeit. Die ganze Landschaft , in goldenes Sonnen¬ licht getaucht , athmete tiefsten, beglückenden Frieden. Lange genossen die beiden schweigend den Ein¬ druck dieses friedlich heitern Bildes. Plötzlich Hub Albrecht an: „ Vroni, seit Wochen sehe ich— liebe ich dich; Vroni, sei mein!" Sie neigte sich zu ihm, schlang ihre beiden Arme um seinen Hals, und sein Antlitz dicht an das ihrige ziehend, flüftertc sie kaum hörbar: „ Albrecht , ich bin dein!" „Vroni , mein Mädchen, mein rettender Engel, liebst du mich wirklich wie ich dich liebe? Glaubst du mir, wie ich dir glaube?" „Albrecht, da ich dich zum ersten mal sah, strahlte


106 mir dein edles Wesen aus deinem Blick entgegen. Befiehl über mich nach deinen Willen. Doch warum nennst du mich deine Retterin? Erkläre mir, Albrecht, wie soll ich das verstehen ?" „Ja , Vroni, du hast mich gerettet. Ich ver¬ zweifelte an meinem Lebcnsbcruf . Wofür, fragte ich mich, lebe ich, wenn mein Leben zu keines Menschen Glück nöthig ist? Das Dasein war mir zur Last und zum Uebcrdrnß . Da sah ich dich, Vroni. Ich erkannte die trefflichen , ob auch zum Theil irregelei¬ teten Anlagen deiner Natur; in dir hatte ich mein Ideal gefunden, es erschien mir als ein herrlicher Lebenszweck , das kostbare Gold deiner Gemüths- und Geistcsgaben zu läutern, seinen ursprünglichen Glanz wiedcrherzustellcn . Vertraue mir, Vroni, liebe mich wie ich dich liebe, und das Werk wird mir gelingen." „Albrecht, ich fasse den Sinn deiner Worte nicht; klingen sie doch so ganz anders als alles, was man bisher zu mir gesagt. Ich bin ein ungebildetes Mädchen von nicderm Stande; was kann meine Liebe dir frommen? Du aber, Albrecht , du bist mein Licht, meine Krone! Ja , nimm mich in deine Arme, drücke mich fest, Albrecht, presse deine Lippen auf meine Lippen, daß ich den belebenden Hauch deines Mundes fühle! Du kannst mir ja nicht wehe thun, Albrecht.


107 So möchte ich vergehen , so möchte ich leben und sterben— in dir, bei dir, mit dir!" „Broni , rede nicht von sterben; du sollst leben, als meine Gattin sollst du anerkannt und geachtet werden. Die dich jetzt verspotten , sie sollen dir Ehre erweisen; die sich so viel höher und besser dünken als du, sie werde» beschämt zu dir hiuaufschcn ." „Albrecht , wie wäre das möglich? Ich habe nichts gelernt; kaum daß ich lesen und schreiben kann." „Fortan will ich dein Lehrer sein. Ich werde dir Bücher bringen, dich zu meiner lernbegierigen und fleißigen Schülerin machen ." „Noch zweifle ich, ob nicht alles Trug und Täu¬ schung ist. Mich, die Verlorene, die Gemiedene und Verstoßene , mich liebt der Graf von Greifenclan, einer der vornehmsten Herren des Landes! — Und weißt du denn auch wirklich ", sprach sie mit halbersticktcr Stimme, „was für ein Geschöpf du vor dir siehst? Weißt du — ach, ich war so jung und unerfahren—, daß meine Blüte dahin ist und nimmer wicderkehren kann?" „Ich weiß es, und ich liebe dich!" „Du kennst meinen Vater —" „Ich kenne ihn, und ich liebe dich!" „Nichts habe ich dir zu bringen als meine Liebe und — o der Schmach! — sic ist nicht mehr rein."


108 „Genug

, Brom , genug !

Ich

liebe dich ! "

„Und

was

aus

mir

gedenkst

Die

Leute würden

mir

zusammen

ihre

bösen Zungen

sähen .

cmporheben

Noch giftiger

von

gib den Gedanken

meinem

du

mir

zu wollen .

Was

könnte ich dir sein mit Herzen !"

, ich sage dir ja , daß ich dich achte , daß du

habe . —

die

ich mit

„ Diese

weiße

Hand ,

So

lege

deine

sieh

mich

an

begreifst

, das

schön ,

wie

feurige

Auge , die

entzückende

Gestalt!

die

ganze

Hände

ans

diesen

feuchten ,

mit

noch nicht die

Wie

er fort , als sie ihn verwundert

edle Stirn

kleine

ist

dir

du bist !" fuhr

Welch

Nein , Albrccht,

, lcidcnsvollen

Absicht ,

anblickte .

als zuvor würden

reden .

ich dich achten will ; aber

reizend

machen?

sie dich mit

auf , mich zu erziehen , mich zu dir

vielgeprüften

„Broni

zu

dich verspotten , wenn

meine

ein Meer

von

Poesie

und

kein Falsch ,

nur

lautere

Treue

Schultern dunkeln

Liebe !

und Augen.

Nein ,

und

da

Wahrheit!

Vroni , du bist schön , und du bist gut !" „Wie

freut

mich 's , wenn

ich dir

gefalle .

erschienest

mir

du , Albrccht , meinst

du , du

schön ?

Gebiete

mich wie über

ich will

dir

Magd .

Wohl , belehre

deiner würdig

über

gehorchen ,

dir

folgen

mich , damit

werde ; vor allem

aber

Deine als

Und

minder Sklavin;

deine

treue

ich etwas

mehr

liebe mich , deine


109 Liebe wird mir der beste Lehrmeister sein. — Ach,

wenn du wüßtest" ,, sagte sie wieder traurig, „ wie unglücklich ich gewesen bin, wie arg ich mishandelt worden! Jetzt noch bin ich zu einem Leben gezwungen, das ich verabscheue . Man suchte den Keim des Guten in mir zu ersticken , man beraubte mich jedes Willens zur Umkehr . Mit welcher Sehnsucht habe ich ans Befreiung geharrt! Albrccht , du nahtest dich mir zur rechten Zeit. Rette mich, ich beschwöre dich!" „Das eben ist ja mein heiliger Entschluß ." „Ist es das? Dann küsse mich, Albrecht! In deinen Armen ist mir so wohl!" „Immer verstehst du mich noch nicht, geliebtes Mädchen. Oder willst du mich nicht verstehen ?" „Was ich verstehe , Albrecht, das ist der lange zurückgehaltene Drang meines Herzens. Du liebst mich, ich liebe dich! Sage, wann gehen wir fort von hier? weit, recht weit von hier fort?" „Höre denn endlich, kleiner Trotzkopf ! Ja , sieh mich nur verwundert und ängstlich an. Was ich will? Ich will dich erziehen , ich will mit dir in den Büchern lesen und dir deutlich machen , was recht ist und was unrecht, was schön und was häßlich, was gut und was bös. Und wenn dein empfänglicher Geist so weit gebildet sein wird, daß dein Inneres dem schönen


110 , die dich , wenn dann die Menschen Aeußern entspricht sehen und hören, staunen werden über dein verstän¬ diges und feines, und doch so bescheidenes und herz¬ gewinnendes Wesen, dann will ich vor dich hintreten und dich fragen: „ Broni, liebst du mich noch?" und sagst du Ja , so will ich weiter fragen: „Broni, willst du ?" mein Weib sein, verbunden mit mir für alle Ewigkeit

Bei seinen letzten Worten hatten sich Droni's Augen mit Thränen gefüllt. „Ich dein Weib? Ich deine Gräfin, ich die Gräfin " , erwiderte von Greifenclan? Nein, es ist unmöglich sie, indem sie sich weinend von ihm abwandte. „Broni , was hast du, was that ich dir zu Leide? " fragte Albrccht besorgt. „ Glaubst du, daß ich es nicht gut, nicht aufrichtig mit dir meine?" „Du ? O nur zu gut, edelster der Menschen! Doch du ahnst nicht, wie unbarmherzig die Welt ein armes, mishandeltes, erniedrigtes Geschöpf mit ihrer Beschimpfung verfolgt. Ich wiederhole dir, Albrecht, du kannst den Fleck nicht tilgen, der an meiner Seele haftet. Ob ich dir auch rein und deiner würdig er¬ : an mir würde die Schande nagen, sic ließe scheine mir weder Ruhe noch Freude. Und auch du könntest später nur die Gefallene in mir sehen, du könntest !" , mich verstoßen mich hassen


111 „Beruhige

dich ,

mxine

Vroni !

daß ich zu rasch gewesen ; ich hätte sollen von meiner

Absicht .

von dem Gedanken , daß könnte .

Immer

Schon

wirst

wie sich der Myrtenkranz „Der

Myrtenkranz

druck innerer phezeiung

Angst .

trifft

Frau

mir

rein mir

und laß ab Sinn

ändern

sein und

heilig.

zum

Altar

um deine Schläfe ! " rief

Vroni

trittst, windet . "

mit dem Aus¬

„ Anna , alte Anna , deine Pro¬

ein !"

lich umklammernd

mir

du mit

sehe ein,

dir noch schweigen

Vertraue

ich je meinen

du

sehe ich , wie

Ich

Und den Geliebten

leidenschaft¬

, schluchzte sie : „ Nein , ich kann deine

nicht werden !

Ach , mein

guter , mein

herziger

Albrecht ! " Sie fühl

war

so schön in ihrem

seiner

Liebe

durchströmte

Glut , fast

wäre

er seinem

Beide

lagen

Albrecht

sich lange

in

Schmerz . ihn

Vorsatz

mit untreu

den Armen .

Das

Ge¬

verzehrender geworden. Endlich

riß

sich los , und mit den Worten : „ Vroni , ich

habe mir 's geschworen , ich führ ' es zum Ziel ! " schritt er dem

nahen

Walde

zu .

nach und

ging

dann

langsam

zur Stadt

zurück.

Vroni auf

sah

ihm

traurig

dem Wiesenpfadc


112

Mehrere

Wochen

welken Blätter Geisterhänden das

waren

seitdem

an den Bäumen gesponnenen

Nahen

des Herbstes.

Herbst

— warum

deine Reize

besungen ?

silbernen

Fäden

verkündeten

noch kein großer

Bist

du nicht

eifersüchtig

auf

deren

Preise

die Sänger

sich

Geschwister ,

zu

immer

von

begeistern ?

Wo

wäre

Dichter

ein Poet,

der nicht dem Lenz seine Huldigung

gebracht !

dem

nicht

gestrengen

lichenden

Winter

Stimmen

.

Die

hat

deine

neuem

vergangen .

, in der Luft die von

fehlt

Die

es

tobten

an

Blumen

Selbst verherr¬

, die er auf

die Scheiben

malt , die schweren

Zapfen , die er an

die Fichten

und

die

Tannen

hängt ,

Schneemassen,

welche er an den Abhängen

zusammcnhäuft

derbenbringend

in die Thäler

wälzt , sie sind unzählige

mal

geschildert

poetisch

Herbst ,

dich übergeht

einen treuen

Verehrer .

Sommermonaten ziehe Treiben

dem

worden . man . Ich

An

mir

dich , aber

ver¬

lieber

hast

du

liebe cs , nach den heißen

deine

kühlere

Luft

zu athmcn ;

ich

drängenden

Keimen

und

Sprossen

und

in der Natur

deine befriedigte

vor , die doch kein Stillstand grünen

Nur

und

Waidmannsrock

ist .

gemessene Ruhe

Ich

auf die Birsche

liebe

es , im

zu gehen , den


113 Ton

des Jagdhorns

schallendes

und

sein lustig

Echo zu vernehmen ; mein Auge erfreut

an der verschiedenen Färbung an der Mannichfaltigkcit »um harmonischen Mit

dem

Badcgcscllschaft

Lust

des

Ortes

crhaltcndc

Kraft

Aufbruch

Bergenan

hatte

auch

Abschied

die

genommen.

, welche der gesunden

besonders

stärkende

zuschrieben , konnten

und

lcbcu-

sich noch nicht

entschließen.

Baronin

und

dem Schützcnhausballe lich im

, welche du

vereinigst ! —

Sommer

alte Junggesellen eine

sich

und Sträucher,

der Schattirungcn

Gcsammtbildc

von

ein paar

Die

der Bäume

scheidenden

Nur

zum

durch den Wald

Gasthofc

Marianne

abgcreist .

wohnen .

waren

gleich nach

Albrecht blieb natiir-

Zunächst

sprach

er

ein

ernstes Wort

mit Schuber .

Er bot demselben

geradezu

ein

bedeutendes

Monatsgeld

wogegen

ziemlich

Vroni

fortan

sein sollte sprechen

aller

und

niedern

Dienstleistungen

er sie jederzeit

dürfte ; und

an ,

ungestört

bereitwillig

ging

enthoben sehen

und

Schuber

auf

diesen Antrag

ein . Sodann

machte er Lina Mittheilung

von

Absicht ,

Schwester

seiner

ihre

nehmen .

Das

wirrt ,

fühlte

Grafen

geschmeichelt ;

Marianne Broni.

gute Mädchen sich

aber

war

durch

versuchte

gedenkend , anfangs

zur

Gattin

überrascht das

Vertrauen

sic auch , einen

zu

und ver¬

der

des armen

schwachen Widcr8


114 stand

gegen dessen Pläne , so streckte sie doch bald

Waffen

und ward , als sie ihn allmählich

lernte , sogar

Vroni?

In

den

ersten Tagen

Albrecht mied sie , ganz

nach

Nur

der Schwester

zu nahen ,

das

Eis

Lina

ihr freundlich

ihrer

des Grafen

nachgcbcn

Gemahlin

zu den

heit nachzuhängcn

mit

gelang

es endlich , ihr

Erstarrung

zu

schmelzen.

zu , sie möge den Wünschen

und den Gedanken , einst seine

werden ,

trüben

der Begegnung

in sich selbst verschlossen , jedes

Gespräch .

immer

kennen

seine Bundesgenossin.

Und

redete

näher

die

nicht

von

sich weisen ; statt

Erinnerungen

an

, möge sie muthig

die Vergangen¬ die Zukunft

fassen .

Da

begannen

ihre

tenen

Thräncn

zu

fließen .

„ Ach , Lina " , erwiderte

sic , „ es kann

ja

nicht

sein ;

seiner

unwürdig

.

Mein

Eben

weil

ich Albrecht

gesagt ,

ich

bin

spricht

mich

nicht

frei .

lange

ins

Auge

zurückgehal¬

cs ist so wie ich ihm Gewissen

innig liebe — wie könnte ich, die Schuldbeladene in

sein

unbeflecktes

„Ucbcrlaß wissen , was nehmen

Ahnenhaus

eindrüngcn

so

, mich wollen !"

das ' ihm " , versetzte Lina ; „ er wird ihm zu thun

geziemt .

will , wie du bist , was

Wenn

er dich so

brauchst

du Bedenken

eine Lebensgefährtin

haben , auf

zu tragen ? " „Nein , er muß


BB

B

Standesgenosscn

, ja

115 die er stolz seinem

sein ,

„Durch wirst

die er seinen

Landeshcrrn

als

die Ehe

du ja seine Frau „Ich

denn

meine

Albrecht

darüber

könnte

vergeßlich

der

Geburt,

daß

er sich

gesinnt ,

„Du

als

sollte ; ich will Bildung

auch vergessen

Gastwirths

Namens

selbst nicht

reden ; mit werden ,

bin : — aber

„Zürne

mir

daß

ich

was

un¬

haftet ; den

kann

selbst

nicht abwaschcn . "

bist und bleibst mir ein Räthscl !

eigene Schuld

der

bleibt , das ist der Makel,

Vergangenheit

gehst du noch gar deine

den Unterschied

und unauslöschlich

der Glan ; seines

kann . "

gleichgestellt,

edel

es wol

der an meiner

ja

zu

in unserer

eines

vorstellcn

ihm

Gräfin . "

nicht hinwcgsctzen

die Tochter

dn

nicht

ist

Von dem Abstand Zeit

ebenbürtig wirst

zu Grunde , und dann

Am Ende

wird ' s bloS

sein . " nicht ,

Schwester ,

ich kann

nicht

anders " , versetzte Vroni. Albrecht

hatte

durch

mit Büchern , seine Flinte Greisenelan

holen

dem Gasthofe Als

lassen

seinen und

Diener

eine

Kiste

seine Jagdhunde

aus

und

sich ganz

ersten

mal

wiedersah

— sic

Felde

— , erschrak

er über

und den leidenden

Ausdruck

wohnlich

er Vroni

zum

begegnete

ihm

freien

die Blässe

ihrer

im

Wangen

8*

¥

in

eingerichtet.

1


116

die Hand.

reichte ihm

" ,

„Albrecht

r i'. S

sic ,

mir

nicht

Sic

letzthin

gcthan ;

Schülerin

sein .

so reich ;

ich aber

dem

von

mir

Sie

den

hinter

Thal .

Erzählen

mannichfachcn

Leben

da drüben

mich

über

Natur ,

über

die Größe

Oft

betrachtete

der

Wirken

und die Kräfte

des Weltalls

Sonnenuntergang

und

doch

unbegreiflich

täglich

erneuen .

sind Ich

Sie

belehren

Bergen ;

und

Schaffen

kleines

unser

als

nichts

fast

Welt

Geist

kenne von der

und

unwissend

bin

ich Ihre

will

so tief , Ihr

ist

Gemüth

Ihr

Pcr-

Ihr

Sie

Gern

mich !

Sic

erziehen

sprechcn :

von Liebe , wie

mehr

halten

aber

mir;

Sie

„ verzeihen

begann

ich bitte , reden Sic

.

des

Mondes,

das

Aufsteigen

mir

diese Wunder , die sich alles

das

können

weiß . Sie

mir

Sie

Bringen

unfern

großen

manchen

Bers

Dichtern im

Bücher , lesen

lernen .

das

Kopfe ,

aber

schöne Ganze

faßlich

Albrecht ? "

mir

aus

ich habe

wol

nur

ein¬

Sie

sind

cs

hier

und

kennen

er¬

auflas;

da

und

verstehen

mir

vor mit

Ihrer

gehenden Stimme

— wollen

Sie,

Ja , ich bitte , lesen Sie

sanften , zum Herzen

Ach ,

vor .

zelne Brocken , die ich zufällig ich möchte

das

ich den

klären , und so wie cs für uüch am leichtesten ist .

und

zu

ihn

auf

treuherzig

ging

Sie

Züge .

ihrer


117

«Ich

«Gern

, gern , mein

Kind !

Dn

sollst das Wort

liebe

dich ! » nicht

wieder

von

mir

dn selbst bung

es mir

vor

gestattest , bis

dich

lese , daß

treten

dars

du die Meine

gleich heute an .

Ich

bringen .

Federn

meine

zu

gelehrige ,,Ja

fleißig

,

in

deinem

willst .

Auge

Fangen

wir

Wie

freue

ich mich

auf

geben

und

!"

Albrecht , ich will

mir

Mühe

sein ; du sollst sehen , daß du dich nicht in dem

armen

gefallenen würdig

werden . Von

Mädchen

hast ,

von

dem

Ach , wäre

nur

auch meine

dem

andauernd

Stunden

am Morgen

.

Da

Waldesrand

hatte

wo ihm Vroni

waren

saßen

dazu

ein .

errichten

Es

gebildet

zu

frei ! " . .

einem

in einer

Hügel

begegnet

sie abends eine

dankte

Albrecht

seinem

guten

Jugend

studirt

und

gearbeitet

stattfinden.

bestimmt : eine

lassen , nahe

nahmen war

sein

vor einbrechen-

die beiden

auf

zum ersten mal

Mahl

daß

Seele

im Freien

und eine des Nachmittags

Laube , welche Albrecht

einfache

deinigen

schönen Wetter -begünstigt,

fast immer

des Tags

dcr Dunkelheit

schaftlich

getäuscht

war ,

konnte der Unterricht

das

und

Wer¬

gehe , dir Bücher , Schreibhefte

Schülerin

Geist

Zwei

ich mit meiner

werden

und

hören , bis

stillen

am

untern

der

Stelle,

war . hier

glückliche Zeit ! Stern

, daß

hatte .

er in Vroni

Auch

gemein¬ Wie der aber


118 freute

sich beinahe

Veranlassung

fl ;N

ihrer

freilich

war

gegenseitiger

dem Rcichthum mit

konnte

man

weil

:

seiner Kenntnisse

sie ihr

zu genießen.

es kaum

Austausch

der Poesie , die ihr

nennen ;

er theilte

ihr

es von

mit ; sie erfüllte

ihn

ganzes

Wesen

unbewußt

aus¬

liebste

Lektüre

waren

Gedichte .

Als

der ersten , welche

er ihr

strahlte . eins

,

ward , Albrecht ' s Unterricht

Unterricht ein

Unwissenheit

„Der

Ihre

Gott

vorlas , hatte "

gewählt .

Albrccht

und

die Bajadere

cs mit

steigender

Theilnahme

ergriff

sie seine Hand : „ Albrccht , ich verstehe

bis

zu

Sic

hörte

Ende .

Dann

Absicht .

Ja , ich war

auch ein bcthörtes

mädchen

und

wäre

versunken

Sünden

, da

kamst

Liebe .

Doch , der Bajadere

würde

hatte .

ward

meiner

mich durch deine erst vergeben , als

ihr vergangenes

Du , du bist mein

ich mich opfern , wenn

ach , vor mir

Sumpf

du und rettetest

sic durch den Flammentod geläutert

im

deine

Bajaderen¬

Leben rein

Abgott , für

es dir frommte .

selbst mich freizusprcchcn

, das

dich Aber

vermagst

auch du nicht ! " Nur sprachen

einmal von

Liebe .

schönen Abend . untergegangen frischend

vergaßen Es

sie war

Die Sonne

herüber .

Kein

an

war

; vom Walde Ton

ihren

Vorsatz

einem

himmlisch-

in purpurner

wehte aus

und

es duftig

Pracht und

er¬

dem Geräusch

der


119 Menschcnwclt

unterbrach

die Stille

Farben

mit

erlöschender

Glut

Alles

stiinmte

zu

beugte

er sich über sie , leise drückte er einen Kuß auf

ihre

Wange . „Nein

mußt

und

schmiegte

schmolzen.

Hingebung

sich an ihn

.

Da

und

seufzte.

, seufze nicht , Vroni ; seufze nicht !

Bald

du mein

Freude

ineinander

Weichheit

Sie

der Natur , deren

sein .

aufthun

Da

wird

für mich und

„Niemals

sich ein Himmel für

von

dich. "

kann ich die Deine

sein , Albrecht , so

sehr ich dich liebe . " „Und

warum

„Weil

cs zu spät

der Mühle

wäre

auch vor loren

niemals ? " ist .

ich beinahe

An jenem

Morgen

bei

schwach genug

gewesen,

dir zu erliegen , und sollte ich auf

ewig ver¬

sein .

Jetzt

aber

hast du mir

die Kraft

gegeben,

zu widerstehen , jetzt bin ich stark . " „Und trautes

doch ,

du

wirst

noch

mein

Weib ,

Sic

lächelte

schmerzlich .

mir " , sagte sic , „ einen

„ Noch

einen Kuß

langen , letzten Kuß !

nein , nicht den letzten ; um den letzten werde noch bitten Er zum Finger

mein

Weib !"

mal

und

küßte

umfangen

sie. wollte ,

Als

er

sie aber

preßte

sie ihre

auf seinen Mund , und sich sanft

V

ich dich

aber nicht heute . "

umarmte

zweiten

gib Doch

von ihm los-


120 windend , flüsterte

sie : „ Komm , laß

uns

nach Hanse

gehen . " Ja , das sich beglückt Trieb

waren in

wonnige

Leiten !

der Wiedergeburt

zum Schönen

und

geschlummert .

Der

rasch entfesseltem

Zauberer

sich auf zur Höhe

Die Erscheinungen

hatte

in

ihr

nur

brach

den

schwang

ihr

und

Fittich

des Denkens

und Forschcns.

, welche sie täglich umgaben , waren

keine unlösbaren

Räthsel

empfand

sie den

des

,

Der

kam

ihr nun

Anschauung

fühlte

Seele .

Wahren

Bann , und mit Geist

Vroni

ihrer

Genuß

jedes

mehr .

Und doppelt

Erkennens

,

denn

jede

,

Begriff

kam

Verständniß

jeder

ja von ihm , von dem Geliebten. Wenn Sonne

sie

von Phöbus des

die

aufsteigen

Sonne

,

oder Phaethon

Lichtgotts

die

oder sinken

strahlende

goldene

sah , schwärmte

sie wol

, und

die schöne Gestalt

verschniolz

ihr

Angebeteten ;

aber

bald

kehrten

ihre

Gedanken

zur

Erde

die fernen

Länder

traten

ihr

die

zurück ,

Augen , die von der Sonne Hemisphäre

mit

der Gestalt

beschienen

vor

werden , wäh¬

rend

unsere

malte

sich aus , wie schön es wäre , mit dem Geliebten

zu reisen ; mit

ihm

oder

unter

schlanken

von

buntschimmcrndcn

in Dunkelheit

ihres

in

den Urwäldern

Palmen Kolibris

gehüllt

zu wandern,

Zu ruhen , und

ist ; sie

umflattert

berauscht

voin


121 Tropcngcwächsc

der blühenden

Duft

denen sie Sic

versehen hatte .

Auswahl

in sorgfältiger

Albrecht

gc-

Zimmer

ihr

sic in den Büchern , mit

las

fesselt , dann

an

Wetter

unfreundliches

trübes ,

sie durch

War

.

ersehnten

Lande

entgegen;

sie litt

mit der

unglücklichen

Maria

Stuart

, sie be¬

wunderte

die

Herrschergröße

der

Elisabeth .

dem

hoffte mit Columbus

für

nahm

Albrecht 's

und

gewann

Einfluß

und

Tiefe

und Philosophie

Unter

seinem

sich auf .

in

Gcmüth

Er

erzählte

ihr

mehr

an

den

Verlauf

ihr

seine

bittere

Lebens¬

Dabei

sprach

er ihr

von

Religion

Seine

auf

die Lehren

.

theiltc

.

großen

der

gestützten Ansichten , die alle von einem Grund¬

Denker

Ideal , durchzogen

Harmonie

vollkommenen

nach einem

ton , von dem Streben reinen

Sinn

anch ihr

und

mit .

erfahrung

kindlichem

immer

Innigkeit

Jugend

seiner

mit

Belehrungen

Verständniß

reinem

der Neuheit , und sic

Reiz

sie den frischen

hatte

Alles

in ihre gequälte

eine sanfte

waren , brachten Seele .

und

Wider¬

Die frühem

sprüche zwischen ihrem bessern Wollen

und den Trieben

, als

sie ein bestimmtes

ihrer Leidenschaft Ziel

vor

sich sah ,

Gesetzen , welche maß

verschwanden

das

erhalten , auch

Regungen

sich fügen

als

sie erkannte ,

denselben

in Einheit

und

Gleich¬

menschliche Herz

mit

seinen

Weltall das

daß

müsse.


122 Nichts

störte

die Wirklichkeit Vater

die süßen

ließ sic unbehelligt

lich und theilnehmend zukünftiges

und

liche Absichten Bewerbung

als

mit

nichts

war

gestalten

seiner

und

Mit

sic, Ihr

frcund-

nicht mehr von

dem

sie war

seiner

übrigen

Welt

in Berührung;

Gerede , das

in Umlauf

Officier

zu wollen; zeigte ernst¬

der

zu den Ohren

ein junger

in

welche

Lina

Bürger

Hand ,

Albrecht

davon

er den Vorlauten Lehre auf

ihre

abgeneigt .

sie kein Wort

einmal

merkung

auf

kam Vroni

Verhältniß

gelangte

, in

. Auch ihr , der braven Schwester,

wohlhabender

nicht

von Bcrgcnau so hörte

walten .

Los schien sich günstiger

ein achtbarer

ihr

Träume

fast vergessend , sich hineinlebte .

war .

über

Ebenso

des Grafen ; und

eine

verletzende

Be¬

Gegenwart

sich erlaubte , forderte

und

ihm

wol

ertheilt

haben

— denn

hätte

der

würde

dem Kampfplatz

eine tüchtige er

war

ein vorzüglicher

Schütze

— ,

nicht

noch rechtzeitig

Abbitte

geleistet .

Fortan

ver¬

war

von

kurzer

mit Marianne

, und

stummten Aber

die Schwätzer. diese glückliche

Zeit

Dauer . Lina stand in Briefwechsel die Briefe

Gegner

der letztem

wurden

brecht und Vroni

gelesen .

zu sehen verlangten

, drang

daß sic von dem Inhalt

nur

gewöhnlich

Obgleich Lina

auch von Al¬

die beiden sie nicht

doch jedesmal

derselben

Kcnntniß

darauf, nähmen.


123 keine Geheimnisse . Marianne

allerdings

Tic enthielten

besser , sie lobte die

schrieb , cs gehe mit ihrer Gesundheit

ihre Beschäftigungen digte

sich nach

ihrem

vier

langen

Seiten

nicht

war

Er

zum Lesen

, sondern

über seine

Wolke

düstere

von hastig

ihn Albrccht

Während

sich eine

durchflog , lagerte

hinter¬

sic zweimal

von Marianne

geschrieben .

der Baronin

Lina

den

einen

wieder

sie ihn Albrccht

durchlas , bevor

einander reichte .

Brief ,

einer Silbe

je mit

war

empfing

Tages

Eines

erkun¬ Weder

Vergnügungen

und

Vroni ' s noch Albrecht ' s aber erwähnt .

, und

Verlobten .

und

Lina

über

, berichtete

Mutter

ihrer

gute Stimmung

immer

Stirn. hilft nichts " , sagte Lina , „ Sie

„Es

Albrecht 's

sprach

Sic

so gelassen !"

„da

sicht man , daß Sie

wie

wenig

sich in

Sie

er mit

müssen hin !"

Stimme;

bebender

kein Mitgefühl

haben , und versetzen

anderer

die Lage

sagen

„ Das

sich.

entfärbte

Gesicht

können . " , nun , werden Sic

„Nun

Graf !

Herr

bleiben ; müssen

aber Sic

Mir wie

nur

die

sich ohne

der That ,

Sie

hier

meine

ich,

Greifenclan

be¬

stehen ,

Sachen Verzug

nach

geben ; es ist ja auch nicht so weit In

nicht gleich so böse,

ist ' s ja schon lieb , wenn

von hier . "

cs konnte nicht geleugnet

werden.


124 Albrccht ' s Gegenwart wcndig .

Ans

Folgendes

in

seinem

dem Briefe

Schlosse

seines

ermittelt , oder glaubten Grcifcnclan

kein

der Baronin

ging

nämlich

verstorbenen

Vaters

hatten

zu haben , daß Schloß sei ,

und

verlangten

Gunsten

Schuldmassc

verkauft

daß

es zu

oder

ihnen

übergeben

milienvertrags

ermittelt

Fideicommiß

nun ,

der

werde .

Kraft

besaß die Baronin

Grcifcnclan

daß sic ihre hatte

mitgetheilt wegs das

gab .

sie dies nur beiläufig

weitere

zu

verhandeln

übrig , die Reise

mußte

sich zur Trennung Trennung

glücklich , so selig

er nie

Trotz

war .

Vroni ' s

die Hoffnung

zu nennen . dünkte

In ihn

ihrer

Fa¬

ohne

dem Briefe

erwähnt , dagegen sei bereits

unter¬

mit

Graf

Albrecht

Hiernach

blieb

Albrecht

ließ sich nicht aufschieben , er entschließen.

— unerträglicher

von ihr , der Heißgeliebten

lichkeit .

.

durfte , In

, einer der Hauptgläubiger

nach dem Schlosse , um dort

nichts

allein

werden

dazu

alten

wichtige Veränderung

vorgenommcn

Einwilligung

eines

ein gewisses Besitz-

recht , nach welchem keine irgend

an Lina

noth-

hervor:

Die Gläubiger

mit

war

Gedanke !

Trennung

, von dem Orte , wo er so Es

schien ihm

beharrlicher

eine Unmög¬

Weigerung

hatte

anfgegcbcn , sie einst die Seine bezaubernden

leben .

Nun

Nähe

weilen , das

sollte er die Morgen-


125

in

widerwärtigen

und

Advocatcn

in

er an den einsamen

, sollte

zubringen

Gläubigern

mit

Unterhandlungen

umsonst

Abenden

seiner holden Schülerin

mit

im Gespräch

statt

stunden

nach ihr

Sehnsucht

brennender

sich verzehren!

klopfendes

schmerzhaft

Ruhe : „ Nun

ge-

aus

ihr

sie , die Hand

Herz pressend , mit

wohl , einmal

mußte

auch besser

so ! "

Dann

Laube

Kopf

in

die Hände

ihre Schritte

werde zu diesem stillen Hciligthum

lenken .

überraschte

Darum

sich stehen

fest , ihr

Auge

klar , in ihren

müthiger

Ernst .

Haltung

war

ein

wch-

lag

Zügen

„ Lebe wohl , Albrccht ! "

„ Lebe wohl , mein

, meine ' Broni !

„Broni

Ihre

sah .

sie vor

leise zu ihm .

er auf¬

cs ihn nicht , als

blickend

auch

wußte ,

Er

gestützt .

Albrecht,

saß

Waldcsrande

am

der

be¬

zu

zu crküiupfcn . —

schwichtigen , sich Fassung In

sie , in

ging

Gramö

ihres

den Ungestüm

Einsamkeit

Broni

erzwungener

es ja doch kommen.

ist 's

Vielleicht

deu

vernahm , daß Albrccht

sei abzurciscn , sagte

nöthigt

der

von Lina

Vroni

Als

sprach

Albrecht ! "

Ich

kann mich nicht von

mir

das

Leben ohne dich ! "

„Nicht

so ,

Albrecht ,

nicht

so !

stark ; nimm

mir

nicht meine Kraft .

dir trennen ; was

wäre

in die Welt , wo du Veränderung

¥

sie

Sich , Du

ich bin

gehst wieder

, Zerstreuung

, neue


126 Freunde findest; du bist ein Mann mit reichen Kennt¬ . Ich bleibe hier nissen, mit Trieb zur Thütigkcit

, sreundloscs Mädchen , ein verlassenes vereinsamt zurück — mache mir nicht mit deinen Klagen das Herz !" noch weich „Kann ich denn anders, Vroni? Gibst du mir doch keine Hoffnung, keinen Funken Licht mit ans den dunkeln Pfad meiner Zukunft! Du sprichst mir von der Welt und ihrem Treiben! Wüßtest du, wie hohl, wie nichtig diese Worte mir klingen! Nichts ist ganz und wahr als die Liebe. Vroni, auf meinen Kniecn bitte ich dich: Vroni, werde mein!" „Dein ? Und wie? —" „ Wie du willst, nur sei mein! Komm mit mir nach Grcifcnclan; morgen soll uns der Pfarrer trauen. Versage mir nicht das süße Glück des Daseins! Vroni, ich kann nicht leben ohne dich, sei mein!" Tic legte beide Hände auf die Schultern des Knienden, richtete sein Antlitz auf ihren Busen und sprach: „ Höre mich, Albrccht; höre mich ruhig an! Bleibe deinen Vorsätzen treu: das Ideal ist Wahr¬ heit! Glaubst du, daß ich ohne sic geworden wäre, was ich jetzt bin? Albrccht, ich danke dir mit der ganzen Kraft meines Herzens, daß du mich uicht verachtet hast wie die andern, daß du durch deine


127 Belehrungen

emporzuhebcn ge¬

mich zur Erkenntniß

Nun sehe und fühle ich, die reine Wahrheit

sucht.

kann durch keinen Makel der Menschen befleckt werden, aber die Büßerin Wahrheit

wird von ihrem Makel durch die

geläutert .

Ja , du hast mich stark gemacht,

Albrecht , geistig stark !

Ich kann nun den Gedanken

ertragen , daß du in der Ferne weilst ; denn ich ver¬ traue fest, so weit uns auch das Leben trennen mag, dereinst werden wir für immer vereinigt sein. " „Vroni , sprich nicht von Tod ; mein Herz blutet schon, denke ich nur an die kurze Trennung ." „Und bleibe ich auch " , fuhr Vroni wie in Ver¬ zückung fort , „ hier einsam zurück: jede Blume , jeder wird mich an dich erinnern.

Baum , jeder Strauch

Sic werden mir nicht mehr als tobte , vereinzelte und zwecklose Dinge Ringe

erscheinen wie früher , sondern als

in der großen Kette der Wcltordnung , die

jedes , auch das scheinbar Geringfügigste , für einen wichtigen Zweck geschaffen hat .

Gehe jetzt, Albrecht,

und wenn du deine Geschäfte beendet hast , dann wollen wir uns Wiedersehen. " Albrecht hatte sich aufgcrafft .

„ Nein , ich kann

cs nicht ! Lieber will ich all mein Hab und Gut den gierigen Händen

der Gläubiger

Geliebte , entsagen .

prcisgcbcn , als dir,

Ich kann dich nicht verlieren !"


128 „Muth , Albrecht, Muth ! Die Nacht um dich ist nicht so dunkel wie die, welche mich nach meinem Kalle umgab, und doch hat mir der Tag wieder ge¬ leuchtet ." „Wohlan, so will ich gehen; doch schwöre mir erst, daß du cinwilligst, die Meine zu werden." Sic zögerte einen Augenblick , dann sprach sic feierlich: „ Ich schwöre dir, Albrecht , wenn du jetzt gehst und nicht bald hierher zurückkehren kannst, will ich zu dir kommen und die Deine werden, die Deine, wie du cs wünschest , vor Gott und den Menschen ." „Du willst mein Weib werden?" „Ich will cs. Nun aber mache dich ans! Die Sonne sinkt tiefer, das Glöcklcin der Kapelle läutet zur Vesper, dort unten kommen die Arbeiter vom Felde heim. Geh, Albrecht , ehe cs Abend wird, da¬ mit dir meine Blicke noch recht lange folgen können. Begib dich zum Gasthofe, wo schon seit einer Stunde der Wagen auf dich wartet. Ich bleibe hier unter der Laube und werde der Staubwolke nachschauen, die von den dahincilcnden Rädern aufgcwirbelt wird. Fort , Albrecht, fort!" „Brom , mein Leben, mein einziges Glück!" „Nur für eine kurze Zeit will ja das Schicksal uns trennen. Geh, Albrecht! Sichst du nicht, mit


129 welcher Anstrengung ich mich aufrecht halte? Ich möchte

; cs wäre schlimmer für nicht vor dir zusammenbrechen uns beide. Albrecht, leb' wohl!" Als er endlich sich von ihr losriß und fast be¬ wußtlos den Hügel hinabeilte, stand sie starr und unbeweglich da, in dem weißen Gewände einer Bild¬ . Nicht eine Muskel regte sich in ihrem säule gleichend Antlitz; aber die dunkeln Augen strahlten wie von überirdischem Glanze, und auf der hohen Stirn leuchtete Dcmuth und Reinheit. Bei der letzten Bie¬ gung des Pfades wandte er sich noch einmal nach ihr um; da erschien sie ihm wie von himmlischer Glorie umgeben, eine lichte Engclsgestalt. * *

*

Gleichzeitig mit Albrecht hatten auch die Ba¬ ronin und Marianne sich aus Schloß Greifenclan

, nm an den Verhandlungen mit den eingefundcn . Albrecht schrieb täglich Gläubigern thcilznnchmen an Vroni. In seinen ersten Briefen herrschte ein Ton der Verzweiflung vor; allmählich wurden sie ruhiger; in jedem aber beschwor er sie dringend, ihr Vroni.

v


130 Wort zu halten und sobald als möglich nach Greifenclan zu kommen, wo er sic der Familie als seine erklärte Braut vorstellen wolle. Broni war nach Albrccht 's Abreise wieder ernst¬ lich erkrankt . Auch sie antwortete ihm zwar täglich, aber sie mußte die Briese in ihrem Bett schreiben. Die Aermste hatte sich, seit sic nach Bergenau zurück¬ gekehrt, eigentlich nie einer festen Gesundheit erfreut. Nun war durch die wechselnden Gemüthsbewegungen der jüngsten Zeit ihre schon schwache Brust noch be¬ denklicher angegriffen worden. Sie begann zu fühlen, daß der Wurm an ihrem Lebenskern zehre. „Sagen Sie mir aufrichtig, Herr Doctor", fragte sie eines Tages den Arzt, einen langjährigen theilnahmvollen Freund des Hauses, „ wie steht cs mit mir? Sagen Sie mir ganz offen: ist meine Krankheit unheilbar? muß ich sterben, oder kann ich wieder gesund werden?" „Das hängt von Ihnen selbst ab, Broni", lautete seine Antwort. „ Wenn Sie sich recht schonen, geistig und körperlich , dann können Sie die Krankheit überwinden, denn Sic sind jung und besitzen von Haus aus eine kräftige Natur. Aber Sie müssen mir versprechen , sich vollkommen ruhig zu verhalten. Jede Anstrengung, namentlich jede innere Aufregung


131 — Sic

schen , ich verhehle

schlimmsten

Folgen

Vroni

betrachtete

Handtuch

und

danke Ihnen

Ihnen

nichts

— kann

die

nach sich ziehen . " die rothen

sagte

mit

, lieber Herr

Flecken

lächelndem

auf

Munde

ihrem :

„ Ich

Doctor ; ich fühle mich heute

viel wohlcr . " Wirklich Ja

verließ

sie wankte ,

sie an

auf

das

diesem

Geländer

Tage

das

Bett.

sich stützend , mit

nicht zu fallen , die Treppe

hinunter

in

den Spcisc-

saal .

Hier

setzte sie sich ,

wie

einst

vor

Monaten,

ans

Fenster

und

sah

den

freien

Platz

vor

dem

und

ihr

draußen

vor¬

Hause . bei .

Lina

Beide

besser zeit Glück

drückten

auf

Verlobter

ihre

gehe .

In

drei Wochen

feiern ,

und

mit

beschäftigt ,

Lcidcnszug

und

den

kamen

Freude

aus , daß es Vroni

wollten

sie ihre

Hoch¬

an

das

eigene

nicht

den

tiefen der

Gedanken

gewahrten

sie

die krankhafte

Blässe

im Antlitz

trat

der

Schwester. Als ein . Ihnen

sie gegangen

„ Grüß

Sie

wieder

einen

Während

Gott , Fräulein

er ihr

the .lnehmcnd : „ Wie Anton ? " „Ach

waren ,

Brief

aus

Vroni ; ich bringe

Grcisenclan

den Brief

Briefträger

."

gab , fragte

geht es denn in Ihrer

schlecht , liebes

Fräulein

, schlecht ! o*

sie ihn Familie,

Meine


132 vier Kleinen haben den Keuchhusten , und ihre Mutter danieder . Und ich muß den

liegt schwer am Typhus ganzen Tag

kann ihnen

sein und

der Straße

auf

nicht bcistchcn. Ja , unsereiner hat wol seine Noth !" „Warten

einen

Sic

erhob

Sic

Augenblick. " Bald

kehrte sie

zurück mit einem Korbe voll Fleisch , Brot

und einer

sich mühsam und schwankte hinaus . Flasche Wein .

„ Da , nehmen Sie , zur Erquickung

für Ihre Kranken !" „Tausend

Dank ! "

vergelt 's Ihnen

„Gott

der Bote

sagte

und schenke Ihnen

gerührt.

ein langes,

glückliches Leben !" „Ach , mir ist so weh zu Mnthe " , seufzte Broni, als

sie wieder

Brief

und las:

allein

war .

Sie

öffnete Albrecht 's

„Brom , ich kann nicht länger leben ohne dich! Wenn du nicht bald kommst, so komme ich zu dir und hole dich. noch einige Zeit Tante

ist mir

Meine Tante hier bleiben .

müssen

und Marianne Das

oft unerträglich ,

Geplauder

und

der

Mariannens

ruhiges Wesen bringt mich ans der Fassung .

Dein

Aamc wird nie zwischen uns genannt , und doch schwebt er stets auf meinen Lippen .

Die

Tante

gibt mir

auf tausenderlei Art zu verstehen , daß sic immer noch darauf rechnet, ich werde Marianne

als meine Gattin


133

leben

und

dich lebt

Tag

und

Nacht

Seele .

Du

allein

Träumen

und

Vroni ,

wM

meiner

vor

für

an dich denkt , nur

nur

der

— ich,

heim führen

steht dein holdes

Bild

lebst in meinen

Gedanken , in

meinen

Zukunftshoffnungen. „Unser

Pfarrer

hält

angekommen ,

die

Trauung

wahr

wenn

cs

bald

kämest!

Bergwerksmusik bringen

ich

du hier

vollziehen .

Vroni,

zu

will

mir

darf

es

den

Ständchen

ein

abends

Unsere

.

Namenstag

mein

ist

nicht

Leuten

du

wenn

ich ersehne ,

was

würde ,

„Uebermorgcn

sich bereit , sobald

wehren!

Vroni , bete für mich an dem Tage! Albrecht . "

Dein

sogleich .

Sie

von Bcrgcnau

ent¬

Brief

die zwei Worte:

schrieb nur „Ich

den

beantwortete

Vroni

komme . " H

* *

Grcifenclan

ist zwölf Stunden

fernt , zwölf

Stunden

rauhen , fast

immer

auf - und

absteigenden

Wegs .

Das

Schloß

war

einst

eine

Auf der Spitze

eines

trotzige , feste Ritterburg

gewesen .


134 steilen Hügels Zinnen

erbaut , konnte man von ihren

weit hinaus

hohen

in die Ferne schauen , ob etwa

ein Feind sich zum Angriff nahe .

Alle die umliegen¬

den Forsten gehörten zum Besitzthmn der Herren

von

Greifenclan .

in

Jetzt

Trümmern , und vernachlässigtes gelichtet. der

lag

daö Schloß

auch die andere Hälfte

Aussehen .

ein

waren stark

Der Wallgraben , der damals

zum Schutze

Burg

gedient

hatte ,

des Grafen

war

theils

schönen Parkanlagen

das

Schloß

herrlichen

Baumgruppen

rauschte

grüne Rasenflächen

ans .

erfrischendes

Wasser , unter

dehnten sich wohlgepflegtc Sein

Nachfolger

aber ließ

verwildern ; die Wasserstrahlen

versiegt , der Rasen die alten Baume

mit

umgeben ; aus künstliche» Grotten

und

wieder

zugeschüttet,

gefüllt . Der Gro߬

Albrecht hatte

sprudelte

alles

hatte

Die Wälder

thcils mit fauligem Sumpfwasser vater

zur Hälfte

von Unkraut

waren

überwuchert ; nur

streckten ihre Wipfel noch hoch in

die Luft. Auf Anlaß

der Baronin

Albrecht 's Namenstag Sic

wurde die Feier

von

möglichst geräuschvoll begangen.

hatte die Hoffnung keineswegs aufgegebcn , ihren

Liebling noch als Mariannens wußte sic um des Grafen mütterlicher Stolz

Gatten zu sehen. Wohl

Liebe zu Vroni ; aber ihr

schmeichelte sich, Mariannens

Bor-


135 züge würden doch endlich den Sieg über die Neben¬ buhlerin davontragen. Sie baute auf die Macht der Zeit und auf irgendeine günstige Wendung. Albrecht war schweigsam und misgclaunt. Die

Gratulationen der Tante und seiner Wirthschaftsbcamten vcrstiminten ihn nur noch mehr. Wie anders ! Nur hätten sic ihm ans Vroni's Munde geklungen wieviel um — Stimme süßen ihrer wenige Laute lieber hätte er sie vernommen als all die langweiligen, wenn auch wohlgemeinten Anreden, denen er kauin sein Ohr schenkte. „Ich komme" , hatte sic ihm geschrieben. . . . aber wann? Vielleicht noch heute, an seinem Namens¬ tage, um ihm Glück zu wünschen und Glück zu bringen. Zehnmal im Lause des Vormittags stieg er auf den Schloßthurm hinauf und spähte mit dem Fernrohr in der Richtung nach Bergcnau, ob nicht der Staub eines von dorther kommenden Wagens . Und konnte er selbst nicht aus dem Thurm sich zeige verweilen, dann mußte sein alter Diener oben Wache halten — aber keine Spur ward sichtbar. Schon begann cs dunkel zu werden. Die Fa¬ milie saß noch bei der Tafel, und draußen spielten 's Trüb¬ die Bergleute lustige Weisen dazu; Albrccht sinn vermochte auch die heitere Musik nicht zu bannen.


136 Seit

ihrer

Marianne

Ankunft

auf Schloß

jede vertrauliche

geflissentlich

zu meiden

gesucht .

Liebe

zu ihm

mit

dem

werde

ihm

eine

passende

sic täuschte

sich.

Tief

ihrer

sei erloschen ,

Gedanken

Neigung

umsonst

sticken .

ging

Albrecht

erfahren

kommen gleichgültig einem

griffen ,

wie

herbster

Bckümmcrniß

sie

fast

erbebte .

Gläubigern

die

ganz

wollte

Hülse

ihr

daß

sie ihm

Mitleid saß

dem

Gesinnung

er sein

letztes

Gut

Anspruch

Tante

in zu

Zärtlichkeit

ein treues

ihm

verschmähst

Freundesherz

;

laß

er¬

Ausdruck Es

gab der den

Uncigcn-

seiner

gern

ihm

mit

Adel

heut

ward

kund , vor

Verhandlungen

seiner

hätte

sie

voll¬

aber mit

mit

der Leidenschaft den

zu er¬

und schmerz¬

sie seine bewundcrnswcrthc

hohen

Albrecht , meine ich dir

Bemühen,

ihr

in den seinen Zügen .

Bei

hatte

gelernt ; eher als

so vor

eine Gewalt

nützigkeit , den

Marianne

war

An diesem Abend

unbeschreiblichen er

Aber

der Funke

dem Wege , weil

mochte ,

sei .

sie von

sich darin

sein .

von neuem die demüthigendc

liche Wahrheit

sich

Vroni

glimmte

ans Vroni aus

ihre

sogar

können ,

Lebensgefährtin

fort , und

Vetters

wähnte ,

glaubte zu

im Herzen

der Eifersucht

nicht immer

und

hatte

ihres

Sie

befreunden

die Regungen Sie

Grcifcnclan

Annäherung

kennen

verpfänden,

sagen

nehmen. mögen:

du ; so biete mich

dir stets


137 Seite

zur

als

Sie

bemühte

!

Freundin

und

lenkte

Bergcnau

,

an

manches

von dem

sic vermuthen

Erlebniß

konnte ,

daß

daran

Albrecht ' s Theilnahmc ihre

Nach auf

verschönerndem

Licht .

Alürccht

schien das

Nur

spiel kaum

zu beachten.

vor

Sic

hat mich nur

betrübt

entfernte

vor dem Altäre . Und

unendlich

seitwärts

das

weißem ,

gegenüber

Anblick war

be¬

magische

der

Farben¬

murmelte

er

Pfarrer

uns

vertrösten

wollen ."

er sich einige Schritte

zur Rechten

Gebüsch ,

befand , von rothcm

sieh , was . war hüllung

in

von den übrigen.

Die Baumgruppen von

erwartete

„ umsonst

sich hin ;

An¬

erglänzten

gekommen " ,

nicht

ist also

„Sic

englischen

Der

röthlichcn

zaubernd .

hinaus

erleuchtet ; auch

Feuer

des Schlosses

und Zinnen

die Mauern

er¬

dafür.

trat die Gesellschaft

bengalischem

mit

wurden

lagen

Er

werde .

dankbar

sogenannten

Die

die Terrasse .

auf

anknüpfcnd,

die Erinnerung

erregen ihr

war

Tafel

beendigter

öfters

Unterhaltung

kleine

kannte

Absicht und

gesprächig

und

sich, heiter

die

sein ,

zu

opferbereite

hülfreichc ,

deine

gehen

der

das ?

leichten

Sah

und Linken waren sich Albrecht

jetzt

Lichte beschienen .

Da

dem

er nicht

Rauchwolken

eine

durch

die Um¬

weiße Gestalt


138 hindurchschimmern seiner

?

Ein

leiser

Aufschrei

Brust : „ Himmel , wenn Langsam

die rothe ihrem

wallte

der Ranch

empor , nun

in

durchsichtiger

Klarheit

Glut

purpurnen

Schein

festgebannt

von

noch

einen

Augenblick

ihr

ausbreitcnd

ihrer

von

einem

.

erkannte

stehen ,

Ihr

leuchtete

,

und

bei

Schönheit nur

blieb

er

nach

Antlitz , ihre

ganze Gestalt

war

Schimmer

umsiossen .

Jetzt

sie ihm .

gestüm

an

„Vroni

, Vroni , mein Kind , mein

die

Wie

Arme

verklärenden Er

sich

er Vroni .

idcalischcn

winkte

flog ans sie zu , riß

sic mit Un¬

drückte

seine Brust.

sich und

ich dich endlich wieder keit !

entrang

sie es wäre !"

sie fest an

— wieder

süßes

Weib , habe

für Zeit

und Ewig¬

Doch

komme

jetzt , ich führe

dich zu dem Ge¬

mach , das

ich für

deine Aufnahme

schmücken ließ . "

mit

niemand

Und

er verschwand

durch eine Nebenpforte getragen , erreichte aber

entglitt

„Himmel Albrccht

,

von

des Schlosses .

sie mit

sic seinen

macht nahe , auf

ihr ,

Mühe

Armen

Halb

das

und

gesehen, von ihm

Zimmer

, hier

sank , einer

Ohn¬

die Kissen des Divans. wie

erschreckt ,

bleich

du

„ wie

abgezehrt

Und

dein Gewand , cs hängt

dir

begegnet ?

Sprich ! "

bist ,

Vroni ! " deine

ja in Fetzen !

sagte

Wangen! Was

ist


139 wohl;

ist wohl , ganz

Mir

, Albrecht .

„Nichts

ich bin ja bci dir . "

ihrer Stimme

Klang

fort , als er den matten , tonlosen „ du leidest ,

du

er in

den Corridor

, „ ein Glas

fehlt

dir ? "

„O ,

wie

einmal

noch

ich

dich

liebe ,

recht

tief

in

und

Wein

Laß

Albrecht !

mich Augen

wonnigen

deine

Er¬

willen , Vroni,

frischungen , eile ! — Um des Himmels was

Joseph " ,

krank ! —

bist

vernahm , rief

Albrecht

, nein , täusche mich nicht " , fuhr

„Nein

schauen , ehe cs zu spät ist . " redest

du ?

Dein

bricht mir

das

Herz .

„Wovon Aussehen

erschöpftes

leidendes

hast du

Vroni , was

gcthan ? " mein

hielt

„Ich

unser

habe

und

Glück

die Deine

zu dir gekommen , um

bin

Ich

gesichert .

Wort

zu werden !" , Dank , Vroni !

„Dank

die

Bunde

unscrm

Wagen?

ist

dein

zurückgclcgt?

den

Reise

war

lang " —

„Nicht

so lang

mich alle Stöße

Aber

Weg

hergekommcn ?

du

war

geben .

Wo

du

hast

Wagen

der Pfarrer

beschwerlichen

bist

Wie

— Mein

Weihe

himmlische

wie

Die

wird

Bald

wie die Reise , die mir bcvorsteht! ein offenes

des holprigen

Bancrngefährt

Wegs

empfinden

, das ließ.


140 Davon bin ich erschöpft und müde, sehr, sehr müde.. ." Sie lehnte ihr Haupt an Albrecht 's Brust. Ihr Haar löste sich auf, und die schwarze Flut der Locken wallte über ihr hellfarbiges Gewand. „ Höre, Albrccht, du

weißt, dein Glück geht mir über alles. Nur ein reines, edles Wesen ist würdig, als Gattin deinen Namen zu tragen. Darum kann ich dein Weib nicht werden. Aber ich kam, dich noch einmal zu sehen, noch einmal bei dir zu athmcn. — Weh!" stöhnte sie plötzlich laut auf, „ ich fühl's , mein Ende naht. O mein Gott, stehe mir bei, laß mich noch einige Augen¬ blicke leben! Freiwillig habe ich ja meine Sünden gebüßt. Ich bin reuig zu dir gekommen , als du mich nicht riefest; nimm mich jetzt nicht so jäh hinweg, da ich bei dem Geliebten bin! Noch eine kleine Weile vergönne mir, che ich in dieser Welt für immer von ihm scheide ! — Albrccht, ich sagte dir einmal, ich würde dich noch um einen letzten Kuß bitten: küsse mich, Albrccht!" Er drückte einen Kuß aus ihre bleichen Lippen. „So hast du dich gctödtct, um nicht die Meine zu werden?" sprach er, außer Stande, seinen Thräncn länger zu gebieten . „ D , lebe, Vroni, lebe! Laß inich nicht cinsain in der öden Welt zurück ! — Himm¬ lischer Pater , rette sic, erhalte sic mir!"


141 Joseph brachte den Wein. Während Broni das Glas ergriff, flüsterte sic ihm leise zu, ohne daß Albrccht cs hören konnte: „ Gehen Sie zur Baroncß Marianne, suchen Sie sie allein zu sprechen und , sich sogleich hierher sagen Sie ihr, sie werde gebeten . " Der alte Diener nickte und ging zu bemühen hinaus. Eine düstere Stille herrschte im Gemach, nur 's Schluchzen unterbrochen. durch Albrccht „Fasse dich, mein Albrccht! War ich doch nie für dich bestimmt" , begann endlich Broni wieder, . „ Ich und ihre Stimme wurde immer schwächer konnte dir nichts weiter bieten als meine Liebe, und an Liebe wird es dir auch von andern nicht mangeln. Du hingegen, du gabst mir alles. Dir verdanke ich die Bildung meines Geistes und die Läuterung meiner , wenn ich an mein früheres Seele. Mich schaudert sündhaftes Leben denke und an die Leichtfertigkeit, . Du hast das Licht mit der ich darauf znrückblicktc ; durch dich lernte ich der Wahrheit in mir entzündet , wofür wir geboren sind, wofür wir leben erkennen und leiden, denn Leiden ist das Los der Menschen. Du , Albrccht, wirst mit einer andern Lebensgefährtin das Glück finden, das ich dir nicht gewähren durfte: so will cs die göttliche Ordnung."


142 „Vroni , Brom, sprich nicht so grausam!" „Doch vergiß mich nicht ganz, Albrecht; ehre mein Andenken , wie dn mich im Leben geehrt hast. Liebe mich noch eine Weile so, wie dn mich jetzt liebst; dann gedenke meiner wie einer Büßenden, die durch ihren Tod ihrer Sündcnschuld ledig geworden, . . . Ach, wie das hier schmerzt !" unterbrach sie sich, ans ihre Brust deutend, und rothe Tropfen entquollen ihrem Munde. Als sie wieder sprechen konnte, sagte sie: „ Wie ist mir? Mir wird leichter!" Dann wandte sie ihr Gesicht dem Geliebten zu. „ Schwöre mir, daß du den Wunsch einer Sterbenden erfüllen willst." „Ich schwöre " , erwiderte er fast besinnungslos, indem er weinend an ihrem Lager niedcrkniete. Eben trat Marianne ins Zimmer. Bei ihrem Anblick fühlte Vroni, wie noch einmal das Blut ihr in die Wangen stieg. Sie wollte sich erheben, aber die Schwäche übcrmannte sic. Schneller als sie dachte, war von der übermäßigen Anstrengung der Fahrt und den heftigen Gcmüthserschüttcrungen , denen sie sich hingab, ihre Lebenskraft aufgezchrt worden. „Albrecht ", hauchte sie kaum hörbar, „ stehe auf!" Er stellte sich neben Marianne. Mit einerletzten Anstrengung legte Vroni die Hände der beiden


143 ineinander. „ So — liebt . . Das

Wort erstarb

ihr auf den Lippen. Sid richtete das Haupt ein wenig empor, blickte in wonniger Verklärung nach oben — und sank entseelt ans die Kissen zurück. Von draußen drangen die Klänge der Tanzmusik und die Vivatrufe

der jubelnden Dorfmenge in das

stille Todtcngcmach.


Druck von F. A. Brockhaus in Leipzig.






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