vorwärts September 2012

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vorwärts

VORWÄRTS.DE: Weiterlesen im Internet!

€ 2.50 – A 07665

sich muss ? s a W rn ände

D i e Z e i t u n g d e r d e u t s c h e n s o z i a l d e m o k r at i e

September 2012

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Gegründet 1876

rten a k g Dialosnehmen und ! u h e ra i t m a c h e n m

Demokratie in der Krise

Illustration: mithra DaryabEGI

Wohin steuern die USA und Europa?

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Reisen und Feiern im Freundeskreis GOLDENER OKTOBER AN RHEIN UND MOSEL

ISRAEL, ÄGYPTEN & DIE GRIECH. INSELWELT

Der romantische Rhein mit seinen Burgen, steilen Weinhängen und zauberhaften Orten lassen die Landschaft durch meist sonniges Wetter in einen wahrhaft goldenen Oktober verwandeln.

Die schönste Jahreszeit für eine Reise durch das östliche Mittelmeer inkl. 3 Tage Israel intensiv – mit uns an Bord von MS PRINCESS DAPHNE: Bundesminister a. D. Peter Struck

Flussfahrt ab/bis Mainz inkl. Vollpension, Tischwein, Weinreferat und Weinverkostung an Bord von MS SWITZERLAND****

Kreuzfahrt ab/bis Antalya inkl. Vollpension, Hafengebühren, Tischwein und Wasser zu den Hauptmahlzeiten, Bordreiseleitung des SPD-ReiseService

02.–09.10.2012 8 Reisetage

17.–28.10.2012 12 Reisetage

p. P. in der Glückskabine ab €

699,–

6. SPD-HERBSTTREFFEN

©Fred Froese

Bundesweite Busanreise mit Zwischenübernachtung in Nürnberg, 5 Nächte mit Halbpension im 4-Sterne-Hotel Grand Sava, Ausflugsprogramm, SPD-Herbstfest

p. P. im DZ ab €

499,–

WEIHNACHTEN & SILVESTER AUF MALTA

Die christlichen Stätten in Galiläa, historisch bedeutende Orte wie Akko und Caesarea, die einzigartige Altstadt von Jerusalem, das Westjordanland und Bethlehem sind nur einige Höhepunkte dieser Reise. Inkl. Linienflug ab Düsseldorf, 7 Nächte mit Halbpension, Rundreise mit Reiseleitung

25.10.–01.11.2012 8 Reisetage

p. P. im DZ ab €

1.099,–

SILVESTERPARTY AUF DER MARKSBURG

Kulturelle Vielfalt, wildromantische Landschaft und mildes Klima im Winter: Malta ist das ideale Reiseziel, um die Feiertage zum Jahreswechsel zu verbringen.

Im historischen Festsaal der mittelalterlichen Marksburg hoch über dem romantischen Rhein.

Linienflug ab versch. Flughäfen, 7 bzw. 10 Nächte mit Halbpension im 4-SterneHotel, Silvesterfeier, Ausflugspakete buchbar

Inkl. 2 Übernachtungen mit Frühstück im Hotel Contel in Koblenz, 2 geführte Ausflüge, große exklusive SPD-SilvesterDinnerparty mit Musik zu Tanz und Unterhaltung

748,–

26.12.12–2.1.13 (8 Tage) 23.12.12–2.1.13 (11 Tage)

p. P. im DZ ab € p. P. im DZ ab € 878,–

SILVESTER IN DRESDEN

Mit Ausflugsprogramm entlang von Rhein und Mosel.

30.12.12–1.1.13 3 Reisetage

p. P. im DZ ab €

199,–

SPD-SILVESTERKREUZFAHRT MIT MS BOLERO****

Deutschlandweit einzigartig – ein begehbares Bilderbuch voll Poesie, die 1000FUNKELSTADT öffnet ihre Erlebniswelt erstmals zu Silvester. 2 Nächte und Frühstück im zentralen 4-Sterne Hotel Dresden Newa, SilvesterDinner und 1000Funkel-Gala mit LiveBand, 1 Glas Sekt um Mitternacht

30.12.12–1.1.13 3 Reisetage

799,–

SPD-EXKLUSIV NACH ISRAEL

Zwischen Adriaküste und den Alpen erstreckt sich die Slowenische Steiermark. Highlights sind die Barockstädte Ljubljana und Maribor (Kulturhauptstadt 2012).

14.–19.10.2012 6 Reisetage

p. P. Glückskabine, innen ab €

p. P. im DZ ab €

299,–

Gemütlich kreuzen wir mit unserem komfortablen 4-Sterne-Schiff über die Donau, den Jahreswechsel feiern wir in Budapest. Route: Passau – Melk – Dürnstein – Budapest – Wien – Linz – Passau. Flussfahrt inkl. Vollpension, Silvesterparty an Bord von MS BOLERO, Silvesterfeuerwerk in Budapest

29.12.12–04.01.13 p. P. in der 3-Bett-Kabine ab € 7 Reisetage

599,–

Sofort ausführliche Reisebeschreibungen anfordern! Per Telefon, Post, Fax oder E-Mail.

Telefon: 030/25594-600

Wilhelmstraße 140, 10963 Berlin • Fax: 030/2 5594-699 www.spd-reiseservice.de • info@spd-reiseservice.de


Inhalt 3

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themen in diesem heft

Liebe Leserin, Lieber leser! Journalisten sind immer unbequem. Das ist ihr Job. Von Anfang an haben Sozialdemokraten für Pressefreiheit gestritten. Die SPD ist die Anti-ZensurPartei schlechthin. Deshalb wollen wir an dieser Stelle an Nadeschda Tolokonnikowa, Marija Aljochina und Jekaterina Samuzewitsch erinnern, deren Geschmack wir nicht teilen, aber deren Mut wir bewundern.

Titel Demokratie in der Krise  4 Nichts geht mehr! – Die Krise des Westens  5 Amerika im Krieg – Interview mit Hans-Ulrich Klose  7 Entscheidet das Geld? – Der US-Wahlkampf  7  Brücken Bauen – Der German Marschall Fund hilft  8 Lakaien des Kapitals – R. Demirkan kritisiert die EU  8  Du hast es GUt – Howard Stern lobt Europa  9  Demokratie in Gefahr – Martin Schulz warnt 10  Wir gehören zusammen – Das denken die Jungen Kolumnen 12  global gedacht – Rafael Seligmann 13  berliner Tagebuch – Uwe Knüpfer 24  Zwischenruf – Dilan T. Ceylan 30  Medienzirkus – Gitta List 34  Das Allerletzte – Martin Kaysh

Hofft weiter auf die USA – Hans-Ulrich Klose

Fotos: Dirk Bleicker (2), Reto Klar, J.H. Darchinger / Friedrich-Ebert-Stiftung, Marcus Gloger

Die drei Mitglieder der Gruppe „Pussy Riot“ wurden in Russland zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt. Sie haben krawallig gegen Putin demonstriert und die orthodoxe Kirche provoziert. In China können unbequeme Journalisten schon mal hören: „Sie haben doch Frau und Kind. Auf deren Sicherheit sollten Sie achten!“ Kai Strittmatter hat eine solche Szene in der „Süddeutschen Zeitung“ beschrieben. Von Russland und China bis Iran und Mexiko leben Kritiker gefährlich – und lassen sich dennoch den Mund nicht verbieten. Respekt! In Europa und den USA ist die Pressefreiheit auf andere Weise bedroht. Immer weniger Medien nehmen ihren Aufklärungsauftrag ernst. Sie verblüffen lieber. „Medienzirkus“ heißt deshalb die neue Kolumne im „vorwärts“. Die erste Folge finden Sie auf Seite 30. Haben Sie den „vorwärts“ schon mal auf einem Tablet Computer oder Smartphone gelesen? Die vorwärts-App ist jetzt schneller, übersichtlicher, reichhaltiger geworden. Schauen Sie rein! Sie haben kein Smartphone oder iPad? Blättern Sie zur Seite 35! Dort macht Ihnen der „vorwärts“ ein Angebot, das Sie eigentlich nicht ablehnen können. Mit herzlichen Grüßen,

Uwe Knüpfer Chefredakteur

Eine Frau will nach oben – Daniela Lehmann

Seite 20

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Seite 5

partei leben! Streit um daten – Das Mitgliederbegehren unter volldampf Die AG 60 plus reist in den Harz Gebt bayern den freistaat zurück! 120 Jahre Bayern-SPD Wir sind ganz ohr Die SPD bittet die Mitglieder zum Bürger-Dialog Porträt Schnell zum Profi: Diana Lehmann Arbeitsgemeinschaften in der SPD AfA: Kitt zwischen Partei und Gewerkschaften

Wirtschaft 26  Abgezockt – SPD will skrupellose Banken stoppen 27  clever genutzt – Erdgas aus Bottrop 28  Meine Arbeit – Die Bestatterin 28  Heikle Debatte ums Gas – Streitthema Fracking 29  technik und gedanken – Die Elektronikbranche kultur 30  Galerie – Katharina Ulke 31  gegen das vergessen – Das SS-Massaker von Sant‘Anna di Stazzema 31  Rezension ­– Nina Scheer: Energiewende fortsetzen historie 32  vor 30 Jahren – Bundeskanzler Helmut Schmidt wird durch ein Misstrauensvotum gestürzt 33  Wer war’s? – Lothar Pollähne 13  14  23  24  32  33  34

News Parlament pro & Contra Leserbriefe Impressum Rätselseite seitwärts

Am Tag seines Sturzes – Kanzler Helmut Schmidt Seite 32

Aus der Redaktion Gitta List (52) ist unsere neue Medien-Kolumnistin (Seite 30). Sie leitet die Redaktion des Bonner Stadtmagazins „Schnüss“. Zudem ist sie KrimiRezensentin und schreibt in „Christ&Welt“ über gesellschaftspolitische Themen.

Vorwärts-Regional September Redaktionsschluss 03. September 2012

Nordrhein-Westfalen: Dortmund


4  Titel

vorwärts 09/2012

Nichts geht mehr Y

es, we can!“ rief Barack Obama vor vier Jahren seinen Wählern und der Welt zu. „Nein, das war zu wenig“, stellen nicht nur Obamas Gegner heute fest. Welche Heilserwar­ tungen schlugen Obama vor vier Jahren entgegen! Als würde nicht ein Präsident der USA gewählt, sondern ein Weltenretter. Europa warf ihm als Vorschusslorbeerkranz den Friedensnobelpreis zu. Sozialdemokraten studierten Obamas Botschaften, seine Auftritte, seine direkte Art der Kommunikation. Vier Jahre später: Ernüchterung wäre normal, ja gesund. Aus Obama, dem Erlöser, ist ein ganz normaler US-Präsident geworden. Einer, der um seine Wiederwahl bangt. Aber zur Ernüchterung tritt eine tiefe Enttäuschung. Obama hat zentrale Wahlversprechen nicht gehalten. Das Lager in Guantanamo existiert noch immer. Im Inland verrotten Städte und Schulen, Millionen Amerikaner haben ihr Haus verloren, bangen um ihre Altersversorgung. Obamas große Gesundheitsreform ist am Ende nur mittelgroß ausgefallen. Sein Werben um die islamische Welt: nicht ernst genommen. Seine Hoffnung auf Frieden in Nahost: lächerlich gemacht. Sein Anlauf, die globalen Finanzmärkte zu zähmen: gestoppt – von

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Millionen US-Amerikaner (16,2 Prozent der Bevölkerung) haben keine Kranken­ versicherung, in Deutschland sind es 137 000 (0,2 Prozent).

13,26 Billionen Euro beträgt die Staatsverschuldung der USA, die deutsche 2,09 Billionen Euro. QuelleN: US-Census Bureau 2010, Statistisches Bundesamt 2012; International Monetary Fund 2012, Statistisches Bundesamt 2011

denen, die den Politikbetrieb der US-Parteien aushalten: den Geldhäusern an der Wall Street. Für Nachkriegseuropäer waren die USA das große Vorbild. Wer sich an der Politik der dort Regierenden rieb, konnte immer noch voller Bewunderung auf Amerikas kritische Studenten, seine bunte Graswurzelbewegung, auf kreative Musiker blicken. 2012 fällt der Gitarrist Ry Cooder schon deshalb auf, weil er in einer Wüste unpolitischer Populärkulturproduktionen über die Republikaner und ihren Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney herzieht. Ry Cooder macht „Mutt Romney“ aus ihm, was soviel wie „Kläffer“ oder „Döskopp“ heißt. Gut möglich, dass eine Mehrheit der wählenden US-Amerikaner dem „Döskopp“ am 6. November ihre Stimmen gibt. Einmal mehr werden, wenn es so kommt, wir ach so klugen Europäer unsere grauen Häupter wiegen: Ach, die USA, was sind sie für ein komischer Staat! Einer, der seinen Bürgern größtmögliche Freiheiten und Sicherheit garantiert – und den dennoch viele Amerikaner so schwach wie möglich halten wollen. Die USA sehen sich als Land der Freien. Dieser Mythos ist lebendig. Gemeint ist im Kern die Freiheit von Bevormundung;

Von Uwe Knüpfer

durch Obrigkeiten, Institutionen, Bürokratien. Dass erst staatliches Handeln jedem Einzelnen den Freiraum sichert, aus seinem Leben das Beste zu machen, vergessen Amerikaner gern. Leider bietet Europa Obamas Demokraten derzeit kein leuchtendes Vorbild. Die Europäische Union hat diesem Kontinent Frieden, Freiheit und Wohlstand beschert. Ältere reiben sich noch immer verdutzt die Augen: So glücklich war Europa nie wie in den letzten sechs Jahrzehnten. Doch die Nachgeborenen scheint die Vorstellung einer Rückkehr in die Welt der Nationalstaaten nicht zu erschrecken. In Griechenland, in der CSU, ja sogar in den so weltoffenen Niederlanden sammeln Europakritiker Punkte. Über die mögliche Aufgabe des Euro wird geplaudert, als ginge es um den Kauf von Spielchips im Casino. Die Welt sei zu komplex geworden, um sie von Demokraten regieren zu lassen, raunen manche. Vertun wir uns nicht: Längst ist ein Generalangriff im Gange auf alles, wofür Sozialdemokraten 150 Jahre lang gestritten haben – nicht selten unter Einsatz ihres Lebens. Die vielbeschworenen „westlichen Werte“, das sind die Grundwerte der Sozialdemokratie. Es ist höchste Zeit, sie wieder zum Strahlen zu bringen. Und für sie zu kämpfen. n

Karikatur: Wolfgang Horsch

Krise des Westens Die USA und Europa suchen einen Ausweg


Titel 5

Foto: Reto Klar

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Die USA und das demokratische Europa haben gemeinsame Wurzeln. Warum tun sich die beiden Brüder so schwer damit, einander zu verstehen? Ich bin mir beim Wort „Brüder“ nicht so sicher. Die USA sind aus armseligen europäischen Kolonien entstanden. Die Zuwanderung geschah in bewusster Abkehr von Europa. Diesen „Weg-vonEuropa!“-Reflex gibt es bis heute. Aber es gibt gemeinsame Grundhaltungen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“: Das ist der Leitsatz des Westens. Wie vertragen sich mit diesem Leitsatz das Lager in Guantanamo und der ­Einsatz von Drohnen in Pakistan? Die Amerikaner wähnen sich auch heute noch im Krieg. Man muss nur einmal durch die dreifachen Flughafenkontrollen gehen, dann weiß man, wie intensiv das Gefühl des Bedrohtseins ist. Aber besteht nicht ein grandioses Missverhältnis zwischen der ­Dimension der Bedrohung und der Größe des US-Militärapparates? Das ist so. Aber Amerikaner, in beiden Parteien, sehen das anders. Wenn Amerikaner angegriffen werden, schlagen sie zurück – mit allem, was sie haben. Wir Europäer, wir Deutschen vor allem, ziehen den Kopf ein und sagen: Ohgottogott! Das klingt nach Feigheitsreflex. Nein, das ist eine Reaktion auf deutsche Erfahrungen, und wir sollten ganz froh sein, dass wir dieses „Wir schlagen gleich zurück“ abgelegt haben. Aber die Amerikaner betrachten das als „unnormal“. Was erwidern Sie darauf? Die Welt sollte sich freuen, dass die Deutschen nicht immer gleich losschlagen. Gleichwohl befinden wir uns in einem Bündnis. Dort erwartet man von uns verlässliche Beiträge; in Zukunft eher mehr als in der Vergangenheit. Heißt das, die Bundeswehr muss ­demnächst Flugzeugträger anschaffen? Das eher nicht. Aber es heißt für Europäer zu erkennen, dass die strategische Südgrenze der Europäischen Union nicht das Mittelmeer ist, sondern der südliche Rand der Sahara. Ist das in Brüssel, Berlin, Paris schon ­erkannt worden? Franzosen und Engländer wissen es, denn sie waren länger als Kolonialmächte tätig. Wir hatten das Glück, unsere Kolonien schon nach dem Ersten Weltkrieg zu verlieren. Ich glaube, dass auch die außenpolitische Community in Deutschland es mehr und mehr begreift. Die Frage ist, ob wir bereit sind, daraus Konsequenzen zu ziehen. Wie sähe das aus? Wir müssen uns intensiv darauf einlassen, Beziehungen mit den dort jetzt Mächtigen aufzubauen, die aber nicht nur Unterstützung sind, sondern auch die Befähigung zur Kritik enthalten. Damit verbunden müssten konkrete Hilfs-

Amerika wähnt sich im krieg

Hans-Ulrich Klose Was die USA und Europa heute voneinander trennt – und was sie (noch) verbindet Interview Uwe Knüpfer

Stationen seit 1964 Mitglied der SPD 1974-1981 Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg 1987-1991 SPD-Bundesschatzmeister 1991-1994 Vorsitzender der SPDBundestagsfraktion 1994-1998 Vizepräsident des Deutschen Bundestages seit 1998 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, seit 2002 stellvertr. Vorsitzender

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Ich sehe die Entwicklung in den USA mit einer gewissen Sorge.

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Hans-Ulrich Klose, seit 2003 Vorsitzender der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe

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… Mehr lesen! Klose bewahrt sich einen Rest Optimismus : „Das Potenzial für Erneuerung ist in Amerika hoch.“

angebote sein. Dass die Europäer als herausragendste Maßnahme den Zugang nach Europa versperren und Menschen, die nach Malta fliehen, möglichst schnell zurücktransportieren, ist jedenfalls keine ausreichende Antwort. Stecken hinter dem Ausbau des USMilitärapparates nicht vor allem auch wirtschaftliche Interessen? Schon Eisenhower hat vor der Verselbstständigung des „militärisch-industriellen Komplexes“ gewarnt. Richtig. Aber das ist heute, glaube ich, nicht der Hauptantriebspunkt. Die Amerikaner wenden sich zwar dem Pazifik auch deshalb zu, weil eine Umverteilung

von Wohlstand stattfindet, an dem sie beteiligt sein wollen. Es sind aber auch Sicherheitserwägungen: Es ist der Versuch, den Gedanken der regionalen Sicherheitskooperation auch in Asien einzuführen. Sicherheitspartnerschaft ist eine europäische Erfindung. Die Rüstungslobby hat dafür gesorgt, dass in fast jedem US-Bundesstaat ­Waffen gebaut werden. Rüstung als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Jeder Senator hat einen Staat, und irgendwo ist immer ein Rüstungsbetrieb. Und ständig ist Wahlkampf. Apropos Wahlkampf. Der Oberste Gerichtshof hat Wahlkampfspenden von

Fotoreportage: der Parteitag der US-Republikaner Interaktive Grafik: die USA vor den Wahlen Analyse: ­wie ­Obama die Wähler erobern kann Reportage: Hamburgs AuswandererAusstellung Jetzt downloaden: vorwärts.de/app


6  Titel Unternehmen in unbegrenzter Höhe erlaubt. Wie ist das zu bewerten? Das hat einen großen Einfluss auf das politische System. Man braucht zwischen zehn und 50 Mio. Dollar, um erfolgreich für einen Sitz im Kongress Wahlkampf zu machen. Ich werde gelegentlich von USKollegen gefragt: Wieviel Geld hast du eigentlich für Deinen Wahlkampf ausgegeben? Wenn ich antworte, alles in allem vielleicht 20 000 Euro, dann gucken die mich ganz ungläubig an und sagen: Das wären bei uns vier Minuten im lokalen Fernsehen. Das ist eine ganz ungute Entwicklung, und ich sehe nicht, wie das schnell zu korrigieren wäre. Deshalb: Ja, ich sehe die Entwicklung des politischen Systems in den USA mit einer gewissen Sorge. Zumal es so gespalten ist, wie ich

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Ich vermute, es wird ein sehr knapper Sieg für Obama werden.

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Hans-Ulrich Klose

kommen wird, an dem die Stimmung wieder kippt und eine Gegenbewegung zur Tea Party entsteht. Dagegen spricht wiederum das schon erwähnte Urteil des Supreme Court. Das ist wahr. (Er stöhnt.) Ich bewahre mir einen Rest von Optimismus. Unterhöhlt dieses Urteil nicht die ­Demokratie? Unternehmen werden behandelt wie I­ ndividuen. Statt „One man – One Vote“ gilt jetzt „One Billion – One Million Votes“. Das hängt alles mit dem amerikanischen Begriff von Meinungsfreiheit zusammen. Deshalb kann man in den USA eben auch den Koran verbrennen. Das gilt als Meinungsäußerung. Die Philosophin Susan Neimann hat sinngemäß gesagt, eigentlich

hat in einer Nacht von Freitag auf Samstag stattgefunden. Das erstaunliche war: Am Samstag waren 85 Prozent der Arbeitnehmer in ihren Betrieben und haben dort mit aufgeräumt. Weil sie das Gefühl hatten: Das ist auch mein Betrieb. Das ist der Kern von Mitbestimmung. Da hören Amerikaner schon zu. Was hat Obama falsch gemacht? Ich mag den Mann. Auch seine Frau. Wenn die beiden anfangen zu lächeln, verändert sich die Welt. Aber er ist ein Intellektueller. Er lässt andere seine Überlegenheit spüren. Vielleicht wäre es klüger gewesen, sich zuerst um die wirtschaftlichen Probleme zu kümmern und dann die Gesundheitsreform zu machen. Sind Sie Mitt Romney schon begegnet? Nein. Ich weiß nicht, wer oder was er ist.

es nie zuvor gesehen habe. Es herrscht zwischen den beiden großen Parteien zum Teil ein Hass-Verhältnis. Woher stammt dieser Hass? Die demografische Zusammensetzung der Gesellschaft verändert sich. Die WASPs, die Weißen angelsächsischen Protestanten, die das Land geprägt haben, werden zu einer Minderheit. Das Einwanderungsland Amerika wird zu einem Einwanderungsverhinderungsland. Das Gefühl guter, normaler Amerikaner im Mittleren Westen „Das ist irgendwie nicht mehr mein Land“ ist sehr stark. Ein zweiter Grund könnte sein, dass einige Leute den Präsidenten, Obama, nicht als Amerikaner ansehen. Und vielleicht ist es auch irgendwo die Angst vor dem „Schwarzen Mann im Weißen Haus“. Ist das nicht zutiefst irrational? Kann man so sehen. Ich könnte allerdings auch auf eine Menge Irrationalitäten in Europa hinweisen; deshalb bin ich vorsichtig mit meinem Urteil. Völker sind nun mal so. Mich tröstet, dass ich aus der Geschichte Amerikas gesehen habe: Das Potenzial für Erneuerung ist in Amerika hoch und deshalb hoffe ich, dass der Tag

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Milliarden Dollar werden in den USA für das Militär ausgegeben. In Europa sind es 281 Milliarden Dollar.

2,77 Prozent beträgt der Anteil von Forschung und ­Entwicklung am Brutto­ inlandsprodukt (BIP) in den USA. In Deutschland sind es 2,82 Prozent. QuelleN: Sipri 2011; RWTH Aachen Report 2011

müsse sich jeder vernünftig denkende Amerikaner mit Blick auf das „­ sozialdemokratische Europa“ wünschen , so müsse auch Amerika sein. Es gibt tatsächlich in den USA Leute, die so denken. Es werden sogar Bücher darüber geschrieben. Ich gebe zu, solche Debatten machen Sozialdemokraten Spaß. Aber das hat bisher keine Auswirkungen, weil die sozialen Mentalitäten zu unterschiedlich sind. In Europa will man den Staat so organisieren, dass soziale Gerechtigkeit möglich ist. In Amerika überwiegt die Bereitschaft des Einzelnen, sich für andere einzusetzen. Wenn in den USA irgend etwas schiefgeht, hört man selten: Da muss die Stadt oder der Staat etwas machen, sondern: Was kann ich tun? Dennoch gibt es Interesse am europä­ ischen Modell. Wie erleben Sie das? Ich werde oft gebeten, das deutsche Wirtschaftsmodell zu erklären – bis hin zu der Frage nach dem Sinn der Mitbestimmung. Ich mache deren Wert dann gern am Beispiel einer Hamburger Flutkatastrophe in den 70er Jahren deutlich. Die

Wer wird siegen? Ich vermute, die wirtschaftliche Lage spricht für einen Wahlerfolg Romneys. Ich glaube aber, die Demografie spricht für Obama. Deshalb vermute ich, es wird ein sehr knapper Sieg für Obama werden. Aber er wird vermutlich beide Häuser des Kongresses gegen sich haben. Egon Bahr hat gesagt, das Zeitalter der euro-atlantischen Weltordnung sei vorbei. Ist das so? Das ist mir ein zu großes Wort. Richtig ist, dass der Westen demografisch in eine Minderheitenposition gerät. Amerika und Europa zusammen werden in 20 Jahren noch elf, zwölf Prozent der Weltbevölkerung stellen. Aber wir sind halt immer noch ökonomisch die stärksten. Und ich sehe nicht, dass die Führungsmacht der Welt, USA, sehr schnell abgelöst wird. Auch nicht von Europa? Nicht von Europa, aber auch nicht von China. Für die Zukunft der Welt wäre entscheidend, dass Amerikaner und Chinesen einen guten modus vivendi fänden. Bitte keinen neuen Kalten Krieg! Europa könnte eine Rolle spielen, wenn es lernte, europäisch zu denken. n

Foto: UPI/ dpa picture alliance

Gern gesehener Gast: Hans-Ulrich Klose (r.) wird 1977, damals Erster Bürgermeister Hamburgs, von US-Vizepräsident Walter Mondale (l.) im Weißen Haus in Washington empfangen.


Titel 7

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Entscheidet das Geld die Wahl? US-Wahlkampf Ein Urteil des Obersten Gerichtshofes hilft Mitt Romney und schadet Barack Obama Von Niels Annen

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ieber Freund“, so beginnen die Emails, mit denen Barack Obama um Geld für seine Kampagne bittet. Anders als in Deutschland ist das Einsammeln von Spenden nicht nur eine notwendige Voraussetzung, sondern elementarer Bestandteil einer Kampagne. Wahlkämpfe sind teuer in einem Land, dessen Ausmaße gigantisch sind und in denen sich Wahlen in bevölkerungsreichen Bundesstaaten entscheiden, wo Fernsehwerbung besonders teuer ist. Wahlkämpfer in den USA verknüpfen aktuelle politische Kontroversen unverhohlen mit Spendenaufrufen an ihre Anhänger. Dabei übersehen wir gerne, dass viele Amerikaner die Spende für einen Kandidaten als Ausdruck bürgerschaftlichen Engagements empfinden. So setzt z.B. die Obama-Kampagne die skandalösen Äußerungen eines Republikaners zu

Karikatur: New YorkTimes Cartoons/laif, Heiko Sakurai

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uido Goldman ist der fleischgewordene Transatlantiker. Wenn einer wie er pessimistisch wird, ist Anlass zur Sorge gegeben. In den USA sei eine neue Form von Nationalismus erwacht, die Hand in Hand gehe mit Hass auf die Moderne und dem Stolz, wenig zu wissen, sagte Goldman dem vorwärts. Eine solche Situation zu verhindern – und wenn das nicht möglich ist, die Krise vernunftgemäß lösen zu helfen –, ist der Auftrag des German Marschall Fund (GMF), dessen Wegbereiter und Ko-Vorsitzender Guido Goldman ist. Seit 40 Jahren gibt es den Fund jetzt. Er war ein Geschenk der Bundesrepublik an die USA. Bundeskanzler Willy Brandt überbrachte das Geschenk persönlich: „Der Auftrag an die Zukunft heißt, die Erinnerung an die Vergangenheit zu erhalten.“ Sein Finanzminister Alex Möller hatte die Details mit Goldman ausgehandelt. Namensgeber George Marshall (1880-1959) war unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg Außenminister der USA. Der nach ihm benannte MarshallPlan hat den raschen Wiederaufbau Europas – und die Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik – ermöglicht. Der GMF vergibt Stipendien und versucht,

Abtreibungsfragen unmittelbar in eine Spendenkampagne um. Die gesetzlich vorgeschriebenen Finanzberichte der Kampagnen geben daher nicht nur darüber Auskunft, wer mehr Geld gesammelt hat, sondern sind auch ein Indikator für Mobilisierungsfähigkeit. Doch in diesem Wahlkampf gelten andere Regeln, denn während die offiziellen Präsidentschaftskampagnen strengen Regeln unterworfen sind, eröffnete ein Urteil des Obersten Gerichtshofs den Weg, unbegrenzt und quasi ohne jede Transparenz für parteinahe, aber formal unabhängige sogenannte „Politische Aktionskomitees“ zu spenden. Der konservativ dominierte Supreme Court wertete diese Spenden, auch wenn sie von Unternehmen stammen, als politische Meinungsäußerung, die unter dem Schutz der Verfassung stünde. Insbeson-

Das große Geld ebnet Mitt Romney den Weg zur Macht, so sieht es „Der Standard“

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Brücken bauen German Marschall Fund Er will Europa und die USA zusammenbringen, gerade jetzt Von Uwe Knüpfer

in Goldmans Worten, „die besten Leute, die es gibt“, zusammenzubringen, längst nicht nur aus Europa und den USA. Er unterhält neben dem Sitz in Washington Büros in Berlin, Paris, Brüssel, Belgrad, Ankara, Bukarest, Warschau

Freund-Feind-Denken: Nicht Argumente sondern Hass und Verleumdung dominieren die Debattenbeiträge der Tea-Party.

dere die „Super PACS“ von Mitt Romney profitieren von dieser Regelung und verschaffen dem Herausforderer von Barack Obama einen deutlichen finanziellen Vorsprung. Ob dieser unkontrollierte Geldfluss die Wahlen im November entscheiden wird, bleibt offen. Denn obwohl im Wahlkampf die Rekordsumme von 1 Milliarde US-Dollar bereits überschritten worden ist, bleibt die Mobilisierung von freiwilligen (und unbezahlten) Helfern für jede Kampagne der entscheidende Faktor. n

und sieht sich als „Netzwerk der Zivilgesellschaft“. Im September organisiert er ein „Atlantik-Forum“ in Rabat, der Hauptstadt Marokkos. Goldman selbst hat sein ganzes Leben der Verständigung gewidmet, dem Dialog über Ozeane und andere Barrieren hinweg. Er kam 1938 in der Schweiz zur Welt. Sein Vater war Nachum Goldman (1894-1982), der Schöpfer und Präsident des jüdischen Weltkongresses, ein „Staatsmann ohne Staat“. Sohn Guido wuchs in New York auf, studierte in Harvard bei Zbigniew Brzezinski und Henry Kissinger und gründete dort das Center for European Studies, das er jahrzehntelang geleitet hat. Der GMF müsse darauf achten, nicht parteilich zu sein, sagt Goldman, aber sein besorgter Blick auf die USA fällt auf die Republikanische Partei. Die dort oft tonangebende „Tea-Party“ nennt er eine „Know-Nothing-Bewegung“. Er sieht mit Sorge, dass führende US-Politiker stolz darauf sind, keine Fremdsprache zu beherrschen. Dazu passe, dass die USMedien ihre Auslandsberichterstattung stark zurückgefahren haben. Sie besteht heute fast nur noch aus Katastrophenmeldungen. Man müsse, sagt Goldman, „ein bisschen besorgt sein über die Zukunft des Landes.“ n


8  Titel

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Die Lakaien des Kapitals europa In Brüssel bestimmen die Banken, nicht die Bürger. Schluss damit! Von Renan Demirkan

auf einen blick

Gebremstes Wachstum der Bevölkerung

B

elgien liegt doch in Deutschland, oder?, fragte jüngst ein englischer Teenie. Ich dachte mir: Es ist höchste Zeit für den Europaunterricht in allen Schulen der EU. Denn zu einem echten Europa gehört vor allem ein Bewusstsein über dieses kosmopolitische, 27-teilige Mosaik der Kulturen. Aber genau das war nie gewollt. Es sollte ein schrankenloses Europa der Märkte werden. Sprich ein Zusammenschluss für Banken und Spekulanten, ein

Bündnis der Wirtschaftsbosse für ihren zollfreien Handel. Das ging eine Weile gut, bis sie sich so sehr verzockt haben, dass es jetzt sogar einigen deutschen Bossen zuviel geworden ist. Hipp, Deichmann, Bosch und sogar SAP sagten vor zwei Tagen: Nein! zu „Boni als Unternehmenszweck“ – zu „kurzfristigem Denken“ und zu „Maßlosigkeit‘„ Dass die Bosse die Banken kritisieren, hat mich überrascht. Offensichtlich treibt sie die Angst, nicht groß genug zu sein, um nicht pleite gehen zu dürfen. Aber warum hat die Politik die Wirtschaftsbosse jahrelang unterstützt mit Wahlsprüchen wie „Sozial ist, was Arbeit schafft“? Sich damit als Lakaien des Kapitals angedient. Den Menschen als Kulturwesen eliminiert und zum abrufbereiten Tagelöhner entwürdigt? Nun bestimmen die ganz Großen zügellos und unantastbar, sie erpressen mit ihrer „Systemrelevanz“: „Too big to fail“ heißt das. Und die Politik hockt wie hypnotisiert im Brüsseler Epizentrum des Lobbyismus. Ihre Begründung, das sei „alternativlos“ und bedeute „mehr Europa“, ist eine Lüge. Dieses Brüsseleuropa ist zum kulturellen Grab unserer Kinder geworden, und der Euro zur Währung der Ungleichheit! Die politischen Institutionen sind zu Wachs in den Händen der Finanzwelt geschrumpft. Und der Global Player hat direkten Zugriff auf sämtliche Entscheidungsträger vor Ort. Größer kann die Zentralisierung von Macht kaum sein. Dieses Brüsseleuropa ist der Ausverkauf der Demokratie und muß schleunigst beendet werden! Wir brauchen ein kosmopolitisches und solidarisches Europa. Das heutige Brüssel ist die stein-

gewordene Abwesenheit von Politik und Humanität. Hier handeln die falschen Europäer! Für sie ist es egal, wo Belgien oder Deutschland oder der Rest der Welt liegen! Für die Finanzwelt ist das Brüsseleuropa nur ein Geldautomat. Und sie hat es geschafft, dass sich die Einkommen und Vermögen der Mitgliedsstaaten derart konzentriert haben, dass Mittelschichten ausgehöhlt wurden und die sozial Schwachen völlig verarmt sind. Von Chancengleichheit kann schon lange keine Rede mehr sein. Das aber führt direkt in die wirtschaftliche Instabilität, was die deutschen Bosse zu beunruhigen beginnt. Und es löst massenhaften Identitätsverlust aus. Und die wertvollste Ressource – der Mensch – droht zu verelenden. Das würde ein solidarisches, kosmopolitisches Europa verhindern. Es würde die Chancengleichheit über alle Grenzen hinweg vergrößern. Wir müssen weg von diesem Brüsseleuropa und dem Nationenbashing. Wir müssen zurück in die 27 Länderparlamente, ein besseres Verständnis füreinander vorbereiten. Denn erst wenn die Teenies nicht nur wissen, wo Belgien liegt, sondern auch mitfühlen und teilhaben können an dem, was die Menschen dort bewegt, erst dann sind wir auf dem Weg zu einem echten und mehr Europa! n Renan Demirkan (geb. 1955 in der Türkei) ist eine deutsche Schriftstellerin und Schauspielerin. Für die SPD war sie 2004 Mitglied der Bundesversammlung.

Einwohnerzahlen in Millionen n EURopa

1950 160,1 6,3* 385,4 15,2*

1980 233,1 5,2* 466,9 10,5*

Europa, du hast es gut! Blick aus Amerika Wer in den USA lebt, weiß die EU manchmal besser zu schätzen als die Europäer selbst Von Howard Stern

2010 314,2 4,6* 502,7 7,3*

2040 (Prognose) 387,3 4,4* 518 5,8* * Anteil an der Weltbevölkerung in Prozent Quelle: Un Conference on Trade and Development

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ch bin für die Vereinigten Staaten von Europa; ich bin gegen die Vereinigten Staaten von Amerika. Der erste Satz ist klar, der zweite bedarf einer Erklärung. Ich bin Amerikaner, der Sohn europäischer Einwanderer; ich lehre Deutsch an der Yale University in NeuEngland (nomen est omen!). Was habe ich gemeinsam mit „Tea-Party“-Republikanern, hauptsächlich im Süden und Südwesten meines Landes, die den Staat für überflüssig halten, die Bibel als Biologie-Lehrbuch einsetzen möchten und Schusswaffen im Schlafzimmer als Garant ihrer Sicherheit verstehen? Fast gar nichts. Ich wäre glücklich, wenn meine Heimat sich abspalten und als unabhän-

giges „Neu-England“ auf die Weltbühne treten wollte. Europa dagegen – gerade das historisch zerstrittene Europa, mit Dutzenden von Sprachen, mit allen überlieferten nationalen Vorurteilen, dazu mit dem krassen Nord-Süd-Wirtschaftsgefälle – Europa scheint mir heute einen Grundkonsens zu geniessen, der meinem ersten Heimatland (ich bin Amerikaner mit Migrationsvordergrund) in seinem gegenwärtigen überideologisierten Zustand völlig abhanden gekommen ist. Aber nichts übertreiben! Die Vereinigung Europas, wie die meisten wirklich großen Themen des menschlichen Zusammenlebens, ist kein absolutes Gut,

sondern ein 60-zu-40-Gut. (Wenn die Tea-Party dies verstünde, hätten wir in Amerika eine vernünftigere politische Diskussion.) Als Philologe müsste ich eigentlich bei jeder drohenden Verflachung und Vereinheitlichung der Kultur Zeter und Mordio schreien. Das tue ich auch, aber als Moment einer inneren Abwägung. Wenn Europa bedeutet, dass alles Wichtige auf den Gebieten Politik, Wirtschaft und Kultur in (schlechtem) Englisch betrieben werden muss, finde ich das megagrottenschlecht. Wenn Europa bedeutet, dass ich mich mit einer Italienerin, die in Frankreich Jura studiert und in einer Londoner Kanzlei ihr Englisch perfektioniert hat, angenehm auf Deutsch unterhalten kann, find ich das prima. Na schön, ich überspitze die Thesen, aber mir standen nur 2000 Schriftzeichen zur Verfügung. Wählt Obama! n Howard Stern ist Professor für Deutsche ­Literatur an der Yale Universität

Karikatur: Klaus Stuttmann Foto: imago/Horst Galuschka

n USA


Titel 9

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in Gespenst geht um in Europa. Aber anders als vor 170 Jahren, als Karl Marx und Friedrich Engels mit diesem Satz ihr Kommunistisches Manifest begannen, ist das heutige Gespenst die schleichende Entparlamentarisierung. Es spukt in den europäischen Mitgliedstaaten ebenso wie innerhalb der EU. Auch wenn es in Zeiten der ökonomischen Krise, in der Menschen Angst um das Ersparte haben, kaum jemanden zu interessieren scheint: Aber Entparlamentarisierung ist nicht irgendetwas. Es geht um das, was von Sozialdemokraten und anderen Freiheitskämpfern erstritten wurde und was konstitutiv für unseren Staat ist: die demokratische Ordnung unseres Gemeinwesens. Denn die Demokratie kommt von mehreren Seiten unter Druck. Da ist zunächst der weitverbreitete Eindruck, Politik sei getrieben von anonymen Kräften, z.B. Rating-Agenturen, die ihre Vorstellungen einfach so durchdrücken. Das ist gefährlich. Denn: Warum soll ich noch zu einer Wahl gehen, wenn Politik eh nichts mehr zu sagen hat? Wofür brauche ich Parteien, wenn es keine Alternativen mehr zu geben scheint,

weil Politik nur das umsetzt, was „die Märkte“ verlangen? Da ist zum zweiten der Eindruck, dass es endlose Milliardenpakete zur Rettung von Banken gibt, während bei Kindergärten und Schulen

Demokratie in Gefahr Europa Unterwirft sich die Politik dem Diktat der Märkte, scheitert die ­Demokratie Von Martin Schulz

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gespart wird, weil dafür kein Geld mehr da ist. Auch hierdurch gerät unsere Demokratie unter Druck, weil so ein Gerechtigkeitsproblem entsteht, das keine Gesellschaft aushält. Und zum dritten ist da die Reaktion von vielen Regierungen, die seit dem Ausbruch der Krise ihre Parlamente möglichst wenig an der Krisenbekämpfung beteiligen oder sie zwingen, Entscheidungen von großer Tragweite in atemberaubendem Tempo durchzupeitschen. Denn, so wird gesagt, Zeiten der Krise seien eben Zeiten der Exekutive. Bei all dem wird übersehen, dass die Krise nun schon ins fünfte Jahr geht und dass der Ausnahmezustand zum Regelfall wird. Das ist systemgefährdend! Wir müssen sehr aufpassen, dass Angela Merkel sich nicht mit ihrer Forderung nach einer marktkonformen Demokratie durchsetzt. Also einer Demokratie, die sich dem Diktat einer entfesselten globalen Ökonomie unterwirft. Das wäre fatal! Denn umgekehrt muss gelten: Nicht die Demokratie muss marktkonform sein, sondern die in Wahlen ausgedrückte Mehrheitsmeinung muss Banken, Märkten und Rating-Agenturen Regeln setzen, denen diese zu folgen ­haben. Auch Wirtschaft findet nicht im rechtsfreien Raum statt. Die notwendige Regulierung kann aber ein einzelner Staat nicht durchsetzen. Dazu bedarf es starker europäischer Maßnahmen. Da diese zur Zeit nicht erreicht werden, weil einige konservativ-neoliberale

­ egierungen dabei nicht mitziehen, wird R eine vernünftige Finanzmarkt- und Bankenregelung in einigen Vorreiter-Staaten beginnen müssen.

Ein großer Sieg für die SPD Die europäische Sozialdemokratie hat dank der SPD bereits einen großen Sieg errungen, als sie bei den Verhandlungen zum Fiskalpakt die Einführung der Finanztransaktionssteuer in mindes­ tens neun EU-Staaten durchgesetzt hat. Das war ein erster wichtiger Schritt. Aber weitere Regeln sind nötig, um den globalen Kapitalismus im 21. Jahrhundert zu zivilisieren. Dafür brauchen wir eine Debatte, in der Alternativen diskutiert werden. Es geht um die Frage, in welchem Europa wir leben wollen. Ich will ein Europa, das den hohen wirtschaftlichen und sozialen Standard hält und das im Bereich Umwelt- und Verbraucherschutz Vorreiter bleibt. Das Europaparlament und die Kollegen in den nationalen Parlamenten werden nicht warten, ob sich bei den Regierungen endlich auch diese Einsicht durchsetzt. Sondern wir werden weiterhin unbequemer Drängler für einen Politikwechsel sein. Wir werden unsere Demokratie nur mit und durch Europa behalten können, weil jedes europäische Land allein, im Sturm der Globalisierung hin- und hergetrieben würde. Scheitert Europa, dann scheitert auch unsere Demokratie. Auch darum geht es in der aktuellen Krise. n Martin Schulz ist Präsident des Europäischen Parlamentes

Bürger! Europäer! Mischt euch ein!

Die meisten Wähler schauen der Debatte um die EU und den Euro nur zu. Das soll jetzt anders werden. Drei Vorschläge Sie wollen Europa nicht länger den Regierungen und den Finanzmärkten überlassen: führende Intellektuelle und Wissenschaftler aus Deutschland. Sie fordern die Bürger auf, sich an der Debatte über die Zukunft Europas zu beteiligen. Das Ziel: Demokratie und Freiheit dürfen in der Schuldenkrise ebenso wenig unter die Räder kommen wie der Sozialstaat. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat den Philosophen Jürgen Habermas gebeten, Forderungen an die SPD-Europapolitik zu formulieren. Gemeinsam mit dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger und dem Ex-Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin hat Habermas deshalb den Aufruf „Für einen Kurswechsel in der Europapo-

litik“ veröffentlicht. Hierin fordern die drei Autoren eine „deutliche Vertiefung“ der europäischen Integration. Sie sind überzeugt: „Nur durch eine gemeinschaftliche Haftung für Staatsanleihen des Euroraumes kann das Insolvenzrisiko eines Landes beseitigt oder zumindest begrenzt werden“. Der Euroraum müsse zu einer politischen Union werden, „wenn man die Rückkehr zum monetären Nationalismus ebenso vermeiden will wie eine Eurokrise auf Dauer“. Der Sozialphilosoph Oskar Negt hat einen „Gesellschaftsentwurf für Europa“ entworfen. Seine Streitschrift, so Negt, „tritt all denen entgegen, die den Europadiskurs auf ein finanzpolitisches

Problem reduzieren wollen“. Er spricht „von einer kranken Gesellschaft“, weil sie „zum bloßen Anhängsel der wirtschaftlich Mächtigen und der Börsenkurse geworden ist“. Wenn die Politik keine Lösung der Krise im Interesse der Massen finde, verliere sie das Vertrauen der Bürger. Profitieren davon würden Populisten und Rechtsradikale. Die Demokratie könne nur gerettet werden, wenn die „sozialstaatlichen Errungenschaften“ verteidigt würden. Der Soziologe Ulrich Beck und der Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit haben ein „Manifest zur Neugründung Europas von unten“ vorgelegt. Sein Titel „Wir sind Europa!“ unterstreicht: Beide setzen

auf „ein Europa der tätigen Bürger“ ... „als Gegenmodell zum Europa der Eliten und der Technokraten“. Sie fordern ein „Freiwilliges Europäisches Jahr für alle“, das „schöpferische Räume eröffnen“ und so „eine Antwort auf die Euro-Krise“ sein kann. Die Autoren appellieren an den Bürger: „Frage nicht, was Europa für dich tun kann, frage vielmehr, was du für Europa tun kannst!“ n LH Die vollständigen Texte zum Nachlesen Habermas/Nida-Rümelin/Bofinger: spd.de Negt: Gesellschaftsentwurf ­Europa, Steidl Verlag, ISBN 978-3-86930-494-6 Beck/Cohn-Bendit: manifest-europa.eu


10  Titel

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Vielfältig und offen Martin Chorzempa (22) Fulbright-Stipendiat, Minneapolis

wir gehören zusammen Junge Sicht Was denken eigentlich junge Menschen über Europa, die USA und die transatlantischen Beziehungen? Wir haben nachgefragt Von Marisa Strobel

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SA, das große Vorbild, das war einmal. Heute mehren sich die kritischen Stimmen in Europa, gerade in der jüngeren Generation. Und auch Europa hat sich in der Krise für viele auf den Euro reduziert. Doch ist das wirklich so? Wir haben bei jungen Menschen nachgefragt, was ihnen Europa und die USA heute noch bedeuten. Herausgekommen sind drei Sichtweisen und der eine Wunsch: nach mehr Zusammenhalt.

Gemeinsame Werte Bettina Möller (26) Junge Transatlantiker, Stuttgart Mich stört dieser Antiamerikanismus, der in Deutschland geradezu schick geworden ist. Deshalb habe ich auch die Initiative junger Transatlantiker (IjT) mitgegründet. Die USA sind für die Europäer weltweit der wichtigste Partner, sowohl politisch als auch kulturell. Ge-

21,4 Prozent der Jugendlichen unter 25 Jahren in der EU sind arbeitslos; in den USA sind es 16,8 Prozent

1,56

Kinder pro Frau werden in der EU geboren; in den USA sind es 2,06 Kinder

QuelleN: Eurostat OECD 2012,, EUrostat 2011, US Censu Bureau 2012

rade was die europäische Einigung anbelangt, haben wir den USA finanziell und politisch viel zu verdanken. Man sollte zwar kein blinder USA-Fan sein, aber mir fehlt der Versuch, die Denktraditionen des anderen zu verstehen. Oft wird vergessen, das die Amerikaner ausgewanderte Europäer sind. Wir mögen uns unterschiedlich entwickelt haben. Was uns aber nach wie vor verbindet, ist der Glaube an Demokratie und Freiheit. Paradoxerweise zeigt sich am Begriff Freiheit aber auch ein wesentlicher Unterschied. Während wir in Europa eher eine gesellschaftliche Freiheit idealisieren, ist in den USA die persönliche Freiheit in wirtschaftliche Freiheit umgeschwungen. Sozialpolitische Gesetze, die bei uns für Fairness stehen, gelten in den USA als Einschränkung individueller Freiheit. Trotzdem überwiegen die Ähnlichkeiten zwischen Europa und USA. Deshalb ist mir der Dialog auf beiden Seiten auch so wichtig.

Zu wenig Europa-Gefühl Coco-Christin Hanika (20) Abiturientin, Berlin Für mich war Europa, war Brüssel, früher einfach nur weit weg. Dass das den meisten in der Bevölkerung auch so geht, sieht man an der geringen Wahlbeteiligung bei den Europa-Wahlen. Seit ich in der Schule an einem Projekt zu Europa teilgenommen habe, hat die Europäische Union für mich aber eine sehr große Bedeutung. Erst dadurch wurde mir so richtig bewusst, dass Europa viel mehr ist als nur eine Währung. Ich finde es beeindruckend, was die Europäische Union alles in der Vergangenheit geleistet hat, wie sie zum Beispiel ehemaligen Diktaturen wie Spanien und Griechenland auf ihrem Weg in die Demokratie geholfen hat. Die Einführung des Euros dagegen sehe ich kritisch. Da sind bei der Einführung der Gemeinschaftswährung einfach zu viele Fehler gemacht worden. Und es sind Länder mit in die Währungsunion aufgenommen worden, die wirtschaftlich noch gar nicht so weit waren. Natürlich verbindet eine gemeinsame Währung. Aber man hätte erst einmal sicherstellen müssen, dass das Gemeinschaftsgefühl auch ohne den Euro erzeugt wird. Die meisten Länderregierungen denken nach wie vor zu national und nicht europaweit. Das muss sich ändern. n

Fotos: Dirk bleicker

Für Bettina Möller (o.) sind die USA nach wie vor der wichtigste Partner Europas. Coco-Christin Hanika (l.) dagegen verbindet wenig mit den Vereinigten Staaten, dafür umso mehr mit Europa. Und auch der Amerikaner Martin Chorzempa (r.) ist ein Europa-Fan.

Seitdem ich am College einen Kurs zu Europäischer Geschichte besucht habe, bin ich ein regelrechter Europa-Fan. Dass so viele unterschiedliche Kulturen und Sprachen auf einem Raum sind, der kleiner ist als die USA, finde ich faszinierend. Deshalb war ich vor meinem Jahr in Berlin auch schon ein Semester in Frankreich. Ich finde die Leute in Europa sehr offen. Das liegt sicher daran, dass sie im Alltag öfter mit anderen Kulturen und Meinungen in Kontakt kommen, als das zum Beispiel in meiner Heimat Minnesota der Fall ist. Darum finde ich es gut, wenn junge Leute eine Zeit lang ins Ausland gehen. Es fördert das Verständnis für andere. Die vielen Kulturen können aber auch die Gemeinschaft verkomplizieren. Am Europäischen Gerichtshof war ich einmal zu Gast bei einer Verhandlung, und was ich dort erlebt habe, fand ich sehr bezeichnend: Während der eine Richter französisch und der andere englisch sprach, redeten Angeklagte und Verteidiger auf Finnisch. Es dauerte ewig, bis sich alle Seiten verständigt hatten. Unter solchen Voraussetzungen ist es sicher nicht immer einfach, ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln.


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12  News

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Nachruf

Soldatenvater mit Herz Georg Leber Der frühere SPD-Verteidigungsminister starb im Alter von 91 Jahren Von Peter Struck Von Rafael Seligmann Der Sinn von Geschichte besteht darin, die politischen Fehler, die Gleichgültigkeit und die Komplizenschaft, die in der Vergangenheit walteten, nicht zu wiederholen. Als Begleitwerk zu den Olympischen Spielen in London sah man hier Filme über die Wettbewerbe von 1936 in Berlin, welche die Nazis als Propagandaschau missbrauchten. Im Kern ihrer Weltanschauung standen Antisemitismus und Militarismus. Gut zwei Jahre später, drohte Hitler unverhohlen mit der „Ausrottung der jüdischen Rasse“. Er und seine willigen Helfer machten ihre Ankündigung wahr. 1945 wurden die Vereinten Nationen gegründet um zukünftig Krieg und Völkermord zu verhindern. Dabei wurde auch das Recht auf Selbstverteidigung jedes Landes betont. 1947 beschloss die UNO die Teilung Palästinas in einen arabischen und einen jüdischen Staat. Dabei beschwor der sowjetische Diplomat Gromyko das Leid des jüdischen Volkes. Doch statt Frieden folgten Krieg und Vertreibung von Arabern und Juden. Die Völkermorde gingen weltweit weiter. Zuletzt in Ruanda und Sudan. Irans Regierung droht seit langem mit der Vernichtung Israels. Unter dem „gemäßigten“ Präsidenten Rafsandschani wurde ein Kernwaffenprogramm gestartet. Um ihren Bau abzuwenden verhandeln die ständigen Sicherheitsratsmächte plus Deutschland seit 9 Jahren – vergeblich. Präsident Achmadinedschad kündigt Israel öffentlich dessen Auslöschung an. Das religiöse Oberhaupt schmäht Zion als „Krebsgeschwür“. Dies wird von den demokratischen Staaten abgelehnt. Westliche Länder verhängen Sanktionen gegen Iran. Das Volk leidet, die Regierung lässt weiter rüsten. Soeben gaben sich die blockfreien Staaten in Teheran ein Stelldichein. Achmadinedschad wiederholte seine Hassparolen gegen den jüdischen Staat. Israel ist nicht länger bereit, die atomare Drohung Teherans hinzunehmen. Kein Land würde anders reagieren. Um einen bewaffneten Zusammenstoß zu verhindern, muss die Staatengemeinschaft Iran umgehend zwingen, sein Kernwaffenprogramm einzustellen. Ansonsten hat man weltweit nichts aus der Geschichte gelernt. n

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r war ein großer Gewerkschafter, ein leidenschaftlicher Parlamentarier, ein Sozialdemokrat, der die Partei in den Nachkriegsjahrzehnten mitgeprägt hat. Im Gedächtnis geblieben ist Georg Leber aber vor allem als Verteidigungsminister, den die Truppe ins Herz geschlossen hatte, und der umgekehrt ein großes Herz für die ihm anbefohlenen Soldaten hatte. Als Georg Leber 1972 die Nachfolge von Verteidigungsminister Helmut Schmidt antrat, setzte er die eingeleitete Modernisierung der Bundeswehr konsequent fort. Unter seiner Leitung entstanden die Bundeswehruniversitäten, er setzte die ersten weiblichen Sanitätsoffiziere durch, brachte die Ausrüstung auf den neuesten Stand und schaffte es, dass die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft wahrgenommen wurde. Dass er 1978 die

Doppeltes Ja Hochzeit im Hause Gabriel. Erst sagten SPD-Chef Sigmar Gabriel und seine Frau Anke Stadler am 17. August im Standesamt in Goslar „Ja!“. Einen Tag später folgte dann die kirchliche Trauung im Kloster Wöltingerode. Töchterchen Marie wurde bei der Gelegenheit gleich evangelisch getauft. Direkt nach der Feier, u.a. mit Egon Bahr und Martin Schulz, ging es für die Gabriels in die Flitterwochen – 14 Tage auf den Darß an der Ostsee. n KD

Jüngster Alter Michael Adam war schon so einiges: jüngster Bürgermeister Deutschlands, als er vor vier Jahren mit gerade mal 23 an die Spitze der bayerischen Gemeinde Bodenmais gewählt wurde; jüngster Landrat, als er im vergangenen Jahr die meisten Stimmen im Landkreis Regen bekam. Und seit kurzem ist der 27-Jährige „jüngster Altbürgermeister der Welt“. „Michael Adam hat in seiner

politische Verantwortung für das Abhören seiner Sekretärin durch den Militärischen Abschirmdienst übernahm, zeigt sein tiefes demokratisches Verständnis und seinen hohen Respekt vor dem Amt. Emotional ist Georg Leber der Bundeswehr immer nahe geblieben. Für die Nachfolger im Amt war er ein kenntnisreicher und engagierter Ratgeber. Während meiner Amtszeit als Verteidigungsminister habe ich ihn des Öfteren an seinem Alterssitz am Königssee besucht und natürlich um Rat gebeten. Besonders gern erinnere ich mich an einen Abend auf der Reiteralm, den wir zusammen bei den von ihm über alles geschätzten Gebirgsjägern verbracht haben. Bei „seiner Truppe“ fühlte er sich auch im hohen Alter wohl. Wir ehren ihn, indem wir seinen Ruf als „Soldatenvater“ in Erinnerung halten. n

dreijährigen Amtszeit in Bodenmais so viel erreicht, dass die Gemeinderäte dies nun auch mit dem Ehrentitel des Altbürgermeisters würdigen wollen“, lautete die Begründung. Adam selbst geht mit seinem Alter gelassen um. „Ich habe keinen Nachteil, weil ich jünger bin, aber auch keinen Vorteil.“ Welche Karrierestufe er als nächstes erklimmen möchte, lässt Adam offen. „Ich möchte nicht in die Geschichte eingehen, als derjenige, der nie etwas fertig bekommen hat.“ Seine sechsjährige Amtszeit als Landrat möchte er erfüllen und nicht erneut vorzeitig in ein höheres Amt wechseln. „Altbürgermeister und Altlandrat in einer Legislatur – das geht einfach nicht.“ n KD

Diese Frau ist spitze Hatice Kara ist ein dreifaches Phänomen: Die 32-Jährige hat nicht nur Timmendorfer Strand (Schleswig-Holstein) nach 30 Jahren CDU-Herrschaft für die SPD zurückerobert. Sie ist seit dem 1. Juli auch die erste Frau an der Stadtspitze – und damit auch die erste muslimische Bürgermeisterin Deutschlands. In der Stichwahl setzte sich Kara mit 61,7 Prozent gegen den Kandidaten der CDU durch. Ihr Glaube beschäftigte die Wähler allerdings mehr als Hatice Kara selbst. Immer wieder habe es Fragen gegeben, ob sie den Bau einer Moschee plane. „Wieso nur eine?“ fragte Kara darauf scherzhaft zurück. n KD

Georg Leber *7. Oktober 1920 †21. August 2012 1951-2012 Mitglied der SPD 1957-1983 Mitglied des Bundestages 1966-1972 Bundesminister für Verkehr 1969-1972 Bundespostminister 1972-1978 Bundesminister der Verteidigung

Herzlichen Glückwunsch

Kurt Neubauer Bürgermeister von Berlin a.D. zum 90. Geburtstag Frank Haenschke ehem. MdB zum 75. Geburtstag Anke Brunn ehem. Wissenschafts­ ministerin in NRW Volker Neumann ehem. MdB Gerhard Rübenkönig ehem. MdB zum 70. Geburtstag Heinrich Aller ehem. Finanzminister von Niedersachsen Gerd Bollmann MdB Jochen Dieckmann ehem. Justiz- und Finanz­ minister von NRW Annette Faße ehem. MdB Petra Merkel MdB Karin Timmermann Landesgeschäftsführerin in Hamburg zum 65. Geburtstag

Vignettte: Hendrik Jonas; Fotos: Frank Ossenbrink, Roland Witschel/Dpa Picture alliance

Global gedacht


News 13

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Die Bundesregierung hat jeden Anspruch verloren, in europäischen Fragen ernst genommen zu werden.

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Sascha Vogt,

Juso-Vorsitzender, zu Äußerungen, Griechenland solle aus der Euro-Zone austreten.

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Warum sollten im Kampf gegen Steuerkriminalität stumpfere Waffen eingesetzt werden als gegen Rockerbanden?

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Norbert Walter-Borjans, NRW-Finanzminister, rechtfertigt den Kauf von SteuerCDs aus der Schweiz.

Vignette: Hendrik Jonas; Foto: SPD Bundestagsfraktion

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Im September nimmt das „Themen­fo­ rum Verbraucherpolitik“ seine Arbeit auf. Wo liegen die Schwerpunkte? Die SPD hat die Verbraucherpolitik in Deutschland erfunden und lange geprägt. Für uns war Verbraucherpolitik immer Teil einer Politik, die es Menschen ermöglicht, selbstbestimmt zu leben. Schutz vor Gesundheitsgefährdung und finanziellen Verlusten, gleiche Augenhöhe der Verbraucher mit den Konzernen sowie nachhaltiger Konsum waren und sind unsere Ziele. Lange Zeit haben wir nur noch wenige Minister mit diesem Themenfeld gestellt. Das hat sich nun geändert. Die Bundestagsfraktion hat in Fachkreisen hochgelobte Leitlinien für eine modernisierte Verbraucherpolitik erarbeitet. Und nun wird auch das Themenforum helfen, dass die Verbraucherpolitik der SPD verstärkt wahrgenommen wird. Schwerpunkte der Arbeit könnten z.B. die liberalisierten Finanz-, Gesundheits-, Telekommunikations- und Energiemärkte sein: Wie löst Politik die Alltagsprobleme der Verbraucher? Welche Regeln und welcher Schutz gelten in

den grenzenlosen Märkten des Internet? Damit beschäftigen wir uns. Wer kann sich beteiligen und wie? Alle SPD-Mitglieder, aber auch nicht parteigebundene Personen, können mitmachen. Sie müssen nur gegenüber der SPD die Mitgliedschaft im Themenforum erklären. Wir werden sie bei der Erarbeitung von Positionen eng einbinden und intensiv informieren. Mein Wunsch wären dann – neben dem Jahrestreffen in Berlin – auch örtliche Treffen der Forumsmitglieder in Kreisund Landesverbänden. Wie fließen die Ergeb­ nisse des Forums in die Politik der SPD ein? Wir sind antragsberechtigt zum Bundesparteitag. Davon werden wir rege Gebrauch machen: mit eigenen Initiativen und mit der kritischen Begleitung der Anträge, die andere dort einbringen. Außerdem werden wir Bundesvorstand, Landesverbände und Fraktionen mit Anregungen und Beschlüssen versorgen. Für die SPD ist Verbraucherpolitik ein unverzichtbarer Baustein ihres Politikangebots. n KD

Drei Fragen an

Ulrich Kelber

Ulrich Kelber ist MdB und leitet mit Carsten Sieling das Themenforum Verbraucherpolitik.

SPD wieder die Nr. 1 Das Wörterbuch der Politikverdrossenheit Die »Wut« Letzte Folge!

Es gibt tatsächlich eine wissenschaftliche Studie, nach der Bürger in der Zeitung eher dem subjektiven Meinen und ­Dafürhalten dort zitierter Mitbürger glauben, als einer im g ­ leichen Zusammen­ hang verwendeten Statistik. Meinungen über ­Tatsachen ­bedeuten uns häufig mehr als die Tatsachen selbst. Emotion schlägt ­Information – nicht ständig, aber oft. Deshalb ist eines der wirksamsten politischen Argumente die emotionale Selbstauskunft: „Ich bin so wütend!“, „Ich bin echt betroffen!“, „Das macht mich nur noch traurig!“ Nicht jeder mag diesen bauchorientierten Debattierstil. Er ist in unterschied­ lichen Parteien und Milieus unterschiedlich stark zu Hause, scheint insgesamt aber auf dem Vormarsch zu sein. Interessant war bei der großen Bahnhofskrise in Stuttgart, dass am Ende auch ein Volksentscheid nicht allen „Wutbürgern“ als ­Legitimation fürs Weiterbauen ausreichte. Ihnen gilt eine ­Entscheidung nur dann als demokratisch, wenn sie diese selbst gutheißen. Das aber ist nicht demokratisch, sondern – ­traurig. n H-P.B. Der Autor Hans-Peter Bartels ist seit 1998 Mitglied des Bundestags. Weitere Stichworte und Buchstaben: vorwärts.de/Politik

Die SPD hat erneut die Nase vorn. Mit ihren 483 226 Mitgliedern lag sie im Juli erstmals seit vier Jahren wieder vor der CDU. Diese kommt auf 482 951. Allerdings büßten beide Volksparteien im vergangenen Jahr Mitglieder ein. Der Schwund lag mit 3,1 Prozent bei der CDU jedoch höher als bei den Sozialdemokraten mit 2,5 Prozent. Die Linke hat zurzeit 67 410 Mitglieder und die FDP 60 181. Die Grünen kommen auf 59 210 und die Piraten auf rund 30 000 Mitglieder. n KD

Spender gesucht Die Zeit drängt. Bis Ende Oktober müssen die „Falken“ in Berlin-Neukölln 100 000 Euro sammeln. Sie brauchen das Geld für einen Schutzzaun. 2011 gab es zwei rechtsextrem motivierte Brandanschläge auf ihr Jugendhaus. Ohne Zaun erlischt Ende des Jahres der Versicherungsschutz. Das wäre das Aus für das Haus. n KD Spendenkonto: SJD-Die Falken KV Neukölln Kto.Nr. 56079106, BLZ 10010010 Zweck: Bollwerk bollwerk-gegen-nazis.de

Berliner ­Tagebuch Notiert von Uwe Knüpfer Der Sommer war sehr merkwürdig. Mal heiß, mal nass. Nichts Halbes, nichts Ganzes. Wie die Koalition. Ein Sommer zum Vergessen. Politisch bewegte sich nichts. Jedenfalls nichts Sichtbares. Schwarz und Gelb fetzen sich wie zu Beginn ihrer Affäre. Vielleicht weniger leidenschaftlich. Irgendwie erschöpft. „Nichts spricht dafür, dass die Koalition den Ruf der Zerrissenheit noch loswerden könnte.“ Das hat nicht ­Sigmar Gabriel gesagt, sondern die FAZ geschrieben. Die „bürgerliche“ Presse kann an Schwarz-Gelb nichts Bürgerliches mehr erkennen. Angela Merkel laufen die Bürger davon. Josef Schlarmann hat Merkels Kanzleramt mit dem Zarenhof verglichen. Die Kanzlerin habe keinen festen Kurs. Schlarmann ist der Vorsitzende der CDU-Mittelstandsvereinigung. Bürgerlicher geht es nicht. Noch viel schriller fiel die Philippika von Gertrud Höhler aus. Die Literaturprofessorin hat einst Helmut Kohl beraten. Sie CDU-nah zu nennen, wäre eine Untertreibung. Frau Höhler hat ein Buch geschrieben, bei dessen Erscheinen die Temperatur im Kanzleramt abgesackt sein dürfte, als würde Berlin mitten im Sommer von einem arktischen Schneesturm geschüttelt. „Die Patin“ heißt das Buch. Der Titel soll nicht schmeicheln. Frau Höhler attestiert der Kanzlerin „Egomanie“. Frau Merkel treibe mit Europa ein ­„dämonisches Spiel“. Ihre Politik sei „werteentleert“. Von „Vertrauens­ bruch“ ist die Rede und von „geschredderten Versprechen“. Wow! Kanzler sind ja schon häufiger unter Feuer aus dem eigenen Lager gekommen, aber ein solcher Furor war nie. Doch, einmal hat sich die Regierung bewegt. Innenminister Friedrich (CSU) hat den Chef der Bundespolizei entlassen, mal eben so. Er darf das. A­ber nicht nur der Entlassene fand den Vorgang „geradezu beschämend“. Überforderte Eltern kennen das: Erst lassen sie die Dinge schleifen, dann reagieren sie über. Der am wenigsten passende Titel, den Journalisten Angela Merkel zugedacht haben, ist „Mutti“. Eine Mutti schart die Ihren um sich. Frau Merkel ist allein zuhaus. n


09-2012-Verlags-sonderveröffentlichung 14

Verhandlungen um Wahlrecht Nachdem die schwarz-gelbe Regierung mit ihrer Wahlrechtsreform im Juli am Bundesverfassungsgericht gescheitert ist, verhandelt sie nun mit der Opposition. Die Parlamentarischen Geschäftsführer aller Fraktionen haben sich am 28. August zu einem ersten Gespräch getroffen. „Wir wollen Überhangmandate durch Ausgleich oder Verrechnung neutralisieren“, berichtete SPD-Fraktions­ geschäftsführer Thomas Oppermann nach dem Treffen. Darüber bestehe weitgehende Einigkeit. Nun würden verschiedene ­Modelle geprüft. Damit geht die Regierung auf SPD und Grüne zu, die erfolgreich dagegen geklagt hatten, dass durch Überhangmandate der Wählerwille verfälscht wird. n CFH

Ein lebenswertes Land soll Deutschland auch in Zukunft noch sein. Die SPD-Bundestagsfraktion bündelt deshalb Ideen: Was muss heute geschehen, damit es uns im Jahr 2020 gut geht?

Ideen für morgen SPD-Fraktion präsentiert im September Ergebnisse des Zukunftsdialogs mit Bürgerinnen und Bürgern Die SPD-Bundestagsfraktion hat ein Ziel: Im Jahr 2020 soll Deutschland ein Land sein, in dem es für alle faire Löhne gibt und in dem mehr Menschen Arbeit haben als heute. Ein Land, in dem Frauen und Männer im Erwerbsleben gleichgestellt sind. Das Land soll gerechter, die Gesellschaft solidarischer sein. Doch dafür müssten heute schon die Weichen gestellt werden. Genau das versäumt die schwarz-gelbe Bundesregierung. Die soziale Spaltung verschärft

sich beständig. Die Regierung sieht zu, wie die Finanzmärkte das Vertrauen in die Demokratie zerstören. Statt Bildung zu fördern und Staatsschulden abzubauen, macht sie ihrer Klientel Steuergeschenke. Die SPD-Bundestagsfraktion will eine Alternative bieten. Sie hat deshalb Anfang 2011 unter dem Titel „Projekt Zukunft – Deutschland 2020“ einen Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Gewerkschaften,

gesellschaftlichen Gruppen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern begonnen, um sich auf künftige Re­ gierungsverantwortung vorzubereiten. Jetzt geht das Projekt in die Auswertungsphase. Am 14. und 15. September wird die SPD-Fraktion die Ergebnisse auf einem Zukunftskongress im Bundestag vorstellen. „Was können wir tun, damit Deutschland 2020 ein lebenswertes, gerechtes und wirtschaftlich modernes Land mit einer selbstbewussten Demokratie ist?“, bringt Fraktionschef FrankWalter Steinmeier die Leitfrage des Projektes auf den Punkt. Die Bürgerinnen und Bürger konnten ihre Ideen und Meinungen auf vielfältige Arten in die Debatte einbringen: in zahlreichen Diskussionsveranstaltungen, öffentlichen Fachkonferenzen, Workshops und auf einer Beteiligungsplattform im Internet. Gemeinsam diskutierten sie in acht Projektgruppen: Wie können wir für ein gutes Miteinander der Generationen sorgen? Welche Infrastruktur braucht das Land? Wie fördern wir gute Arbeit, Bildung und Integration? Entstanden sind solide Konzepte, wie das Land modernisiert werden kann. Die SPD-Fraktion wird sie auf ihrem Zukunftskongress erneut mit interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern diskutieren. Mitverfolgen kann man die Veranstaltung auch per Livestream im Internet. n CFH spdfraktion.de/zukunftskongress

Die Flexiquote ist reine Augenwischerei.

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Dagmar Ziegler,

SPD-Fraktionsvizin, fordert eine verbindliche Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände in der Wirtschaft.

Impressum Verlags-Sonder­ veröffentlichung Herausgeber: SPD-Bundestagsfraktion Petra Ernstberger, MdB Parl. Geschäftsführerin V.i.S.d.P. Anschrift: SPD-Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin

Der Verfassungsschutz soll nach der Serie von peinlichen Fehlern bei seinen Ermittlungen zur nationalsozialistischen Terrorgruppe NSU reformiert werden. Entsprechende Verhandlungen führen derzeit die Innenminister von Bund und Ländern. Als Impuls für die Debatte haben die SPD-Bundestagsabgeordneten Thomas Oppermann, Eva Högl und Michael Hartmann im August dazu ein Eckpunktepapier vorgelegt. Die Arbeit des NSU-Untersuchungsausschusses habe ein „gewaltiges Versagen der Behörden“ aufgedeckt, sagte Eva Högl bei der Präsentation des Papiers. Die SPD-Abgeordneten kritisieren vor allem Mängel bei der Absprache zwischen den Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern und eine schlechte Abstimmung mit der Polizei. In ihrem Eckpunktepapier schlagen die Abgeordneten vor, die Abteilung 2 (Rechtsextremismus) des Bundesamtes für Verfassungsschutz nach Berlin zu verlegen. Die deutschen Sicherheitsbehörden auf Bund- und Länderebene sollen zum Informationsaustausch verpflichtet werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll dabei stärker als Zentrale dienen. Zudem will die SPD-Fraktion den Einsatz von V-Leuten gesetzlich regeln und kontrollieren. Ab einem bestimmten Umfang soll die für den Verfassungsschutz zuständige Kommission des Bundestages („G10-Kommission“) die Einsätze von V-Leuten genehmigen müssen. Die Sicherheitsbehörden müssten einer effizienteren, parlamentarischen Kontrolle unterstellt werden, betonten Oppermann, Högl und Hartmann. n CFH

Präsentierten Vorschläge zur Reform des Verfassungsschutzes: die SPDAbgeordneten Thomas Oppermann, Eva Högl und Michael Hartmann.

Verpasste Chance Es war ein Vorstoß, der Deutschlands Homosexuellen Hoffnung macht: Anfang August sprachen sich 13 Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU öffentlich dafür aus, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften steuerlich endlich mit der Ehe gleichzustellen – wie es alle anderen Fraktionen schon lange fordern. „Ein großer Schritt in die richtige Richtung“, freute sich Johannes Kahrs, Beauftragter für die Belange von Lesben und Schwulen in der SPD-Bundestagsfraktion. Doch der Dämpfer folgte promt: Bundeskanzlerin Merkel wies die Forderung ihrer Abgeordneten zurück. Es sei „gut, wenn Ehe und Familie doch etwas deutlich besser gestellt werden“, sagte sie. n CFH

Fotos: Marion Blohmeyer/Bobsairport, SPD Bundestagsfraktion (2)

Verfassungsschutzreform

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Partei leben! inhalt Unter Dampf Das Sommertreffen der AG 60plus im Harz

120 Jahre

Chefsache

Fotos: Dirk bleicker, privat, Gunda Wuetschner

Andrea Direkt! Warum schließt die SPD eine rot-rotgrüne Koalition nach der Bundestagswahl aus und steuert damit geradewegs auf eine große Koalition zu? Diese Behauptung ist schlicht falsch. Wir setzen auf Sieg, nicht auf Platz. Und die Linkspartei ist doch überhaupt nicht in der Verfassung zu regieren. Ganz abgesehen davon finde ich, dass wir mitten in einem tiefgehenden Umbauprozess Europas eine Totalverweigererhaltung auch nicht brauchen. Wir setzen auf eine Richtungsentscheidung gegen Schwarz-Gelb für Rot-Grün. Und warum sollte das nicht gelingen? Klar müssen wir noch zulegen – aber das ist in den zwölf Monaten bis zur Bundestagswahl auch möglich. Hält die SPD an der Rente mit 67 fest? Wir haben eine klare Position zum Thema Rente mit 67: Eine Anhebung des Rentenalters soll ausgesetzt werden, solange die realen Arbeitschancen für ältere Beschäftigte schlecht sind. Und das sind sie. Da bewegt sich nicht sehr viel. Kann der Verfassungsschutz in seiner derzeitigen Form erhalten bleiben? In seiner jetzigen Form nicht. Für mich stecken die Aufräumarbeiten dort noch in den Kinderschuhen. Warum ist die SPD bei ihren Plänen für eine Vermögenssteuer mit einem Prozent ab zwei Millionen Euro so zaghaft? Das ist nicht zaghaft und trifft genau die Richtigen. Warum soll die K-Frage nicht per Urwahl entschieden werden? Wenn es mehr als einen Kandidaten gibt, haben Sigmar und ich uns für eine Urwahl ausgesprochen. Wahrscheinlich ist das aber für die kommende Bundestagswahl nicht. n Fragen stellen: vorwärts.de/nahlesfrage

Die BayernSPD feierte in Regensburg

Ohren AUF! Der Bürger-Dialog der SPD startet Ende September

Porträt Diana Lehmann lässt sich zur Partei-Trainerin ausbilden

Sie kämpfen gegen die Vorratsdatenspeicherung und für mehr Beteiligung der Basis: die Initiatoren des SPD-Mitgliederbegehrens Yasmina Banaszczuk und Dennis Morhardt

In Kürze Arbeitsgemeinschaften: AfA OV-Nachrichten

»Darum Bin ich   in der SPD…«

Streit um Daten Mitgliederbegehren Wie steht die SPD zur Vorratsdatenspeicherung? Das kann nun die Parteibasis entscheiden Von Kai Doering

D Peter Gärtner (l.) ist Diplomingenieur und Mitglied im OV Duisburg Großenbaum/Rahm. Im Duisburger Oberbürgermeister-Wahlkampf traf ich den SPD-Kandidaten Sören Link. Mit seiner authentischen wie fachlich kompetenten Art hat er mich überzeugt, dass mit ihm der Neuanfang nach der Loveparade-Katastrophe gelingen kann. Auf meinen Hinweis, ich würde sofort in die SPD eintreten, wenn er einen Aufnahmeantrag dabei hätte, griff er in seine Jackentasche... n Warum seid Ihr gerade jetzt SPD-Mitglied geworden? Schreibt uns an parteileben@vorwaerts.de

ennis Morhardt findet klare Worte. „Die Vorratsdatenspeicherung widerspricht den Grundwerten der Sozialdemokratie, weil sie die Bürgerinnen und Bürger unter einen Generalverdacht stellt.“ Der Göttinger hat deshalb mit Yasmina Banaszczuk aus Hamburg innerhalb der SPD ein Mitgliederbegehren gestartet. Ihr Ziel: Die SPD soll sich gegen jegliche verdachtsunabhängige Speicherung von Telefon- und Internetverbindungen aussprechen. „Ein großer Teil der Mitgliedschaft lehnt die Vorratsdatenspeicherung ab“, ist Yasmina Banaszczuk überzeugt – und das, obwohl sich der Parteitag im vergangenen Dezember mit einer knappen Mehrheit für eine Speicherung ausgesprochen hat. Die Delegierten hatten allerdings klare Schranken gesetzt. So sollen Daten nur bei schweren Straftaten und mit der Erlaubnis eines Richters erhoben werden dürfen. Nach drei Monaten sollen sie gelöscht werden. Die Richtlinie der EU-Kommission, die bisher nicht in ein deutsches Gesetz umgesetzt wurde, sieht eine Speicherung von sechs Monaten unter weitaus laxeren Bedingungen vor. „Kürzere Speicherfristen“ und eine „Differenzierung bei Speicherdauer und

Zugriffsvoraussetzungen“ fordert deshalb auch der Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann. Er gibt allerdings zu bedenken: „Wer Vorratsdatenspeicherung kategorisch ablehnt, akzeptiert damit auch, dass schwerste und andauernde Straftaten nicht aufgeklärt werden.“ Auf dieser Spannungslinie bewegt sich das Mitgliederbegehren. Bis zum 24. Oktober müssen die Initiatoren die Unterschriften von einem Zehntel der SPD-Mitglieder zusammenbekommen – zurzeit sind das rund 48 300 – von denen sich eine Mehrheit für den Inhalt des Mitgliederbegehrens aussprechen muss. Sind beide Bedigungen erfüllt, kann der Parteivorstand entscheiden, ob er dem Vorschlag folgt oder ob es zu einem Mitgliederentscheid kommt. Hier wären dann die rund 483 000 SPD-Mitglieder zur Urnen- oder Briefwahl aufgerufen. Sigmar Gabriel unterstützt das Mitgliederbegehren als Instrument für mehr Beteiligung „auch wenn ich inhaltlich anderer Meinung bin“, schrieb er den Initiatoren. Als Gewinner sehen die sich trotzdem schon. „Selbst wenn wir mit unserem Anliegen nicht erfolgreich sein sollten, leiten wir damit eine neue Phase der Mitgliederbeteiligung ein“, ist Dennis Morhardt sicher. n


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Unter Volldampf AG 60 Plus Im Harz erleben die SPD-Senioren Geschichte und tanken Kraft für kommende Aufgaben Von Kai Doering

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m Ende ihrer Führung steht die Gruppe mitten in der Hölle. Es ist heiß, allen steht der Schweiß auf der Stirn – und das, obwohl die Fachwerkhäuser links und rechts lange Schatten werfen. „Diese Straße trägt ihren Namen seit dem 16. Jahrhundert“, erklärt Ingrid Weiss. „Wer durch das Stadttor hier hereinkam, konnte wegen der eng stehenden Giebel den Himmel nicht mehr sehen. Er meinte, direkt in die Hölle zu kommen.“ Die etwa 30 Frauen und Männer blicken interessiert nach oben. Sie sind Ingrid Weiss bereits seit etwas mehr als zwei Stunden kreuz und quer durch Quedlinburg gefolgt. Von ihrer „Stadtbild­ erklärerin“, wie die Stadtführer zu DDRZeiten hießen, haben sie erfahren, dass hier, am Nordrand des Harzes in SachsenAnhalt, mit Dorothea Erxleben die erste promovierte deutsche Ärztin geboren wurde. Sie wissen nun auch, dass sich in Quedlinburg die größte Ausstellung des Bauhaus-Künstlers Lyonel Feininger außerhalb der USA befindet.

Die bunte Stadt am Harz Es ist ein Tag Ende Juli, als die rund 400 Teilnehmer des Sommertreffens der AG 60plus diese ungeahnten Superlative kennenlernen. Mit zehn Bussen sind sie aus dem gesamten Bundesgebiet angereist, um eine knappe Woche im Harz zu verbringen – einer Region, in der nicht

Sommer­ treffen

1| Ankunft auf dem Brocken 2| Die Brockenhexe treibt Schabernack 3| Die Brockenbahn auf dem Weg zum Gipfel 4| Ingrid Weiss (mit Schild) führt durch Quedlinburg 5| Schattiges Plätzchen auf dem Quedlin­ burger Marktplatz

Reisen zum Parteijubiläum Gründungsstätten der SPD Reise durch Deutschlands Osten (Gotha, Erfurt, Eisenach, Halle) und zum Festakt anlässlich des 150. Gründungstags des ADAV nach Leipzig 20. bis 24. Mai 2013 Deutschlandtreffen Zur großen Feier in Berlin bietet der SPD-ReiseService spezielle Angebote für Ortsvereine und Unterbezirke an. 16. bis 18. August 2013 spd-reiseservice.de

nur wichtige Wurzeln der deutschen Geschichte liegen. „Alles, was uns Sozialdemokraten bewegt hat, hat hier stattgefunden.“ Daran hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel erinnert, als er die Partei-Senioren zwei Abende zuvor bei ihrem Sommerfest besucht hatte – zum ersten Mal in seiner Zeit an der Parteispitze. Die Industrialisierung, die Knappschaftsbewegung, alles habe im Harz seinen Ursprung gehabt und wirke bis heute nach, betont Gabriel. Dass das Gestern Einfluss aufs Heute hat, gilt auch in Wernigerode, der „bunten Stadt am Harz“. Diesen Namen verdankt der 34 000-Einwohner-Ort dem Schriftsteller Hermann Löns. Ein anderer Mann sorgte dafür, dass die meisten der reich verzierten Fachwerkhäuser bis heute erhalten blieben: „Stadtkommandant Gustav Petri hat Wernigerode im April 1945 kampflos an die US-Armee übergeben und wurde dafür von den Nazis standrechtlich erschossen“, weiß Jürgen Wedde. Der Stadtführer kann auch erklären, warum das historische Straßenpflaster von Wernigerode die DDR nicht überlebt hat: „Die Steine wurde herausgelöst, mit einer speziellen Maschine gewaschen und in den Westen verkauft.“ Hier zieren sie nun die eine oder andere Fußgängerzone. „Die Aktion wurde sogar in einem Karnevalslied verewigt“, weiß Wedde. Dessen Refrain laute: „Wär‘ ich doch ein Pflasterstein, dann könnt‘ ich schon im Westen sein.“

Gen Westen geht es auch für die AG 60plus. Unter Volldampf und mit 30 km/h erreicht sie den Höhepunkt ihrer Sommerreise. Es geht auf den sagenumwobenen „Blocksberg“, besser bekannt als Brocken. Der SPD-ReiseService hat hierfür extra einen Sonderzug der Harzer Schmalspurbahn gechartert, Brockenhexe inklusive. Mit einem Weidenkorb, aber ohne Besen läuft sie durch die historischen Waggons und treibt ihren Schabernack mit den Fahrgästen.

Ausflugsziel statt Sperrgebiet Währenddessen kämpft sich die Dampflok den 1141 Meter hohen Brocken hinauf. Links und rechts ziehen Tannen vorbei, der Motor stampft, und ab und an geht ein Ascheregen über denen nieder, die den Fahrtwind und die Aussicht zwischen den Waggons genießen. Nach zweieinhalb Stunden ist die Fahrt vorbei. Auf dem Brockenplateau erwarten die Gruppe Sonnenschein, ein laues Lüftchen und ein phantastischer Blick ins Tal. An das militärische Sperrgebiet, das der Brocken inmitten des deutsch-deutschen Grenzgebiets mehr als 30 Jahre lang war, erinnert hier oben nichts mehr. Der letzte Soldat zog vor knapp 20 Jahren ab. Heute kommen jedes Jahr etwa zwei Millionen Menschen hierher. Der Brocken ist das mit Abstand beliebteste Ausflugsziel im Harz. Warum er das ist, verstehen auch die SPD-Senioren schnell. Bei Kaffee und Kuchen oder Bockwurst und Bier genießen sie das schöne Sommerwetter. Schließlich hatte Sigmar Gabriel ihnen beim Sommerfest ja etwas mit auf den Weg gegeben. „Nutzt die Zeit in der Sommerfrische, um Euch auszuruhen“, hatte der Parteivorsitzende gesagt. „Ihr werdet nämlich noch gebraucht!“ n

Fotos: Kai Doering

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Gebt Bayern den Freistaat zurück! 120 Jahre Bayern-SPD Zum Jubiläum gibt es unerwartetes Lob von CSU-Chef Horst Seehofer – und einen Auftrag von SPD-Spitzenkandidat Christian Ude

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ine echte Volkspartei“ sei die Bayern-SPD, mit großer Vergangenheit und „guter Zukunft“. Wer hat das gesagt, im Jahr vor der bayerischen Landtagswahl? Horst Seehofer, der bayerische Ministerpräsident und Vorsitzende der CSU. Er sei durchaus „im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte“, versicherte Seehofer den rund 300 verdutzten Gästen der Bayern-SPD in Regensburg. Lange hat die CSU erfolgreich die Tradition des „Hauden-Sozi“ gepflegt. Schon dass Seehofer die Einladung zur 120-Jahr-Feier der Konkurrenz angenommen hat, war eine Premiere. Einen CSU-Vorsitzenden, der dermaßen viel (rote) Kreide geschluckt hat, hätten sie noch nie erlebt, versicherten kampferprobte Genossen. „Ich finde, Du bist ziemlich tapfer,“ quittierte Sigmar Gabriel Seehofers Auftritt. Christian Ude, Münchens Oberbürgermeister und Seehofers Herausforderer bei der Landtagswahl im kommenden Jahr, sprach von einem „herausragenden Beispiel demokratischer Kultur“. „Mit Dankbarkeit und großem Respekt“ blicke er auf die Geschichte der SPD, hatte Seehofer versichert und an das Nein der Sozialdemokraten zu Hitlers Ermächtigungsgesetz erinnert: an einen „der edelsten und besten Momente“ der deutschen Demokratie. Auch beschrieb er ausführlich, dass die SPD den Freistaat ausgerufen, das Frauenwahlrecht in Bayern eingeführt und die Landesverfassung geprägt hat. Da hätte Ude fast nicht mehr anmerken müssen, dass der Freistaat Bayern „kein Geschenk der Wittelsbacher an die CSU“ gewesen ist und „nie die Beute einer einzigen Partei“ sein dürfe. Als Flo-

rian Pronold, Vorsitzender der BayernSPD, versprach, 2013 „den Bayern den Freistaat zurückzugeben“, rieb sich Seehofer, der ansonsten stoisch durchhielt, dann doch die Augen.

Warum war Seehofer so nett? Warum war der CSU-Chef so nett zu den Sozis, fragten sich anschließend viele. Und gaben sich gleich selbst die Antwort: Nun, er werde nach der nächsten Wahl, wenn die FDP ausfällt, einen neuen Koalitionspartner brauchen. Dann könne es nicht schaden, sich zu erinnern, wie kuschelig es damals in Regensburg gewesen ist. Als Georg von Vollmar und rund 60 Mitstreiter die SPD in Bayern gründeten, am 26. Juni 1892, wollten ihnen die Wirte der alten Reichsstadt übrigens keinen Saal überlassen. Die Genossen wichen in einen Vorort aus. Das Gebäude beherbergt heute eine Spielhölle. Die 120-Jahr-Feier hingegen fand würdig im Kolpinghaus statt, im Schatten von Rathaus und Dom. Die SPD ist schon jetzt eine Macht in Bayern. In vielen Städten und Kreisen gibt sie seit langem den Ton an. Jetzt müsse sie endlich auch landesweite Wahlen gewinnen, rief Ude ihr zu: „An die Arbeit!“ n KL

Schluckte Kreide: CSU-Chef Horst Seehofer würdigte die Bayern-SPD als „echte Volkspartei“. Er versicherte, „im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte“ zu sein.

Bundesweites Mitgliederbegehren »Sozis gegen die Vorratsdatenspeicherung« Information des SPD-Parteivorstandes: Am 24. Juli 2012 ist ein bundesweites Mitgliederbegehren „Sozis gegen die ­Vorratsdatenspeicherung“ beim Parteivorstand angezeigt worden. Das Mitgliederbegehren hat folgenden Entscheidungsvorschlag: „Die SPD lehnt eine verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung (Mindestdatenspeicherung) von Kommunikations­­daten, wie Telefon- und Internetverbindungen sowie Standortdaten, in jeglicher Form ab. Wir setzen uns auf EU-Ebene für eine Ä ­ nderung der Richtlinie 2006/24/EG ein, um den Datenschutz zu stärken und eine Nicht-Einführung zu ermöglichen.“ Nach § 13 Organisationsstatut in Verbindung mit der Verfahrensrichtlinie haben die Initiatoren nun drei Monate Zeit, ­Befürworter/innen für ihr Begehren zu finden. Die Frist endet spätestens am 24.10.2012, 24 Uhr. Zur Unterzeichnung berechtigt sind ausschließlich Mitglieder der SPD gemäß § 5 Organisationsstatut.

Fotos: SPD/joern haufe

Die Initiatoren, Yasmina Banaszczuk und Dennis Morhardt, sind für die Durchführung des Begehrens verantwortlich. Sie sind berechtigt, den Entscheidungsvorschlag mit Unterschriftenlisten in den ­Parteibüros zu den üblichen Geschäfts­stunden auszulegen. Die Unterschriftenlisten sollten unter­ bezirksweise geführt werden. Die Initiatoren haben Unterschriftslisten und Einzelbögen online gestellt. Diese können h ­ eruntergeladen und ausgedruckt werden. n Chefs unter sich: Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mit Bayern-SPD-Chef Florian Pronold

Nähere Informationen zum Begehren unter: sozis-gegen-vds.de


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Termine der Themenwochen

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Liebe Genossinnen, liebe Genossen, Ende September startet, wie Ihr wisst, die SPD ihren B ­ ürger-Dialog. Wir wollen erfahren, was den Menschen in Deutschland am Herzen liegt. Wo sie der Schuh drückt. Was sie ärgert. Was sie verbessern wollen. In einem Satz: Was sich in Deutschland ändern muss. Dabei hoffe ich ganz besonders auf Eure Hilfe – als B ­ ürgerinnen und Bürger und als Mitglieder unserer SPD. Denn natürlich wollen wir erfahren, welche Themen Euch an der Basis unserer Partei vor Ort bewegen und welche Probleme die SPD in Eurem Namen verstärkt anpacken sollte. Darüber hinaus möchte ich Euch aber auch bitten, ganz persönlich am Erfolg der für die Partei so wichtigen Aktion mitzuwirken und sich zu engagieren, damit unser Bürger-Dialog ein Erfolg der gesamten SPD wird. Diese Ausgabe des „vorwärts“ enthält deshalb gleich zwei Dialog-Karten zur Teilnahme – eine für Euch selbst und eine für Eure Nachbarn, Kollegen, Verwandten oder Freunde.

Kinder und Familie 24. September Frankfurt am Main Peer Steinbrück 25. September Berlin Andrea Nahles 27. September Nürnberg Christian Ude 1. Oktober Koblenz Manuela Schwesig

Ich bitte Euch: Fragt sie, ob sie sich am Bürger-Dialog beteiligen wollen. Ob sie der SPD die Meinung sagen wollen. Und ob sie erfahren wollen, wie ihr Beitrag Eingang findet in das SPD-Regierungsprogramm 2013. Denn das ist das Ziel: mit Euch und mit den Bürgerinnen und Bürgern einen Beitrag zum Regierungsprogramm der SPD zu leisten.

Jugend und Bildung 5. Oktober Karlsruhe Sigmar Gabriel 5. Oktober Radolfzell Frank-Walter Steinmeier 9. Oktober Wetzlar Andrea Nahles

Erzählt den Menschen, wie die Partei von September bis Dezember bundesweit und auf ­allen Ebenen Meinungen sammelt, Kritik und Vorschläge. Wie die Parteiführung die ­Aktionen zwischen Flensburg und Passau auch mit persön­lichen Auftritten unterstützt. Sagt ihnen, dass alle gesammelten Einsendungen von Themenexperten ausgewertet ­werden, um in Bürger-Konferenzen zu konkreten Bürger-Projekten ausgearbeitet zu ­werden. Und sagt ihnen auch, dass alle, die mitmachen – ­ ob Parteimitglied oder nicht – die Chance haben, zu diesen Bürgerkonferenzen eingeladen zu werden, um am Regierungsprogramm der SPD mitzuschreiben.

Arbeit, Wirtschaft, Energie 22. Oktober Kiel Andrea Nahles 25. Oktober Dortmund Sigmar Gabriel

Am Ende dieses intensiven Beteiligungs-Prozesses wird unser Programmparteitag ­abschließend die Bürger-Projekte debattieren und darüber abstimmen – so wie wir es ­Anfang 2012 auf unserer Parteiklausur beschlossen haben. Wie viele Vorschläge uns bis dahin erreichen und wie gut sie sind – das hängt nun ganz ­entscheidend auch von Euch ab. Ich bitte Euch deshalb: Helft mit, dass die SPD in ihrer ­Tradition als Volkspartei weiterhin an der Seite der Menschen Politik macht. Und sich die SPD mit dieser Bürgernähe im Wahljahr 2013 deutlich abhebt von den Klientel- und Lobbyparteien. Macht mit bei unserem Bürger-Dialog. Und sorgt bitte vor allem dafür, dass viele andere ­mitmachen! Sigmar Gabriel

Gesundheit und ­V erbraucherschutz 29. Oktober bis 11. November Gerechte Gesellschaft 13. November Hamburg Peer Steinbrück Unser Europa 1. Dezember München Hannelore Kraft

Ihre MeInUng zählt! Die SPD hört zu. Sagen Sie uns, was in Deutschland besser werden muss. Schreiben Sie mit am SPDRegierungsprogramm 2013. Direkt mit dieser Karte. Und gerne auch unter www.spd.de

Platz für Meinungen: Die Dialogkarte sollen möglichst viele Bürger ausfüllen.

Wir sind

Bürger-dialog Die SPD fragt, Dafür ist der Einsatz aller Mitglie

Paten der Bürger Fotos: Renate Blanke, Bea Marquardt/SPD (2), SPD Bundestagsfraktion (2), Dominik Butzmann/SPD

Die Termine werden regelmäßig unter spd.de aktualisiert.

Die SPD hört hin: Sie will wissen, was den Menschen am H

Themen-Experten Sie sind Ansprechpartner für die Themenwochen und Anwälte der Bürger-Ideen

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om ersten Tag an werden sie überall sein. Wenn am 24. September der Startschuss für den Bürger-Dialog der SPD fällt, schwärmt die Partei aus, um im besten Sinne nah am Bürger zu sein. Am Nachmittag werden SPD-Chef Sigmar Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles im Internet-Chat und am Telefon Bürgerfragen beantworten. Zur selben Zeit ist Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück in der Frankfurter Fußgängerzone, der „Zeil“, unterwegs, um von Passanten zu erfahren, welche Themen ihnen wichtig sind. Gleichzeitig treffen

bundesweit Abgeordnete, Bürgermeister und andere Parteimitglieder mit Bürgern zusammen, um Ideen zu sammeln und ins Gespräch zu kommen. „Mit dem Bürger-Dialog schaltet die Partei komplett auf Empfang“, hat Andrea Nahles angekündigt. Ihren Worten folgen nun Taten. Los

„Unser Europa“: Für diese Themen­ woche ist NRWs Europa-Ministerin Angelica SchwallDüren Expertin.

geht es mit der Themenwoche „Kinder und Familie“. Darauf folgen fünf weitere (s. links). Bis Mitte Dezember besuchen die Genossen Schulen, Krankenhäuser oder Betriebe, um vor Ort zu fragen: „Was muss in Deutschland besser werden?“ Am Ende jeder Themenwoche werten „Themenpaten“ die gesammelten Vorschläge aus. So werden Angelica Schwall-Düren, Ralf Stegner, Axel Schäfer und Julian Nida-Rümelin Paten der Themenwoche „Unser Europa“ sein. Joachim Poß betreut die Themenwoche „Gerechte Gesellschaft“. Die nordrhein-westfälische Staatssekretärin Zülfiye Kaykin, Sascha Vogt und Doris Ahnen kümmern sich um „Jugend und Bildung“., Ute Vogt


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Was läuft schief? Was können wir tun? Themenwochen Die SPD schaltet auf Empfang

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Herzen liegt. Andrea Nahles und die Parteispitze touren dafür durch die Republik.

d ganz Ohr

was sich in Deutschland verbessern soll. eder gefordert

widmet sich dem Komplex „Arbeit, Wirtschaft, Energie“. Elke Ferner und Carsten Sieling betreuen „Gesundheit und Verbraucherschutz“. Die Paten werden Vorschläge, die per Dialog-Postkarte oder übers Internet eingebracht werden, zur jeweiligen „Bürger-Konferenz“ mitnehmen. Diese finden, je nach Thema, zwischen Januar und März kommenden Jahres in Berlin statt. Dazu werden Experten und Bürger, deren Vorschläge besonders hervorstechen, eingeladen. Gemeinsam werden sie an Runden Tischen aus den gesammelten Ideen konkrete politische Vorschläge und Projekte erarbeiten. Aus der Frage „Wie schaffen wir gleiche Bildungschancen

Experte für „Gerechte Gesellschaft“: Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-BundestagsfraktionJoachim Poß

olfgang Tiefensee konnte es nicht abwarten. Schon vor dem offiziellen Beginn des SPD-Bürger-Dialogs am 24. September hat der Bundestagsabgeordnete bei den Menschen in seiner Heimatstadt Leipzig nachgefragt. „Was muss in Deutschland besser werden?“ wollte Tiefensee im Rahmen seiner „Politischen Sommeraktion“ wissen. Dafür stand er im Juli zuerst eine Woche jeden Tag vier Stunden in der Leipziger Innenstadt. Er sprach über Themen wie „Rechtsextremismus in Sachsen“ oder „Steigende Mieten in Leipzig“. Und er wollte wissen: „Was läuft schief in unserem Gesundheitssystem?“. Danach ging es für eine Woche in verschiedene Schulen, um mit den Schülern ins Gespräch zu kommen. Und zum Schluss besuchte Tiefensee Unternehmen in Leipzig. Auch hier wollte er von Arbeitnehmern und Arbeitgebern wissen: „Was muss besser werden?“ Tiefensees Beispiel sollen ab Ende September die Genossen überall im Land folgen. „Wir wollen erfahren, was den Menschen in Deutschland am Herzen liegt“, sagt SPD-Chef Sigmar Gabriel. In sechs Themenwochen werden Parteispitze, Abgeordnete und Mitglieder bis

für alle?“ könnte dort z.B. das „Projekt kleinere Klassen – Stufenplan für mehr Lehrer“ werden. Aus jeder Bürgerkonferenz werden Delegationen zum abschließenden Bürgerkonvent eingeladen. Dort werden der SPD-Führung und dem dann feststehenden Kanzlerkandidaten die Projekte und Ideen präsentiert. Die Themenpaten werden dort als Anwälte der Bürger die Ergebnisse der Themenwochen zusammenfassen und die zentralen Forderungen vorbringen. Eine wichtige Rolle spielen sie zudem auf dem Bundesparteitag, der Mitte 2013 das Regierungsprogramm für die Bundestagswahl verabschieden wird. Dort, so ist es geplant, werden die Themenpaten die während des BürgerDialogs entwickelten Projekte vorstellen und als Programmpunkte einbringen. Diese werden in der gedruckten Fassung des „Regierungsprogramms neuen Typs“ grafisch hervorgehoben. So soll sofort erkennbar sein, welche Ideen nicht aus den Gremien der Partei, sondern von den Bürgerinnen und Bürgern

Mit der Dialogkarte unterwegs: Genossinnen und Genossen aus Franken in Berlin

Ende des Jahres mit den Bürgern über Deutschlands Zukunft diskutieren und Vorschläge für das SPD-Regierungsprogramm für die Bundestagswahl im kommenden Jahr machen. Jede Themenwoche hat zwei bis drei Experten als Paten (s. unten). Sie sammeln am Ende alle Vorschläge ein, werten sie aus und bringen sie bei den „BürgerKonferenzen“ ein. Zu denen lädt die SPD im kommenden Frühjahr Bürger nach Berlin ein. Das aber ist noch Zukunftsmusik. Jetzt heißt es für die SPD erstmal: zuhören und Ideen sammeln. n KD

stammen. Transparenter geht es kaum. Dasselbe gilt für die „Werkstatt BürgerDialog“, die während der Sommerpause an der Spitze des Willy-Brandt-Hauses eingerichtet wurde. Die Mitarbeiter sind dort per Telefon unter 030/25991-500 zwischen 8 und 20 Uhr für Bürgeranfragen erreichbar. Alle Fortschritte des Bürger-Dialogs werden jederzeit aktuell auf spd.de ­dokumentiert. n KD

Doris Ahnen, Bildungs­ ministerin in Rheinland-Pfalz, kümmert sich um die ­Themen „Jugend und Bildung“

In Netz dabei Wer live dabei sein möchte, wenn Sigmar Gabriel und Andrea Nahles am 24. September den Bürger-Dialog der SPD eröffnen, muss dafür wenig tun. Ein paar MausKlicks genügen. Der Start wird nämlich per Live-Stream im Internet übertragen. Und das ist bei weitem nicht das Einzige, das sich im Netz tut. Auf einer eigens eingerichteten Internetseite werden sich die Themenpaten regelmäßig äußern, und es wird Berichte von Aktionen vor Ort geben. Natürlich können sich auch die Nutzer direkt äußern: Per Chat können sie kommentieren und auch elektronisch ihre Vorschläge einbringen, was in Deutschland besser werden muss. Die Dialog-Postkarte gibt es auch als E-Card. n KD spd.de/buergerdialog


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Blitzstarterin: Nur drei Jahre nach ihrem Eintritt in die SPD führte die gebürtige Jenaerin Diana Lehmann bereits den Juso-Landesverband Thüringen, von 2009 bis 2011.

Schnell zum Profi

Diana Lehmann Sie ist jung, ehrgeizig und erfolgreich. Doch das reicht der Jungsozialistin nicht. Um noch besser zu werden, nimmt sie am Programm »Train-the-Trainer« des SPD-Parteivorstands teil

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iana Lehmann startet mal wieder spät in ihr Wochenende. Der schöne Sommertag in Erfurt neigt sich bereits dem Ende zu. ­Gerade noch war sie mit ihrem Chef, Wirtschafts- und Arbeitsminister Matthias Machnig, auf Sommertour durch Thüringen. Am Montag geht es früh weiter: Als persönliche Referentin des Ministers reist sie mit nach Brasilien. Jetzt freut sie sich auf ihren Freund aus Schleswig-Holstein. „Gar nicht so einfach, in einer Fernbeziehung genügend Zeit miteinander zu verbringen.“ Wenn die Arbeit es zulässt, sehen sie sich am Wochenende. „Zum Glück haben wir Verständnis für die Situation des anderen“, so Lehmann auf ihrem Weg in die Altstadt. Wie sie selbst steckt auch ihr

Porträt

Freund viel Energie in die ehrenamtliche Arbeit bei den Jusos. Seit einem knappen Jahr ist die 29-Jährige im Bundesvorstand der Jusos aktiv. Hier kümmert sie sich um kommunalpolitische Themen und die Beschäftigungssituation von jungen Menschen. Referentin im Hauptberuf, Ehrenamt und Fernbeziehung – wie geht das alles zusammen?

»Ich funktioniere unter Druck einfach besser« Diana Lehmann lacht, kleine Fältchen umspielen ihre Augen, als sie in die Abendsonne blinzelt: „Ich funktioniere unter Druck einfach besser.“ Und dann sei da noch die Triebkraft des Idealismus, sagt sie, der Wunsch, die Gesell-

schaft mitzugestalten. „Wegen der Arbeitsmarktreformen bin ich damals in die SPD eingetreten. Was andere Länder über Jahrzehnte hinweg vorgenommen haben in so kurzer Zeit umzusetzen, führt natürlich zu Problemen.“ Die Reform grundsätzlich begrüßen und dennoch die sozialen Folgen kritisch begleiten – aus solchen Spannungsfeldern schöpft sie Motivation. „Mir ist wichtig, dass die Menschen über genügend Informationen verfügen, die es ihnen erlauben mitzudiskutieren.“ Doch nicht nur Idealismus treibt die gebürtige Jenaerin an. Da ist auch der persönliche Ehrgeiz. Eine wissenschaftliche Karriere als Soziologin hat sie schnell verworfen: „Alleine am Schreibtisch, das ist nicht wirklich meine Sache. Ich brau-

Foto: Dirk Bleicker

Von Nils Hilbert


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che den Kontakt zu Menschen, die unterschiedlichen Themen, die Diskussion.“ Das hat sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni schnell erkannt. Ein paar Monate hat sie dann bei den NaturFreunden gearbeitet. Bis sich die Chance bot, die Referentenstelle im Ministerium anzutreten. Zielstrebig ist auch ihre Parteiarbeit: Bereits drei Jahre nach ihrem Eintritt in die SPD führte sie den JusoLandesverband. Dafür war sie auch bereit, nur wenige Wochenenden im Jahr „frei“ zu haben. Und nun das Engagement im Bundesvorstand. Idealismus in der Sache und persönlicher Erfolg gehen hier Hand in Hand.

überzeugt sie: Sie wird zu einer Multiplikatorin ausgebildet, um dann ihrerseits Parteimitglieder im Landesverband zu trainieren. „Es geht beispielsweise ganz konkret darum, mit Ortsvereinsvorsitzenden daran zu arbeiten, wie man die Sitzungen besser strukturiert, Ergebnisse sichert und kommuniziert oder neue Mitglieder gezielt anspricht“, erläutert Lehmann. Mit Begeisterung berichtet die junge Frau von den praktischen Übungen, die sie in der 15-köpfigen

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Es ist einfach spannend zu sehen, was man alles verbessern kann.

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Diana Lehmann über das SPD-Programm „Train-the-Trainer“

Diesem Elan hat sie es auch zu verdanken, dass sie vom Landesverband auf ein Programm des SPD-Bundesvorstandes aufmerksam gemacht wurde. „Trainthe-Trainer“ – eine Ausbildung, die helfen soll, die Arbeit der vielen Ehrenamtlichen in der SPD professioneller zu machen – ob das nicht etwas für sie wäre? Natürlich nahm Lehmann diese Herausforderung an. Die Idee des 2010 von Parteivorstand und Landesverbänden gemeinsam gestarteten Programms

Beliebtes Fotomotiv in ihrer Wahlheimat: Diana Lehmann mit Erfurter Sandmann

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Bald kann sie selbst Partei­mitglieder trainieren

Gruppe, angeleitet von zwei professionellen Trainern, macht. „Auch wenn alle Teilnehmer Erfahrungen im Moderieren und Durchführen von Veranstaltungen mitbringen: Es ist einfach spannend zu sehen, was man alles verbessern kann, was für Fehler man immer noch macht. Ich freue mich schon darauf, endlich mein erstes Seminar für den Landesverband zu geben.“ Perspektivisch könnte über die Zeit ein richtiges Netzwerk an Trainern in der SPD entstehen. Im September wird sie nach dem letzten Workshop ihr Zertifikat überreicht bekommen. Für sie steht fest: Nach dieser Ausbildung, die weitgehend von der Parteischule im Willy-Brandt-Haus finanziert wird, möchte sie noch privat eine Zusatzprüfung beim Berufsverband für Trainer, Berater und Coaches ablegen. Und ganz gleich, wen sie in ihren künftigen Seminaren vor sich haben wird, ihrer Überzeugung bleibe sie treu: In der SPD muss diskutiert und um Positionen gerungen werden. Das alles ist Zukunft, auf die sie sich freut. Doch jetzt eilt sie davon, endlich ihrem wartenden Freund entgegen. „Schließlich will ich mit ihm noch ein wenig die Stimmung auf dem Erfurter Weinfest genießen.“ n

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Kette gegen Nazis Parteikonvent Der Parteivorstand beruft den nächsten Parteikonvent für

Samstag, 24. November 2012 von 11:00 Uhr bis 17:00 Uhr ein. Dieser findet in Berlin, Willy-Brandt-Haus statt. Der Antragsschluss zum Parteikonvent wird auf Freitag, 12. Oktober 2012 um 24 Uhr festgelegt. Die vorläufige Tagesordnung lautet:

Es war die bisher größte Bewegung gegen Rechtsextremismus in Vorpommern. 2000 Teilnehmer haben am 12. August gegen das „Pressefest“ der NPD in Viereck demonstriert. Neben Bildungsminister Mathias Brodkorb reihte sich u.a. der Vorsitzende der SPDLandtagsfraktion Norbert Nieszery in die 3,5 Kilometer lange Menschenkette ein. Zu der Demonstration aufgerufen hatte das neue Bündnis „Vorpommern: weltoffen, demokratisch und bunt!“. Unterstützt wurde es von zahlreichen Vereinen, Verbänden und Parteien. n KD

Begrüßung und Eröffnung Konstituierung - Wahl des Tagungspräsidiums - Beschluss über die Geschäftsordnung - Beschluss über die Tagesordnung - Wahl der Mandatsprüfungs- und Zählkommission

Antragsberatung Schlusswort

L

eiharbeit, befristete Beschäftigung, Werkverträge: Jenseits sinkender Arbeitslosenzahlen ist auf dem Arbeitsmarkt bei weitem nicht alles eitel Sonnenschein. Gegen diese Entwicklungen stemmt sich die AfA, die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen. Die 1973 gegründete AG ist die älteste innerhalb der SPD. Ohne sie läuft fast nichts. „Wir sorgen dafür, dass die Lebenssituation und Interessen der arbeitenden Menschen, und auch der Arbeitssuchenden, in die Politik der SPD einfließen“, ­erklärt der Vorsitzende Klaus Barthel. Die Leitmotive der AfA sind „gute ­A rbeit“ und „soziale Gerechtigkeit“. Arbeitsbedingungen und Arbeitsumfeld sollen so gestaltet sein, dass sie ein würdiges Leben innerhalb und außerhalb von E ­ rwerbstätigkeit ermöglichen. Die AfA musste in den vergangenen Jahren Rückschläge hinnehmen. Sie sieht sich traditionell als Bindeglied zwischen Partei und Gewerkschaften. Gerade die so genannte Agenda-Politik hatte hier zu einer Entfremdung geführt. Doch Klaus Barthel sieht die Trendwende geschafft: „Unsere Positionen in der Arbeitsmarktpolitik und bei gerechter Besteuerung hat die SPD inzwischen weitestgehend übernommen.“ Abseits eines Links-Rechts-Schemas kämpft die AfA für einen gesetzlich festgelegten, flächendeckenden Mindestlohn, der deutlich über der Grundsiche-

Hessens SPD-Vorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel hat sich klar gegen das achtstufige Gymnasium (G8) ausgespro­c hen und wird dabei vom hessischen Juso-Landesverband ­unterstützt. Schüler sollten ihr Lerntempo selbst bestimmen können, so der Juso-Landesvorsitzende Felix Diehl. ­Die Jusos plädieren deshalb für eine flexible Oberstufe, die in zwei bis vier Jahren durchlaufen werden kann. n AK

arbeitsgemeinschaften in der spd

Seit seiner Jugend ist Sven Heinemann begeisterter VW-Käfer-Fan. Nun hat sich der 33-jährige Berliner einen lang gehegten Wunsch erfüllt: Seit wenigen Wochen nennt er ein VW-Käfer-Cabrio 1302, Baujahr 1972, sein Eigen – natürlich in Knallrot. Doch Heinemanns Jagdhunger ist noch nicht gestillt. Kürzlich entdeckte er ein Foto von Willy und Rut Brandt. Sie chauffiert ihn 1959 im Käfer durch Berlin. „Zum 100. Brandt-Geburtstag im kommenden und seinem 20. Todestag in diesem Jahr möchte ich herausfinden, ob es den Wagen noch gibt“, sagt Heinemann. Entsprechende Anfragen bei Behörden und Firmen hat er bereits gestartet. Zwei Dinge weiß der Käfer-Fan bereits: Die Brandts kauften ihr Auto in Berlin und fuhren damit bis nach Norwegen. n KD

Folge 6

Der Kitt zwischen Partei und Gewerkschaften AfA Für Arbeitnehmerrechte und gute Arbeit rung liegt. Sie packt die SPD bei ihrem Anspruch, die Partei der Arbeitnehmer zu sein. Die Jahre nach 2003 hätten schmerzlich gezeigt, was passiert, wenn dieser Anspruch nicht eingelöst wird, so Barthel.

Das ist auch in der Parteiführung angekommen. SPD-Chef Sigmar Gabriel zumindest ließ die AfA-Mitglieder bei ihrem letzten Bundeskongress wissen: „Es wäre besser gewesen, wenn wir schon früher auf euch gehört hätten.“ n MU

Arbeitsgemeinschaft seit 1973, davor „Beirat für Arbeitnehmerfragen“ Mitglieder alle Arbeitnehmer und Beamten in der SPD (automatische Mitgliedschaft) Bundesvorstand Vorsitz Klaus Barthel Stellvertreter Annegret Hansen Wolfgang Jägers Wolfgang Lorenz Udo Lutz Kontakt afa.spd.de

Setzt sich für Arbeitnehmerrechte ein: AfA-Chef Klaus Barthel, hier bei seiner Wahl am 21. April

Fotos: Kai Doering, henning Kaiser/dpa Picture alliance

Rede des Parteivorsitzenden

Für Flexibles Lernen

Willys Käfer gesucht


Pro & Contra 23

09/2012 vorwärts

Ein kleiner Schnitt Beschneidung: Dürfen Eltern für ihre Kinder entscheiden, dass diese aus religiösen Gründen beschnitten werden? Nein, das ist Körperverletzung, entschied das Kölner Landgericht im Juli. Danach ist eine Debatte pro und contra Beschneidung entbrannt – auch in der SPD.

»

Ein Verbot dieser zentralen Tradition des Judentums wäre für ein demokratisches Land weltweit einmalig und grundgesetzwidrig.

S

eit Wochen tobt eine Debatte über jüdische Persönlichkeitsrechte in Deutschland. Juden werden auf­ gefordert, die jahrtausendealte Praxis der Beschneidung von Jungen im Judentum zu erklären und gegen den Vorwurf der Gewalt und der Kindesmisshandlung zu verteidigen. Solche verletzenden Angrif­ fe auf das Judentum, das unser Arbeits­ kreis innerhalb der SPD vertritt, machen sehr betroffen. Dennoch: Das Judentum wird das Gebot der Beschneidung am 8. Tag nicht fallen lassen. Die Beschnei­ dung ist ein fundamentaler Grundzug jüdischer Lebenspraxis. Ein Verbot dieser zentralen Tradi­ tion des Judentums (und des Islams) wäre für ein demokratisches Land welt­ weit einmalig und nebenbei auch noch grundgesetzwidrig. Aufgrund der deut­ schen Geschichte haben die Autoren

«

des Grundgesetzes die Religionsfreiheit besonders geschützt. Es ist bedauerlich, dass an diesen Schutz erinnert werden muss und dass man ihn ausgerechnet in Deutschland für das Judentum ein­ fordern muss. In vielen westlichen Ländern (z.B. den USA) ist die Beschneidung auch bei christlichen Jungen oder in säkularen Familien üblich. Hunderte Millionen von Männern wurden ohne Probleme beschnitten. Das zeigt, dass es hier nicht um angebliche medizinische Nachtei­ le geht. Vielmehr geht es um die Frage, wie eine Gesellschaft mit religiösen Tradi­tionen umgeht, deren Bedeutung für Außenstehende nur schwer nachzu vollziehen ist. Hier zeigt sich die Bedeutung des Dialoges. Der Versuch der Kriminalisie­ rung der Beschneidung hat aber diesem

Dialog nachhaltig geschadet. Jüdische und muslimische Eltern fühlen sich vom Vorwurf, sie täten ihren Kindern etwas Übles an, verletzt. Diese Verlet­ zung gilt es zu heilen, und dafür braucht es ein klares Zeichen der Politik. Zwar mutet es eigenartig an, dass ausgerechnet in Deutschland eine reli­ giöse Praxis gesetzlich geregelt wird, die im Rest der demokratischen Welt prob­ lemlos akzeptiert ist. Aber dies ist auch eine Folge einer Debatte, die schon jetzt einen großen Schaden im Verhältnis zwischen Mehrheitsgesellschaft und jüdischer und muslimischer Minderheit angerichtet hat. Daher ist unabdingbar, dass alsbald ein Gesetz verabschiedet wird, das ausdrücklich die Beschnei­ dung als religiöse Praxis schützt und das die Zustimmung aller SPD-Abgeord­ neten erhält. n

Pro Ilia Choukhlov ist Sprecher des Arbeitskreises Jüdischer Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten

»

Kinderfeindliche religiöse Riten dürfen nicht höher gewertet werden als das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit.

Fotos: privat

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ach Artikel 2 unseres Grundge­ setzes hat jeder das Recht auf Leben und körperliche Unver­ sehrtheit. Zudem ist die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert, soweit sie nicht die Rechte anderer verletzt. Erst zu Beginn dieses Jahres wurde der Kinder­ schutz verschärft, vor allem, um Klein­ kinder besser vor Verwahrlosung, Ge­ walt und Missbrauch zu schützen. Doch nun soll nach dem Willen vie­ ler Bundespolitiker dieser Kinderschutz nicht mehr gelten, wenn es um religiöse Riten geht. Eine religiös begründete und medizinisch obendrein risikohafte Be­ schneidung eines unmündigen Kindes verletzt eindeutig sein Recht auf körper­ liche Unversehrtheit. Und unzweifelhaft ist es ein schmerzhafter und irreversib­ ler Eingriff und eine Missachtung seiner eigenen Religionsfreiheit. Das Recht der

«

Eltern auf religiöse Erziehung der Kinder dagegen gilt nur innerhalb der geltenden Gesetze. Kinderfeindliche religiöse Riten und das Elternrecht dürfen nicht höher gewertet werden als das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit. So wie wir, die Laizisten in der SPD, sehen das offenbar auch die Richter ­ am Kölner Landgericht, Kinderärzte, Kinderchirurgen, Kinderschutzorganisa­ tionen, der Bund der Kriminalbeamten und zahllose Rechtswissenschaftler. Auch die Mehrheit der Bevölkerung ­sowie viele Juden und Muslime lehnen diesen überkommenen Brauch ab. In den USA und in Israel gibt es jüdische Organisatio­ nen, die sich gegen die Beschneidung ent­ scheiden. Diese berufen sich auch auf die Bibel, in der bei Levitikus 19,28 steht: „Für einen Toten dürft ihr keine Einschnitte auf eurem Körper anbringen.“ Symboli­

sche Beschneidungen, wie schon in eini­ gen jüdischen Gemeinden in Großbritan­ nien üblich, wären eine Lösung. Jude ist schließlich der, dessen Mutter J­üdin ist, und man wird es nicht durch den „Bun­ desschnitt“. Im Islam könnte man ebenso problemlos auf die Religionsmündigkeit der jungen Männer warten. Die Legalisierung der religiös mo­ tivierten Beschneidung von Jungen könnte zudem zur Folge haben, dass andere religiöse Riten, wie z.B. Mäd­ chenbeschneidung, Prügelstrafe oder die Zwangsverheiratung auch (wieder) erlaubt werden müssten. Es gehört zum Kern unserer Rechtskultur, dass die Grundrechte und unser Grundgesetz höher stehen als Traditionen und Ri­ tuale, wenn diese mit den Grundrechten in Konflikt kommen. Das muss auch so ­bleiben. n

Contra Ellen Kühl-Murges ist Mitglied des Sprecherinnenkreises der Laizisten in der SPD.


24  Meinung

vorwärts 09/2012

Zwischenruf

Leserbriefe Die Macht der Lobbyisten

Nehmt uns ernst! Dilan T. Ceylan Die SPD versteht sich als Partei der ­Migranten. Doch denen schadet es am meisten, wenn Integrations­probleme schöngeredet werden

D

unkle Augen, pechschwarzes Haar und ein verschmitztes Grinsen: Das ist Hasan. Mit seiner 8. Klasse erkundigt er sich im Berufsinformationszentrum nach Ausbildungsberufen. Ich bin seine Berufsberaterin. Hasan ist der Wortführer der Klasse. Die Kids hängen an seinen Lippen. Hasan flucht auf Türkisch über die hiesige Mehrheitsgesellschaft und boxt mit der Faust auf den Tisch. Reflexartig ziehe ich am rechten Ohr des Jungen und flüstere ihm in der Muttersprache seiner Eltern etwas zu. Er nickt kurz und verstummt. Offensichtlich habe ich instinktiv die richtige Ansprache gewählt. Nur: Was ist die richtige Ansprache für Menschen mit Migrationsgeschichte? Im SPD-Parteiprogramm heißt es: „Einwanderung verlangt Integration. Sie ist eine gemeinsame Anstrengung. Dazu müssen beide Seiten bereit sein. Einwanderer müssen sich integrieren.“ Richtig. Aber das muss von der SPD auch eingefordert werden! Das geht nicht, wenn man Migranten wie hilfsbedürftige Kinder behandelt, denen man alles hinterherträgt und nachsichtig über den Kopf streicht – auch wenn sie keine Anstrengung zur Integration unternehmen. Das ist falsch. Und wenig respektvoll. Natürlich brauchen Zuwanderer Hilfe bei der Integration. Aber zuerst brauchen sie den Willen dazu. Das ist ihre Bringschuld, nicht die Deutschlands. Die meisten Menschen mit Zuwanderungsgeschichte sehen das im Übrigen genau so. Nur die SPD traut sich nicht, das klar auszusprechen. Das ist ein Fehler. Denn Schweigen und Nachsicht wird von jungen ­Migranten aus meinem türkisch-arabischen Kulturkreis, die in patriarchalischen Strukturen aufwachsen, oft als Schwäche missverstanden. Die SPD

neigt jedoch dazu, Integrationsprobleme zu verschweigen oder schönzu­ reden. Aus einem falsch verstandenen Schutzbedürfnis uns gegenüber. Nur hilft sie damit Zuwanderern nicht bei der Integration. Im Gegenteil. Das Schweigen der Partei könnte aber auch taktisch motiviert sein. Denn Menschen mit Migrationsgeschichte sind eine wachsende Wählerschicht. Mit der will man es sich nicht verderben. Was die SPD dabei übersieht: Niemand sieht die Fehlentwicklungen klarer als die Migranten selbst. Niemand leidet mehr unter ihnen als sie. Je offener die SPD daher die Integrationsprobleme anspricht, umso glaubwürdiger wird sie bei der Mehrheit der Zuwanderer. Und umso wählbarer. Respekt vor Älteren ist für Jugendliche aus dem arabischen und türkischen Kulturkreis noch immer selbstverständlich. Den habe ich bei Hasan eingefordert. Diesen stolzen Jungen habe ich an seiner Ehre gepackt. Ich habe mir herausgenommen, Hasan die Frage zu stellen: „Wenn ‚Dein’ Land so viel besser ist, was suchst Du dann in der Fremde?“. Eine klare Ansprache. Selbst Hasan hat sie verstanden. Er ist nicht einmal 16 Jahre alt. n

Dilan T. Ceylan war bis vor kurzem stellvertretende Vorsitzende des SPDUnterbezirks Krefeld und arbeitet im gehobenen Verwaltungsdienst. Sie wurde in Deutschland geboren. Ihr Vater ist Türke, die Mutter Syrerin.

Zwei Paare, die ­G eschichte schreiben Christopher Schmidt In keinem Land Asiens dürfen gleichgeschlechtliche Paare heiraten. In Taiwan jedoch gibt es eine starke Bewegung, die sich für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzt und eine Gesellschaft, die in dieser Frage offener geworden ist. Seit mehreren Jahren sorgt Taiwan mit einer der größten CSD-Paraden Asiens für Aufsehen. 2010 waren es 30 000 und 2011 schon 50 000 Menschen, die daran teilnahmen. Jetzt könnte Taiwan eine Vorreiterrolle übernehmen. Fish Huang und You Ya-ting werden sich Mitte August bei der ersten lesbischen Trauung nach buddhistischem Ritus das Jawort geben. Zur gleichen Zeit läuft die Klage von Kao Chih-wei und Nelson Chen vor dem Verwaltungsgericht in Taipei auf Anerkennung einer Ehe. vorwärts.de/blogs

Viele, viele bunte ­Smarties Christian Janssen Der Begriff „Smart TV“ für die Verbindung des Fernsehens mit Informationen der weltweiten Datennetze ist längst in aller Munde. Im Schaufenster für die „Technologien von Morgen“ namens „IFA TecWatch“ wird einer der Höhepunkte der diesjährigen Funkausstellung stehen, und zwar das sogenannte E-Haus („Smart Home“), das Modell einer komplett vernetzten Wohnumgebung. Man darf gespannt sein, wie sich die Forscher und Entwickler der Elektronik- und Unterhaltungsindustrie das Leben in der Zukunft vorstellen. vorwärts.de/blogs

07-08/2012

Es ist erfreulich, dass sich der „vorwärts“ des Themas Lobbyismus annimmt. Leider ... ist zu kritisieren, wenn das Finanzministerium unter Hans Eichel einer Juristin des Bundesverbandes Investment und Asset Management ein Büro im Ministerium zur Formulierung des Hedge-Fonds-Gesetzes stellt, mit der Folge, dass dem Staat Millionen an Steuern entgangen sind.

Peter Boettel, Göppingen

Wie wäre es, wenn sich alle sozialdemokratischen Mandatsträger ... verpflichten würden, öffentlich nicht nur ihren Beruf anzugeben, sondern sämtliche Nebentätigkeiten und alle Mitgliedschaften. ... Das könnte u.a. helfen, den Eindruck von Scheinheiligkeit unserer Aktion „Licht an! Fenster auf!“ zu vermeiden.

Walter Stach, Waltrop

Seit vielen Jahren habe ich den Eindruck, dass die SPD sehr stark von Beamten, ... Rentnern und Studierenden geprägt ist. Vertreter aus der Industrie werden selten Gemeinderäte, Landtagskandidaten etc. Was mir als Mangel erschien, sollte man nach der Lektüre des aktuellen Heftes wohl als Segen ansehen: Immer mehr Mitglieder sind von der Besudelung durch schnöde Industrieinteressen entfernt.

Ulrich Stark, Asperg

Die SPD eine Lobby-Organisation für Arbeiter? Dass ich nicht lache. Wieviel Prozent Arbeiter bzw. normale Bürger sind denn in maßgeblichen Partei- und Politikfunktionen? Wieviel Prozent der Mitglieder sind Arbeiter bzw. normale Bürger? ... Wer genügend normale Bürger unter seinen Mitgliedern hat, muss in keinen Dialog mit den Bürgern treten. Karl-Heinz Thier, Hamburg Literatur zum Thema „Marktordnung für Lobbyisten – Wie Politik den Lobbyeinfluss regulieren kann“, Ein Vorschlag der Otto-BrennerStiftung, OBS-Arbeitsheft 70, Frankfurt/Main 2011, www.lobby-studie.de

Keine Selbstjustiz im Namen Allahs 07-08/2012

Mitreden & bloggen: vorwärts.de/Politik/Zwischenruf

Der Staat muss natürlich mit allen Mitteln eines Rechtsstaates die ­„Paralleljustiz“ bekämpfen. ... Aber ­dieses Thema, so polemisch aufgerollt

Vignette: Jens Bonnke; Foto: privat

Gut ­gebloGgt


Meinung 25

09/2012 vorwärts

Karikatur: Burkhard Mohr Foto: Jakob Hoffmann

Besonderes Präsent

und so stark verallgemeinernd darzustellen, führt zur wachsenden Kluft zwischen Nachbarn, die eigentlich zusammengehören. Aziz Bozkurt, Berlin Mit diesem Artikel stimme ich vollkommen überein. Aufgrund der ­Vorschriften des Einführungsgesetzes zum BGB darf internationales Recht (nur) dann angewendet werden, wenn es nicht gegen elementare Grundgedanken unserer Rechtsordnung

verstößt, ... wie zum Beispiel den Gleichheitsgrundsatz Art. 3 GG.

Klaus Schikorski, Friedrichsthal

Als Josip Juratovic in seinem Wahlkreis Heilbronn zum Gartenfest lud, erhielt der SPD-Bundestagsabgeordnete ein ganz besonderes Mitbringsel zur Mitgliederwerbung: ein selbst gestaltetes Schaukelpferd. „Es ist nie zu früh und selten zu spät, Sozialdemokrat zu werden!“, so die Botschaft des Präsents vom Genossen Jakob Hoffmann. n

Die SPD braucht keinen zweiten ­Sarrazin! Ich bin SPD-Mitglied und finde nicht gut, dass die SPD solche „Zwischenrufe“ veröffentlicht.

Konto für Bedürftige 07-08/2012

Auch wenn die Platzhirsche solche ­Konten ablehnen, gibt es durchaus Banken, die solche Konten anbieten. Warum werden diese denn nicht ­explizit erwähnt? Das wäre doch die beste Hilfe!

Uta Fritzsche, Mönchengladbach

Reiner Stricks, per E-Mail

Die meisten Menschen ohne Girokonto gehören bildungsfernen Schichten an. ... Der Umgang mit Geld muss erlernt werden.

Die Selbstjustiz (Ehrenmord) wird wohl auch künftig bleiben, selbst wenn der Nachwuchs in Deutschland geboren ist und aufwächst. Er ist tief verwurzelt und nicht auf Knopfdruck abstellbar. Meine türkischen Freunde haben mir das ausführlich erklärt.

Enver Sopjani, Hannover

Gisela Riesebeck, per E-Mail

Richtigstellung Der Leserbrief zur Bildungspolitik auf Seite 23 (Ausgabe 07-08/2012) stammt nicht von Gerhild Kreutziger. Er kam von Frank-Rainer Schöps aus Görlitz. Wir bitten die Namensverwechslung zu entschuldigen. Red. ANZEIGEN

Die SPD-Landesorganisation Hamburg sucht zum nächstmöglichen Termin eine/einen

Reißen sie uns tatsächlich in den Abgrund?

LANDESGESCHÄFTSFÜHRERIN/LANDESGESCHÄFTSFÜHRER Die Landesgeschäftsführerin/der Landesgeschäftsführer ist verantwortlich für die wirtschaftliche und organisatorische Führung der SPD-Landesorganisation Hamburg. Dazu gehört die Verantwortung für die hauptamtlich Beschäftigten in der Landesgeschäftsstelle und den sieben SPD-Unterbezirken in Hamburg. Zu ihren Aufgaben gehören außerdem: Koordinierung der politischen und organisatorischen Kampagnen der SPD Hamburg Beratung und Betreuung aller Gliederungen und Arbeitsgemeinschaften sowie Arbeitskreise in Finanz- u. Organisationsfragen Vertretung der Partei gegenüber Öffentlichkeit und Medien Sie verfügen über: Einen Hochschulabschluss oder eine vergleichbare abgeschlossene Berufsausbildung und einschlägige berufliche Erfahrungen Erfahrungen in der Kampagnenplanung sowie im Projektmanagement, Durchführung von Wahlkämpfen und politischen Veranstaltungen mit entsprechender Etatbewirtschaftung Kenntnisse und Erfahrungen in Presse- und Öffentlichkeitsarbeit umfangreiche EDV-Kenntnisse und Umgang mit den neuen Medien Mitgliedschaft in der SPD Führerschein Klasse B/3 Bereitschaft zur kontinuierlichen Weiterbildung Es wird ein kooperativer Führungsstil erwartet und die Fähigkeit zur Motivation der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter. Sie sind kreativ, kommunikativ, durchsetzungsfähig, flexibel und belastbar. Es erfolgt eine angemessene Vergütung nach dem Haustarifvertag der SPD mit überdurchschnittlichen Sozialleistungen. Ihre aussagefähigen Bewerbungsunterlagen senden Sie bitte bis 30. September 2012 an: SPD-LANDESORGANISATION HAMBURG LANDESGESCHÄFTSFÜHRERIN KARIN TIMMERMANN KURT-SCHUMACHER-ALLEE 10, 20097 HAMBURG TELEFON: (040) 280 848 20

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26  Wirtschaft

Abgezockt! Finanzmarkt Sie erpressen Staaten und diktieren die Politik, sie betrügen und zocken ihre Kunden ab: gewissenlose Banken. Die SPD will das stoppen Von Sigmar Gabriel

1. Banken erpressen die Staaten. Risiko und Haftung liegen bei vielen Bankgeschäften nicht mehr in einer Hand. Die Folge: Gewinne werden privatisiert – Verluste bezahlen alle mit ihren Steuern. Deshalb brauchen wir ein neues europäisches Bankenrecht, das garantiert, dass Banken Pleite gehen können, ohne gleich ganze Volkswirtschaften mit in den Abgrund zu ziehen.

2. Banken diktieren die Politik. Banken betreiben schon wieder hochriskante Geschäfte, als hätte es die Finanzkrise 2008 nie gegeben. Und wenn die Geschäfte schiefgehen, „bestellen“ sie bei der Politik „Rettungspakete“, die immer größer werden müssen. Das darf so nicht weiter gehen. Die Banken müssen wieder zu ihrem „Kerngeschäft“ zurückkehren und Unternehmen verlässlich mit Krediten versorgen. Banken dürfen nicht länger Casino für verantwortungslose Zocker sein.

3. Einige Banken leisten Beihilfe zur Steuerkriminalität. Manche Banken im Ausland leisten nicht nur Beihilfe zu Steuerhinterziehung, sie sind oft auch Teil eines Netzwerks, das nicht vor kriminellen Aktivitäten zurückschreckt. Schwere und bandenmäßig organisierte Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ist organisierte Kriminalität, die mit allen rechtsstaatlichen Mitteln, aber auch mit internationalem Druck bekämpft, verfolgt und unterbunden werden muss.

4. Banken zahlen unanständige Gehälter. Einige Manager – auch die von PleiteBanken – genehmigen sich Gehälter und Boni, die in keinem Verhältnis mehr zu anderen Einkommen in Deutschland und zu ihrer eigenen Leistung stehen. Schlimmer noch: Häufig werden Rücksichtslosigkeit, Lüge, Frechheit und Betrug sogar noch mit besonders hohen Boni belohnt. Deshalb müssen bei Managerbezügen Obergrenzen eingezogen werden. Und: Manager müssen auch mit ihrem Privatvermögen haften, wenn sie schuldhaft Vermögen verzockt haben.

Geschäfte zum Wohle der Kunden oder zum Wohle der Bank? Im 150 Meter langen Händlersaal einer Bank in Frankfurt am Main kaufen und verkaufen bis zu 450 Mitarbeiter Wertpapiere.

5. Banken spekulieren riskant mit dem Geld ihrer Sparer.

7. Banken verweigern ein »Girokonto für alle«.

Diejenigen, die ihr Geld auf die „hohe Kante legen“, müssen darauf vertrauen können, dass mit ihren Spareinlagen sorgfältig umgegangen wird. Deshalb müssen normale Sparkassen und Banken strikt von Investment- (Zocker-) Banken getrennt werden. Bankkunden müssen wirksam vor Geschäften mit „Schrottpapieren“ geschützt werden.

Bis zu 670 000 Menschen haben in Deutschland kein Girokonto – obwohl die Banken versprochen haben, ein „Giro-Konto für alle“ anzubieten. Jetzt muss der Gesetzgeber ran, damit die Banken diese Selbstverpflichtung endlich umsetzen.

6. Banken zocken ihre Kunden ab. Banken können sich für weniger als ein Prozent Zinsen Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen. Dagegen liegen die Zinsen auf einem normalen Dispo-Kredit in Deutschland im Durchschnitt über zehn Prozent. Wir müssen die Banken notfalls gesetzlich dazu zwingen, diese „Zins-Schere“ im Interesse ihrer Kunden zu schließen.

8. Banken manipulieren. Großbanken in London haben über Jahre den wichtigsten internationalen Leitzins mit krimineller Energie manipuliert, Berater arglosen Kunden Schrottpapiere aufgeschwatzt. Das zeigt: Viele Banken haben sich längst weit vom Ethos des „ehrbaren Kaufmanns“ entfernt. Deshalb brauchen sie neue Regeln, die Gier und Verantwortungslosigkeit ächten. Kriminelle Handlungen müssen konsequent bestraft werden. n

Einen Nerv getroffen »Unbegreiflich ist für normale Menschen, dass es in Banken keine Kontrollund Sicherheitssysteme gibt, die verhindern, dass junge Investmentbanker Milliarden verzocken können. ... Deshalb hat Gabriel, so falsch er in einzelnen Punkten liegen mag, Recht mit der Forderung, diese Themen im Wahlkampf zur Sprache zu bringen. ... Die Akzeptanz der Marktwirtschaft hängt davon ab, dass es in ihr nach Recht und Gesetz zugeht. Dazu gehört auch, dass Risiken, die mit der Freiheit einhergehen, nicht nur kleine Leute tragen müssen, sondern alle gleichermaßen.« Frankfurter Allgemeine Zeitung »SPD-Chef Gabriel schimpft auf die Banken. ... In der Sache hat er Recht – auch wenn seine Partei zu Regierungszeiten ganz anders sprach und handelte. ... Kein Land kann sich Banken leisten, die so groß, so mächtig und so eng miteinander verflochten sind, dass ein Konkurs die gesamte Volkswirtschaft in den Abgrund reißen würde. Das Konkursrisiko ist aber das wichtigste Instrument, das es in der Marktwirtschaft gibt, um Leichtsinn und Unfähigkeit zu bestrafen. Systemrelevante Banken sind ein Systemfehler.« Frankfurter Rundschau »Gut gebrüllt, Löwe. Auf wuchtige Links-Rhetorik versteht sich Sigmar Gabriel, der eigentlich viel mehr auf dem Kasten hat, eben doch noch immer am besten. Sein verbaler Rundumschlag gegen die Banken, den er mit wahlkampftauglichen Stark-Vokabeln wie Abzocke, Manipulation und Erpressung würzt, trifft Volkes Stimmung und zielt im Kern tatsächlich auf Missstände und Fehlentwicklungen, die dringend der Korrektur bedürfen. « Westfälische Nachrichten »Es ist nicht überall so, aber tatsächlich immer öfter, wie Gabriel es anprangert: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.« Rheinische Post

Foto: Thomas Pflaum / VISUM

V

erantwortungslose Banker und Finanzjongleure haben Europa mit in eine tiefgreifende Wirtschafts- und Vertrauenskrise gestürzt. Fehlende Regeln und zu große Freiheiten des internationalen Finanzsystems haben die finanzpolitischen Turbulenzen ermöglicht und begünstigt. Deshalb ist es jetzt an der Zeit, ein dringend notwendiges Stopp-Zeichen zu setzen: Die Finanzmärkte und Banken dürfen nicht länger zum Spielcasino für wenige verkommen, sondern müssen wieder den Menschen und der Wirtschaft dienen.

vorwärts 09/2012


Wirtschaft 27

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Firmenporträt Emschergenossenschaft/ Lippeverband

Gut Gemacht

Markant: Die Faulbehälter der Kläranlage gehören zu den Wahrzeichen des Ruhrgebiets.

Clever genutzt

Firmensitz Essen

Energie Die Emschergenossenschaft erzeugt in Bottrop aus Klärschlamm Erdgas und Wasserstoff

Gegründet 1899

Von Marisa Strobel

Beschäftigte ca. 1500

D Fotos: Emschergenossenschaft

Geschäftsfeld Wasserwirtschaft

ie Schüler am Schulzentrum Welheimer Mark in Bottrop sind Teil eines einzigartigen Energieprojekts. Denn ihre Schule und die angrenzende Schwimmhalle erhalten Strom und Wärme von einer nur wenige hundert Meter entfernten Kläran­ lage. Aus Faulgas stellt der Betreiber Emschergenossenschaft hier mithilfe eines ausgeklügelten Systems eine Art hochwertiges Erdgas und Wasserstoff her. Ein spezieller Motor an der Schule wandelt den Wasserstoff wiederum in Energie um. Und das sauber und emissionsfrei. Dass Abwasserreinigung nicht nur viel Strom verbraucht, sondern sich dabei auch Strom erzeugen lässt, ist bereits bekannt. Seit Jahren gehen des-

halb immer mehr Kläranlagenbetreiber dazu über, die Faulgase aus der Klärschlammbehandlung für die Stromund Wärmeerzeugung zu nutzen. Mithilfe eines Blockheizkraftwerks kann meist ein großer Teil des Strom- und Wärmebedarfs durch die Anlage selbst gedeckt werden. Dadurch sinken nicht nur die Betriebskosten, auch natürliche Ressourcen wie Kohle und Erdöl werden geschont. Doch der Emschergenossenschaft reichte das nicht. In dem Pilotprojekt „EuWaK – Erdgas und Wasserstoff aus Kläranlagen“ haben Ingenieure in der Bottroper Anlage einen Prozess entwickelt, der die Wasserstoffgewinnung aus Klärschlamm ermöglicht. Ein Gas

also, das als umweltschonender Energieträger gilt, sofern er nicht aus fossilen Ressourcen hergestellt wird. „Wir wollen aus unserem Klärwerk ein Kraftwerk machen“, erläutert Pressesprecher Ilias Abawi das Projekt. Neben der Energiegewinnung aus dem Klärgas der Faulbehälter wird dieses deshalb auch zu Gas in Erdgasqualität aufbereitet und dann zu Wasserstoff gewandelt. „Die Technologien zur Umwandlung sind bekannte Prozesse“, erläutert der Betriebsingenieur Holger Roggenbuck das Konzept. Neu dagegen sei die Kombination der Schritte. „Dadurch können wir nun emissionsfreien Wasserstoff herstellen“, so Roggenbuck.

Sauber tanken an der Kläranlage

In der Kläranlage Bottrop wird der Klärschlamm von mehr als 4 Millionen Menschen behandelt.

Weitere Porträts der Serie: vorwärts.de/gutgemacht

Noch tüfteln die Ingenieure daran, den produzierten Wasserstoff auch dauerhaft zu speichern. Brennstoffzellen sind empfindlich und benötigen einen konstant hochreinen Wasserstoff. Wenn dieser Schritt geschafft ist, könnten künftig auch Wasserstofftankstellen mit dem Produkt der Kläranlage beliefert werden. Solange aber bleibt die Schule, zu der eigens eine Leitung gelegt wurde, der einzige externe Nutznießer der Wasserstoffherstellung. Das Gas in Erdgasqualität dagegen eignet sich schon heute zum Betanken spezieller Fahrzeuge. Die Emschergenossenschaft hat dazu eine Tankstelle auf dem Gelände der Kläranlage errichtet. 18 firmeneigene Erdgasautos tanken hier. „Die Resonanz der Mitarbeiter, die unsere Erdgasautos fahren, ist sehr positiv“, berichtet Abawi. „Die finden es toll, dass sie ein Produkt ihrer Kläranlage tanken.“ n ANZEIGE

Die Energie der Zukunft entsteht hier. EnBW Baltic 1 ist der erste kommerzielle Offshore-Windpark Deutschlands. Echte Pionierleistungen entstehen oft fern der Heimat. Erneuerbare Energien aus BadenWürttemberg – jetzt auch in der Ostsee. Damit regenerativer Strom nicht nur in aller Munde, sondern auch verfügbar ist. Wir arbeiten für neue Lösungen: www.enbw.com

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28  Wirtschaft

vorwärts 09/2012

meine Arbeit

B

estatterin wollte ich schon mit 14 Jahren werden. Als meine Tante unerwartet starb, hat meine Familie über das Unternehmen bestatten lassen, in dem ich heute arbeite. Neben meiner Trauer war ich schon damals als Teenager fasziniert von dem Drumherum, heute würde ich sagen von der Logistik, die hinter Beerdigungen steckt. Das hat sich bis heute nicht geändert. Nach dem Fachabitur habe ich mich aber nicht getraut, mich zu bewerben. Ich dachte, als Frau habe ich keine Chance. Meine Mutter hat mich zum Glück ermutigt. Nach zwei Wochen Probearbeiten konnte ich den Lehrvertrag unterschreiben und vorigen Sommer wurde ich übernommen. Meine Chefs haben mich dann ein halbes Jahr auf Tour geschickt, befreundete Unternehmen besuchen: ken-

Bestattungsfachkraft Sabrina Weis 23 Jahre, lebt in Bergisch Gladbach Ausbildung

3 Jahre zur Gesellin

Status

angestellt

Gehalt

1900 Euro brutto/Monat zzgl. Zulagen

Arbeitszeit

40 Wochenstunden, plus Bereitschaftsdienst

nenlernen, wie woanders gearbeitet wird. Zuletzt habe ich sogar auf einer Hospiz-Palliativ-Station mitgearbeitet. Eine wertvolle Erfahrung: zu erleben, wenn sich jemand vom Leben verabschiedet.

Mein Arbeitstag beginnt morgens um halb acht. Wenn ich Särge fürs Krematorium fertig machen muss, ziehe ich erst Werkstattkleidung an. Dann hole ich den Sarg, der Verstorbe-

Heikle Debatte ums Gas Erdgas Soll Fracking probeweise erlaubt werden? Experten bewerten die Gefahren unterschiedlich Von Maicke Mackerodt

W

ie gefährlich ist die in Deutschland nicht zugelassene Erdgasgewinnung mithilfe der umstrittenen FrackingMethode? Hierbei werden Flüssigkeiten tief in die Erde gepresst, um dort Gas zu gewinnen. Als im Oktober 2010 Deutschlands größter Gasförderer Exxon mobil in Nordrhein-Westfalen mit Probebohrungen begann, regte sich erster Widerstand bei den Bürgern. Die Landesregierung NRW verhängte 2010 ein Moratorium über diese Methode und gab eine eigene, unabhängige Risiko-Studie in Auftrag, die demnächst veröffentlicht wird. Mit der Sicherheits- und Umweltverträglichkeits-Frage hat sich auch ein so genannter „Neutraler Expertenkreis“ im Auftrag des Energiekonzerns Exxon Mobil befasst. Dass sich das beträchtliche Budget für Deutschlands größten Gasförderer lohnt, daran ist auch der hohe Ölpreis schuld. Der US-Konzern weiß, dass vor allem Bundesländer im Norden und Osten über Erdgasressourcen verfügen. Allerdings gibt es dort kein konventionelles Erdgas, das in Blasen lagert, sondern Schiefergas oder „unkonventionelles Gas“, das schwer

zugänglich tief unter der Erdoberfläche steckt. Mit der Technik „Hydraulic Fracturing“, kurz „Fracking“, werden unter Hochdruck große Mengen Wasser, Chemikalien und Sand hunderte von Metern tief durch ein Bohrloch gepresst. Bricht das Gestein auf, wird Gas in den Poren frei. Das klingt brachial, ist es offenbar auch. Was passiert mit dem Abwasser, das mit krebserregenden oder radioaktiven Stoffen belastet ist? Weil die eingesetzten Chemikalien in den Untergrund gelangen, sind Folgen vor allem für die Trinkwasserversorgung nicht absehbar. Auch eine Ökotoxikologin der ExxonMobil-Studie kritisierte eine „fundamentale Lücke“ bei der Identifizierung von Chemikalien. „Wir haben einige Kröten zu schlucken, werden unsere Hausaufgaben machen“, verspricht Exxon-MobilDeutschlandchef Gernot Kalkoffen. Mit der eigenen Studie wollte Exxon Mobil Akzeptanz schaffen. 38 Wissenschaftler hatten sich 2011 ein Jahr lang im „offenen Dialog“ mit betroffenen Bürgern, Behörden und Kommunen mit der Fracking-Methode beschäftigt. Fazit der Geologen, Chemiker, Toxikologen,

Protest in Nordwalde in NRW: Bürger fürchten sich vor Probebohrungen nach tief gelagertem Gas.

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ne wird ausgekleidet, gewaschen und hergerichtet. Das macht mir nichts aus. Wenn eine Trauerfeier ist, trage ich einen schwarzen Anzug, bereite die Dekoration vor, mache Parkplatzdienst, begrüße die Trauergäste, begleite das Kerzen-Abschiedsritual, bei dem jeder Angehörige eine Kerze in der Hand hat. Ich bin Mädchen für alles, koordiniere das Ganze, damit sich die Angehörigen keine Gedanken machen brauchen. Wenn Verstorbene abgeholt werden müssen, fahren wir immer zu zweit. Der Leichnam wird in einem weißen Leinentuch getragen und in die Kühlräume verbracht. Später folgen die Beratungsgespräche, suchen die Angehörigen Sarg oder Urne aus. Nebenher erledige ich Botengänge: Trauerdrucksachen zu den Angehörigen bringen. Den Überführungswagen säubern. Oder an den Särgen Griffe montieren. Regulär verlasse ich um 18 Uhr das Haus. Alle vier Wochen habe ich rund um die Uhr Bereitschaftsdienst. Auf Partys erzähle ich nie, was ich mache, sonst muss ich den ganzen Abend darüber reden. Ich sage, ich bin Brokerin. n Aufgezeichnet von Maicke Mackerodt vorwärts.de/Wirtschaft/Meine_Arbeit

Juristen und Gewässerforscher, die nach eigenen Angaben nie zuvor für diese Industrie gearbeitet hatten: Sie halten die Technik – mit entsprechenden Auflagen – „für kontrollierbar“. Es gibt aber auch Kritik an der von Exxon beauftragten Expertenrunde: „Das war kein Dialog mit offenem Ergebnis“, so Verbraucherschützer Jörn Krüger. „Es stand von Anfang an fest, Fracking wird auf jeden Fall durchgeführt. Probebohrungen werden stattfinden. Wäre der Dialog wirklich offen, hätte sich Exxon mobil an der unabhängigen NRW-RisikoStudie beteiligt.“ Die von Exxon Mobil beauftragten Experten plädieren für zwei Pilotprojekte, in denen das Erdgas unter Beteiligung der Öffentlichkeit und kontrolliert von Experten probeweise gefördert werden soll. Niedersachsen und NRW haben sich allerdings gegen solche Pilotprojekte ausgesprochen. Reaktionen anderer Bundesländer stehen bislang noch aus. Die SPD wäre sofort bereit, ein ­bundesweites mehrjähriges Moratorium im Deutschen Bundestag zu beschließen. Union und FDP lehnen bisher im Bundestag strengere Umweltauflagen für die umstrittene Gasbohrung ab. Auf Bundesebene sollen die Weichen für ein neues Bundesbergrecht gestellt werden. Dadurch sollen die Öffentlichkeitsbeteiligung und eine Umweltverträglichkeitsprüfung vor ­jeder FrackingMaßnahme verpflichtend werden. n

Fotos: Maicke Mackerodt, ddp images/dapd

Ich helfe Trauernden »Ein Bürojob kam für mich nie infrage. Ich bin eine Macherin. «


Wirtschaft 29

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Wenn Technik Gedanken lesen kann Forschung »Die Technik dem Menschen anpassen, nicht umgekehrt.« Das ist das neue Credo der Elektronikbranche Von Markus Münch-Pauli

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as Auto der Zukunft reagiert auf Zuruf: Während der Fahrt wandert der Blick zu einem Gebäude am Straßenrand und auf die Frage „Was ist das?“ antwortet das Auto: „Ein Einkaufszentrum“. Auch der Scheibenwischer schwingt auf Kommando langsamer oder schneller. Nur der Außenspiegel hört nicht, den muss man nach wie vor mit Fingerfertigkeit einstellen. „Das kann ein Mensch mit seinen haptischen Fähigkeiten einfach besser als eine Maschine, die per Spracheingabe gesteuert wird“, erklärt Wolfgang Wahlster, Geschäftsführer des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken. Er beschäftigt sich nicht nur mit dem Auto der Zukunft, sondern ganz generell mit Benutzerschnittstellen, also den Momenten, in denen der Mensch mit der Technik in Berührung kommt: per Tastendruck, Spracheingabe oder auch nur einer Bewegung der Pupille.

Foto: fotofinder/Caro / Gerd Engelsmann

Ein Handy, das seine Größe ändert „Wir erleben gerade eine Umkehrung: Die Technik wird dem Menschen angepasst, nicht anders herum“, sagt Wahlster. „Usability“, also Nutzerfreundlichkeit, heißt das Schlagwort in der Elektronikbranche, und es verspricht vor allem eins: steigenden Absatz. „Technologie-getriebene Innovationen allein stellen kaum mehr einen Marktvorteil dar“, sagt Gesche Joost, Leiterin des Design Research Lab an der Berliner Universität der Künste (UDK). So wird zum Beispiel ein modernes Smartphone nicht mehr gekauft, weil es bestimmte Dinge kann, sondern weil es sich besonders gut bedienen lässt. Und dabei setzen sich die Entwickler keine Grenzen. Im Design Research Lab wird etwa an einem Handy gearbeitet, das sei-

ne eigene Größe ändern kann. So nimmt es in der Tasche wenig Platz weg, ist aber bei der Benutzung größer und damit besser zu bedienen.

Perfektes Ineinandergreifen: so soll es künftig ­aussehen, das Zusammenspiel von Mensch und Technik.

lesen kann“, sagt er. Gegenwärtig begeistert ihn, dass mit Hilfe von günstigen Bauteilen und entsprechender Nachfrage Technik für fast jeden Menschen zugänglich wird. n

Technik verstehen ohne Schulung Wenn Gesche Joost und ihr Team an solchen Innovationen arbeiten, geschieht das nicht im Elfenbeinturm. Zielgruppen werden direkt in die Entwicklung mit einbezogen, in den Testgruppen sitzen Senioren, Jugendliche aus sozialen Brennpunkten, Arbeiter und weitere Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund. „Partizipatives Design“ nennt sich dieses Vorgehen. „Es ist ein Unding, dass Technik bislang viele Menschen ausschließt“, sagt Gesche Joost. Ebenso wie Wolfgang Wahlster prognostiziert die Design-Professorin eine stärkere Ausrichtung im Technikangebot auf spezielle Zielgruppen. Da ist der Unterschied dann vielleicht auch nur eine bessere Schnittstelle, etwa eine App fürs Smartphone, die größere Tasten anbietet. Nicht nur für den Endverbraucher hat eine größere Nutzerfreundlichkeit Vorteile. Das Ludwigsburger Unternehmen User Interface Design (UID) überarbeitet unter anderem bestehende Bedienelemente für die Industrie. „Wir beobachten dafür, wie der betroffene Mensch Probleme löst“, erklärt UID-Geschäftsführer Franz Koller: „Ziel ist es, von der Maschinenlogik weg zu kommen“. Ist eine technische Anlage am Ende ohne lange Schulungsmaßnahme leichter, schneller und sicherer zu bedienen, profitieren sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer davon. DFKI-Geschäftsführer Wahlster sieht bei der Interaktion mit der Technik kaum Grenzen: „Ich sehe den Tag kommen, an dem ein System bestimmte Gedanken

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30  Kultur

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vorwärts ­g alerie Flow, 2011 Farblithografie 1. Farbe: Hellgrün 2. Farbe: Rot 3. Farbe: Dunkelblau Maße: 60,0 x 40,0 cm (Höhe x Breite) Papier: Magnani Litho 310 Gramm Drucker: Joe Holzner, Gesa Puell signiert und nummeriert Preis: 340,00 Euro (inkl. 7 % MwSt.) verfügbare Nummern: 2-10/10

Medienzirkus Von Gitta List

Katharina Ulke 1969 in Düsseldorf geboren, studierte an den Akademien der Bildenden Künste in München und Athen von 1996 bis 2009. Ab 2008 war sie Meisterschülerin für Freie Malerei und Grafik in der Klasse von Prof. Sean Scully und Prof. Günther Förg. Seit 1998 erhielt sie eine Reihe von Auslandsstipendien, die sie unter anderem nach Griechenland, Irland, Belgien, in die USA und die Schweiz führten. Ihre Arbeiten zeigte sie in vielen Ausstellungen im In- und Ausland. Katharina Ulke lebt und arbeitet in München.

Blatt II, aus der Mappe „Flow“, 2012 Farblithografie 1. Farbe: Hellblau 2. Farbe: Rot 3. Farbe: Blau Maße: 33,5 x 24,5 (Höhe x Breite) Papier: Magnani Litho 310 Gramm Drucker: Joe Holzner, Gesa Puell signiert und nummeriert Preis: 240,00 Euro (inkl. 7 % MwSt.) verfügbare Nummern: 7-18/18

Wirbelnde Wellen Junge zeitgenössische Kunst exklusiv für die vorwärts-Leser empfohlen von Björn Engholm

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ie Vorstellung von einer Welle ist meist etwas Gleichförmiges, sich rhythmisch Wiederholendes. Flache oder steile Bögen bildend bricht sie sich an Grenzflächen, ändert Form und Richtung. Der genauere Blick ergibt ein komplexes Gebilde aus ineinander verwobenen Ebenen mit Farbbrechungen, Verdoppelungen, Wirbeln und Spiegelungen. Die Lithografie bietet der Malerin Katharina Ulke die Möglichkeit, diese verschiedenen Ebenen getrennt zu betrachten und zu sezieren. Jeder Stein gewinnt ein eigenes Temperament, einen eigenen Charakter und eigene Farbe. Mit kräftigen oder zurückhaltenden Strichen zieht sie wässrig dünne oder borstig widerspenstige Spuren und arbeitet so die Eigenarten jeder einzelnen Lage heraus. Wenn sich im Übereinanderdrucken der verschiedenen Steine ein überraschendes, auch gewollt zufälliges Zusammenspiel von Farbflächen und Transparenzen

ergibt, greift die Künstlerin kontrollierend ein, ändert Farbe, Reihenfolge und Form, setzt ihr Thema zu einem rein abstrakten Gefüge zusammen. So entzieht sie das Motiv der romantischen Verklärung, lässt aber gleichzeitig das assoziative Spiel mit ihrer Inspirationsquelle zu. n

Ihre Lithografien werden vom Verlag planparallel vertrieben. planparallel.de

Lesen Sie in unserer App und im Web einen Beitrag von Björn Engholm über Grafiken. vorwärts.de

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Vignette: Hendrik Jonas; Fotos: Uwe Moosburger, Katharina Ulke (2)

Zuerst die gute Nachricht: Die Deutschen lesen immer noch (Tages-) Zeitung! Mehr als 48 Millionen Menschen über 14 Jahre greifen regelmäßig zu überregionalen Publikationen, aber auch zum Lokalblatt! Das jedenfalls vermeldet der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger – wir gratulieren. Gern möchten wir dazu auch alle Leser beglückwünschen, denn bekanntlich bildet Lektüre ja, ähnlich wie das Reisen. Nur ist es heutzutage eigentlich wurscht, wohin man reist. Sicher, Dresden glänzt mit Semperoper und Zwinger; Düsseldorf hat den schicksten Hafen von NRW, Darmstadt ein sehenswertes Schloss. Aber drum herum sieht es aus wie in Bielefeld, Berlin oder Bonn: Stadtbilder Marke Starbucks; viele Ketten, wenig Originelles. Und das ist – nun zur schlechten Nachricht – in der Zeitungslandschaft leider ähnlich. An Publikationen gebricht es ihr wahrlich nicht, denen aber an Profil. Wie das kommt? Nun, „Konzentration“ heißt das Zauberwort der Verlage, „zentrale Mantelproduktion“ ihr Mantra: viele Blätter, wenig Redaktion. Ob etwa in der bayerischen Kleinstadt Trostberg ein Schwein quiekt, interessiert im 100 Kilometer entfernten Passau eigentlich keine Sau, warum auch – genau dort aber wird das „Trostberger Tagblatt“ produziert. Von der „Passauer Neue Presse“, die sich das Heimatblatt (samt Anzeigenmarkt) einverleibt hat und es nun mit Nachrichten aus dem großen Trog der Agenturmeldungen füttert. Das spart Posten und Kosten. Solider Lokaljournalismus ist schön, macht aber viel Arbeit – und ist zudem ein Profitkiller, denn manchen Journalisten ist ihr „Ohne Preis kein Fleiß“-Spleen ja einfach nicht auszutreiben: Sie wollen angemessene Bezahlung für ihre Arbeit! Weltweit übrigens. Der US-amerikanische Nachrichtendienstleister Journatic hatte für dies betriebswirtschaftliche Problem eine spezielle Lösung parat (siehe taz vom 16.8.): Er belieferte geldklamme Zeitungen von Chicago bis Houston mit „Lokalreportagen“, die bunt und billig waren – und gefälscht. Skandal! Wie er aufflog? Hm, es könnte Recherche dahinter stecken. n


Kultur 31

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Steht die Energiewende auf der Kippe? Von Michael Müller

Fotos: DPA /EPA/DANIELA GRONDONA , Hendrik Rauch

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ina Scheer, die sich mit ihren Ideen für eine grüne Wirtschaft einen Namen macht, stellt in ihrem Buch zu Recht heraus, dass die Energiewende semantisch missbraucht wird. Eine Energiewende sei nämlich nicht die Fortsetzung des Alten mit neuen Energieträgern. Vielmehr braucht sie Strukturen, die vor allem auf Dezentralität und Akteursvielfalt ausgerichtet sind. Genau das wird allerdings stark eingeschränkt, nicht zuletzt durch die Einschnürung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Warum folgt in der Solarenergie eine Kürzungsorgie nach der anderen, während die großen und teureren Offshore-Windparks der Energiemultis gefördert werden? Nina Scheers These ist richtig: Die Bundesregierung denke immer noch in den Strukturen der fossilen und atomaren „Versorgungs“-Industrie. Sie folgert, dass die Energiewende trotz der großen Ankündigungen nach dem zweiten zivilen Gau in Fukushima noch lange nicht sicher sei. Es sollte nicht vergesen werden, dass die Energiewende jahrzehntelang von jenen bekämpft wurde, die sich heute als ihre Vorreiter präsentieren. Union und FDP lehnten in der rot-grünen Regierungszeit im Bundestag alle wichtigen Initiativen zu Energieumbau und Klimaschutz ab – von Öko-Steuer über EEG und Atomausstieg bis zum Naturschutzgesetz. Nina Scheer zeichnet die Debatte nach und zeigt die Voraussetzungen auf, die für eine Wende zur solaren Vollversorgung nötig sind. Das ist gut und richtig. Bedauerlich ist, dass sie die Effizienzrevolution – die drastische Senkung des absoluten Energieverbrauchs – stiefmütterlich behandelt. Die ist für eine Energiewende unverzichtbar und erfordert ebenfalls den Umbau von Wirtschaft und Technik. Ziel der Energiewende ist schließlich die solare 2000 Watt-Gesellschaft. n

Gegen das Vergessen Erinnern Das SS-Massaker in Sant’Anna di Stazzema erschüttert Italien bis heute. 1944 forderte es 560 Tote – die meisten Frauen und Kinder. Von Ulrich Rosenbaum Martin Schulz: „Hier, in Sant‘Anna di Stazzema, erinnern wir uns an die düstersten Stunden unseres Kontinentes. Aus diesen dunklen Stunden heraus sind aber auch die Werte und die Freiheit Europas erwachsen.“ Der Präsident des Europäischen Parlaments im August 2012 bei der Gedenkveranstaltung an das SS-Massaker.

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n jedem Jahr am 12. August wird im italienischen Dorf Sant’Anna di Stazzema an die Verbrechen des Nationalsozialismus erinnert. Hunderte hatten am 12. August 1944 in dem kleinen Bergdorf Zuflucht gesucht. Die 16. SS-Panzergrenadier-Division „Reichsführer SS“ trieb sie zusammen, warf Granaten auf sie. Sie rottete das Dorf aus und verbrannte die Häuser. 560 Tote fanden die Amerikaner zwei Tage später, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Es ist das schlimms-

te Massaker, das die Deutschen in Ita­ lien verübten. Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, ist sich der historischen Verantwortung als Deutscher und als Europäer bewusst. Deshalb steigt er in diesem Jahr den steilen Pfad in das hoch gelegene Bergdorf hinauf. „Hier, in Sant’Anna di Stazzema, erinnern wir uns an die düstersten Stunden unseres Kontinents“, sagt Schulz. „Aus diesen dunklen Stunden heraus sind aber auch die Werte und die Freiheit Europas erwachsen. Und die müssen wir künftigen Generationen weitervermitteln.“ Deutsche Jugendgruppen teilen dieses Engagement gegen das Vergessen. Sie kommen regelmäßig zu den Gedenkveranstaltungen in dem italienischen Bergdorf. In diesem Jahr haben sich die Regensburger „Falken“ an den Vorbereitungen beteiligt. Dass dieses NS-Kriegsverbrechen aufgeklärt wurde, ist nicht zuletzt der Journalistin Christiane Kohl zu verdanken. Sie ist heute Ehrenbürgerin von Sant’Anna di Stazzema. Damit nie wieder ein Mantel des Schweigens über das Verbrechen gebreitet wird, hat das Essener Musiker-Ehepaar Westermann Spenden gesammelt, um die zerstörte Kirchenorgel wiederherzustellen. Vor fünf Jahren wurde sie eingeweiht. Ein deutsch-italienischer Verein „Freunde der Friedensorgel“ entstand und Musiker aus ganz Europa geben im Juli und August jeden Sonntag Konzerte. n ANZEIGE

Georg Leber

* 7. Oktober 1920

† 21. August 2012

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands trauert um Georg Leber.

Mit ihm verlieren wir einen langjährigen Mitstreiter für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Georg Leber war seit 1947 Mitglied der SPD. Als gelernter Maurer wurde er Vorsitzender der IG Bau-Steine-Erden.

Als Bundesverkehrsminister hat er wichtige verkehrspolitische Weichenstellungen vorgenommen. Aus heutiger Sicht waren die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene oder die von ihm angestoßenen Maßnahmen zur Verkehrssicherheit besonders vorausschauende Entscheidungen.

Viele Bürgerinnen und Bürgern erinnern sich besonders an Georg Lebers Wirken als Bundesverteidigungsminister. Für ihn waren Soldaten Staatsbürger in Uniform. Durch klare Führung, seine verbindliche und zugewandte Art hat er sich den Ruf als „Soldatenvater“ erworben. Georg Leber gehörte dem Deutschen Bundestag von 1957 bis 1983 an, von 1961 bis 1966 auch dem SPD-Fraktionsvorstand. Am 12. September 1979 wurde Georg Leber zum Bundestagsvizepräsidenten gewählt. Dies blieb er bis zu seinem Ausscheiden aus dem Parlament. Georg Leber gehörte mehr als zwei Jahrzehnte dem Vorstand der SPD an.

Ihm gelang es, auch über die Grenzen der Partei hinaus zu wirken. Neben vielen anderen hohen gesellschaftlichen Funktionen war Georg Leber zudem 26 Jahre Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Georg Leber hat die deutsche Politik über viele Jahre lang geprägt. Er hat dabei stets das Allgemeinwohl ins Zentrum seiner Arbeit gestellt. Seinen Einsatz für die soziale Demokratie in Deutschland wird die SPD nicht vergessen. Wir sind stolz darauf, dass „Schorsch“ zu uns gehörte.

Nina Scheer Energiewende fortsetzen vorwärts|buch, Berlin 2012, 95 Seiten, 10 Euro, ISBN 978-3-86602-751-0

Sigmar Gabriel Vorsitzender der SPD

Dr. Barbara Hendricks Schatzmeisterin der SPD

Andrea Nahles Generalsekretärin der SPD


32  Historie

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zialhaushalte wird immer schwieriger. Schmidt weiß das, doch einen Paradigmenwechsel, der die Grundwerte sozialdemokratischer Politik in Frage stellen würde, will er auf keinen Fall. Die FDP entwickelt sich im Verlauf der Weltwirtschaftskrise immer mehr zu einer Klientelpartei der Wirtschaft. Im August 1982 vertritt Hans-Dietrich Genscher in einem später als „Wendebrief“ bezeichneten Schreiben die These, das Land stehe an einem „Scheideweg“ wie zu Zeiten nach dem Weltkrieg. Die „Anspruchsmentalität“ der Westdeutschen müsse gebrochen werden. Im September legt Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff mit einem Memorandum nach, das der Bundeskanzler als unvereinbar mit der Regierungspolitik zurückweist. Es bedeutet, so Schmidts deutliche Worte, eine „Abwendung vom demokratischen Sozialstaat und eine Hinwendung zur Ellenbogengesellschaft“.

Der Kanzlersturz Vor 30 Jahren CDU/CSU und FDP e ­ rsetzen Bundeskanzler Helmut Schmidt durch Helmut Kohl Von Rolf Hosfeld

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er 1. Oktober 1982 ist einer der dramatischsten Tage, die der Deutsche Bundestag erlebt hat. Mitten in einer Legislaturperiode und ohne Befragung des Wählers soll eine ganze politische Ära sozialliberaler Politik durch einen Koalitionswechsel beendet werden. Anzeichen für einen bevorstehenden Abfall der Freien Demokraten hat es schon Monate vorher gegeben. Noch 1980 waren sie mit der Parole „Wer FDP wählt, garantiert, dass Schmidt Bundeskanzler bleibt“ in den Wahlkampf gezogen. Helmut Schmidt erinnert an diesem 1. Oktober daran und fährt fort: „Dieser Regierungswechsel, den Sie anstreben, berührt die Glaubwürdigkeit unserer Institutionen.“ Er zieht die saubere Lösung sofortiger Neuwahlen vor. Die FDP steht vor einer Zerreißprobe. Gerhart Baum kann keine inhaltliche Begründung für einen Regierungswechsel erkennen und Hildegard Hamm-Brücher weigert sich, einem Kanzler das Miss-

trauen auszusprechen, dem sie noch Monate zuvor das Vertrauen ausgesprochen hat. Die Abstimmung verläuft knapp. Prominente Freidemokraten kehren ihrer Partei den Rücken. Ingrid MatthäusMaier und Günter Verheugen treten zur SPD über.

Die FDP wird marktradikal Aus der sozialliberalen FDP ist inzwischen eine Partei des Neoliberalismus geworden. Am 10. September 2012 hat Philipp Rösler des Endes der sozialliberalen Koalition 1982 gedacht. Die Marktwirtschaft, so Rösler mit dem ihm eigenen gymnasialen Pathos, habe damals zur Disposition gestanden. Er will das Ereignis gern als Gründungsmythos „seiner“ FDP verstanden wissen. Tatsächlich befand sich die Republik 1982, ausgelöst durch weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen, in einer Krise. Die Arbeitslosenzahlen grenzen an die zwei Millionen, die Finanzierung der So-

Stühlerücken im Kanzleramt: Helmut Schmidt übergibt am 4. Oktober 1982 sein Amtszimmer an den neuen Bundeskanzler Helmut Kohl.

Doch selbst in den Reihen seiner eigenen Partei stößt Schmidt auf Widerstand. Es geht hauptsächlich um den so genannten NATO-Doppelbeschluss, der bei den Differenzen innerhalb der ­Koalition merkwürdigerweise kaum eine Rolle spielt. Nicht wenige Sozialdemokraten lehnen Schmidts Politik ab und unterstützen die nicht unbedeutende Friedensbewegung. Oskar Lafontaine geht so weit, offen eine „Regeneration der Partei“ in der Opposi­ tion zu fordern. Für die FDP hat der Kanzlersturz auf lange Sicht die Wirkung eines Pyrrhussiegs. Eine schleichende Substanzentleerung setzt nun ein. Sie wird sichtbar, als die großen deutschlandpolitischen Aufgaben, bei denen sie nach wie vor eine Rolle spielte, gelöst sind. Für die CDU beginnt ein notwendiger Anpassungsprozess an neue politische Rahmenbedingungen, die sie lange nicht wahrhaben wollte. Helmut Schmidt hat seinen Sturz persönlich unbeschadet überstanden. Für die SPD aber war er ein Lehrstück in Regierungsfähigkeit, aus dem sie in den 16 Jahren Opposition bis 1998 nicht immer die richtigen Schlussfolgerungen gezogen hat. n

vorwärts-Impressum Die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie gegründet 1876 von W. Hasenclever und W. Liebknecht Herausgeberin: Andrea Nahles Redaktionsadresse: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 610322, 10925 Berlin; Tel. 030/25594-520, Fax 030/25594-390, E-Mail: redaktion@vorwaerts.de Chefredakteur: Uwe Knüpfer (V.i.S.d.P.) Redaktion: Lars Haferkamp (Textchef); Dagmar Günther (CvD); Hendrik Rauch (Bildred.); Kai Doering (Redaktion), Yvonne Holl (App); Vera Rosigkeit (Online); Dr. Susanne Dohrn, Birgit Güll und Werner Loewe (redaktionelle Mitarbeit); Carl-Friedrich Höck und Marisa Strobel (Volontäre) Fotografie: Dirk Bleicker Layout: Jana Schulze Korrespondenten: Jörg Hafkemeyer (Berlin), Renate Faerber-Husemann (Bonn), Lutz Hermann (Paris) Geschäftsführung: Guido Schmitz Anzeigen: Nicole Stelzner (Leitung strategische Unternehmensentwicklung und Verkauf); Nele Herrmann Valente, Manfred Köhn, Simone Roch, Carlo Schöll, Franck Wichmann und Ralph Zachrau (Verkauf) Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 35 vom 1.1.2012 Verlags-Sonderseiten: verantw. Guido Schmitz Vertrieb: Stefanie Martin, Tel. 030/25594-130, Fax 030/25594-199 Herstellung: metagate Berlin GmbH Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Poststraße 9/11, 95028 Hof Abonnement: IPS Datenservice GmbH, Postfach 1331, 53335 ­Meckenheim; Tel. 02225/7085-366, Fax -399; bei Bestellung Inland: Jahresabopreis 22,– Euro; für Schüler/Studenten 18,– Euro; alle Preise inkl. Versandkosten und 7 Prozent MwSt.; Ausland: Jahresabopreis 22,– Euro zzgl. Versandkosten. Das Abo verlängert sich um ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Für SPD-Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (bei Änderungen bitte an den SPD-UB wenden). Bankverbindung: SEB Berlin, BLZ 100 101 11, Konto-Nummer 174 813 69 00 Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadensersatz oder Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen.

Foto: J.H. Darchinger / ADSD

Kritik aus der SPD an Schmidt


Rätsel 33

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kreuzworträtsel Die Fragen und das Kreuzworträtsel darunter ergeben die Lösung. Die streitbare Hessin... , die im Norden Bayerns aufwuchs, wo sie heute noch lebt, engagierte sich schon früh in der Gewerkschaft, bekleidete eine Reihe von öffentlichen Ämtern und gehörte schließlich als Ministerin dem Kabinett Schröder an. Ihr Nachname? 2

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? Der Gesuchte am 26. September 1952 auf dem Dortmunder SPD-Parteitag im Gespräch: mit Fritz Henssler (l.), Ernst Reuter (2.v.r.) und Fritz Heine (r.).

Wer war’s?

Foto: dpa

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Von Lothar Pollähne

Unter allen Einsendern verlosen wir eine vorwärts-Tasche. Bitte schicken Sie das Lösungswort mit dem Stichwort „Wer war’s“ bis 24. September 2012 per Post oder per E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de

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Günter Köhl, 25767 Albersdorf

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Historisches Bilder-Rätsel Die Lösung des Bilder-Rätsels aus der vergangenen Ausgabe lautet: carl severing Die vorwärts-Tasche hat gewonnen:

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Es gibt zwei Wege, das Preisrätsel zu lösen: Ratefüchse beantworten zuerst die beiden Fragen. Der vierte und fünfte Buchstabe des ersten Lösungswortes sowie der zweite und dritte Buchstabe des zweiten Lösungswortes ergeben in der richtigen Reihenfolge die Lösung. Es geht aber auch einfacher: Die grauen Felder im Kreuzwort­ rätsel e ­ rgeben in der ­richtigen Reihenfolge das Lösungswort. Gesucht wird der längere Fluss, in den der kürzere mündet.

Lange wird er unterschätzt als zweiter Mann der SPD. Und dann wird er doch der erste Mann der Partei

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Die frühere Garnisonsstadt... , in der auch die zwei wichtigsten deutschen Germanisten zur Welt kamen, die noch heute jedes Kind kennt, wurde im Krieg fast völlig zerstört. Heute ist sie die sechstgrößte Stadt des Bundeslandes und Zentrum einer Region, die nach einem langen und einem kurzen Fluss benannt ist. 1

bwohl er sich im Frack „wie ein Pinguin in der Herde“ fühlt, lässt er sich auf einem Foto beim entspannten Tanz mit Hildegard Knef ablichten und wirkt beileibe nicht so behäbig und farblos, wie ihn Kritiker immer wieder darstellen. Die verspotten ihn sogar als „charismatische Lücke“. Das ist oberflächlich. Der gelernte „Parteisoldat“ glänzt durch Disziplin, Solidität und Solidarität. Er ist Sozialdemokrat „von Geburt an“. Mutter und Vater entstammen sozialdemokratisch orientierten Familien. Lehrer möchte der junge Mann werden, aber das lassen die Einkommensverhältnisse der Eltern nicht zu. Stattdessen durchläuft er eine Kaufmannslehre, nach deren Abschluss er Volontär bei der Magdeburger Volksstimme wird. 1920 wird er Redakteur der Zeitschrift „Arbeiterjugend“, 1922 Sekretär der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ), zu deren Vorsitzendem er 1928 gewählt wird. Kurz nach seiner Wahl in den Parteivorstand auf der Reichskonferenz am 26. April 1933 flüchtet er nach Prag, wo er zu den Gründern der SoPaDe gehört. Seine Emigrations-Odyssee führt ihn über Frankreich, Spanien und Portugal nach England. Er trägt wesentlich zum Wiederaufbau der SPD im kriegszerstörten Deutschland bei. Im Februar 1946 kehrt er endgültig nach Deutschland zurück, wo er zum zweiten Mann im Büro Schumacher avanciert. Nach Schumachers Tod wird der „gelernte“ Zweite am 27. September 1952 auf dem Parteitag in Dortmund zum ersten Mann der SPD. Er bleibt es bis zu seinem Tod am 14. Dezember 1963. n

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Die Lösung des jüngsten Preisrätsels lautete: KAISER Gesucht wurden außerdem: BECKENBAUER und GIESING Jeweils ein Buch gewannen: Gisela Murken, 14129 Berlin Charlotte Häberle, 36100 Petersberg Günther Klessing, 59073 Hamm Karl-Heinz Ellrich, 61350 Bad Homburg Margot Böhme, 06895 Lahna-Elster Ingrid Eheim, 74076 Heilbronn Hans Frank, 41836 Hückelhoven Dr. Walter Rodenheber, 84359 Simbach Sabine Keck, 35516 Münzenberg Florian Schrott, 97833 Frammersbach

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WAAGERECHT 1 Wasserstraße, Belt, Sund

28 Kettenring 30 Stadt im Sauerland (NRW)

9 frühere französische 31 sich täuschen Silbermünze 32 große Warenaus10 Bogengeschoss stellung, Musterschau 12 privates Ermittlungsbüro 34 ohne Inhalt

SENKRECHT 2 Stadt in Südwestengland

17 spanisches Nationalmuseum in Madrid

3 norddeutsch für Ried, Schilf

21 Kostenpunkt

32 Substanz in den Knochen

15 Haushaltsplan

36 Schulabschlussprüfung (Kurzwort)

23 Assistent 4 dt. katholischer 24 Bratraum im Herd Theologe (Johannes) 26 Anschrift 5 Verwendung, 27 Eierkuchen Gebrauch 6 kurze Begebenheit 29 innige Zuneigung

16 Wurf-, Sportgerät

37 Bühnenbild

7 tiefes Bedauern

39 unentschieden (Schach)

8 deutlich 11 Fluss zur Rhone

40 ausführen, verrichten

12 gehaltvoll, herzhaft (Essen)

41 hinnehmen, aushalten

13 größte der Gesellschaftsinseln

14 Weltmacht (Abk.)

18 Pelz russischer Eichhörnchen 19 Heiterkeit, Witz 20 Ausflug (englisch) 22 deshalb; von dort 25 Heldendarsteller

33 vorspringender Mauerstreifen 34 Strom in Ostsibirien 35 Hast 38 lediglich

Die richtige Lösung schicken Sie bitte bis zum 24. September 2012 per Post an vorwärts, Postfach 610322, 10925 Berlin oder per E-Mail an raetsel@vorwaerts.de. Bitte Absender nicht vergessen und ausreichend frankieren! Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir zehn Bücher.


34  Das Allerletzte

Amerika ist schwül – und nachts dunkel USA Karl May war nie in Amerika. Und hat trotzdem hunderte Geschichten über das Land geschrieben. Das kann ich auch. Schließlich sind wir doch alle USA-Experten. Oder? Von Martin Kaysh

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ch ja, Amerika! Da sind wir ­a lle Experten! Wir haben bei Karl May gelernt, der Cowboy-undIndianer-Geschichten verfasste, und doch nie da war. Das hat er mit Goethe gemein, der ausrief: „Amerika, du hast es besser!“. Amerika-Experte bin ich auch, eher auf dem Niveau von Peter Scholl-Latour, der zur ganzen Welt eine Meinung hat, weil er kurz nach meiner Ge­ burt, also in Zeiten des SchwarzWeiß-Fernsehens, mal Asienre­ porter war. Riefe ihn heute eine Talkshow an, weil eine Sonde der Amis auf dem Mars gelandet ist, er würde auch zu diesem Thema Weltbedrohliches aus dem Sofa murmeln. Er habe da gute Kontakte und damals in Saigon einen Zukunftsfilm

gesehen, zusammen mit ein paar GIs aus Nebraska. Zurück zu meinen Kenntnissen: Amerika ist schwül und nachts dunkel. Ich muss es wissen, ich war da mal, ge­ nau 24 Stunden lang, weil ich in Miami den Anschluss nach Düsseldorf ver­ passt hatte, weil die Air Jamaica nicht pünktlich gelandet war. Ansonsten entsprach Ameri­ ka den Erwartungen, mit den riesigen Cola-Automaten im Hotel, der Freundlichkeit und so. Es gibt Gemeinsamkeiten und Un­ terschiede. Es gibt einen Präsidenten in Deutschland wie in Amerika. Beide drü­ cken gerne Mal auf rote Knöpfe. Bei Joa­ chim Gauck sieht man am nächsten Tag im Lokalblatt, wie damit ein Zimmer­ springbrunnen in der KiTa Rasselbande

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Amerika wäre keine Supermacht, es wäre Belgien oder Norwegen, wenn es sich an der Meinung der Welt oder den Menschenrechten orientieren würde. Martin Kaysh

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seit wärts Börsianer im Außendienst Ah! Grüß dich, Roy!

Dann würd ich das Doradenfilet empfehlen. Fangfrisch und heut im Angebot.

Übrigens: Darf ich vorstellen? Das ist mein Onkel Rolf. Er arbeitet in New York als Börsenmakler und ist gerade im Außendienst.

Darf ich mich bei Ihnen für die Transaktion bedanken? Sie legen damit den Grundstein für unsere Marktwirtschaft!

in Gang gesetzt wurde. Bei Barack Oba­ ma unterbrechen sämtliche Sender der Welt inklusive QVC sofort ihr Programm, weil ein paar Sekunden später das Ende des nächsten Schurkenstaates beginnt. Viel gescholten wird Obama in Deutschland, weil er das Gefangenen­ lager Guantanamo nicht geschlossen bekommt. Das ist schlimm, liegt aber in der Natur der Sache. Amerika wä­ re keine Supermacht, es wäre Belgien oder Norwegen, wenn es sich an der Meinung der Welt oder den Menschen­ rechten orientieren würde. Außerdem wäre Deutschland auch unfähig, solch ein Lager zu beseitigen. Nicht wegen durchgeknallter, mächtiger Patrioten, sondern schlicht, weil bei vorzeitiger Schlie­ ßung die EU-Subventionen zu­ rückgezahlt werden müssten. Was sich heutzutage niemand leisten kann. Nun nähert sich Amerika dem alten Europa. Bei der letzten Wahl rief Obama noch: „Yes, we can!“ (Deutsch: „Kann man mal machen!“). Jetzt fordert er: „Forward!“. „Vorwärts!“. Da lächelt der Sozialdemokrat. n Martin Kaysh ist Kabarettist, Alternativkarnevalist („Geierabend“) und ­Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

von David Füleki Ach, Sie meinen das sinnbildlich, dass ich durch den verkauften Fisch meinen kleinen, aber wichtigen Beitrag zum komplexen Gesamtgeflecht der Wirtschaft leiste?

Tag, Def. Einen Fisch deiner Wahl, bitte.

Häh?!

Okay, Dorade. Das Protokoll sagt: dreimal würfeln.

Gesamtaugenzahl elf. Der Merkur steht heute im Aszendenten zum Quadrat ... und gestern hatte ich Müsli zum Frühstück. Das heißt ...

Alles klar!

Hanso FoundationAktien verkaufen!!

Wall Street, New York

Mannomann, Onkel Rolf, von dir kann ich noch 'ne ganze Menge lernen!

Und jetzt wird's besonders knifflig. Auf zum Gemüsehändler! al brauDieses M den zehn chen wir Würfel. seitigen

Illustration: christina Bretschneider

vorwärts 09/2012


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