vorwärts Februar 2014

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vorwärts

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D i e Z e i t u n g d e r d e u t s c h e n s o z i a l d e m o k r at i e

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Foto: Dirk bleicker

Generalsekretärin Yasmin Fahimi:

die spd stark machen

Februar 2014

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Gegründet 1876



Inhalt 3

02/2014 vorwärts

themen in diesem heft

Liebe Leserinnen und Leser, die SPD ist für 2014 gut aufgestellt. Mit dem erfolgreichen Mitgliedervotum hat sie Parteien- und Demokratiegeschichte geschrieben. Und in der schwarz-roten Regierung setzen SPD-Leute die Maß­ stäbe. Im In- und Ausland wird aufmerksam beobachtet, wie gut die deutsche Sozialdemokratie derzeit agiert. Selten hat eine Partei aus einer verlorenen Wahl so viel Erfolg ziehen können. Der SPD mit Sigmar Gabriel als Parteichef und Andrea Nahles als General­ sekretärin ist das gelungen.

Titel  4  »wir sind die Gestalter« – Interview mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel  5  gemeinsam ein anderes Europa schaffen – SPD-Parteitag und Europadelegiertenkonferenz  7 Drei neue an der spitze – Der SPD-Parteitag traf wichtige Personalentscheidungen  8  »Chancengerechtigkeit ist kern unserer Politik« – Interview mit SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi Aktuell  9  Unsere Handschrift – Die ersten Projekte der SPD-Ministerinnen und -Minister 14  Kampf gegen Rechts – »Storch Heinar« in Nordost

Kolumnen 12  global gedacht – Rafael Seligmann 13  Unser Europa – Peter Riesbeck 22  Zwischenruf – Daniel Gruschke 30  Medienzirkus – Gitta List 34  Das Allerletzte – Martin Kaysh

So kann es auch weitergehen. Denn der Bundesparteitag Ende Januar hat gezeigt, dass die Partei mit Yasmin Fahimi als Generalsekretärin, Dietmar Nietan als Schatzmeister, Ralf Stegner als neuem Partei-Vize und Sigmar Gabriel als Parteivorsitzendem weiterhin starke Führungspersönlichkeiten an ihrer Spitze hat.

Fotos: Dirk Bleicker (3), dpa Picture-Alliance, Hagen Keller / NFP

Von denen muss sich auch keiner mit einem Doktortitel schmücken, der ihm so nicht zusteht. – Auch wenn der „Doktor“ noch so klein ist, er kommt aus einem Land, dessen Sprache der CSUGeneralsekretär noch nicht mal spricht. Sozialdemokraten haben so viel falschen Schein nicht nötig. Zeit zur Entspannung bleibt dennoch nicht. Die Europa-Wahl steht vor der Tür. Deutschland und deutsche Sozialdemokraten haben hier eine besondere Verantwortung: Wir sind mittendrin – geographisch und ideell. Kein Land ist in Europa so verwoben wie wir, keinem wurde in seiner – oder trotz seiner Geschichte – so viel Unterstützung zuteil. Mit Martin Schulz als unserem künftigen Spitzenkandidaten verspricht diese Wahl eine gute Wahl für Europa zu werden. In diesem Sinne wünsche ich ­Ihnen allen und Europa ein gutes und ­erfolgreiches 2014! Herzlich, Ihre

Karin Nink Chefredakteurin

Wechsel: von Andrea Nahles (l.) zu Yasmin Fahimi Seite 7

Dietmar Nietan: der neue Schatzmeister der SPD

Seite 16

partei leben! 15  Ganz nach vorn – Frauenförderung in der SPD 16  »Ich will gestalten, nicht nur verwalten« – Porträt des SPD-Schatzmeisters Dietmar Nietan 18  Roter Stadtrundgang – SPD Bremerhaven 19  Feuer und Flamme – Porträt der JusoBundesvorsitzenden Johanna Uekermann

Wirtschaft 24  Gut gemacht – »Märkisches Landbrot« 25  Meine Arbeit – Schreiner und Holztechniker kultur 30  Kultur in besten händen – Siegmund Ehrmann, neuer Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien 31  neuer Film – »Lauf Junge lauf«, Interview mit Regisseur Pepe Danquart historie 32  Premiere – Marie Juchacz spricht im Parlament 33  Wer war’s? – Lothar Pollähne Marie Juchacz: erste Frauenrede im Parlament

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In Kürze Parlament Leserbriefe Impressum Rätselseite seitwärts

Redaktionsschluss 27. Januar 2014 Diese Ausgabe Enthält eine Anzeigen-SONDERVERÖFFENTLICHUNG ZUm Thema »Mobilität«

Seite 32

Fil mstart „Lauf Junge lauf“: Pepe Danquarts Berlinale-Film, der die wahre Geschichte eines Kindes erzählt, das auf sich allein gestellt den Holocaust überlebt, hat am 10. Februar im Willy-BrandtHaus in Berlin Vorpremiere. Einlass: 19 Uhr


» Wir sind die Gestalter« sigmar Gabriel Der Parteichef erklärt, warum die SPD die bestimmende Kraft in der Bundesregierung ist Interview Karin Nink und Lars Haferkamp

Interview

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Wir müssen selbst­ bewusst unsere ­Arbeit ­machen. Sigmar Gabriel

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Die SPD hat mit dem erfolgreichen Mitgliederentscheid im letzten Jahr Demokratiegeschichte in Deutschland geschrieben. Was bleibt von diesem Erfolg? Die Mitglieder der SPD sind mit Recht stolz darauf, dass sie entscheiden konnten, wer Deutschland regiert. Das wird langfristige Wirkungen haben. Erstens werden die Mitglieder der SPD immer wieder einfordern, in zentralen Fragen beteiligt zu werden. Zum Beispiel in der Frage der Kanzlerkandidatur. Zweitens wird unser Beispiel in anderen Parteien Schule machen. Schon jetzt haben die Mitglieder der Grünen in Hessen gefragt, warum sie eigentlich nicht über Schwarz-Grün abstimmen durften. Der nächste Kanzlerkandidat wird per Mitgliederentscheid bestimmt? Warum nicht? Aber es macht glaube ich nur Sinn, wenn wir mehr als einen ­Bewerber haben. Wie erleben Sie zur Zeit die Stimmung in der Partei? Alle wollen, dass wir die sozialdemokratischen Inhalte des Koalitionsvertrages umsetzen. Deswegen bin ich froh darüber, dass Andrea Nahles so schnell den Gesetzentwurf zur abschlagsfreien ­Rente nach 45 Beitragsjahren vorgelegt hat und dass wir noch im ersten Halbjahr das Gesetz für den Mindestlohn ­verabschieden werden.

Erste Umfragen zum Start der ­Regierung fallen aber eher negativ aus. Die Journalisten schreiben das auch ein bisschen herbei. Die CSU hat – auch zum Missvergnügen der CDU – Debatten geführt, die durch den Koalitionsvertrag nicht gedeckt waren. Ich rate hier ein bisschen zur Gelassenheit. Im Unterschied zu Schwarz-Gelb sind sich in dieser Regierung alle über ihre Verantwortung im Klaren. Vor allem aber haben wir einen sehr klaren Koalitionsvertrag geschlossen und nicht nur Dutzende Prüfaufträge, wie damals CDU, CSU und FDP. Die Zusammenarbeit in der Koalition muss also nicht besser werden? Nein. Ich lege Wert darauf, dass die SPD als Partei eigenständig und sichtbar bleibt. Sie muss eine gute Regierungs­ arbeit leisten und wird ein verlässlicher Vertragspartner sein. Aber die vielen Dinge, die wir über den Vertrag hinaus verändern wollen – etwa bei der Steuergerechtigkeit – , die werden wir natürlich nicht verschweigen. Sollte man der Regierung eine ­100-Tage-Schonfrist zubilligen? Die brauchen wir nicht. Wir müssen selbstbewusst unsere Arbeit machen. Dann werden die Menschen auch merken, dass die Sozialdemokraten in dieser Regierung die Gestalter sind. Gehen dann die Umfragen auch wieder nach oben?

Es wird eine Weile dauern, bis sich das ändert. Denn so schnell korrigieren Menschen nicht eine vor wenigen Monaten getroffene Wahlentscheidung. Aber ich bin sicher: Wir werden durch unsere konkrete Arbeit überzeugen. Welche Rolle spielt die Europawahl im kommenden Mai? Sie hat für uns eine Bedeutung, wie seit Jahrzehnten nicht. Europa ist das größte Zivilisationsprojekt des 20. und 21. Jahrhunderts. Unser Wohlstand und unsere Sicherheit sind ohne Europa nicht denkbar. Wir neigen manchmal dazu, das als selbstverständlich zu erachten, aber ein Blick auf den Balkan oder den Kaukasus zeigt, wie nah Gewalt und Krieg sind. Berechtigte Kritik an der Bürokratisierung oder Bürgerferne Europas darf nicht dazu führen, dass wir dieses große ­Zivilisations- und Friedensprojekt ­kaputt reden. Wir werden Europa nicht den Antieuropäern, den Populisten und den Rechtsradikalen überlassen. Sie sind Vizekanzler, Wirtschafts- und Energieminister und SPD-Vorsitzender. Welches Amt ist das wichtigste? Natürlich das des SPD-Vorsitzenden. Dieses Amt ist mehr wert als jedes ­Regierungsamt und es hat – im 151. Jahr der SPD – auch eine viel größere Bedeutung. Mein Regierungsamt leitet sich nur aus dem Vorsitz der SPD ab – nicht umgekehrt.

Foto: Michael Gottschalk/photothek.net

Klarer Kurs: Sigmar Gabriel will, „dass die SPD als Partei eigenständig und sichtbar bleibt“.


Titel 5

Fotos: Dirk Bleicker (2)

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Die Sozialdemokratie ist eine Partei, die seit über 150 Jahren die demokra­ tische Gestaltungskraft Deutschlands ist. Nichts in der Entwicklung unserer ­Demokratie wäre ohne die Sozialdemo­ kratie denkbar. Vorsitzender dieser stol­ zen Partei zu sein, ist die größte Ehre, die man im politischen Leben unseres Landes haben kann. Wie koordinieren Sie Partei- und ­Regierungsarbeit? Durch eine enge Kommunikation: Wich­ tig ist zum einen unser „rotes Kabinett“, also die Runde unserer Minister, Staats­ sekretäre und parlamentarischen Staats­ sekretäre. Das vielleicht wichtigste Gre­ mium der Koordinierung ist die Runde mit unseren neun Ministerpräsidenten und vier Vizeministerpräsidenten. Es kommt sehr darauf an, dass die Sozial­ demokraten in Bund, Ländern und übri­ gens auch Kommunen, gut zusammen­ arbeiten. Deshalb werden wir einmal im Jahr eine Regierungskonferenz der SPD einberufen. Sie haben sich für Yasmin Fahimi als neue Generalsekretärin der SPD ­entschieden. Was sind die Gründe? Wir haben uns für Yasmin Fahimi ent­ schieden, weil sie große politische und strategische Erfahrungen mitbringt, nicht nur in der SPD, sondern auch in den Gewerkschaften, aber trotzdem beruf­ lich ein bisschen auch von außen kommt. Yasmin Fahimi wird einen neuen Blick auf die SPD mitbringen. Und der wird uns gut tun. Die Sozialdemokratie wird trotz vieler engagierter junger Frauen in der Öffentlichkeit stark von Männern reprä­ sentiert. Deshalb wollten wir eine Frau in diesem wichtigen Amt. Manche Beobachter weisen darauf hin, Fahimi sei in der Partei noch nicht so verankert. Yasmin Fahimi wird ganz schnell – da bin ich sicher – in der SPD gut verankert sein, aber eben ihren unverstellten Blick auf die SPD und manchmal auch auf den Er­ neuerungsbedarf bei uns nicht verlieren. Ein Blick von außen tut uns sicher gut. Es gibt eine zweite Personalie, die ein bisschen überraschend war: Dietmar Nietan als neuer Schatzmeister. Dietmar Nietan verfügt über sehr viel politische Erfahrung, als Bundestags­ abgeordneter und auf der europäischen Ebene. Er wird einen neuen Blick auf den Vermögensbestand der SPD werfen. Und als erfahrener Wahlkämpfer weiß er, wie wichtig eine solide Finanzierung dafür ist. Hat die Tatsache eine Rolle gespielt, dass er aus NRW kommt? Ich weiß, dass die Frage, wo jemand her­ kommt, in der Partei wichtig ist. Ich gebe zu, für mich ist sie nicht ganz so wichtig. Ich will, dass Leute geeignet sind. Und das sind Yasmin Fahimi und Dietmar Nietan mit absoluter Sicherheit. n

Gemeinsam ein anderes Europa schaffen parteitag Mit einem Traumergebnis wurde Martin Schulz zum ­Spitzenkandidaten der SPD für die Europawahl am 25. Mai gekürt. ­Parteichef Sigmar Gabriel versprach ihm einen engagierten Wahlkampf Von Yvonne Holl und Kai Doering

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ir können weitermachen wie bisher – oder ein an­ deres Europa schaffen.“ In seiner Rede auf dem SPD-Parteitag in Berlin am 26. Januar lässt Martin Schulz keinen Zweifel daran, dass er großen Veränderungsbedarf in der ­Europäischen Union sieht. Zuvor ist der EU-Parlamentspräsident von den SPD-Europadelegierten zum Spitzenkan­ didaten gewählt worden – mit einem Ergebnis von 97,3 Prozent der Stimmen. „Das ist nichts Alltägliches“, kommen­ tiert Schulz sein herausragendes Wahl­ ergebnis, als er die Gratulation von Sigmar Gabriel und der Parteiführung entgegen­ n immt. Schulz ist sichtlich ergriffen von der hohen Zustimmung – immerhin 183 der 191 Genossen, die abstimmten, votierten für den Präsiden­ ten des Europaparlaments. „Das ist ein Vertrauensbeweis, der mich berührt, für den ich dankbar bin und den ich als Verpflichtung verstehe, das Vertrauen zu rechtfertigen.“

Gewählter Spitzenkandidat: Die 97,3 Prozent Ja-Stimmen der Delegierten sind für Martin Schulz „ein Vertrauensbeweis, der mich berührt, für den ich dankbar bin“.

Gabriel: »Das ist unsere Chance« Die SPD sei die Europapartei und Martin Schulz setzt darauf, dass die Sozialde­ mokratie diesmal auch die Mehrheit der Stimmen erhält und den EU-Kommis­ sionspräsidenten stellt. Das wird den Teilnehmern an der Europadelegierten­ konferenz und dem außerordentlichen

Große Zustimmung: Die Teilnehmer der Europadelegiertenkonferenz verabschiedeten die SPDListe für die Europawahl.

Parteitag in der „Arena“ in Berlin-Trep­ tow schnell klar. Das liegt zum einen an der Gestaltung des Saals. In weißen Buchstaben prangt der Slogan „Europa neu denken“ auf einer in Blau gehaltenen Satellitenaufnahme Europas. Vor allem aber betonen die Redner, wie sie sich ein sozialdemokratisches Europa vorstellen. Sigmar Gabriel hebt die besondere Bedeutung der Europawahl am 25. Mai hervor: „Erstmals in der Geschichte der Europäischen Union wird der neue Kommissionspräsident nicht mehr al­ lein im Hinterzimmer der Staats- und Regierungschefs ausgekungelt, sondern er muss im Europäischen Parlament ­gewählt werden“, betont der SPD-Vor­ sitzende. Den Genossen auf dem Parteitag ruft er zu: „Das wird eine entscheidende Wahl für alle Menschen in Europa.“ Und: „Das ist unsere Chance. Um sie werden wir kämpfen.“ Und Gabriel verspricht, die SPD werde „einen Europawahlkampf führen, wie wir ihn noch nie geführt haben“. Ein Werben für ein besseres, ein so­ zialeres Europa sei dringend notwendig. Die Finanz- und Wirtschaftskrise habe viele Antieuropäer auf den Plan geru­ fen. „Zu viele“, wie Gabriel betont. Diese setzten mit ihrem Schwadronieren von Deutschland als dem „Zahlmeister“ der EU „das größte Zivilisationsprojekt des 20. Jahrhunderts“ aufs Spiel. Deshalb


6  Titel

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SPD-Chef Sigmar Gabriel nutzt den Par­ teitag auch, um einen Blick zurück auf die Monate nach der Bundestagswahl zu werfen – auf die Koalitionsverhandlun­ gen mit CDU und CSU sowie das Mitglie­ dervotum der SPD im Dezember. „Dieser Prozess war einzigartig und vorbildlich für die demokratische Willensbildung in unserem Land“, lobt Gabriel und betont: „Wir können stolz auf unsere SPD und ihre Mitglieder sein!“ Positiver Nebeneffekt: Fast 20  000 Neumitglieder seien im vergangenen Jahr in die SPD eingetreten, „fast 50 Pro­ zent davon im Juso-Alter“. Diese seien „gekommen, weil wir die Partei sind, bei der Menschen mitentscheiden können“. Nun gelte es, sie auch in die Arbeit der SPD einzubinden. „Ladet sie ein!“, appel­ liert Gabriel an seine Partei.

Lob für das SPD-Mitgliedervotum

Ode an die Freude: Mit der Europahymne gingen Europadelegiertenkonferenz und Bundesparteitag zu Ende.

Null Toleranz für Steuerbetrüger Dass dabei keineswegs alles beim Al­ ten bleiben soll, betont Spitzenkandidat Martin Schulz. Nach seinem fulminan­ ten Wahlergebnis bei der Europadele­ giertenkonferenz bringt er auf dem an­ schließenden Parteitag den Leitantrag „Europa eine neue Richtung geben“ ein. Es gehe nicht darum, weiterzumachen wie bisher, sondern ein anderes Europa zu gestalten. Als Kommissionspräsident wolle er das Leben der Menschen ver­ bessern und sie wieder für die europä­ ische Idee begeistern. Schulz fordert, die Aufgaben in der Europäischen Union neu zu verteilen. „Warum muss die EU-Kommission über den Wasserverbrauch von Toilettenspü­ lungen befinden?“, fragt er und spricht sich gegen Überregulierung sowie die Einmischung Brüssels in regionale und kulturelle Besonderheiten aus. Allerdings gebe es auch große Her­ ausforderungen, die die Nationalstaa­ ten nicht alleine bewältigen könnten.

Parteitag

97,3 Prozent der Delegierten wählten Martin Schulz zum Spitzenkandidaten der SPD für die Europawahl. Quelle: SPD-Parteivorstand

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Wir können stolz auf unsere SPD und ihre Mitglieder sein!« Sigmar Gabriel

über das Mitgliedervotum der SPD

Schulz nennt unter anderem den Klima­ wandel, Migration, Finanzpolitik und die digitale Agenda als Themenfelder, die auf europäischer Ebene angegangen werden müssten. Insbesondere die Regulierung des ­Finanzmarktes ist ein wichtiges Thema im Leitantrag. Unternehmen sollen da­ nach in dem Land Steuern zahlen, in dem ihre Gewinne erwirtschaftet ­ werden. Das ist eine grundlegende Forderung von Schulz und der europäischen Sozial­ demokratie. „Wir akzeptieren nicht, dass sich Millionäre oder Großunternehmen nicht an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben beteiligen“, heißt es in dem Papier. Weitere geplante Maßnahmen sind eine Null-Toleranz-Politik gegen Steuerbetrüger und ihre Helfer sowie das „­ Trockenlegen“ von Steueroasen. Wie ebenfalls im Antrag gefordert, spricht sich Martin Schulz für stär­ kere Investitionen in die regionale Wirtschaft der Mitgliedstaaten aus, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Erklärtes Ziel der euro­ päischen Sozialdemokratie ist zudem die Bekämpfung der Jugendarbeitslo­ sigkeit, die besonders dem Süden des Kontinents zusetzt.

Freizügigkeit statt Hetze Keinen Zweifel lässt Schulz daran, dass die Sozialdemokraten die Freizügigkeit in Europa sichern wollen. Diese sei ein Grundrecht. Da, wo es Probleme gebe, müsse den Kommunen bei der Bewälti­ gung geholfen werden. Ansonsten gelte: „Wir dürfen keine Hetze gegen andere Menschen zulassen.“

Fotos: Dirk Bleicker

gelte es, den rechten und linken Geg­ nern Europas entschieden entgegen­ zutreten. „Denn Deutschland ist der große Ge­ winner der europäischen Einigung“, so Gabriel. Nur wenn es den Menschen in den Nachbarländern gut gehe, könnten sie deutsche Autos, deutsche Chemie­ produkte, deutsche Maschinen und Elek­ trotechnik kaufen oder in Deutschland Urlaub machen. „Wenn wir Deutschen in Europas Zukunft investieren, investie­ ren wir immer auch zugleich in unsere eigene Zukunft“, erklärt Gabriel.

Auch er selbst sei sich zu Anfang des Verfahrens nicht sicher gewesen, ob das Mitgliedervotum gelinge, verrät der SPD-Vorsitzende. „Aber ich habe unserer Partei vertraut. Deshalb war es für mich nie eine Frage, dass wir diesen Weg mit der Partei gehen und nicht gegen sie.“ Das Mitgliedervotum habe auch die anderen Parteien überrascht und neue Standards gesetzt. Schnell hätten CDU und CSU ver­ standen, „dass wir nicht für das ‚Wei­ ter so’, sondern für das ‚Anders-und besser-machen’ stehen“. Die SPD werde mit ihren sechs Ministern und ihrer Staatsministerin dafür sorgen, „das Le­ ben für viele Menschen in Deutschland besser zu machen“ und die „Dinge, die wir versprochen haben, auch auf Punkt und Komma umzusetzen“ – seien es der flächendeckende gesetzliche Mindest­ lohn, die doppelte Staatsbürgerschaft oder die sozialverträgliche Energiewen­ de. Gabriel verspricht den Delegierten: „Wir werden die Motoren dieser Regie­ rung sein.“ n

SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Wir werden die Motoren dieser Regierung sein.“


Titel 7

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Wahlergebnisse auf dem SPD-Parteitag

88,5 Prozent der Delegierten wählten Yasmin Fahimi zur Generalsekretärin.

78,3 Sie konnten die Delegierten überzeugen: Yasmin Fahimi und Dietmar Nietan.

Drei neue an der Parteispitze Wahlen Yasmin Fahimi wurde in Berlin zur ­SPD-Generalsekretärin gewählt. Ralf Stegner ist Parteivize, Dietmar Nietan Schatzmeister Von Carl-Friedrich Höck

Foto: Dirk Bleicker

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it einem Lächeln tritt ­Yasmin Fahimi ans Rednerpult. „Ich freue mich, dass ich mich euch endlich persönlich vorstellen kann“, sagt sie zu den Delegierten auf dem SPD-Bundesparteitag. Seit ihrer Nominierung für das Amt der Generalsekretärin hatte die 46-Jährige sich mediale Zurückhaltung auferlegt. Erst vor den Vertretern der SPD-Basis wollte sie sich ausführlich zu ihren Ideen für das Amt äußern. Obwohl sie seit 28 Jahren SPD-Mitglied ist, war sie vielen Sozialdemokraten bis vor wenigen Wochen noch unbekannt. „Ich habe die vergangenen 14 Jahre insbesondere der hauptamtlichen Gewerkschaftsarbeit gewidmet“, erklärt sie nun. Zuletzt als Leiterin der Abteilung Grundsatz und Organisa­ tionsentwicklung der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Es sei gut für die SPD, sagt Parteichef Sigmar Gabriel, wenn sie Menschen für wichtige Funktionen gewinnen könne, die einen Blick von außen mitbringen. Auf Fahimi trifft dies zu. Gabriel: „Sie weiß besser als viele andere, was moderne Arbeitnehmervertretung bedeutet.“ Fahimi verspricht erstens, als SPDGeneralsekretärin drei Kernauf­ gaben anzugehen. Sie wolle die SPD nach innen stark machen und den Austausch zwischen allen Ebenen in der Partei intensivieren. Zweitens werde sie mithelfen, dass die SPD durch gute Regie-

nur an ihren Inhalten messen. Selbst die FDP könne als Partner in Betracht kommen, „wenn sie das Wort Gerechtigkeit wieder buchstabieren kann“. Zum neuen Schatzmeister der SPD wird Dietmar Nietan gewählt. Der Bundestagsabgeordnete aus NordrheinWestfalen verspricht den Delegierten, er werde das Vermögen der Partei nachhaltig bewahren. Denn „finanzielle Unabhängigkeit und solide Finanzen sind für die politische Handlungsfähigkeit unserer Partei so wichtig wie eh und je“. Das sehen die Delegierten ähnlich: 84,3 Prozent von ihnen wählen Nietan. n

Prozent gaben Ralf Stegner bei der Wahl zum stellver­ tretenden Parteivorsitzenden ihre Stimme.

84,3 Prozent stimmten für Dietmar Nietan als neuen Schatzmeister der SPD.

Quelle: SPD-Parteivorstand

Ralf Stegner: „Meine Loyalität gilt immer und zuerst der linken Volkspartei SPD.“

rungsarbeit das Vertrauen ihrer Wähler rechtfertigt. Und drittens wolle sie die SPD nach außen als moderne Volkspartei repräsentieren, „die Menschen mitreißen und begeistern kann“. Mit diesen Worten kann sie die Delegierten überzeugen. 88,5 Prozent von ihnen stimmen für Fahimi als Generalsekretärin.

Stegner verspricht Klartext Neben Fahimi ist auch der SPD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, in die engere Parteiführung aufgerückt. Mit einer Zustimmung von 78,3 Prozent wird er zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Dafür wird die Zahl der Vize-Vorsitzenden auf dem Berliner Parteitag auf sechs erweitert. Als „links, dickschädelig und frei“ bezeichnet sich Stegner in Berlin. Er sei ein Freund von Klartext und ein Politiker mit Ecken und Kanten. In den vergangenen Jahren habe er versucht, seinen Beitrag dazu zu leisten, dass die Parteilinke sich nicht als innerparteiliche Opposition versteht, sondern die Inhalte der SPD mitgestaltet. Dabei gelte seine Loyalität weniger vermeintlichen Strömungsinteressen, sondern „immer und zuerst der linken Volkspartei SPD“. Diese fordert Stegner auf, nach Regierungsmehrheiten links von der CDU zu suchen. Dafür müsse sie ein gutes Verhältnis zu den Grünen pflegen, dürfe aber auch die Linkspartei

Vorabend der Revolution mit 400 Gästen Hier begeisterte Louis Armstrong sein Publikum. Hier feierte David Bowie die Nächte durch. Und hier – im Ellington-Hotel nahe des Kurfürstendamms – stimmten sich SPD-Spitze und Journalisten auf Europadelegiertenkonferenz und Bundesparteitag ein. „Ein Sieg bei der Europawahl wird die erste Aufgabe der SPD im Jahr 2014“, rief der designierte Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten Martin Schulz den rund 400 Gästen des Internationalen Presse­ empfangs des „vorwärts“ zu. Er selbst wolle der erste Präsident der EU-Kommission werden, der nicht im Hinterzimmer bestimmt wird. „Wir streben nicht weniger als eine Revolution an.“ Auf die Unterstützung der SPD kann Schulz dabei setzen. „Wir sind stolz auf dich“, sagte Parteichef Sigmar Gabriel. n KD

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1| Begehrter Gesprächspartner: Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit Journalisten 2| Mann des Abends: EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mit vorwärts-Chefredakteurin Karin Nink 3| Unter vier Augen: SPD-Chef Sigmar Gabriel mit Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der Chefredaktion des „Stern“


8  Titel

»Chancengerechtigkeit ist Kern unserer Politik« yasmin Fahimi Die neue Generalsekretärin sagt, wie sie die Partei in der großen Koalition und für die Bundestagswahl 2017 positionieren will Interview Karin Nink und Vera Rosigkeit

Frau Fahimi, wann haben Sie erfahren, dass Sie Generalsekretärin werden sollen? Kurz vor Weihnachten. Der Anruf kam überraschend für mich. Am Frühstückstisch wird man das nicht jeden Tag gefragt. Was war Ihr erster Gedanke? Ich habe zuerst gedacht: Ist das wirklich ernst gemeint? Der zweite Gedanke war: Das wäre eine tolle Aufgabe. Der dritte: Überleg es dir in Ruhe. Sie sind mit 17 in die SPD eingetreten. Was waren Ihre Gründe? Die Friedensbewegung hat mich geprägt und motiviert, in die SPD einzutreten. Bei den Jusos habe ich das Thema internationale Solidarität kennen gelernt. Und ich war bei der großen Friedensdemo in Bonn mit dabei. Das war natürlich sehr beeindruckend. Sie haben gesagt, es sei wichtig, einer Partei treu zu bleiben. Warum? Es lohnt sich, geduldig in Beziehungen zu investieren. Nur wer mit viel Biss an den Dingen bleibt, kann auch etwas verändern. Man muss aber auch verstehen, dass Kompromisse notwendig sind. Ihr Vater war Perser, Ihre Mutter ­Deutsche. Wie hat Sie das geprägt? Mein Vater ist von seiner Familie zum Studieren nach Deutschland geschickt worden. Er ist nie Migrant gewesen. Als Auslandsstudent in Deutschland hat er meine Mutter kennengelernt. Meine Mutter ist dann später in den Iran emigriert, wo mein Bruder geboren ist. Nach dem frühen Tod meines Vaters ist meine Mutter mit meinem Bruder – und mit mir schwanger – zurück nach Deutschland gegangen. Ich bin also in Deutschland geboren und aufgewachsen. Meine Familie väterlicherseits lebt inzwischen seit über 30 Jahren in den USA, sie sind auch USStaatsbürger. Meine Familie mütterlicherseits hat die Flucht aus Ostpreußen zu Kriegsende sehr geprägt. Insgesamt lehrt mich meine Familiengeschichte: Das Leben ist bunt, du musst dich durchbeißen, und halt immer die Augen offen. Haben Sie Erfahrungen mit ­Fremdenfeindlichkeit gemacht? Ich habe erst relativ spät erlebt, dass ich als Ausländerin betrachtet werde. Erst als man mich als junge Frau auf meinen Nachnamen ansprach.

Ist das politisch ein Thema für Sie? Für mich ist die SPD die Partei, die für eine offene und inklusive Gesellschaft kämpft. Das heißt, man geht vorurteilsfrei auf Menschen zu. Wir wollen, dass alle Menschen die Chance haben, ihre ­Lebensträume zu verwirklichen. Die Gesellschaft muss jedem Chancen­ gerechtigkeit bieten. Das ist für mich Kern sozialdemokratischer Politik. Insofern ist Integrationspolitik für mich ein wichtiges Querschnittsthema, wie ­Frauenpolitik im Übrigen auch. Für Sie ist die Politik vor Ort sehr ­konkret. Was heißt das für Ihre Arbeit als Generalsekretärin? Ortsvereine und Unterbezirke sind für mich Orte, wo wir mit den Menschen ins Gespräch kommen und wo wir kontinuierlich Beziehungen pflegen können. Wir dürfen uns nicht nur mit uns selbst ­beschäftigen: Ob der Schützenverein, die Elterninitiative oder Arbeitnehmergrup-

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Wir dürfen uns nicht nur mit uns selbst beschäftigen.

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Yasmin Fahimi, setzt auf breite Kontakte in alle Teile der Gesellschaft

Yasmin Fahimi: „Gleichberechtigung muss ein Thema bleiben.“

pe, diese Kontakte sind für uns wichtig, sie sind eine Bereicherung sozialdemokratischer Politik. Was ist Ihre erste und wichtigste ­Aufgabe? Der Europawahlkampf ist von größter Bedeutung. Zum ersten Mal werden die Parteien einen Europawahlkampf mit einem echten Spitzenkandidaten führen. Wir sind stolz darauf, dass Martin Schulz nicht nur deutscher Spitzenkandidat ist, sondern auch Spitzenkandidat aller so­ zialdemokratischen Parteien in Europa. Es ist ein großes Pfund, welch großes ­Ansehen Martin Schulz in ganz Europa genießt. Das werden wir nutzen. Nach meinem Verständnis ist Europa vor allem auch eine sozialdemokratische Idee, die vor dem Hintergrund der Diskussionen um Sparzwänge droht unterzugehen. Wie kann die SPD das verhindern? Unser Ziel muss es sein, die Menschen wieder für die europäische Idee zu begeistern. Für ein soziales Europa, für ein Europa der Wirtschaftskraft und der Regionen. Das geht nur, indem man ­Vertrauen in Europa und vor allem seine Institutionen wiederherstellt. Denn gerade hier besteht Reformbedarf. Unsere Botschaft heißt dabei ganz klar: Ein ­anderes, ein besseres Europa ist möglich! Sie sind Gewerkschafterin. Wird das eine Rolle spielen, das Verhältnis zwischen SPD und Gewerkschaften zu verbessern? Ich bin froh darüber, dass sich die Gespräche zwischen Gewerkschaften und Sozialdemokratie wieder vertieft haben. Diese Brücke will ich ausbauen. Ich glaube, dass beide Bewegungen davon profitieren können, wenn sie verstehen, dass sie gemeinsam sehr viel mehr erreichen können. Die SPD regiert zurzeit mit der Union. Macht das die Aufgabe als General­ sekretärin schwieriger? Nein. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen wichtige sozialdemokratische Ziele durchgesetzt, die es ohne diese große Koalition in den nächsten vier Jahren nicht geben würde. Im Übrigen werde ich als Generalsekretärin auch in einer großen Koalition deutlich darauf hinweisen, was wir mit der Union nicht machen können. Es wird immer die Möglichkeit geben zu sagen, wo die Grenze dessen ist, was in dieser Konstellation möglich ist, und wo wir mehr wollen. Dafür werden wir 2017 neu werben. Darauf können wir uns jetzt schon vorbereiten. Sie sind die zweite Generalsekretärin in Folge. Ist das Ziel der Gleichstellung in der SPD erreicht? Gleichberechtigung muss ein Thema bleiben. Aber wir haben in den vergangenen Monaten die Sozialdemokratie deutlich weiblicher aufgestellt. Das ist eine Vitaminspritze, die wir gut gebrauchen können. n

Foto: Dirk Bleicker

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Aktuell 9

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Auswärtiges Amt Frank-Walter Steinmeier Europa ist das Thema, das Frank-Walter Steinmeier als Außenminister am meisten umtreibt. Die Geschichte lehre, dass mehr als 60 Jahre Sicherheit und Frieden auf dem Kontinent keine Selbstverständlichkeit seien. Nur ein vereintes Europa biete Chancen für eine Zukunft mit Wohlstand und Sicherheit. Er zeigt sich zuversichtlich, dass Europa die wirtschaftliche Krise „mit zähen Anstrengungen“ hinter sich lässt, aber ist „noch nicht überzeugt, dass wir die politische Krise bewältigen“. Daran müsse hart gearbeitet werden.

Anti-Europäern entgegenstellen

Minister Frank-Walter Steinmeier setzt auf Zusammenarbeit: „Kein Land ist mit seinen Nachbarn so eng verbunden wie wir.“

Steinmeier will sich dem Einfluss antieuropäischer Populisten entgegenstellen. Die Europawahl im Mai sei dafür ganz entscheidend. Steinmeier weiß aber auch, dass Jüngere an Europa zweifeln und will sich dafür einsetzen, „dass junge Menschen – etwa in Südeuropa – nicht mehr fragen müssen, ob diesem Europa der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft genauso wichtig ist wie Binnenmarkt und Wettbewerb.“ Er plädiert dafür, mit den wirtschaftlich schwächeren Ländern solidarisch zu sein: „Denn es geht uns Deutschen besser als vielen anderen, und kein Land ist mit seinen Nachbarn so eng verbunden wie wir.“ Auch der syrische Bürgerkrieg beschäftigt Steinmeier intensiv. „Wir müssen alles dafür tun, das Blutvergießen zu beenden.“ Er will, dass schnell Zugangskorridore geschaffen werden, um der Zivilbevölkerung zu helfen. – Und weiß, das kann nur ein Anfang sein. n kn

Unsere Handschrift Bundeskabinett Der »vorwärts« hat die sozialdemokratischen Minister und Ministerinnen nach ihren persönlich wichtigsten Projekten befragt

Foto: Dirk Bleicker

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chön“ nannte Kanzlerin Merkel die Kabinettsklausur der Bundesregierung Ende Januar. – „Und konkret“ könnte man hinzufügen. Denn Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel hat nach knapp vier Wochen im Amt eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorgelegt, die ganz klar seine Handschrift trägt. Ein wichtiger Schritt hin zur Energie­wende ist damit vollzogen. – Gabriels CDUVorgänger hat das in eineinhalb Jahren nicht geschafft. Auch die Rentenreform von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles ist schon auf den Weg gebracht.

Seit gut sechs Wochen regiert SchwarzRot das Land. Und die sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder setzen die Themen. Neben SPD-Chef Gabriel und Nahles hat sich auch Bundesjustiz­ minister Heiko Maas durchgesetzt: Die Vorratsdatenspeicherung wird erst umgesetzt, wenn der Europäische Gerichtshof endgültig darüber entschieden hat. Frank-Walter Steinmeier als neuer/alter Außenminister justiert die deutsche Außenpolitik neu und kümmert sich wieder verstärkt um Europa. Es gibt keinen im „roten Kabinett“, der in seinem Ressort noch keine kla-

Die SPD in der Regierung

ren Vorschläge formuliert hat: Familienministerin Manuela Schwesig zu modernen Arbeitszeitmodellen, die Integra­tionsbeauftragte Aydan Özoguz zum Ausbau der doppelten Staatsbürgerschaft und Bundesbauministerin Barbara Hendricks lädt die Kommu­ nen zur Aussprache über das Thema „Armutszuwanderung“ ein. Von der ­ Union ist derweil wenig zuhören. Die Kanzlerin wird das auf Dauer nicht „schön“ finden. Denn die Sozialdemokraten grenzen sich konstruktiv von der Union ab und machen deutlich: Sie geben das Tempo in der Regierung vor. n KN


10  Aktuell Wirtschaft und Energie Sigmar Gabriel „Die Energiewende hin zu Erneuerbaren Energien ist das erste und wichtigste Projekt“ für Bundeswirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel. „Dieses Projekt ist in großer Gefahr, wenn die Kosten weiter steigen“, warnt der Minister. Deshalb ist eines seiner zentralen Ziele, „den dramatischen Anstieg der Strompreise zu stoppen“. Diesem Ziel dient seine Novelle für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). „Technologien, die nicht wettbewerbsfähig sind, werden wir nicht mehr fördern“, betont Gabriel. Dies gelte etwa für Biomasse. Zugleich werde er die Zahl der Befreiungen von der Umlage reduzieren. „Da sind viele bevorteilt worden, die

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gar keine Befreiung nötig hatten“, kritisiert der Bundeswirtschaftsminister die schwarz-gelbe Vorgängerregierung.

Arbeitsplätze schaffen Zugleich will Gabriel die Versorgungssicherheit gewährleisten. „Dazu gehört der zügige Netzausbau, damit wir Windenergie vom Norden in den Süden bringen können.“ Für den Minister ist die Energiewende „die größte wirtschaftliche, ökologische und soziale Herausforderung seit der Wiedervereinigung“. Gleichzeitig sei sie auch eine große Chance. „Wir haben inzwischen 300 000 Arbeitsplätze im Bereich der Erneuerbaren Energien, in der Atombranche waren es maximal 30 000.“ Deshalb will Gabriel „aufpassen, dass Arbeitsplätze geschaffen und nicht vernichtet werden“. n LH

Große Herausforderung: Sigmar Gabriel treibt die Energiewende voran.

Familie, Senioren, Frauen und Jugend Manuela Schwesig Neuer Schwerpunkt ihrer Familienpolitik wird die Partnerschaftlichkeit sein. „Nur wenn die Partner es schaffen, Beruf und Familie in Einklang zu bringen, gelingt auch die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen“, sagt Manuela Schwesig. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für sie als ­Familienministerin das Wichtigste.

Mehr Zeit für die Familie

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Barbara Hendricks Ein solches Ministerium gab es auf Bundesebene noch nie. Barbara Hendricks ist die erste Ministerin, in deren Haus die Umwelt-, die Bau- und die Stadtentwicklungspolitik gebündelt werden. „Ich habe eine Integrationsaufgabe“, sagt Hendricks. Sie sehe eine „Riesenchance“, dass sich die verschiedenen Bereiche „in diesem neuen Ministerium gegenseitig befruchten“.

Klimaschutz im Zentrum Die Aufgaben sind gewaltig. Sie reichen von der Suche nach einem Endlager für radioaktive Abfälle und der Gründung eines „Bundesamts für kerntechnische Entsorgung“ über die Versorgung mit

bezahlbarem Wohnraum bis zur Neuausrichtung des Programms „Soziale Stadt“, „um auch Städte zu entlasten, die von der sogenannten Armutszuwanderung aus Südost-Europa besonders betroffen sind“. Dabei verliert Hendricks auch die ganz großen Themen nicht aus dem Blick. „Der Klimaschutz bleibt eine zentrale Aufgabe – im nationalen wie im internationalen Bereich.“ 2015 steht der nächste Klimagipfel an. In Paris soll ein neues globales Abkommen geschlossen werden, um die Treibhausgasemissionen deutlich zu senken. Barbara Hendricks‘ Ministerium spielt dabei die Schlüsselrolle. Die Ministerin weiß: „Wenn Sie erfolgreiche Klimaschutzpolitik machen wollen, kommen Sie am Thema Bauen und Stadtentwicklung nicht vorbei.“ n KD

Fotos: Dirk Bleicker

Mehr Partnerschaftlichkeit: das zentrale Thema für Manuela Schwesig

Schwesig will aber nicht nur beim Kitaausbau weiterkommen, sie will auch, dass die Arbeitswelt endlich familienfreundlicher wird. Das im Koalitionsvertrag vereinbarte ElterngeldPlus ist ein Schritt in diese Richtung.

Die Familienarbeitszeit bleibt für sie Thema. „Ich möchte das gerne mit den Gewerkschaften und Arbeitgebern beraten. Wir brauchen Modelle, die es ­ermöglichen, dass beide Partner arbeiten und Zeit für ihre Familien haben.“ In der Frauenpolitik will Schwesig das Gesetz zur Förderung von Frauen auf den Weg bringen. „Frauen brauchen bessere Chancen, um in Führungspositionen zu kommen“, erklärt sie und erinnert an die gläserne Decke. „Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir eine verbindliche Quote für Aufsichtsräte einführen und für Vorstände verbindliche Zielvorgaben.“ Außerdem will die Ministerin Vereine und Verbände, die sich stark machen g­ egen Rechtsextremismus, gut unterstützen. Auch das gehört in ihren Zuständigkeitsbereich. n VR

Klimaschutz: Ohne das neue Ministerium von Barbara Hendricks geht nichts.


Aktuell 11

02/2014 vorwärts

Arbeit und Soziales Andrea Nahles Die Themen Mindestlohn und All­ gemeinverbindlichkeit von Tarifver­ trägen sind für Andrea Nahles ein ­Gesamtpaket. Dabei gehe es nicht nur um gerechte Löhne, sondern auch um mehr Rechte wie Urlaub, Weihnachtsgeld und Punkte, mit denen „wir die Arbeits- und Lebensbedingungen ganz normaler Ar­ beitnehmerinnen und Arbeitnehmer ver­ bessern können.“ Vieles sei in den letzten 15 Jahren „geschliffen worden“, sagt sie.

»Ein echter Politikwechsel« In Sonntagsreden wurde die Sozialpart­ nerschaft zwar stets gelobt, doch sei die Tariflandschaft zum Flickenteppich geworden. „Da möchten wir konkret ge­ gensteuern“, erklärt sie. „Das ist ein ech­

ter Politikwechsel, den wir gut verhan­ delt, im Koalitionsvertrag vereinbart haben und umsetzen werden.“ Mindestlohn und Rente mit 63 sind für die Arbeitsministerin zentrale The­ men. Was ihr aber auch wichtig ist: „Mit Bundesarbeitsminister Olaf Scholz ha­ ben wir den Rechtsanspruch auf Teilzeit geschaffen, das war ein toller Erfolg.“ Nun zeige sich, dass Frauen oft gegen ihren Willen zu lange in Teilzeit blieben, deshalb wolle sie das Rückkehrrecht auf Vollzeit umsetzen. Doch was ist eine Normalarbeitszeit? „Ich stelle mir einen Arbeitszeitkorridor vor, in dem man alles zwischen 30 und 38 Stunden als normal ansieht.“ Sie werde mit Manuela Schwe­ sig auch unterhalb der Gesetzesebene für neue Ideen werben, die den Bedürfnissen der Menschen – und besonders der jun­ gen Familien – entsprechen. n VR

Mindestlohn und Rente mit 63: die zentralen Themen von Ministerin Nahles

Justiz und Verbraucherschutz Heiko Maas

Mietpreisbremse: Justizminister Maas macht Tempo beim Mieterschutz.

Migration, Flüchtlinge und Integration Aydan Özoguz „Mein erstes Projekt wird es sein, die Op­ tionspflicht abzuschaffen“, sagt Aydan Özoguz. Dabei geht es um hier gebore­ ne junge Menschen, die ausländische Eltern haben. Einschränkend fügt sie hinzu: „Das kann ich aber nur begleiten, denn die Gesetzgebung liegt federfüh­ rend beim Bundesinnenminister.“

Fotos: Dirk Bleicker

Gesetz noch in diesem Jahr Dort arbeite man bereits an einem Ge­ setz. „Dazu werden wir Sozialdemokra­ ten unsere Vorschläge auf den Tisch ­legen. Das Gesetz soll in jedem Fall noch in diesem Jahr wirksam werden.“ Denn eines ist für Özoguz klar: „Nach der ­Einigung im Koalitionsvertrag sollen

Noch während der ersten 100 Tage im neuen Amt will Heiko Maas ein Ge­ setz zur Mietpreisbremse auf den Weg bringen. „Die Länder legen Gebiete fest, in denen Wohnungen ohnehin schon knapp sind“, erklärt Maas die geplante Regelung. Wenn in diesen Gebieten eine Wohnung wiedervermietet wird, soll die Miete künftig nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Miete ­liegen dürfen. Der Hintergrund: Besonders in Groß­ städten sind die Mietpreise in den ver­ gangenen Jahren rasant angestiegen. Wenn er mit Freunden aus München, Hamburg, Frankfurt am Main oder Berlin spreche, werde er immer wieder

keine jungen Menschen mehr wegen der ­ Optionspflicht ausgebürgert wer­ den.“ Ganz oben auf ihrer Agenda steht auch das Thema Zuwanderung. „Wir brauchen eine sachliche Debatte, keine Stimmungsmache“, sagt sie mit Blick auf die CSU. Özoguz setzt auf Fakten. Dazu gehöre, dass Deutschland wie kaum ein anderes Land in Europa von Zuwande­ rern profitiere. Schrille Töne schadeten dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und der nötigen Willkommenskultur. „Natürlich gibt es ­A rmutsmigration, das ist nicht wegzureden“, sagt die Staatsministerin. Aber die These vom massenhaften Sozialmissbrauch gehe an der Realität vorbei. Die Bleiberechtsregelung für lang­ jährig geduldete Flüchtlinge und die weitreichende Lockerung der Residenz­ pflicht sind weitere Projekte. n LH

darauf angesprochen, sagt Maas. Für die Sozialdemokratie sei bezahlbarer Wohnraum ein wichtiges Anliegen. Die SPD werde das Thema deshalb in unter­ schiedlichen Ministerien von verschie­ denen Seiten angehen, verspricht der Bundesjustizminister. So werde ­ seine Kollegin Barbara Hendricks, die für Städtebau zuständig ist, pro Jahr 518 Millionen Euro mehr in den sozialen Wohnungsbau investieren.

Wer bestellt, der zahlt Auch ein weiteres Wahlversprechen der SPD will Maas schnell einlösen: „In Zukunft wird derjenige den Makler be­ zahlen müssen, der ihn auch beauftragt hat“, kündigt er an. Eigentlich sei das eine Selbstverständlichkeit. Nun werde dieses Prinzip auch gesetzlich festge­ schrieben. n CFH

Optionspflicht schnell abschaffen: das erste Projekt der Integrationsministerin


12  In Kürze

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Patrick Dahlemann Er nutzte eine NPD-Demo, um deren Parolen zu entlarven Global gedacht Von Rafael Seligmann 2014 jährt sich zum 100. Mal der Beginn des Ersten Weltkrieges. Die Staaten Europas fielen keineswegs unvermittelt wie „Schlafwandler“ übereinander her, wie der Historiker Christopher Clark schreibt. Als Brandbeschleuniger des Waffengangs wirkte vielmehr ein verbreiteter Nationalismus, der Krieg als legitimes Mittel der Politik ansah. Der Frieden von Versailles wurde von den meisten ­ Deutschen abgelehnt. Die Nazis machten sich dies zunutze. Erst die Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und die begleitenden Kriegsverbrechen sowie der Holocaust bewiesen den Völkern Europas, dass Krieg ihre Existenz gefährdete. Dies und das Gleichgewicht der nuklearen Abschreckung war und bleibt die ­Basis des europäischen Friedens. In Nahost dagegen gibt es nach wie vor religiöse und nationalistische Bestrebungen, die Gewalt zur Vernichtung des Feindes rechtfertigen. Nicht nur im arabisch-israelischen Konflikt, sondern auch intern, wie die Bürgerkriege in Syrien, Libanon und Irak zeigen. Auch in Afghanistan ist nach dem Abzug der ISAF mit kriegerischen Auseinandersetzungen zu rechnen. Da die Staaten und Gruppen teilweise keinen Frieden wollen, sie zumindest unfähig sind, diesen allein zu erreichen, bedarf es einer konzertierten ausländischen Intervention. Die Mittel sind Diplomatie und wirtschaftliche Unterstützung, keine Waffenhilfe oder gar Truppen! Es gilt zudem, Iran rasch von der Entwicklung von Atomwaffen und Vernichtungsdrohungen abzuhalten. Hier ist Deutschland, besonders Außenminister ­ Steinmeier, neben den fünf ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrats gefragt. Auch die israelisch-palästinensische Auseinandersetzung ist nur durch eine globale Übereinkunft lösbar. In Fernost drohen Chinas Expansionsdrang und der neu entfachte Chauvinismus Japans zu einer Eskalation zu führen. Die Regierungen beider Staaten sollten ebenso wie die Europäer aus ihrer Geschichte lernen. Ein Krieg ist wie ein tiefer Sumpf, in den man unversehens hineingerät und aus dem man nur schwer wieder herauskommt. Das ist die Lehre von 1914. n

„Man kann Ausländerfeindlichkeit und Rassismus an vielen Stellen entgegentreten.“ Patrick Dahlemann tat es auf einer Bühne der NPD.

Ein Trecker zum 60. Der Geburtstag war noch im alten Jahr, gefeiert wurde erst im neuen. Am 29. Dezember ist Matthias Plat­ zeck 60 Jahre alt geworden. Am 15. Januar wurde der langjährige Ministerpräsident mit einem Empfang im brandenburgischen Landtag geehrt. Ein Geschenk wird er sich etwas später selbst machen: Nach der Landtagswahl im September, bei der Platzeck nicht mehr antritt, wird er sich einen kleinen Trecker kaufen. Langweilig wird dem früheren SPD-Chef nicht werden: Im März kandidiert er als Vorstandsvorsitzender des DeutschRussischen Forums. n KD

»B« für Gabriel Als die Häftlinge des Konzentrationslagers Auschwitz auf Befehl der SS das Schild mit der zynischen Botschaft „Arbeit macht frei“ anfertigen mussten, stellten sie im Wort „Arbeit“ das „B“ auf den Kopf. Es war ein Signal des Widerstands. Seit 2010 verleiht das Internationale Auschwitz Komitee (IAK) eine Skulptur in Form eines „B“ an Persönlichkeiten, die sich für die Demokratie und gegen Rechtsextremismus

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as Video war im Januar der Renner auf der Internetplattform „Youtube“. In dem 15-minütigen Film ist der SPD-Kommunalpolitiker Patrick Dahlemann zu sehen, wie er den platten Parolen der NPD an ihrem eigenen Mikrofon widerspricht. Der Auftritt in Torgelow fand bereits im Juli vergangenen Jahres statt, als die NPD durch Mecklenburg-Vorpommern tourte und Stimmung gegen Asylbewerber machte. Dahlemann bearbeitete einen Mitschnitt und versah ihn mit Kommentaren. In wenigen Tagen wurde das Video fast 180 000 Mal aufgerufen. Das Medienecho war gewaltig. Doch trotz des Erfolgs rät der 24-Jährige nicht unbedingt zum Nachahmen: „Man sollte sich vorher gut überlegen, ob man der Situation gewachsen ist.“ Und dennoch: „Man kann Ausländerfeindlichkeit und Rassismus an vielen Stellen entgegentreten: in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, vielleicht sogar im Freundeskreis. Gelegenheiten gibt es leider häufig genug.“ n KD

Interview mit Patrick Dahlemann: vorwaerts.de/114262

und Antisemitismus einsetzen. Am 27. Januar, dem Internationalen HolocaustGedenktag, nahm Sigmar Gabriel die Ehrung für sein Engagement entgegen. Christoph Heubner, Exekutiv Vizepräsident des IAK, überreichte dem SPD-Chef die Statue im Willy-BrandtHaus. Mit dabei waren auch Auszubildende von Volkswagen. Sie fertigen die Skulptur an und helfen mit polnischen Kollegen bei der Erhaltung der Gedenkstätte Auschwitz. n KD

Horst Krockert ehem. MdB zum 90. Geburtstag

Begehrter Willy

Gerhard Heimann ehem. MdB zum 80. Geburtstag

Der Erfolg hat sogar die „vorwärts“Redaktion überrascht. Innerhalb weniger Wochen war die erste Auflage des Sonderhefts zum 100. Geburtstag Willy Brandts ausverkauft. Die zweite kam zum Glück rechtzeitig aus der Druckerei für die vielen Feierlichkeiten rund um den 18. Dezember. Und auch unter dem Weihnachtsbaum lag der vorwärts-­ Extra in vielen Wohnzimmern. Wer noch kein Heft hat, muss sich beeilen: Auch die zweite Auflage neigt sich langsam dem Ende entgegen. n KD Bestellformular: vorwaerts.de/willy-brandt-100

Herzlichen Glückwunsch

Robert Antretter ehem. MdB Peter Feile ehem. MdB Adelheid Tröscher ehem. MdB Jürgen Vahlberg ehem. MdB zum 75. Geburtstag Gerhard Langemeyer ehem. OB in Dortmund Hansjörg Schäfer ehem. MdB Christian Pfeiffer ehem. Justizminister in Niedersachsen zum 70. Geburtstag Heinz Ruhnau zum 65. Parteijubiläum Wolfram Aussieker zum 60. Parteijubiläum

Foto: Daniel Naupold/dpa, Ralf Hirschberger/dpa

Mikro umgedreht


In Kürze 13

02/2014 vorwärts

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Ich lege keinen Gesetzentwurf vor, bevor der Europäische Gerichtshof geurteilt hat, ob die Richt­linie die Rechte der EU-Bürger verletzt oder nicht.

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Heiko Maas, Bundesjustizminister zur Vorratsdatenspeicherung

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Die Krise besteht weiter fort. Doch es liegt Optimismus in der Luft.

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Christine Lagarde,

IWF-Chefin, zu den Aussichten für die Weltwirtschaft.

Am 7. Februar beginnen die ­Olympischen Winterspiele in Sotschi. Was bedeuten sie für die Region? Vor einigen Jahren hat die russische Regierung ein Konzept für den nördlichen Kaukasus erarbeitet. Es basiert auf Wirtsc h a f t s f örde r u n g , Sport und Freizeitgestaltung. Die Winterspiele sind als ein Teil davon zu sehen und ein Versuch, den Kaukasus friedlicher zu machen. Ob das gelingen wird, ist derzeit mehr als fraglich. Russland hätte mit diesen Spielen gern einen ähnlichen Effekt wie Deutschland mit der Fußball-WM 2006: also ein neues Bild des Landes zu präsentieren. Dagegen sprechen die innenpolitischen Entwicklungen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm. Human Rights Watch warnt, die Spiele würden in einer ­„ Atmosphäre der Angst und Einschüchterung“ stattfinden. Können Sie die Kritik nachvollziehen? Mit einer solchen pauschalen Beschreibung der Verhältnisse wäre ich vorsichtig. Ja, Terroranschläge gilt es in einer ohnehin sehr unsicheren Region zu ver-

Drei Fragen an

Reinhard Krumm

die SPD verdankt ihm viel Harry Walter, SPD-Wahlkampfmanager von 1969 bis 1980, ist tot. Er galt als Vater der politischen Werbung in Deutschland

FotoS: Torben Geeck, Kai Doering

hindern. Zudem sind derartige Groß­ ereignisse immer mit umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen verbunden. Das war bei den Olympischen Spielen in ­Peking nicht anders. Das macht die Sache nicht besser. Die Verhältnisse schon im Vorfeld zu ­verurteilen, nur weil die Spiele in Russland stattfinden, halte ich trotzdem für ­einen Fehler. Wenn sie vorbei sind, sollte man ­eine ehrliche Bilanz und Schlüsse für weitere Spiele ziehen. Ende vergangenen J­ahres hat ­Präsident ­Putin eine weit ­reichende Amnestie ­erlassen. Sehen Sie ­einen Zusammenhang zu den jetzt beginnenden Spielen? Natürlich kann es sehr gut sein, dass Putin kurz vor Beginn der Olympischen Winterspiele mit der Freilassung gut Wetter im Westen machen wollte. Allerdings sind eigentlich die Zeiten vorbei, in denen Länder derart auf die Reak­tion anderer Staaten angewiesen waren. Die Freilassung Michail Chodorkowskis wurde ja lange vorbereitet – nicht zuletzt von deutscher Seite. n KD

Wenn man in den Personenregistern einschlägiger Biografien über Willy Brandt nach dem Namen Harry Walter sucht, dann findet man ihn nicht. Das ist seltsam. Denn es ist z.B. sehr wahrscheinlich, dass Willy Brandt 1969 ohne die schöpferische Kraft von Harry Walter und seiner Werbeagentur ARE nicht Bundeskanzler geworden wäre – und damit der politische Wechsel nach 20 Jahren ­ CDU-Herrschaft ausgeblieben wäre. Von den Geschichtsschreibern wird die Arbeit jener Leute im Hintergrund, die die politische Kommunikation ­fördern, nicht gewürdigt. Also soll das hier umso deutlicher geWilly zum Wahlsieg verholfen: schehen: Harry Walter ist an Silvester Harry Walter beim Besuch in der gestorben. Er war ein toller Kerl, masvorwärts-Redaktion im April 2013 sig, unkonventionell, ein verlässlicher Freund. Von ihm konnte man viel lernen: zum Beispiel, welche große Bedeutung die Gefühle in der politischen Kommunikation haben. Zum Beispiel, dass man Menschen da abholen muss, wo sie sind. Harry Walter hat Dutzende von Wahlkämpfen bestritten, in Deutschland, in Südamerika, in Israel, in Österreich, etc. Er hat neue Methoden eingeführt – so etwa die sogenannten Testimonials. Er pflegte ein Netz von anerkannten und geliebten Menschen, die er zu einem freundlichen Zeugnis für die SPD ermunterte. Die Sozialdemokratie verdankt ihm mehr, viel mehr, als die Historiker glauben. n Albrecht Müller

Dr. Reinhard Krumm ist Leiter des Referats Mittel- und Osteuropa der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Eine Lebensaufgabe Die Gleichstellung der Geschlechter war ihre Lebensaufgabe. 1973 gründete Brunhilde Peter die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) im Saarland. 1985 wurde auf ihr Betreiben hin eine Gleichstellungsstelle in der saarländischen Staatskanzlei eingerichtet. Im selben Jahr wurde sie die einzige Ministerin in der Landes­ regierung. Brunhilde Peter starb am 21. Januar im Alter von 88 Jahren. n KD Nachruf von Elke Ferner: vorwaerts.de/ 114452

Erklärer des Ostens „Nie hat ihn eine neue Niederlage der Menschlichkeit kalt gelassen“, hieß es, als Dirk Sager 2002 den HannsJoachim-Friedrichs-Preis erhielt. 18 Jahre lang berichtete der Fernsehjournalist für das ZDF aus der Sowjetunion und aus Russland, erklärte den Menschen im Westen, wie der Osten tickt. Seine letzte große Reportagereise führte ihn 2007 im Zug von Berlin nach Saigon. Am 2. Januar ist Dirk Sager 73-jährig verstorben. n KD

Unser Europa

Die vergessene Minderheit Roma profitieren nicht wirklich von der Freizügigkeit in Europa Von Peter Riesbeck Europa vergisst schnell. Vor drei Jahren, als Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy Roma nach Rumänien und ­ Bulgarien abschob, regte sich in Großbritannien eine Stimme. Premier David Cameron beschwor das Grundrecht der Freizügigkeit in Europa. Das hat sich gewandelt, Cameron hat seine Prinzipien vergessen. Längst rüpelt er gegen die Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Bulgarien und Rumänien. Die ist – nach einer mehrjährigen Übergangsfrist – zu Jahresbeginn in Kraft getreten. Europa aber tut völlig überrascht. Nicht nur in Großbritannien. In Deutschland hat die CSU das Thema für den Kommunal- und Europawahlkampf entdeckt. „Wer betrügt, der fliegt“, lautet die griffige Parole, die aufhorchen lässt. Zum einen stellt sie gleich jeden Zuwanderer unter Generalverdacht (eigene Generalsekretäre und Fußballfunktionäre sind vom Generalverdacht Betrug freilich ausgenommen). Zum anderen bietet sie eine neue Form der europapolitischen Dialektik: Für Europa, aber gegen Brüssel. So ist der Ton derzeit, nicht nur in ­Bayern. Nur Kommunen wie Mannheim, Duisburg und Dortmund ist dabei nicht geholfen. Und den Menschen erst recht nicht. Viel wäre es schon wert, wenn das Thema benannt würde. Es geht in vielen Fällen um Roma. Vor 600 Jahren kamen sie aus Asien nach Europa, damals noch ausgestattet mit Schutzbriefen von ­Kaiser oder Papst. Diese Willkommenskultur hat sich längst geändert. Seit Jahrhunderten werden die Roma in Europa unterdrückt. Die EU hat die Roma erst 2011 entdeckt und ein Integrationsprogramm aufgelegt. Umgesetzt wird es vor allem in Spanien. Sonst hat sich wenig getan rund um Europas vergessene Minderheit. In Deutschland gibt es vage Ansätze. In Berlin-Neukölln werden rumänische Akademiker für die Grundschulklassen mit rumänischen Roma-Kindern angeworben. Eher die Ausnahme. „Für die Roma in Ungarn, Rumänien, im Kosovo, in der Slowakei beginnt die Ausgrenzung erneut, in den heimischen Siedlungen und überall dort, wo sie Europas offene Grenzen überschreiten“, so der Autor Klaus-Michael Bogdal. n


14  Aktuell

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Den Neonazis einen Vogel zeigen Storch Heinar Wie eine Kunstfigur den Rechten in MecklenburgVorpommern das Leben schwer macht Von Kai Doering

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as Wummern ist schon zu hören, bevor der Storch seinen Schnabel durch die Tür schiebt. Keine Frage, dieser Vogel mag Marschmusik. Und er hat seine eigene Kapelle mitgebracht. Im Gleichschritt marschieren die Musiker in die Turnhalle der Ostsee-Schule in Wismar ein. Es ist ein kalter Montagmorgen. Draußen ist ANZEIGE

Die SPD-Bürgerschaftsfraktion Land Bremen sucht zum nächstmöglichen Termin eine/einen

Parlamentsreferentin/Parlamentsreferenten für den wissenschaftlichen Dienst der Fraktion, insbesondere für die Bereiche Umweltschutz, Energie, Netzpolitik, Bundes- und Europaangelegenheiten, Entwicklungszusammenarbeit sowie für Medienangelegenheiten. Die Einstellung ist befristet bis zum Ende der 18. Wahlperiode der Bremischen Bürgerschaft. Eine Weiterbeschäftigung darüber hinaus ist beabsichtigt. Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 39,2 Stunden (Vollzeit). Voraussetzung für die Einstellung ist ein Studium der Politikwissenschaft oder der Rechtswissenschaften mit erfolgreich bestandenem zweitem juristischem Staatsexamen (Volljuristin/Volljurist) oder ein für den Tätigkeitsbereich einschlägiges anderes abgeschlossenes Hochschulstudium. Weitere Informationen unter www.spd-fraktion-bremen.de/stellenangebote. Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen schicken Sie bitte bis zum 10. 2. 2014 an die SPD-Bürgerschaftsfraktion Land Bremen, Herrn Frank Pietrzok, Wachtstraße 27/29, 28195 Bremen. Bewerbungen sind auch per E-Mail möglich: f.pietrzok@spd-bremen.de

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es noch dunkel. Drinnen haut „BummBumm Bernhard“ auf die Pauke. Rund 70 Schüler der siebten bis zehnten Klasse schauen ihm dabei zu und scheinen nicht genau zu wissen, was sie von dem Mann in der blauen Uniform und mit der dunklen Sonnenbrille halten sollen. Dann ergreift der Storch das Wort. „Mir sträuben sich die Nackenfedern, wenn ich mich in unserem schönen Bundesland umsehe“, klagt er mit rollendem „R“ und dröhnender Stimme. „Nur gemeinsam können wir den Nazis die Butter vom Brot nehmen.“ Und genau dafür ist er hier. Für einen Projekttag ist Storch Heinar mit seiner Band „Storchkraft“ an der Ostsee-Schule gelandet. Einen Vormittag lang klären Heinar und seine Mitstreiter die Schüler über rechte Musik, rechte Modemarken und rechte Internetseiten auf. „Man braucht einen Identifika­ tionspunkt, wenn man etwas gegen die Rechten erreichen möchte“, erklärt ­Julian Barlen. Der 33-Jährige ist Abgeordneter des Landtags von MecklenburgVorpommern und als Projektkoordinator so etwas wie der Erziehungsberechtigte von Storch Heinar. Entstanden ist die Figur bei einer Rotweinrunde im Sommer

Preisgekrönter Storch Eine Heinar-Puppe, ähnlich den Maskottchen in Fußball-Stadien, wurde gebaut und die Band „Storchkraft“ gegründet. „Bumm-Bumm Bernhard“, „Posaunen Peter“ und „Trommelfeuer Fritz“ blasen seit 2011 den Rechten in MecklenburgVorpommern den Marsch. „Mikrophon Manfred“ alias Julian Barlen und „Verstärker Volker“ singen dazu. Ihren größten Auftritt hatte die Truppe im vergangenen Jahr beim Deutschlandfest zum 150-jährigen Jubiläum der SPD in Berlin. Verankert in der Partei ist Storch Heinar schon länger. Auf dem Bundesparteitag 2011 wurde das Projekt mit dem Wilhelm-Dröscher-Preis ausgezeichnet. „Das Preisgeld konnten wir gut gebrauchen“, sagt Barlen. „Wir sind nämlich auf Spenden angewiesen.“ Ein Jahr später erhielten sie den Deutschen Engagementpreis. 2013 wurde Storch Heinar zum BundesEngagement-Botschafter ernannt. „Wir könnten jedes Wochenende irgendwo in der Republik auftreten“, sagt Barlen. Obwohl Heinar und seine ehrenamtliche Truppe natürlich nicht überall persönlich einfliegen können, bieten sie trotzdem jedem Unterstützung gegen Neonazis an, der selbst aktiv werden möchte. „Wir haben gerade neues Material gegen die ‚braune Brut‘ in unseren digitalen Kaufmannsladen gestellt, das für die anstehenden Kommunalwahlkämpfe und die Europawahl genutzt werden kann“, sagt Barlen. Und wenn es Marschmusik gibt, kommt Heinar ab und an vielleicht auch selbst vorbei. n Material gegen Nazis bietet Storch Heinar auf www.propaganda.storch-heinar.de

Foto: Oliver Cruzcampo

Mit Storchkraft: Heinar, „Mikrofon Manfred“ (Julian Barlen), „Trommelfeuer Fritz“ und „Bumm-Bumm Bernhard“ (v.l.) in Wismar

2008. Im Jahr zuvor hatte in der Rostocker Innenstadt ein Laden mit bei Neonazis beliebter Mode aufgemacht. Eine Gruppe um den heutigen Bildungsminister Mathias Brodkorb wollte dem etwas entgegensetzen – etwas Kreatives. Schnell war klar: Eine eigene Modemarke muss her, eine, die die Mode der Rechten aufs Korn nimmt. So wurde aus dem Namen „Thor Steinar“, unter dem Jacken, Pullover und T-Shirts verkauft werden, die besonders gern von Rechten getragen werden, „Storch Heinar“. Den hieß es mit Leben zu füllen. Bald war die Figur des Storchs mit Uniform, Seitenscheitel und Oberlippenbärtchen geboren. Gezeichnet erschien sie auf T-Shirts und Pullovern, die Brodkorb, Barlen und Co. übers Internet verkauften. Den Erlös nutzten sie für den Kampf gegen Rechts. Wenige Monate darauf bekamen die Heinar-Macher Post. „Thor Steinar“ sah seine Markenrechte verletzt. Es kam zum Prozess, den Heinar 2010 gewann. „Danach war unser Storch über Nacht weltbekannt“, sagt Julian Barlen. Eine wahre Erfolgsgeschichte begann.


Pa r t e i L e b e n !

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Partei leben! »Zentrale Service­ einheit der SPD« Europa-Kampa Die SPD setzt auf einen europaweiten Wahlkampf – und auf Martin Schulz

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Fotos: Jasmin Hollatz, privat, Hendrik rauch

uropa wählt Ende Mai. Die ­Vorbereitungen für die Europawahl laufen im Willy-BrandtHaus schon jetzt auf Hochtouren. „Diese Wahl wird eine besondere“, sagt Matthias Machnig, der die Kampagne leitet. „Die Wähler haben zum ersten Mal die Möglichkeit, selbst darüber zu entscheiden, wer der nächste Kommissionspräsident wird.“ Für Machnig ist klar: Das kann nur Martin Schulz sein. Der designierte gemeinsame Spitzenkandidat der euro­ päischen Sozialdemokraten steht im Mittelpunkt der Kampagne. „Wir planen eine Martin-Schulz-Tour durch Europa“, verrät Machnig. Allein in Deutschland wird es 17 große Veranstaltungen geben. Vorbereitet werden die in der Europa-Kampa. 70 Mitarbeiter beziehen im Februar zwei Großraumbüros in der Parteizentrale. „Das wird die zentrale Service-Einheit der SPD.“ In der Kampa werden die Wahlkampftermine der Parteispitze koordiniert, Materialien entworfen und den Ortsvereinen und Wahlkreiskandidaten zur Verfügung gestellt. In zehn Bundesländern finden parallel zur Europawahl Kommunalwahlen statt – „eine gute Gelegenheit, um europapolitische Themen auf lokaler Ebene nach vorne zu bringen“, findet Machnig und unterstreicht die Bedeutung der EuropaKampa: „Unser Angebot ist eine Einladung an die Partei, an einem besseren Europa mitzuarbeiten.“ n KD

Leitet den Europawahlkampf der SPD vom Willy-Brandt-Haus aus: Matthias Machnig

inhalt Herr des Geldes Dietmar Nietan ist der erste männliche Schatzmeister der SPD nach über 20 Jahren

Kurz & Knapp Nachrichten aus Ortsvereinen, Unterbezirken und Arbeitsgemeinschaften

Auf Spurensuche Die SPD Bremerhaven erläuft sich ihre Geschichte

Eigene Ziele festlegen und sich mit anderen vernetzen: Darum geht es beim Programm der Partei­ schule „Frauen an die Macht“ genauso wie beim BarCamp Frauen, hier im Oktober 2013 in Berlin.

neu im amt Johanna Uekermann steht an der Spitze der Jusos

»Darum bin ich   in der SPD…«

Ganz nach vorn Frauenförderung Ein Programm der Parteischule unterstützt Funktionsträgerinnen dabei, in die erste Reihe vorzurücken Von Kai Doering

S Barbara Dickmann ist Betriebswirtin und ar­ beitet in Düsseldorf. Sie ist Mitglied des Ortsvereins Wuppertal-Vohwinkel. Ich bin in die SPD eingetreten als Sigmar Gabriel angekündigt hat, dass die Mitglieder über den Gang in die Große Koalition entscheiden sollen. Das hat mir sehr gefallen. Auch wenn ich selbst mit Nein gestimmt habe, bleibe ich Mitglied und akzeptiere natürlich die Mehrheitsentscheidung – wenn auch nicht ohne Murren. n Warum seid Ihr gerade jetzt SPD-Mitglied geworden? Schreibt uns an parteileben@vorwaerts.de

igmar Gabriel legte den Finger direkt in die Wunde. „Natürlich wirken wir zu männlich“, ließ er die Delegierten des Parteitages in Leipzig im November wissen. Auch dieses Erscheinungsbild sei ein Grund für die Niederlage der SPD bei der Bundestagswahl gewesen: Nur 25 Prozent der Wählerinnen machten ihr Kreuz bei den S ­ ozialdemokraten. Und so verband ­Gabriel die Analyse mit einem Appell: „Lasst uns die Listen bei Kommunal-, Landtags- und Bundestagswahlen oder für unsere Vorstände bewusster aufstellen, als wir das bislang manchmal tun.“ Damit macht die Partei nun ernst. Mit dem Programm „Frauen an die Macht“ hat der Parteivorstand ein Qualifizierungsprogramm aufgelegt, das Frauen helfen soll, in der SPD durchzustarten. An zwei Wochenenden legen die Teilnehmerinnen Ziele fest, die sie in der Partei erreichen wollen. Gemeinsam entwickeln sie dann Möglichkeiten, diese zu verwirklichen. „Zielgruppe sind Frauen, die bereits im Vorstand des Ortsvereins, des Unterbezirks oder einer Arbeitsgemeinschaft sind und Lust haben, mehr Verantwortung zu übernehmen“, erklärt Jana Heinze. Sie betreut das Programm bei der SPD-Parteischule. Nachdem die Ar-

beitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) und die Jusos 2012 die Idee für eine derartige Qualifizierung hatten und den ersten Durchgang in Eigenregie gestaltet haben, ist seit vergangenem Jahr die Parteischule verantwortlich. Im Frühjahr 2013 fand der zweite Durchgang statt. Die Bewerbungsphase für den dritten ist im Januar zu Ende gegangen. „Wir hatten 192 Bewerberinnen auf 20 Plätze“, erzählt Jana Heinze. Diese mussten einen kurzen Fragebogen ausfüllen und zusichern, sich an zwei Wochenenden im Februar und im März Zeit zu nehmen. Wer dabei sein wird, entscheidet sich Anfang Februar. „Neben der fachlichen Qualifizierung steht die Vernetzung im Mittelpunkt des Programms.“ So werden an dem Wochenende auch Frauen, die bereits in Führungspositionen sind, von ihren Erfahrungen berichten und Tipps geben. Im Anschluss sollen die Teilnehmerinnen über das Internetportal „SPD-fem.net“ in Kontakt bleiben. Wer es diesmal nicht ­geschafft hat, muss nicht traurig sein: Im Herbst startet der nächste Durchgang von „Frauen an die Macht“. n Das Internetportal für SPD-Frauen: www.spd-fem.net


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Pa r t e i L e b e n !

02/2014 vorwärts vorwärts 02/2014

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Pflegehelfer und Bio-Tutor Nietan war der erste in der Familie, der studierte: Biologie, Politik, Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre an der Universität Köln. Er engagierte sich bei den Jusos und schon sehr früh in der Dürener Kommunalpolitik. Um sein Studium zu finanzieren, arbeitete er als Pflegediensthelfer in der chirurgischen Abteilung eines Dürener Krankenhauses, als Biologie-Tutor an der Universität und in einem Copyshop. Tochter Marie wurde noch während des Studiums geboren. Nietan: „Ich weiß, was es bedeutet, dass am Ende des Monats genug da sein muss, um die Familie zu ernähren.“ Das Examen blieb dabei zu seinem „großen Bedauern“ auf der Strecke. Im jedem Leben gibt es lange ­Linien. In Dietmar Nietans Leben ist es das Thema Europa. In der SPD-Fraktion in Berlin und in Brüssel schätzt man ihn als kenntnisreichen und gut vernetzten Außen- und Europapolitiker, der sich besonders für die deutsch-polnischen Beziehungen einsetzt. Das hat viel mit dem ostpreußischen Großvater zu tun. Als Nietan 1998 erstmals in den Bundestag gewählt wurde, schärfte der ihm ein: „Wir haben unsere Heimat nicht verloren wegen der Roten Armee, nicht wegen der Polen sondern wegen der Faschisten.“ Der Auftrag des Großvaters lautete: „Tu was für die deutsch-polnische Versöhnung.“ Der Enkel übernahm den Auftrag gern.

Mit Leib und Seele für Europa Er wurde Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und 2000 stellvertretender europapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. 2010 wählte ihn die Deutsch-Polnische Gesellschaft zu ih-

Dietmar Nietan: Er will „Schatzmeister aller Genossinnen und Genossen von Flensburg bis zum Tegernsee“ sein.

»Ich will gestalten, nicht nur verwalten« DIETMAR NIETAN So heißt der neue SPD-Schatzmeister. Er ist ein ü ­ berzeugter Europäer, kommt aus Nordrhein-Westfalen und ist der erste Mann in diesem Amt seit 1992 Von Susanne Dohrn

Stationen

1964 geboren in Düren 1981 Eintritt in die SPD 1998 – 2005 Bundestagsabgeordneter 2005 – 2009 Berater von Martin Schulz seit 2009 Bundestagsabgeordneter

rem Vorsitzenden. Er ist auch Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung für die internationale Jugendbegegnungsstätte in Oswiecim (Auschwitz). Beim Parteivorstand ist er Leiter der Koordinierungsgruppe Türkei, und für Martin Schulz koordinierte er 2005 bis 2009 die Arbeit zwischen Bundestags- und SPEFraktion. Schulz und Nietan kennen sich gut, sie mögen sich und wohnen nicht weit voneinander entfernt. „Ich bin mit Leib und Seele Europapolitiker“, sagt Nietan. Sich nach seinem Wiedereinzug in den Bundestag 2013 weiterhin für Europa einzusetzen, das war sein Plan – bis ihn Anfang Januar Sigmar Gabriel im Namen der engeren Parteiführung bittet, für das Amt des Schatzmeisters der SPD zur Verfügung zu stehen. Ein Vertrauensbeweis und eine „Riesenehre“, sagt Nietan, aber er weiß auch: „Es ist ein großes Stück Verantwortung, für das Vermögen der Partei zuständig zu sein, das Generationen von Genossinnen und Genossen hart erkämpft und erarbeitet haben.“ Seine europapolitische Arbeit wird er reduzieren müssen, sein Amt als Vor-

sitzender der SPD Mittelrhein aufgeben ebenso wie seine Ämter im Präsidium und dem Landesvorstand der NRW-SPD. Nietan: „Ich bin Schatzmeister aller Genossinnen und Genossen von Flensburg bis zum Tegernsee.“

Teamplayer mit eigenen Ideen Als Teamplayer sieht er seine Aufgabe darin, Sigmar Gabriel als Parteivorsitzenden und Yasmin Fahimi als Generalsekretärin zu unterstützen, damit sie ihre Arbeit möglichst gut machen können. Natürlich müsse er sich erst einmal einarbeiten, aber eines steht für ihn fest: „Die Frage, wie das Vermögen der SPD verwaltet und strukturiert wird, muss auch zum politischen Programm und zu den Schwerpunkten der Arbeit passen.“ Seine europapolitischen Erfahrungen will Dietmar Nietan auch in Zukunft einbringen: „In der SPD-Spitze einen überzeugten Europäer zu haben und jemanden, der über europäische Netzwerke verfügt, ist vielleicht auch insgesamt für die politische Arbeit der SPD nicht von Nachteil.“ n

Foto: Dirk Bleicker

och ist der Name des neuen SPD-Schatzmeisters vermutlich nicht jedem Ortsvereins-Kassierer vertraut. An der SPD-Basis muss sich der Europapolitiker aus NordrheinWestfalen Dietmar Nietan erst noch einprägen. Aber das wird schnell gehen. Nietan werde „wie seine Vorgängerinnen und Vorgänger ein politischer Schatzmeister sein“, kündigte SPD-Chef Sigmar Gabriel an. Der neue Schatzmeister selbst sagt: „Ich will gestalten, nicht nur verwalten. Ich kenne als Unterbezirksvorsitzender die Sorgen und Nöte der Ortsvereinskassiererinnen und -kassierer, auf die immer mehr Aufgaben zukommen. Ich weiß, worauf es im täglichen Geschäft ankommt.“ 49 Jahre ist Dietmar Nietan alt, mit 16 in die SPD eingetreten, Vater von zwei Kindern. Im Bundestag vertritt er den Wahlkreis Düren in NRW und gehört zum linken Flügel der Fraktion. Er sei ein „Arbeiterkind“, sagt er. Der Vater war Gärtnermeister, die Mutter Lebensmittelfachverkäuferin.


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BerlinMarathon

Platzhirsch tritt ab

Brandt-Kreisel

Sie waren Freunde

Als er den Ortsverein übernahm, war noch Willy Brandt SPD-Vorsitzender. Seit 1984 sitzt Hermann Meyer dem OV Niederkrüchten (NRW) vor. Stellvertretender Bürgermeister ist der 64-Jährige genau so lange. In der SPD ist er seit 1977. Obwohl Gemeinde und Kreis traditionelles CDU-Terrain sind, holt Meyer verlässlich das Direktmandat im Gemeinderat. Die Lokalpresse nennt ihn nur „Platzhirsch“. Doch nun ist Schluss – zumindest im Ortsverein. Am 10. Februar, und damit genau 30 Jahre nach seiner ersten Wahl, gibt Meyer den Vorsitz ab. Die Gesunheit verlangt es. Dennoch: Bei der Kommunalwahl im Mai will es Meyer noch einmal wissen. n KD

Ob es Willy Brandt zu Lebzeiten einmal ins Odenwald-Städtchen Buchen verschlagen hat, ist nicht bekannt. Zu seinem 100. Geburtstag am 18. Dezember ist der frühere Bundeskanzler aber „auch in Buchen angekommen“. Dieses Resümee zumindest zog der Vorsitzende des Ortsvereins Eberhard Barth bei der Einweihung des neuen Willy-BrandtKreisels am nord-östlichen Ortsausgang. Den Beschluss, den Kreisel nach Brandt zu benennen, hatte der Gemeinderat bereits im Mai gefasst. Danach legte der OV Hand an und gestaltete den Platz u.a. mit einem Gedenkstein. n KD

Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Er erinnert an den Massenmord an der jüdischen Bevölkerung während der NS-Herrschaft in Europa. Mit einem Rundgang durch Frankenberg gedachten die SPD und die Jusos im November der Opfer in der hessischen Kleinstadt. Sie folgten der Spur von 38 Stolpersteinen, legten Rosen nieder und lasen die Lebensgeschichten der Ermordeten vor. Die Steine erinnerten daran, „dass Verfolgte auch Nachbarn und Freunde waren“, so Stadtratsfraktionschef ­Hendrik Sommer. n VJL

Hilfe für Flüchtlinge Das ist gelebte Solidarität: Mit einer Spendenaktion unterstützt die SPD Attendorn (NRW) syrische Flüchtlinge, die für mehrere Monate in einer ehemaligen Kaserne unterkommen werden. Spielzeug, Kuscheltiere und Kleidung sammelten die Genossen in der Stadt. „Wir haben etwa 180 Säcke und 80 Kartons zusammenbekommen“, freut sich der Vorsitzende des SPD-Stadtverbands Wolfgang Langenohl. Die Aktion habe zwar viel Zeit gekostet, aber diese sei gut investiert. „Ich erinnere mich oft an die Kinder und Eltern mit ihren dankbaren Gesichtsausdrücken.“ n VJL

Foto: privat

Dichter und Denker Für Kunst und Kultur hat das Herz von ­Bernhard Winter schon immer geschlagen. Während seiner neun Jahre als Bürgermeister des bayerischen Markt Schwaben setzte er sich für die Bernhard Winter: Künstler vor Ort ­Politiker und Künstler ein. Inzwischen ist er selbst einer. 2011 erschien Winters erster Gedichtband, im vergangenen Jahr der zweite. Unter dem Titel „Trau nur dem Löwen“ sind 60 Gedichte zusammengefasst. Das Vorwort hat kein geringerer als der frühere SPD-Chef Hans-Jochen Vogel geschrieben. „Bald erscheint die zweite Auflage“, freut sich Winter. Und das nächste Ziel hat er auch bereits vor Augen: eine Lesung im Augsburger Zoo. n KD

Läufer gesucht Am 28. September findet der 41. Berlin-Marathon statt. Der Parteivorstand hat wieder Plätze reserviert. Wer für die SPD an den Start gehen möchte, kann sich unter berlin-marathon@spd.de oder unter 030/25991590 melden. Die Startgebühr beträgt 80 Euro. n

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U

nauffällig reiht sich das vierstöckige Haus in der Bremerhavener Deichstraße in ein Ensemble aus schlichten Neu- und Altbauten ein. Erst auf den zweiten Blick bleibt das Auge an den historischen Jugendstil-Verzierungen unter dem Giebel hängen. „Das ist das Haus Eintracht“, erklärt Uwe Mögling. Gewerkschaften errichteten es Anfang des 20. Jahrhunderts, um Büro- und Versammlungsräume einzurichten. Auch die örtliche SPD zog hier ein. „Sogar eine große Arbeiterbibliothek gab es“, sagt Mögling. Diese sei aber 1933 von den Nazis verbrannt worden. Wenige Schritte weiter zeigt der 71-jährige Sozialdemokrat auf den Tatort der Bücherverbrennung: den Theodor-Heuss-Platz. Es sind Stationen auf dem „Roten Stadtrundgang“ der SPD Bremerhaven. Er führt an 13 Orten entlang, die exemplarisch für die Geschichte der Sozialdemokratie in der Hafenstadt stehen. Die Idee für den Rundgang entstand im Vorfeld des SPD-Jubiläumsjahres 2013. „Wir wollten zeigen, wofür die SPD in Bremerhaven steht“, sagt Martin Günthner, der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bremerhaven und Bremer Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen. So sei der Gedanke entstanden, Geschichte und Gegenwart der Partei anhand von Orten darzustellen. Die Historie der Hafenstadt ist mit der SPD eng verknüpft. Seit 1947 stellten die Sozialdemokraten fast immer den Oberbürgermeister.

Roter Stadtrundgang SPD Bremerhaven Ein Unterbezirk erkundet seine historischen Spuren Von Carl-Friedrich Höck

Kaum hatte sich die Idee für den Rundgang im Unterbezirk herumgesprochen, entwickelte das Projekt eine Eigendynamik. Plötzlich meldeten sich zahlreiche Genossen, die sich schon einmal mit der Geschichte der SPD Bremerhaven befasst hatten und brachten ihr Wissen ein. Zwei Sozialdemokraten, die eine Marketingagentur führen, boten an, ­eine professionelle Internetseite zu dem Projekt zu erstellen. Ehrenamtlich und kostenlos. Sogar eine Handy-App entwickelten sie, mit der man den Stadtrundgang auch ohne Begleitung ablaufen kann. „So ein Projekt kann man nicht am Reißbrett planen“, sagt Martin Günthner. Jeder habe seine Potenziale eingebracht. Das Ergebnis wird von den Bremerhavenern gut angenommen. Den bisher sechs Rundgängen haben sich jeweils 15 bis 20 Teilnehmer angeschlossen. Das Publikum war bunt gemischt: Rentner und junge Familien, Alteingesessene und Neuzugezogene. „In Bremerhaven haben viele Menschen familiäre Bindungen an die SPD, etwa weil der Vater früher auf der Werft gearbeitet hat“, erklärt Günthner. Deshalb sei das Projekt identitätsstiftend für die ganze Stadt.

Uwe Mögling steht vor dem „Haus Eintracht“, einem ehemaligen Gewerkschaftshaus. Der „Rote Stadtrundgang“ der SPD Bremerhaven zeigt auf, welche Spuren die Sozialdemokratie in der Geschichte der Hafenstadt hinterlassen hat.

Mehr zum „Roten Stadtrundgang“ im Internet: ­roter-stadtrundgang.de spd-bremerhaven.de.

Auch die Handy-App ist mit bisher mehr als 1000 Nutzern ein Erfolg. Bundesweite Aufmerksamkeit erlangte das Projekt „Roter Stadtrundgang“ im vergangenen November. Denn auf dem SPD-Bundesparteitag in Leipzig gewann der Unterbezirk Bremerhaven den Wilhelm-Dröscher-Preis, mit dem originelle Projekte der SPD-Basis ausgezeichnet werden. Das Preisgeld von 3000 Euro wollen die Bremerhavener in die Weiterentwicklung des Stadtrundgangs investieren. „Wir überlegen zum Beispiel, wie wir Menschen mit Handycaps einbinden können“, sagt Swen Awiszus, der sich um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Projekts kümmert. Ob Führungen in Gebärdensprache oder Tondateien für die App – es gebe viele Möglichkeiten, an dem Projekt weiterzuarbeiten. Awiszus: „Deshalb macht es auch soviel Spaß.“ n

Foto: kerstin rolfes

Projekt mit Eigendynamik


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Juso-Chefin Johanna Uekermann: „Ich möchte, dass wir eine wahrnehmbare Stimme innerhalb der Partei sind. Dass wir unsere Positionen in der SPD unterbringen.“

Feuer und Flamme

johanna uekermann Die neue Vorsitzende der Jungsozialisten ist eine Kämpfernatur. In Niederbayern hat die 26-jährige Politologin gelernt, wie man auch bei Gegenwind standhaft bleibt Von Sarah Kohlhauer

Foto: Dirk Bleicker

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nfang des Jahres hat der „Spiegel“ Porträts derjenigen Politikerinnen und Politiker veröffentlicht, die nach Ansicht des Nachrichtenmagazins 2014 wichtig sind. Mit dabei und zugleich die jüngste der Porträtierten: die 26-jährige Johanna Uekermann. Im Dezember ist die Niederbayerin zur neuen Vorsitzenden der Jungsozialisten gewählt worden. Bereits seit zwei Jahren ist Uekermann im Bundesvorstand der SPD-Nachwuchsorganisa­ tion aktiv, die Wahl zur Chefin der 70 000 Mitglieder hat ihr Leben dennoch „noch einmal richtig auf den Kopf gestellt.“ Ändern wird sich etwa ihr Wohnort: Weil sie nach ihrem Studium ein Praktikum in Berlin absolvierte, hat die Politikwissenschaftlerin bereits für einige

Porträt

Monate hier gelebt. Jetzt wird sie ihren Lebensmittelpunkt noch stärker vom niederbayerischen Straubing in die acht Zugstunden entfernte Bundeshauptstadt verlegen. „An erster Stelle steht für mich in den nächsten zwei Jahren, die Jusos als Verband voranzubringen.“ Dafür braucht es nach Ansicht Uekermanns neben ­einer präsenten Vorsitzenden vor allem eine Weiterentwicklung der I­deen und Ziele. „Ich möchte, dass wir eine wahrnehmbare Stimme innerhalb der Partei sind. Dass wir unsere Positionen in der SPD unterbringen und gemeinsam in der SPD an ihnen arbeiten, damit wir uns dort auch wiederfinden.“ Dass sich die Positionen des Jugendverbandes dabei auch durchaus mal von denen der Partei unterscheiden können,

hat sich etwa beim Mitgliedervotum der SPD gezeigt. Weil die Jusos sich mit ihren politischen Forderungen, wie etwa nach einer Bafög-Reform, nicht im Koalitionsvertrag wiederfanden, hatten sie sich gegen eine große Koalition ausgesprochen. Auch wenn das Votum anders ausfiel, als es sich Uekermann und viele Jungsozialistinnen gewünscht hätten, werden sich die Jusos jetzt nicht „in eine Schmollecke zurückziehen.“

Kontrapunkt zur Parteispitze „Ich finde es nach wie vor gut, dass wir der Kontrapunkt waren und den Leuten eine Plattform gegeben haben, ihre Kritik auch zu äußern. Dass das aber teilweise so hochstilisiert wird, als seien wir die Opposition in der Partei, das ist Quatsch.“


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rer, sind beide Mitglieder, ebenso ihre jüngere Schwester. Zuhause wurde viel über Politik gesprochen, in der Schulklasse sei sie damit relativ allein gewesen. So richtig politisiert habe sie dann der Kampf gegen Studiengebühren und die Schulzeitverkürzung G8. „Die Jusos und die SPD waren diejenigen, die was gemacht haben, gegen die Bildungsungerechtigkeit. Von da an war ich Feuer und Flamme.“

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An erster Stelle steht für mich, die Jusos als Verband voranzubringen.

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Johanna Uekermann

Vor mehreren Jahren ist die Juso-Vorsitzende mit der Friedrich-Ebert-Stiftung auf die Philippinen gereist. Dort hat sie auch ein Elendsviertel gesehen. Ein einschneidendes Erlebnis, das sie geprägt hat. Solidarität ist ein wichtiger Begriff für sie, immer wieder tauchte er in ihrer Rede für die Kandidatur des Juso-Vorsitzes auf. Darüber wie man Solidarität heute definiert, will sie mit den Jusos – nicht nur im kommenden Europawahlkampf – diskutieren und über die Situation von Frauen in der SPD. Schließlich habe sie selbst erlebt, was es bedeute, als junge Frau in männlich geprägten Ortsvereinen mit Vorurteilen konfrontiert zu werden.

»Zufrieden bin ich selten«

Johanna Uekermann (1. Reihe, 3. v.l.) zusammen mit dem Juso-Bundesvorstand

Studentische Frauenbeauftragte an der Würzburger Uni war sie, im Förderverein des Willy Brandt Centers Jerusalem ist Uekermann ebenso Mitglied, wie in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Es gibt ihr Energie, so viel zu machen, sagt sie. „Zufrieden bin ich selten.“ Dafür gäbe es immer noch zu viele Sachen, die zu verändern seien und die sie noch anpacken wolle. In den nächsten zwei Jahren als Juso-Vorsitzende hat sie die Gelegenheit dazu. n

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Dr. Brunhilde Peter 4. Oktober 1925 – 21. Januar 2014

Vorsitzende des Seniorenrats der SPD von 1996 bis 2006 Wir haben eine Genossin verloren, eine engagierte und verlässliche Mitstreiterin und eine gute Freundin. Wir verabschieden uns von ihr, dankbar und stolz, dass sie eine von uns war. Unser ganzes Mitgefühl gilt ihrer Familie. Für die Mitglieder des Seniorenrats der SPD Ilse Brusis, Vorsitzende

Claus Dittbrenner * 21. 9. 1952 – † 29. 12. 2013

Wir haben einen guten Freund, einen Weggefährten und einen Kollegen verloren. Er wird uns und vielen Menschen in der Freien Hansestadt Bremen fehlen. Aus kleinen Verhältnissen kommend hat sich Claus, immer ein Ziel vor Augen und mit seiner Art fröhlicher Unnachgiebigkeit, seit Beginn der 70er Jahre seinen Weg gebahnt. Beruflich und in der Politik. In seinen vielen Funktionen an der Universität Bremen, in der Bremer SPD, bei den Jungsozialisten und der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, in der SPD-Fraktion sowie in der Bremischen Bürgerschaft hat er sich engagiert um das Wohl der Menschen gekümmert. Stets zuhörend und immer gesprächsbereit. Claus war ein guter, ein anerkannter Politiker und er war ein feiner und geselliger Kerl. Wir trauern mit seiner Frau Grit, seinen Kindern und allen Menschen, die ihn kannten. Heike und Volker Ahlring Kurt Beck Uwe Beckmeyer Erik Bettermann Jens Böhrnsen Dietrich Bostelmann Horst Braun Egon Brinkmann Adolf Brock Herbert Brückner Wolf-Gunter Brügmann Jens Bullerjahn Rolf Büntemeyer Ansgar Burghof Jörg Carow Jens Eckhoff Edgar Einemann Andreas Fuchs Ekkehard Grimm Claus Grobecker Martin Günthner Jörg Hafkemeyer Heiner Heseler Thomas Hetz Manfred Jabs Ilse und Reinhard Janz Tim Kähler Joachim Klämbt Josef Klar Karl-Heinz Klär Wolfgang Klatt Arnold Knigge Hans Koschnick Andreas Kottisch Karin und Karl-Heinz Krebs Gerd-Rüdiger Kück Hermann Kuhn Susanne und Konrad Kunick Horst-Jürgen Lahmann Willi Lemke Evi und Günter Lemke-Schulte Karoline Linnert Wilma und Andreas Lojewski Helmut Maaß Marlies und Albert Marken

Uschi und Wolfgang Meinsen Hartmut Mekelburg Klaus Möhle Rudolf Monnerjahn Dieter Mützelburg Wolfram Neubrander Krimhild und Karl-Hermann Niestädt Jörg-Peter Nowack Ingeborg und Rainer Oellerich Uwe Parpart Helmut Pflugradt Kai Pforr Rolf Prigge Detlef Prinz Lothar Probst Monika und Udo Richter Ingelore Rosenkötter Peter Sakuth Karin und Antonio Sassarini Henning Scherf Matthias Schiefer Theo Schlüter Uwe Schmidt Rainer Schulz Ralf Schumann Harald Schütz Heinz Seesing Peter Senft Carsten Sieling Peter Sörgel Karl Starzacher Christa und Hans Taake Volker Tegeler Martin Thomas Dagmar von Treichel-Mirbach Helga Trüpel Björn Tschöpe Klaus Uhlhorn Christian Weber Ute und Klaus Wedemeier Manfred Weidenbach Helmut Weigelt Rainer Wick Michael Wübbels Peter Würtz

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Foto: Lukas Barth/photothek.net

Politik sei eben nicht nur Kuschelkurs, sondern auch hartes Geschäft. Eine Kämpfernatur attestiert ihr der Juso-Bezirksvorsitzende Niederbayerns Florian Huber: „Gerade in Niederbayern braucht man als Jungsozialist oftmals ein dickes Fell. Da hat man mit Johanna genau die richtige Kämpferin an der Seite. Ich kenne sie als geradlinige Genossin, die sich stets für die Perspektiven junger Menschen einsetzt.“ Mit Auseinandersetzungen habe sie gelernt umzugehen, sagt Uekermann. „Total ärgern“ kann sie sich über den politischen Betrieb aber manchmal trotzdem. Etwa wenn die Rentenpläne von Bundesarbeitsministerin Nahles als Generationenkonflikt ausgelegt werden. Bloß weil die Jusos ein Jugendverband seien, bedeute dies nicht, dass sie nur für die junge Generation kämpften. „Es gibt ärmere junge und ärmere ältere Menschen und für beide Gruppen möchte ich Politik machen. Und nicht für die jungen reichen Erben. Obwohl die meiner Generation entstammen, haben wir nicht unbedingt so viel gemeinsam.“ 15 Jahre war Uekermann alt, als sie in die SPD eintrat. Ihre Eltern, zwei Leh-


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Fotos:spdfraktion.de, Gerrit Sievert, Florian Jaenicke

Die SPD-Bundestagsfraktion hat die vergangenen Wochen genutzt, um ihre Personalien zu klären und Aufgaben zu verteilen. Nach dem Abschluss der Regierungsbildung hat sie sich aufgestellt für die Arbeit in den kommenden Jahren. Der bisherige Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier ist als Bundesminister ins Auswärtige Amt gewechselt. Zu seinem Nachfolger haben die SPD-­ Abgeordneten im Dezember Thomas ­Oppermann gewählt – mit einer Zustimmung von 91 Prozent. Oppermann war bis dahin Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. Diese Funktion hat nun Christine Lambrecht übernommen. 95 Prozent der SPD-Abgeordneten stimmten für die Hessin. Gewählt wurden auch die neuen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Sie sind zugleich Experten der ­Fraktion für bestimmte Themengebiete. Die Vizevorsitzenden sind: Sören Bartol (Verkehr, Bau, Digitale Infrastruktur), Hubertus Heil (Wirtschaft, Energie, Tourismus, Bildung, Forschung), Eva Högl (Inneres, Sport, Kultur und Medien, Recht, Verbraucherschutz), Karl Lauterbach (Gesundheit, Petitionen), Rolf Mützenich (Außenpolitik, Verteidigung, Menschenrechte), Carola Reimann (Arbeit und Soziales, Frauen, Senioren, ­Familie und Jugend), Axel Schäfer (Europa, Wirtschaftliche Zusammenarbeit), Carsten Schneider (Haushalt, Finanzen, Euro) und Ute Vogt (Umwelt und Landwirtschaft). Zudem wird Christine Lambrecht bei ihrer Arbeit von drei weiteren Parlamentarischen Geschäftsführerinnen unterstützt, nämlich von Bärbel Bas, Petra Ernstberger

Die Fachleute der Fraktion Das sind die Sprecherinnen und Sprecher der SPD-­ Arbeitsgruppen im Bundestag: Angelegenheiten der ­Europäischen Union y Norbert Spinrath (Sabine Bätzing-Lichtenthäler übernimmt im Februar 2015 nach Ablauf ihrer Elternzeit) Arbeit und Soziales y Katja Mast Außenpolitik y Niels Annen Bildung und Forschung y Ernst Dieter Rossmann Digitale Agenda y Lars Klingbeil

Haben sich gut organisiert für die kommende Arbeit: Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion.

Gut aufgestellt Mit einem neuen Vorstand macht sich die SPD-Bundestagsfraktion an die Regierungsarbeit und Dagmar Ziegler. Zur Justiziarin der SPDBundestagsfraktion wurde Katarina Barley gewählt. Unterdessen hat der Bundestag entschieden, in der 18. Wahlperiode 23 Fachausschüsse einzurichten. Die SPD-Abgeordneten, die einem Ausschuss angehören, bilden innerhalb der Fraktion eine Arbeitsgruppe. Die Sprecherinnen und Sprecher der Arbeitsgruppen wurden ebenfalls gewählt – siehe rechte Spalte auf dieser Seite.

Sieben Ausschüsse werden von SPDAbgeordneten geführt: Kerstin Griese (Ausschuss für Arbeit und Soziales), Ingrid Arndt-Brauer (Finanzausschuss), Edgar Franke (Ausschuss für Gesundheit), Siegmund Ehrmann (Ausschuss für Kultur und Medien), Dagmar Freitag (Sportausschuss), Martin Burkert (Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur) sowie Hans-Peter Bartels (Verteidigungsausschuss). n CFH

Jurist mit Drang nach Gerechtigkeit

Die Organisatorin

Der Sommer 1976 wurde zu einem Wendepunkt in Thomas Oppermanns Leben. Damals erreichte den Studenten der ­Literaturwissenschaft ein Brief der „Aktion Sühnezeichen“. Es war die Zusage zu einem freiwilligen Friedensdienst in den USA. Dort setzte er sich gegen steigende Mieten ein und organisierte in New York Konsumentenboykotts, um die Ausbeutung hispano-amerikanischer LandarbeiThomas Oppermann ter zu stoppen. „Der Friedensdienst hat in mir einen neuen Berufswunsch geweckt“, sagt Oppermann über diese Zeit. Fortan wollte er in die Politik gehen, um sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen. Er brach sein Literatur-Studium in Tübingen ab und nahm ein Jura-Studium in Göttingen auf. 1980 trat Oppermann in die SPD ein. Nach dem Studium arbeitete er zunächst einige Jahre als Richter an Verwaltungsgerichten in Hannover und Braunschweig. 1990 wurde er Landtagsabgeordneter in Niedersachsen und führte dort von 1998 bis 2003 das Ministerium für Wissenschaft und Kultur. Seit 2005 vertritt er den Wahlkreis Göttingen im Bundestag. Als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer organisierte er seit 2007 die Arbeit der SPD-Fraktion mit. Zudem war er in der vergangenen Wahlperiode Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages. Nun ist er an die Spitze der SPD-Fraktion gerückt. n CFH

Christine Lambrecht kennt die Arbeitsabläufe in der SPD-Bundestagsfraktion in- und auswendig. Bereits seit 1998 ist sie Mitglied des Bundestages. Seitdem war sie unter anderem rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Mitglied im Ältestenrat des Bundestages und zuletzt stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Diese Erfahrungen werden ihr in ihrem neuen Amt nützen. Im DeChristine Lambrecht zember wurde sie zur Ersten Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Fraktion gewählt. In dieser Funktion arbeitet sie eng mit dem Fraktionsvorsitzenden Thomas ­Oppermann zusammen. Sie koordiniert die Arbeit der eigenen Fraktion und legt mit ihren Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen die Tagesordnungen der Parlamentsdebatten fest. Die politische Laufbahn der 1965 geborenen Hessin begann früh. Als Schülerin trat sie 1982 in die SPD ein. Nach dem Abitur studierte sie Rechtswissenschaften und wurde in die Stadtverordnetenversammlung von Viernheim gewählt. Dort arbeitete sie als selbstständige Rechtsanwältin, bevor sie 1998 ein Direktmandat für den Bundestag gewann. Während ihrer ersten Jahre als Bundestagsabgeordnete plante sie die Umsetzung des Atomausstiegs mit. Nun wird sie Bundestagsdebatten zur Energiewende mitorganisieren. n CFH

Ernährung und ­Landwirtschaft y Wilhelm ­P riesmeier Familie, Senioren, Frauen und Jugend y Sönke Rix Finanzen y Lothar Binding Gesundheit y Hilde Mattheis Haushalt y Johannes Kahrs Inneres y Michael Hartmann Kultur und Medien y Martin Dörmann Menschenrechte und ­humanitäre Hilfe y Christoph Strässer Petitionen y Stefan Schwartze Recht und Verbraucherschutz y Burkhard Lischka Sicherheits- und ­Verteidigungspolitik y Rainer Arnold Sport y Michaela Engelmeier-Heite Tourismus y Gabriele Hiller-Ohm Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit y Matthias Miersch Verkehr und digitale ­Infrastruktur y Kirsten Lühmann Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung y Sonja Steffen Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung y Bärbel Kofler Wirtschaft und Energie y Wolfgang Tiefensee

Impressum Verlags-Sonder­ veröffentlichung Herausgeber: SPD-Bundestagsfraktion Petra Ernstberger, MdB Parl. Geschäftsführerin V.i.S.d.P. Anschrift: SPD-Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin


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Zwischenruf

Leserbriefe

Keine Drohnen! Daniel Gruschke Sie werden immer kleiner, günstiger und zahlreicher: Drohnen. Die SPD muss der wachsenden Gefahr Einhalt gebieten

K

ommt die Politik zu spät, machen andere die Regeln. Das Thema Datenschutz im Internet gibt dafür ein warnendes Beispiel. Beim Thema Drohnen verhält es sich ebenso. Drohnen sind unbemannte ferngesteuerte Flugobjekte mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten: Sie werden bereits zur Beobachtung von Waldbränden, im Zuge der Unfallrettung, zur Sicherung von Großveranstaltungen oder zur Überwachung von Land- und Seegrenzen herangezogen. Ferner sind sie schon heute ständige Begleiter von Militär­ einsätzen in Afghanistan, Libyen oder Mali. Bislang sind Drohnen fernge­ steuert, aber das wird sich wohl bald ändern. Mehrere Staaten arbeiten an Systemen, die autonom agieren, ­a lso ohne Fernsteuerung durch einen ­P iloten fliegen, sowie Ziele vollautomatisch identifizieren und beschießen können. Die Vorteile derartiger Systeme sind offenkundig: Die stete Verbesserung der Sensorik führt zu wachsenden Datenmengen, die nur noch von Computern zu bewältigen sind, und die Störung des Funkverkehrs durch den Feind beeinträchtigt eine autonome Drohne nicht. Laut „Human Rights Watch“ wie auch dem Sonderberichterstatter des UNO-Menschenrechtsrates, Christof Heyns, birgt der Einsatz autonomer Waffensysteme enorme Risiken: Erstens ist zweifelhaft, ob Computer fähig sind, zwischen Kombattanten und Zivilisten zu unterscheiden ­sowie Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit des Einsatzes von Gewalt zu beurteilen. Unklar ist also, ob ihr Einsatz dem humanitären Völkerrecht zum Schutz von Zivilisten entspricht.

Fraglich ist zweitens, wer sich strafrechtlich zu verantworten hat, wenn Zivilisten durch einen „Fehler“ der Drohne getötet werden. SPD-geführte Außenpolitik sollte darum auf die internationale Ächtung derartiger Waffen hinwirken, wie schon einmal in den 90er Jahren bei Laser-Blendwaffen geschehen. Auch innerstaatlich besteht Handlungsbedarf: Drohnen-Technologie verbreitet sich derzeit unkontrolliert in den Händen von Privatleuten! Bausätze und Software gibt es mittlerweile zu kleinen Preisen im Internet. Wer über einen 3-D-Drucker verfügt, kann einige Komponenten auch gleich selbst zu Hause herstellen. Getüftelt wird an so genannten Nanocoptern, die sich mithilfe eines Smartphones steuern lassen. Kurz: Drohnen werden immer kleiner, günstiger und zahl­ reicher. Die SPD sollte sich deshalb in ­einem ersten Schritt für eine Registrierungspflicht stark machen. Jede privat genutzte Drohne muss zwecks Erkennung ein (digitales) „Nummernschild“ bekommen und jeder Drohnen-Halter einen „Führerschein“ vorlegen können. n

Daniel Gruschke ist Mitglied der SPD Friedrichshain-Kreuzberg und interessiert sich für gesellschaftliche Probleme, die aus neuen Technologien entstehen.

1876 gründete er den „vorwärts“. Heute ist Wilhelm Hasenclever weitgehend in Vergessenheit geraten. Sein Grabstein verwittert in ­einem Friedhofspark in Berlin. Damit soll nun Schluss sein. Die Freireligiöse Gemeinde, die sich um den Friedhofspark kümmert, möchte den Stein restaurieren lassen. Auch das Grab Theodor Metzners, eines Mitbegründers des ADAV, soll in neuem Glanz erstrahlen. In den kommenden Monaten sammelt die Gemeinde dafür Spenden. n www.freigeistig-berlin.de

11/2013-12/2013

Ich finde es gut, den Koalitionsvertrag im „vorwärts“ nachlesen zu können und werde mir den Text gut aufheben. Für die Gelegenheit, meine Meinung zu diesem Vertrag abgeben zu dürfen, bedanke ich mich.

Der Hasenclever-Grabstein (M.) soll restauriert werden.

Gewonnen Zehn Ersttagsblätter mit der Sonder­briefmarke „Willy Brandt“ gehen an: Peggy Töpfer 06295 Lutherstadt Eisleben Christa Eberlein 14167 Berlin Helmut Nöll 61352 Bad Homburg Rosemarie Abel 47119 Duisburg Walter Edelmann 87700 Memmingen Kolja Becher 38820 Halberstadt Birgit Böse 50126 Bergheim Karlheinz Winter 92665 Altenstadt Astrid Swieter 39108 Magdeburg Marcus Welling 56753 Welling

Sebastian Würtz 04107 Leipzig Gesa Maren Hartmann 20251 Hamburg Detlef-Lutz Pertek 90542 Eckental

Volker Wettmann, per E-Mail

Wir haben zwar nicht alles erreicht, was wir wollten, aber dieser Koalitionsvertrag trägt unsere Handschrift.

Rudolf Minks, Pfonten

Wichtiger als die Mitgliederbefragung zu einem Koalitionsvertrag erscheint mir künftig, dass eine Woche, spätestens 14 Tage nach jeder Bundestagswahl, ein Parteitag terminiert wird, bei dem sich der Vorstand zur Wahl stellen und die Vollmacht sowie die Bedingungen zum künftigen Handeln einholen muss. Dann wäre die finanziell wie organisatorisch höchst aufwändige Mitgliederbefragung verzichtbar.

Drei Bücher „Brandt aktuell“ von Albrecht Müller haben gewonnen:

Mitreden & bloggen: vorwärts.de/zwischenruf

Koalitionsvertrag 2013

Friedrich Kraft, Ingolstadt

Die SPD hat im Koalitionsvertrag viel von ihren Forderungen durchgesetzt. Aber eben um den Preis der Volksabstimmungen. Um den Preis einer richtigen Demokratie. Unter Aufgabe ihres Strebens nach „mehr Demokratie“. Der Preis ist zu hoch! Andreas Hübner, Malta Dass der Nachwuchs den „Alten“ den Spiegel vorhält, hat in unserer SPD Tradition. Das gilt auch für die Diskussion über die „GroKo“. (...) Was mich als „AltGenossen“ aber stört, ist der Umgang unserer SPD-Jugend mit dem Vorsitzenden Gabriel auf dem Bundeskongress in Nürnberg. Der Vorsitzende hat eine anständige Begrüßung und aufmerksames Zuhören bei seiner Rede in dieser schwierigen Situation verdient. Diesen Anstand sollte auch der SPD-Nachwuchs nicht an der Garderobe abgeben.

Jörg Weden, Wiefelstede

Parteitag 2013 12/2013-01/2014

Früher wurden die Wahlergebnisse aller Kandidaten aufgeführt. Jetzt nur noch die, die sich noch im 2. ­Wahlgang durchgesetzt haben. So wird unterdrückt, dass es die ­Weisheit der Delegierten zuwege ­gebracht hat, die Bundesvorsitzenden der AfA und AG 60 plus, Klaus Barthel und A ­ ngelika Graf, durch die Roste fallen zu lassen. Damit blieben die ­

Fotos: privat, Hendrik Rauch

Spenden für Gräberpflege


Meinung 23

02/2014 vorwärts

vorwärts

„vorwärts“ das langjährige Bestehen der Juso-Hochschulgruppen würdigt.

App+

Peter Boettel, Göppingen

… Mehr lesen!

Der Rettungsassistent 12/2013-01/2014

Ihr verklärt die Situation, in der Rettungs­dienstmitarbeiter ihren Beruf ausüben müssen. Praxis sind inzwischen leider Arbeitsverträge mit folgenden Eckpunkten: 1 500 – 1 800 Euro brutto, 48-Stunden-Woche, 20 Tage Urlaub. Magnus Memmeler, Kamen

Karikatur: Heiko Sakurai

vorwärts Extra: 150 Jahre Sozialdemokratie

Vertreter von mehr als 200 000 Mitgliedern außen vor. Werner Kleist, Berlin

anderen ist der Fritz-Bauer-Preis der Humanistischen Union für das Jahr 2014 an Edward Snowden verliehen worden.

Fritz Bauer

12/2013-01/2014

Gabriele Conen, per E-Mail

juso-Hochschulgruppen

Ergänzend zum Artikel möchte ich noch auf zwei Dinge hinweisen. Zum einen ist eine neue Biografie über ihn erschienen von Ronen Steinke. Zum

12/2013-01/2014

Als früheres Mitglied einer Juso-Hochschulgruppe freue ich mich, dass der

Zukunftskongress: SPD Sachsen meldet Gestaltungsanspruch für den Freistaat an

Ich lese diese Sonderausgabe mit großer Freude, zum wiederholten Male. Mit dieser Ausgabe ist ein spannendes Geschichtsbuch gelungen, nicht nur der SPD, sondern für Deutschland insgesamt. Die Artikel sind teilweise so beeindruckend, dass man tief gerührt ist. Ich empfinde es auch als sehr ­angenehm, dass die SPD keineswegs nur gepriesen wurde, sondern auch kritische Töne aufgenommen wurden.

Erneuerbare Energie: Sigmar Gabriel legt Eckpunkte für Reform vor Filmtipp: »Land in Sicht« Jetzt downloaden: vorwaerts.de/app

Franz Hoß, Karlsruhe

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24  Wirtschaft

vorwärts 02/2014

DGB-Projekt

Hilfe für Arbeiter aus Osteuropa

Gesunde Brote, faire Löhne, bezahlbare Wohnungen: Joachim Weckmann, Chef der Bäckerei „Märkisches Landbrot“, engagiert sich. Oben: Mietshaus der Firma.

Für Bäcker bezahlbar Betriebswohnung Weil die Wohnungen nahe der Bäckerei zu teuer wurden, kauften die Inhaber von »Märkisches Landbrot« ein Haus – und vermieten nun günstig an ihre Beschäftigten Von Sascha Langenbach

N

vorwaerts.de/faire-mobilitaet

Firmenporträt Märkisches Landbrot

Gut Gemacht Zeitarbeiter aus Osteuropa: Sie arbeiten häufig auf deutschen Baustellen.

Zahlungsverkehr

Sepa kommt – etwas später

Unternehmen und Vereine bekommen mehr Zeit, um ihren Zahlungsverkehr auf das neue europäische System für den Geldverkehr, kurz SEPA, umzustellen. Das bisherige Einzugsverfahren, mit dem Vereine Mitgliedsbeiträge kassieren und Firmen Kosten abbuchen, sollte ab 1. Februar seine Gültigkeit verlieren. Nun wurde der Termin auf den 1. August verschoben. Dann werden Kontonummer und Bankleitzahl von der internationalen IBAN und dem Bank-Code BIC abgelöst. (Der „vorwärts“ berichtete). SEPA gilt in allen 28 EU-Mitgliedstaaten sowie in Island, Liechtenstein, Norwegen, Monaco und der Schweiz. Wer Geld einzieht, muss die Kunden über das neue Verfahren informieren und in seiner Datenbank die Daten ak­ tualisieren. Damit sind einige Firmen und Vereine in Verzug. Um Liquiditätsengpässe zu verhindern, hat die EU den Einführungszeitraum verlängert. n YH

achts in Berlin-Neukölln: Hier pocht das neue, junge Herz des internationalen PartyVolkes. Hier klingen jede Nacht Gläser, Flaschen und Musik, vielsprachige Gäste aus der ganzen Welt bescheren der Tourismus-Branche der Hauptstadt Umsatzund Übernachtungs-Rekorde. Politik und Wirtschaft sind stolz auf dieses ökonomische Wunder im einstigen ProblemViertel. Jedoch: Immer weniger Berliner können sich das Wohnen im Szeneviertel leisten. Ein Unternehmer steuert nun gegen den Trend – und bietet billige Betriebswohnungen an.

Zehn Euro Mindestlohn Geschäftsfeld Lieferbäckerei nach Bio-Richtlinien Firmensitz Berlin-Neukölln Gegründet 1981, seit 1992 Bio-Bäckerei Beschäftigte 47 Produktion von Demeter zertifizierte Bio-Backwaren; Roggen, Dinkel und Weizen stammen ausschließlich aus Brandenburg Sortiment 40 verschiedene Brotsorten

Weitere Porträts der Serie: vorwärts.de/Gut_gemacht

Betriebswohnung. Im Zusammenhang mit dem neuen In-Ausgehbezirk wirkt dieser Begriff wenig sexy. Aber Handwerker, Angestellte mit kleinem Einkommen, Familien: In deutschen Ballungszentren ist die Wohnungsfrage für diese Gruppen zum Problem geworden. „Elf Euro kalt in der Stadtmitte werden mittlerweile verlangt“, ärgert sich Joachim Weckmann, Chef der Bäckerei „Märkisches Landbrot“, die ihren Sitz in einem Neuköllner Gewerbegebiet hat. Obwohl Weckmann seine 47 Mitarbeiter im oberen Drittel des Industrie- und Handwerkstarifs bezahlt, Ungelernte bei ihm zehn Euro Mindestlohn bekommen, reicht es für viele nicht mehr zur bezahlbaren Bleibe in der Nähe des Arbeitsplatzes. Und das soll gerade bei Bäckern unbedingt sein: „Durch die Nachtarbeit mute ich den Leuten ohnehin schon viel zu, lange Wege nach Ende der Schicht sollte man da vermeiden“, findet Weckmann. Nun ist der vitale 60-Jährige beileibe kein normaler Bäcker, sondern einer, der es mit allem, was er anpackt, besonders

ernst meint. Nicht nur, was seine bio-dynamischen Brote und Schrippen angeht, sondern auch wenn es um das Wohl der Mitarbeiter geht. Zusammen mit seiner Frau und einem Kompagnon kaufte Weckmann ein Mietshaus in Neukölln, nur zwei Kilometer vom Betrieb entfernt.

288 Euro warm sind bezahlbar „Das Haus wird überwiegend von Studenten bewohnt, verfügt insgesamt über 33 kleine Wohnungen“, so der Bäcker und Hausbesitzer. Seinen Mitarbeitern stellt er Wohnungen für 5,50 bis 6,50 Euro pro Quadratmeter zur Verfügung. Mit Nebenkosten bezahlen die jungen Bäcker und Azubis 288 Euro warm. Ein Preis, den sich der Mittelständler flächendeckend in Ballungszentren wünscht, wenn es um sozialen Wohnungsbau geht. 1,5 Millionen Euro hat sich das Trio das Haus am Schifffahrtskanal kosten lassen. Den Kredit hat die auf nach­ haltiges Finanzwesen spezialisierte Triodos-Bank finanziert. Die Frankfurter Filiale des aus Holland stammenden Unternehmens möchte künftig noch mehr in so­ziales Wohnen investieren, etwa in Mehrgenerationenhäuser.

Nachahmer erwünscht Als Rendite-Objekt oder Absicherung fürs Alter sieht Weckmann seine Investition nicht. „Das Haus gehört zum Firmenvermögen. Das passt zum nachhaltigen Wirtschaften, wie es in Familienunternehmen üblich ist“, sagt Weckmann. Dass sein Beispiel Vorbild für Nachahmer sein könnte, hält der Bäcker für realistisch: „Gerade in der Öko-Branche gibt es viele sozial engagierte Unternehmer. Und die Umsätze entwickeln sich gut. Bei Öko ist die Luft noch lange nicht raus!“ n

Fotos: Dirk Bleicker, Märckisches Landbrot, Thomas Koehler/photothek

„Die Hälfte der Leute, die kommen, haben kein oder zu wenig Geld bekommen“, sagt Dominique John, beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zuständig für das Projekt „Faire Mobilität“. 2011 initiiert, gehören sechs Beratungsstellen in deutschen Städten zum Projekt, dort helfen ArbeitsrechtsExperten osteuropäischen Männern und Frauen, die hierzulande arbeiten, bei Problemen mit ihrem Arbeitgeber. Rund 30 Fälle monatlich verzeichnet der DGB je Infostelle. Wobei ein Fall die polnische Krankenpflegerin sein kann, die alleine in einem Privathaushalt arbeitet oder aber die Gruppe aus 30 ukrainischen Bauarbeitern. Unzulässige Abzüge, unklare Bonussysteme sind häufige Pro­ bleme, Pflege, Lebensmittelgroßhandel und Bau häufig genannte Branchen.n YH


Wirtschaft 25

02/2014 vorwärts

meine Arbeit

Der Traum vom Baum »Mit den Fingern über

Holz zu reiben, gefällt mir. Das riecht und fühlt sich an wie Wald.

«

Foto: Maicke Mackerodt

N

och während meines Schülerpraktikums war mir klar: Ich will Schreiner werden. Nach der 11. Klasse habe ich das Gymna­sium verlassen und eine Ausbildung zum Schreiner begonnen. Die ersten eineinhalb Jahre bin ich in einer normalen Schreinerei ausgebildet worden und habe mich jeden Tag auf die Arbeit gefreut. Mit den Fingern über Holz zu reiben, gefiel mir schon damals: Das riecht und fühlt sich an wie Wald. Holz ist ein warmes, lebendiges Material, das man so formen kann, dass es ein Tisch wird. Während der Lehre habe ich die Schreinerei gewechselt, da war ich 20 Jahre alt. Dass dort Messebau gemacht wurde war eigentlich Zufall, aber es hat bei mir sofort Klick gemacht. Ich

Schreiner und Holztechniker Bastian Reckert 27 Jahre, lebt in Meerbusch-Osterrath Ausbildung

Dreijährige Ausbildung zum Schreinergesellen, zweijähriges Aufbaustudium zum staatlich geprüften Holztechniker

Status

Angestellter bei einer Messe- und Eventbaufirma

Gehalt

Einstiegs- und Grundgehalt 2500 Euro brutto / Monat

Arbeitszeit

Projektabhängig, rund 40 Wochenstunden

mochte das Zuschneiden von Holz an computergesteuerten ­Maschinen von Anfang an. Und ich habe mich in die Herausforderung verliebt, ständig etwas Neues für Messen zu bauen.

Während meiner Gesellenzeit habe ich beschlossen, mich weiter zu qualifizieren und Holztechniker zu werden. In dem zweijährigen Studium in Ahaus habe ich technisches Zeichnen

gelernt, ebenso, Teams zu führen und komplexe Probleme zu lösen. Jetzt bin ich seit knapp zwei Jahren Projektleiter bei Klartext und setze Entwürfe und Konzepte für Messen um. Ich komme morgens um 9 Uhr in die Firma, weiß nicht, wer mich anruft. Ich betreue mittlerweile eigenständig Events. Pro Projekt habe ich maximal vier bis sechs Wochen Zeit. Etwa zu prüfen, wie sind die Wünsche des Kunden umsetzbar. Oder wie konstruiere ich einen Firmenstand mit echten Bäumen, wie vor Kurzem in Stockholm, damit das auch hält. Wenn ich jemanden beauftrage, etwas aus Holz zu bauen, weiß ich im Hinterkopf, wie ich es selbst machen würde. Dass ich konstruktive Praxiserfahrung habe, hilft mir, wenn ich mit Schreinern arbeite. Das ist ein enormer Vorteil und mit ein Grund, weshalb Holztechniker sehr gefragt sind. Zu meiner Arbeit gehört auch: planen, Angebote einholen, Bauteile organisieren, alles mit Sattelschleppern zum Event fahren zu lassen und vor Ort die Crew beim Auf- und Abbau zu beaufsichtigen. Ich muss vielseitig und schnell sein. Genau das gefällt mir. n Aufgezeichnet von Maicke Mackerodt vorwärts.de/meine_arbeit ANZEIGE


In Bewegung

Mobilität neu denken: Die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, ändert sich.

Wie komme ich zum Arzt oder in den ­Supermarkt? Wie fahren wir in den Urlaub? In der Vergangenheit war es vor allem das eigene Auto, das uns mobil gemacht hat. Es hat die Menschen morgens zur Arbeit, abends ins Kino und im Sommer in den ­Süden gebracht. Aber nicht zuletzt überfüllte Straßen und höhere Spritpreise führen dazu, dass sich die Art und Weise, wie wir uns bewegen, verändert. Bisher bildeten vor allem Verbrennungsmotoren die Grundlage unserer Mobilität. Doch Ressourcenknappheit und

Umweltbewusstsein zwingen uns zum Umdenken. Viele Hersteller von Verkehrsmitteln haben das erkannt. Künftig sind Konzepte und Antriebe gefragt, die dafür sorgen, dass wir weiterhin fliegen oder fahren können – ohne die Umwelt zu belasten. Das fängt beim Elektroauto an und hört beim spritsparenden Flugzeug auf. Für viele junge Menschen in Großstädten ist das eigene Auto schon heute keine Option mehr. Sie organisieren ihre Mobilität wegabhängig. Das heißt, je nachdem, wann sie wohin wollen, suchen sie das

passende Verkehrsmittel oder kombinieren gleich mehrere. Fahrrad, ÖPNV, Carsharing – das sind die Zutaten, aus denen junge Großstädter ihren individuellen Mobilitätsmix stricken. Vor allem das Fahrrad erlebt ein großes Comeback. Dank Elektroantrieb eignet es sich auch zum Transport von Lasten, und im Großstadtverkehr ist es schneller und vielseitiger als das Auto. Wie komme ich zum Arzt oder in den Supermarkt? Die Antwort auf diese Fragen wird künftig nicht mehr ganz selbstverständlich das eigene Auto sein.

Foto: Gallus Tannheimer/pixelio.de

Anders mobil: In Zukunft kann ein Mix aus unterschiedlichen Verkehrsmitteln Ressourcen und Umwelt schonen. Das Umdenken hat bereits begonnen, neue Technologien inklusive


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Mobilität

Gute Aussichten am Horizont Kürzere Flugzeiten und weniger Abgase – wie der Flugzeugbauer Airbus am Luftverkehr von morgen arbeitet Flugzeuge, die steil nach oben starten; transparente Kabinen mit Panoramablick, ein virtueller Golfplatz für ein Spielchen während des Transatlantikfluges. Was nach Science-Fiction klingt, könnte bald Wirklichkeit werden. Mit ihrem Projekt „The Future by Airbus – Smarter Skies“ zeigt der Flugzeugbauer Airbus, wie die Luftfahrt im Jahr 2050 aussehen könnte. Ein futuristisches Design steht dabei ­allerdings nur an zweiter Stelle. Mit ihren Ideen für morgen geht es den Ingenieuren vor allem um die Lösung der Probleme von heute: das erwartete Wachstum im Luftverkehr auf nachhaltige Weise bewältigen zu können. Die Vision „Smarter Skies“ konzentriert sich hierbei vor allem auf die Senkung des CO2-Ausstoßes und des Zeit- und Treibstoffverbrauchs. In Zeiten, in denen immer mehr Autos elektrisch fahren und unser Strom zunehmend von den Solarzellen auf dem Dach oder den Windrädern im Meer kommt, muss auch die Flugzeugbranche umdenken. Auch weil kein anderer Verkehrsbereich so rasant wächst wie der Luftverkehr.

Fotos: Airbus (2)

„Intelligente“ Flugzeuge Die Branche hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis zum Jahr 2050 wollen die Hersteller die Flugzeugemissionen um 50 Prozent senken. „Unsere Prognosen belegen, dass in Zukunft immer mehr Menschen fliegen wollen. Wir wissen aber auch, dass die Menschen nicht um jeden Preis fliegen wollen“, sagt Charles Champion, Entwicklungschef bei Airbus. Damit die Ziele erreicht werden können, muss sich der Luftverkehr wandeln. „Diese Ziele lassen sich nur mit einer Kombination aus Investitionen in intelligentere Flugzeugdesigns und Optimierung ihrer Einsatzumgebungen erreichen“, sagt Charles Champion. Mit „The Future by Airbus – Smarter Skies“ richten die Flugzeugbauer ihren Blick nicht nur auf die Flugzeuge selbst, sondern auf alle Aspekte rund um den Luftverkehr, ob am Boden oder in der Luft. Laut Studien könnte ein besseres Flugverkehrsmanagement schon heute die Flüge in Europa und den USA durchschnittlich um rund 13 Minuten verkürzen. Bei geschätzten 30 Millionen Flügen würden so jährlich neun Millionen Tonnen Treibstoff eingespart werden. Das Ziel ist deshalb das „intelligente“ Flugzeug. Die Bordsysteme sollen in der

Lage sein, die effizientesten und umweltfreundlichsten Flugrouten auszuwählen, je nach Witterungsverhältnissen und atmosphärischen Bedingungen. Sehr viel Treibstoff verbrennen Flugzeuge beim Start. Die Lösung: externe Starthilfen, die mit regenerativen Ener­ gien angetrieben werden. Neben Treibstoff­ ersparnis würde das auch zu weniger ­Lärmemissionen führen, denn die Flugzeuge könnten so steilere Steigflüge durchführen. Generell wird am Boden künftig der Einsatz erneuerbarer Energie-

träger aus regionalen Quellen notwendig sein, um den Bedarf der Flugzeuge und der ­Infrastruktur zu decken. Geht es nach den Airbus-Ingenieuren, orientieren sich die Flugzeuge der Zukunft mehr an der Natur. Auf vielbeflogenen Strecken sollen sie wie Vogelschwärme in Formation fliegen. Der geringere Luft­ widerstand würde enorme Mengen an Treibstoff sparen. Es könnte also gut sein, dass wir im Jahr 2050 beim Blick in den Himmel einen Schwarm Passagiermaschinen sehen. n

Fliegen wie Vogelschwärme: Wenn Flugzeuge in Formation fliegen, kann durch den geringeren Luftwiderstand Treibstoff gespart werden.

Panoramablick im Flieger: Airbus arbeitet an modernen und umweltfreundlicheren Flugzeugtypen.


Mobilität Pizzaservice, Paketlieferungen, Kurierdienste: Dienstleistungen wie diese werden meist mit dem Auto erledigt. Das erhöht das Verkehrsaufkommen in Großstädten und trägt zu Staus, Umweltverschmutzung und Lärm bei. In Berlin, München oder Hamburg macht dieser innerstädtische Wirtschaftsverkehr laut Verkehrsclub Deutschland (VCD) im Tagesverlauf bis zu 50 Prozent des Kfz-Aufkommens aus. Dabei geht’s auch anders: Auf dem Fahrrad lassen sich das Päckchen oder die Pizza schneller und umweltfreundlicher transportieren. Auf einem Lastenfahrrad finden selbst große Essenbestellungen Platz. Weil es sich eleganter durch den Verkehr schlängeln kann als ein Auto, erreicht das Rad die Kunden mitunter schneller als das Auto es könnte. Trotzdem ist die gewerbliche Nutzung bisher noch die Ausnahme.

Aufs Fahrrad umsatteln Für den Privatgebrauch geht der Trend dagegen hin zum Lastenrad: In Großstädten wie Berlin ersetzt es bisweilen bereits das Familienauto. Kinder und Einkäufe können bequem zur Kita oder nach Hause gerollt werden. Die mühsame Parkplatzsuche erspart sich, wer das Rad zur Familienkutsche macht. Künftig könnten auch der Klempner oder der Apothekenlieferservice aufs

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so ihre Empfänger. Weil sie nie im Stau stehen, sind die Fahrrad-Zusteller oft schneller am Ziel als ihre motorisierten Kollegen. In Hamburg ist aus dem Testprojekt in­ zwischen gelebte Praxis geworden, einige Lastenräder sind täglich unterwegs. Moderne Typen von Lastenfahrrädern müssen nicht unbedingt durch Muskelkraft angetrieben werden: Elektroantriebe machen die Transportmöglichkeit Lastenrad attraktiv für Unternehmen. Das schnellere Vorankommen im Großstadtverkehr und die steigenden Spritkosten sind ebenfalls Anreize für den Umstieg.

Elektromotoren und saubere Luft

Die Lasten anders verteilen Lastenfahrräder: Sie können als Alternative zum Auto künftig Lieferungen übernehmen und damit den innerstädtischen Verkehr entlasten Ob durch reine Muskelkraft oder mit Hilfe von Elektromotoren: Lastenfahrräder bringen Waren umweltfreundlich an ihr Ziel.

Fahrrad umsatteln. Unternehmen wie der Paketzusteller DPD testen Lastenfahr­ räder für ihre Zwecke: In Hamburg zeigte ein P ­ ilotversuch, dass Fahrräder sich für Paket-Zustellungen an Privatempfänger lohnen. Bis zu 50 Pakete können auf jedes Lastenrad geladen werden und erreichen

Der VCD hat im letzten Jahr das Projekt „Ich fahr’ Lastenrad“ ins Leben gerufen. Gefördert vom Bundesumweltministe­ rium werden noch das ganze Jahr 2014 über Unternehmen, Kommunen und Dienstleister über die Vorteile und Einsatzmöglichkeiten von Lastenrädern informiert und bei der Wahl des richtigen Gefährts für ihre jeweiligen Bedürfnisse beraten. Die Stadt München startet im Mai ein Pilotprojekt: Sie kauft zwölf Lastenräder – teilweise mit Elektromotor – und vermietet sie an Dienstleister. Langfristig erhofft München sich davon einen Rückgang des Autoverkehrs. Das entlastet die Straßen und reduziert CO2- und Feinstaub­ belastung. n

Probleme mit dem Unterbau Wörtlich übersetzt bedeutet Infrastruktur Unterbau. Sie ist die Grundlage, das Fundament einer modernen Volkswirtschaft. Ohne eine funktionierende Infrastruktur geht in einer Industrienation nichts. Denn ohne intakte Straßen oder Schienen kommen weder Personen noch Waren von A nach B; ohne einen Ausbau der Stromnetze wird die Energiewende nicht gelingen; ohne Breitbandinternet bleiben Teile des Landes vom technologischen Fortschritt abgeschnitten.

Deutschlands Infrastruktur verfällt Doch um die Infrastruktur in Deutschland ist es nicht gut bestellt: Kilometerlange Staus aufgrund maroder Straßen, Lärmbelästigungen durch Bahntrassen oder immer höhere Strompreise – es betrifft alle. Dennoch spielt das Thema für die Deutschen keine große Rolle. Das Institut TNS Emnid hat im Auftrag der INFRA Dialog gefragt, was wichtig sei, um Deutschland voranzubringen. Bei den zentralen Zukunftsthemen rangierten Energiever-

sorgungsnetze und Verkehrsinfrastruktur auf den Plätzen 16 und 17. „Deutschlands Infrastruktur verfällt immer mehr und die Menschen bekommen es nicht mit“, sagt Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmer (VDV). Die Zahlen geben ihm Recht: Auf deutschen Autobahnen gab es im Jahr 2013 rund 415 000 Staus mit einer Gesamtlänge von 830 000 Kilometern – so viel wie nie zuvor. 7,2 Milliarden Euro fehlen laut einer Expertengruppe um den ehemaligen Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) jedes Jahr für den Erhalt und Ausbau der Verkehrswege. Elf Milliarden Euro kostet laut einer Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) die dringend nötige Sanierung bzw. der Neubau von Brücken in ganz Deutschland bis 2030. Den Nahverkehrsunternehmen fehlen schon heute über drei Milliarden Euro für dringende ­Erneuerungsinvestitionen. Langfristig gefährde der Sanierungsstau Wohlstand, Sicherheit und Lebens-

Straßenschäden sind mehr als ein lästiges Ärgernis – sie gefährden langfristig unseren Wohlstand.

qualität, sagt Oliver Wolff. Viele Unternehmen, Verbände und Institutionen schlagen deshalb Alarm. 50 von ihnen setzen sich mit der Initiative „Damit Deutschland vorne bleibt“ dafür ein, ein neues Bewusstsein für die Bedeutung von Infrastruktur zu schaffen. Die Initiative will einen Dialog mit Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und den Menschen anstoßen. Zudem sollen Bürgerinnen und Bürger künftig stärker in die Planung und Entscheidung bei Infrastrukturmaßnahmen einbezogen werden. Vielleicht rückt das Thema Infrastruktur dadurch in künftigen Umfragen ein paar Plätze nach vorne. n

Fotos: dpa Picture-Alliance/Robert Haas, lichtkunst.73/pixelio

Die Infrastruktur in Deutschland wird immer maroder. Das gefährdet unseren Wohlstand, denn der basiert auf einem funktionierenden Verkehrs- und Versorgungsnetz


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05-2013-Anzeigen-sonderveröffentlichung 02-2014-Anzeigen-sonderveröffentlichung

Mobilität Mehr Umweltschutz: VW will zum ökologischsten Autokonzern der Welt werden, der Naturschutzbund Deutschland unterstützt ihn auf dem Weg zu diesem Ziel.

Zusammen für die Zukunft

Foto: olga meier-sander / pixelio, NABU

Ungewöhnliche Langzeitbeziehung: Der Autokonzern VW und der Naturschutzbund Deutschland engagieren sich für den Umweltschutz Volkswagen (VW) hat sich viel vorgenommen. 2018 will Europas größter Automobilhersteller der ökologischste Autokonzern der Welt sein. Unterstützung bekommen die Wolfsburger von versierten Natur- und Umweltschützern: Mit dem Naturschutzbund Deutschland (NABU), hierzulande der größte Umwelt- und Naturschutzverband, verbindet VW eine langjährige Partnerschaft. Bereits im Jahr 2000 schlossen sie ihren ersten Kooperationsvertrag. Auf den ersten Blick mögen die beiden Partner nicht viel gemein haben. Auf den zweiten Blick macht es für beide Sinn, an einem Strang zu ziehen. Der NABU berät den Autokonzern auf seinem Weg hin zu mehr ökologischer Verantwortung. In Zeiten der Energiewende ist Nachhaltigkeit auch in der Automobilbranche ein zentrales Thema geworden. So heißt es für VW, sparsam mit den natürlichen Ressourcen umzugehen und die Umwelt zu schonen. Der NABU unterstützt diese Ziele. Umgekehrt fördert VW zentrale Projekte des NABU, die den Natur- und Artenschutz vorantreiben. „Willkommen Wolf“ heißt eine der gemeinsamen Initiativen. 150 Jahre lang war der Wolf in Deutschland ausgestorben, seit gut zehn Jahren gibt es ihn wie-

der, doch noch ist er gefährdet. Der NABU ­engagiert sich dafür, die Tiere zu schützen. Menschen sollen darüber aufgeklärt werden, dass der Wolf kein Feind ist. Bauern, Jäger und Schäfer sollen über die schutzbedürftigen Tiere informiert werden. Aktionspakete für Kitas dienen dazu, den Kleinsten die Angst zu nehmen. VW trägt finanziell und organisatorisch dazu bei, diese Projekte zu realisieren.

Weniger CO2, mehr Artenschutz

Ein anderes Gemeinschaftsprojekt ist der „Grüne Flotte“-Award. Mit diesem von VW und dem NABU vergebenen Preis werden jedes Jahr Unternehmen ausgezeichnet, die ein ökologisch verantwortungsvolles Fuhrparkmanagement betreiben und die CO2-Emissionen ihrer Firmenflotten senken. 2013 wurde der Preis zum vierten Mal verliehen. Auch Privatpersonen wollen Autokonzern und Naturschutzbund gemeinsam beim Einsparen von Kohlendioxid unterstützen. Zu diesem Zweck haben sie Spritspartrainings ins Leben gerufen. Die einfache Rechnung lautet so: Wer durch effizientes Fahren seinen Spritverbrauch reduziert, stößt weniger CO2 aus. Das entlastet neben der Umwelt auch Gewissen und Portemonnaies der Autofahrer.

Die Kooperation mit dem NABU soll nicht nur ein Feigenblatt für den Autokonzern sein. Deshalb lässt sich VW auf seinem Weg zu mehr Nachhaltigkeit auf die ­Finger schauen: Jedes Jahr organisieren NABU und VW Diskussionsforen. „Mobil im Dialog“ heißt die öffentliche Veranstaltungsreihe, bei der gemeinsam mit Experten Bilanz gezogen wird. Schließlich hat VW nur noch fünf Jahre Zeit, das vom VW Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn 2012 proklamierte Ziel, zum ökologischsten Autokonzern der Welt zu werden, umzusetzen. Der NABU sorgt tatkräftig dafür, dass der Konzern diesem Ziel näher kommt. So trägt er zum Umweltschutz bei und kann gleichzeitig Erfolge bei seinem zweiten Kernanliegen, dem Artenschutz, verzeichnen. Womit wir wieder beim Wolf wären. Im Rahmen des „Green Me“ Filmfestivals, das am 1. und 2. Februar in Berlin stattfindet, lenkt die „Lange Wolfsnacht“ Aufmerksamkeit auf das scheue Wildtier. Das vom NABU mitinitiierte Filmfestival sorgt dafür, dass Filme über Umwelt, Klima und Artenschutz zwei Tage lang die Hauptrolle spielen. Einer der Hauptsponsoren dieses Festivals ist VW. Schließlich ist es das erklärte Ziel der Kooperationspartner, sich gemeinsam für eine grünere Zukunft zu engagieren. n

„Willkommen Wolf“ heißt eine gemeinsame Initiative von NABU und VW: Die gefährdeten Wildtiere sollen geschützt werden.

Impressum Verlagsbeilage Mobilität NWMD GmbH Oranienstraße 188 10999 Berlin Tel.: 030/616 204 72 Fax: 030/616 204 75 E-Mail: info@nwmd.de Geschäftsführung: Guido Schmitz Redaktion: Gero Fischer, Birgit Güll Anzeigen: Nicole Stelzner Layout: Jana Schulze Herstellung: metagate Berlin Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Hof


30  Kultur

vorwärts 02/2014

Die Kultur in besten Händen Kulturpolitik Der Sozialdemokrat Siegmund Ehrmann will als neuer Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien Akzente setzen Von Birgit Güll

Von Gitta List Denken Sie immer daran: Dieses Wort können Sie vergessen! Wiewohl es, nachdem die Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache ihre Wahl des Unworts 2013 verkündet hatte, dut­ zendfach durch die Medien ging: ­Migranten als Urlauber zu karikieren, ihre völlig legitime Hoffnung auf bes­ sere Lebensumstände „Sozialtouris­ mus“ zu nennen, ist eine Infamie, die sich einem sozial denkenden, aufge­ klärten Bürger verbietet. Eigentlich – denn das Wort ist leider in der Welt, zusammen mit seinem gleichfalls dif­ famierenden Pendant „Armutsmigra­ tion“, das die Jury gleichfalls rügte. Populisten, leider auch Politiker, haben mit diesen Vokabeln gegen un­ erwünschte Einwanderergruppen po­ lemisiert, die Nachrichtenagentur dpa hat sie gedankenlos aufgegriffen, aus­ gerechnet Journalisten haben sie (der Quote wegen oder aus gedanklicher Bequemlichkeit?) weiterverbreitet. „Die Sprache ist eine Waffe, haltet sie scharf“, schrieb Kurt Tucholsky seinen Journalistenkollegen einst ins Stammbuch. Wobei er mit Schärfe nicht Vernichtungswillen gemeint hat, sondern Präzision. Wer professio­ nell mit Sprache umgeht, trägt be­ sondere Verantwortung: Er muss sich darüber klar sein, was er mit diesem Instrument aus- und anrichten kann. Es geschieht aufmerksamkeitsöko­ nomisch etwas Paradoxes, wenn die Unwort-Jury ihre Wahl zum sprach­ lichen Missgriff des Jahres bekannt gibt: Der Begriff, den sie als „sachlich unangemessen oder inhuman“ kri­ tisiert, läuft so zugleich Gefahr, noch einmal multipliziert zu werden, eine (wenn auch negative) mediale Karrie­ re zu machen. Bei der Berichterstat­ tung ist also Fingerspitzengefühl ge­ fragt. Leider blieb der „Süddeutschen“ dafür keine Zeit. Oder hat sie des Un­ worts Synonym nur noch nicht als problematisch und potenziell abwer­ tend identifiziert? „Das Unwort des Jahres passt zur derzeitigen Debatte über die Armutsmigration aus Rumä­ nien und Bulgarien“, lautete ihre Mel­ dung. Tucholsky, übernehmen Sie!. n

B

Wir, die Nazis und ihre Opfer Langsam aber sicher verschwinden die letzten Zeitzeugen des Holocausts. Wenn jene, die dabei waren, nicht mehr aus erster Hand erzählen können, rückt das Thema in den Hintergrund. „Was hat der Holocaust mit mir zu tun?“, fragen junge Menschen, die nie mit Tätern und Opfern zu tun hatten. In Harald Roths Sammelband geben prominente Persönlichkeiten, darunter Hans-Jochen Vogel, Inge Deutschkron und Ingo Schulze, Antworten auf diese Frage. n BG Harald Roth (Hg.) was hat der Holocaust mit Mir zu Tun? Pantheon 304 Seiten, 14,99 Euro ISBN 978-3-570-55203-2

Siegmund Ehrmann: Der neue Vorsitzende des Kulturausschusses will die Bundeskulturpolitik kritischkonstruktiv mitgestalten.

damit viel zu ihrer sozialen Absiche­ rung beiträgt, ist in großen finanziellen Schwierigkeiten. Sie soll abgesichert werden, so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart. Dafür ist es nötig, wieder re­ gelmäßig zu überprüfen, ob Unterneh­ men ihrer Künstlersozialabgabepflicht nachkommen. Übrigens fällt die KSK ins Ressort von Arbeitsministerin Andrea Nahles. Die vereinbarte Reform des Ur­ heberrechts in jenes von Justizminister Heiko Maas. So wird die Kulturpolitik auch sozialdemokratisch geprägt sein. n

Berliner Kindheit ganz unten

A

ls der Roman „Mich hungert“ 1929 erstmals erschien, begeisterte er Kritiker und Publikum. Der Autor Georg Fink war ein Unbekannter, doch seine Schilderung des Le­ bens im Berli­ner Proleta­ riermilieu der Zwischen­ kriegszeit war eindringlich. Er erzählt die Geschichte von Theodor König, der in einer Mietskaserne im Norden Ber­ lins aufwächst. Liebevoll und eng ist die Beziehung zur Mutter. Der Vater ist ein brutaler Trinker. Er zwingt den Kleinen zum Betteln. „Mich hungert“, soll der Vierjährige sagen. Der Vater vertrinkt das Geld, das Mitleidige dem Jungen zustecken. Georg Finks R­oman zeigt die unglamouröse Seite der Weimarer Re­ publik, die ganz und gar nicht goldenen Zwanziger. Das Gegenstück zum Elend der Mietskasernen ist die Villa eines Fabrik­

direktors. Mit dessen Sohn spielt Theodor, doch echte Freund­ schaft gibt es nicht, „dazu gehört dieselbe Lebensebene. Aber du hast nie gehungert, du hast nie gesehen, wie Vater Mutter schlug, wie er betrun­ ken in die Tür fiel und wie Mutter am Waschfaß sich ihre Arme verbrühte“. Die Nationalsozialisten haben das Buch verbrannt und verboten. Erst im Exil gestand der damals populäre Autor Kurt Münzer, dass er sich hinter dem Pseudonym Georg Fink verbarg. Das Buch war lange Zeit nicht lieferbar. Am 17. Februar erscheint die wunderbare Neuauflage des Metrolit Verlages. n BG Georg Fink Mich Hungert Metrolit Verlag 300 Seiten, 19,90 Euro, ISBN 978-3-8493-00937

Fotos: Sven Hoppe/dpa, Hendrik Rauch

Medienzirkus

isher war er der kulturpolitische Sprecher der SPD-Bundestags­ fraktion, nun wurde Siegmund Ehrmann zum Vorsitzenden des Kul­ turausschusses gewählt. Damit sitzt ein Sozialdemokrat an einem wichtigen Schalthebel der Kulturpolitik. „Der Aus­ schuss für Kultur und Medien ist der zentrale Ort der kulturpolitischen De­ batte auf Bundesebene und das parla­ mentarische Pendant zur Staatsministe­ rin im Kanzleramt“, sagt Ehrmann. Zur Staatsministerin für Kultur und Medien wurde Monika Grütters (CDU) berufen, Ehrmanns Vorgängerin im Amt des Kul­ turausschuss-Vorsitzenden. Nach seiner Wahl unterstrich Ehr­ mann, dass er in seinem neuen Amt dazu beitragen wolle, die Bundeskul­ turpolitik kritisch-konstruktiv mitzu­ gestalten. Es gelte etwa die Zusammen­ arbeit zwischen Bund und Ländern in der Kulturpolitik zu verbessern. Eine der Wegmarken in dieser Legislaturperiode wird die Stabilisierung der Künstlerso­ zialkasse (KSK) sein. Die vor gut 30 Jah­ ren von der SPD ins Leben gerufene KSK, die Kulturschaffenden den Weg zur gesetzlichen Versicherung öffnete und


Kultur 31

02/2014 vorwärts

vorwärts.de Rezensionen

Polen Weltpremiere. Hatten Sie Angst vor der Reaktion? Klar. Aber die Tatsache, dass es heute möglich ist, als deutscher Regisseur ­einen Film über eine jüdische Geschichte im Holocaust zu machen, sie zu fast 80 Prozent auf Polnisch zu drehen, ist ein Ausdruck des zusammengewachsenen Europa. Das Warschauer Museum der polnischen Juden, in dem der Film seine Weltpremiere hatte, liegt auf dem Gelände des ehemaligen Ghettos, gegenüber vom Mahnmahl, wo Brandt seinen Kniefall machte. Das war vielleicht der Ort überhaupt den Film vorzustellen. Wird der Film in Polen gut ­aufgenommen? Ja. Nach dem Krieg wurden die Polen immer nur als Helden dargestellt. Erst heute wird über den Antisemitismus gesprochen. Dass dieser Film nicht schwarz und weiß malt, war mir sehr wichtig. Das Gute und das Böse ist in jedem Menschen vorhanden. Die Frage ist, wann es zum Vorschein kommt. In dem Film gibt es Polen, die ihr Leben und ihren Besitz

Die Favoriten der Leser im internet Franz Jung Der Weg Nach unten Nautilus Verlag, Hamburg 2013, 441 Seiten, 18 Euro ISBN 978-3-89401-777-4 Ulrike Herrmann Der Sieg des Kapitals Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen. Westend Verlag, Frankfurt am Main 2013 288 Seiten, 19,99 Euro ISBN 978-3-86489-044-3 Jürgen Schmidt August Bebel – Kaiser der Arbeiter Rotpunktverlag, München 2013 285 Seiten, 27 Euro ISBN 978-3-85869-538-3 Rafael Chirbes Am UFer Verlag Antje Kunstmann, München 2014 430 Seiten, 24,95 Euro ISBN 978-3-88897-867-8

»Der Film ist eine Ein jüdischer Junge entkommt den Nazis: Pepe Danquart hat eine wahre Geschichte verfilmt.

»Damit wir es nicht vergessen« Pepe Danquart Der Regisseur über seinen Film »Lauf Junge lauf«, der wahren Geschichte eines Kindes, das alleine den Holocaust überlebt

Foto: Hagen Keller/ NFP (2)

Interview Birgit Güll Pepe Danquart, Ihr neuer Film „Lauf Junge lauf“ erzählt von einem ­8-jährigen jüdischen Jungen, der aus dem Warschauer Ghetto flieht und sich bis Kriegsende alleine durchschlägt. Es ist die wahre Geschichte von Yoram Fridman. Der jüdische Schriftsteller Uri Orlev, auch ein Überlebender, hat sie aufgeschrieben. Auf seinem Buch basiert Ihr Film. Wie wagt man sich als deutscher ­Regisseur an so ein Projekt? Gerade als Deutscher, finde ich. Aber die Situation war schon eine besondere. Meine erste Frage an Yoram Fridman war, wie er damit umgeht, dass ein Deutscher seine Geschichte verfilmt. Er sagte, für ihn sei es eine späte Genugtuung. Gerade die, die ihm so viel Leid zugetragen haben, machen einen Film

darüber. Orlevs Buch war bewegend für mich: die Geschichte eines kleinen Jungen, so viel Leid und gleichzeitig so viel Kraft zum Leben. Der Film ist eine ­Huckleberry-Finn-Geschichte mitten im Holocaust. Sie ist konsequent aus den Augen eines 8-jährigen Jungen erzählt, der vier Jahre lang trotz Kälte, Krankheiten und Einsamkeit überleben konnte. Es ist eine Abenteuergeschichte, die vielleicht mehr über den Holocaust erzählt, als wenn ich direkt die Schuldfrage ­stelle. Ich denke, dass diese Erzählform gerade junge Menschen erreichen könnte. Damit die Nachkriegsgeneration sich erinnern kann ohne Schuld, aber die Sache nicht vergisst. Der Junge ist auf seiner Flucht auch mit dem Antisemitismus der P ­ olen konfrontiert. Der Film feierte in

Regisseur Pepe Danquart und Produzentin Susa Kusche bei den Dreharbeiten zu „Lauf Junge lauf“

Huckleberry-FinnGeschichte, mitten im Holocaust.

Pepe Danquart

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r­ iskieren, um dem Jungen zu helfen und andere, die ihn für eine Flasche Wodka an die Nazis verkaufen. Wie Yoram ­Fridman bei der Premiere in Polen sagte: „Genau so war es. Genau so hab ich es erlebt.“ Am Ende Ihres Films sieht man den realen, den 80-jährigen Yoram Fridman mit seiner Familie. Warum wollten Sie das zeigen? Es ist nicht nur der Beleg, dass der Film auf einer wahren Geschichte basiert. Es zeigt auch, dass er nur ein Ausschnitt aus Fridmans Lebensgeschichte ist. Heute hat er eine Ehefrau, Kinder, Enkel. Das macht den Gang aus dem Kino leichter. Der Film erzählt mehr vom Leben als vom Tod. Deshalb ist das Ende wichtig. „Lauf Junge lauf“ hat am 17. April ­Kinostart in Deutschland. ­Vorpremiere ist am 10. Februar im Willy-Brandt-Haus. Was bedeutet Ihnen dieser Ort? Es ist ein Ritterschlag, neben der Statue von Willy Brandt den Film zu zeigen. Es ist auch Ausdruck der Wahrnehmung der politischen Dimension, die der Film neben seiner erzählerischen Qualität hat. Das Willy-Brandt-Haus ist auch ein Ort wo ich mich – obwohl ich kein ­Genosse bin – politisch zu Hause fühle und Freundschaften pflege. n


32  Historie

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SPD setzt Frauenwahlrecht durch Tatsächlich waren die Frauen in Deutschland vor der Revolution politisch entmündigt. Erst seit 1908 durften sie überhaupt politische Versammlungen besuchen und Mitglied einer Partei werden. Dafür hatte die Frauenbewegung jahrzehntelang hart gekämpft, unterstützt von der Sozialdemokratie. Doch auch wenn es Erfolge im Kampf für die Gleichberechtigung gab, durften Frauen auch nach 1908 nicht wählen. Das änderte sich erst mit dem Ende des Kaiserreichs. Am 12. November 1918 ­erließ der regierende „Rat der Volksbeauftragten“ unter Führung von SPD-Chef Friedrich Ebert ein ­neues Wahlgesetz, in dem das aktive und passive Wahlrecht „für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen“ eingeführt wurde. Die Wahl zur Nationalversammlung am 19. Januar 1919 wurde zu einem großen

Erfolg. Von den 17,7 Millionen wahlberechtigten Frauen gingen 82 Prozent zur Wahl. 300 Frauen kandidierten, 37 wurden gewählt – darunter Marie Juchacz.

1919 gründet Juchacz die AWO

Begleitet von ihren Töchtern: Marie Juchacz in Weimar, dem Tagungsort der deutschen Nationalversammlung 1919

Premiere im hohen Haus vor 95 Jahren Als erste Frau in einem deutschen Parlament spricht Marie Juchacz vor der Nationalversammlung in Weimar Von Thomas Horsmann

SPD-Reichstagsabgeordnete: Juchacz in den 1920er Jahren

Begabte Rednerin: Zu Tausenden spricht Marie Juchacz 1919 in Berlin.

Die spätere Gründerin der Arbeiterwohlfahrt wurde 1879 in Landsberg an der Warthe als Marie Gohlke geboren, besuchte die Volksschule und arbeitete zunächst als Dienstmädchen und Fabrikarbeiterin, dann als Krankenpflegerin. 1898 begann sie eine Schneiderlehre und heiratete 1903 ihren Lehrmeister Bernhard Juchacz. 1906 ließ sich Marie ­ Juchacz scheiden und zog mit ihren beiden Kindern und ihrer Schwester nach Berlin, wo sie sich für die SPD zu engagieren begann. 1908 trat sie der Partei bei und wurde ­eine bekannte Rednerin. 1913 bis 1917 war sie hauptamtliche Frauen­sekretärin im SPDBezirk Obere Rhein­provinz in Köln. 1917 wurde Juchacz in den Zentralen Parteivorstand gewählt, hinzu kam die Leitung des Frauenbundes und die Redaktion der „Gleichheit – Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen“. Marie Juchacz war nicht nur die erste Frau, die in einem deutschen Parlament sprach, sie war auch die einzige Frau, die dem „Ausschuss zur Vorbereitung des Entwurfs einer Verfassung des Deutschen Reichs“ der Nationalversammlung angehörte. 1920 trat sie erneut für die SPD an und wurde in den Reichstag gewählt, dem sie bis 1933 angehörte. Am 13. Dezember 1919 gründete Juchacz die Arbeiterwohlfahrt (AWO), deren Vorsitzende sie bis 1933 blieb. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten emigrierte sie über Frankreich in die USA. 1949 kehrte sie nach Deutschland zurück und wurde Ehrenvorsitzende der AWO. Marie Juchacz starb am 28. Januar 1956. Der Frauenanteil im Reichstag war seit 1919 kontinuierlich von 8,7 Prozent auf 3,3 Prozent 1933 gesunken. Doch Marie Juchacz erlebte noch, wie sich die Zahl der weiblichen Abgeordneten wieder erholte. 1949 waren es 6,8 Prozent, 1953 8,8 Prozent und damit mehr als zu Juchacz aktiven Zeiten. Heute liegt der Frauen­ anteil im Bundestag bei 36,3 Prozent.n

vorwärts-Impressum Die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie gegründet 1876 von W. Hasenclever und W. Liebknecht Herausgeberin: Yasmin Fahimi Redaktionsadresse: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 610322, 10925 Berlin; Tel. 030/25594-100, Fax 030/25594-192, E-Mail: redaktion@vorwaerts.de Chefredakteurin: Karin Nink (V.i.S.d.P.) Redaktion: Lars Haferkamp (Textchef); Dagmar Günther (CvD); Hendrik Rauch (Bildred.); Kai Doering, Carl-Friedrich Höck, Yvonne Holl (Reportage); Vera Rosigkeit (Online); Dr. Susanne Dohrn und Birgit Güll (redaktionelle Mitarbeit); Sarah Kohlhauer (­ Volontärin) Fotografie und Titelgestaltung: Dirk Bleicker Layout: Jana Schulze Korrespondenten: Jörg Hafkemeyer (Berlin), Renate Faerber-Husemann (Bonn), Lutz Hermann (Paris) Geschäftsführung: Guido Schmitz Anzeigen: Nicole Stelzner (Leitung strategische Unternehmensentwicklung und Verkauf); Nele Herrmann Valente, ­Simone Roch, Carlo Schöll und Johann Kleene (Verkauf) Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 37 vom 1.1.2014 Verlags-Sonderseiten: verantw. Guido Schmitz Vertrieb: Stefanie Martin, Tel. 030/25594-130, Fax 030/25594-199 Herstellung: metagate Berlin GmbH Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Poststraße 9/11, 95028 Hof Abonnement: IPS Datenservice GmbH, Postfach 1331, 53335 ­Meckenheim; Tel. 02225/7085-366, Fax -399; bei Bestellung Inland: Jahresabopreis 22,– Euro; für Schüler/Studenten 18,– Euro; alle Preise inkl. Versandkosten und 7 Prozent MwSt.; Ausland: Jahresabopreis 22,– Euro zzgl. Versandkosten. Das Abo verlängert sich um ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Für SPD-Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (bei Änderungen bitte an den SPD-UB wenden). Bankverbindung: SEB Berlin, BLZ 100 101 11, Konto-Nummer 174 813 69 00 Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadensersatz oder Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen.

Fotos: bpk/Willy Römer, Interfoto, ullstein bild

m 19. Februar 1919 erteilt der Präsident der verfassunggebenden Nationalversammlung in Weimar der SPD-Abgeordneten Marie J­uchacz das Wort. Es ist bereits der elfte Sitzungstag. Die schlanke Frau tritt an das Rednerpult und beginnt ­ souverän und selbstbewusst mit einer Umkehrung der traditionellen bürgerlichen Höflichkeitsformel: Statt mit „Meine ­Damen und Herren“ spricht sie die versammelten Abgeordneten mit „Meine Herren und Damen“ an. Ein Hinweis darauf, dass Damen im Plenum sich gleichberechtigt fühlen und ihren männlichen Kollegen dieselbe Höflichkeit erweisen, wie umgekehrt. Die überraschende Wendung löst im Saal Heiterkeit aus. Die begabte Rednerin fährt jedoch ungerührt fort: „Es ist das erste Mal, dass in Deutschland die Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, (…) dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa (…) Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: Sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“


Rätsel 33

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kreuzworträtsel Die Fragen und das Kreuzworträtsel darunter ergeben die Lösung Schon... mit 19 Jahren stieß er zu den Jusos, mit 31 war er der jüngste Bürgermeister seines Landes, in diesem Jahr kandidiert er für eines der höchsten Ämter der Europäischen Union. Sein Nachname?

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Eröffnung der Filmtage 1967: die Gesuchte mit Festivalchef Hilmar Hoffmann (l.) und NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn (r.)

Wer war’s?

Foto: SZ Photo/picture alliance/ap

Historisches Bilder-Rätsel Die Lösung des Bilder-Rätsels aus der vergangenen Ausgabe lautet: carlo mierendorff Die vorwärts-Tasche hat gewonnen:

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Von Lothar Pollähne

Unter allen Einsendern verlosen wir eine vorwärts-Tasche. Bitte schicken Sie das Lösungswort mit dem Stichwort „Wer war’s“ bis 21. Februar 2014 per Post oder per E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de

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Karl-Heinz Neizel, 10961 Berlin

Gewinner

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Es gibt zwei Wege, das Preisrätsel zu lösen: Ratefüchse beantworten zuerst die beiden Fragen. Der vierte und fünfte Buchstabe des ersten Lösungswortes sowie die ersten beiden Buchstaben des zweiten Lösungswortes ergeben in der richtigen Reihenfolge die Lösung. Es geht aber auch einfacher: Die grauen Felder im Kreuzwort­ rätsel e ­ rgeben in der ­richtigen Reihenfolge das Lösungswort. Die Lösung ist die Bezeichnung einer Räumlichkeit, die nicht nur Bildungsbürgern ein Begriff ist.

Sie war die erste Oberbürgermeisterin einer deutschen Großstadt und ist bis heute unvergessen

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Geboren... ist er unweit einer seit der Jungsteinzeit bekannten Kaiserstadt, die Lateiner Aquae Granni, Italiener Aquisgrana und Franzosen Aix-la-Chapelle nennen. 1

ls sie im Juni 1966 ihren 65. Geburtstag feiert, verzichtet sie auf Ehrungen und Geschenke. Auch die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes verbittet sich die „Ungekrönte“, wie Günter Grass sie genannt hat. Das ist passend, denn sie entstammt altem sozialdemokratischen RuhrpottAdel und ist bis ins hohe Alter stolz auf ihre proletarische Herkunft. Bereits im Alter von 14 Jahren wird sie Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) und damit Genossin. Nach Abschluss der Schule macht sie in ihrer Heimatstadt eine Lehre in der Stadtverwaltung und arbeitet danach als Buchhalterin. Während der Nazi-Zeit ist ihre Familie großen Repressalien ausgesetzt. Ihr Vater, ein ehemaliger preußischer Landtagsabgeordneter, wird 1944 verhaftet und 1945 in Bergen-Belsen ermordet. Nach der Zerschlagung des Faschismus kehrt sie in die Dienste ihrer Heimatstadt zurück und wird 1945 Sekretärin des Oberbürgermeisters. Ein Jahr später übernimmt sie diese Aufgabe selbst und wird die erste Frau an der Spitze einer deutschen Großstadt. Nach zwei Jahren später endet dieses „Vorspiel“, aber 1956 ändern sich die politischen Mehrheiten und die „Mutter Courage des Ruhrgebiets“ wird erneut Oberbürgermeisterin. Von 1949 bis 1969 gehört sie dem Deutschen Bundestag an, wo sie als Vorsitzende des Petitionsausschusses den Ehrennamen „Mutter der Bedrängten“ erhält. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Parlament konzentriert sich „Kumpelinchen“, wie sie von den Einwohnern ihrer Heimatstadt genannt wird, ganz auf ihr Amt als Oberbürgermeisterin. Sie stirbt im Amt am 1. Februar 1979. n

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Die Lösung des jüngsten Preisrätsels lautet: Lira Gesucht wurden außerdem: KARL und LEIPZIG Jeweils ein Buch gewannen: Martin Fricke 38162 Cremlingen-Schandelah Ingrid Eheim 74076 Heilbronn Stefan Zimmermann 09130 Chemnitz Kurt Kleinhans 76149 Karlsruhe Gerhard Andelfinger 76891 Busenberg Christa Dröge 26725 Emden Sophia Voß 25746 Heide Peter Wigger 09042 Monserrato (Italien) Herbert Hoffmann 16303 Schwedt / Oder Christel Wunderlich 99444 Blankenhain

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WAAGERECHT 1 Herkunftsland, -ort 6 indianisches Symbol der Klanzugehörigkeit 9 persönliches Fürwort (zweite Person Plural) 10 eiweißhaltige Nutzpflanze 11 mit den Füßen stoßen 13 Schussgeräusch 16 Pflanzenkunde 18 Apostel, Bruder des Petrus 21 weltweites Computernetzwerk 25 mithilfe

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28 Kanton der Schweiz 29 Überzug; dünne Deckschicht 30 Bereich, Gebietsteil 31 Zupfinstrument, Lyra 32 die erste Frau (A. T.) 34 Gebirgs-, Heilpflanze 37 französischer Maler (Paul) 39 schwedisches Königsgeschlecht 40 in Richtung, nach 41 Wind am Gardasee 42 zurückgehende Verpackung 43 Gleichklang im Vers

SENKRECHT 1 sehr erfolgreiches Musikstück (ugs.) 2 achten, anerkennen 3 ein Europäer 4 germanische Gottheit 5 magnetisches Aufzeichnungsmaterial 6 Zart-, Feingefühl 7 Fischfett 8 österreichische Abtei an der Donau 12 große Tür, Einfahrt 14 törichter Mensch 15 freier Verteidiger beim Fußball 17 Himmelsrichtung 18 Gestalt aus „MobyDick“ (Kapitän ...)

19 engl. Autor (Roald) 20 plötzlich aufkommender Gedanke 22 dichterisch: aus Erz bestehend 23 Biberratte 24 Hauptstadt von Albanien 26 römischer Kaiser 27 langer, dünner Speisefisch 30 akute Gefahrensituation für ein Schiff 32 Ringel-, Saugwurm 33 Sinnesorgan 35 wohl, allerdings 36 ital. Weinstadt 38 germanischer Wurfspieß

Die richtige Lösung schicken Sie bitte bis zum 21. Februar 2014 per Post an vorwärts, Postfach 610322, 10925 Berlin oder per E-Mail an raetsel@vorwaerts.de. Bitte Absender nicht vergessen und ausreichend frankieren! Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir zehn Bücher.


34  Das Allerletzte

Wenn Bayern betrügen und Rumänen rumoren Zuwanderung Die CSU hat leider nicht begriffen: Die wirkliche Gefahr geht nicht von Rumänen und Bulgaren aus, sondern von den Bürgern des Freistaates. Obacht, also! Von Martin Kaysh

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er betrügt, fliegt“, tönt es aus dem Süden, aus jenem ehemaligen Agrarland, in dem es ebenso gut heißen könnte: „Wer pflügt, betrügt“. Dabei ginge es dann um den Betrug mit EU-Agrarsubventionen. Den sollte man bayerischen Staatsbürgern nicht unterstellen. Sonst müsste die Staatspartei CSU mit breiter Brust laut werden. Versuchen wir es mit: „Wer fliegt, betrügt!“ Wenn man zurückdenkt, dämmert da was mit Bonusmeilen und Prämien, kassiert von Abgeordneten, kommen Geschichten hoch, in denen eine Bundestagspräsidentin als Randfigur auftaucht. Am Schluss wurde ihr nichts nachgewiesen, die Regelung für Dienstreisen im Flugzeug aber trotzdem verschärft.

Beim Thema Zuwanderung greift die a lte Zwei-Länder-Theorie. Fast scheint ­ es, als gäbe es nicht ein, sondern zwei Rumänien. So wie es früher, Fußballfans erinnern sich, zwei Brasilien gab, eines, in dem Leverkusen die tollen, und eines, in dem der BVB die anderen Spieler kaufte. Am Ende wurden meistens die Bayern Meister, einmal die Dortmunder und niemals Leverkusen. Zwei Rumänien (und Bulgarien natürlich) heißt: In dem einem leben unterprivilegierte Menschen, deren einziger Wunsch es ist, in Deutschland neben Kindergeld und ALG 2 auch Bonusmeilen und Steuergutschriften ­ für Schiffsbeteiligungen zu kassieren. Das ist selbstredend Quatsch. Niemand wandert nach Deutschland ein, um sein

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Der Sepp und die Luise aus Zwiesel haben sich ins Münchner Sozialsystem eingeschnorrt.

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Martin Kaysh

Schwarzgeld gleich nach Liechtenstein zu schaffen. Eher kauft man davon den Kindern ein zweites paar Schuhe, oder ein erstes. Schon länger hier Ansässige reagieren hin und wieder empört. Dabei könnten sie endlich mal stolz sein, weil man in Europa Deutschland für zuwanderungswürdig hält. Im Bayerischen Wald hingegen atmet man auf. Im großen Rumänen-Rumoren geht völlig unter, dass der Sepp und die Luise aus Zwiesel sich einst ins Münchener Sozialsystem eingeschnorrt haben. Dort kassieren sie Wohngeld, aus Habgier, nicht etwa, weil die Mieten dort so hoch sind. Das andere Rumänien schickt Hochqualifizierte, Apothekerinnen etwa, die mich dann bedienen, wenn ich kränkele. Der verstärkte osteuropäische Akzent beim Pillenkauf ist auch einem Bekannten aufgefallen. Er dachte naiv, die Frau aus Bukarest sei eingestellt, damit die Kundin aus Temesvar sich heimisch fühlt. Bricht in Bukarest einmal eine Epidemie aus, wird die ARD schon schnell eine Spendengala einrichten. n Martin Kaysh ist Kabarettist, Alternativkarnevalist („Geierabend“) und ­Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

seit wärts Fackellauf

von David Füleki

Sicher'reit gett vorr!

Illustration: christina Bretschneider

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