vorwärts Juli/August 2013

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Juli/August 2013

€ 2.50 – A 07665

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Gegründet 1876

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Foto (Montage): Dirk Bleicker, Reuters, imago/IPON

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Foto: getty/AFP/JOHANNES EISELE

Spendenaufruf zu Gunsten von Flutopfer-Kindern Liebe Genossinnen und Genossen, in den letzten Wochen haben wir dramatische Bilder in vielen Teilen Deutschlands gesehen. Unzählige Menschen haben vor der Kraft des herannahenden Hochwassers ihre Häuser zurücklassen müssen. Und sie haben hinnehmen müssen, wie ihr Hab und Gut in den Fluten versunken ist. Dankbar sind wir aber vor allem, dass die Zahl derer, die durch diese Naturkatastrophe ihr Leben verloren haben, durch das besonnene Handeln von Behörden und Freiwilligenorganisationen, der Krisenstäbe vor Ort, der Land­ räte, der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister klein geblieben ist. Zugleich haben wir in den letzten Wochen viel Grund und Anlass gehabt, stolz auf unser Land und seine Menschen zu sein. Überall in den Flutgebieten wurde greifbar, was der Satz bedeutet: Das Wir entscheidet! Es ist sichtbar geworden, wie groß der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ist, wenn es ernst wird. In dieser kritischen Lage für viele Hochwassergebiete stand einmal nicht das „Ich“, sondern das gemeinsame Wohl im Mittelpunkt. Die Menschen in Deutschland haben engagiert – ob durch tatkräftige Unterstützung oder auch durch Spenden für Hilfsorganisationen – ihren Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Not geholfen. Sie standen zusammen und haben gemeinsam den Hochwasserfluten getrotzt. Unser Land hat ohne große Worte mit Herz und Hand demonstriert, wie praktische Solidarität aussieht. Für ihren unermüdlichen Einsatz in den entscheidenden Tagen und Stunden danken wir den zigtausenden Helferinnen und Helfern vom Technischen Hilfswerk, den Feuerwehren und der Bundeswehr, aber

auch den unzähligen Freiwilligen vor Ort, die zum Teil bis zur physi­ schen Erschöpfung mit angepackt haben. Auch unsere Schwester­ organisationen wie die Arbeiterwohlfahrt und die Falken leisten wertvolle Hilfe. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen gezielt die Kinder in den Flutgebieten unterstützen, ihnen die Chance auf ein paar unbeschwerte Tage abseits der schwierigen Situation zuhau­ se geben. Wir wollen die AWO und die Falken dabei unterstützen, ­Ferienlager und Freizeiten für diese Kinder anzubieten. Daher rufen wir alle Leserinnen und Leser des „vorwärts“ auf, zu spenden: Spendenkonten: AWO Bundesverband Stichwort: Ferien trotz Hochwasser Bank für Sozialwirtschaft, Konto-Nr. 6022505, BLZ 370 205 00 SJD – Die Falken Stichwort: Fluthilfe Bank für Sozialwirtschaft, Konto-Nr. 3156300, BLZ 100 205 00 Herzlichen Dank – auch im Namen der Kinder – und ebenso herzliche Grüße

Euer Euer

Sigmar Gabriel

Peer Steinbrück


Inhalt 3

07-08/2013 vorwärts

themen in diesem heft Titel  4  Das Deutschlandfest – Kommt nach Berlin!  5  Stolz, in der SPD zu sein – Interview mit ­Schlager-Star Roland Kaiser Gewinnspiel – Zum Deutschlandfest

Liebe Leserinnen und Leser, noch rund 80 Tage bis zur Bundestagswahl. Und schon versuchen manche, die SPD und Peer Steinbrück zu Verlierern abzustempeln. Was für ein Unsinn! 30 Prozent der Wählerinnen und Wähler sind noch unentschlossen, sie entscheiden im letzten Moment. Viele davon kann die SPD gewinnen. Vorausgesetzt, die Partei ist geschlossen und bereit zu kämpfen. Jeder an seinem Platz. Es macht keinen Sinn, sich jetzt mit Koalitions-Spielchen zu beschäftigen, die die politische Konkurrenz den Sozialdemokraten aufdrängen will. Jetzt heißt es, sich darauf zu konzentrieren, die Bundestagswahl zu gewinnen, weil die SPD für die Menschen in Deutschland und in Europa eine bessere ­Zukunft schaffen wird als Konservative und Liberale.

Fotos: Dirk Bleicker(2), Thomas Koehler/photothek

Gemeinsam ist die SPD stark. Das zeigt ihre 150-jährige Geschichte, die wir zusammen mit vielen Prominenten beim Deutschlandfest im August in Berlin noch mal ordentlich feiern werden. Und das zeigen unsere jüngsten Erfolge in Ländern und Kommunen. Es liegt an uns. An jedem Einzelnen. Lassen wir uns durch schlagzeilenträchtige Kassandra-Rufe nicht ins Bockshorn jagen, sondern hoch erhobenen Hauptes die Menschen von der sozialdemokratischen Politik überzeugen. Die SPD hat die richtigen Antworten auf die Heraus­ forderungen der Zeit. Wären diese Antworten nicht so gut, würde Angela Merkel nicht versuchen, sie abzukupfern. Aber Sozialdemokraten lassen sich das Copyright nicht nehmen. Lasst uns zusammen das Deutschlandfest feiern und zusammen einen erfolgreichen sozialdemokratischen Wahlkampf führen. Bis zum 22. September 2013 können wir noch viel schaffen. Herzlich, Ihre

Karin Nink Chefredakteurin

Bundestagswahl  6  Die Vielfalt tut der Partei gut – Interview mit Hannelore Kraft und Malu Dreyer   8  Für die weltbürger von Morgen – Besuch in einer außergewöhnlichen Kita 10  Vier Jahre Stillstand – Elke Ferner, Vorsitzende der ASF, über die frauenpolitische Bilanz der Kanzlerin 11  Steinbrücks Team steht – Die neuen Mitglieder des Kompetenzteams

Einladung zum Feiern: das Deutschlandfest

Seite 4

Aktuell 14 Jugendarbeitslosigkeit – Junge Europäer suchen in Deutschland Arbeit und Ausbildung 16 Interview – SPE-Chef Hannes Swoboda Sigmar Gabriel – Mehr Geld für die Jugend

Elke Ferner zieht Bilanz: Merkel bedeutet Stillstand Seite 10

Kolumnen 12  global gedacht – Rafael Seligmann 24  Zwischenruf – Bernd Lange 30  Medienzirkus – Gitta List 34  Das Allerletzte – Martin Kaysh

partei leben! 17  Klartext mit Gertrud – Der SPD-Parteikonvent 18  Begeistern mit Geschichte – OV-Porträt ­­­Görlitz 20  Auf Tournee – Der Juso-Wahlkampf 21  gut leben im alter – Das Pflegekonzept der SPD 22  Zur sonne, zur Freiheit – Porträt Rolf Rennert 23  Steiniger Weg – Das Frauenmuseum in Bonn Wirtschaft 27  Meine Arbeit – Die Politesse 28  Gut gemacht – Manomama gibt Frauen Chancen kultur 29  Promitipps – Lektüre für die Ferien 30  Rezensionen – Franz Müntefering über das neue Buch von Sabine Bätzing-Lichtenthäler historie 31  Er machte den Frieden sicherer – Willy Brandt und das globale Denken 32  Als die Quote siegte – Der SPD-Parteitag 1988 33  Wer war’s? – Lothar Pollähne 12  In Kürze | 26  Parlament 24  Leserbriefe | 32  Impressum 33  Rätselseite | 34  seitwärts Redaktionsschluss 01. Juli 2013 mitentscheiden: was soll die SPD nach der Wahl sofort anpacken? Dieser Ausgabe liegt der Fr agebogen zur Bürger-Abstimmung bei.

Im Wahlkampf: Sascha Vogt und Andrea Nahles Seite 20

Vier Postk arten zum Verteilen Mitmachen: Weniger als drei Monate sind es bis zur Bundestagswahl. Die heiße Wahlkampfphase startet. In der Heftmitte gibt es einen Beileger mit vier Wahlkampf-Postkarten zum Verteilen an Freunde, Bekannte und Nachbarn.


4  Titel

vorwärts 07-08/2013

»Kommt nach Berlin!«

Deutschlandfest Am 17. und 18. August feiern Bürgerinnen und Bürger mit der SPD den Geburtstag der Sozialdemokratie Von Kai Doering

Feiern auf der „roten Meile“: Zehntausende Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet werden – wie hier beim Christopher-Street-Day – im August am Brandenburger Tor erwartet.

Was finde ich wo beim Deutschlandfest? 1| Hauptbühne 2| S pielfläche 1 3| Spielfläche 2

Singt der SPD am 17. August mehr als nur ein Ständchen: Pop-Star Nena

4| Kulturgartenbühne

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Stars auf vier Bühnen Die Vorbereitungen laufen seit Monaten auf Hochtouren. Auf vier Bühnen werden sich internationale Stars wie Nena, Roland Kaiser, Dick Brave und Die Prinzen das Mikro in die Hand geben. In einer Debattier-Arena diskutieren Politiker mit Vertretern von Vereinen und Verbänden. In einem Lesezelt gibt es Texte aus der Geschichte der Sozialdemokratie zu hören. Künstler und SPD-Promis lesen aus ihren Lieblingskinderbüchern. Ein weiterer Höhepunkt ist die Rede von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf der Hauptbühne direkt am Brandenburger Tor. Und das vorwärts-extra zum SPDGeburtstag ist beim Deutschlandfest mit Jubiläumsfilm zum Sonderpreis von fünf Euro zu haben. n

Fotos: DAVIDS/Dummer, picture alliance/Eibner-Presse; Illustration: Sabine Hecher

halb-Zimmer-Wohnung „im kommenden Szene-Bezirk Neukölln“, aber zwei Schlafplätze stellt sie für das Deutschlandfest ihrer Partei trotzdem zur Verfügung. „Ich habe eine breite Gästeluftmatratze, die sich zwei jüngere Genossen locker teilen können“, sagt sie. Rund 200 Plätze hat die Berliner SPD unter dem Motto „Sozis schlafen bei Sozis“ im Angebot. Aus Hamburg und Baden-Württemberg rollen Sonderzüge in die Hauptstadt, letzterer organisiert vom SPD-ReiseService. Der macht allen Unterbezirken ein Super-Angebot: Die Unterbringung im Mehrbettzimmer mit An- und Abreise im Sonderbus ist schon für 89 Euro zu haben.

150 Jahre SPD

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ommt nach Berlin“, lädt SPDChef Sigmar Gabriel die Genossen ein, „und feiert mit uns den Geburtstag unserer Partei!“ Berlin ist in Feierlaune und freut sich auf tausende Genossen aus dem gesamten Bundesgebiet, die den Platz hinter dem Brandenburger Tor und die Straße des 17. Juni in eine „rote Party-Meile“ verwandeln. „Es gibt keinen anderen Ort in Deutschland, der so sehr mit der Geschichte der Sozialdemokratie und unserer Demokratie verbunden ist wie das Areal um das Brandenburger Tor“, betont Gabriel. Der SPD-Vorsitzende ist Gastgeber des Deutschlandfestes, das am 17. und 18. August in der Hauptstadt steigt. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stehen die Genossen von der Basis, die sich auf einer „roten Meile“ präsentieren. Vertreter der SPD Sachsen etwa zeigen in historischen Kostümen, wie das Leben im Jahr 1863, dem Gründungsjahr des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins, ausgesehen hat. Und die SPD Bergkamen, die zusammen mit der „Revierarbeitsgemeinschaft für kulturelle Bergmannsbetreuung“ anreist, hat einen nachgebauten Bergstollen im Gepäck. „Wir wollen die Bergbautradition aus der Herzkammer der SPD nach Berlin bringen“, sagt Heinz Mathwig. Auch Marion Goers ist gut vorbereitet. Schon vor Wochen hat sie sich in der Betten-Börse der Berliner SPD registriert. Goers bewohnt zwar nur eine Einein-


Titel 5

07-08/2013 vorwärts

Programm Samstag, 17. August 2013 ab 11 Uhr Hauptbühne TOM BECK & BAND JULIA NEIGEL THE CLOGS Spielfläche 1 FLYING STEPS URBANATIX POETRY SLAM Spielfläche 2 FOURTISSMO HARMONIE HERRNSHEIM SALSA FEELING Kulturgartenbühne GERHARD SCHÖNE RANDY NEWMAN ­PROJEKT SIMON & GARFUNKEL REVIVAL BAND ab 13 Uhr Hauptbühne DIE PRINZEN LUXUSLÄRM AVIV GEFFEN Spielfläche 1 FLO MEGA HIP HOP ACADEMY HAMBURG Spielfläche 2 MELOTON BLUE MOUNTAIN BOYS STORCH HEINAR UND SEINE KAPELLE ­STORCHKRAFT Kulturgartenbühne KLAUS HOFFMANN FOOLS GARDEN ca. 16 Uhr Hauptbühne POLITISCHES PROGRAMM, REDE VON PEER STEINBRÜCK ab 17 Uhr Hauptbühne ANDREAS BOURANI GLASPERLENSPIEL Spielfläche 1 MICHAEL SCHULTE Spielfläche 2 KICK LA LUNA ACOUSTICA Kulturgartenbühne FILMORCHESTER BABELSBERG KONSTANTIN WECKER DER DOPPELTE UDE ab 19 Uhr Hauptbühne SAMY DELUXE ALS HERR SORGE STEFANIE HEINZMANN DICK BRAVE & THE BACKBEATS NENA Sonntag, 18. August 2013 ab 11 Uhr Hauptbühne ROLAND KAISER UND BAND

Foto: Carsten Koall / VISUM

Der Stand des Programms ist vorläufig und ohne Gewähr. Den aktuellen Ablauf gibt es im Internet unter 150-jahre-spd.de/aktionen

Auf nach Berlin! Der SPD-ReiseService hilft bei der ­Organisation. Hotline: 030/2559 46 46 150JahreSPD@spd-reiseservice.de

Stolz, in der SPD zu sein Roland Kaiser Der Schlager-Star über seine Beziehung zur SPD und seinen Auftritt beim Deutschlandfest Interview Kai Doering Sie sind gebürtiger Berliner und seit 2002 Mitglied der SPD. Was bedeutet es für Sie, zum 150. Geburtstag vorm Brandenburger Tor aufzutreten? Dieser Auftritt bedeutet mir sehr viel. Als junger Mensch habe ich erleben müssen, wie die Stadt geteilt wurde. Ich wohnte in der Nähe der Chausseestraße und viele meiner Freunde lebten mit einem Mal auf der anderen Seite der Mauer. Umso mehr hat es mich bewegt, als unser Land wieder zusammengewachsen ist. Das Brandenburger Tor ist für mich ein Symbol für die Wiedervereinigung. Und als überzeugten Sozialdemokraten macht es mich besonders stolz, an diesem Ort und zum 150. SPDGeburtstag aufzutreten, denn die Partei hat unter Willy Brandt ja den Grundstein für die Wiedervereinigung gelegt. Was hat für Sie den Ausschlag ­gegeben, in die SPD einzutreten? Ich bin schon mit der SPD groß geworden. Meine Pflegemutter hat im SPDHaus im Wedding sauber gemacht. In meiner Jugend habe ich viel Zeit mit den Falken verbracht. Später hat mich die Politik Willy Brandts in den frühen 70er Jahren stark geprägt. Er war und ist für mich die herausragendste Persönlichkeit in der Geschichte der Bundesrepublik. In die SPD eingetreten bin ich dann aber erst 2002, als die Umfragewerte für die Partei auf einem Tiefpunkt waren. Mein Eintritt sollte ein Signal sein. Ich stehe für das ein, was ich politisch denke und fühle und bin stolz, Mitglied der ältesten Partei Deutschlands zu sein.

Wird beim Deutschlandfest die ganze Palette seiner ­Musik präsentieren: ­Schlager-Star Roland Kaiser

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Ich bin mit der SPD groß geworden. Roland Kaiser

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Zurück zum Deutschlandfest: Auf welche Ihrer vielen Lieder können sich die Besucher freuen? Wir werden ein langes Konzert mit der gesamten Bandbreite aus mittlerweile 39 Bühnenjahren spielen. Mir ist klar, dass die Menschen vor allem wegen meiner frühen Hits kommen. Deshalb bekommen sie die auch zu hören. Ich werde aber auch neue Lieder von meiner aktuellen CD spielen. Wir durchwandern musikalisch meine gesamte Palette von den 70er Jahren bis 2013. Danach werde ich mich noch mit Freunden aus der SPD treffen, die ich zum Teil schon länger nicht mehr gesehen habe. Auch deshalb freue ich mich schon sehr auf das Deutschlandfest. n

Gewinnspiel zum Deutschlandfest

Im Oldie von der SPree an die Elbe Diesmal geht es andersherum: Wenn am 19. September der Startschuss für die sechste Hamburg-Berlin Klassik fällt, werden die Oldtimer erstmals in Berlin auf die beliebte Rallye-Strecke zwischen der Haupt- und der Elbe-Stadt gehen. Vom Olympiastadion geht es in mehreren Etappen über die Mecklenburgische Seenplatte bis nach Hamburg. Der Zieleinlauf ist am 21. September. Ziel ist nicht, die knapp 800 Kilometer möglichst schnell hinter sich zu bringen. Im Vordergrund steht die Zuverlässigkeit

von Wagen und Fahrern. Zum Deutschlandfest verlost die Volkswagen AG unter den Lesern des „vorwärts“ exklusiv einen Startplatz für Fahrer und Beifahrer bei dem Renn-Klassiker. Für das richtige Gefährt ist gesorgt: Der Wolfsburger Autobauer stellt einen VW Karmann-Ghia, Baujahr 1968, zur Verfügung. Wer Lust hat, sich für drei Tage den Fahrtwind um die Nase wehen zu lassen (Übernachtung im Doppelzimmer), muss nur die Gewinnfrage richtig beantworten, sie an die Redaktion schicken – und ein wenig Glück haben. Der Gewinner wird am 17. August am Stand des „vorwärts“ auf dem Deutschlandfest gezogen und im Anschluss schriftlich informiert. n

Schmidts Auto Willys Käfer, Adenauers Mercedes – auch Bundeskanzler fahren Auto. Selbst im Amt greifen manche ab und an selbst zum Steuer. Welches war das erste Fahrzeug von Helmut Schmidt? A B C D

VW Käfer VW T1, der „Bulli“ VW Typ 3 VW Karmann-Ghia Typ 14

Schreiben Sie uns die Antwort bis zum 31. Juli 2013 an vorwärts, Postfach 610322, 10925 Berlin oder per E-Mail mit dem Stichwort „VW“ an redaktion@vorwaerts.de


6  Bundestagswahl

vorwärts 07-08/2013

Starke Frauen im Gespräch: die Landeschefinnen Malu Dreyer (links) und Hannelore Kraft im Bundesrat in Berlin.

»DIE VIELFALT TUT DER PARTEI GUT«

FRAUEN IN DER SPD Hannelore Kraft und Malu Dreyer über ihr Leben in der Politik, Macht und die Kunst, sich treu zu bleiben Wie sind Sie in die SPD gekommen? Hannelore Kraft: Ich habe mich lange über viele Sachen persönlich geärgert, von fehlenden Kita-Plätzen bis Arbeitnehmerfragen als Betriebsrätin, und dann entschieden: „Jetzt machst du mal selber Politik.“ Selbstverständlich in der SPD, weil die Sozialdemokratie die Partei war, die für Bildung und Aufstieg stand. Ich komme aus einfachen Verhältnissen und hätte ohne Bafög nicht studiert. Malu Dreyer: Ich war hauptamtliche Bürgermeisterin als Parteilose und bin dann aus voller Überzeugung in die SPD eingetreten. Für mich war nur die SPD die Partei, die wirklich für soziale Gerechtigkeit eintritt und die auch schon immer ein aus meiner Sicht sehr modernes fortschrittliches Gesellschaftsbild vertreten hat. Am Anfang Ihrer Karrieren saßen Sie doch sicher in vielen langen Sitzungen mit eher älteren Herren. Hat Sie die männliche Dominanz abgeschreckt?

MD: Abgeschreckt hat mich das nicht wirklich, aber ich erinnere mich noch gut: Vor zehn, elf Jahren lautete die Begrüßung häufig: „Guten Tag, Frau ­ Dreyer, guten Tag, meine Herren.“ Ich war die einzige Frau. Das hat sich glücklicherweise inzwischen geändert. Es hat aber auch meinen Ehrgeiz befeuert, in meinem Wirkungsbereich dafür zu sorgen, dass Frauen die gleichen Chancen bekommen. Da hilft es uns innerhalb der SPD, dass wir in der Partei schon sehr lange ­eine Quote haben und dass das auch unser Selbstverständnis ist. Erinnern Sie sich noch an den ­blödesten Männer-Spruch, den Sie sich einmal anhören mussten? HK: Da waren so viele. MD: (lachend) Das ist wirklich eine verdammt gute Antwort... Was machen Sie anders als männliche Chefs und was ähnlich? HK: Es ist schwer, sich selbst zu beurtei-

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Ich weiß immer noch genau, dass ich die Welt verbessern will. D ­ aran arbeite ich.

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Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen

len. Das müssen andere machen. Doch sicherlich kommunizieren Frauen anders. In NRW, mit zwei Frauen an der Spitze – Sylvia Löhrmann von den Grünen und mir – setzen wir uns im Kabinett anders auseinander. Die Diskussionen sind sehr sachlich geprägt. Da geht’s nicht so sehr um Gesichtsverlust, sondern um eine inhaltliche Auseinandersetzung. Die kann auch durchaus hart sein, aber es geht um die Sache statt auf einer persönlichen Ebene. MD: Da schließe ich mich an. Wenn ein Gremium mit Männern und Frauen besetzt ist, dann ändert sich auch das Kommunikationsklima. Es ist eine andere Atmosphäre, eine konstruktivere, eine sachlichere. Und oft auch sehr fröhlich. Gibt es eine weibliche Sichtweise auf Politik? MD: Ich weiß nicht, ob das typisch weiblich ist. Aber ich orientiere mich an der Sache. Darin liegt viel Empathie. Es gibt

Foto: Michael Gottschalk/dapd

Interview Karin Nink und Yvonne Holl


Bundestagswahl 7

Foto: Harald Tittel/dapd

07-08/2013 vorwärts

für mich Themen, die stehen letztlich über allem, auch über persönlichem Ehrgeiz. Es geht mir darum, etwas zu bewegen. Ich denke, da sind wir beide uns sehr ähnlich. HK: Das stimmt. Welche Themen bewegen Sie ­besonders? MD: Das ist ganz sicher das Thema so­ ziale Gerechtigkeit, aber auch das Thema Diskriminierung. Ich kann es nicht akzeptieren, dass Menschen diskriminiert werden – völlig egal warum –, weil sie Frauen sind, weil sie nicht so gut gestellt sind, weil sie keinen Zugang zur Bildung finden. Das Gerechtigkeitsthema ist tatsächlich das, was für mich über allem steht – auch Bildungsgerechtigkeit. HK: Bei mir ist es sicherlich das Thema „Kein Kind zurückzulassen“, also eine umfassende vorbeugende Politik. Das kommt aus meinem tiefsten Inneren. Da will ich was bewegen, weil es nicht nur für die Kinder, sondern auch für die öffentlichen Haushalte und die Wirtschaft gut ist. Das steht an oberster Stelle. So wie du es gerade dargestellt hast, damit identifiziere ich mich, Malu. Haben mehr Frauen an der Spitze der SPD die Partei verändert? HK: Mir ist das zu eng auf Frauen und Männer abgestellt. Es ist vielfältiger geworden. Diese Vielfalt tut der Partei gut, weil sie gerade das widerspiegelt, was sich auch in der Bevölkerung und in der Mitgliedschaft verändert hat. Hat Peer Steinbrück ein ­Frauen-­Problem? HK: Nein, definitiv, nein. Ich kenne Peer Steinbrück seit vielen, vielen Jahren, war in seinem Kabinett. Wenn einer kein Frauenproblem hat, wenn es für jemanden völlig egal ist, ob ihm eine Frau oder ein Mann gegenübersitzt in der Debatte, dann ist das Peer Steinbrück. Er ist jemand, der immer darauf Wert gelegt hat, sich mit sehr unterschiedlichen Menschen zu umgeben und dadurch auch selber Stärke entwickelt – das zeigt jetzt auch das Kompetenzteam. Nehmen Sie es Angela Merkel übel, dass sie keine aktive Frauenpolitik betreibt? MD: Eindeutig ja. Es ist schon total enttäuschend, dass sie sich als erste Frau an der Spitze Deutschlands nicht mehr einsetzt für die Themen, die vielen Frauen wichtig sind. Das ist in vielen Punkten sogar rückschrittlich, wenn ich beispielsweise an das Betreuungsgeld denke. HK: Ja, das sehe ich genauso, ganz besonders in der Quotendiskussion. Da hat sie einfach nicht den Mumm, das Ding in den eigenen Reihen durchzusetzen. Es ist völlig klar: Die freiwillige Lösung wird weiterhin nicht dafür sorgen, dass es e ­ ine entsprechende Beteiligung von Frauen gibt. Da duckt sie sich weg. Das finde ich einfach schade.

MD: Das gilt auch für das Thema Minijobs. Dass sie einfach ignoriert, dass ­davon vor allem Frauen betroffen sind, finde ich wirklich unmöglich. Sie sind beide schon lange in der ­Politik. Hat Sie das verändert? HK: Gar nicht. Das können wir kaum glauben. HK: Das ist so. In meinem Leben gab es immer meine Familie und eine enge Gruppe von Freunden, die mir auch ­jederzeit sagen würden: „Pass mal auf, du fängst da gerade an, den Boden unter den Füßen zu verlieren.“ Das ist als Seiteneinsteigerin vielleicht auch etwas einfacher, weil ich quasi eine andere politik-ferne „Kontrollgruppe“ hatte. Nein, ich glaube nicht, dass ich mich verändert habe. Natürlich gehen mir Dinge manchmal zu langsam, man muss sich zurücknehmen. Aber das ist nichts, wovon ich mich verhärten lasse oder was mich aus der Bahn wirft, sondern ich weiß immer noch genau, dass ich die Welt verbessern will. Und daran arbeite ich. MD: Man lernt dazu, aber das ist wie in jedem anderen Beruf auch. Ich habe nicht das Gefühl, dass sich meine Persönlichkeit verändert hat. HK: Wichtig ist dabei, dass wir beide uns unsere privaten Freiräume erhalten, darüber haben wir uns zu Beginn deiner Amtszeit auch unterhalten. Das ist ­wichtig. Hat sich die Basta-Politik à la Kohl, Schröder oder Strauß überlebt? MD: Ohne diese Frage mit dem Basta bestätigen zu wollen, finde ich schon, dass jede Generation auch ihre eigene Form hat, bestimmte Dinge zu tun. Die jüngeren männlichen Kollegen arbeiten heute anders als die Generationen davor. HK: Für mich ist wichtig, dass wirklich – wie Willy Brandt sagte – jede Zeit ihre eigenen Antworten braucht. So braucht

Frauen und Politik

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Jeder muss seinen ­eigenen Weg finden und authentische Politik machen. Malu Dreyer

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Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz

„Mit Frauen ist die Arbeit oft fröhlich“, sagt Malu Dreyer, hier mit Hannelore Kraft beim Neujahrsempfang in Trier.

auch jede Zeit ihren eigenen Politikstil. In Zeiten des Kalten Krieges etwa musste man anders Politik machen als heute. Ich glaube, es muss auch immer zu dem­ jenigen passen, der Politik macht. Das ist das Entscheidende, dass man authentisch bleibt. MD: Jeder muss seinen eigenen Weg finden und authentische Politik machen. Das ist in der heutigen Zeit besonders wichtig, und das honorieren die Leute. Ich bin oft überrascht, dass die Menschen so offen auf mich zukommen, dass das Amt der Ministerpräsidentin keine ­Barriere aufgebaut hat. Das finde ich sehr schön und positiv. HK: Ich glaube, das hat auch viel damit zu tun, dass man bei sich selbst ist. Bei mir ist es auch so. Die Leute kommen sehr freundlich auf mich zu, sehr offen. Ich meine, wir müssen uns immer wieder klarmachen: Wir haben ein wunderbares Amt – auf Zeit. Dieses Amt auszufüllen, ist mir eine große Freude und eine große Ehre. Und ich denke, so gehen wir beide auch demütig damit um. Deshalb kommen auch die Leute anders auf uns zu. Was sollte Politik in den nächsten 20 bis 30 Jahren verändert oder bewegt haben? HK: Ich wünsche mir, dass wir eine Gesellschaft werden, die gut vorbeugt statt teuer zu reparieren und in der Kinder wieder in größerer Zahl geboren werden, weil Frauen und Männer eine gute Zukunft für sich sehen und weil sie wissen, dass sie Beruf und Familie gut miteinander verknüpfen können. Und dass es gerechter zugeht auf dem Arbeitsmarkt. MD: Mit Blick auf den demografischen Wandel wünsche ich mir, dass wir es wirklich schaffen, nicht nur jedem Kind eine Chance, sondern auch jedem jungen Menschen wenn nötig eine zweite und dritte Chance zu geben. Wir brauchen die jungen Leute. Wenn wir in Zukunft weiter stark in Bildung und in Wissenschaft investieren, dann wird Deutschland auch attraktiv für junge Menschen bleiben. Ich wünsche mir, dass wir das wirklich hinbekommen. Ein zweiter wichtiger Punkt ist für mich Europa. Da mache ich mir im Moment schon große Sorgen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung schafft es nicht, eine Politik zu machen, die der jungen Generation in Südeuropa Perspektiven aufzeigt, so dass sie aus Überzeugung Europäer sind. HK: Für mich ist noch wichtig, nicht nur an die Jungen zu denken, sondern auch an die Alten in unserer Gesellschaft. Ich möchte gern, dass die Menschen so lange wie möglich selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden leben können, dass sie ein gutes Leben bekommen, mit einer Rente, von der sie ein solches Leben auch gestalten können. Auch das gehört dazu. Deshalb müssen wir auch eine gute ­Arbeitsmarktpolitik machen. n


8  Bundestagswahl

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Für die Weltbürger von morgen Familienpolitik Gute Krippen und Kitas sind der Grundstock für solide Bildung, neue Konzepte machen es vor Von Yvonne Holl

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mh war das lecker, Denna wischt sich mit der Hand über den Mund. Die Banane hat der Zweijährigen gut geschmeckt, jetzt will sie raus zum Spielen. „Wash your hands quickly“, sagt Erzieherin Claudia Wennel. Denna steht widerspruchslos auf und läuft zum Waschbecken. Sie hat jedes

Spielen und Staunen in der Kita „Future Kids“: Die Kinder lernen hier nicht nur Englisch, sondern auch Offenheit gegenüber anderen Kulturen.

Wort verstanden. „Wasch Dir schnell die Hände“, lautete die Anweisung. Denna ist es gewöhnt, auf Englisch angesprochen zu werden. Wie alle 178 Krippen- und Kindergartenkinder der Kindertagesstätte (Kita) „Future Kids“ in Schwerin. Die Einrichtung im Stadtteil Meußer Holz wurde vor zwei Jahren eröffnet und ar-

beitet nach einem offenen, bilingualen Konzept. Das heißt, dass von den 25 Erzieherinnen und Erziehern zehn „english speaker“ sind: Sie reden ausschließlich Englisch mit den Kindern. „Wir wollen Weltbürger erziehen“, beschreibt FutureKids-Leiterin Heike Ihde (52) das Ziel. Wer früh andere Sprachen kennenlerne, habe bessere Chancen, selbstständig durchs Leben zu gehen. „Man lernt auch etwas über andere Kulturen und wird offener.“ Außerdem hätten junge Menschen, die gut Englisch sprechen, später bessere Berufschancen. Dafür wird bei den „Future Kids“ der Grundstock gelegt. Träger ist die Kita gGmbH, die in Schwerin 20 Einrichtungen betreibt. Ungewöhnliche Konzepte sind hier Standard. Es gibt eine „Öko-Kita“ mit Schwerpunkt auf umweltbewusster Erziehung. Außerdem die 24-StundenKita an einem Krankenhaus, die Krankenschwestern, Pflegern und Ärzten ermöglicht, Schichtarbeit und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen. Das Konzept für eine „Demokratie-Kita“ wird gerade entwickelt. „Die Konzepte ergeben sich aus dem Umfeld, nicht jeder Schwerpunkt passt überall“, sagt Marlies Kahl (60), pädagogische Geschäftsführerin des Kita-Trägers. Das sieht auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales, Manuela Schwesig, so: „Die Kita ,Future Kids‘ befindet sich in einem Stadtteil, den man als sozialen Brennpunkt bezeichnen kann. Viele Menschen leben von ALG II, dort gibt es auch einen hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund.“ Die Kinder aus der Kita seien oft benachteiligt. „Deshalb müssen wir dort besonders viel für sie tun“, sagt Schwesig. Denn: „Eine tolle Kita mit Fachkräften, kostenlosem Mittagessen und so­zialpädagogischer Elternarbeit ist gelebte Chancengleichheit für Kinder.“

der jugend mehr gewicht in der gesellschaft geben

Knut Fleckenstein: Bundesvorsitzender des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB)

Jugendlichen in Deutschland geht es so gut wie nie zuvor. Dennoch sind viele von ihnen frustriert, fühlen sich von der Politik missverstanden und ignoriert. In der Öffentlichkeit werden sie häufig nur als kriminelle Totschläger und Komasäufer wahrgenommen. Dabei sind Jugendliche heute, wie sie schon immer waren: liebenswert, obszön, phantasievoll, grenzüberschreitend, engagiert und rebellisch. Zu viele Jugendliche werden heute ausgegrenzt und an der gesellschaftlichen Teilhabe gehindert. Sie brechen unter dem Druck zusammen, wenn sie als Ausfallbürgen für morgen, zum Beispiel

zur Sicherung der Renten und zur Aufarbeitung der Finanzkrise, bereitstehen sollen. In den Einrichtungen des ASB arbeiten engagierte Fachkräfte täglich mit diesen scheinbar chancenlosen Jugendlichen zusammen, um sie nachhaltig in die Gesellschaft zurückzuführen und ihnen Teilhabe zu ermöglichen. Wir müssen der Jugend ein neues Gesicht und Gewicht in der Gesellschaft geben. Wir sollten es uns nicht erlauben, junge Menschen heute zu verlieren und derart zu prägen, dass die Solidarität in der Gesellschaft verloren geht. Der ASB sieht die Notwendigkeit, Jugend mit all

ihren Facetten in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken und für das Thema zu sensibilisieren. Politik muss einen Wandel vollziehen und Generationengerechtigkeit mit einer eigenständigen Jugendpolitik untermauern. Die Kommunen dürfen Jugend nicht als Kürzungsspielraum nutzen, sondern sollten z. B. Ganztagesangebote und die Schulsozialarbeit stärken. Eine lebendige Jugendverbandsarbeit muss aufrechterhalten werden, auch durch mehr professionelle Kräfte. Das kostet Geld, das wissen wir. Aber sonst wird es teurer. n

Fotos: Dirk Bleicker, Barbara Bechtloff

Blick von aussen Der Jugendpolitik dürfen nicht länger die Mittel gekürzt werden. Sonst wird es richtig teuer


Bundestagswahl 9

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Bei den „Future Kids hat der „Morning Circle“ begonnen. Eine Erzieherin spricht Englisch, die andere Deutsch, jede Person hat ihre Sprache und wechselt auch nicht. Außer im Gespräch mit den Eltern. Die waren zuvor teils skeptisch, insbesondere Eltern, die eine andere Muttersprache als Deutsch haben. In Meußer Holz wohnen auch viele russisch-stämmige Familien. Mancher dachte sich, dass es schon mühselig genug ist, Deutsch richtig zu lernen und den Kindern richtig beizubringen. „Aber inzwischen sind alle überzeugt von ­u nserem Ansatz“, freut sich Heike Ihde. Einige Eltern würden sogar nun zu Hause auch manchmal Englisch sprechen und eine Großmutter nimmt sich an ihrem Enkel ein Beispiel und besucht selbst einen Englischkurs. Was alle so begeistert, beschreibt „english speaker“ Mona Gonzalez: „Jedes Angebot ist für die Kinder eine Bereicherung.“ Die neue Sprache in ­ Kombination mit der offenen Arbeit, die keine Betreuung in festen Gruppen mehr vorsieht, eröffne den Jungen und Mädchen auch neue Wege: „Schüchterne Kinder werden offener, hochaktive können sich besser entspannen.“ Gonzalez steht gerade mit Klemmbrett im „Atelier“, einem Raum, in dem gekleistert und gemalt werden darf und beobachtet Kinder, die aus alten Papierrollen

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von Landesmitteln profitieren, die nach Tarif zahlen. „Wer gutes Personal will, muss gut bezahlen“, so die Sozialministerin, die im Kompetenzteam von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück für Frauen, Familie und Aufbau-Ost zuständig ist. Sie ist überzeugt: „Eine qualitativ hochwertige Kita-Landschaft ist eine Investition in die Zukunft.“ Deshalb will die SPD allen Kindern einen Zugang zu Kitas ermöglichen, indem der Besuch kostenfrei wird, finanziert mit einer Anhebung des Spitzensteuersatzes und der Vermögenssteuer. Denn nicht nur Manuela Schwesig ist überzeugt: „Was wir heute investieren, müssen wir morgen nicht reparieren.“ n

Eine tolle K ­ ita ist gelebte Chancen­ gleichheit für Kinder. Wir lassen kein Kind z­ urück.

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Manuela Schwesig,

Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales in Mecklenburg-Vorpommern In Peer Steinbrücks Kompetenzteam für Familie zuständig: Manuela Schwesig

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Fotos: Dirk Bleicker, Hendrik Rauch

3 Haarpflege: Experten-Tipps für das richtige Shampoo

ein Schiff bauen. Dokumentation und Begleitung der Arbeit ist wichtig bei den „Future Kids“, ebenso, dass die „english speaker“ fortwährend Sprachkurse absolvieren. Schließlich geht es nicht nur um gut klingende Konzepte, sondern um qualitativ hochwertige Pädagogik. „Eine gute Kita braucht gutes Personal“, weiß Manuela Schwesig. Um den Beruf weiter attraktiv zu machen, hat der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern gerade ein Gesetz des Sozialministeriums verbaschiedet, das regelt, dass künftig nur noch solche Einrichtungen

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10  Bundestagswahl

Familien Die SPD will Bildung und Erwerbstätigkeit stärken Von Yvonne Holl

A

lle Menschen sollen die Chance auf ein gutes Leben haben, das ist ein Grundsatz der Sozialdemokratie. Dazu gehört die Freiheit eines eigenen Lebensentwurfes. Die Voraussetzungen dafür will die SPD schaffen. Kinderbetreuung: Ab August gilt der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Doch es fehlt an Plätzen. Die SPD hat dafür einen Stufenplan entwickelt, um Betreuung ganztägig zu garantieren. Bis 2020 soll es so flächendeckend Ganztagskitas und -schulen geben. Statt wie Schwarz-Gelb Betreuungsgeld zu zahlen, will die SPD jährlich 2 Milliarden Euro in den Kita-Ausbau stecken. Für Berufstätige soll die Kinderbetreuung kostenlos werden, finanziert durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes und eine Vermögenssteuer. Die geschätzten Kosten in Höhe von 4,5 Milliarden Euro werden sich Bund und Länder teilen. Kindergeld: Die SPD will Kindergeld und -zuschlag zu einem sozial gestaffelten Kindergeld zusammenführen. Familien mit Einkommen bis zu 3000 Euro pro Monat und Alleinerziehende, die bis zu 2000 Euro verdienen, erhalten bis zu 140 Euro monatlich pro Kind mehr. 25 Prozent aller Kinder würden dann mit 100 Euro im Monat gefördert. Vorteile hätten auch die rund 200 000 alleinerziehenden Aufstocker, also Menschen, die zusätzlich zum Arbeitsverdienst Sozialleistungen beziehen. Viele von Ihnen wären dann nicht mehr auf ALG II angewiesen. Pflege von Angehörigen: Zusätzlich zum gesetzlich geregelten Sonderurlaub will die SPD Geld für pflegende Angehörige bereitstellen. Teilzeitarbeit: Damit die Erziehungszeit oder die Pflege von Angehörigen nicht zur beruflichen Sackgasse wird, will die SPD einen Rechtsanspruch schaffen, der die Rückkehr an den alten Arbeitsplatz nach familienbedingter Teilzeit garantiert. Für die Gleichberechtigung von Müttern und Vätern soll eine „Familienarbeitszeit" eingeführt werden, so dass beide Elternteile das Recht auf Teilzeitarbeit bekommen. Faire Bezahlung: Per Entgeltgleichheitsgesetz soll ungerechte Bezahlung aufgedeckt und beseitigt werden, damit Frauen nicht mehr schlechter gestellt werden, als männliche Kollegen. Außerdem will die SPD Pflegeberufe aufwerten – auch finanziell. Da besonders viele Frauen in diesem Bereich arbeiten, würde auch das ihnen helfen.n

vier jahre stillstand Regierungsbilanz Das Kabinett Merkel macht keine Politik für sondern gegen Frauen Von Elke Ferner, Vorsitzende d. Arbeitsgem. Sozialdem. Frauen (ASF)

der Minijobs entgegenzutreten, erhöht die Merkel-Regierung die Minijob-Grenze, blockiert den Mindestlohn und die Durchsetzung der Entgeltgleichheit. Das führt Frauen nicht nur schnurstracks in die Altersarmut, sondern zementiert die Rolle der Frau als Hinzuverdienerin. Das passt zu dem, was die Bundesarbeitsministerin – auch eine dieser Unionsblenderinnen – nicht auf die Reihe bekommen hat: Die Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt tritt in Zeiten von Schwarz-Gelb auf der Stelle. Ein modernes Frauenbild sieht anders aus. Selbst hoch qualifizierte, Vollzeit arbeitende Frauen lässt die Bundeskanzlerin im Regen stehen. Ihre Weigerung, eine Quote für Aufsichtsräte und Vorstände einzuführen, zeigt ganz deutlich: Die erste Kanzlerin ist nicht bereit, für die Gleichstellung von Frauen und Männern Flagge zu zeigen oder etwas zu riskieren. Die Merkel-Jahre beweisen: Politik „durch“ Frauen ist noch lange ­ ­keine Politik „für“ Frauen.

Benachteiligungen verschärft

Alleingelassen: Alleinerziehende passen nicht in das Famiienbild der Union.

K

urz vor den Wahlen plaudert die Wahlkämpferin Angela Merkel gern medienwirksam vor weiblichem Publikum und will so offensiv um Wählerinnen werben. Dabei ist sie als Regierungschefin für fast vier Jahre Stillstand in der Gleichstellungspolitik verantwortlich. Sie gibt sich modern, macht aber eine erzkonservative Politik und versucht, ihre desaströse Politik schön zu reden.

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Unionsblenderinnen regieren Zu dieser Schönrederei gehört auch, dass die Frauenerwerbsquote bei uns auf 67 Prozent gestiegen sei. Die gestiegene ­ Frauenerwerbsquote geht aber ausschließlich auf den Anstieg prekärer Beschäftigung zurück: Schlecht bezahlte Teilzeit und Minijobs sind in Deutschland meist Frauensache. Das führt zum Verlust der Qualifikation und in die berufliche Sackgasse. Anstatt dem mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, einem Gesetz zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit und der Bekämpfung des Missbrauchs und der Neuordnung

Momentaufnahme: Den Geist des GeziParks erhalten Diskussion: Günter Grass und Peer Steinbrück im Willy-Brandt-Haus Jetzt downloaden: vorwärts.de/app

Mit dem Ersten Gleichstellungsbericht erhielt die Regierung Merkel eine Blaupause für eine Gleichstellungspolitik aus einem Guss, die die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern über den gesamten Lebensverlauf in den Blick nimmt. Doch dieser wirklich gute Bericht landete in der Schublade. Keine einzige der Ministerinnen im Kabinett Merkel und auch Merkel selbst haben auch nur eine der vielen Forderungen umgesetzt. Im Gegenteil: Häufig wurden die Benachteiligungen noch verschärft. Paradebeispiele dafür sind die Anhebung der Minijob-Grenze und das Betreuungsgeld. Anstatt mehr Geld für die frühkindliche Bildung und die Betreuungsinfrastruktur auszugeben, wird das Familienbild der 1960er Jahre wieder in Beton gegossen. Wenn es um die Haushaltssanierung geht, wird die aktive Arbeitsmarktpolitik gnadenlos zusammengestrichen. Während Hoteliers und reiche Erben entlastet wurden, strich die Regierung Merkel das Elterngeld für Langzeitarbeitslose. Bitter für rund 130 000 Familien, darunter viele alleinerziehende Frauen. Da passt die nun anvisierte Erhöhung des Kinderfreibetrages, von der nur Gutverdienende profitieren, nahtlos ins Bild. Merkel ist im 21. Jahrhundert noch nicht angekommen. Anstatt Frauen und Männern ein partnerschaftliches Miteinander im Beruf und der Familie zu ermöglichen, verfestigt sie die Strukturen und mit ihnen die alte Rollenverteilung. Merkel ist und bleibt eben eine Konservative, auch wenn sie versucht, sich einen modernen Anstrich zu geben. Und genau dieser Konservatismus bremst die Gleichstellung der Geschlechter in unserer Gesellschaft aus. Daran ändert auch eine Frau an der Spitze nichts. n

Foto: Julian Röder/OSTKREUZ

kurswechsel

vorwärts 07-08/2013


Bundestagswahl 11

07-08/2013 vorwärts

Gute Laune im Willy-Brandt-Haus, hier bei der Vorstellung der Neuen im Steinbrück-Team am 5. Juni 2013: Yasemin Karakasoglu, Matthias Machnig und Karl Lauterbach (v.l.)

Steinbrücks team steht Kompetenzteam In einer dritten und vierten Runde stellte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück weitere sechs Mitglieder seines Beraterkreises vor Von Vera Rosigkeit

d

as Kompetenzteam von Peer Steinbrück ist komplett. Er habe Frauen und Männer gewinnen können, die sich nicht wie üblich auf den Kreis der Verdächtigen beschränkten, ­erklärte Steinbrück bei der Präsentation im Berliner Willy-Brandt-Haus.

Entwicklungspolitik Cornelia Füllkrug-Weitzel

Fotos: Hendrik Rauch

In ihrer 14-jährigen Berufstätigkeit an der Spitze der Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ habe sie die „Hinterhöfe und Keller“ der Menschen besucht und wisse, was Armutsbekämpfung bedeute. Die engagierte Theologin Cornelia Füllkrug-Weitzel bezeichnet es als Skandal, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland und weltweit immer weiter auseinandergeht. „Mehr soziale Ungleichheit war nie“, kritisiert sie. Füllkrug-Weitzel will sich für eine aktive Armutsbekämpfung und Rüstungskontrollpolitik einsetzen.

wirtschaft Christiane Krajewski Die ehemalige saarländische Finanzministerin, die bereits mit zehn Jahren im elterlichen Betrieb Buchführung gelernt hat, erlebte als Kind die Geschichte eines

Cornelia Füllkrug-Weitzel: Sie will sich für Armuts­ bekämpfung und Rüstungskontrolle einsetzen.

bildung und wissenschaft Yasemin KarakaSoGlu

vom Strukturwandel betroffenen mittelständischen Familienunternehmens. Diese Erfahrung habe sie geprägt, sagt Christiane Krajewski. „Mitarbeiter sind das eigentliche Kapital des Betriebs“, so die Volkswirtin, die derzeit als Partnerin der Investmentbank Leonardo & Co arbeitet.

kunst und kultur oliver Scheytt Die SPD sei in den 150 Jahren ihrer Geschichte immer auch eine Kulturbewegung gewesen, unterstreicht Oliver Scheytt, Professor für Kulturpolitik in Hamburg.„Zu unseren Idealen gehört, dass Kunst und Kultur mit ihrer emanzipatorischen Kraft allen Menschen zugänglich sind und von allen mitgestaltet werden können.“ Der ehemalige Geschäftsführer der Ruhr.2010 GmbH fordert mit dem „Rohstoff Kreativität sensibel umzugehen und sie nicht dem Spiel der freien Märkte zu überlassen.“ Kulturschaffende und Kreative müssen von ihrer Arbeit leben können.

gesundheit und pflege karl lauterbach Er gilt als „ausgewiesener Kenner des deutschen Gesundheits- und Pflege-

systems“, so Steinbrück. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Karl Lauterbach warnt vor noch größeren Missständen in der Kranken- und Pflegeversicherung. „Es wird höchste Zeit, dass wir das Ruder übernehmen“, ist er überzeugt. Für den Wahlkampf komme es darauf an, das sozialdemokratische Konzept der Bürgerversicherung offensiv zu vertreten, wo doch „fast jeder Mensch in Deutschland davon betroffen ist“.

Oliver Scheytt: Er möchte dafür sorgen, dass Kunst und Kultur allen Menschen zugänglich gemacht wird.

In einer „Wissens- und Informationsgesellschaft“ liege die Aufgabe der Bildung nicht nur darin, für eine beru­ fliche ­Tätigkeit zu qualifizieren, sondern das Individuum zur „Selbstbestimmung und Teilhabe“ zu befähigen. Die Professorin für Interkulturelle Bildung ­Yasemin Karakasoglu fordert eine „breite gesellschaftlichen Debatte“ zum Thema Integration, die ihrer Meinung nach nicht in einseitiger Anpassung bestehen darf. Sie unterstützt das Ziel der SPD, die staatlichen Bildungsausgaben mindestens auf das Durchschnittsniveau der OECD-Staaten anzuheben.

energie und umwelt matthias machnig

Christiane Krajewski: Für die Wirtschaftsexpertin sind „Mitarbeiter das eigentliche Kapital“ eines Betriebes.

Der Thüringer Minister für Wirtschaft, Matthias Machnig, weiß um die Herausforderungen, denen sich eine Energie- und Umweltpolitik aktuell gegenüber sieht. Er kritisiert die amtierende Bundesregierung scharf. Eine lose verkoppelte Anarchie zwischen insgesamt sechs Bundesministerien und den beiden Hauptverantwortlichen Philipp Rösler und Peter Altmaier könne sich Deutschland nicht leisten, so Machnig. „Die Energiewende ist ein Schlüsselprojekt, das gut gemanagt werden muss.“ n


12  In Kürze

vorwärts 07-08/2013

Türkei Aus Widerstand gegen ein Bauprojekt ist ein Protest für die Demokratie geworden Global gedacht Von Rafael Seligmann Die Regierenden sind ratlos. Seit Jahren wird weltweit mit zunehmender Intensität protestiert. Ob in der Türkei, Brasilien, Tunesien, Ägypten, Israel, Südafrika. Manche machen es sich einfach, wie der türkische Ministerpräsident Erdogan, der die Demonstranten als „Terroristen“ und Feinde der Religion beschimpft und sie mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstock niederknüppeln lässt. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff dagegen beteuert, sie wolle den Aufbegehrenden lauschen. Derweil nahmen ihre Bürgermeister die Fahrpreiserhöhungen zurück, die Anlass des Aufbegehrens waren. Darüber hinaus will Brasilien Milliarden in Sozialprogramme investieren. So viel wie für die Stadien der FußballWM verpulvert wurde. Letzteres empört die Bürger, ihre Proteste gehen weiter. Denn die Menschen wissen, dass die Regierenden sich nicht ernsthaft darum bemühen, sie zu ­ verstehen. Die da oben, einst Rebellen gegen die Apartheid, wie Südafrikas Staatschef Jacob Zuma, Rousseff, die gegen die Militärdiktatur kämpfte, Erdogan, der in Haft saß, sind als Amtsträger heute davon überzeugt, dass sie die Interessen ihrer Staatsbürger besser kennen als diese selbst. Das macht sie selbstgerecht. Sie möchten ihre Länder ohne störende Einmischung führen. Zudem ihre Herrschaft durch Wahlsiege legitimiert sei. Die Demonstranten korrigieren dieses Missverständnis. Ihr Protest macht deutlich, Demokratie heißt mehr, als alle paar Jahre seine Stimme abzugeben und die Autokraten nach Gutdünken walten zu lassen. Demokratie heißt, die Menschenund Freiheitsrechte andauernd zu verteidigen. Dazu gehört auch die ständige Kontrolle der Regierung und ihres Apparates. Die großen Zampanos gewähren zu lassen, genügt nicht. Entscheidend ist die Bereitschaft der Regierenden, auf ihre Bürger zu hören und ihre politischen und sozialen ­Bedürfnisse zu berücksichtigen. Ignorieren sie diese, dann hat ihre Stunde geschlagen. n

Stummer Protest gegen Polizei-Willkür und für Demokratie: Der PerformanceKünstler Erdem Gündüz auf dem Istanbuler Taksim-Platz.

Weltweit wählen Der 1. September ist der Stichtag. Wer als deutscher Staatsbüger im Ausland lebt, aber dennoch an der Bundestagswahl teilnehmen möchte, muss bis zu diesem Tag seinen Antrag bei der Gemeinde seines letzten Wohnsitzes in Deutschland stellen. Antragsformulare sind in Botschaften und Konsulaten sowie im Internet erhältlich. Möglich macht die weltweite Wahl eine Neuregelung des Wahlrechts, die zu Beginn dieses Jahres beschlossen wurde. Die SPD hat alle wichtigen Informationen auf einer Internetseite zusammengefasst. n KD spd.de/weltweit_waehlen

Jede Merkelei Es war ein besonderer Service für CDUMitglieder. Noch bevor der Entwurf des Wahlprogramms der Union offiziell vorgestellt wurde, stellte ihn das „SchwarzGelbblog“ ins Internet. „Wir meinen, auch wenn Sie darüber nicht mitbestimmen dürfen, interessiert Sie doch sicherlich, wofür Ihre Parteien jetzt stehen“, kommentierten die Macher der Seite an die CDU-Basis gerichtet bissig. Mitte Juni ging die Seite online. Erstellt wird sie von der SPD. „Wir führen Sie ab sofort regelmäßig sicher durch Merkels Irrgarten“, lautet das Versprechen. Humorig nimmt die Seite die Politik

B

ewegungslos steht er da, die Hände in den Taschen, den Blick ins Leere gerichtet. Mitte Juni tauchte der Performance-Künstler Erdem Gündüz auf dem Istanbuler TaksimPlatz auf. Da hatte die Polizei gerade den nahen Gezi-Park gewaltsam geräumt. Gündüz‘ stummer Protest sollte ein Zeichen gegen die Polizei-Willkür sein. Ende Mai begannen die Demons­trationen gegen ein Bauprojekt in Istanbul – und weiteten sich blitzschnell zu einem landesweiten Protest gegen die Regierung von Ministerpräsident ­Erdogan aus. Vier Menschen starben bislang, Tausende wurden verletzt, weil die Polizei mit aller Gewalt gegen die großteils friedlichen Demonstranten vorgeht. „Die Umbaupläne für den Taksim-Platz brachten das Fass zum Überlaufen“, analysiert Michael Meier, Leiter des Büros der FriedrichEbert-Stiftung in Istanbul, die Vorgänge in der Türkei in einem Beitrag für vorwärts.de. Mirjam Schmidt beschreibt in ihrer Reportage, wie die Demonstranten den „Geist von Gezi“ am Leben halten. „Sie wollen, dass sich etwas verändert in ihrem Land.“ n KD

der Bundesregierung aufs Korn – das Drohnen-Debakel von Verteiditungsminister de Maizière genauso wie Angela Merkels Ausflug ins „Neuland“ Internet. „Wir sehen jede Merkelei“, ist das Motto. Sehr lange nach Materiel suchen müssen die SchwarzGelb-Blogger offenbar nicht: Die Aussagen der Merkelschen Kabinettsmitglieder sind allzu oft selbst Realsatire. n KD schwarzgelbblog.de

Gewonnen! Ein bisschen stolz sind wir schon: Das vorwärtsextra zum SPD-Jubiläum hat Silber gewonnen! Und zwar beim „Best of Corporate Publishing 2013“, dem größten Wettbewerb für Corporate Publishing in Europa. Der Preis wird seit 2003 an Printund Digitalmedien aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vergeben. Bewertet wird das Gesamtkonzept aus Inhalt, Design und Leseransprache. In diesem Jahr gab es mehr als 600 Einreichungen. Das Sonderheft kann über den Verlag bestellt werden. n YH Hinweise zur Bestellung: vorwärts.de/vorwaertsextra

Herzlichen Glückwunsch

Rolf Koltzsch ehem. MdB zum 85. Geburtstag Ulrich Lang ehem. SPD-Vorsitzender in Baden-Württemberg zum 80. Geburtstag Manfred Opel ehem. MdB Inge Lemmermann ehem. SPD-Vorsitzende von Weser-Ems zum 75. Geburtstag Heide Simonis Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein a.D. Christoph Zöpel ehem. Staatsminister im Auswärtigen Amt zum 70. Geburtstag

Foto: REUTERS/Marko Djurica

Der Geist von Gezi


In Kürze 13

07-08/2013 vorwärts

»

Wir brauchen Wirtschafts­ systeme, die für alle ­Menschen da sind, nicht nur für ­diejenigen, die an der Spitze stehen. Barack Obama,

«

US-Präsident, in seiner Berliner Rede

»

Es sind die ­europäischen Werte, für die die Menschen in der Türkei auf die Straße gehen.

«­

Aydan Özoguz, stellv. SPD-Vorsitzende, zu den Protesten in Istanbul

Welches Gefühl haben Sie, wenn Sie an den 1. August denken? Die AWO und ich sehen diesem Datum mit gemischten Gefühlen entgegen. Über Jahre haben sich die Träger der Kindertageseinrichtungen auf den Termin vorbereitet, ab dem der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr gilt. In dieser Zeit wurden viele neue Plätze geschaffen. Dennoch befürchten wir, dass trotz aller Anstrengungen an manchen Stellen die Qualität der Betreuung zu kurz kommen wird. Die AWO ist Trägerin von rund 2300 Kitas deutschlandweit. Wie haben Sie sich auf den 1. August vorbereitet? Wir hatten ja einen etwa fünfjährigen Vorlauf und konnten uns deshalb gut vorbereiten. Von der Bundesebene aus ist es schwer, für die gesamte AWO zu sprechen, da das meiste direkt vor Ort gelaufen ist. Wer früh Bedarfe ermittelt und mit den Jugendämtern Kontakt aufgenommen hat, ist jetzt gut aufgestellt. Insgesamt hat die AWO mehrere zehntausend neue Plätze geschaffen, die sie ab dem 1. Au-

gust oder kurz danach bereitstellen wird. Probleme sehe ich vor allem, wenn Eltern einen Ganztagsplatz brauchen, aber nur eine Teilzeitbetreuung erhalten können. Das wird durchaus öfter der Fall sein. Die Einrichtungen befinden sich hier in einer schwierigen Position. Sie können den Eltern nicht den gewünschten Platz geben, tragen daran aber überhaupt keine Schuld. Welche Rolle spielt das Geld? Ein Problem ist sicher die schlechte finanzielle Ausstattung mancher Kommunen. Hier müssen wir aufpassen, dass kein Zwei-Klassen-Betreuungssystem entsteht, weil sich Kommunen keinen hohen Betreuungsstandard leisten können. Den Kommunen muss genügend Geld zur Verfügung gestellt werden, damit sie eine ausreichende Anzahl von Kita-Plätzen zur Verfügung stellen können – und zwar bei gleichbleibend guter Qualität. Der Bund hat viel Geld in die Anschubfinanzierung gesteckt. Nun darf für die Kommunen nicht das dicke Ende über die Betriebskosten kommen. n KD

Drei Fragen an

Wolfgang Stadler

Wolfgang Stadler ist Vorsitzender des Vorstands der Arbeiterwohlfahrt (AWO)

er kannte keine furcht anzuecken

FotoS: Maurizio Gambarini/dpa, Franz-Peter Tschauner/ dpa, Stefan Boness / VISUM

Mit Walter Jens verliert Deutschland einen großen Intellektuellen, der sich einmischte und warnte, ohne Konzessionen an den Zeitgeist Eine Demenzerkrankung hatte ihn schon mehr als fünf Jahre verstummen lassen. Drei Monate nach seinem 90. Geburtstag starb Walter Jens, Wissenschaftler, Schriftsteller, Übersetzer, Kritiker, am 9. Juni in Tübingen. In Hamburg als Sohn eines Bankdirektors geboren, wurde er nach dem Studium der Klassischen Philologie und der Germanistik in Hamburg und Freiburg 1949 mit der Schrift „Tacitus und die Freiheit“ habilitiert. In Tübingen erhielt er 1956 eine Professur für Klassische Philologie, 1963 wurde er auf den Lehrstuhl für Allgemeine Rhetorik berufen, den er bis zu seiner Emeritierung 1988 innehatte. Von 1976 bis 1982 war er Präsident des PEN-Zentrums der Bundesrepublik, von 1989 – 1997 Präsident der Berliner Akademie der Künste. Der große Universalgelehrte war einer der herausragenden Intellektuellen der westdeutschen Nachkriegsgeschichte, der sich nicht in den Elfenbeinturm zurückzog, sondern heraustrat in die Öffentlichkeit. „Intellektuelle müssen sich einmischen und warnen“, das war sein Credo, und das lebte er, ob er gemeinsam mit seiner Frau Inge 1984 an der Sitzblockade vor dem amerikanischen Atomwaffendepot Mutlangen teilnahm oder 1990 Walter Jens (1923-2013): Er war ein während des Golfkriegs zwei desertierte US-Soldaten in seinem Haus in Tübingen verAufklärer in der Tradition Lessings. steckte – was ihn wegen Beihilfe zur Fahnenflucht vor ein Gericht brachte. Der Protestant, Pazifist und politisch engagierte Humanist verstand sich als Aufklärer in der Tradition Lessings. 1968 zeichnete ihn die Stadt Hamburg mit dem Lessing-Preis aus. Doch als die Universität Hamburg ihn auf die neu eingerichtete Gotthold-Ephraim-Lessing-Professur für öffentliche Wissenschaft berufen wollte, macht eine konservative Hochschullehrer-Riege, zusammen mit Hamburgs Christdemokraten und mit massiver Schützenhilfe der Springer-Blätter der Stadt lautstark Front gegen diese Berufung. Es ging nicht um die wissenschaftliche Qualifikation, sondern um die politische Gesinnung. Der Hamburger CDU-Chef Echternach etwa warnte vor Jens als einem „Rhetorik-Professor in Sachen Euro-Kommunismus“. Angesichts dieser „Provinz-Farce“ machte Jens seine Ankündigung wahr und blieb „lieber in der Weltstadt Tübingen“. Denn das war eine der Grundüberzeugungen dieses Intellektuellen: „Man muss auch eher verlieren können als sich anzupassen.“ Und so machte er keine Konzessionen an den Zeitgeist, hatte keine Furcht anzuecken, wenn er Anstöße gab. Die öffentliche, die republikanische Rede – das war sein eigentliches Feld. Immer wieder bezog er Position, mischte sich ein, ergriff Partei, ob in den sozialdemokratischen Wählerinitiativen oder als Redner auf einem SPD-Parteitag. Dabei machte er aber auch deutlich: „Ich bin ein ‚homme de lettres‘, ein kritischer Warner, gehöre keiner Partei an, sympathisiere selbstverständlich eher mit der Linken als der Rechten, war nie Marxist, habe mich immer als einen bürgerlichen Demokraten verstanden.“ n Werner Loewe

Kein bisschen leise: Ursula Engelen-Kefer engagiert sich für Gerechtigkeit.

Geliebte Nervensäge Mit 17 wollte sie Tierärztin werden. So erzählte es Ursula Engelen-Kefer in einem Interview. Doch nach der Schule studierte die 1943 in Prag Geborene Volkswirtschaftslehre und arbeitete als freie Journalistin in den USA. Sie war 16 Jahre lang stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes und 13 Jahre Mitglied im SPD-Parteivorstand. Der frühere CDU-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm hat sie mal eine „Nervensäge“ genannt – und ihr später das Bundesverdienstkreuz verliehen. Gerechtigkeit war Engelen-Kefers Thema schon immer. „Stoppt die Spaltung der Gesellschaft!“ hieß ihr Appell, der 2011 bei vorwärts|buch erschien. Am 20. Juni ist Ursula Engelen-Kefer 70 Jahre alt geworden. Der „vorwärts“ gratuliert herzlich und freut sich auf weitere kritische Beiträge. n KD

Für die Vielfalt Ins Leben gerufen wurde sie schon auf dem SPD-Bundesparteitag 2011. Am 7. Juni hat sich die AG Migration und Vielfalt nun auch offiziell konstituiert. Zur Vorsitzenden wurde die stellvertretende SPD-Chefin Aydan Özoguz gewählt. Ihre Stellvertreter sind Aziz Bozkurt, Karamba Diaby, Ali Dogan und Hayat Erten. Die SPD ist damit die erste deutsche Partei, die Migranten und am Thema Integration Interessierte in einer eigenen AG versammelt. n KD

Ludwig gewinnt Seit 2006 ist Barbara Ludwig Oberbürgermeisterin von Chemnitz – und sie wird es sieben weitere Jahre bleiben. Am 30. Juni gewann sie den zweiten Durchgang der Oberbürgermeisterwahl mit 63,8 Prozent. Bereits im ersten Wahlgang zwei Wochen zuvor hatte sie mit 46,6 Prozent klar vorn gelegen. Im zweiten Wahlgang hätte nach sächsischer Verfassung auch eine einfache Mehrheit gereicht. Die Wahlbeteiligung lag bei nur 31,8 Prozent. n KD


14  Aktuell

vorwärts 07-08/2013

Adiós España: Santiago López und Antonio Alcalde (vl.) waren in Spanien arbeitslos. Nun lernen sie Deutsch und wollen im September in Lübeck eine Ausbildung beginnen.

Kommen um zu Bleiben?

viermal Europa Sie mussten ihre Heimat verlassen, um in Deutschland Arbeit zu finden. Junge Leute e ­ rzählen Von Susanne Dohrn arbeitslose ­J ugendliche (15- bis 24-Jährige)

60 % 57,2 % 41,9 % in Griechenland

in Spanien

Erfahrungen sammeln, Geld sparen: Nach der Promotion in Griechenland fand der ITExperte Gregory Katsaros Arbeit in Berlin.

in Italien

Quelle: ILO, Februar 2013

wöhnt, dass man weggeht“, sagt Fabiana Persello. Ihr Urgroßvater emigrierte in die USA, ihr Vater in die Schweiz, nur der Großvater blieb, „weil Mussolini Auswanderung nicht erlaubte“. Doch die heutigen Zuwanderer nach Deutschland unterscheiden sich von ihren Vorfahren. Viele von ihnen verfügen wie Fabiana über ein Studium oder eine Ausbildung. „43 Prozent der Neuzuwanderer zwischen 15 und 65 Jahren brachten im Jahr 2009 einen Hochschul-, Meister- oder Technikerabschluss mit“, so eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung. Das sind fast doppelt so viele wie im Jahr 2000. Sie treffen bei uns auf einen vom Fachkräftemangel geplagten Arbeitsmarkt, der bereit ist, sie aufzunehmen, wenn nötig, sogar auszubilden. Genau darauf hoffen Santiago ­López (19) und Antonio Alcalde (35).

»Sie sind sehr motiviert« Die beiden gehören zu einer Gruppe von 22 jungen Leuten, die vor ein paar Wochen in Murcia (Südspanien) ihre ­ Wintersachen eingepackt haben und nach Lübeck gereist sind. Nun wundern sie sich, dass es dort sommerlich warm ist und kurz vor 22 Uhr noch hell. In Spanien waren sie arbeits- und perspektivlos, wie gut 56 Prozent ihrer Altersgenossen. In Lübeck wollen sie im September eine Ausbildung beginnen und bis dahin genug Deutsch lernen, um den Start zu bewältigen.

Fotos: Dirk bleicker

S

ie heißen Antonio, Santiago, Fabina oder Grigoris. Sie kommen aus Spanien, Italien oder Griechenland und sie suchen ihr Glück in Deutschland. Nicht weil sie unbedingt in die weite Welt wollten, sondern weil die EU-Staaten viel zu lange die hohe Jugendarbeitslosigkeit – vor allem in Südeuropa – schlicht ignoriert haben. „Wenn man zu lange nicht arbeitet, kommt man an einen Punkt, wo man sich selbst in Frage stellt“, sagt Fabina Persello. Die 35-jährige Kommunika­ tionswissenschaftlerin und Grafikerin aus Udine spricht perfekt Deutsch. Vor gut vier Jahren kehrte sie der Arbeitslosigkeit in Italien den Rücken und kam nach Hamburg. Einen Job in der Tasche hatte sie nicht, fand aber schnell einen bei einem Portal für Online­spiele. Das Unternehmen gehört zu einer Branche, die „händeringend nach ­ neuen Fachkräften sucht“, so Stefan Klein, Projektleiter des Branchennetzwerkes gamecity:Hamburg. Fabiana ist Teil der „Generation ­Krise“ oder, wie manche Experten sagen, einer „verlorenen Generation“. Sie hat ihr Schicksal selbst in die Hand genommen, um der Arbeits- und der Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat zu entkommen. Für die Hoffnung auf ein besseres Leben hat sie Freunde und Familie zurückgelassen, ähnlich wie in den Generationen zuvor ihre Großeltern, Eltern, Onkel oder Tanten. „Wir Italiener sind an die Idee ge-


Aktuell 15

07-08/2013 vorwärts

Unfaire Verteilung

Was ist der EU Wieviel wert?

1200 Milliarden für die Bankenrettung

58

Milliarden für die EU-Agrarpolitik

6

Milliarden für Maßnahmen gegen die Jugendarbeits­ losigkeit

Fotos: Dirk bleicker

Quellen: SPD-Parteivorstand, BauernverbanD; Europäische Kommission

die Situation. Damit die Spanier nicht an der Berufsschule scheitern, bietet der Betrieb Nachhilfe an. Dahinter steht vor allem ein Wunsch: „Wir hoffen, dass die ihre Ausbildung hier vernünftig absolvieren und tatsächlich hier bleiben“, so Bode. Denn gute Fachkräfte kann der Betrieb brauchen. Bode: „Wir könnten 20 Prozent mehr Aufträge schaffen, wenn wir mehr Personal hätten.“

»Geh nach Deutschland« Ist es ihm schwergefallen, aus Spanien wegzugehen? „Si“, bejaht Santiago Lopez mit Nachdruck. Der 19-Jährige war noch nie so weit weg von zu Hause. Aber Eltern, Freunde, Bekannte, alle hätten gesagt: „Hier hast du derzeit keine Chance. Geh nach Deutschland. Du bekommst eine Ausbildung, wie es sie in der Form und Qualität in Spanien nicht gibt.“ Auch er hat ältere Familienangehörige, die früher nach Deutschland gegangen sind, und er sieht den Unterschied. „Wir haben hier viel Hilfe. Die hatten die Generationen vor uns nicht.“ Aber auf Dauer in Deutschland leben? Die Antworten sind unterschiedlich. Santiago López ist unsicher. In Lübeck ist ihm alles fremd – die Sprache, das Essen, die Art miteinander umzugehen. Er hofft, sich daran zu gewöhnen. Antonio Alcalde hingegen sagt: „Ich würde gerne hier bleiben und mich gut integrieren.“ Fabiana Persello will zurzeit nicht zurück nach Italien. Die Lage dort sei zu schlecht. Aber ihre Familie sieht sie nur ein- bis zweimal im Jahr. Zu selten, findet sie. „Man verpasst soviel.“ Eine Rückkehroption hält sich auch Gregory Katsaros (29) offen. „In vier oder fünf Jahren vielleicht, je nachdem wie die Situation sich in Griechenland ent-

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„Moin España“ heißt das Projekt der Handwerkskammer Lübeck. Hier wird im Kleinen das geleistet, worin die große Politik bisher versagte. Denn mehr als Symbolpolitik haben die verantwortlichen Regierungen – einschließlich der von Merkel – bisher nicht zustande gebracht. Das Projekt hat in Deutschland Pilotfunktion und zeigt, wie groß die Verzweiflung auf beiden Seiten ist. 2012 blieben in Lübeck und Umgebung 319 Lehrstellen unbesetzt. „Vermutlich ist die Zahl noch höher, denn das waren nur die Lehrstellen, die die Betriebe der Arbeitsagentur gemeldet hatten“, sagt Monika Patschull, Abteilungsleiterin Internationale Projekte der Handwerkskammer Lübeck. „Moin España“ soll helfen, einen kleinen Teil der Lücke zu schließen, ohne dabei deutschen Jugendlichen einen Ausbildungsplatz vorzuenthalten. „Mit der Agentur für Arbeit haben wir vorher genau geguckt, in welchen Bereichen Plätze unbesetzt geblieben sind, und die Jugendlichen dafür gezielt angeworben.“ Die Kammer hat eine Rundumbetreuung organisiert: Vermittlung in die Betriebe, Unterkunft und Kontakte zu Lübecker Familien. Anreise, Sprachkurs und einen Zuschuss zum Lebensunterhalt zahlt das Arbeitsamt. „Die jungen Leute sind sehr motiviert“, sagt Peter Bode, Obermeister der Elektro-Innung in Lübeck. Er will zwei der Spanier aufnehmen. Um ihnen den Einstieg zu erleichtern, bereitet sein Unternehmen ein spanisch-deutsches Wörterbuch mit Fachbegriffen vor. Zwei Paten in seinem Betrieb sollen den Spaniern zur Seite stehen. Seine beiden Mitarbeiter haben selbst schon im Ausland gelebt und gearbeitet. Sie kennen

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Als Grafikerin gefragt: Die Italienerin Fabiana Persello arbeitet in der Online-Spielebranche.

wickelt“, sagt der Mitarbeiter eines Informatik-Forschungszentrums in Berlin. Seit 2012 arbeitet er dort und ist froh, der Krise in seiner Heimat entkommen zu sein. Lebensstandard und Einkommen in Griechenland seien in den vergangenen 2 Jahren um 40 Prozent gesunken, sagt er. Schwester und Schwager, beide Architekten, hätten mit ihren Kindern kürzlich wieder zu den Eltern ziehen müssen, weil sie sich eine eigene Wohnung nicht mehr leisten konnten. Von Katsaros’ Studienkollegen arbeiten acht von zehn mittlerweile im Ausland. Ein „Brain drain“ für das Land, Verlust von Wissen und Know-how? Katsaros überlegt. „Ja, schon“, gibt er zu. Andererseits seien sie Teil einer Generation, die sich im Ausland Wissen und Erfahrung aneignet. Wenn die Situation in Griechenland wieder besser werde, gebe es vielleicht eine Rückkehrer­welle: „Leute, die mit ihren Qualifikationen und ihren Investments helfen können, das Land voranzubringen.“ Ähnlich sieht es auch Monika Patschull von der Handwerkskammer Lübeck: „Mit einem deutschen Gesellenbrief können die jungen Leute auch in Spanien irgendwann richtig was anfangen.“ n

Der Justizskandal um Gustl Mollath ist nur einer von vielen Fällen, mit denen sich Bestsellerautor Wilhelm Schlötterer in seinem neuen Buch beschäftigt. Eine gnadenlose Abrechnung des Insiders mit der bayerischen Politelite von Strauß bis Seehofer. Leseprobe unter heyne.de

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vorwärts 07-08/2013

Unser Europa

hannes swoboda Der SPE-Chef im EU-Parlament fordert, dass Europa ­endlich die Jugendarbeitslosigkeit ­ wirksam bekämpft Interview Karin Nink und Lars Haferkamp

Hannes Swoboda warnt die Politiker Europas: „Wir dürfen nicht scheitern.“

men werden. Es kann nicht sein, dass ein Land sanktioniert wird, weil es in Wachstum und Arbeitsplätze investiert. Die EU empfiehlt ihren Mitglieds­ ländern, sich am deutschen Vorbild des dualen Ausbildungssystems zu

»die grösste schande europas« Jugendarbeitslosigkeit SPD und Frankreichs Sozialisten verlangen Taten statt Worte

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echs Milliarden Euro will die EU in den nächsten Jahren gegen die Jugendarbeitslosigkeit einsetzen. Das ist der SPD und Frankreichs Sozialisten viel zu wenig. Deshalb reiste Sigmar Gabriel vor dem jüngsten EU-Gipfel Ende Juni nach Paris. Und sprach Klartext: Es sei „die größte Schande“ für die Politik in Europa, „nichts getan zu haben im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit“. Da sei er sich mit Francois Hollande einig, sagte Gabriel nach seinem Zusammentreffen

Einig: Sigmar Gabriel und Francois Hollande in Paris

aktionen der SPD Über weitere Termine und Aktionen der SPD zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa informieren wir auf vorwärts.de/juko

mit dem französischen Staatspräsidenten im Pariser Élysée-Palast. Sigmar Gabriel traf darüber hinaus Minister­ präsident Jean-Marc Ayrault und Harlem Desir, den Vorsitzenden der Sozialistischen Partei (PS) Frankreichs. Zusammen mit Desir legte der SPDVorsitzende eine gemeinsame Erklärung der beiden Schwesterparteien vor. Darin fordern die Parteien „eine Wende in der europäischen Politik“. Die Kernforderung: „Der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit muss absolute Priorität haben!“ Konkret wird ein Sofortprogramm zur Schaffung von jährlich 500 000 zusätzlichen Ausbildungsund Arbeitsplätzen in den kommenden drei Jahren verlangt. Darüber hinaus

orientieren. Ein solcher Aufbau würde Jahre dauern. Haben die betroffenen Länder diese Zeit überhaupt noch? Sie haben keine Zeit mehr zu verlieren. Wir wären schon einen Schritt weiter, würde die Regierung Merkel die anderen Länder nicht mit der Peitsche zum sparen treiben, sondern seine gut funktionierenden Modelle einbringen. Wir brauchen Zusammenarbeit, keine Besserwisserei. Brüssel fordert mehr Mobilität der Jugendlichen. Ist der Fortzug ­vieler tausend junger Menschen, etwa von Spanien nach Deutschland, die ­Lösung? Nein, das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Diese Migration ist dann sinnvoll, wenn zugleich Strategien entwickelt werden, die jungen Menschen wieder in den heimischen Arbeitsmarkt zu re­ ­ integrieren, um hier die Wirtschaft ­wieder aufzubauen. Gute Erfahrungen hat Europa gemacht beim Austausch Studierender mit dem Erasmus-Programm. Wann wird es so etwas auch für Auszubildende geben? Das planen wir. Auch damit Europa nicht nur ein Projekt der Bildungseliten bleibt, sondern auch Lehrlinge konkret erleben, wie Europa ihnen hilft. Wenn Sie eine Prognose wagen: Wird Europa das Problem der Jugendarbeitslosigkeit in den Griff bekommen oder wird es daran scheitern? Wir dürfen nicht scheitern. Ich hoffe auf einen Regierungswechsel in Deutschland. Damit Europa endlich auch eine soziale Union wird, damit Mindest­ löhne durchgesetzt werden und Armut ­bekämpft wird. Und damit wir in Europa endlich wieder miteinander reden und nicht nur übereinander. n Hannes Swoboda ist seit 2012 Vorsitzender der Europäischen Sozialdemokraten (SPE) im EU-Parlament, dem er seit 1996 angehört.

müssten die Mittel für die europäische Jugendgarantie von sechs auf mindestens 21 Milliarden Euro erhöht werden, damit „allen Jugendlichen eine Beschäftigung, Ausbildung oder ein Praktikum garantiert“ werden könne. Gabriel nannte die sechs Milliarden Euro der EU „hilflos“ und „peinlich“. Es handele sich um „eine homöopathische Dosis“ im Vergleich zu den 1200 Milliarden Euro, die bisher zur Stabilisierung des Finanzsektors bereitgestellt wurden. Die europäische Politik sei stets „absolut präzise“ wenn es um Sparprogramme gehe. „Immer dann, wenn es darum geht, Arbeitsplätze oder Ausbildungsplätze für junge Leute zu schaffen, ist es wolkig“, kritisierte der SPD-Vorsitzende. n LH

Fotos: Hendrik Rauch, Stephane Lemouton/Abaca Press/Action PRess

Herr Swoboda, alle Welt spricht vom Euro, kaum jemand von Europas Jugendlichen, von denen in einigen EU-Regionen jeder Zweite keinen Ausbildungs- und Arbeitsplatz findet. Woran liegt das? Die Politik hat in vielen Fällen nicht mehr die Sensoren, wo die wirklichen Pro­ bleme sind. Die Politiker reden zu oft nur noch miteinander oder mit Vertretern der Hochfinanz, aber nicht mit Arbeitssuchenden. Sie fordern einen wesentlich ­engagierteren Kampf Europas gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Welche Kompetenzen und Mittel hat die EU in diesem Bereich? Sie sind begrenzt. Umso wichtiger, dass wir in unserem Kampf um das europäische Budget ausreichende Mittel zum Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit durchsetzen. Wichtig ist auch, den Informationsaustausch zwischen den Nordländern, die eine geringere Jugendarbeitslosigkeit haben, und den Südländern zu organisieren. Das kann nur Europa. Die EU will mit dem „Jugendgarantie“Programm allen Jugendlichen unter 25 Jahren, die vier Monate ohne Job sind, eine Ausbildung oder ein Praktikum ermöglichen. Wie soll das geschehen? Alle Länder sollen sich dazu verpflichten, freiwillig. Die EU kann sie dazu nicht zwingen. Die Mitgliedsländer müssen solche Programme finanzieren. Die EU kann sie dabei unterstützen, etwa mit Mitteln aus dem Sozialfonds. Wie realistisch ist eine solche Garantie für Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien? Sie ist realistisch, wenn die Programme ausreichend finanziert sind. Wir Sozial­ demokraten wollen deshalb: Ausgaben, die ein Land zur Bekämpfung der ­Jugendarbeitslosigkeit einsetzt, müssen bei der Defizitberechnung herausgenom-

keine zeit Mehr verlieren


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Partei leben! inhalt Rotes Meer Der OV Görlitz feiert kreativ den 150. SPD-Geburtstag

Fotos: Dirk bleicker, Marco URban

Chefsache

Kurz & Knapp

Andrea Direkt!

Nachrichten aus den Gliederungen der Partei

Die SPD hat beschlossen, dass Kinderbetreuung künftig kostenfrei ist. Bis wann soll das erreicht sein? Den Anfang wollen wir direkt nach der Bundestagswahl machen und dann schrittweise, wie schon in RheinlandPfalz und Berlin, Kostenfreiheit in ganz Deutschland erreichen. Hierfür haben wir, anders als die Union, auch einen soliden Finanzierungsvorschlag gemacht. Warum gibt es niemanden für das Thema Integration im Kompetenzteam von Peer Steinbrück? Peer Steinbrück hat mit Yasemin Karakasoglu eine Migrantin in sein Team berufen, sich aber bewusst dafür entschieden, dass sie mit dem Bereich Bildung und Wissenschaft einen klassischen Politikbereich bearbeitet. Das Thema Integration ist für uns ein Querschnittsthema, welches von allen Team-Mitgliedern in ihren Themenfeldern bearbeitet wird. Stehen die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wegen der aktuellen Vorkommnisse auf der Kippe? Das brutale Vorgehen der Regierung Erdogan gegen friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten stellt die Haltung der Türkei zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Frage. Es wäre allerdings falsch gewesen, jetzt die Verhandlungen zu stoppen. Die jungen Menschen in der Türkei wollen in Richtung Europa gehen und diese Perspektive wollen wir ihnen nicht nehmen. Deshalb sollten wir mit der Türkei gerade jetzt über Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit reden. Wie bewerten Sie Obamas Berlin-Rede? Dass er die Atomwaffen reduzieren will freut mich ebenso wie die Schließung von Guantanamo. Letzteres hatte er allerdings schon einmal angekündigt, weshalb ich nun Taten nach den Worten erwarte. n

Auf Tour Die Jusos machen Jugendwahlkampf im Reisebus

Reformbedürftig Peer Steinbrück stellt seine Pläne zur Pflegereform vor

Abgehoben Rolf Rennert ist Ballonfahrer – und überzeugter Sozi

Steiniger Weg Eine Ausstellung zeigt den Kampf für Frauenrechte

Kunst zum 150. Die SPD in Berlin-Reinickendorf hat den 150-jährigen Geburtstag ihrer Partei künstlerisch in Szene gesetzt. Nachdem die Rollläden ihres Kreisbüros wiederholt mit Graffiti besprüht worden waren, schrieben die Genossen einen Schülerwettbewerb aus. Der Gewinner entwarf fünf Bilder, die das Engagement der Partei im Bezirk widerspiegeln. Unter anderem zeigen sie das Wappen Reinickendorfs mit dem roten Fuchs, den solidarischen Handschlag der Völker und eine Europakarte, in der Reinickendorf rot hervorsticht. Was plant Ihr zum Parteijubiläum? Schreibt an parteileben@vorwaerts.de

Gertrud Steinbrück spricht offen: Manche Berichte über ihren Mann Peer seien schwer zu ertragen, weil „eigentlich nur das aus ihm herausgefiltert werden soll, was negative Gefühle auslöst“.

Klartext mit Gertrud Parteikonvent Auf einem erstmals öffentlichen SPD-Konvent gab das Ehepaar Steinbrück Einblicke in sein Familienleben Von Vera Rosigkeit

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it Witz und großer Offenheit sprach Gertrud Steinbrück, die Frau des Kanzlerkandidaten, über seine Stärken und Schwächen. Mit bewegenden Worten schilderte sie die Belastungen, die der Wahlkampf mit sich bringe. Es sei für sie schwer zu ertragen, „dass eigentlich nur das aus ihm herausgefiltert werden soll, was negative Gefühle auslöst“, erklärte die Gymnasiallehrerin mit Blick auf die Berichterstattung über ihren Mann. Er habe sich dieser Verantwortung gestellt und dafür Freizeit und Freiheit aufgegeben, sagte sie. Es müsse doch klar sein, dass er dann auch etwas bewegen wolle. Als WDR-Moderatorin Bettina Böttinger daraufhin Peer Steinbrück fragte: „Warum tun sie es?“, kämpfte der 66-Jährige mit den Tränen und konnte nicht antworten. Die rund 200 anwesenden Delegierten im Berliner Tempodrom applaudierten dem Kandidaten daraufhin stehend. Gertud Steinbrück machte auch deutlich, dass sie ihre berufliche Unabhängigkeit nicht aufgeben werde. Die Mutter von drei Kindern will weder auf Staatskosten Reisen machen, noch will sie Landesmutter werden. „Beim Begriff Landesmutter kräuseln sich mir die Fin-

gernägel.“ Mit Blick auf den Mann von Angela Merkel sagte sie, dass diese Rolle auch von ihm nicht erwartet werde. Familie und Beruf war das Leitthema des Parteikonvents, auf dem 98 Tage vor der Bundestagswahl der SPD-Parteivorstand und rund 200 Delegierte aus ganz Deutschland zusammenkamen. SPDParteivize Manuela Schwesig griff die Bundesregierung scharf an. Diese habe nichts für Familien getan. Im Gegenteil. Sie habe des Elterngeld gekürzt und den Kita-Ausbau vernachlässigt. Die SPD beschloss dagegen, die Kinderbetreuung auf Dauer gebührenfrei zu machen. Schon zu Beginn des Parteikonvents hatte Parteichef Sigmar Gabriel erklärt, dass es keine Konflikte zwischen ihm und Peer Steinbrück gebe. „Die poli­tische Ehe funktioniert“, versicherte Gabriel. Gleichzeitig schwor er die Genossinnen und Genossen auf den Wahlkampf ein. Es gehe bei dieser Bundestagswahl um mehr als nur um die Summe der Einzelpunkte. Es gehe um die Idee einer Gesellschaft, in der „das Ich nicht im Widerspruch zum Wir“ stehe. n Auf dem Parteikonvent wurden vier Leitanträge verabschiedet. Mehr Informationen unter spd.de/partei/parteikonvent_2013


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Grenzgänger: Gerhild Kreutziger, Svenja Wester mit Sohn Vincent, Mike Thomas, Michael Prochnow und Rainer Schöps auf der Altstadtbrücke zwischen Görlitz und Zgorzelec

OV Görlitz Die Genossen lassen die Parteihistorie ­aufleben und interessieren mehr Menschen für die SPD Von Kai Doering

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er Sündenbock war stets schnell gefunden. „Alles, was in Görlitz nicht funktionierte, wurde dem Sozialdemokratismus zugeschrieben“, sagt Heidi Roth „ob es Maschinenausfälle waren oder Brände“. Es ist ein warmer Juni-Abend, als die Leipziger ­Historikerin in ihrem Vortrag über den DDR-Volksaufstand am 17. Juni 1953 auf die SPD zu sprechen kommt. Unter dem Vorwurf des „Sozialdemokratismus“ verfolgte die SED die Sozialdemokraten. „Vor 1933 war die SPD in Görlitz stark und selbst nach der Vereinigung mit der KPD zur SED galt der Sozialdemokratismus als bedeutender Gegner der Staatsführung“, erzählt Roth den Versammelten im Schlesischen Museum. Nur wenige Meter entfernt auf dem damaligen Leninplatz demonstrierten am 17. Juni 1953 rund 35 000 Menschen gegen die Regierung der DDR.

Sprungbrett für Soziademokraten „Es soll damals sogar den Versuch gegeben haben, die SPD in Görlitz wiederzugründen“, erzählt Gerhild Kreutziger. Die Vorsitzende der Görlitzer SPD ist stolz auf die Geschichte ihres Ortsvereins. „Görlitz war Sprungbrett für viele berühmte Sozialdemokraten“, schwärmt sie. Reichs-

OV-Porträt

Gute Laune trotz schlechten Wetters: Die Görlitzer SPD verwandelte die Neiße-Stadt mit Unterstützung anderer Genossen in ein „rotes Meer“.

tagspräsident Paul Löbe lebte ebenso ­einige Zeit in der Stadt wie Reichskanzler Hermann Müller – beide bevor sie in Berlin Karriere machten. „Und Rosa Luxemburg soll in Görlitz eine viel beachtete Rede gehalten haben – auf Deutsch und auf Polnisch“, erzählt Kreuziger. Im September möchte der OV diese im Rahmen einer szenischen Lesung nachstellen. „Wir wollen keine Historikerpartei sein“, sagt Gerhild Kreutziger, „aber die Menschen mithilfe der Geschichte unserer Partei für die SPD von heute begeistern.“ Deshalb hat der OV auch das Grab von Hugo Keller wieder hergerichtet und am

Euphorie im roten Meer Aufhänger war der Europa-Marathon, der die Läufer im Juni zum zehnten Mal durch den deutschen und den polnischen Teil von Görlitz/Zgorzelec führte. Vorher hatten Rainer Schöps, Sportbeauftrager des OV, und Mike Thomas mehr als 6000 E-Mail-Adressen von SPD-Ortsvereinen recherchiert, Gerhild Kreutziger diese angeschrieben und zur Teilnahme am Marathon eingeladen. „Alle sollten im roten T-Shirt mitlaufen oder am Straßenrand anfeuern und die Stadt so in ein rotes Meer verwandeln“, erklärt Schöps. Leider machte das Wetter den Görlitzern zum Teil einen Strich durch die Rechnung. Zwar kamen Genossen aus zehn Bundesländern, doch das Hochwasser in Sachsen hielt viele, die bereits zugesagt hatten, von der Anreise ab. Trotzdem soll das „Rote Meer“ künftig jährlich stattfinden. „Das Rote Meer war eine äußerst erfolgreiche Aktion“, sagt Thomas Jurk. Er war stellvertretender Ministerpräsident von Sachsen und ist nun Spitzenkandidat der SPD im Freistaat für die Bundestagswahl. Beim Europa-Marathon wurde der gebürtige Görlitzer Erster seiner Altersklasse im Walken. „Görlitz ist ein schwieriger Wahlkreis“, sagt Jurk. Er möchte die CDU-Hochburg trotzdem direkt erobern. Gerhild Kreutziger und ihre Mitstreiter werden ihn dabei unterstützen, auch wenn der OV nur 46 Mitglieder zählt. Der „Sozialdemokratismus“ hat in Görlitz schließlich schon ganz andere Dinge bewegt. n

Fotos: Rainer Weisflog

begeistern mit geschichte

1. Juni des Mitbegründers des ADAV in Görlitz gedacht. Es war der Auftakt zum „Roten Meer in Görlitz“. „Im Jubiläumsjahr der SPD wollten wir Soziademokraten aus dem gesamten Bundesgebiet zusammenbringen und ein Wochenende mit ihnen feiern“, erklärt die OV-Vorsitzende die Idee.


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Fotos: Thorsten Frank, Amin Akhtar/laif, Britta Erfmann

Gelebte ­P olitik

Tour de Bahr

Gegen Euro-Lügen

Wie schafft es eine noch unbekannte Bundestagskandidatin, sich in kurzer Zeit einen Namen zu machen? Jedenfalls nicht durch unendliche Reden auf Marktplätzen, findet Ulrike Bahr (r.).

Der SPD-Ortsverein in Brüssel arbeitet eng mit Sozialdemokraten aus anderen EU-Staaten zusammen. Gerade hat er mit europäischen Genossen ein Positionspapier „für ein gerechtes, starkes und bürgernahes Europa“ he­ rausgebracht. „Man muss den Bürgern erklären, was hier passiert“, sagt OVMitglied Philipp Runge. Darüber hinaus wurde zusammen mit der SPÖ eine Argumentationshilfe über „Mythen und Lügen der Eurokrise“ veröffentlicht. n RS

Stattdessen tourt sie seit Mai durch Augsburg und Königsbrunn und ist jeweils einen Tag lang in einer Einrichtung zu Gast, etwa in einer Ganztagsschule. Abends lädt sie die Bürger des Stadtteils ein, um über ihre Erlebnisse zu diskutieren. „Ulrike sagt anderen nicht gerne die Meinung, sie hört zu“, erklärt die Juso-Vorsitzende Anna Rasehorn. Auch Bahr zieht eine positive Bilanz: „Das Ganze ist stressig, aber ich merke, ich komme bei den Menschen an!“ n RS

Ein Leben im O-Ton Teil 7 In der vorwärts-Reihe „Gelebte Politik“ berichten Sozialdemokratinnen und Sozial­ demokraten, die viel erlebt haben, über ihre Erfahrungen. Stephan Hilsberg erzählt im siebten Teil der Serie von der Gründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR 1989 und seinen vielfältigen Aufgaben als deren Erster Sprecher. Der vollständige Text (Interview: Uwe Knüpfer, Bearbeitung: Andi Kunze) ist im Originalton in der vorwärts-App-Ausgabe zu hören – und im Internet unter vorwärts.de/­gelebte_ politik

spd-bruessel.de

Kriminologe geehrt Für sein Lebenswerk erhielt der Kriminologe und frühere niedersächsische Justizminister Christian Pfeiffer am 26. Juni im bayerischen Lindenberg den diesjährigen Sozialistenhut. Pfeiffers Thesen über die soziale Verwahrlosung von Jugendlichen als Ursache von Rechtsextremismus und Gewalt erreichen große öffentliche Resonanz. Seit 1986 werden mit dem Sozialistenhut mutige Sozialdemokraten geehrt. n RS

Blutjung und Rot Den 14. Geburtstag feiern und am nächsten Tag sofort in die SPD eintreten – das gibt es nicht mehr? Vivienne Vieluf (l.) hat es getan. Einen Tag, nachdem sie das Mindestalter erreicht hatte, unterschrieb sie das Beitrittsformular. Vivienne will mitmachen und nicht nur zusehen. „Jugendliche sollten mitbestimmen können“, tritt sie beispielsweise für das Wahlalter 16 ein. Ihre ersten Erfahrungen, die die NeuGenossin bei den Jusos Teltow-Fläming (Brandenburg) und beim Girls’ Day im Willy-Brandt-Haus gemacht hat, haben sie begeistert und ihr politisches Inte­ resse geweckt. Höhepunkt ihrer jungen SPD-Karriere war ein Treffen mit Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf dem SPD-Sommerfest in Potsdam. n RS ANZEIGE

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as Abenteuer beginnt an einem kühlen Morgen im Juni. Vor dem Berliner Willy-BrandtHaus steht ein halbes Dutzend junger Männer und Frauen, die mit Kaffee aus Plastikbechern die Kälte und die Müdigkeit vertreiben. Neben ihnen parkt ein bunt besprühter Bus. Das Gefährt ist fast schon ein Oldtimer, 27 Jahre hat es auf dem Buckel. Darauf prangt ein großer Schriftzug: „Zeit für Gerechtigkeit – Zeit für dich.“ Es ist das Wahlkampfmotto der Jusos. Sie wollen in diesem Bus quer durch Deutschland fahren, Tag für Tag, Woche für Woche, bis zur Bundestagswahl im September. An diesem Morgen geht es los. Zum Auftakt schaut Peer Steinbrück vorbei. Der SPD-Kanzlerkandidat trägt einen überdimensionalen Plastik-Auto­ schlüssel mit sich. Er überreicht ihn dem Busfahrer, Ralf Schiemann, einem 40-Jährigen mit blondem Kinnbart und SPD-Parteibuch. „Die Chance der SPD besteht darin, dass sie mobilisiert“, sagt Steinbrück. Die Wahlbeteiligung von nur 70,8 Prozent bei der letzten Bundestagswahl sei ein Grund dafür, „dass wir auf die Bretter gegangen sind.“ Viele sozial­ demokratisch gesinnte Bürger seien nicht zur Wahl gegangen.

40 Stationen in vier Wochen Das wollen die Jusos diesmal mit ihrer Tour ändern, indem sie junge Menschen aus ganz Deutschland zum Wählen animieren. Im Bus mitfahren werden zunächst die Mitglieder des Bundesvorstands der Juso-Hochschulgruppen. In vier Wochen werden sie über 40 Universitäten und Fachhochschulen besuchen. Danach übernimmt der JusoBundesvorstand den Bus. Übernachtet wird nicht in Hotels, sondern auf der Couch oder in Gästebetten von Jusos vor Ort. „Das spart Kosten“, sagt Gitta Lauster, die die Tour der Hochschulgruppen organisiert. „Es macht aber auch mehr Spaß.“ Am Vormittag erreicht der Bus seine erste Station: den U-Bahnhof Dahlem, an dem viele Studenten der Freien Universität Berlin aussteigen, um zu ihren Seminaren und Vorlesungen zu eilen. Die Jusos bauen vor dem FachwerkBahnhof ein kleines Wohnzimmer auf, bestehend aus Stühlen, einem Teppich und einer alten Stehlampe. „Wohnen unter freiem Himmel“, erklärt Lauster. Mit der Aktion wollen die jungen So­ zialdemokraten gegen die explodierenden Mietpreise protestieren. Die Jusos setzen im Wahlkampf auf Spaß – und verknüpfen ihn mit ernsten Themen. Der Bus ist vollgestopft mit Requisiten für fantasievolle Wahlkampfaktionen. Da ist die „GleichstellungsTorwand“ mit gleich hohen Löchern,

die für einen gleichen Lohn für Frauen und Männer stehen. Oder ein StudiumParcours mit zahlreichen Hindernissen („BAföG“, „Studentenjob“), den man ­unter Zeitdruck durchlaufen muss. Wer vor dem Start den Joker „reiche Eltern“ zugelost bekommt, kann eine Abkürzung nehmen. „Welche Themen wir ansprechen, entscheiden wir zusammen mit den Juso-Gruppen, die wir besuchen“, sagt Gitta Lauster.

In Kassel geht es um Geld 1

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Auf groSSer Tournee Jugend-Wahlkampf Die Jusos fahren quer durchs Land, um mit fantasievollen Aktionen zum Wählen zu animieren Von Carl-Friedrich Höck

4 1| Präsentiert die Wahlkampf-Motive: Daniel Choinovski, Geschäftsführer der Juso-Hochschulgruppen 2| Peer Steinbrück und Andrea Nahles überreichen einen symbolischen ­Autoschlüssel an Ralf ­Schiemann (l.)... 3| ...den Busfahrer 4| Kein Geld für eine eigene Wohnung? Protestaktion der Jusos in Münster 5| Katharina Kaluza beim Tour-Auftakt

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Zwei Wochen später hat der Bus bereits 2500 Kilometer zurückgelegt. Heute geht die Fahrt zunächst von Dortmund nach Kassel, am Nachmittag dann nach Münster. Vom Vorstand der Juso-Hochschulgruppen an Bord: Mareike Strauss, Katharina Kaluza und Jörg ­Meierotte. Gegen halb zehn erreicht der Bus die Kasseler Universität und parkt vor einem großen Glasbau. Dort warten ­ bereits drei junge Männer von der lokalen Juso-Hochschulgruppe. „Welches Thema wollen wir heute machen?“, ruft Mareike Strauss. „Wohnen“, sagt einer der Jungs. „Das wird hier immer teurer.“ Auch mit der Studienfinanzierung hätten viele Studenten in Kassel Probleme. Wenig später laufen die Jusos über den Campus und verteilen große Geldscheine aus Esspapier. „Hallo, wir haben ein bisschen Geld über“, ruft Strauss den vorbeilaufenden Studenten zu. „Dürfen wir dir was überreichen?“ Die meisten nehmen die Scheine lächelnd entgegen – zusammen mit einem Flyer, der für den Ausbau des BAföG wirbt. „Es ist immer wieder ein tolles Erfolgserlebnis, wenn die Leute einem nett begegnen“, sagt Katharina Kaluza, als der Bus sich wieder in Bewegung setzt. Die Reaktionen seien überwiegend positiv. Während der Fahrt zücken die Jusos ihre Handys und Laptops, um die nächsten Stationen zu organisieren oder Fotos auf Facebook hochzuladen. Auch das gehört zum Wahlkampf. In einem Blog berichten sie täglich von ihren Aktionen. Der Bundesvorstand der Juso-Hochschulgruppen will mit der Tour aber nicht nur die Menschen auf der Straße und im Internet ansprechen, sondern auch die eigenen Ortsgruppen mobilisieren. „Es ist schön, wenn man die Jusos in den vielen Städten trifft, sich vernetzt und den Leuten auch etwas Motivation mitgibt“, sagt Mareike Strauss. Dafür nehmen die Busreisenden gern Strapazen in Kauf. „Eine halbe Stunde, in der man mal für sich ist, hat man hier eigentlich nie“, sagt Jörg Meierotte. Geschlafen wird wenig. Fast jeden Tag müssen die Jusos vor sechs Uhr aufstehen, und abends ziehen sie oft noch mit den lokalen Hochschulgruppen um die Häuser. „Das gehört genauso dazu“, sagt Katharina Kaluza. n

Fotos: Dirk Bleicker (4), Rüdiger Wölk

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Gut leben im alter DEMOGRAFIE Hochwertige Pflege durch gut bezahlte Fachkräfte, das sieht die Pflegereform der SPD vor Von Yvonne Holl

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Einberufung gemäß § 18 (1) und § 32 Organisationsstatut

­ordentlicher ­Bundesparteitag Vom 14. bis 16. November 2013 Leipziger Messe GmbH, Messe-Allee 1, 04356 Leipzig Antragsschluss gemäß § 18 (2) ist Freitag, 13. September 2013 um 24 Uhr für ordentliche Anträge, satzungsändernde Anträge und Wahlvorschläge.

Vorläufige Tagesordnung

Donnerstag, 14. November 11.00 Uhr Konstituierung und Eröffnung Begrüßung Wahl des Präsidiums Wahl der Mandatsprüfungs- und Zählkommission Beschluss über die Geschäftsordnung Beschluss über die Tagesordnung 13.00 Uhr Rede des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel 14.00 Uhr Aussprache

Alt aber zufrieden: Seniorin mit Pflegerin im betreuten Wohnen im württembergischen Harthausen.

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er nur die Angst vor dem Älterwerden heraufbeschwört, verstellt den Blick auf die vielfältigen Möglichkeiten, die Gesellschaft des längeren Lebens zu gestalten.“ Damit beginnt das Papier zur Pflegereform von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Die beiden haben einen Zehn-PunktePlan entwickelt, durch den Deutschland „die demografische Chance nutzen“ und seinen Bürgern ein gutes Leben auch im Alter ermöglichen kann.

Foto: imago/Wilhelm Mierendorf

125 000 neue Pfleger „Wir wollen in den Jahren 2013 bis 2017 die Weichen in der Pflege umfassend neu stellen“, sagt das Autoren-Duo. Und: „Vier weitere Jahre des Nichtstuns kann sich unser Land nicht leisten.“ Mehr Zeit für Zuwendung sei nur durch mehr Pflegende möglich. Deshalb will die SPD 125 000 neue Stellen in der Pflege schaffen und einen Mindestpersonalschlüssel einführen. Finanziert wird die JobOffensive mit der Beitragserhöhung der Pflegeversicherung. Die Beiträge steigen um 0,5 Prozent, das bedeutet Mehreinnahmen von rund sechs Milliarden Euro. Auch die Ausbildung wird reformiert: Geplant ist eine gemeinsame Alten- und Krankenpflegeausbildung. Parallel soll ein allgemeinverbindlicher Branchentarif eingeführt werden. „Damit kann dem Lohndumping effektiv begegnet und die Arbeit der Beschäftigten im Sozial- und Pflegebereich gewürdigt werden“, so Steinbrück und Dreyer in ihrem Papier.

Finanziert werden sollen die Verbesserungen in der Pflege mit einer Bürgerpflegeversicherung, deren Beiträge einkommensabhängig erhoben werden. Im gleichen Zug wird private Vorsorge nicht weiter staatlich gefördert: Der 5-EuroPflege-Bahr wird abgeschafft. Die Pflege selbst soll weiterentwickelt, ein „neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff“ eingeführt werden. So sollen einerseits Demenzkranke. deren Zahl immer mehr wächst, besser betreut werden, aber auch insgesamt die bisher bestehenden Leistungen aus Pflege und Betreuung besser verknüpft werden. Immerhin drei Millionen Menschen werden nach Schätzungen 2030 pflegebedürftig sein. „Wir wollen das Leben der Betroffenen heute verbessern und der zukünftigen Pflegebedürftigkeit entgegenwirken“, so Dreyer und Steinbrück. Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilitation werden deshalb ein Schwerpunkt. Um altersgerechte Umgebungen zu schaffen, soll die Städtebauförderung auf 700 Millionen Euro jährlich angehoben werden und das von Bundeskanzlerin Angela Merkel gestrichene Programm „Altersgerecht bauen“ mit 100 Millionen Euro jährlich aus Bundesmitteln neu aufgelegt werden. Die Pflege Angehöriger soll massiv erleichtert werden: mit Lohnersatzleistungen und einem Rechtsanspruch auf die Rückkehr in den Beruf. Damit möglichst viele Menschen möglichst lange selbstbestimmt in ihrem vertrauten Umfeld leben können. n

15.00 Uhr Grußworte Anschließend Rechenschaftsberichte – Bericht der Generalsekretärin – Bericht der Schatzmeisterin – Bericht der Vorsitzenden der Kontroll­ kommission – G leichstellungsbericht (schriftlich) – Bericht der Bundestagsfraktion (schriftlich) – Bericht über den Stand der Betriebs­ organisation (schriftlich) – Bericht über die Erledigung und Bearbeitung der angenommenen und überwiesenen ­Anträge der vorangegangenen Parteitage (schriftlich) 16.00 Uhr Aussprache 17.00 Uhr Bericht der Mandatsprüfungs- und Zählkommission 17.30 Uhr Bericht des Vorsitzenden der Antragskommission 18.00 Uhr Antragsberatung einschließlich satzungsändernder Anträge 21.00 Uhr Unterbrechung des Parteitages

Freitag, 15. November   9.00 Uhr Beginn/Grußworte   9.30 Uhr Antragsberatung 10.00 Uhr

Wahl Parteivorsitzende/r

10.30 Uhr Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden und Wahl des/der Beauftragten für die Europäische Union 12.00 Uhr Antragsberatung 14.00 Uhr

Wahl Generalsekretär/in

14.30 Uhr

Wahl Schatzmeister/in

15.00 Uhr Antragsberatung 16.00 Uhr

Wahlen zum Parteivorstand

19.00 Uhr Unterbrechung des Parteitages 20.00 Uhr Parteiabend

Samstag, 16. November 10.00 Uhr Beginn/Grußworte 10.15 Uhr

Wahl der Bundesschiedskommission

10.30 Uhr Antragsberatung 11.15 Uhr

Wahl der Kontrollkommission

11.45 Uhr

Wahl der Delegierten zum Kongress der SPE

12.00 Uhr

Verleihung des Wilhelm-Dröscher-Preises

13.00 Uhr Schlusswort Parteivorsitzende/r


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Zur Sonne, zur Freiheit Rolf Rennert Die SPD ist seine Heimat, Ballonfahren seine Passion – im Jubiläumsjahr auch für die Partei Von Christoph Ruf

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ndlich ist der Sommer da. Rolf Rennert freut sich darüber besonders. Denn nun kann er endlich in die Luft gehen. Seit mehr als einem Monat beherbergt die Garage des 73-Jährigen in Leipzig einen Heißluftballon, den er bei einem Modell-Ballonbauer im schwäbischen Brigachtal abgeholt hat. Lange blieb „das Vögelchen“, wie Rennert den roten Ballon liebevoll nennt, flugunfähig. „Die Thermik war zu stark“, ächzt er. „Was für Segelflieger die reine Freude ist, ist für Ballonsportler ein Fluch.“ Den hat der Sommer gebrochen. Beim Bürgerfest zum 150. Gründungstag der SPD in Leipzig konnte Rennerts Ballon zwar nicht starten, doch beim Sommerfest der Brandenburger SPD Mitte Juni war es soweit: Der Ballon stieg auf und wurde zum Blickfänger. Geht es nach Rennert, war das erst der Anfang. Schließlich ist Wahlkampf. Und auf den ist Rolf Rennert vorbereitet: Auf der Oberfläche des Ballons ist eine Freifläche ausgespart: „Da kann man gut ein Steinbrück-Konterfei aufbringen“, sagt Rennert. Auch beim Deutschlandfest am 17./18. August in Berlin wird Rennerts Ballon am Start sein. Rolf Rennert ist gebürtiger DDR-Bürger. 1955 flohen die Eltern mit dem damals 15-Jährigen in den Westen, wo Rolf seine in Leipzig begonnene Ausbildung zum Elektromaschinenbauer im schwäbischen Böblingen fortsetzte. 1958 bestand er die Facharbeiterprüfung, doch

der Chef wollte das höhere FacharbeiterGehalt sparen und schaltete bei Rennerts Frage nach einer Gehaltserhöhung auf stur: „Damit war für den die Sache erledigt; für mich noch lange nicht“, sagt Rennert. Schnurstracks ging er ins DGB-Kreisbüro, wo ihm gleich Hilfe zugesichert wurde.

Er ist kein Nostalgiker Unerwarteter war die Unterstützung von einer anderen Seite. Denn auch die Industrie- und Handelskammer Stuttgart stellte sich hinter Rennert und verweigerte dessen Chef in einem ausführlichen Schreiben („...sehen wir uns außerstande, Sie juristisch zu vertreten“) den juristischen Beistand gegen den jungen Arbeiter, der nur das einforderte, was ihm zustand. „Das wäre im Jahr 2013 undenkbar“, meint Rennert. „Die alte Bundesrepublik war so unsozial nicht, muss man aus heutiger Sicht sagen.“ 1959 wurde Rennert Genosse. Das hat er bis heute nicht bereut. „Auch wenn sich die Partei seit damals stark verändert hat.“ Dabei ist Rolf Rennert kein Nostal­ giker. Bereits 1965 arbeitete er bei IBM und hantierte mit Computern herum, deren Speicher „sagenhafte 128 Kilobyte hatten“. Als Rolf Rennert in den Vorruhestand entlassen wurde, gaben er und seine Frau ihre Wohnung im Stuttgarter

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Die alte Bundes­ republik war so ­unsozial nicht, muss man aus ­heutiger Sicht ­sagen.

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Rolf Rennert

Umland auf und zogen in ihr Ferienhäuschen auf der Schwäbischen Alb. Im 2000-Seelen-Ort Deilingen hat Rennert schon mal laut auf den Tisch geklopft, wenn am Nachbartisch des eigenen Stammtisches im „Hirsch“ der CDUOrtsverband tagte und sich zusammen mit dem Pfarrer über die uneheliche Geburt von Willy Brandt mokierte: „Ich habe die gefragt, was an ihrem Geschwätz eigentlich christlich ist“, sagt Rennert. Wohlgefühlt haben er und seine Frau sich aber auch in der Diaspora – die CDU kam hier bei der letzten Landtagswahl auf 64 die SPD auf 12 Prozent der Stimmen. „Der Ballonfahrer“, wie Rolf Rennert im Dorf genannt wurde, genoss die Flüge über die schroffen Mittelgebirgszüge. „Eine Landschaft so zu erleben, hat etwas Erhabenes. Es ist auch ein Unterschied, ob Sie mit dem Porsche oder mit dem Fahrrad über Land fahren.“ Und doch hielt es die Rennerts nicht im Südwesten. Nach dem Mauerfall erfuhren sie, dass sie in Leipzig noch ein Grundstück besaßen. „Das haben wir dann mit 60-jähriger Verspätung bebaut.“ Im Ruhestand ging es zurück in die alte Heimat. Ein politischer Mensch wird Rennert bis ans Ende seiner Tage bleiben, auch wenn er ab und an mit seiner SPD hadert. Derzeit engagiert er sich in der „AG60plus“, Altersarmut und Rente beschäftigen ihn. Warum er trotz einiger Enttäuschungen in der Partei geblieben ist? „Aus Optimismus, aus Hartnäckigkeit, und vielleicht auch aus so etwas wie Respekt vor den Altvorderen, die mehr gelitten haben und zum Teil ihr Leben verloren haben.“ n

Fotos: Hendrik Rauch

Ein Leben zwischen Ost und West: Rolf Rennert wohnt nach Jahrzehnten im Südwesten Deutschlands wieder in Leipzig, wo er 1940 geboren wurde.


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steiniger Weg zur Gleichheit Frauenmuseum Bonn Wie Sozialdemokratinnen für ihre Rechte kämpfen Von Renate Faerber-Husemann

Kunst und Geschichte: Marianne Pitzen, Direktorin des Frauenmuseums Bonn, gibt Künstlerinnen Raum, u.a. der frühen Demokratin Johanna Kinkel.

Fotos: Frauenmuseum Bonn

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ankbarkeit? Stolz? Wut? Was bleibt im Gedächtnis haften nach einem Gang durch die Ausstellung „Schwestern zur Sonne zur Gleichheit“ im Bonner Frauenmuseum? Wohl von allem etwas. Denn die Geschichte der SPD-Frauenpolitik erzählt zwar von großen Erfolgen, aber auch von Demütigungen, ja von Hass, der vor allem den Sozialistinnen im 19. und lange auch im 20. Jahrhundert aus dem bürgerlichen Lager entgegenschlug. Jeder noch so kleine Fortschritt wurde von den F­ rauen, auf deren Schultern wir heute stehen, mühsam und oft blutig erkämpft. Ihre Forde-

Blick in die Ausstellung: Zeittafeln, historische Plakate und Skulpturen zeigen die Kraft mutiger Frauen. Mehr zur Ausstellung: vorwärts.de

rungen nach gesetzlicher Gleichstellung mit den Männern wurden als bedrohlich empfunden. Ihr Kampf um Wahlfreiheit – ob beim Wahlrecht oder beim Paragraphen 218 – verunsicherte viele Männer, stellte ihre Jahrhunderte lang unangefochtene Macht in Frage. Und sie wehrten sich mit allen Mitteln und hatten das Gesetz auf ihrer Seite: Der Kampf um das Wahlrecht etwa brachte viele Frauen ins Gefängnis. Abtreibungen wurden mit Zuchthaus bestraft, obwohl es kein Geheimnis war, dass viele junge Frauen an Armut und zu vielen Schwangerschaften starben.

Die verdienstvolle Bonner Ausstellung macht den Besuchern klar, wie lang und steinig der Weg zur Gleichheit war, aber auch, wie viel Unterstützung durch männliche Genossen die Frauen seit August Bebel erhielten. Zahlreiche Biographien auf großen Texttafeln vom Vormärz bis heute zeigen, wie stolz wir auf diese Frauen sein können. Zum Beispiel auf eine Unangepasste wie Regine Hildebrandt, in Brandenburg Arbeits- und Frauenministerin, bekannt und bewundert im ganzen Land. Auch in der DDR hatte sie keine Kompromisse gemacht. Als Ministerin war sie trotz oder wegen ihrer undiplomatischen Schroffheit erfolgreich – und wurde von den Frauen in Ost und West geliebt. Und auch dies zeigt die Ausstellung: In einem Punkt waren politisch engagierte Frauen den Männern gleichgestellt, Exil und Tod teilten sie ganz gleichgestellt während der Nazizeit mit den Männern. Wer mehr erfahren möchte über die eigene Geschichte: Die Ausstellung, bei deren Eröffnung am 28. Mai SPD-Ge­ neralsekretärin Andrea Nahles, SPD-Frak­tionsvize Elke Ferner und SPDSchatzmeisterin Barbara Hendricks dabei waren, ist noch bis 21. Juli zu sehen. n ANZEIGEN

ANZEIGENMARKT Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Stresemannstraße 30, 10963 Berlin Tel.: 030/255 94-166 ■ Fax: 030/255 94-190 ■ E-Mail: anzeigen@vorwaerts.de ■ Geben Sie bitte immer Rubrik, Erscheinungsmonat sowie Ihre Bankverbindung an. ■ Preis: Pro Wort berechnen wir 3,50 Euro inkl. MwSt., für gewerbliche Anzeigen 4,00 Euro zzgl. MwSt. ■ Anzeigenschluss ist jeweils der 10. Tag des Monats.

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Kommunalpolitik besser machen

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DEMO-S-2 | 2013

Erneuerbare Energien

So überleben Mensch und Natur

SGK-Regionalbeilage

AUSSCHREIBUNG ZUM BUNDESPARTEITAG 2013 Der Parteivorstand der SPD ruft alle Gliederungen, Foren, Arbeitsgemeinschaften und Projektgruppen der SPD sowie der SPD nahestehende Initiativen und Organisationen auf, sich an der Ausschreibung zu beteiligen. Die Ausschreibung erfolgt in folgenden Kategorien: I. 150 Jahre II. Zukunftsprojekte 2030 III. Stark gegen Rechts IV. Teilhabe. Zusammenhalt. Gemeinsam V. Bürgerinnen und Bürger in Europa VI. Die SPD weiblicher machen Der Preis Der „Wilhelm-Dröscher-Preis“ ist mit 15.000 € dotiert. Vergeben wird der Preis auf dem Bundesparteitag 14. bis 16. November 2013 in Leipzig.

Lesen Sie mehr im DEMO-Sonderdruck 2/2013

Die Auswahl Die Auswahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Ausstellung und Bewerbung um den „Wilhelm-Dröscher-Preis“ erfolgt durch das Kuratorium unter Vorsitz von Heidemarie WieczorekZeul, Bundesministerin a.D., MdB.

Titel

Abgabeschluss für die Bewerbung ist der 15. Juli 2013. Über die Zulassung entscheidet das Kuratorium im August 2013.

Neue Herausforderungen erfordern moderne Kommunalpolitik.

Erneuerbare Energien So überleben Mensch und Natur Exklusiv mit

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SGK-Regionalbeilagen: Infos der SGK-Landesverbände

Kostenloses Probeheft: Berliner vorwärts Verlagsges. mbH, Stresemannstraße 30, 10963 Berlin, Tel.: (0 30) 2 55 94-130, Fax: (0 30) 2 55 94-199, E-Mail: vertrieb@demo-online.de, www.demo-online.de

Bewerbungsunterlagen und weitere Informationen bei: E-Mail: juergen.hitzges@spd.de Per Post: SPD-Parteivorstand, Jürgen Hitzges, Kuratorium WilhelmDröscher-Preis, Willy-Brandt-Haus, Wilhelmstraße 141, 10963 Berlin Mehr wilhelm-droescher-preis.de


24  Meinung

vorwärts 07-08/2013

Zwischenruf

Leserbriefe Happy Birthday SPD! 06/2013

Bernd lAnge Die SPD wird dafür sorgen, dass das Freihandelsabkommen mit den USA die soziale Marktwirtschaft stärkt und nicht schwächt

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er Weckruf von Hans-Jürgen Blinn ist unnötig, denn die SPD-Eu ropaabgeord neten sind hellwach und haben sich schon längst positioniert. Blinn überzeichnet einen drohenden Ausverkauf unserer sozialen Marktwirtschaft und einen Angriff auf die kulturelle Vielfalt Europas durch ein Handelsabkommen der EU mit den USA. Die nun beginnenden Verhandlungen werden wir genauestens verfolgen, beeinflussen und letztlich aus Sicht der Sozialdemokraten eine Bewertung vornehmen, ob dem Abkommen zugestimmt werden sollte oder eben nicht. Das Abkommen bietet aber auch Chancen, u.a.: • Wirtschaftlich: Handelshemmnisse zu beseitigen und gemeinsame Standards zu entwickeln, schafft und sichert Arbeitsplätze in der EU, insbesondere in der Industrie. •  Arbeitnehmerrechte in den USA können gestärkt werden. Vor allem die amerikanischen Gewerkschaften sehen hierfür eine Chance. Das Handelsabkommen ist das erste, welches sie nicht von vornherein ablehnen. • Mit gemeinsamen Vorschriften zur Regulierung der transatlantischen Finanzmärkte kann mehr Ordnung in das internationale Finanzsystem gebracht werden. Arbeitnehmerrechte und Jobmotor – das passt zu uns Sozialdemokraten. Deshalb lohnt es sich anzupacken. Es wäre grob fahrlässig, es nicht mindestens zu versuchen. Für uns ist klar – nicht alles ist verhandelbar: • Geklontes, hormonell behandeltes oder genetisch verändertes Fleisch aus den USA darf nicht auf europäischen Tellern landen. •  Der Datenschutz darf nicht ausgehöhlt werden, er ist bei uns ein elementares individuelles Bürgerrecht.

• Wir brauchen keinen besonderen Investitionsschutz, der es privaten großen Unternehmen ermöglicht, außerhalb von Gerichten gegen erlassene Gesetzgebung z.B. im Bereich des Umweltschutzes vorzugehen und Schadenersatz einzuklagen. Wie geht es weiter? Seit Juni ist die EU-Kommission mit einem Mandat für die Verhandlungen beauftragt, ausgenommen ist allerdings der Bereich der kulturellen Vielfalt. Bereits im Mai 2013 hat das Europäische Parlament ­eine Resolution verabschiedet, die später unsere Bewertungsgrundlage für das Abkommen sein wird. Unsere sozialdemokratischen Positionen sind darin gut verankert. Die EU-Kommission weiß also, worauf es den Europaabgeordneten ankommt. Sie muss in den Verhandlungen beweisen, dass sie Willens ist, die in der EU geltenden hohen Standards zu verteidigen. Ansonsten werden wir So­ zialdemokraten dem Abkommen nicht zustimmen. Ohne die Zustimmung des Europäischen Parlaments wird das Abkommen nicht in Kraft treten. Dass wir unser Vetorecht sehr ernst nehmen, hat die deutliche Ablehnung des geplanten ACTA-Abkommen durch das EP gezeigt: Daran scheiterte ACTA. n Postitionspapier: bernd-lange.de/politik/ internationaler-handel Bernd Lange ist Europaabgeordneter aus Burgdorf in Niedersachsen. Er ist handelspolitischer Sprecher der SPE-Fraktion und hat für sie die Positionen zum EU-USA Handelsabkommen verfasst. Mitreden & bloggen: vorwärts.de/zwischenruf

„Für einen Politikwechsel mit einer starken SPD“ heißt der Wahlaufruf der Initiative „Aktion für mehr Demokratie“, gegründet von Klaus Staeck, dem Präsidenten der Akademie der Künste, und dem Schriftsteller Johano Strasser. Unterzeichnet haben ihn Persönlichkeiten wie der Sozialphilosoph Oskar Negt, der Drehbuchautor Fred Breinersdorfer („Tatort“), der Künstler Werner Schaub und andere. „Eine verfehlte Regierungspolitik spaltet die Gesellschaft“, heißt es im Aufruf. Die Unterzeichner wollen das ändern – mit einer starken SPD. n Aufruf und Unterzeichner: aktion-mehr-demokratie.de

Wachsende Online-Gemeinde Justin Gewaltig ist in guter Gesellschaft. Ende Juni hat der Juso aus Essen als 3500. Leser die Facebook-Seite des „vorwärts“ „geliked“. Seit Mai 2009 ist der „vorwärts“ Mitglied des sozialen Netzwerks und hat in dieser Zeit viele Freunde gewonnen – so viele, dass wir leider für unsere Profilseite keine weiteren Anfragen mehr annehmen können. „Geliked“ werden kann aber weiterhin. Und wem der „vorwärts“ „gefällt“, der bekommt alle Nachrichten, die wir über das soziale Netzwerk verbreiten – regelmäßig und rund um die Uhr. n facebook.com/vorwaerts1876

Dieter Ehlermann, Linkenheim-Hochstätten

Herr Hollande hätte bestimmt irgendwas mit Anniversaire gesagt. Wenn ihr Angst habt, wir könnten französisch nicht verstehen, dann schreibt doch einfach Deutsch.

Rolf Holler, per E-Mail

Bundestagswahlkampf: von tür zu Tür 06/2013

Gratuliere! Was für eine tolle Idee, Besuche an der Haustür. In der Tat das Herzstück der Kampagne, sehe ich auch so. Sich die Mühe machen, an der Tür zu klingeln, die Menschen in einem persönlichen, wirkungsvollen Kurzgespräch von der Wichtigkeit der Kampagne zu überzeugen. Ich denke dabei auch an das alte Sprichwort: Ohne Fleiß kein Preis. Ich wünsche viel Erfolg, damit die Wahl im September gewonnen wird.

Uta Fritzsche, Mönchengladbach

Das Rentenkonzept der SPD 06/2013

Ungerecht! Jetzt gehen die Mütter der nach 1992 Geborenen verstärkt in Rente und erhalten mehr finanzielle Anerkennung als die Mütter, die vor 1992 Kinder geboren und großgezogen haben – eine schreiende Ungerechtigkeit! Kein Wort über diese Ungerechtigkeit und deren Beseitigung im Rentenkonzept der SPD.

Anne Wallat, Ort/per E-Mail

Historie: Herbert Wehner 06/2013

Ich traf Herbert Wehner 1968 ... und stellte ihm die Frage: „Warum geben wir der DDR Geld?“ Er antwortete, wir haben zwei Möglichkeiten: Eine Klammer zu finden zu unseren Brüdern und Schwestern (oder) totale Abschottung. Seine Weitsicht, hier das Godesberger Programm und die Ostpolitik, machten ihn zum Titanen unter einigen SPDZwergen. Danke für die Erinnerung an einen Kämpfer und viel geschmähten Menschen.

Hans Joachim Michel, per E-Mail

Foto: EUROPEAN UNION

Wir sind hellwach

Aufruf zum ­Politikwechsel

Wieso eigentlich singt der französische Staatspräsident denn ausgerechnet diese scheussliche, amerikanische Geburtstagsvariante?


Meinung 25

07-08/2013 vorwärts

ökologisch und ethisch ausgerichteten Geldanlagen kann ich mir eine lebenswerte Zukunft und einen erstrebenswerten Lebensabend finanzieren. Was habe ich von einer 1-A-Seniorenresidenz mit hochtechnisiertem Pflegeroboter und sonntäglicher Bootsfahrt zur Turmspitze des Kölner Doms, die dann vielleicht gerade noch aus der Nordostsee hervorlugt? Brigitte Kühnert, Bonn

Seitwärts: 5-Euro-Altersvorsorge

Karikatur: Heiko Sakurai

06/2013

Die Serie Historie ist lesenswert, auch am Beispiel „Brückenbauer Wehner“. Wenn man aber vorher im „Zeit ­Magazin“ gelesen hat, wie ihn Egon Bahr auch heute noch sieht, merkt man, dass im „vorwärts“ Christoph Meyer das bis heute sozialdemokratische Idol Wehner nur einseitig beschreibt. Schade. Hans Kern, per E-Mail

Dieser Comic diffamiert die Schwächsten der Schwachen, die Obdachlosen und Bettler. Hier wird suggeriert, wer sich nicht um seine Altersvorsorge kümmert, der säße bettelnd auf der Straße. Oder Betteln sei eine alternative Art der Altersvorsorge, für „nur 5 Euro“.

Bankkunden werden doppelt abkassiert 06/2013

Bei einem verbraucherfreundlichen Finanzmarkt geht es doch vorrangig nicht darum, wie viel mit meinem Geld erwirtschaftet wird, sondern was mit meinem Geld passiert. Nur mit sozial,

w ei t e

v

r l e se

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ts.de or wä r rnet im Inte

Paul Sander, per E-Mail

vorwärts 06/2013

Bei diesem Zeitungssterben hoffen wir, dass Ihr uns noch erhalten bleibt.

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07-08-2013-Verlags-sonderveröffentlichung 26

SPD fordert Volksentscheide Die SPD-Bundestagsfraktion will Volksentscheide auf Bundesebene ermöglichen. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird derzeit im Bundestag beraten. „Die Zeit ist reif für eine Erweiterung der Demokratie“, ist SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann überzeugt. Bisher blockiert die Union jedoch die Initiative. Der SPD-Entwurf sieht ein dreistufiges Verfahren vor: 100 000 Abstimmungsberechtigte können eine Volksinitiative starten. Kommt der Bundestag ihrem Begehren nicht nach, müssen die Initiatoren eine Million Unterschriften für ein Volksbegehren sammeln. Gelingt dies, folgt ein Volksentscheid. Er ist gültig, wenn sich 25 Prozent der Abstimmungsberechtigten beteiligen. n CFH

Haben Spaß an der Diskussion: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Siegmund Ehrmann, Hans-Jochen Vogel, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, die bayerische Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias, der Philosoph Julian Nida-Rümelin und Frank-Walter Steinmeier (v.l.n.r.) in München.

Mit den Bürgern im Dialog

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Datenschutz ist für Merkel ­offenbar kein wichtiges ­Thema.

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Christine Lambrecht, SPD-Fraktionsvizin, kritisiert den Umgang der Kanzlerin mit den Spionage-Skandalen um Prism und Tempora. Impressum Verlags-Sonder­ veröffentlichung Herausgeber: SPD-Bundestagsfraktion Petra Ernstberger, MdB Parl. Geschäftsführerin V.i.S.d.P. Anschrift: SPD-Bundestagsfraktion Platz der Republik 1 11011 Berlin

„Unter der Regierung Merkel herrscht politischer Stillstand“, kritisiert SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Um Antworten auf drängende Zukunftsfragen zu entwickeln, rief er 2011 das „Projekt Zukunft – Deutschland 2020“ ins Leben. Anfang Juli hat die SPD-Bundestagsfraktion nun ihre bundesweite Veranstaltungsreihe „Zukunftsforen – Deutschland 2020“ beendet. Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern diskutierte sie, welche Weichen die Politik stellen muss, um Deutschland in den kommenden Jahren gerechter, moderner und lebenswerter zu machen. Die Bilanz zeigt: Das Interesse der Bürger war groß. Insgesamt nahmen mehr als 1500 Gäste an den Debatten teil. Elf Zukunftsforen in elf Bundesländern organisierte die SPD-Frak­ tion, gemeinsam mit den SPD-Landtagsfraktionen. Dabei hat sie ein breites Themenspektrum abgedeckt. Zwei Zukunftsforen in Stuttgart und Potsdam widmeten sich der Industriepolitik. Deutschland ist besser durch die Schulden- und Finanzmarktkrise gekommen als viele europäische Nachbarn. „Ein wesent­ licher Grund dafür ist die starke industrielle Basis der deutschen Wirtschaft“, betonte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Um den Industriestandort zu modernisieren, seien jedoch massive Investitionen in die Infrastruktur nötig.

In den Kultur-Metropolen Hamburg und München fanden Zukunftsforen zur Kultur- und Kreativwirtschaft statt. Die Branche ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die SPD-Fraktion will die Potenziale der Kreativwirtschaft zielstrebig entwickeln und Kreative sozial besser absichern. In Frankfurt am Main stellte die SPDFraktion ihre Vorschläge zur Bändigung der Finanzmärkte vor. Sie will nicht hinnehmen, dass Gewinne privatisiert werden, für Verluste aber die Steuerzahler haften müssen. Peer Steinbrück plädierte für eine bessere Bankenaufsicht, strengere Regeln und einen von den Finanzinstituten selbst finanzierten Banken-Rettungsfonds. Die Verkehrsinfrastruktur stand im Zentrum einer Diskussion in Duisburg. Die Bundesregierung tut zu wenig, um sie

Hörte in Hamburg den Anliegen von Künstlern und Kreativen zu: der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil (links)

zu erhalten und auszubauen. Das will die SPD-Fraktion ändern – und die betroffenen Bürger bei Großprojekten frühzeitig in die Planungen einbinden. In Chemnitz holte die SPD-Fraktion sich Anregungen von Eltern und Schülern ein, wie echte Chancengleichheit im Bildungssystem hergestellt werden kann. Die Sozialdemokraten im Bundestag wollen die individuelle Förderung an den Schulen stärken und bis 2020 allen Schülern, die es wollen, einen Ganztagsschulplatz anbieten. Über die Folgen des demografischen Wandels diskutierte die SPD-Fraktion auf Zukunftsforen in Bremen und Trier. Weitere Veranstaltungen in Kiel und Erfurt widmeten sich den Themen Integration, Steuern und Finanzpolitik. Insgesamt 50 Abgeordnete aus Bund und Ländern nahmen an den Foren teil. Auch die Ministerpräsidentinnen Hanne­lore Kraft und Malu Dreyer, Ministerpräsident Matthias Platzeck und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz stellten sich den Diskussionen. Im „Projekt Zukunft“ ist im Dialog mit den Bürgern ein Leitbild für eine sozialdemokratische, zukunftsorientierte Politik entstanden. Damit hat die SPD-Fraktion inhaltliche Vorschläge für einen Politikwechsel auf den Tisch gelegt. Vorschläge, mit denen unser Land fit für das kommende Jahrzehnt gemacht wird. n CFH

Fotos: Manu Theobald, spdfraktion.de, Stefan hintermeier

Auf elf Zukunftsforen hat die SPD-Bundestagsfraktion ihre politischen Konzepte mit Experten und Gästen diskutiert. Das Interesse war groß.


Wirtschaft 27

07-08/2013 vorwärts

meine Arbeit

Achtung, Knöllchen! »Oft bedanken sich auch Leute für meine Hilfe, etwa wenn ihre Ausfahrt zugeparkt war.

«

Politesse Petra Hetzner 45 Jahre, lebt in München Ausbildung

Versicherungsangestellte, dreimonatige Ausbildung

Status

Polizeibeschäftigte im Verkehrsdienst

Gehalt

nach Tarif zwischen 2075 und 2595 Euro brutto

Arbeitszeit

32 Stunden bei einer 4-Tage-Woche oder 38,5 Stunden

wachung – da fällt dann doch wieder mehr Büroarbeit an. Mein Arbeitsplatz ist die Polizeiinspektion 14 (Westend) München. Dort arbeite ich mit 15 Kolleginnen in drei Schichten, die um 8.30 Uhr, 11 Uhr oder 14.30 Uhr beginnen und je 8,5

Stunden dauern. Tagsüber bin ich in der Regel allein unterwegs, nachts in der Spätschicht sind wir zu zweit. Im Unterschied zu den Politessen der Kommunalen Verkehrsüberwachung arbeiten wir Landesbedienstete eng mit den

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Foto: Thomas Horsmann

I

n meinem Job muss man mit Menschen umgehen können und darf nicht menschenscheu sein. Dann macht er Spaß. Man muss aber aushalten können, dass man als Politesse auch mal beschimpft wird. Aber es gibt genauso nette Leute, die sich für Hilfe bedanken, wenn zum Beispiel eine Ausfahrt zugeparkt war. Dass ich Politesse geworden bin, liegt in der Familie – alle sind bei der P ­ olizei. Zunächst war ich Versicherungsangestellte. Doch immer nur im Büro zu sitzen, hat mir nicht gefallen. Dann habe ich mich als Politesse, also als ­„Polizeibeschäftigte im Verkehrsdienst“, beworben und die Zusatzausbildung absolviert. Inzwischen bin ich schon sieben Jahre dabei und seit zwei Jahren stellvertretende Leiterin der Parküber-

Kollegen vom Streifendienst der Polizei zusammen und schauen auch nach dem Rechten. Wenn irgendwas ist, verständigen wir die Streife. Jede Schicht beginnt mit einer halben Stunde Innendienst. Da bearbeite ich Einsprüche gegen Strafzettel und die Abschleppberichte vom Vortag, da­ rin wird genau die Situation geschildert, warum ein Wagen abgeschleppt wurde und ob der Wagen Schäden hatte. ­Außerdem leite ich die Daten der mobilen Datengeräte, mit denen wir die Strafzettel ausstellen, zur Verkehrsordnungswidrigkeitenstelle weiter. Dann geht’s raus in den Bezirk, den ich kontrollieren soll. Da haben wir gewisse Schwerpunkte: Wir achten besonders auf die Sicherheit und die sogenannte Verkehrsleichtigkeit, also die gegenseitigen Rücksichtnahme der Verkehrsteilnehmer. Nach drei Stunden Außendienst kehre ich zurück ins Revier zur Mittagspause. Es folgt eine Stunde Innendienst. Da arbeite ich ab, was am Vormittag angefallen ist. Dann geht es wieder für drei Stunden raus in den Bezirk. n


28  Wirtschaft

vorwärts 07-08/2013

DEMO-Kommunalkongress

Starke Städte und Gemeinden

Fertig ist die Tüte: Manomama-Chefin Sina Trinkwalder begutachtet das Werk ihrer Näherinnen.

Steinbrück: „Sozialer Zusammenhalt der ­Gesellschaft entscheidet sich in Kommunen.“

Mehr als 300 Gäste kamen zum 8. Kommunalkongress der „Demokratischen Gemeinde“ nach Berlin. Themen wie Wohnen, Arbeit und Familie standen am 27. und 28. Juni im Zentrum der Veranstaltung. Themen, die sozialdemokratische Politik seit 150 Jahren ausmacht. „Politik, die über die Lebenswirklichkeit der Menschen vor Ort entscheidet“, so SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Neben Generalsekretärin Andrea Nahles, Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz und weiteren Vertretern aus Bundes- und Landespolitik machte auch Steinbrück klar, welchen Stellenwert Kommunalpolitik hat: Hier wirken „die Fliehkräfte der Gesellschaft“. Um den sozialen Zusammenhalt zu stärken, müssen die Städte und Gemeinden eine sichere, verlässliche und vor allem bessere Finanzgrundlage erhalten. n nh

Eine Chance für ­J ede

Mehr: vorwärts.de/demo-kongress

Standort Augsburg

Neue Geschäfts-­ Felder erschlieSSen

Nach hohen Verlusten im Geschäftsjahr 2012 will die SPD-Medienholding ddvg in diesem Jahr wieder einen soliden Gewinn ausweisen, das erklärte ddvg-Geschäftsführer Jens Berendsen auf e ­ iner Bilanzpressekonferenz in Hamburg. Für die Verluste verantwortlich waren vor allem die Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“ und die Schließung einer Offsetdruckerei in Bayreuth. „Für die kommenden Jahre erwarten wir keine Entspannung für die Printmedien“, sagte die Generaltreuhänderin der ddvg, SPD-Schatzmeisterin Barbara Hendricks. Kostenoptimierung stehe deshalb weiter auf der Tagesordnung, gleichzeitig setze die ddvg aber auch auf neue Einnahmequellen und Ertragssteigerungen durch „innovative Printprodukte“ und Digitalangebote. n WL

Von Thomas Horsmann

Firmenporträt Manomama

Gut Gemacht

Beschäftigte 120 Produkte Bekleidung und Accessoires Gegründet 2010 Infos manomama.de Weitere Porträts der Serie: vorwärts.de/gut_gemacht

A

n diesem Morgen hat Mano­ mama-Chefin Sina Trinkwalder schon ihren neunten Kaffee getrunken. Eben hat sie noch über den Entwurf eines neuen T-Shirts gesprochen, jetzt geht es um einen Kindergartenplatz für eine ihrer Mitarbeiterinnen, dann um Stofftaschen, die gerade für eine Lebensmittelkette genäht werden. „Ich bin immer so dynamisch, ich brauche das“, sagt die 35 Jahre alte Selfmade-Frau. Vor etwas mehr als drei Jahren hat Sina Trinkwalder mit den Planungen für ihr neues Unternehmen begonnen. „Ich wollte Arbeitslosen, die keiner will, einen Job geben“, erzählt sie bei einer Zigarette auf dem Balkon. Außerdem habe sie etwas produzieren wollen, „weil das Zufriedenheit gibt“. Und es sollte etwas mit viel Handarbeit sein, nichts mit großen Maschinen und Automation. Was lag also näher, als in Augsburg, der ehemaligen Textil-Weltstadt, wieder ein Textilunternehmen zu gründen? Dass T-Shirts und Hosen aus Kostengründen meist in Asien produziert werden, hielt Sina Trinkwalder von ihrem Vorhaben nicht ab. Sie verfolgt die Idee einer regionalen Wertschöpfung. Das heißt, sämtliche Materialien, die für die Produkte benötigt werden, kommen aus Deutschland, alle übrigens ökologisch: Garn aus Baden-Württemberg, Stoffe und Farben aus Nordrhein-Westfalen, Maschinen aus der Region Augsburg. Die fertigen ökologischen Textilien werden in Deutschland verkauft. „So bleibt die gesamte Wertschöpfung im Land, das ist einzigartig!“, schwärmt die Unter-

nehmerin. Demnächst fährt sie nach Indien, um dort ihr Konzept vorzustellen. In ihrer Firma beschäftigt Sina Trinkwalder inzwischen 120 Mitarbeiter, Tendenz steigend. 95 Prozent davon sind Frauen, über 50-Jährige, Langzeitarbeitslose, Gehandicapte, Mütter. „Mütter sind die Verlierer unserer Gesellschaft“, beklagt Trinkwalder, „sie werden wegen der Kinder doppelt- und dreifach bestraft“. Die Mutter eines achtjährigen Sohnes schafft deshalb in ihrem Betreib Arbeitsmöglichkeiten, die zur Familie passen und nicht umgekehrt. Bei Manomama gibt es alle möglichen Arbeitszeitmodelle, von sechs Stunden pro Woche bis Vollzeit, jeder arbeite so viel, wie es für ihn passe. Die Verwaltung des Unternehmens übernehmen die „Ladys“ selbst, machen Arbeits- und Urlaubspläne und organisieren die Arbeit, damit die Aufträge rechtzeitig fertig werden. Die Manomama-Mitarbeiter haben auch den Stundenlohn gemeinsam festgelegt, für 10 Euro haben sie sich entschieden. Klar, dass die Stimmung bei so fairen Arbeitsbedingungen gut ist. Manomama hat 2011 mit der Produktion begonnen, ein Jahr später ­w urde die erste schwarze Null geschrieben. Finanziert hat Trinkwalder ihre Firma mit Ersparnissen und den Gewinnen aus ihrer Werbeagentur, die sie bereits mit 19 Jahren gegründet hat. Die Banken wollten nämlich keine Kredite geben. Wie sie auf den Namen Manomama gekommen ist? „Mano ist italienisch für Hand, Handwerk; Mama steht für Mutter, Frau. Das schien mir passend.“ n

Fotos: Ines Meier, Thomas Horsmann

SPD-MedIenholding DDVG

Arbeitslose Bei Manomama finden Menschen einen Job, die andere Arbeitgeber nicht wollen – vor allem Mütter


Kultur 29

07-08/2013 vorwärts

Fotos: bea Marquardt, Hendrik Rauch (5), Action Press, Dirk Bleicker (3)

Sommer­ lektüre

Frauenleben

Vom Funkensprühen

Wahl=kampf

Von Andrea Nahles

Von Peer Steinbrück

Von Sigmar Gabriel

Leben ist ein Mosaik, kein Plan auf dem Reißbrett. Das erfährt auch Xane Molin, die wir in 13 Episoden aus verschiedenen Blickwinkeln von den Sommerferien als Schülerin bis zur Gegenwart als Großmutter begleiten. Mit kurzen, starken Sätzen zeichnet Eva Menasse das Kaleidoskop einer modernen Frau mit ihren Stärken, Schwächen und Widersprüchen. Am Ende hat man gelacht, manchmal geschluckt und manch treffsichere Beobachtung fürs eigene Leben mitgenommen. n

Florian Illies erzählt in „1913“ vom Funkensprühen dieses Jahres, von dem wir Nachgeborenen wissen, dass es das letzte vor dem Ersten Weltkrieg ist. Thomas Mann arbeitet am „Zauberberg“, Kasimir Malewitsch malt sein „Schwarzes Quadrat“, Franz Kafka liebt Felice Bauer, Freud und Rilke verabreden sich zum Spaziergang, Hitler und Stalin laufen durch Wien: Ein Sachbuch, ein belletristisches Buch, eine Collage des Vorabends der Katastrophe, von der die Avantgarde der Zeit nichts ahnte. n

Blick hinter die Kulissen. Der Umschlagtext des Buches „Höllenritt Wahlkampf“ führt ein wenig in die Irre. Eigentlich ist es eine Liebeserklärung des ProfiWahlkämpfers Frank Stauss: an seinen Job, an Politik in Phasen höchster Verdichtung. Gewiss: Einige Passagen sind selbstverliebt, andere aber skelettiert bis zur Lakonie – voll Information. Wer etwas über Mega-Belastung und Dauerstress, über das wahrhaft Menschliche in der Politik heute erfahren will, der lese dieses Buch. n

Eva Menasse Quasikristalle Kiepenheuer & Witsch, 2013, 978-3462045130

Florian Illies 1913. Der Sommer Des Jahrhunderts S. Fischer, 2012, ISBN 978-3-10-036801-0

ungesunder zwang

Orangenmädchen

Von Florian Pronold

Von Manuela Schwesig

Juli Zehs Roman ist lesenswert und spannend, sogar als Strandlektüre. In ihrer düsteren Zukunftsvision beschreibt sie einen übermächtigen Staat, der Gesundheit zum höchsten gesellschaftlichen Ziel erhoben hat. Zwar ist die Gesellschaft von allen Krankheiten befreit, aber die Menschen werden vom Staat zum gesunden Leben gezwungen. In Anspielung auf aktuelle politische Vorgänge ist in der spannenden Geschichte noch Justiz- und Medienkritik verpackt. n

Das Orangenmädchen ist ein zauber­ haftes Märchen für Kinder und Erwachsene. Es ist ein Buch über die Liebe und das Glück, das Leben. Georg bekommt einen langen Brief seines Vaters. Der war versteckt in seiner alten roten Kinderkarre. Der Brief ist elf Jahre alt. Jan Olav schrieb kurz vor seinem Tod die Geschichte des Orangenmädchens an seinen Sohn. Es ist sein Testament. Ein rührendes, wunderschönes Buch, gerade richtig für einen leichten Sommerabend. n

Juli Zeh Corpus Delicti. Ein Prozess Schöffling & Co., 2009, ISBN 978-3895614347

Jostein Gaarder Das orangenmädchen dtv , 4. Auflage, 2011, ISBN 978-3423623124

KAFKA und Weimar

Liegestuhl-Lektüre

Von Malu Dreyer

Von Thorsten Schäfer-Gümbel

Ich möchte den Leserinnen und Lesern das Buch „Die Herrlichkeit des Lebens“ von Michael Kumpfmüller empfehlen. Es handelt von Kafkas letzter großer Liebe zur 15 Jahre jüngeren Dora Diamant. Es ist ein sehr gefühlvolles und auch trauriges Buch, das gleichzeitig Kraft und Optimismus ausstrahlt. Man erfährt vieles über diesen großen Schriftsteller, aber auch über den geschichtlichen Hintergrund der Wirtschaftskrise zur Zeit der Weimarer Republik. n

Mein Lesetipp ist der aktuelle Roman von Dan Brown „Inferno“. Zugegeben, kein sonderlich politisches Buch. Eine bedeutende Zeitung hat kürzlich geschrieben, dass Dan Brown der Umberto Eco für Bildungsferne sei. Ich stehe trotzdem dazu, weil Brown wieder eine hochspannende Geschichte abgeliefert hat. Sie macht einfach Spaß und ist gute Unterhaltung. Robert Langdon folgt einmal mehr einer rätselvollen Symbolket­ te. Urlaubsgemäße Liegestuhl-Lektüre. n

Michael Kumpfmüller Die Herrlichkeit des Lebens Kiepenheuer & Witsch, 2011, 978-3462043266

Dan Brown Inferno Bastei Lübbe, 2013, ISBN 978-3785724804

Politikerinnen und Politiker Empfehlen Urlaubszeit, Lesezeit. Doch welchem Buch soll man sich in den Sommerferien widmen? Da sind gute Empfehlungen gefragt. Wir haben die SPD-Spitze um ihre Tipps gebeten: Neu­ erscheinung oder Klassiker, Sachbuch oder Roman – alles war erlaubt. Der hessische SPD-Spitzenkandiat Thorsten Schäfer-Gümbel mag es spannend, Generalsekretärin Andrea Nahles hat Eva Menasses neues Buch gelesen und SPD-Chef Sigmar Gabriel beschäftigt sich mit dem Wahlkampf. Auf dieser Seite stehen alle Tipps für einen schönen Buch-Sommer. n

Schutz der Kultur Von Oliver Scheytt Der Mediensoziologe Martel beschreibt, welchem Wandel die Wahrnehmung von Kunst und Kultur durch global agierende Medienindustrien ausgesetzt ist. Ein Thema, das das mich besonders berührt, zumal es zu meinem Kompetenzfeld im Team von Peer Steinbrück gehört. Längst ist nicht nur die amerikanische Film­industrie kulturprägend. Martel schildert den „kulturellen Weltkrieg“, zu dem Mediengiganten auf allen Kontinenten aufrüsten. Schlagartig wird einem bewusst, wie wichtig der Schutz der kulturellen Vielfalt gerade für Europa ist, denn sie gehört zu unserer Identität und bereichert unser Leben. n Frédéric Martel Mainstream Knaus Verlag, 2011, ISBN 978-3641053895

Frank Stauss Höllenritt Wahlkampf dtv, 2013, ISBN 978-3423249867

die Oppermanns Von Gesche Joost Als ich nach Infos über meinen Kompetenzteam-Kollegen Thomas Oppermann suchte, stieß ich auf „Die Geschwister Oppermann“, von Lion Feuchtwanger, aus dem Jahr 1933. Ich habe es gelesen. Über Thomas Oppermann habe ich da­ rin nichts erfahren, tief beeindruckt war ich trotzdem: Es ist ein Gesellschaftsroman, der die Zeit der „Machtergreifung“ beschreibt. Wie ein Gewitter am Horizont überschattet das Wissen um den beginnenden Nazi-Terror das Porträt der jüdischen Familie Oppermann. n Lion Feuchtwanger Die geschwister Oppermann Aufbau Verlag, 2012, ISBN 978-374666304

Schreiender AppeLL Von Martin Schulz Bücher können aufrüttelnd sein, spannend oder sprachlich brillant. „Ego“ von Frank Schirrmacher ist alles zugleich. Es ist ein schreiender Appell, sich gegen die Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu stemmen. Es entlarvt die Diskussion um die sogenannte Eurokrise als den Versuch, einen dumpfen Neoliberlismus auch bei uns zu etablieren. Es ist an der Zeit, jetzt wieder auf das typisch Europäische zu setzen: auf eine gerechte und solidarische Gesellschaft. n Frank Schirrmacher EGO. Das Spiel des Lebens Blessing Verlag, 2013, ISBN 978-3548283746


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Medienzirkus Von Gitta List Kristina Schröder ist verstimmt. Sie fühlt sich unverstanden: von den Sozialverbänden, die ihre SplittingGeschenke für Reiche kritisieren, von den Feministinnen, die gegen ihre Herdprämie „polemisieren“. Vorsätzlich „missverstanden“ sieht sie sich von der Presse. Die versagte ihr für die ‚Studie zur Effektivität der fami­lienfördernden Maßnahmen der Bundesregierung‘, die sie kürzlich zusammen mit Wolfgang Schäuble auf einer Pressekonferenz vorstellte, nämlich schon wieder den Beifall. Statt das, was die Ministerin als „im Prinzip großen Erfolg“ verkündete, brav ­m itzuschreiben (dazu ist eine Pressekonferenz nämlich da), nutzten ­Reporter die Gelegenheit, unverschämte Fragen zu stellen: Ob Schröders Familienpolitik nicht ­Widersprüche aufweise? Nun platzte Wolfgang Schäuble aber der Kragen! Ärgerlich rügte er die „mediale Verzerrung“, der Schröders Arbeit ausgesetzt sei. Auf­ merke(l)n, Journaille: Nicht politischer Murks ist das Problem, sondern die Presse, die ihn thematisiert! Das ist des Pudels Kern. Musste nur mal wieder entzerrt werden. n

rezension Sieht die Zukunft alt aus? Nein, sagt Sabine Bätzing-Lichtenthäler und zeigt Perspektiven auf Von Franz Müntefering

„Mir liegt das Miteinander der Generationen am Herzen“, betont die Autorin.

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ocker und kenntnisreich führt Sabine Bätzing-Lichtenthäler durchs Thema Demografie. Mal im Plauderton, mal im Programmstil. Mal pragmatisch, mal visionär. Fast ohne Zahlen und ganz ohne Statistik, immer zukunftsgewiss. Sieht die Zukunft alt aus? Ein Wortspiel als Titel, von dem kein Schrecken bleibt. Keine Untergangsszenarien, sondern Zukunftsperspektiven sind ihre Sache. Bätzing-Lichtenthäler fasst die akuten Aufgaben der Demografie-Politik in zwei markanten Punkten zusammen: „Abmilderung der demografischen Entwicklung durch Förderung von Familien

Sieht die Zukunft alt aus? Sabine Bätzing-Lichtenthäler vorwärts|buch 120 Seiten, 10,00 Euro ISBN 978-3-86602-039-9

Gemeinsam für ein gutes Leben

Zukunft der Demokratie Der Sammelband »Roadmaps 2020« formuliert Konzepte für eine andere Politik, ausgerichtet an langfristigen Zielen und am Gemeinwohl orientiert Von Birgit Güll

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in Krisengipfel jagt den anderen. Die Staats- und Regierungschefs der EU kommen in immer kürzeren Abständen zusammen, um Rettungspakete zu schnüren und Sanktionen für „Eurosünder“ zu beraten. Wie wäre es, wenn wir nicht hektisch den Krisen hinterherliefen, sondern das politische Handeln an langfristigen Zielen ausrichteten? Diese Frage stellen die Autoren des Sammelbandes „Roadmaps 2020“. Es geht ihnen um nichts Geringeres, als um ein gutes Leben für alle. Das müsse die Maxime sein, an der eine Politik der Zukunft ausgerichtet sei. Yasemin Fahimi (IBCE), Michael Guggemos (IG

Roadmaps 2020 Denkwerk Demokratie (Hg.) Campus Verlag 273 Seiten, 19,90 Euro EAN 9783593399911

Metall), Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) und SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles stellen das in ihrem Einführungsbeitrag klar. Schon die Zusammensetzung der Autoren zeigt, dass es hier um Konzepte geht, die über Parteigrenzen hinweg Veränderung ermöglichen wollen. Herausgeber des Buches ist das „Denkwerk Demokratie“, ein Netzwerk von Menschen aus Par­teien, Gewerkschaften, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Sie wollen, dass es in Zukunft gerechter zugeht und zeigen in ihren Beiträgen, wie das gelingen kann. Wenn jeder an sich denkt, ist eben noch nicht an alle gedacht. „Erforderlich

ist eine gemeinschaftliche Politik für ein ‚gutes Leben’ und diese können nur die Bürger gemeinsam in einem demokratischen Staat realisieren“, steht im Einführungstext. Auf kapp 300 Seiten beschreiben ­Autoren wie SPD-Chef Sigmar Gabriel und Grünen-Chefin Claudia Roth, Gewerkschafter wie Berthold Huber (IG Metall) und Frank Bsirske (ver.di) und Vertreter einer jüngeren Generation, ­ etwa die Journalistin und Musikerin Barbara Streidl oder Luise Neumann-Cosel von der Genossenschaft BürgerEnergie Berlin eG, wohin sich die Gesellschaft entwickeln muss. Soziale Absicherung und gute Bildung für alle, die Energiewende, eine neue Wirtschaftspolitik, ein gemeinsames Europa: Die Politik der Zukunft ist ein Langzeitprojekt. In „Roadmaps 2020“ wird weder in Legislaturperioden noch in Parteigrenzen gedacht. n

Foto: bobsairport; Vignette: Hendrik Jonas

Zukunft Gestalten

mit Kindern und durch qualifizierte Zuwanderung.“ Und: „Chancen und Herausforderung des Demografischen Wandels gestalten durch starke Kommunen mit auskömmlicher Infrastruktur, gerechte Gesundheits- und Pflegestruktur, bezahlbaren Wohnraum, Zeitpolitik“. Da formuliert eine, die das politische und gesellschaftliche Spiel- und Gestaltungsfeld Demografie klar vor Augen hat und die weiß, dass das Miteinander – das der Politik-Ebenen horizontal und vertikal, das der gesellschaftlich Beteiligten und das der individuell Betroffenen – entscheidend ist. Ihre Botschaft: Analysiert ist das Thema hinreichend, jetzt geht es ums zielstrebige Handeln. Und zwar zügig. Das alles spiegelt sich auch in dem komplexen Schlüsselthema, das BätzingLichtenthäler mit besonderer Intensität und mit Recht ins Zentrum ihrer Forderungen stellt: Die Gleichstellung von Frauen und Männern in Familie und Beruf. Ja, das ist essentiell auch für das Thema Demografie. „Glücklich werden müssen Sie selbst“, so schreibt die Autorin unmissverständlich. Aber auch: „Mir liegt das Miteinander der Generationen am Herzen“ und „Wir brauchen mehr Mut für eine nachhaltige, ehrliche Politik“. Bei allen Problemen, Wünschen und Forderungen, die sie formuliert, es dominiert ein Ton entschlossener, engagierter Zuversicht. Ganz im Sinne des chinesischen Sprichwortes, das sie gleich zu Beginn als Leitmotiv erkennbar macht: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern und die anderen Windmühlen.“ Sabine BätzingLichtenthäler baut Windmühlen, klar. n


Historie 31

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SI-Chef Willy Brandt: 1981 in Bonn mit den sozialdemokratischen Parteichefs Bruno Kreisky (Österreich), Gro Harlem Brundland (Norwegen) und J. Edward Broadbent (Kanada), v.l.

er machte den Frieden sicherer Willy Brandt Auch nach der Kanzlerschaft setzte er seine Politik der Entspannung international fort Von Heidemarie Wieczorek-Zeul

Foto: dpa Picture-Alliance/KLAUS SCHLAGMANN; Illustration: Hendrik Jonas

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ch habe Willy Brandt in der Zeit von 1974, als ich Juso-Bundesvorsitzende wurde, bis zu seinem Tod in seinen verschiedenen Aufgaben erlebt, ihn begleiten und mit ihm zusammenarbeiten dürfen. Er war der zivilisierteste Mensch, den ich jemals gekannt habe, natürlich manchmal verschlossen, aber immer auch wieder offen, bereit, zuzuhören und mir Zeit zum Sprechen und Rat zu geben, wo er gewünscht war. Politisch faszinierte mich, wie sicher uns alle, dass er bereit war, um seiner politischen Überzeugungen willen, sein eigenes Schicksal, seine eigene politische Zukunft, sein Leben einzusetzen. Unter seinem Vorsitz erarbeitete seit 1977 seine Nord-Süd-Kommission den Bericht „Das Überleben sichern“. Willy Brandt konnte dabei sein Denken aus der Überwindung der Ost-WestKonfrontation einbringen und deutlich machen, dass Friedenssicherung am ehesten durch Zusammenarbeit und mehr Gerechtigkeit gelinge. Der Bericht, den er 1980 dem UNO-Generalsekretär übergab, ist noch heute von brennender Aktualität. Ich erinnere mich noch gut, dass ich ihn bat, über die Grundzüge des „Berichtes“ den Mitgliedern des „Europäischen Koordinierungsbüros der Internationalen Jugendverbände“, deren Vorsitzende ich zu dieser Zeit war, in Bonn bei unserer Tagung im Jahr 1978 zu berichten. Willys Perspektiven haben alle diese

Die Serie Folge 8: Willy Brandt und das globale Denken

Im nächsten Heft Folge 9: Willy Brandt und der Wahlkampf

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Er war der zivilisierteste Mensch, den ich jemals gekannt habe. Heidemarie Wieczorek-Zeul, über Willy Brandt

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Verbände, seien sie die Vertreter der politischen Jugendorganisationen oder auch der kulturellen oder sportlichen Verbände, dauerhaft geprägt. In der internationalen Politik konnte der Bericht leider wenig umsetzen, da eine Phase der neuen Verhärtung zwischen Ost und West 1979 einsetzte. Ein Pendelschlag von fast drei Jahrzehnten neoliberaler Vorherrschaft zeichnete sich ab. Willy Brandt und Bruno Kreisky (Kreisky war stellvertretender SI-Vorsitzender von 1976 bis 1989; Brandt ihr Vorsitzender von 1976 bis zu seinem Tod 1992) unternahmen kühne Vorstöße in internationalen Fragen, z.B. zur Frage der Anerkennung der Rechte der Palästinenser und einer Nahost- und Friedensregelung ohne Tabus. 1979 trafen sie in Wien mit Jassir Arafat, dem Vorsitzenden der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), zusammen, die damals allgemein noch als Terrororganisation betrachtet wurde. Ein Signal für einen Nahost-Friedensplan, der nicht nur die israelischen Sicherheitsbedürfnisse, sondern auch die Rechte der Palästinenser berücksichtigt sehen wollte. Und schließlich: Willy Brandt führte 1979 die SPD-Liste an für das erstmals direkt gewählte Europäische Parlament. Ich hatte die Chance auf der Liste ins Europäische Parlament einzuziehen, auch weil Willy Brandt seine Spitzenkandidatur verknüpfte mit der Forderung, dass 25 Prozent Frauen auf der Liste vertreten

sein sollten. In der kurzen Zeit seiner Arbeit im Europäischen Parlament war er als ein Staatsmann ohne Staatsamt Impulsgeber und Leuchtturm für alle – über alle Fraktionen hinweg – , die Hoffnungen auf ein geeintes Europa setzten, auf die Aufnahme neuer Demokratien in die Europäische Union und auf eine Europäische Union, die Frieden in die internationalen Beziehungen „exportieren“ sollte. In der Oppositionszeit nach 1982 brachte uns eine enge Zusammenarbeit in der Programmkommission zur Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms der SPD zusammen. Dabei ging es sowohl in der Sache um die Reaktion auf neue weltgeschichtliche Realitäten, um einen neuen Impuls für Europa als auch um eine Botschaft der Öffnung und Offenheit der SPD an die Frauenbewegung und die Friedensbewegung! Meine Überzeugungen sind durch Willy Brandt geprägt: Was die SPD im Innersten zusammenhält, bei allen unterschiedlichen Auffassungen in Sachthemen, sind ihre Wertorientierungen. Nur sie sichern den Zusammenhalt! Und als Entwicklungsministerin habe ich versucht, seine Lehren in der internationalen Politik umzusetzen: Armut bekämpfen, Frieden sichern, Globalisierung gerecht gestalten! n Heidemarie Wieczorek-Zeul, seit 1987 Mitglied des Bundestages, war 1998 bis 2009 Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit


32  Historie

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s war ein Dienstag, der 30. August 1988, der erste Tag des 33. Bundesparteitags der SPD in Münster. Eine Zeitenwende kündigte sich an. Zur Diskussion stand die Geschlechterquote, die in der emotionalen Debatte in der Münsterland-Halle gerne zur sogenannten Frauenquote umbenannt wurde. Herta Däubler-Gmelin moderierte. Da marschierten einige als Suffragetten verkleidete SPD-Frauen in den Saal und hielten Schilder mit Forderungen in die Höhe: „Her mit der Quote“ oder „Fortschritt nur mit uns Frauen in der SPD“. Suffragetten waren an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert Frauenrechtlerinnen in England und den USA. Sie stritten damals für das Frauenwahlrecht. In Münster ging es 1988 noch immer um Gleichberechtigung. Die Frauen in der SPD konnten zwar längst wählen, doch sie wurden viel zu selten selbst gewählt. Ausgerechnet in der SPD, die sich seit August Bebels Tagen für die Gleichberechtigung einsetzte, waren Frauen in Ämtern und Funktionen kaum vertreten. Der Anteil der Frauen in der SPD-Bundestagsfraktion betrug damals gerade mal 16 Prozent. Das wollte die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) ändern. Zunächst hatten sie es mit Überzeugungsarbeit versucht und selbstbewusst jede institutionalisierte Förderung abgelehnt. Doch freiwillig wollte die männliche Übermacht ihre Positionen nicht räumen, es fehlte einfach an Einsicht. 1985 kam es deshalb innerhalb der ASF zur radikalen Wende. Die ASFBundeskonferenz forderte nun eine Quotierung von 40 Prozent eines jeden Geschlechts in allen Ämtern und Mandaten. Vorgeschlagen hatte dies die ASFVorsitzende Inge Wettig-Danielmeier. Der Nürnberger Parteitag nahm den Vorschlag 1986 im Grundsatz an. Ein entsprechender Antrag auf Satzungsänderung wurde für den SPD-Parteitag in Münster vorbereitet. Obwohl es sich um eine Geschlechterquote handelt, wurde schon bald über „Quotenfrauen“ und „Gespenster

Langer Kampf: Gekleidet wie Suffragetten, Frauenrechtlerinnen der Jahrhundertwende, demonstrieren Genossinnen in Münster für die Geschlechterquote.

Als die Quote siegte vor 25 Jahren Der Parteitag in Münster beschließt 1988 – erstmals in der Geschichte der SPD – eine Geschlechterquote Von Thomas Horsmann

Klare Mehrheit: Mit 362 gegen 54 Stimmen votieren die Delegierten für die Quote, genau wie Oskar Lafontaine, Hans-Jochen Vogel und Johannes Rau (v.l).

auf Stöckelschuhen“ gelästert. Viele Genossen waren strikt gegen Quoten und fürchteten um ihre Posten. Sie bemängelten die fehlende Qualifikation von Frauen oder zweifelten an, dass es überhaupt genügend Frauen in den Ortsverbänden gäbe. Rechtsgutachten wurden erstellt, um zu klären, ob eine Quote nicht die Demokratie einschränke. Führende Sozialdemokraten mussten an der Basis harte Überzeugungsarbeit leisten, darunter Willy Brandt, Egon Bahr, Hans-Jochen Vogel, Peter von Oertzen und Gerhard Jahn. Die Bundestagswahl 1987 lies jedoch den Widerstand gegen die Quote bröckeln. Denn der Versuch, ohne Quote zu einer 40-prozentigen Frauenbeteiligung bei der Kandidatenauswahl zu kommen, scheiterte kläglich. Dennoch wurden in Münster noch einmal alle Register gezogen. Erst nach einer dreistündigen, aufwühlenden Debatte wurde abgestimmt. Die Quotierung wurde mit einer überraschend großen Mehrheit von 362 gegen 54 Stimmen angenommen. Bei den Wahlen zum Parteivorstand waren einige Genossinnen erfolgreich und Herta Däubler-Gmelin wurde zur ersten stellvertretenden Parteivorsitzenden in der Geschichte der SPD. Seither gilt in der SPD eine 40-prozentige Geschlechterquote für Ämter und Mandate. Diese Regelung war zunächst auf 15 Jahre beschränkt, wurde allerdings 2003 auf unbestimmte Zeit verlängert. Der Anteil von Frauen in der SPD ist seit 1988 auf über 31 Prozent g ­ estiegen, 40 Prozent der SPD-Bundestagsabgeordneten sind inzwischen weiblich. Und doch ist die vom Grundgesetz garantierte Gleichberechtigung in Deutschland nach wie vor nicht erreicht. So werden zum Beispiel Männer und Frauen für die gleiche Arbeit noch immer unterschiedlich bezahlt und die Führungsetagen sind nach wie vor fest in Männerhand. Deshalb fordert die SPD aktuell auch die gesetzlich fixierte Frauenquote von 40 Prozent in Vorständen und Aufsichtsräten. n

vorwärts-Impressum Die Zeitung der deutschen Sozialdemokratie gegründet 1876 von W. Hasenclever und W. Liebknecht Herausgeberin: Andrea Nahles Redaktionsadresse: Berliner vorwärts Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 610322, 10925 Berlin; Tel. 030/25594-100, Fax 030/25594-390, E-Mail: redaktion@vorwaerts.de Chefredakteurin: Karin Nink (V.i.S.d.P.) Redaktion: Lars Haferkamp (Textchef); Dagmar Günther (CvD); Hendrik Rauch (Bildred.); Kai Doering, Carl-Friedrich Höck, Yvonne Holl (Reportage); Vera Rosigkeit (Online); Dr. Susanne Dohrn und Birgit Güll (redaktionelle Mitarbeit); Sarah Kohlhauer (­ Volontärin) Fotografie und Titelgestaltung: Dirk Bleicker Layout: Jana Schulze Korrespondenten: Jörg Hafkemeyer (Berlin), Renate Faerber-Husemann (Bonn), Lutz Hermann (Paris) Geschäftsführung: Guido Schmitz Anzeigen: Nicole Stelzner (Leitung strategische Unternehmensentwicklung und Verkauf); Nele Herrmann Valente, ­Simone Roch, Carlo Schöll und Franck Wichmann (Verkauf) Gültige Anzeigenpreisliste: Nr. 35 vom 1.1.2012 Verlags-Sonderseiten: verantw. Guido Schmitz Vertrieb: Stefanie Martin, Tel. 030/25594-130, Fax 030/25594-199 Herstellung: metagate Berlin GmbH Druck: Frankenpost Verlag GmbH, Poststraße 9/11, 95028 Hof Abonnement: IPS Datenservice GmbH, Postfach 1331, 53335 ­Meckenheim; Tel. 02225/7085-366, Fax -399; bei Bestellung Inland: Jahresabopreis 22,– Euro; für Schüler/Studenten 18,– Euro; alle Preise inkl. Versandkosten und 7 Prozent MwSt.; Ausland: Jahresabopreis 22,– Euro zzgl. Versandkosten. Das Abo verlängert sich um ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Ablauf schriftlich gekündigt wird. Für SPD-Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten (bei Änderungen bitte an den SPD-UB wenden). Bankverbindung: SEB Berlin, BLZ 100 101 11, Konto-Nummer 174 813 69 00 Bei Nichterscheinen der Zeitung oder Nichtlieferung ohne Verschulden des Verlages im Falle höherer Gewalt besteht kein Anspruch auf Leistung, Schadensersatz oder Minderung des Bezugspreises. Für unverlangt eingesandte Manuskripte, Fotos und Zeichnungen wird keine Haftung übernommen.

Fotos: dpa/Franz-Peter Tschauner, DPA/ Wöstmann

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Rätsel 33

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kreuzworträtsel

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Die Fragen und das Kreuzworträtsel darunter ergeben die Lösung. Der Sohn eines Unteroffiziers... und einflussreiche Autor war einer der populärsten Politiker seiner Zeit und wurde eigenartigerweise sogar mit einem zeitgenössischen preußischen Monarchen verglichen. Sein erster Vorname? 1

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Die römische Brücke... wurde nach etwa 500 Jahren abgerissen, und erst 1000 Jahre später wieder errichtet, so dass die Trabantenstadt im Jahr 1888 endlich der weitaus größeren Schwesterstadt angegliedert werden konnte. 1

Der Gesuchte am 27.03.1931 in Berlin: hier mit Heinrich Mann, bei der Feier zu dessen 60. Geburtstag, und mit Literaturnobelpreisträger Thomas Mann (v.l.)

Wer war’s?

Foto: ullstein bild

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inmal im Jahr ist sein Name in vieler Leuts Munde. Dennoch gehört der bedeutende Namenspatron zu den großen Unbekannten in Deutschland. Das liegt vielleicht da­ ran, dass er seine politische Karriere schon vor Gründung der Bundesrepublik Deutschland freiwillig beendet, um Generaldirektor der damals größten deutschen Rundfunkanstalt zu werden. Geboren wird er am 31. Dezember 1889 in Goslar, wo sein Vater als Bahnhofsvorsteher arbeitet. Er wächst in behüteten, christlich aufgeklärten Verhältnissen auf und studiert in Halle, München und Göttingen Germanistik und Philosophie, um später als Gymnasiallehrer zu arbeiten. 1919 wird er in Hannover zum Studienrat ernannt. Nach der Ermordung Walter Rathenaus schließt sich der ursprünglich liberal Gesinnte der SPD an. Der religiöse Sozialist engagiert sich als „entschiedener Schulreformer“ in der Bildungspolitik. Zweimal in seinem Leben versucht er, als Kulturminister Akzente zu setzen. Die erste Amtszeit endet 1932 nach dem sogenannten „Preußenschlag“, dem Putsch gegen die letzte frei gewählte preußische Landesregierung. Weil er über seinen Studienfreund, den Schriftsteller Adam Kuckhoff, Kontakte zur „Roten Kapelle“ pflegt, wird er 1942 von der Gestapo verhaftet und ist drei Jahre im Zuchthaus eingesperrt. Nach der Zerschlagung Nazi-Deutschlands zieht es ihn wieder in die Bildungspolitik, aus der er sich 1948 als niedersächsischer Kultusminister zurückzieht. Er stirbt am 27. August 1963 in Degendorf am Inn. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Engesohder Stadtfriedhof in Hannover. n Unter allen Einsendern verlosen wir eine vorwärts-Tasche. Bitte schicken Sie das Lösungswort mit dem Stichwort „Wer war’s“ bis 9. August 2013 per Post oder per E-Mail an: redaktion@vorwaerts.de

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Es gibt zwei Wege, das Preisrätsel zu lösen: Ratefüchse beantworten zuerst die beiden Fragen. Der zweite, dritte und sechste Buchstabe des ersten Lösungswortes sowie der zweite und vierte Buchstabe des zweiten Lösungswortes ergeben in der richtigen Reihenfolge die Lösung. Es geht aber auch einfacher: Die grauen Felder im Kreuzwort­rätsel e ­ rgeben in der ­richtigen Reihenfolge das Lösungswort. Gesucht wird ein Begriff, der immer wieder im Zentrum wirtschaftspolitischer Diskussionen steht.

Er diente der Kultur: als Kultusminister zweier deutscher Länder vor und nach 1945, sowie als Rundfunkdirektor Von Lothar Pollähne

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Historisches Bilder-Rätsel Die Lösung des Bilder-Rätsels aus der vergangenen Ausgabe lautet: Henning voscherau Die vorwärts-Tasche hat gewonnen:

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Die Lösung des jüngsten Preisrätsels lautet: ANDREA Gesucht wurden außerdem: MENDIG und DREAM Jeweils ein Buch gewannen:

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Carola Hainz, 61350 Bad Homburg Günter Durst, 52477 Alsdorf Eberhard Herzog, 01129 Dresden Gerda Mortensen, 21217 Seevetal Elke Lang, 77723 Gengenbach Rolf Abel, 35614 Aßlar-Werdorf Harry Voß, 25746 Heide Julia Krause, 65197 Wiesbaden Karl Queck, 52146 Würselen

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Margit Schilling, 96237 Ebersdorf

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Die richtige Lösung schicken Sie bitte bis zum 9. August 2013 per Post an vorwärts, Postfach 610322, 10925 Berlin oder per E-Mail an raetsel@vorwaerts.de. Bitte Absender nicht vergessen und ausreichend frankieren! Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir zehn Bücher.


34  Das Allerletzte

Spanische pfleger und deutsche deppen arbeitsmigranten Würden spanische Jugendliche ohne Job komplett zu uns emigrieren, wer erledigt dann dort die Arbeit? Vielleicht deutsche Auswanderer? Bloß das nicht! Von Martin Kaysh

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ltere erinnern sich an die Einwanderungswelle in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. „Drei Schwedinnen in Oberbayern“ hieß das entsprechende Filmprodukt. Deutschland war Notstandsgebiet in Sachen Humor und Erotik. Die Frauen aus Skandinavien konnten da auch nicht weiterhelfen, hielten aber für kurze Zeit die deutsche Filmindustrie über Wasser. Jetzt warten wir hier bei uns am Niederrhein auf drei Spanierinnen, willig, in Deutschland zu lernen und zu helfen. Es mangelt uns an Menschen. Die verschwinden neuerdings über Nacht. So kam beim Zensus heraus, dass in Berlin 180  000 Menschen weniger leben, als angenommen, ein komplettes Herne so-

zusagen, und keiner hat es gemerkt. Gut, auch im Ruhrgebiet wäre das vielleicht nicht aufgefallen, wir haben nebenan ja noch Gelsenkirchen und Castrop-Rauxel. Demografischer Wandel heißt das, und am Ende warnt immer jemand vor einem Fachkräftemangel. Nein, er warnt vor einem dramatischen Fachkräftemangel, der unsere Zukunft bedroht, besonders in den Altenheimen. Die simple Rettungsformel lautet: Arbeitslose Jugendliche in Spanien, Griechenland und Italien wandern aus nach Deutschland, lernen hier was Gescheites, und unterm Strich sind alle glücklich. Das ist natürlich Quatsch. Würden die arbeitslosen Jugendlichen aus Spanien komplett nach Deutschland emigrieren,

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Manchmal ist es sinnvoller, nicht die ­Menschen zu importieren, sondern die Ideen zu ­exportieren. Martin Kaysh

seit wärts Keine Zukunft Mal wieder mit dem pessimistischen Fuß zuerst aufgestanden, hm?

Der Gemüsehändler aufm Markt sucht auch …

Ah! Nee, gegen die meisten Gemüsesorten bin ich allergisch.

Oder hier: Massig Angebote für Auszubildende in den Stellenanzeigen. »Maler gesucht, keine Voraussetzungen.«

Aber is doch wahr. Alles Scheiße. Keine Arbeit und so …

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die Bewohner der Seniorenheime wären schnell dramatisch überpflegt. Im spanischen Hinterland jedoch würdest du bald niemanden mehr finden, der dir Essen auf Rädern bringt, den Rollator ölt oder auch nur die Handtasche klaut. Selbst dazu braucht es schließlich Fachkräfte. Natürlich ist das Europa, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Gütersloh Thüringer Rostbratwurst zubereiten, vielleicht dazu noch das komplette Metzgerhandwerk erlernen. Aber manchmal ist es sinnvoller, nicht die Menschen zu importieren, sondern die Ideen zu exportieren. So könnte etwa das viel gepriesene, deutsche und duale Ausbildungssystem in Spanien, Griechenland oder Italien helfen. Ideen sind manchmal stärker als Menschen. Vor allem, wenn es sich bei den Menschen um Komplettdeppen handelt. Keine Sorge, ich rede von jenen Auswanderern, die unser Privatfernsehen bevölkern, die aus Deutschland auswandern, um in Spanien Bratwurstbuden zu eröffnen und sich dann wundern, dass man dort spanisch spricht. n Martin Kaysh ist Kabarettist, Alternativkarnevalist („Geierabend“) und ­Blogger. Er lebt im Ruhrgebiet, freiwillig.

von David Füleki Ach, du suchst Arbeit! Kein Ding, da kann ich dir vielleicht was über Kontakte organisiern.

Ähm ... Ach ja ...? Was haste denn da?

Hey! Wie wär’s zum Beispiel bei dem Fischhändler, bei dem ich arbeite. Da wär bestimmt noch Platz.

Hm ... Also malen tu ich schon ganz gerne.

Okee.

Hmmmmm ...

Ah ... Sorry, nee. Die armen Fische tun mir leid.

Illustration: christina Bretschneider

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SPD-Exklusiv-Kreuzfahrt mit MS EXCELLENCE CORAL

Moldau – Elbe – Havel 05. bis 12.10.2013 von

Prag nach Berlin

© fotolia.com

3 Ausflüge INKLUSIVE

Ein bewährtes Schiff für eine besondere Reiseidee – mit MS EXCELLENCE CORAL unternehmen wir exklusiv, nur mit Freunden des SPD-ReiseService, eine nicht alltägliche Reise: Es sind die unverwechselbaren Landschaften und herausragenden kulturellen Sehenswürdigkeiten entlang von Moldau und Elbe, die eine Fahrt auf den beiden Flüssen zu einem besonderen Erlebnis machen: Wir starten in der „Goldenen Stadt“ Prag, mit ihrer berühmten Karlsbrücke. Vom idyllischen Bad Schandau aus haben wir die Möglichkeit einen Ausflug in das Elbsandsteingebirge zu unternehmen, wir besuchen Dresden, mit seinen weltberühmten Bauwerken wie Semperoper, Zwinger, Frauenkirche und Grünes Gewölbe. Auch Meißen, die Stadt des „weißen Goldes“, und Lutherstadt Wittenberg werden unsere Ziele sein. Wir haben Zeit für Erkundungen in Magdeburg ebenso wie in Potsdam, der Residenzstadt der Preußenkönige bevor wir unser Reiseziel Berlin erreichen. Und seid versichert: schöner als auf dem Wasserweg über Havel und Wannsee kann man sich der „neuen – alten“ Hauptstadt nicht nähern.

MS EXCELLENCE CORAL

INKLUSIVLEISTUNGEN:  

  Elbe

Ketzin

Rothensee Magdeburg

Havel Elbe-HavelKanal

Berlin-Tegel

 Potsdam

Lutherstadt Wittenberg

UNSER TIPP:

Dessau Elbe

DE UT S CHLAND

Meißen Dresden

8-tägige Flusskreuzfahrt inkl. Vollpension, Busanreise ab Berlin und 3 Ausflügen ab €

Bad Schandau

Litome˘r˘ice Hor˘ín

1.099,– p. P. in der 2-Bett-Kabine

Busanreise von Berlin nach Prag Stadtbesichtigung in Prag, Dresden und Magdeburg Flussreise in der gebuchten Kabinenkategorie Vollpension an Bord Sämtliche Hafen- und Schleusengebühren Unterhaltungsprogramm und Informationsveranstaltungen an Bord SPD-ReiseService – Reiseleitung

T S CHE CHIS CHE Elbe RE P UBLIK

Prag

Individuelle Bahnanreise direkt nach Prag oder Anreise nach Berlin mit gemeinsamer Weiterfahrt in unserem Sonderbus zur Einschiffung nach Prag Nach der Ausschiffung in Berlin, geht es dann bequem mit der Bahn wieder zurück nach Hause. Bahnhin- und Rückfahrt pro Person schon ab € 55,–

Weitere interessante Angebote für „Reisen im Freundeskreis“ 6. SPD-Herbsttreffen in Warschau

Spurensuche Ferdinand Lassalle

Die Hauptstadt Polens ist eine spannende Stadt voller Kontraste. Gespräche mit Vertretern politischer Institutionen ergänzen unser Besichtigungsprogramm, bei dem wir unvergessliche Einblicke in die polnische Hauptstadt und deren Geschichte bekommen.

Jubiläumsreise 150 Jahre SPD Die Europastadt Görlitz/Zgorzelec ist unser idealer Ausgangsort für Ausflüge ins polnische Breslau und Kreisau. Auf den gebürtigen Breslauer Lassalle stimmt uns Prof. Dr. Helga Grebing ein.

11. – 16.10.2013 6 Reisetage

25. – 29.09.2013 5 Reisetage

p. P. im DZ ab €

559,–

© fotolia.com

p. P. im DZ ab €

479,–

Foto: Sabine Wenze

Sofort ausführliche Reise- und Schiffsbeschreibung anfordern! Per Telefon, Post, Fax oder E-Mail.

Telefon: 030/255 94-600

Wilhelmstraße 140, 10963 Berlin • Fax: 030/25594-699 www.spd-reiseservice.de • info@spd-reiseservice.de


www.volkswagen.de

Mehr Demokratie Wagen.

�50 Jahre Laufzeit wären selbst für den Golf ein Grund zum Feiern.

Kraftstoffverbrauch des abgebildeten Golf mit 1,4-l-TSI-Motor und 103 kW (140 PS) in l/100 km: zwischen 6,4 und 5,8 (innerorts)/zwischen 4,5 und 4,1 (außerorts)/zwischen 5,2 und 4,7 (kombiniert), CO2-Emissionen in g/km: zwischen 119 und 109 (kombiniert). Abbildung zeigt Sonderausstattung gegen Mehrpreis.

VW_GL_Glueckwun_SPD_NEU_225x323sp.indd 1

20.06.13 13:36


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