Komponenten einer werblich-menschlichen Korrelation, Oder: Wie Werbung wirkt.

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IV

1

UNSERE SINNE // Unser untr端gliches Auge



Alle Rechte vorbehalten. Dieses Buch und auch Teile dieses Buches dürfen nicht ohne schriftliche Genehmigung der Autorin vervielfältigt, in Datenbanken gespeichert oder in irgendeiner Form übertragen werden. Der Inhalt wurde sorgfältig recherchiert, bleibt aber ohne Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit. Konzept und Gestaltung: Daniela Schnabel Bildernachweis: © Daniela Schnabel

// Komponenten einer werblich-menschlichen Korrelation //

entstand als Masterarbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt, Fachbereich Gestaltung, MA Informationsdesign, im Wintersemester 2011/2012. Druck und Weiterverarbeitung: SDL Digitaler Buchdruck, Berlin Inhaltspapier: Lessebo Design 1,3, 130g Printed in Germany


[ ODER: Wie Werbung wirkt nat端rliche Mechanismen in der Werbung und ihre Wirkung auf Rezipienten.]

Daniela Schnabel // Komponenten einer werblich-menschlichen Korrelation //

// Komponenten einer werblichmenschlichen Korrelation //



O Vor den Worten, Worte

8 10

Was es ist

11

... und weg damit.

12

Exkurs: Was ist Zapping?

13

Woher kommt es denn? Kontrollierte Unterbrechungen Die Bulls-Eyes Unterhaltung für alle Wirst du wahrgenommen? Dann bist du Werbung Kenne deine Werbung Alles hat eine Grenze „Verbotene“ psychologische Tricks Selbstdisziplin ist alles

14 17 18 19 20 22 24 27 29

II. Werbestrategien

30

Die Theorien zur Strategie

31

Stimulus-Reaktions-Modelle (S-R-Modelle) Aida

31 32

Exkurs: Effekthierarchien

36

Das Konzept ist alles Die USP-Formel Wir können mehr In deinem Kopf Technik ist Alles

38 38 41 42 44

III. Information Overload

46

unsere Sinne in Bedrängnis

47

Wie lange schaust du hin Ein Thema, verschiedene Meinungen

48 52

IV. Sinne

56

Die Welt im Kopf

57

Sie können nur Sehen und Hören... ...aber man arbeitet daran. Die gute, unbewusste Reizverarbeitung Psychophysik in der Werbung

Das Fenster zum Kopf

58 59 60 60

62

Die Wege des Lichts Die Verarbeitung des empfangenen „Bildes“ Die Leistungen des Auges Das getäuschte Auge

64 67 68 68

Exkurs: Tiefenwahrnehmung

70

6 INHALTSVERZEICHNIS //

I. Werbung


O

7

Das Streben nach der„guten“ Gestalt Getäuschte Erwartungshaltungen Der Sehsinn und die Werbung

Die Schwingende Muschel

72 74 74

75

INHALTSVERZEICHNIS //

Wie ein Ton entsteht Die kleinsten Knochen unseres Körpers Natürlicher Überlastungsschutz Die Chips müssen knacken

77 79 79 80

Exkurs Sound-Design

82

Der Riechkolben...

84

&...das beweglichste Organ

85

Der Aufbau des Geschmacksorgans Zunge Der Aufbau der Nase Was riechst du und an was erinnert dich das Es muss nicht alles schmecken

Anfassen erwünscht Schicht um Schicht um Schicht Erst anfassen, dann kaufen

Gemeinsam, nie einsam Multisensorische Produkterlebnisse

87 88 90 93

94 95 98

100 101

V. Aufmerksamkeit

102

Aufmerksamkeit Bitte

103

Reizverarbeitung ohne Aufmerksamkeit Die Gestaltung macht den Reiz Inhalt, Inhalt, Inhalt

104 104 121

VI. Codes

122

-.-. --- -.. . ... *

123

„Spiegelneuronen bei der Arbeit“ Einmal nachahmen Bitte!

die Vier wege...

124 124

128

Einmal im Ferienlager ...

131

Exkurs: Die neuronale Grundlage des episodischen Gedächtnisses:

131

Hallo Herr Kaiser Sinnige Bedeutungsträger Lerne den Code

132 134 137

VII. (Kauf)entscheidung

138

WAS uns im Inneren antreibt

139

Bedürfnispyramide und „Zürcher Modell der Motivation“

Die drei motive des Menschen Die Motive im Überblick

140

142 150


warum wir kaufen

151

was wir kaufen

152

Die Persönlichkeitsmarkierer Die Verfassungsbediener

Der innere Monolog Somatische Marker Verschiedene Entscheidungs- und Einkaufstypen Dagegen

Wie wir uns entscheiden

152 155

156 157 158 161 167

168

Nein, kauf‘ ich nicht

173

VIII. Das Gehirn

174

Fundamental Sozial

175

Der Aufbau im Inneren Und verantwortlich ist... Die Bits und Wir

unBewusst und bewusst Neuronale Grundlagen für Piloten

175 183 185

186 191

IX. Chemie

192

Glück in Häppchen

193

Glückshormon Nr.1 Glückshormon Nr.2 Erregung und Stress

195 196 198

X. Hirnforschung

200

Kaufknopf Ja oder Nein

201

Technik von außen Zahlen bilden ab Das neue Bild Erkenntnisse der neuen Forschung

202 203 207 208

XI. Neuromarketing

210

Hoffnungsträger ohne gleichen

211

Marke Nr.1

213

XII. Markennetzwerke

218

Organisation ist alles

219

Kultur und unsere Motive Alleinstellungsmerkmale bitte

Nach den Worten Erkenntnisse

224 224

226

[ fremde Wörter... ]

229

[ Abgeschrieben bei ... ]

230

8 INHALTSVERZEICHNIS //

Wie wir kaufen

O


O

9 VORWORT //

Überrumpeln oder doch verteufeln?

// Vor den Worten, Worte // /// Allein in einem scheinbar einfachen Kaufprozess verstecken sich viele unterbewusste Mechanismen, angefangen vom „inneren Monolog“ bis hin zu den „Entscheidungsabkürzern“ in unserem Gehirn, den somatischen Markern. ///

J

eder Mensch ist ein Individuum, aber die Natur hat uns alle mit ähnlichen Basisfunktionen ausgestattet, um unsere Umwelt wahrnehmen zu können. Dazu gehören, natürlicherweise, unsere Sinne, wie Sehen, Hören, Riechen, Fühlen und Schmecken. Sie helfen uns unsere Umwelt richtig zu begreifen, indem sie gegebene Informationen verarbeiten. Des Weiteren hat uns die Natur verschiedene Mechanismen und Funktionen mitgegeben, deren gesammelte Außenwelt-Erkenntnisse sich in unserem Gehirn bündeln. Unser angeborener, ureigener „Zentralcomputer“ verarbeitet diese, löst eine Reaktion aus, handelt und eventuell lernt er sogar aus dem folgenden Ergebnis. Viele Reaktionen unsererseits verlaufen ohne bewusst nachzudenken, quasi implizit. Meist denken wir nicht darüber nach aber bei einem bewussten Betrachten der Situation, ist uns klar, dass viele Faktoren bei unserer Reaktion eine Rolle spielen, die teils teils aus erlerntem Verhalten und angeborenen Mechanismen bestehen. Unser Körper in seiner Gesamtheit und vor allem unser Gehirn, mit seinen Ausläufern den Sinnen, nimmt uns im Alltag viele Entscheidungen, Handlungen und sogar manchmal unsere Gefühle ab. Wir reagieren auf ein neugeborenes Kind, oder ein kleines Tierkind, alle ähnlich. Es löst etwas in uns aus, einen Mechanismus, der


O

10 VORWORT //

uns dieses Wesen süß finden lässt, der in uns den Wunsch, es zu beschützen, weckt. Das sogenannte „Kindchenschema“ ist der Auslöser einer automatischen Aufmerksamkeit, die wiederum eine Reaktion auslöst. Diese wird nur durch unseren eigenen Charakter gesteigert oder gemindert. Prinzipiell aber reagieren wir alle gleich. Auch „die Werbung“ nutzt, bewusst und unbewusst, diese Kanäle, die durch einen Reiz einen unterbewussten Mechanismus auslösen wollen und meist auch tun. Das Resultat, dass die Werbebranche meist durch Kombination verschiedener Mechanismen auslösen möchte ist natürlich eine Kaufhandlung. Aber natürlich auch die Erinnerung an eine Marke, deren verschiedene Produkte und deren Image. Wie anfällig wir für derartige Manipulationen und Eingriffe Dritter sind, hängt von uns selbst ab. Unser „freier Wille“ ist einer der vielen unbekannten Faktoren, die sich nicht in der ReizReaktions-Kette mit einberechnen lassen und Firmen und Werbefachleute brennen darauf auch diese Unbekannten zu lösen. Wie erschafft man nun aber ein Produkt, dass unwiderstehlich ist, auf welche Knöpfe muss man drücken um den sogenannten „Kaufknopf“ auszulösen, welche Kanäle in das Gehirn des Rezipienten kann man dabei nutzen? Und wie kann man sich als Verbraucher gegen diese Übernahme der eigenen Sinne wehren? In // Komponenten einer werblich-menschlichen Korrelation // wird versucht diesen, von der Natur gegebenen, Mechanismen, Kanälen und Reaktionen auf den Grund zu gehen, um herauszufinden, welche Faktoren alle eine Rolle beim „Kaufen“ spielen können und inwieweit wir Herr über uns selbst sind. Die heutige Werbebranche träumt von dem „gläsernen Verbraucher“ und ist diesem Ideal manchmal schon erschreckend nah.

Die moderne Hirnforschung hat dem Marketing und der Werbebranche neue Zugänge zu altbekannten Fragestellungen eröffnet. Warum entscheiden wir uns so, wie wir uns entscheiden? Die modernen bildgebenden Verfahren, wie die Magnetresonanztomographie (fMRT, fMRI) oder die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), erlauben einen neuen Blick in die Gehirne von Probanden und tragen erheblich dazu bei, den Verbraucher noch durchsichtiger und berechenbarer erscheinen zu lassen. Aufklärung, über die eigenen unterbewussten Reaktionen, scheinen ein probates Mittel zur „Gegenwehr“. Nur wenn ich, als Rezipient, weiß, welche „Knöpfe“ gerade bei mir gedrückt werden und welche Mechanismen gerade bei mir ausgelöst werden, kann ich darüber reflektieren und eventuell entsprechende „bewusste“ Entscheidungen treffen. Diese Arbeit soll kein Handbuch zur „Überrumpelung“ des Verbrauchers darstellen, genauso wenig wie eine Verteufelung der Werbebranche. Informationen sind neutral, erst wenn etwas daraus hervorgeht, sie in verschiedene Kontexte gebracht werden, unterliegen sie einer Wertung. /// In jeder erdenklichen Kaufsituation führen wir ein Gespräch mit uns selbst, gespeicherte Daten, Eindrücke und Ereignisse werden in unserem Gehirn abgewogen und gegen einander gehalten. Dies geschieht innerhalb einiger Millisekunden und ist von Kaufsituation zu Kaufsituation verschieden. ///


IV wa s Alles ssen sie wi en m端ss

11 UNSERE SINNE // Unser untr端gliches Auge

I. Werbung /// Jede Form von Werbung hat das Ziel, das Beworbene attraktiv erscheinen zu lassen. Werbung setzt zwar kein spezifisches Interesse, wohl aber eine Identifikation mit dem Beworbenen voraus. ///


I.1

12

// Was es ist // J

eder Mensch ist tagtäglich von „Werbung“ umgeben. Aber was versteht man, im allgemeinen, eigentlich unter Werbung? Aus dem Stehgreif würde vermutlich keinem eine exakte und treffsichere Definition einfallen, allenfalls Beispiele verschiedenster Werbeaktionen. Fakt ist, Werbung kommt bei den meisten Definitionsversuchen eher schlecht weg, da ihr der Ruf anhaftet manipulativ zu sein. Dabei gehört die Werbung zu denjenigen Erscheinungen in unserem Leben, zu denen fast jeder Mensch eine Meinung hat, vor allem wird diese „eigene Meinung“ von den meisten Antwortenden auch als kompetent erachtet [1]

»

Mit Sicht auf den Konsumenten hat Werbung die Funktion, Informationen, Normen und Modelle für das allgemeine Konsumverhalten bereitzustellen. Sie setzt Anreize zum Kauf und Konsum und bekräftigt bisher getroffene Konsumentscheidungen. Darüber hinaus erfüllt sie auch eine Unterhaltungsfunktion. Mit Sicht auf das Produkt hat die Werbung unterschiedliche Funktionen je nach Marktlage. [2]

WERBUNG // Der Versuch einer Definition

Werbung, Der Versuch einer Definition.


I.2

13 WERBUNG // Akzeptanz und Zapping

Das Image der Werbung in der Bevölkerung schwankt zwischen den verschiedensten Standpunkten. Von gut gemachter Werbung geht für viele Menschen eine erhebliche Faszination aus [3]. Das erklärt auch den Erfolg von WerbeclipRanking-Shows mit Titeln wie „Die besten Werbespots ...“. Viele der verschiedenen Werbeformen werden zudem, bewusst und unbewusst, als Informationsquelle und bei Kaufentscheidungen berücksichtigt [4]. Auf der anderen Seite hat Werbung in weiten Kreisen der Bevölkerung das Image, keine allzu glaubhafte Informationsbezugsquelle zu sein. Viele Menschen sind der Meinung, dass Werbung überreden will, Dinge zu kaufen, die man eigentlich nicht benötigt [5]. Zurecht? Die Werbung im Alltag wird von den meisten Konsumenten eher gemieden als gesucht. Die durchschnittliche Betrachtungsdauer von Anzeigen in Zeitschriften beträgt nicht mehr als 2 Sekunden [6]. Viele der Erscheinungsformen der Werbung werden als

... und weg damit

lästig und aufdringlich empfunden. Oder sehen Sie gerne Werbeprospekte in Ihrem Briefkasten? Werbepausen und Spielfilmunterbrechungen sind uns meist eine willkommene Abwechslung und werden dazu genutzt um sich kurz im Badezimmer zu erleichtern, sich ein neues Getränk zu besorgen oder um zu schauen, was auf anderen Kanälen zur Unterhalten geboten wird.

Mehr als 50 Prozent der Radiohörer und Fernsehzuschauer behaupten von sich, dass sie ihr Fernsehgerät abschalten, wenn Werbung kommt [7]. In welchem Umfang die Zuschauer Werbung tatsächlich vermeiden ist jedoch unklar, natürlich sind die Schätzungen für mutwilliges Verlassen des Raumes oder über die geistige Abwesenheit, während der Werbepause, wenig zuverlässig. Die Erkenntnisse zum tatsächlichen Umschalten sind dagegen genauer, hier rechnet man mit einem Reichweitenverlust von circa 20 Prozent durch Um- oder Wegschalten [8]. Viele sind im „zappen“ schon so geübt, dass sie es im Gefühl haben, wann ihr favorisierter Spielfilm wieder weiterläuft. Dabei ärgern sie sich nicht über die Unterbrechung an sich, die meist in höheren Spannungsbögen angesiedelt sind, sondern, dass einige Minuten des Spielfilms oder der Serie wiederholt werden, und sie die gleiche Szene wie vor vier Minuten nochmals ansehen müssen. Wir sind gut darin geworden, Werbung zu umgehen und dennoch umgibt sie uns jede Minute eines jeden Tages.


I.2

14

/// Das Wort „Zapping“ entstammt eigentlich der Comicsprache um den Helden „Buck Rogers“ und bedeutet soviel wie „abknallen“ oder „jemanden ein Ding verpassen“. ///

»

Exkurs: Was ist Zapping?

/// Zapping ist besonders

/// Zuschauer zappen vor

/// Der am häufigsten

verbreitet bei Männern, bei

allem am Anfang eines

genannte Grund, für das

Jugendlichen zwischen 14

Blocks, und zwar nach etwa

Umschalten, ist der Wunsch,

und 19 Jahren und bei Per-

1 bis 10 Sekunden. Wer die

„zu sehen, was es sonst

sonen mit höherer Bildung.

ersten Spots angeschaut hat,

noch gibt“. Am zweithäu-

Es wird anscheinend auch an

wird dagegen meist auch bei

figsten wird bereits der

Vorbildern erlernt: Kinder von

den folgenden Spots noch

Wunsch, bzw. das Ziel

Zappern schalten deutlich

dabeibleiben. Zuschauer, die

geäußert, die Werbung

häufiger um als Kinder von

sehr gezielt fernsehen und

gezielt zu meiden. ///

Nicht-Zappern [9]. ///

dabei ihren Lieblingssendern treu bleiben, schalten auch bei Werbung seltener um als Zuschauer mit eher wahllosem Fernsehkonsum. ///

/// Wann, wie oft und vor allem wie lange das Programm unterbrochen wird, lernen Zuschauer sehr schnell und richten sich darauf ein, indem sie ihre anfallenden Bedürfnisse gezielt auf die Werbepause verschieben [10]. ///

WERBUNG // Akzeptanz und Zapping

zipp ...


I.3

15 WERBUNG // Wortherkunft

Woher kommt es denn?

Dabei ist Werbung ein elementarer Bestandteil menschlicher Kommunikation, oder wie nennt man das Buhlen um einen Partner, oder den Versuch Aufmerksamkeit beim anderen Geschlecht zu erregen? Werbung hat viele Namen und Gesichter, vor allem unendlich viele Wortbedeutungen. In der Biologie nennt man „Werbung“ zum Beispiel auch „balzen“, „umwerben“, „locken und drängen“. Im betriebswirtschaftlichen Sinn wird Werbung als eine von mehreren Funktionen der Markenkommunikation im Marketing verstanden, eins von vielen Werkzeugen. Die Werbung im öffentlichen Umfeld, zum Beispiel um einen guten Ruf zu erreichen nennt man Public Relations (Imagepflege oder auch Meinungspflege) und dient letztendlich auch der Absatzförderung- und sicherung. Werbung in der Politik nennt man hingegen Propaganda, obwohl das Wort heute einen negativen Beigeschmack beinhaltet, hat Edward Bernays damals mit seinem Werk „Propaganda“ (erschienen 1928) einen richtigen Bestseller gelandet. Die Werbung im Hinblick auf Religion nennt man hingegen Mission, man missioniert. Ein Missionar ist dem zufolge ein kirchlicher Marktschreier.

Etymologisch ist das Wort „Werbung“ die substantivierte Form des Verbs werben, dieses steht wiederum im engen Zusammenhang mit dem Wort „wirbeln“. Die grundlegende Bedeutung kann daher auch so viel wie „sich drehen“ meinen. Ebenfalls im engen Zusammenhang mit dem Wort „werben“ stehen „hin und her gehen“, „sich umtun“, „bemühen“, „etwas betreiben“, „ausrichten“, „wenden“ oder „wandeln“. Allein die Wortherkunft klingt irgendwie wie eine Beschreibung des Tuns. Ist Werbung eigentlich etwas anderes als Reklame? Laut Wortherkunft naheliegend, denn die Deutschen haben das Wort aus dem Französischen adaptiert, es stammt ursprünglich vom französischen „réclame/réclamer“, übersetzt „ausrufen“, „anpreisen“, ab und wurde bis in die 1930er Jahre anstelle des Begriffs Werbung benutzt, da laut dem Brockhaus von 1848 das Wort „Werbung“ nur in Verbindung mit „Braut- und Soldatenwerbung“ bekannt war.


I.3

16

Hör' auf zu wirbeln, ich erhebe Einspruch! (réclamer = anmahnen)

WERBUNG // Wortherkunft


I.4

17 WERBUNG // Werbezeiten

20:15 – 22:15 Filmlaufzeit 90 min, oder auch weniger.


I.4

18 WERBUNG // Werbezeiten

Kontrollierte Unterbrechungen

Wie schauen sie eigentlich aus, die Regeln der Werbepause, die unseren wunderbaren Fernsehabend regelrecht in kleine Häppchen zu zerteilen scheint? Es gibt klare Vorgaben, wie die Film-Salamitaktik im Idealfall auszusehen hat. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dürfen zum Beispiel nur 20 Minuten Werbung senden, nach 20:00 Uhr, bringen sie gar keine Werbung mehr. An dieser Tatsache merkt man meist, dass man einen öffentlich-rechtlichen Sender eingeschaltet hat, es fehlt die übliche „Toilettenpause“. Eine Ausnahme bildet hierbei, seit 1994, der Hinweis einzelner Unternehmen, dass sie das nun folgende Programm „präsentieren“ und/ oder „unterstützen“. Die privaten Fernsehsender dürfen ihr Programm höchstens zu 20 Prozent, also exakt 12 Minuten pro Stunde, mit Werbung bestreiten. Werbeunterbrechungen während eines Films sind erst ab einer Filmlänge von 60 Minuten zulässig, reiner Film natürlich. Es wird auch nach der Art eines Programms unterschieden: ein Spielfilm darf zum ersten Mal nach 45 Minuten unterbrochen werden, ein zweites Mal bei einer Länge von 90 Minuten, drei mal bei einer Länge von 110 Minuten und ein weiteres Mal bei je zusätzlichen 45 Minuten Dauer. Bei einer Serie ist die erste Unterbrechung bereits nach 20 Minuten zulässig. Wird aber die zulässige Werbezeit überschritten, drohen der beschuldigten Fernsehanstalt Geldbußen [11].


I.5 IV Die Bulls-Eyes

19 UNSERE SINNE WERBUNG // Ziel// und Unser Zweck untr端gliches der Werbung Auge

Zusammenfassend hat Werbung im Allgemeinen nat端rlich bestimmte Ziele, die es zu verfolgen gibt. Ein zentraler Aspekt der Werbung ist es, das Beworbene attraktiv erscheinen zu lassen. Ihre Ziele im Bezug auf den Konsumenten, hier noch einmal knapp zusammengefasst: /// Einfach ausgedr端ckt versucht Werbung etwas, oder jemanden, attraktiv erscheinen zu lassen. Sie m旦chte eine bestimmte Einstellung erzeugen, also eine Grundbereitschaft, sich dem Einstellungsgegenstand zu- oder abzuwenden. ///


I.6 IVI »

Sie soll informieren

»

...motivieren

»

...sozialisieren

»

...verstärken

»

...unterhalten

20

Interessant ist, dass der Unterhaltungsaspekt bei dem Thema Werbung anscheinend vorrangig ist. Selbst die informativste Werbung ist so lange unbedeutend, solange sie nicht unterhaltsam ist. Wir erwarten geradezu von Werbung ein Minimum an Unterhaltung und/oder einen angenehmen Zeitvertreib. Wenn wir uns denn gestatten sie anzuschauen. Natürlich hat Werbung nicht nur Interessen in Bezug auf den Konsumenten, der Wirtschaftsmarkt ist natürlich auch ein begehrtes Zielobjekt. Welche Funktion, im Bezug auf den Markt, die Werbung einnimmt, kann man auch im Hinblick auf die Marktposition eines Produktes unterscheiden. Ein neues Produkt wird anders beworben, als eines, dass schon lange auf dem Markt zu haben ist. Man kann, allgemein gesagt, zwischen vier verschiedenen „Werbe“-Formen unterscheiden:

»

Einführungswerbung: Das Produkt wird dem Verbraucher vorgestellt. Er soll Interesse entwickeln und sich ein positives Urteil bilden. Endziel: der loyale Kunde.

»

Durchsetzungswerbung: Hier steht die Abgrenzung zu anderen, konkurrierenden Produkten im Vordergrund. Ziel: Dauerhafte Präsenz neben den anderen Mitbewerbern.

»

Verdrängungswerbung: In diesem Fall, und im Unterschied zur Durchsetzungswerbung, packt Werbung ihre Krallen aus. Ziel ist, wie der Name es schon andeutet, die Verdrängung des Mitbewerbers auf dem Markt und die Annektierung seiner Marktanteile. Dies ist besonders nötig, wenn der Markt keinerlei Ausweitung mehr zulässt, er gesättigt ist oder die Nachfrage stagniert.

»

Expansionswerbung: Hier versucht die Werbung neue Kunden zu gewinnen. Der Markt soll erweitert werden und Kunden, die das Produkt noch nicht verwenden, sollen hinzu gewonnen werden, in die Herde der loyalen Kunden.

UNSERE SINNE WERBUNG // Ziele // Unser in Bezug untrügliches auf den Markt Auge

Unterhaltung für alle


I.7 Wirst du Wahrgenommen? Dann Bist du Werbung

21 WERBUNG // Werbeträger

Aber woran erkennt man nun Werbung, beziehungsweise was kann denn alles als Werbung fungieren? Heutzutage gibt es ja kaum etwas, ob Gegenstand, Mensch oder Maschine, das nicht zur Verbreitung von Werbung oder als Werbeträger genutzt wird. Einzige Bedingung scheint zu sein, dass der oder die Träger von Konsumenten wahrgenommen wird. Eine kurze Auflistung von möglichen Werbeträgern, um zu zeigen, wo uns Werbung überall begegnen kann:

/// Eine Methode, die nicht

»

im öffentlichen Raum (Litfaßsäulen, Gerüstplane, Plakatwand, Fassaden, Bauzaun, Skywriting, Gehweg-

immer einwandfrei als

flächen, Bahnsteige, Treppen, Rolltreppen, etc.)

Werbung erkennbar ist, ist das so genannte GuerillaMarketing, bei dem, zum Beispiel, ein aufsehenerregendes Gerücht über

»

in der freien Landschaft (Berghänge, Strandflächen, etc.)

»

in öffentlichen und halböffentlichen Einrichtungen (Sportstätten, Schulen, Krankenhäuser,

ein neues Produkt in einer

U-Bahnstationen, etc.)

Zielgruppe verbreitet wird. ///

»

Werbegeschenke (Kalender, Kugelschreiber, Visitenkarten, Feuerzeug, Chips für Einkaufswagen, etc.)

»

Medienwerbung (Hörfunksendung, Fernsehsendung, Zeitungswerbung, Prospekt, Kinowerbung, Internetseite, Werbespiele, Spam, etc.)

»

Videospiele

»

Verkehrsmittelwerbung (auf und in Bahnen und Bussen, Taxis, LKW, etc.)

»

Textilwerbung (Trikotwerbung, Jacken, Hemden, T-Shirts, Mützen, etc.)

»

Verkaufswerbung am Verkaufsort (Display, Schaufensterwerbung, Lautsprecher, Verkaufsraumgestaltung, Einkaufwagen, das Personal selbst, etc.)

»

Duftwerbung

»

gezielte Beschallung

»

Tätowierung

»

Telefonanruf, Fax, E-Mail

»

Kuriose Werbeträger, wie Raketen oder die Internationale Raumstation ISS oder Lebensmittel, erweitern die Palette fast bis ins Grenzenlose.


I.7

22

WERBUNG // Werbetr채ger


I.8

23 WERBUNG // Werbeformen

Kenne deine Werbung

/// Innerhalb der Blockwerbung werden häufig auch „Tandemspots“ eingesetzt. Dabei wird zunächst ein Basisspot mit der vollständigen Werbebotschaft geschaltet. Nach ein paar Spots folgt dann der „Reminder“, eine Kurzversion zur vorgeschalteten Basis. Die Wiederholung verschafft

Die Werbung ist eine sehr talentierte Gestaltwandlerin, immer auf der Suche nach neuen Formen und Bereichen in denen sie ihre Wirkung entfalten kann. Einige ihrer Formen verdienen mehr Aufmerksamkeit als andere, zum Beispiel genießt der Werbespot im Kino höhere Aufmerksamkeit als der Spot, während der Werbeunterbrechung im Fernsehen. Dennoch lohnt es sich die Lieblingskörper der Werbung einmal zu betrachten um diese dann auch wiedererkennen zu können.

dem Produkt einen Vorteil, da man sich besser daran erinnern können sollte. ///

»

Cross-Promotion und Mund-Propaganda: Wenn Unternehmen aus verschiedenen Leistungsbereichen, gleiche oder ähnliche Zielgruppen haben und gemeinsame Werbung entwickeln wird von CrossPromotion gesprochen. Mund-zu-Mund-Propaganda ist wohl jedem bekannt, der jemandem schon einmal etwas weiterempfohlen hat.

»

Direktwerbung: hierbei werden potentielle Kunden direkt angeschrieben, somit ist sie Zielgruppengenauer als zum Beispiel ein Radiospot. Das wichtigste Element ist das Mailling, die Gestaltung eines solchen Briefes folgt in der Regel dem AIDA-Modell und Erkenntnissen über Gebrauchstauglichkeit (usability)

»

Product-Placement: Wird auch gerne Schleichwerbung genannt, da sie wahrgenommen, aber nicht als Werbung entlarvt werden soll. Sie kann relativ zu einem niedrigen Kostenaufwand eine sehr hohe Wirkung erzielen. Sonderformen des Product-Placement: Infomercials (ähneln Unterhaltungssendungen), Verbal-Placement (das Produkt wird in den Filmdialog eingebaut), Visual Placement (das Produkt wird nur bildlich gezeigt), Music Placement, Negatives Product-Placement (Product-Placement kann auch negativ verwendet werden, zum Beispiel um bestimmte Produkte in Verruf zu bringen), On-Set Placement (für die Handlung total unwichtig, wird meist nur kurz in die Kamera gehalten), Image Placement (der Inhalt eines ganzen Filmes wird auf ein Produkt oder eine Marke abgestimmt). Nach geltenden Richtlinien der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ist die Schleichwerbung im deutschen Fernsehen verboten.


»

Unterschwellige Werbung (engl. subliminal advertising): Diese Form der Werbung soll auch bei hoher

I.8

Aufmerksamkeit nicht bemerkt werden, da sie nur aus sehr kurzen Einblendungen besteht. Ihr wird unterstellt, dass sie trotzdem wirksam ist. Mögliche Anwendungungen für diese Art der Werbung eröffnet die olfaktorische Wahrnehmung, das heißt über den Geruchsinn (zum Beispiel über Geruchsstoffe).

»

Blockwerbung: Damit ist Fernsehwerbung gemeint, die in einem Block das laufende Programm unterbricht.

24 WERBUNG // Werbeformen

Wenn es gelingt, einen Bezug zwischen dem Programm und der Werbung herzustellen, spricht man von „Narrow Casting“. Hier hofft man, dass der Zuschauer ein gewisses Grundinteresse am ausgestrahlten Programm mitbringt und dadurch auch den thematisch passenden Werbespots mehr Aufmerksamkeit schenkt. Überlegen sie mal, was sagt es über die erhoffte Zielgruppe eines abendfüllenden Spielfilmes auf, wenn in der Werbepause Spots für Tampons, Light Produkte und Gesichtscremes ausgestrahlt werden.

»

Sponsoring: Ein Unternehmen beteiligt sich an den Kosten einer Veranstaltung von allgemeinen Interesse und

/// Sponsoring-Projekte dienen dazu „Glaubwürdigkeit

sorgt dafür, dass sein Name erwähnt wird. Der Sponsor handelt dabei im Sinne seines Unternehmens, die Förderung

und Vertrauen zu schaffen“

[13]. Der große Vorteil des

der jeweiligen Aktivität ist nur ein Nebeneffekt. Dennoch ist es wichtig, welche Aktivitäten ein Unternehmen spon-

Sponsorings von kulturellen, ökologischen oder sport-

sert. Es muss natürlich zum Image passen oder dieses positiv unterstützen. In letzter Zeit ist das „Öko- und Sozio-

lichen Aktivitäten ist, dass das Unternehmen auf einem

sponsoring“ populär geworden. Nein, Konzerne denken nicht nur an den Profit, das Motto bei sozial und ökologisch

„unkommerziellen“ Weg Zielgruppen zu erreichen, die

angehauchten Sponsoring ist eher „Tue Gutes und rede darüber“. Dabei haben es die Konzerne keineswegs leicht

klassische Werbung vermutlich kaum rezipieren [14]. ///

über ihr gutes Werk zu reden, denn direkte Werbung mit dem Sponsoring ist nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb untersagt.

»

Game-Shows: Quizsendungen werden vor allem in den privaten Kanälen oft zur Werbung genutzt. Dabei finanzieren Produktanbieter das Unterhaltungsprogramm und benutzen die Gelegenheit, ihre Produkte im Rahmen der Spiel-Show in Szene zu setzen – meist indem die Produkte als Preis zur Verfügung gestellt werden. Diese Strategie, Programm gegen Werbung zu tauschen, nennt man im Fachjargon „Batering“.

»

Warum heißen eigentlich viele gesponserte Stiftungen wie die Unternehmen, von denen sie gesponsort werden? Wenn ein Unternehmen eine Stiftung einrichtet, darf „nicht ein einziger Pfennig für Werbezwecke ausgegeben werden“ [12]. Um trotzdem den erhofften positiven Imagetransfer zu gewährleisten bleibt in erster Linie nur die Namensentsprechung zwischen Stiftung und Unternehmen.

Videoclips: Ein Videoclip schwankt zwischen Werbung und Kunstwerk. Zum einen ist der Clip selbst Teil der „public relation“ eines Künstlers, zum anderen ist sie auch Werbung im eigentlichen Sinne, zum Beispiel, wenn ein bestimmtes Produkt auftaucht oder beworben wird.

»

Merchandising: Mit Merchandising ist die Vermarktung von populären Themen oder Personen gemeint. Das

/// Der Sinn hinter Merchandising ist, die Popularität

Prinzip ist einfach ausgedrückt: “Wenn die Kasse zweimal klingelt ...“. Typische Situationen für den Einsatz dieser

einer Sache auszunutzen und sich mit dem Produkt gleich-

Werbeform sind große einflussreiche Veranstaltungen, wie etwa die Olympischen Spiele, erfolgreiche Kinofilme oder

sam parasitär in diese Popularität einzuklinken [15]. ///

Serien. Das Angebot besteht meist aus Spielzeug, T-Shirts, Mützen, Tassen, Puppen, Stickers, Ansteck-Buttons, CDs mit der passenden Musik, Bildbände, Fähnchen, Schlüsselanhänger und so weiter.


IV Alles hat eine Grenze

25 UNSERE SINNE // Unser untrügliches Auge

Werbung umgibt uns also überall, in verschiedenen Formen und Gestalten und nimmt fast schon ausufernde Gestalt an. Doch wird der Werbung durch den Gesetzgeber Grenzen gesetzt. Hierbei wird zum einen auf geltendes Wettbewerbsrecht, zum anderen auf die guten Sitten verwiesen. Werbung zu treiben ist ein Recht, das durch Meinungs- und Gewerbefreiheit geschützt wird. Unter diesem Gesichtspunkt ergibt sich die Zulässigkeit der Werbung als Institution bereits aus dem Gesetzbuch. Demgegenüber wird die Ausübung dieser Rechte durch verschiedene Gesetze und Gepflogenheiten eingeschränkt. Ein besonderer Charakterzug, speziell der deutschen Werbung, war es bis vor kurzem, dass in ihr kein Konkurrenzprodukt namentlich ge-

»

nannt werden durfte. Doch die Beschränkungen der „vergleichenden Werbung“ wurden für Europa einheitlich gelockert, danach sollen, zum Beispiel, direkte Preisvergleiche mit anderen existierenden Produkten erlaubt sein. Der Vergleich ist natürlich nur rechtens, wenn er durch ausführliche Datendetails begründet wird. In den USA ist vergleichende Werbung bereits in einem viel größeren Umfang etabliert, was nach einer verbreiteten Meinung das Werbegeschehen dort sehr viel aggressiver macht [16]. Ein spezielles Werberecht gibt es noch nicht. Rechtsnormen, die die allgemeine Gestaltung der Wirtschaftswerbung regeln, können in drei Kategorien unterteilt werden [17].

Normen allgemeinen Charakters, etwa das Grundgesetz, das Bürgerliche Gesetzbuch, das Strafgesetzbuch, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz), der Jugendmedienstaatsvertrag (JMStV) und vor allem das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) mit seinen Generalklauseln und Regelbeispielen, etwa gegen irreführende Werbung, Belästigung durch Direktmarketing oder strafbare Werbung für Schneeballsysteme,

das Lebensmittel-, das Berufsstände- oder das Heil-

mittelwerbegesetz. BGB, HGB, UWG und auch die Berufsrechte wurden 2011, 1998 und 2000 bzw. 2004 durchgreifend reformiert.

»

Urheberrechtliche Gesetze, die sich auf verschiedene Bereiche beziehen, seien sie eher künstlerischer oder technischer Art. Im letzteren Fall handelt es sich vor allem um Patent- und Gebrauchsmustergesetze. Im Falle der Werbung werden Urheberrechte auch auf bestimmte Designs und Warenzeichen angewandt. Ebenso gelten Urheberrechte beispielsweise bei der Erfindung von Geschmacksmustern.

»

Kennzeichnungsrechtliche Bestimmungen, insbesondere das Warenzeichengesetz. Hier hat das Markengesetz vom 25.10.1995 – BGBl. I S. 3082 vieles vereinheitlicht und vereinfacht, frühere Regelungen wurden abgelöst.


I.9 IV

26

UNSERE SINNE WERBUNG // Gesetze // Unser untr端gliches Auge


I.9

27 WERBUNG // Grenzen der Wirtschaftswerbung

Bitte nicht nachmachen. Funktioniert aber fast immer.


I.9 „Verbotene“ psychologische Tricks

28 WERBUNG // Grenzen der Wirtschaftswerbung

Vor allem die Psychologie spielt bei den rechtlichen Einschränkungen eine erhebliche Rolle. Manchen Werbe- und Verkaufsstrategien haben wir als Konsumenten , schon allein durch einige automatisierte, psychologische Mechanismen, oft nur wenig bewussten Widerstand entgegenzusetzen und diese „Techniken“ werden im Gesetz deshalb besonders berücksichtigt. Eine Auswahl an unlauteren Praktiken, die nach dem UWG nicht erlaubt sind, soll verdeutlichen, welchen psychologischen Tricks wir als Konsumenten in Vielzahl ausgesetzt wären.

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Ein Händler zeichnet eine bekannte Marke in seinem Sortiment besonders billig aus, um den Eindruck zu erwecken, alle – auch die weniger bekannten Artikel – seien bei ihm so billig.

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Ein Verkäufer bezeichnet eine Ware als verkauft, die in Wirklichkeit noch nicht verkauft ist.

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Eine Ware wird mit einem hohen Preis ausgezeichnet, und später mit einem niedrigeren, Preis verkauft.

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Der Kunde erhält im Geschäft Zuwendungen, die es ihm unmöglich machen, aus dem Geschäft zu gehen, ohne etwas gekauft zu haben.

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Eine Werbung erzeugt massive Angst, damit die Kunden das Produkt kaufen.

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Ein Produkt wirbt mit seiner Testnote der Stiftung Warentest, ohne gleichzeitig seinen Testrang anzugeben.

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Eine Werbung stellt Informationen bereit, die zwar der Wahrheit entsprechen, aber gleichwohl irreführende Vorstellungen beim Konsumenten wecken.

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Eine Werbung oder ein Verkaufsgespräch wird so lästig, dass der Kunde das Produkt kauft, um dieser Belästigung zu entgehen.

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Paragraph 6d UWG untersagt die Werbung mit mengenmäßig beschränkten Angeboten, etwa „Abgabe nur in haushaltsüblichen Mengen“

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Nach Paragraph 6e UWG ist es nicht erlaubt, mit genauen Preisgegenüberstellungen zu werben, etwa:„Jetzt 5.020 Euro statt früher 7.520 Euro.“

Kommen Ihnen ein paar der beispielhaften Situationen auch seltsam bekannt vor? Wahrscheinlich sind verbotene, psychologische Tricks einfach zu verlockend um sie nicht anzuwenden, aber eigentlich sind sie verboten. Natürlich kann sich im einen oder anderen Fall, per Gesetz eine Hintertür ergeben haben, die dann weidlich ausgenutzt wird.


I.9 IV

29

UNSERE SINNE WERBUNG // Selbstdisziplin채re // Unser untr체gliches Einrichtungen Auge


I.9

30 WERBUNG // Selbstdisziplinäre Einrichtungen

Selbstdisziplin ist alles

Neben den Gesetzen gibt es bereits seit 1937 einen internationalen Code der Werbepraxis (ICC: „International Code of Advertising Practice“), der in selbstdisziplinierender Absicht von Industrie und Handel formuliert und mehrfach überarbeitet wurde. Darin ist in allgemeiner Form niedergelegt, welche Verhaltensweisen in Werbung und Konsumforschung von Seiten der Betreiber als unethisch gelten [18]. Als eine Art Gewissen der deutschen Werbeindustrie, vertreten durch den „Zentralausschuss der Werbewirtschaft“ (ZAW), fungiert der „Deutsche Werberat“. Nach dem Vorbild vieler anderer Länder beurteilt und beanstandet der Werberat

auch in Deutschland jene Grauzone der Werbebemühungen, die nicht gesetzlich geregelt wird. Den Deutschen Werberat kann jede Person anrufen, um über eine Werbemaßnahme Beschwerde zu führen. Nach bestimmten Grundsätzen werden die Werbebeispiele geprüft und gegebenenfalls beanstandet. Nach Stand von 1990 werden etwa 1/5 der vorgelegten Werbebeispiele beanstandet. Neben allgemeinen Grundregeln, sind Entscheidungsgrundsätze für folgende Themen formuliert [19]:

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Grundsätze zu Herabwürdigung und Diskriminierung von Personen (2004)

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Verhaltensregeln für die Werbung mit und vor Kindern in Hörfunk und Fernsehen (1998)

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Verhaltensregeln über die kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel (2009)

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Verhaltensregeln über die kommerzielle Kommunikation für alkoholartige Getränke (2009)

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Verlautbarung zum verantwortungsvollen Umgang mit Verkehrsgeräuschen in der Hörfunkwerbung (2000)


II. Werbestrategien


II.1 Stimulus-Response, AIDA und andere Werbestrategien.

W

as genau Herr Mustermann so kauft, kann man beobachten, aber „die Werbung“ möchte wissen, wie diese Wahl im Einzelfall zustande kommt, welche Reize sie einsetzen muss. Da man das Gehirn, genau während des Entscheidungsprozesses schlecht einfach durchleuchten kann, wurden viele Beobachtungsansätze und Versuchsanordnungen herangezogen, die, dem Schemata nach, auch bei Verhaltensstudien angewendet werden. Im Mittelpunkt dieser „Studien“ steht ein Organismus. Ziel der Versuchsreihe ist es, die Zusammenhänge zwischen „dem Anlass“ und „der Wirkung“ herzustellen. Es gibt ein paar grundlegende Modelle, wie Werbung ihre Wirkung erreicht, beziehungsweise erreichen soll. Solche Modelle der Werbewirkung haben meist vier Funktionen:

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Sie erklären die Entstehung der Werbewirkung. Sie unterscheiden dabei oft verschiedene Ebenen der Werbewirkung und spezifischen Bedingungen, unter denen bestimmte Wirkungen zu erwarten sind.

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Sie erlauben die Ableitung von Gestaltungsempfehlungen. Aus einem bestimmten Werbewirkungsmodell lässt sich ableiten, wie eine Vorlage gestaltet sein sollte, damit der erwünschte Erfolg möglichst

Stimulus-Reaktions-Modelle (S-R-Modelle)

wahrscheinlich ist.

In der Konsumentenpsychologie dominierte über lange Zeit ein Denkmodell, das mit dem Oberbegriff „S-R-Theorien“ bezeichnet wird. Aber was ist das genau? Bei diesen Theorien steht das „S“ für Stimulus und das „R“ für Reaktion oder Response, aber es ist kein Organismus vorhanden, oder eingeplant. Die Grundidee dieser Modelle ist es, dass das Konsumentenverhalten von bestimmten Reizen abhängt, und das man dadurch, in Abhängigkeit vom Reiz, das erwartete Verhalten erklären und sogar vorhersagen kann. Natürlich nur, wenn man verstanden hat, von welchen Reizen es abhängt. Was sich zwischen Stimulus und Reaktion abspielt wurde dabei nicht einbezogen.

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Sie legen fest, welche Testmethoden für die Messung von Werbewirkung angemessen sind. Genügt die Erinnerung an das Produkt als Werbeerfolg oder sind andere Methoden besser geeignet.

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Sie begründen Werbeziele.

Es wird definiert, worauf es in der Werbekommunikation ankommt. Es wird

gesagt, ob zum Beispiel Aufmerksamkeit, Verständnis der Werbebotschaft, Einstellungsänderungen oder andere Ziele erreicht werden müssen, um den Werbeerfolg sicherzustellen.

WERBESTRATEGIEN // Stimulus-Response-Modell

// Die Theorien zur Strategie //

32


II.2 /// Einem Konsumenten wird ein Reiz vorgelegt. Eine bestimmte Reaktion wird erwartet und erhofft. Wenn

33

sie nicht eintritt wird ein

WERBESTRATEGIEN // AIDA

anderer Reiz ausprobiert. ///

Das „Dazwischen“ wurde in die berühmte „Black Box“ verbannt. In dieser dunklen, lichtlosen und undurchschaubaren Kiste spielten sich alle nichtbeobachtbaren psychischen Phänomene ab und sammelten sich. Als Erklärung für ein Verhalten kommen also nur beobachtbare Stimuli in Frage, differentielle Personenunterschiede wie persönliche Einstellungen, Temperament oder Motive wurden nicht berücksichtigt und waren allenfalls in ihrer Auswirkung beobachtbar. Eine Ableitung aus diesem Modell klingt so: Ein bestimmter Stimulus ruft immer ein bestimmtes Kaufverhalten hervor. Kommt es nicht zum Kauf, trotz Werbung, war der Stimulus falsch und man muss nun so lange am Stimulus, beziehungsweise an der Werbung, Veränderungen vornehmen, bis endlich der erhoffte Kauf eintritt. Wegen ihrer Festlegung auf das beobachtbare Verhaltensmuster, nennt man die S-R-Theorien auch „behavioristisch“. Sogenannte „neobehavioristische“ Ansätze haben ihre Scheu vor der Black Box zum Teil verloren und deren Deckel aufgemacht. Bei diesen Ansätzen wird der Black Box zugestanden, dass sie auf gleiche Stimuli eben nicht immer gleich reagieren muss. In der Box wirken viele verschiedene, intervenierende Variablen, die ihrerseits erst bestimmen, wie ein Stimulus wirkt. Nicht der Stimulus selbst hat das Sagen. In diesen Modellen wurde die Black Box auch umgetauft. In den „Organismus“. Es passiert ja schließlich etwas in ihr und ist durch den geöffneten Deckel immerhin erforschbar. Heute gilt es als unpraktisch, in Begriffen der S-R-Theorien zu denken. Es lassen sich nur sehr eingeschränkte praktische Ableitungen aus diesen Modellen ziehen. In der traditionellen S-RForm hat man eigentlich nur die Möglichkeit des „trial and error“. Den Stimuli verändern bis es passt [20]. Aber in einem haben diese Modelle gar nicht so unrecht. Auf viele Stimuli reagieren wir fast schon mechanisch, gerade die unterbewussten und automatischen Prozesse in unserem Verhalten kann man leider nicht als veraltet abtun, denn sie sind nach der neuesten Hirnforschung aktueller als zuvor.

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A = Attention: Die Reaktion beginnt mit der Aufmerksamkeit, es gilt also, dafür zu sorgen, dass die Botschaft genügend Beachtung findet, um im reißenden Strom der Werbung überhaupt Beachtung zu finden.

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I = Interest: Wenn es zu einer aufmerksamen Reaktion kommt, kann sich Interesse entwickeln.

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D = Desire: auf der Basis des Interesses, eventuell durch Verknüpfung mit etwas positiven, wiederum muss sich ein Wunsch nach dem Produkt entwickeln, ein Bedürfnis.

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A = Action: Die Kosumhandlung wird vollzogen. Das beworbene Produkt wird gekauft.

Aida

Diese intervenierende Variablen, die sich in älteren Modellen in der Black Box verbarrikadiert haben, werden zum Beispiel in Stufen-, oder auch hierarchischen, Modellen der Werbewirkung beschrieben. Diese Modelle stellen eine Werbewirkung als das „geordnete“ Durchlaufen verschiedener Wirkungsstufen und „Ebenen“ dar. Eine erfolgreiche Wirkung auf der untersten Ebene ist dabei natürlich Voraussetzung für das Erreichen des nächsten Levels. Also, wie bekommt man nun die zu vermittelnde Botschaft in den Kopf des Verbrauchers, damit dieser auf die nächst höhere Stufe des Kaufprozesses kommt? Eines der bekanntesten Patentrezepte, beziehungsweise hierarchische Modellvorstellung zur Werbewirkung der letzten Jahrzehnte, um diese Aufgabenstellung zu lösen lautet: AIDA oder auch AIDA-Modell. Darin wird dem Rezipienten eine bestimmte Sequenz von Reaktionen und Verhaltensweisen unterstellt, die auf Werbung erfolgen sollte. Die Übereinstimmung mit dem Titel der hochdrama-

tischen Oper von Verdi ist dabei beabsichtigt, dabei stehen die Buchstaben für die einzelnen Elemente dieser Sequenz (siehe oben). Unklar bei diesem Modell ist, ob es sich um ein deskriptives oder präskriptives Modell handelt. Oder in anderen Worten. Wird mit AIDA beschrieben, wie Werbung wirkt, oder wie sie wirken soll? Unter dem Blickwinkel des „Präskriptiven“ ließe sich ableiten, dass ein Werbebeitrag mit dem Wecken von Aufmerksamkeit beginnen und mit einem Hinweis auf die Handlungsmöglichkeiten, zum Beispiel dem Erwerb des Beworbenen, enden sollte. Dazwischen hätte das Wecken von Interesse und Wunsch stattzufinden, etwa durch einen Appell an allgemeine Motive. Hier gibt es durchaus eine Reihe von denkbaren Situationen, in denen das Modell passen würde. Versteht man das AIDA-Modell jedoch deskriptiv, muss man leider feststellen, dass darin sehr viel behauptet und weniger belegt wird [21].


II.2

34 WERBESTRATEGIEN // AIDA

Habe ich Ihr Interesse geweckt?


II.2

35

WERBESTRATEGIEN //


II.2

36 WERBESTRATEGIEN //

Wie wird etwas attraktiv?


II.3

37 WERBESTRATEGIEN // Exkurs: Effekthierarchien

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Exkurs: (Nach-und-vor-Kauf-) Effekthierarchien Die folgenden Modelle, als kleiner Exkurs, werden zeigen, dass die unterstellte Grundvoraussetzung von Werbewirkung im AIDA-Modell, nämlich die Aufmerksamkeit, bei uns Menschen nur selten erfüllt ist. Es gibt aber eine Reihe von Wirkmechanismen und Reaktionen, die auch ohne eine aufmerksame Rezeption von Informationen ablaufen können, denn sie sind nicht darauf angewiesen. Zusätzlich unterstellt AIDA, dass Werbung immer auf eine ähnliche Weise wirkt, was eigentlich unrealistisch ist, aber es ist möglich, Regeln und immer wiederkehrende Muster der Werbewirkung zu unterscheiden. Auch der Gedanke von einer hierarchischen Wirkung auf einzelne Stufen muss nicht unbedingt aufgegeben werden. Drei verschiedene Hierarchie-von-EffektenModelle, bei Aufmerkdamkeit und Kaufverhalten, kann man unterscheiden. Alle gehen von einer bestimmten Effektabfolge aus, unterscheiden sich aber in Reihenfolge und damit auch in den entscheidenden Wirkungsmechanismen [22].


II.3

38 WERBESTRATEGIEN // Exkurs: Effekthierarchien

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Die vermutlich einfachste dieser Hierarchien ist die Lernhierarchie: Der Rezipient erhält Informationen über das Produkt, er gewinnt daraufhin eine gewisse Einstellung oder Gefühlshaltung über das Produkt, sei es positiv oder negativer Natur, und als Folge davon verhält er sich entsprechend. Nach diesem Modell resultiert das Verhalten aus Gefühlen und Einstellungen.

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Die zweite Hierarchieform dreht die oben genannte Richtung um. In der DissonanzAttributions-Hierarchie kommt zuerst das Verhalten, zum Beispiel der Kauf, danach die Einstellungsänderung. Da man das eigene Verhalten als dissonant, also nicht passend, zu den eigenen Einstellungen erlebt hat, korrigiert man diese, beziehungsweise rechtfertigt diese unvernünftige Handlung und untermauert sie meist mit überhöhten, positiven Resonanzen und wertet so das vorige Verhalten auf. Um diese Dissonanz noch weiter auszubauen ist es nicht unüblich, dass dieses unvernünftige Verhalten wiederholt wird und so ein Lerneffekt entsteht. Denn das nur im Nachhinein erklärbare Verhalten war doch so positiv.

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Eine dritte Hierarchie gilt, wenn Konsumenten nur mit einem geringen Interesse, einem geringen Involvement, an die vor ihnen liegende Entscheidung herantreten. Zunächst einmal lernt der Konsument durch ständige Wiederholungen die Werbung. Mangels Engagement ergibt sich das Kaufverhalten direkt aus dem Lernen. Die ständigen Wiederholungen der Werbung sind wichtig, da das Involvement wirklich nicht sehr hoch ist. Dieses Kaufverhalten muss nicht in einer Verhaltensänderung für die Zukunft führen und damit auch nicht zu einer Einstellungsänderung. Sollte es aber zu einer kommen, dann tritt an dieser Stelle wieder die Dissonanzhierarchie in Kraft und das Kaufverhalten wird durch nachträgliche positive Überhöhung gerechtfertigt.

Entscheidend bei diesen Modellen ist es, ob der Rezipient involviert ist oder nicht. Werbung wirkt auf verschiedene Aspekte unsere Verhaltens, eine wesentliche Unterscheidung besteht zwischen überlegten und kontrollierten Verhaltensweisen und automatisierten und reflexartigen Verhaltensweisen. Kaufverhalten besteht aus Beidem, in unterschiedlicher Ausprägung, und für verschiedene Vorgänge dieser psychologischen Ausprägungen gibt es unterschiedlich sinnvolle Werbetechniken und -strategien, die von verschiedenen Modellen beschrieben werden.


II.4

39 WERBESTRATEGIEN // Konzepte und Begriffe zur Werbegestaltung

Die „Unique Selling Proposition“ und der Zusatznutzen.

// Das Konzept ist alles // G

enauso wie es verschiedene Strategien und Modelle zur Werbewirkung gibt, gibt es natürlich auch weit verbreitete Formeln, die die Gestaltung, nicht das Aussehen, sondern eher einen grundlegenden Aufbau von Werbung beschreiben.

Die USP-Formel

Ein besonderes Merkmal im „Gerüst“ von Werbebeiträgen ist die sogenannte „Unique Selling Proposition“(das Alleinstellungsmerkmal), auch kurz die USP-Formel genannt. Nach dieser Strategie geht es darum, ein einziges Argument herauszustellen, dass dieses Produkt so macht wie es ist. Unersetzlich, einzigartig und kaufenswert. Natürlich ist es günstig eine Eigenschaft besonders hervorzuheben, die das Produkt von anderen unterscheidet. „Schmilzt im Mund, nicht in der Hand“, ist ein gutes Beispiel, was es sein kann, dieses einzigartige Unterscheidungsmerkmal. Wenn kein Merkmal aufzufinden ist, dass nur dieses Produkt aufzuweisen hat, dann ist der zweitbeste Weg natürlich, etwas hervorzuheben, was es besser

kann als andere. Oder, als dritte Möglichkeit diese Formel umzusetzen, ist es etwas zu finden, was bei einem Produkt noch unentdeckt, beziehungsweise noch nicht „an die Öffentlichkeit“ getragen wurde. Zum Beispiel ist das Bier von dieser Firma besonders toll, da jede einzelne Flasche durch ein spezielles Verfahren, wir nennen es einmal Dampf, vor dem Abfüllen keimfrei gemacht wird. Nicht, dass es andere Brauereien nicht auch so machen würden, aber es wurde noch nicht kommuniziert. Aber die Absicht der USP-Strategie ist es nicht allein, nur einen einzigen Aspekt des zu bewerbenden Produkts in den Vordergrund zu stellen. Das höhere, zu erreichende Ziel ist es, ein Produkt eingängig zu machen, die Werbebot-


II.4

40 WERBESTRATEGIEN // Die USP-Formel

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Die Fähigkeit zur „Unique Selling Proposition“-Strategie wird in der Werbebranche als eine Stärke gewertet: „Wichtige Voraussetzung für schnelles Verständnis ist die Beschränkung auf eine zentrale Information. […] Es gibt kaum eine Kommunikationsregel, über die so große Einigkeit herrscht. Es gibt aber auch kaum eine Kommunikationsregel, gegen die so oft verstoßen wird. Warum? Man unterliegt immer wieder dem Denkfehler: Viel hilft viel. Zweifellos […] erscheint es sicherer, vier oder fünf Argumente anzuführen als ein einziges. Klare Entscheidungen zu treffen ist nicht jedermanns Stärke. Statt dessen betreibt man Werbung „mit Netz und doppeltem Boden“ [23].

schaft einfacher, klarer, prägnanter, somit eingängiger und damit auch „schneller“ erinnerbar zu gestalten. In Ausnahmefällen können natürlich auch mehrere Merkmale des Produkts als USP eingesetzt werden. Aber in diesem Fall ist jedoch zu beachten, dass es natürlich günstiger ist, wenn die Merkmale aufeinander verweisen, oder sich gegenseitig bedingen. Zumindest sollten sie hoch verträglich sind. Mit Gegensatzpaaren ist es in diesem Fall schwer zu überzeugen [24].


II.4

41

WERBESTRATEGIEN // Der Zusatznutzen

Besonders flauschig.


II.4

42 WERBESTRATEGIEN // Der Zusatznutzen

Wir können mehr

Viele der Konsumenten erwarten von einem Produkt eine Verbesserung ihrer aktuellen Lage oder einen erheblichen Beitrag zu ihrem Lebensstil. Dieser „Zusatznutzen“ eines Produkts, zum Beispiel das Prestige, das mit dem Produkt einhergeht oder sein spezielles Design, kann in der Werbung natürlich auch hervorgehoben werden. Wobei der eigentliche Nutzen des Produkts damit natürlich dezentralisiert wird. In den meisten Fällen ist die Marke an sich der Träger dieses Zusatznutzens. Produkte und deren Werbung werden aber zunehmend unattraktiv für den Konsumenten, wenn sie nicht einen zusätzlichen „Erlebniswert“ bieten. Ein kleines Beispiel: Gehen Sie lieber in ein Schwimmbad oder in ein Erlebnisbad? Das Erlebnisbad verspricht allein schon durch seine Namensgebung einen erheblichen Mehrwert des Ausflugs. Diese „Zusatznutzenpolitik“ wird zunehmend wichtiger, umso weniger sich der eigentliche Ge-

brauchswert eines Produkts von anderen unterscheidet. Beispiel Zigaretten. Der eigentliche Gebrauchswert ist klar umrissen, dennoch präferieren Konsumenten meist eine bestimmte Marke. Der Zusatznutzen ist dabei entscheidend. Sei es die Marke, das Image oder das Gefühl von immer gegenwärtiger Freiheit (Liberté toujours) beim Rauchen einer Gauloises. Der Einfluss dieses Zusatznutzens oder allein der Marke ist nicht zu unterschätzen. Das sieht man auch im sogenannten „Pepsi-Experiment“. Bei einer Blindverköstigung der beiden bekannten und konkurrierenden Koffeingetränke, bevorzugten die Versuchspersonen eindeutig Pepsi. Als aber die Marke genannt wurde, schwenkte die Bevorzugung eindeutig auf Cola um. Warum? Die neuronalen Erregungsmuster der Probanden unterschieden sich eindeutig bei purem Genuss des Getränks und beim wissentlichen „Markengenuss“. Beim Trinken von Cola war die von der Marke erzeugte Erlebniswelt des Getränks mit dabei und somit war wurde das Produkt anders „erlebt“ [25].


II.4

43 WERBESTRATEGIEN // Mental-Design

In deinem Kopf

Kommen wir nun auf ein anderes Schlagwort der Werbetechnik. Das „Mental Design“. Es hat eben diese Absicht, die es schon vermuten lässt. Mental Design hat die Absicht ein Produkt nicht nur physisch, sondern auch mental, im Kopf des Konsumenten zu gestalten. Somit bekommt das Produkt, ohne eine physische Veränderung des Produkts, eine andere Qualität, eine Erweiterung, einen mentalen Zusatznutzen. Die Mittel des Mental Design decken sich mit den Mitteln, mit denen man eine Markenidentität kreiert. Entsprechend wird das Mental Design auch als ein „Instrument zur Feinsteuerung des Markenimages“ genannt [26]. Doch auch bei dieser „Feinsteuerung“ ist es so wie bei allen anderen Markenimages, werden sie nicht gepflegt kann jedes Markenprodukt leicht wieder als austauschbar erlebt werden [27].

Doch wie kreiert man eigentlich „Markenidentität“. Der erste Schritt ist natürlich die physische Gestaltung, damit kann man die ersten Assoziationen und Gedanken des Konsumenten steuern. Ein weiterer Schritt ist, zum Beispiel, die Personalisierung. Das Produkt bekommt einen Namen. Trägst du eine Uhr oder hast du eine Swatch? Besser ist es natürlich für das Produkt und das Markenimage, wenn weitere „menschliche“ Merkmale hinzukommen, sofern es sich von der Logik her anbietet. Es macht wohl keinen Sinn der Swatch eine Laktoseintoleranz anzuhängen. Obwohl, damit können sich bestimmt viele Menschen identifizieren. Zusatznutzen.


II.4

44 WERBESTRATEGIEN // Mental-Design

Vom Markennamen zum Gattungsbegriff.


II.4

45 WERBESTRATEGIEN // Techniken der Fernsehwerbung

Technik ist Alles

Im ersten Kapitel wird definiert, was alles Werbung sein kann und welche namentliche Unterscheidungen es für die verschiedensten Formen gibt. Wir haben also Geschlecht, einen Körper und nun brauchen wir eine Garderobe. Da Werbung gefühlt eher weiblich ist braucht sie natürlich nicht nur ein Kleid. Sie hat mindestens neun verschiedene „Grundtechniken“ unter denen sie wählen kann, um sich einzukleiden [28].

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Slice of life: Bei dieser Technik sieht man Menschen in ihrer natürlichen Umgebung, dem Alltag, die das Produkt verwenden, zum Beispiel die Rama-Familie beim Frühstück.

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Lifestyle: Sie haben einen bestimmten Lebensstil? Dann ist dieses Produkt genau das richtige für sie, es passt in ihr Leben, wie die Faust aufs Auge. Solche Produkte sind zum Beispiel DuDarfst Produkte, Raffaello oder auch Yogurette. In dieser Spalte sind in den Tagen der Figurbewusstheit sehr viel Light Produkte vertreten.

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Traumwelt: Kennen sie noch die Punica-Oase. Nein? Im Grunde ist sie eine irreale Szenerie, die um das Produkt aufgebaut wurde. Man wird direkt in diese Traumwelt entführt.

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Stimmungs- oder Gefühlsbilder: Pferde, Staub und ein Lasso. Na? Genau Marlboro. Es ist das bekannteste Beispiel für diese Technik. Es werden nur sehr stimmungsvolle Bilder gezeigt, ohne dass irgendeine Aussage zum Produkt an sich getroffen wird.

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Musical: In solchen Spots dominiert, wie der Name schon sagt, die Musik. Man hat die Wahl zwischen Musik mit Gesang, oder die Melodie für sich sprechen zu lassen. Merci, dass es dich gibt.

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Persönlichkeit als Symbolfigur: Um das Produkt ist eine zentrale Persönlichkeit entstanden. Diese Persönlichkeiten können real oder künstlicher Natur sein. Putzen Sie noch mit normalen Bodenreiniger? Oder schon mit „Meister Proper“.


II.4

46 WERBESTRATEGIEN // Techniken der Fernsehwerbung

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Technische Kompetenz: Im Mittelpunkt steht die Behauptung, in der Produktkategorie konkurrenzlos gut zu sein. Die technische Kompetenz wird oft aus Argumenten abgeleitet. Sehr häufig sind aber Argumente gar nicht nötig. Meist reicht die schamlose Überzeugung von der eigenen Überlegenheit. With Canon you can.

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Wissenschaftlicher Nachweis: „Neues aus der blend-a-med Forschung“. Man weist auf wissenschaftliche Erkenntnisse hin, die eine Überlegenheit des eigenen Produkts begründen. Dabei muss man die gewonnene Erkenntnis nicht einmal vorführen, sondern es genügt auch nur der entsprechende Kontext, zum Beispiel ein weißer Kittel.

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Testimonial-Werbung: Glaubwürdige Personen sprechen sich überzeugt für das zu bewerbende Produkt aus. Dabei gibt es unterschiedliche Kategorien von werbenden Personen. Berühmte Persönlichkeiten, wie Schauspieler oder auch populäre Sportler, entsprechen der Kategorie der Star-Testimonials. Eine andere Sparte sind die Experten-Testimonials, wie der Koch im Maggi-Kochstudio oder Dr.Best. Menschen, die schon von Berufswegen eine Kompetenz in der beworbenen Produktsparte haben. Aber als besonders effektiv scheint sich die dritte Art der Testimonial-Werbung zu erweisen. Die Laien-Testimonials. Ein Mensch wie du und ich, der typische Verbraucher dieses Produkts, ein Mensch mit dem man sich identifizieren kann.


III. Information overload


III

48 INFORMATION OVERLOAD //

Information Overload, low involvement und der Kampf um unsere Sinne.

// unsere Sinne in Bedrängnis // D

er Kampf um die „Aufmerksamkeit“ der Kunden gilt heute als zentrales Problem und die größte Herausforderung im Marketing und der Werbung des 21. Jahrhunderts [29]. Tatsächlich ist dies ein eher historischer Kampf, denn dieser ist gefühlt so alt, wie die „Werbung“ selbst. Durch die Jagd nach magischen, und meist imaginären Größenordnungen für Werbetreibende, wie „Reichweite“, „Kundenkontakthäufigkeit“ und „Zielgruppenaffinität“ sind alle möglichen und potenzielle Kontaktpunkte, an denen ein Verbraucher Werbung begegnen könnte, ausgebucht. Werbung hat sich längst in das moderne Stadtbild integriert, es gibt kaum einen Ort, an dem unsere Sinne, vornehmlichst das Hören und das Sehen, mit Werbung konfrontiert werden. Es wird geworben, dass einem buchstäblich Hören und Sehen vergeht. Das bedeutet, dass unsere zwei wichtigsten Sinne sich in einem permanenten Belagerungszustand befinden, mittlerweile ist sogar ein Punkt erreicht, an dem viele Experten die gegenwärtig praktizierende Werbung als eher kontraproduktiv betrachten. Es ist die Rede vom „information overflow“. Erklärt wird diese Situation ähnlich wie ein „memory overflow“ eines Computers.

Unser Speicher ist voll, wir können und wollen auch nichts mehr aufnehmen. Wir blenden die überflüssigen und nicht „gewollten“ Einflüsse und Informationen aus. Meinen wir. Das Phänomen des „information overload“ sollen ein paar Zahlen verdeutlichen. Alleine in Deutschland werden über 50.000 Marken aktiv beworben. Der Supermarkt „um die Ecke“ führt, in Deutschland, im Durchschnitt 10.000 verschiedene Artikel. Jedes Jahr kommen 26.000 neue Produkte auf den Markt, allein auf der Frankfurter Buchmesse werden jährlich 75.000 neue Bücher vorgestellt. Neben 500 Millionen Websites, die alle besurft werden wollen, gibt es auch noch über 3.000 Pro-Kopf-Werbebotschaften durch jährlich 350.000 Print-Anzeigen, 2 Millionen Werbespots, die Mailings, Plakate, Online-Banner und Events, die allesamt um unsere Gunst buhlen.


III.1

49 INFORMATION OVERLOAD // Betrachtungszeiten

Da unser Gehirn stets nach Effizienz strebt gibt es natürlich eine entsprechend hohe Zahl an dererlei „Angriffen“ auf unsere Sinne. Desto kleiner wird die einzelne Betrachtungsdauer. Laut aktuellen Studien werden Anzeigen in Zeitschriften 1,7 Sekunden Aufmerksamkeit gegönnt. Anzeigen in Fachzeitschriften genießen da schon mehr Zeit für sich, genauer gesagt 3,2 Sekunden. Ein Plakat, egal welcher Größe, schafft es auf 1,5 Sekunden und ein Werbebanner gerade mal auf 1 Sekunde Betrachtungsdauer.

Wie lange schaust du hin

Diese Situation der „permanenten“ Reizüberflutung lässt in Werberkreisen verschiedene Schlussfolgerungen zu. Von „die Konsumenten sind überfordert“ über „Konsumenten interessieren sich nicht für Werbung“ bis hin zu „Werbung wirkt nicht“ ist alles vertreten. Diese ganzen Sichtweisen werden unter einer Art Überbegriff des „geringen Involvements“ (low involvement) gesammelt. Mit Involvement ist die Bereitschaft gemeint, sich mit einem Thema bewusst zu befassen. Die Forscher gehen davon aus, dass 95 Prozent aller Werbemittelkontakte heute Low-InvolvementKontakte sind. Denn, ob wir wollen oder nicht, unser Gehirn registriert unterbewusst alle einprasselnden Eindrücke, wir bekommen nur die gefilterte Version der Außenwelt bewusst mit.


III.1

50

INFORMATION OVERLOAD // Betrachtungszeiten

1 Sekunde bis ah

<< von da

Banner


III.1

51 INFORMATION OVERLOAD // Betrachtungszeiten

Anzeige in Fachzeitschrift

von da

<<

bis ah

3,2 Sekunden


III.1

52 INFORMATION OVERLOAD // Betrachtungszeiten

Anzeige in Zeitschrift

Plakat

von da

von da

<< bis ah

1,7 Sekunden

<<

bis ah

1,5 Sekunden


III.2

53 INFORMATION OVERLOAD // Verarbeitung

Ein Thema, verschiedene Meinungen

Die immer stärker werdende Informationsflut führt dazu, dass einzelne Informationsangebote eine immer kleinere Chancen haben, wahrgenommen zu werden. Auch das Internet hat zu dieser exponentiellen Zunahme von verfügbaren Informationen geführt. Glaubt man Statistiken, so werden jährlich etwa 2 Exabyte, das sind etwa 2.000.000.000 Gigabyte, (etwa 250 Megabyte pro Erdenbürger) an Informationen produziert. Diese Informationsüberflutung hat zur Konsequenz, dass der Marktwert einzelner Informationen extrem sinkt. Zudem können „Entscheider“ durch diese riesige, kurzlebige Flut nicht mehr alle Informationen nutzen, die zur Lösung eines Problems relevant wären.

»

„In Zeiten des Information Overflow wird deshalb versucht, mit weniger Informationen mehr Botschaften zu übermitteln. In der Werbung hat dies mittlerweile zur sogenannten „Visuellen Provokation“ geführt, die darauf abzielt, die Aufmerksamkeit der User durch extreme Differenzbildung anzuziehen.“ [30]


III.2

54

Zu viel. Zu viel?

INFORMATION OVERLOAD // Verarbeitung

Ahhhhhhhhhhh!


III.2

55 INFORMATION OVERLOAD // Verarbeitung

Wegsehen, hinsehen. Ich bin verwirrt.


III.2

56 INFORMATION OVERLOAD // Verarbeitung

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„Die Informationsüberlastung durch gedruckte Werbung beträgt [...] mehr als 95 Prozent. Es ist damit zu rechnen, dass Werbung in elektronischen Medien noch mehr Informationsüberlastung verursacht. Das bedeutet: Höchstens 5 Prozent der angebotenen Werbeinformationen erreicht ihre Empfänger: Der Rest landet auf dem Müll“ [31] Mit Sicherheit sind unsere Möglichkeiten zur Informationsverarbeitung durch die schiere Menge an puren Reizen überfordert. Zu einer bewussten Verarbeitung kann es daher nur in Ausschnitten kommen. Wir werden allerdings noch sehen, ob tatsächlich alles, was wir nicht bewusst aufnehmen, auch wirkungslos bleibt. [32]


che nli en Sin it rhe Wa h

IV. Sinne


IV

58 UNSERE SINNE //

Unsere Umwelt auf allen Kanälen.

// Die Welt im Kopf // W

ie kommt die Welt in unseren Kopf? Natürlicherweise über unsere Sinne. Mit ihnen nehmen wir unsere Außenwelt war, sie sind Fenster zu dem, was wir von außen sehen, sie sind wie Sensoren, niemals ganz ausgeschaltet, auch wenn wir das gerne einmal tun würden. Wir wissen von der Existenz eines Gegenstands nur deshalb, weil wir ihn entweder sehen, hören, schmecken, riechen oder fühlen können. Damit beweisen wir uns selbst, dass er da ist, ohne Sinnesorgane hätten wir keine Vorstellung von anderen Menschen oder unserer Umwelt [33]. Unsere Sinne scannen ständig unsere Umwelt und lassen uns darauf reagieren, ohne, dass wir bewusst etwas tun würden. Wir vertrauen Ihnen blind und fallen dadurch auch häufiger auf Sinnesreize herein, die „bewusst“ an uns herangetragen werden. Denn unsere Sinne sind nicht unfehlbar, leider. Um definitiv unfehlbar unsere Umwelt wahrzunehmen, bräuchte jeder unserer Sinne, neben seinem einzigartigen Talent noch ein weiteres. Das Talent eines Lügendetektors, um herauszufiltern, ob und wenn ja, welche Absicht hinter

jedem Sinneseindruck steckt. Natürlich kann dies kein Sinn leisten, wir als Person sollen ja auch etwas zu tun haben, und genau aus diesem Grund, sind wir leider nicht vor sinnlichen Täuschungen gefeit. Hat die Werbung einen speziellen Lieblingssinn? Natürlich verspricht sie uns allgemeine Sinnesfreuden, natürlich nur in Verbindung mit „Ihrem“ Produkt, aber sie transportiert ihre Werbewirkung nicht auf allen Sinneskanälen an uns heran. Meist hat sich die Werbung auf unsere wichtigsten Sinne für die Kommunikation spezialisiert. Denn Werbung möchte kommunizieren und am besten geht das durch die Sinne Sehen und Hören.

/// Wer oder was bist du, lass‘ dich ansehen. Bist du „echt“? Oder nur in meinem Kopf? ///


IV.1

59 UNSERE SINNE // Unsere Sinne und die Werbung /// Unser Gehirn ist auf soziale Kommunikation spezialisiert. Wir teilen uns durch Laute, Symbole und/oder Zeichen mit. ///

Sie können nur Sehen und Hören...

Natürlich hat es einen Grund, warum die Werbung im Bereich der modernen Massenmedien meist nur die Sinne Sehen und Hören bedient. Den Geschmack einer Praline, das Gefühl des flauschigen Pullovers auf der Haut oder der Duft frischer Kräuter ist auf dem direkten Weg, durch

die Mattscheibe, dem Verbraucher kaum nahezulegen. Das funktioniert meist nur über Umwege, und dieser Umweg führt über uns, unsere Sinne und unser Gehirn. Werbung kann versuchen zu beschreiben, wie der flauschige Pullover sich anfühlt, wie das Produkt auf unsere anderen Sinne wirken würde. Das funktioniert jedoch meist nur unvollkommen, denn eine „Übertragung“ von einem auf den anderen Reiz löst meist weniger deutliche Empfindungen aus, als adäquate Reize die einem Sinn „frisch“ geboten werden [34],


IV.2

60 UNSERE SINNE // Sinnesstrategien in der Werbung

...aber man arbeitet daran.

Trotz „technischen Behinderungen“ steht immer die Frage im Raum, auf welche Weise eine Werbung alle unsere Sinne ansprechen könnte. Und dies nicht nur auf der Mattscheibe, sondern in allen Medien und auf allen Kanälen. Wie eine Botschaft vermitteln, damit der Rezipient auf die gewünschte Weise reagiert? Verkürzt und vor allem sehr flapsig dahergesagt, gäbe es etwa drei allgemeine Strategien um unsere Sinne anzusprechen.

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Die Sinne austricksen. Die „Anfälligkeit“ unserer Sinne für Wahrnehmungstäuschungen kommt dieser Strategie entgegen.

»

Nach Mitteln und Wegen zu suchen, um das Unterbewusstsein des Verbrauchers zu erreichen.

»

Als dritte Möglichkeit bleibt noch, die Sinnesreize so zu gestalten, dass sie „Emotionen“ auslösen [35].

Jede, der drei Möglichkeiten hört sich entweder sehr gewieft oder sehr einfältig an, je nach dem von welchem Standpunkt man sie betrachtet. Aber eins sei verraten, man arbeitet an der Verwirklichung und es gibt schon mehr Umsetzungen dieser Ziele, als man glaubt.


IV.3

61 UNSERE SINNE // Allgemeine Reizverarbeitung

Die gute, unbewusste Reizverarbeitung

/// Beim Prozess der Wahrnehmung werden Reize der Außenwelt in Sinnesempfindungen übersetzt. Es sind aber nicht alle, physikalisch messbaren Reize der Außenwelt, für uns wahrnehmbar. Zum Beispiel sind einige Reize zu schwach, um wahrgenommen zu werden. Sie liegen unterhalb der Empfindungsschwelle [36]. ///

Aber wie werden die gemachten Sinneseindrücke verarbeitet? Einfach gesagt nehmen wir die meisten Eindrücke und Anreize gar nicht „bewusst“ war. Rein rechnerisch können wir gar nicht anders, als in der überwiegenden Zahl der Fälle unbewusst zu reagieren. Denn unsere Sinne empfangen im wachen Zustand Informationen in einem Umfang, der sich auf über 11 Millionen Bits pro Sekunde berechnen lässt. Den überwiegenden Teil, dieser ständigen Informationsflut, nehmen die Augen wahr. Sie könnten sich, vor einem Teil davon, einfach verschließen, aber dies wäre sehr risikoreich und unfallanfällig. Unsere Sinne müssen daher mit einem sehr großen Reizangebot fertig werden. Betrachtet man nun, welche Menge an allein sensorischen Informationen unser Gehirn bewusst verarbeiten kann, kommt man auf einen anderen Wert als die reine, auf uns einprasselnde Informationsflut. Nämlich nur etwa 40 Bits pro Sekunde im Gegensatz zu den erwähnten 11 Millionen Bits an reinen Informationen. Der größte Teil der sensorischen Verarbeitung findet also unbewusst statt. Dabei geht es nicht um die Unterdrückung von Reizen, da dies sehr gefährlich wäre, sondern um eine gezielte Bewertung von Eindrücken, die mit sehr hoher Geschwindigkeit abläuft. Die „Verarbeitungszeiten“, welche bei der Bearbeitung von Sinnesreizen vergehen, lassen sich in Untersuchungen mit einem EEG bestimmen. So benötigt das Auge etwa 150 Millisekunden, um zu erkennen, ob auf einem Foto ein Tier abgebildet ist, oder etwas anderes. Werden die rund 35 Millisekunden berücksichtigt, die die Nervenimpulse benötigen, um von der Netzhaut zu den visuellen Arealen der Großhirnrinde zu gelangen, so verbleiben gut 100 Millisekunden für die reine „Datenverarbeitung“ und die Entscheidung, wenn sie unbewusst geschieht. In verschiedenen Experimenten hat man herausgefunden, welche zusätzliche Zeit notwendig ist, damit ein visueller Reiz im Sehzentrum bewusst wahrgenommen wird. Es wurden Werte von 100 Millisekunden und darüber gemessen. Ins-

gesamt benötigt die bewusste Wahrnehmung und Entschlüsselung visueller Reize demnach mindestens eine Viertelsekunde, in der Regel aber mehr – bis zu einer ganzen Sekunde. Erst dann hat eine „bewusste“ Entscheidung zu einem Ergebnis geführt. Aus diesem Rechenbeispiel kann man eines herausziehen, die „unbewusste“ Wahrnehmung bedeutet eine erhebliche Zeitersparnis. Dies heißt jedoch nicht, dass hierbei Sinnesreize einfach ignoriert werden. Sie werden sehr wohl wahrgenommen und bewertet. Doch wenn sie zur Bewältigung der aktuellen Situation nicht wichtig sind, kann es passieren, dass sie zunächst einmal beiseite gelegt werden. Sie können dann in Vergessenheit geraten, müssen es aber nicht [37].

Psychophysik in der Werbung

Aber was meint „wahrnehmen“ eigentlich, wie, und vor allem was nehmen wir denn bewusst und was unbewusst wahr. Bis wir etwas wahrnehmen, also bis man sagen kann: „Ich höre ... das und jenes“, muss der Körper, mit seinen Sinneszellen körperfremde, physikalische Reize in körpereigene, physiologische Energie umgewandelt haben. Aus dieser, physiologischen, Energie müssen psychologisch gehaltvolle Größen, also Empfindungen werden.

/// Die meisten Menschen können mit dem Begriff, „unterschwellige Werbung“ etwas anfangen. Laut verschiedenen Umfragen in den USA glauben 74 bis 81 Prozent, dass die Werbung mindestens „manchmal“ unterschwellige Botschaften aussendet, und zwischen 68 und 72 Prozent glauben, dass die Werbung damit auch Erfolg hat [38]. ///


IV.4

62

zes, ab wann er also von Personen wahrgenommen wird, nennt man absolute Reiz

/// Die Unterschiedsschwelle

/// Die Psychophysik

– oder Empfindungsschwelle.

ist um so höher, je höher

beschäftigt sich damit,

Um Reize richtig einordnen

die Reizintensität ist. Dieses

wie physikalische Reize

zu können, braucht man noch

Prinzip nennt man nach

zu unseren Empfindungen

eine andere „Konstante“. Die

seinem Entdecker „Weber-

in Beziehung stehen. ///

Unterschiedsschwelle. ///

sches Gesetz“ [39]. ///

Nach Erkenntnissen der Psychophysik hat der Wahrnehmungsprozess drei Komponenten:

»

eine physikalische: zum Beispiel Wellenlänge des Lichts, Schallintensität, Frequenz einer Schwingung,

»

eine physiologische: bestimmte Tätigkeiten der Nervenzellen,

»

eine psychologische: zum Beispiel Farbempfindung, Lautstärke oder Höhe eines Tons [40].

Physikalische Reize sind nicht gleich physikalische Reize. Solcherlei Reize können auch zu schwach ausgeprägt sein, als dass wir sie wahrnehmen können. Qualitativ sind sie zwar zur Wahrnehmung geeignet, nur eben quantitativ nicht. Genauer gesagt heißt das, dass nicht alles was physikalisch messbar ist, auch zu einer Empfindung führt. Für manche Reize sind unsere Sinnesorgane qualitativ nicht ausgerüstet, wie zum Beispiel bestimmte Wellenlängen des Lichts (Radio- oder Mikrowellen) oder bestimmte Frequenzen des Schalls (Infra- oder Ultraschall). Warum ist „Psychophysik“ und Begriffe wie

Reizempfindung, Reizstärke und -intensität wichtig für die Konsumentenpsychologie? Der Begriff der absoluten Reizschwelle ist zum Beispiel im Bereich wichtig, wenn es um die Frage der „unterschwelligen Wahrnehmung“ geht. Mit dem Begriff der Reizintensität ist allerdings nicht gemeint, dass für alle Menschen und alle Bedingungen die gleiche Reizstärke gemeint ist. Zusätzlich ist unsere Wahrnehmung auch stark Kontextabhängig, nicht nur die „Reizstärke“ ist ausschlaggebend für die bewusste Wahrnehmung, sondern auch der Bezugspunkt indem der Reiz steht [41].

UNSERE SINNE // Psychophysik in der Werbung

/// Die Intensität eines Rei-


/// Das Sehorgan liegt an der Vorderseite des Kopfes, während der eigentliche Sehprozess im hinteren und seitlichen Großhirnbereich stattfindet. Die von den Stäbchen und Zapfen in der Netzhaut ausgehenden

IV.5

Erregungen fließen entlang der Sehnerven zu deren Kreuzung […]. Dadurch werden rechte und linke Gesichtsfeldhälfte beider Augen miteinander vereinigt. Diese „gemischten“ Erregungen

63

werden über Sehstrang und

UNSERE SINNE // Das Sehen

-strahlung zur Sehrinde im Hinterlappen des Gehirns geleitet und enden schließlich in den optischen Erinnerungsfeldern der Schläfenlappen der Hirnrinde [42]. ///

Der physikalische Aufbau unserer ureigenen fotografischen Kamera.

//Das Fenster zum Kopf // /// Bei uns Menschen ist der Sehsinn der wichtigste Fern- ,und gleichzeitig der leistungsfähigste, Sinn überhaupt. Er liefert mehr Informationen an das Gehirn als alle unseren anderen Sinnessysteme zusammen [43]. ///

D

reiviertel unserer Wahrnehmung „läuft“ über unsere Augen. Die aufgenommenen Reize werden vom Sehnerv direkt in unser Gehirn transportiert. Die, physikalische, Konstruktion des Auges kann man, vereinfacht gesagt, mit einer fotografischen Kamera vergleichen, obwohl dieser Vergleich natürlich nicht ganz korrekt ist, verfolgen wir diesen spielerischen Gedanken einmal weiter. Die Hornhaut, als Vorwölbung des Augapfels und die Linse in der vorderen Augenkammer sammeln und bündeln die Lichtstrahlen. Die vor der Linse liegende Regenbogenhaut mit der Pupille entspricht der Blende und der lichtempfindliche Teil der Netzhaut dem Film. Dabei bekommen die Augenlider die Funktion des Verschlusses zugeteilt. Leider macht es bei uns nicht „klick“ beim Auslösen des Verschlusses [44]. Visuelle Reize gelangen in Form von elektromagnetischen Wellen „in“ das Auge, dessen Empfindlichkeitsbereich umfasst die Wellenlänge von 400 bis 750 Nanometer. Dies ist das Spektrum des „sichtbaren“ Lichts von Blau bis Rot. Im hinteren Bereich des Auges liegen nun die Fotorezeptoren der Netzhaut, in unserem beispielhaften Übertrag, also der Film, die auf das Licht reagieren. Sie wandeln Lichtreize in


A

Augapfel

IV.5 IV

b

Pupille

So haben Sie Werbung noch nie gese hen

64 UNSERE SINNE // Der Unser Aufbau untrügliches unseresAuge Auges

/// Bei einer Kamera stellt man die Schärfe dadurch ein, dass das Objektiv vorwärts oder rückwärts bewegt wird. Das Auge arbeitet wesentlich eleganter, es ändert die Linsenkrümmung; man bezeichnet dies als Akkommodation [45]. ///

Nervenreize um und senden über den Sehnerv Signale zur Sehrinde. Bis zu dreißig verschiedene Areale tragen schließlich zur Entstehung unseres visuellen Eindrucks der Umwelt bei [46]. Die Amygdala analysiert die Szene und ihre einzelnen Elemente emotional. Die „richtige“ und vor allem schnelle Reaktion auf die visuellen Eindrücke kann einem das Leben retten, oder einen, durch falsche Beurteilung, in ein riesiges Fettnäpfchen treten lassen. Unsere leicht abgewandelte Camera Obscura, abstrakt auch Augapfel (bulbus oculi) genannt, liegt im Schutz der Augenhöhle (orbita), eingebettet in einen Fettkörper (corpus adiposum), der dem kugelförmigen Bulbus eine äußerst gleitfähige „Gelenkpfanne“ bietet. Für den reibungslosen und zudem sehr feinen Bewegungsablauf des Augapfels sorgen sechs (Außen-) Muskeln. Da der Sehsinn einer der wichtigsten Fernsinne ist, sorgen gewisse Automatismen für einen weiteren Schutz. Plötzlicher Einfall von zu grellem Licht, Lärm, schnelle Bewegungen vor dem Auge, ja sogar ein kleines Sandkörnchen, das in die Wimpern gerät, lösen einen sofortigen Schluss der Augenlider (palpebrae) aus. Der Reiz eines Fremdkörpers ruft einen Tränenfluss hervor, der als Spülung wirkt. Die Tränen enthalten außerdem einen leicht antibakteriellen Wirkstoff (lysozym).

d

Hornhaut

c

Lederhaut /// Dreiviertel unserer Wahrnehmungen laufen über den Gesichtssinn. Die aufgenommenen Reize werden über den Sehnerv direkt in unser Gehirn transportiert. Wir sind also auf eine sehr gut abgestimmte Zusammenarbeit von Augen und Gehirn angewiesen. ///


Das Licht wird durch Hornhaut und Linse gebrochen und durchläuft den Glaskörper (Corpus vitreum), der sich hinter der Linse befindet und den Hauptteil des Augapfels einnimmt. Nach durchlaufen des Glaskörpers, trifft das Licht auf die innere Augenhaut (Tunica interna bulbi), wo seine Energie in elektrische Nervenimpulse umgewandelt wird. Der lichtempfindliche Teil der Netzhaut (Retina) besteht aus mehreren Schichten, die Photorezeptoren sind es dann schließlich, die die auftreffenden Lichtstrahlen (Photonen genannt) weiter verarbeiten. Aufgrund ihrer charakteristischen Form werden zwei verschiedene Arten von Photorezeptoren unterschieden. Die Zapfen und die Stäbchen. Etwa in der Mitte der Netzhaut liegt der „gelbe Fleck“ (Macula lutea), in seiner Mitte befindet sich die flache Sehgrube (Fovea centralis). Sie ist gefäßfrei und enthält ausschließlich Zapfen. Das ist die Stelle des schärfsten Sehens. Am Rande des Sehteils der Netzhaut befinden sich nur noch Stäbchen, dadurch werden auch die Gegenstände wahrgenommen, die am Rande unsere Sehfeldes liegen, jedoch nur sehr unscharf und nur durch Bewegung auffallend. Um diese Objekte genauer zu sehen, müssen wir genauer hinschauen und eventuell unseren Kopf drehen. An der Stelle, an der der Sehnerv die Netzhaut durchstößt, der sogenannte Discus nervi optici, ist frei von Sinneszellen und damit ein blinder Fleck [47].

Die Wege des Lichts

e Lederhaut

f Tränendrüse

UNSERE SINNE // Der Unser Aufbau untrügliches unseresAuge Auges

g

/// Die Stäbchen sind sehr empfindlich und reagieren schon auf ein einziges Photon. Sie können, insgesamt aber nur, ein hell-dunkel, Abbild der Umwelt erzeugen. ///

Grenzmembran des Glaskörpers

/// Im menschlichen Auge kommen etwa 18 mal soviel Stäbchen wie Zapfen vor. ///

65

/// Der Glaskörper besteht aus einer gallertartigen, klaren Masse [48]. ///

IV.5 IV


/// Die Zapfen sind für Farbund Formsehen verantwortlich, sie benötigen wesentlich mehr Licht als die Stäbchen und arbeiten optimal bei hellem Tageslicht. ///

h Äußerer gerader Augenmuskel

i

Gezackte Randlinie

UNSERE SINNE // Der Unser Aufbau untrügliches unseresAuge Auges

¿ j

Linse

IV.5 IV

66


IV.5

67 UNSERE SINNE // Die Verarbeitung des Bildes

... Einen Moment bitte, ich verarbeite noch. Ahh, jetzt!


IV.5

68 UNSERE SINNE // Die Verarbeitung des Bildes

Die Verarbeitung des empfangenen „Bildes“

Natürlich reicht es nicht, etwas zu sehen, um etwas zu sehen. Damit wir tatsächlich etwas sehen muss unser Gehirn die Nervensignale empfangen, analysieren und sinnvoll umsetzen. Die Sehnerven jedes Auges leiten diese zu den beiden Sehnzentren der Hinterhauptslappen, und obwohl jedes der Sehzentren (Area striata) nur die Hälfte des Gesehenen empfängt, entsteht im Gehirn dennoch ein Gesamtbild. Im Sehzentrum wird zunächst die Form von Gegenständen und ihre räumliche Anordnung zueinander sowie die Helligkeit des Gesehenen erkannt. Verbindungen mit dem benachbarten sekundären Sehzentrum bringen dann höhere Sehleistungen zustande. Die korrekte Identifizierung eines Gegenstandes erfordert die Verarbeitung des Bildes durch Nervenzellen in der Netzhaut und im Gehirn. Die Zeitspanne, bis ein, von der Netzhaut empfangener visueller Eindruck, in den Sehzentren der Großhirnrinde entschlüsselt ist, wurde mittlerweile häufig genug gemessen. Es sind insgesamt rund 150 Millisekunden, davon sind etwa 35 Millisekunden für die Weiterleitung des Nervenimpulses vom Auge zum Hirn. Das Gehirn

lässt sich also nicht viel Zeit, die Wahrnehmungen des Auges zu entschlüsseln. Deshalb können wir immer nur einen kleinen Ausschnitt des überwältigenden visuellen Angebots „richtig sehen“. Um den Überblick nicht zu verlieren, ist das Auge ständig damit beschäftigt, das gesamte Bild nach wichtigen Einzelheiten abzusuchen. Ohne unsere Augen oder auch unseren Kopf zu bewegen haben wir, nicht ganz, einen Halbkreis im Blick. Dieser reicht in der Waagrechten fast bis zu einer gedachten Verlängerung unserer Schultern. Vertikal beträgt das Gesichtsfeld etwa 110 Grad. Wenn man bedenkt, dass je nach Größe des Objekts auch noch in einigen hundert Metern Entfernung etwas wahrgenommen wird, ist es ein ziemlich großer Raum, über den unser Gehirn ständig mit Informationen und Eindrücken versorgt wird, ohne dass wir etwas bewusst fixieren. Die Netzhaut besitzt einen einzigen „Punkt des schärfsten Sehens“, die Fovea centralis. Die Fovea wird gereizt, wenn man einen bestimmten Gegenstand im geraden Blick fixiert. Was sich in diesem Moment am Rande des Blickfelds befindet, kann nur unscharf wahrgenommen werden [49].


IV.5

69 UNSERE SINNE // Die Leistungen unseres Auges

Die Leistungen des Auges

Zu den besonderen Leistungen des Auges zählen das hohe räumliche Auflösungsvermögen, die hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit, also das zeitliche Auflösungsvermögen, und die Anpassungsfähigkeit an verschiedenste Helligkeitssituationen. Dazu kommen das Kontrastsehen, das einem ermöglicht, Gegenstände bei geringen Lichtunterschieden doch noch zu erkennen, und das Farbsehen, mit dem wir auch gleich helle Gegenstände unterscheiden können [50].

/// Die sogenannte Scharfsehzone wird allerdings nur von einem schmalen Kegel von nicht einmal 5 Grad um die Sehachse herum gebildet [51]. ///

Das getäuschte Auge

Trotz dieser erstaunlichen Liste an Leistungen und Besonderheiten, wird unser Auge jedoch auch schnell Opfer von ziemlich vielen Sinnestäuschungen. Das liegt zu einem Teil daran, dass unser Auge zwar „sieht“, aber wir und unser Gehirn gelernt haben, wie wir bestimmte Dinge zu sehen haben, zu einem anderen Teil liegt es auch daran, dass unsere visuelle Wahrnehmung auf einigen grundsätzlichen Täuschungen basiert. So ist, zum Beispiel, alles was wir sehen, auf unserer Netzhaut auf dem Kopf stehend abgebildet. Natürlich ist das bei allen Lebewesen mit Linsenaugen so, nicht nur bei uns Menschen. Und natürlich hat sich unser Gehirn im Laufe der Evolution daran gewöhnt, die einfallenden visuellen Eindrücke und Reize einfach umzudrehen und zu „korrigieren“. Trotzdem ist es ein wichtiger Punkt, an dem „Sinnestäuschungen“ einhaken können.

Dazu kommt eine weitere Tatsache, denn das Abbild der Welt, das auf unserer Netzhaut entsteht, ist nur zweidimensional. Anders kann man auf einer Fläche nichts wiedergeben. Dennoch nehmen wir die Welt räumlich war, wir können sogar, beim Betrachten einer zweidimensionalen Bildfläche, zum Beispiel eine Mattscheibe oder ein Gemälde, eine Illusion von Dreidimensionalität erzeugen. Aus dem Verlauf der Fluchtlinien und Konturen sowie der Position der Bildelemente zueinander, berechnen wir ihr räumliches Verhältnis. Das haben wir gelernt, und solange es um einen vertrauten Anblick geht, schaffen wir das auch unbewusst [52]. Bei einem M.C. Escher Bild kommen wir aber durcheinander, weil unser Auge die gelernten „Umwandlungsprozesse“ sofort anwendet.


IV.5

70

UNSERE SINNE // Das get채uschte Auge


IV.5

71 UNSERE SINNE // Exkurs: Tiefenwahrnehmung

»

Exkurs: Tiefenwahrnehmung

/// Testen sie das einfach mal und kneifen sie ein Auge zu. Na, alles noch räumlich? ///

Eines der Hauptprobleme bei der Verarbeitung von visuellen Eindrücken besteht darin, dass beim Sehen zunächst die zweidimensionalen Bilder auf unserer Netzhaut in eine räumliche Empfindung übersetzt werden müssen. Räumliche Tiefe entsteht bei zwei verschiedenen Arten von Sehen. Zum einen ist da die komplizierte Methode des beidäugigen Sehens. Unsere beiden Augen nehmen zwei verschiedene Bilder wahr, jeweils um den Abstand der Augen verschoben und durch den unterschiedlichen Lichteinfallswinkel verschieden. Aus diesen beiden Bildern wird im Gehirn ein einziges zusammengesetzt. Das ist ein sehr komplizierter Vorgang, aber er funktioniert. Das räumliche Sehen hängt aber nicht nur vom beidäugigen Sehen ab, auch mit nur einem Auge kann man räumliches begreifen und wahrnehmen. Zwar fehlen zentrale Qualitäten des dreidimensionalen Bildes, aber man nimmt deshalb seine Umwelt noch lange nicht flächig wahr. Was sind aber die Merkmale, die beim einäugigen Sehen noch die Tiefe suggerieren? Diese Merkmale bedingen auch räumliche Wirkung, wenn wir mit beiden Augen auf eine flächige Darstellung blicken. Wir haben das so gelernt, dass diese Merkmale Tiefe bedeuten.


IV.5

72

Wir sehen räumliche Tiefe, wenn Objekte sich gegenseitig überlappen. Wenn Objekt A den Blick auf Objekt B teilweise versperrt, dann sieht man, auch ohne es bewusst zu wollen, eine räumliche Anordnung.

» Da unser Auge mit diesen grundsätzlichen „Fehlern“ des Sehens sehr gut zurecht kommt und gelernt hat fehlende Informationen zu ergänzen und zu vervollkommnen, ist es für das Auge auch kein Problem den blinden Fleck auf unserer Netzhaut auszugleichen. Denn unsere Sehzellen bilden uns kein vollständiges Bild unserer Umwelt. Das können sie auch gar nicht, denn genau dort wo der Sehnerv zum Gehirn führt, sind natürlich keine Sehzellen angesiedelt, und somit entsteht ein blinder Fleck, die fehlende, optische Information wird automatisch laufend ergänzt, aber eigentlich gibt es sie nicht. Film und Fernsehen haben, mit hohem technisch Aufwand die Kunst der Täuschung unseres Sehsinns annähernd zur Perfektion gebracht und wir haben sie gelernt, die Täuschung. Denn vor unserem Auge läuft keine kontinuierliche Bildfolge ab, kein Film. Tatsächlich besteht der Trick darin, nacheinander Einzelbilder zu projizieren, deren zeitliche Abfolge so bemessen ist, dass der Betrachter weder die Pausen zwischen den Standfotos noch die „ruckartigen“ Bewegungen bemerkt [53]. Wie bei einem „richtigen“ Film.

Ein anderer wichtiger Tiefenhinweis wird durch Schatten erzeugt. Dabei gibt es neben den Schatten, die eine Figur wirft, auch die Schattierungen des Objekts selbst, das dadurch zusätzliche Räumlichkeit erlangt.

»

Das nächste dieser Phänomene betrifft die Texturdichte eines visuellen Eindrucks: Gegenstände im Vordergrund stehen weniger dicht beieinander als die im Hintergrund. Ein Spezialfall der Texturdichte als Tiefeninformation ist die sogenannte lineare Perspektive. Damit ist das „scheinbare Zusammenlaufen, paralleler Linien, wie Bahnschienen“ gemeint.

»

Die parallaktische Verschiebung stellt sich nur bei Bewegung ein. Dieses Phänomen bemerkt man, zum Beispiel, wenn man im fahrenden Zug sitzt und die Gegenstände im Vordergrund flugs an einem vorbeihuschen und die im Hintergrund sich sehr langsam, wenn überhaupt, bewegen. Das Gehirn setzt diese Wahrnehmung sofort in Tiefeninformation um [54].

UNSERE SINNE // Exkurs: Tiefenwahrnehmung

»


IV.5

73 UNSERE SINNE // Gestaltprinzipien der Wahrnehmung

/// Exkurs Lesen: Die visuelle Wahrnehmung erfolgt durch Fixationen. Während einer Fixation wird der Blick während etwa 0,3 Sekunden auf einen Fixationspunkt gerichtet. Dann springt er in einer schnellen, ruckartigen Bewegung (Sakkade) zu einem anderen Fixationspunkt. In den Fixationsphasen werden hochauflösende visuelle Detailbilder über die Sehgrube des Auges (Fovea) aufgenommen, während der Sakkaden ist keine Wahrnehmung möglich [55]. ///

Das Streben nach der „guten“ Gestalt

Der Vorgang Wahrnehmungseindrücke als Ganzes und nicht in Teilen aufzunehmen, wird in der Psychologie unter der Überschrift „Gestaltpsychologie“ gehandelt. Für das Gestaltwahrnehmen gilt mit vollem Recht, dass das Ganze mehr zählt als die Summe seiner Teile. Kennen Sie das auch? Sie sehen etwas und nach einem sehr flüchtigen Blick, meinen Sie zu wissen, was es ist. Ihr Gehirn hat das Einzelteil, dass es „gesehen“ hat schon zu einem kompletten Teil zusammengebaut. Genau das ist das Prinzip der Gestaltwahrnehmung. Bei der ganzen Zusammensetzerei unterlaufen dem Gehirn natürlich auch Fehler. Gerade bei Schreibfehlern kann man exakt dieses Phänomen beobachten. Man übersieht sie leicht, denn die eigene Erwartungs-

haltung ist so stark, dass die Form nur noch grob als Ganzes erkannt, aber nicht mehr eigentlich analysiert wird. Wir Menschen streben nach der „guten Gestalt“. Zumindest wird uns das von „Gestaltpsychologen“ unterstellt. Mit der „guten Gestalt“ ist nicht etwa ein Streben nach dem Idealbild des menschlichen Aussehens gemeint, sondern eher das Streben nach Ordnung, Prägnanz, Einklang, Harmonie oder sinnvollen Formen in der allgemeinen Wahrnehmung von Objekten. Haben Sie schon einmal eine Melodie erkannt, obwohl Sie von einem anderen Instrument in einer anderen Tonart interpretiert wurde? Ein einfaches Beispiel, aber es zeigt wie gut wir uns die Gestalt, einer Sache, auch unbewusst merken können, ohne dass veränderte Einzelteile diesen „Gesamteindruck“ stören würden. Aus diesen Erkenntnissen kann man einen wichtigen Schluss ziehen. Reize, die eine „gute Gestalt“ aufweisen, werden leichter erinnert und wiedererkannt. Sie sind einprägsamer. Dagegen ist der Wahrnehmungsaufwand bei Reizen die gegen diese „Gesetze“ der guten Gestalt agieren, ungemein aufwendiger und damit bei unserem Unterbewusstsein nicht ganz so beliebt. Damit wir Elemente und Reize als „Gestalt“ wahrnehmen gibt es einige Prinzipien bei der bildlichen Gestaltung zu beachten.


IV.5

74

Figur und Grund: Eine Szene wird bei der Wahrnehmung in Figur und Grund eingeteilt. Figur ist das, worauf es ankommt, was heraustritt, was prägnante Konturen hat, was hervorsticht. Grund ist das, wovon es sich abhebt, die Bühne, oder eben der „Hinter“-grund. Sie kennen sicher ein Beispiel, indem Figur und Grund austauschbar sind, vielleicht den „Rubinische Becher“?* Die Werbegestaltung nimmt meist

/// *Der „Rubinische Becher" nach dem dänischen

Abstand von solcherlei Figur-Grund-Vertausch-Bildern. Solche Suchbilder, die erst nach längerer Betrachtung

Psychologen Edgar John Rubin (1886–1951) benannte

ihren Sinn offenbaren würden kaum die berühmten 1,5 bis 2 Sekunden Betrachtungsdauer überleben, die einer

schwarz-weiße Kippfigur, die je nach Blick auf das

Werbeanzeige von low-involvement Betrachtern vergönnt sind.

»

Ähnlichkeit: Ähnliche Figuren werden als zusammengehörig wahrgenommen.

weiße oder das schwarze Feld Unterschiedliches erkennen läßt . Beim Blick auf das weiße Feld wird

Dieses Prinzip lässt uns zum Beispiel, beim Gruppentanz diejenigen Tänzer als zusammengehörig wahrnehmen, die

ein Becher in Form eines Pokals wahrgenommen,

die gleichen Bewegungen machen, auch wenn sie nicht direkt nebeneinander stehen.

»

Geschlossenheit: Wir sehen Figuren lieber als Ganzes. Deswegen vervollständigen wir in

beim Blick auf die schwarzen Außenfelder gegenüberliegende symmetrische Profile von zwei Gesichtern. ///

Gedanken Figuren, die Lücken aufweisen. Die Gestalt soll vollständig sein. Zudem integrieren wir „lose Stücke“ in unser Wahrnehmungsbild. Die Gestalt soll nicht nur vollständig sein, sondern auch „ohne Rest“ aufgehen [56].

»

Nähe: Alles was beieinander steht, gehört auch zusammen und wir sehen es als zusammengehörig. Das Gesetz der Nähe ist im Zweifelsfall so stark, dass es sich auch gegen die anderen Gesetze der Wahrnehmung durchsetzt. Das Gesetz der Nähe wird auch benutzt, indem, in Anzeigen etwa Slogans und Behauptungen über das Produkt so nah wie möglich an dem Produkt platziert werden [57].

»

Kontinuität: Diese Prinzip erklärt sich am Besten am Beispiel des Films. Einzelne, schnell aufeinanderfolgende Bilder werden als eine ganze Bewegung wahrgenommen. So ist auch dieses Gestaltprinzip gemeint. Wir nehmen verschiedene räumliche und zeitliche Eindrücke so war, dass sie sich aufeinander beziehen und ein sinnvolles Ganzes ergeben.

»

Erfahrung und Erwartung: Wir sehen was wir gelernt haben zu sehen und was wir erwarten zu sehen. Jedes Objekt wird in einen Erfahrungskontext gestellt. So nehmen wir natürlich schneller wahr, aber durch diese Abkürzung unterlaufen uns auch häufiger Sehfehler, zum Beispiel übersehen wir dadurch auch sehr oft eigene Tippfehler.

UNSERE SINNE // Gestaltprinzipien der Wahrnehmung

»


IV.5

75 UNSERE SINNE // Getäuschte Erwartungshaltungen in der Werbung

/// Unsere visuelle Wahrnehmung läuft, verkürzt gesagt, nach einem bestimmten

Getäuschte Erwartungshaltungen

Muster ab, das wir auch nicht ändern können. Zuerst kommen die Farben, dann die Formen, dann alphanu-

Sinnestäuschungen kommen natürlich häufig im Marketing und der Werbung vor. Optische Täuschungen sind dabei seltener, wobei wir uns aber gerne täuschen lassen, ist bei unserer Erwartungshaltung. Das ist unsere Achillesferse. Genau wie beim Wahrnehmen von Objekten und dem Lesen, haben wir auch bei Produkten eine Erwartungshaltung, die entweder bestätigt oder enttäuscht werden kann, zum Beispiel bei Scheinverpackungen. Wir unterstellen der Verpackung bis zum Rand gefüllt zu sein. Wir können es nicht sehen, aber wir erwarten es. Trotzdem, das haben wir durch Erfahrung gelernt, dass eine Verpackung nicht bis zum Rand gefüllt ist, erwarten wir das immer noch. Ein noch größerer Aufwand und eine größere Täuschung ist es für unsere Sinne, wenn ein Produkt mit einer extrem aufwendigen und teuren Verpackung umgeben wird. Dies soll uns glauben machen, dass der Inhalt dieser hübschen Hülle besonders wertvoll ist. Es wird darauf spekuliert, dass unser Auge Produkt und Verpackung als eine Einheit sieht.

merische Inhalte [58]. ///

Der Sehsinn und die Werbung

Um über den Sehsinn Einfluss auf unsere Entscheidung zu nehmen, sind Aufmerksamkeit, Emotionen und Täuschung, in welchem Sinne auch immer, wesentliche Ansatzpunkte. Auf der bewussten Ebene ist dies meist nicht möglich, aber wir nehmen unsere Umwelt sowieso zumeist unterbewusst und implizit wahr. Zudem ist auch die Kontaktzeit von Werbung und Rezipient meist zu kurz um bewusst Einfluss zu nehmen. Die Kontaktzeit beträgt für Anzeigen in Printmedien zwischen 1 und 3 Sekunden, bei Plakaten 1,5 Sekunden, an Regalen im Supermarkt nur der Bruchteile einer Sekunde. Diese Zeiten sind nur Schätzwerte, denn jeder einzelne Kontakt variiert von Situation zu Situation und ist vom jeweiligen Rezipienten abhängig und von seinem persönlichen involvement [59]. Der Sehsinn ist nicht nur für sich genommen einer unserer wichtigsten Sinne, er wirkt auch in die Wahrnehmung unserer anderen Sinne mit hinein. Bei Blindtests und Blindverköstigungen kann man dieses „Hineinwirken“ gut beobachten. Viele Probanden treffen unterschiedliche Aussagen über ein Produkt, wenn sie es sehen und wenn sie es blind verköstigen müssen. Natürlich spielt beim Sehen auch noch unser Gehirn, mit all’ seinen Windungen, Erinnerungen und neuronalen Markennetzwerken mit.


IV.6 IV

76 UNSERE SINNE // Der Unser Hörsinn untrügliches Auge

n, e Ohre Auf di , Los! Fertig

Die Umwelt, Klänge und Geräusche.

//Die Schwingende Muschel // D

er Hörsinn ist, neben dem Sehsinn, der beliebteste Sinn der Werbung, und auch bei unserem Kontakt mit der Umwelt hat er eine ebenso große Bedeutung wie der Sehsinn. Sämtliche Geräusche und Töne, die wir wahrnehmen, sind Schwingungen der Luft, die unsere Ohren aufnehmen und in elektrische Nervenimpulse umsetzen, die dann von unserem Gehirn gedeutet werden. Auch dies geschieht unwillkürlich und völlig ohne unser Zutun. Der Hörsinn ist einfach schwer abzuschalten, dennoch kann auch er zielgerichtet eingesetzt werden.


IV.6 IV

77

UNSERE SINNE // Wie Unser einuntr端gliches Ton ensteht Auge


türlich von einer Schallquelle

digkeit in der Luft liegt bei

aus und pflanzen sich in

null Grad Celsius bei 333

Gasen, Flüssigkeiten und

Metern pro Sekunde. ///

festen Stoffen fort [61]. ///

Wie ein Ton entsteht

/// Zur Messung der Laut-

/// Einheit der Tonfrequenz

/// Die Luft in der konischen

stärke hat man sich auf die

ist das Hertz, mit tz. (Hertz =

Öffnung der Ohrmuschel zum

Einheit Dezibel (dB) geeinigt.

Sekunde hoch minus 1) ///

Gehörgang gerät bei 5.000

Es handelt sich um eine

Hz, die des Gehöhrgangs bei

logarithmische Skala, das

etwa 2.500 Hz in Schwingung,

bedeutet, dass ein Geräusch

so dass Schallwellen mit die-

von beispielsweise 93 dB

ser Frequenz hier verstärkt

doppelt so laut ist wie ein

werden. Deswegen reagiert

Geräusch mit 90dB [60]. ///

unser Ohr am empfindlichsten auf Frequenzen zwischen 2.000 und 5.000 Hertz. ///

Die darunterliegenden Frequenzen werden als Infraschall, die darüberliegenden als Ultraschall bezeichnet. Für das Hören spielt aber nicht nur die Tonhöhe (Frequenz) sondern auch die Lautstärke (Amplitude) eine wichtige Rolle. Unser Ohr kann auf extrem leise, aber auch extrem laute Geräusche reagieren. Dabei unterscheiden wir zwischen Klängen und Geräuschen. Klänge werden von mehreren aufeinander abgestimmten Sinusschwingungen gebildet, Geräusche dagegen bestehen aus zahlreichen zusammenhangslosen Frequenzen. Das Ohr besteht, einfach gesagt, aus drei gut voneinander abgrenzbaren Bereichen. Das Außenohr, das Mittelohr und das Innenohr, jeder dieser Abschnitte hat seine spezifische Aufgabe. Das Außenohr besteht aus der gut sichtbaren Ohrmuschel und dem äußeren Gehörgang (Meatus acusticus externus). Dieser sammelt die Schallwellen, konzentriert sie und ortet ihren Ausgangspunkt. Die Identifizierung der eigentlichen Schallquelle ist recht kompliziert. Gott sei Dank funktioniert diese Identifizierung unbewusst. Damit eine Schallquelle richtig geortet und zugeordnet werden kann, geht es hauptsächlich darum, Unterschiede in der Intensität und im zeitlichen Ablauf, mit denen der Schall aus einer Quelle beide Ohren erreicht, wahrzunehmen. Ein Geräusch von links erreicht beispielsweise erst das linke und danach das rechte Ohr.

IV.6 IV

78 UNSERE SINNE // Wie Unser einuntrügliches Ton entstehtAuge

>

/// Schallwellen gehen na/// Die Schallgeschwin-

Unser Ohr nimmt Schwingungen der Luft wahr, genauer gesagt, Schallwellen. Hauptschallträger ist die Luft. An der Schallquelle wird die Luft abwechselnd verdichtet und verdünnt, diese Luftdruckschwankungen breiten sich mit Schallgeschwindigkeit aus. Jeder kennt wahrscheinlich die grafische Darstellung von Schalldruckschwankungen, sie werden durch wellenförmige Kurven dargestellt. Der Abstand zweier benachbarter Orte mit gleichem Schalldruck wird Wellenlänge bezeichnet, vergrößert sich diese, also nimmt die Zahl der Schwingungen pro Zeiteinheit ab, dann hört man einen tiefen Ton. Dagegen hört man einen hohen Ton, wenn sich die Wellenlänge verkleinert. Die Anzahl der Schwingungen, also die Tonhöhe wird als Tonfrequenz angegeben. Das menschliche Ohr hört Schall mit einer Frequenz von 16 bis etwa 20.000 Hz, jedoch sinkt die obere Hörgrenze, mit zunehmenden Alter, bis auf einen Wert um 5.000 Hz ab. Somit umfasst unser Hörbereich rund 10 Oktaven [62].


c IV.6 IV

a

äußerer Bogengang

/// Das Trommelfell ist

b

eine schräg im Gehörgang verspannte ovale Membran mit starrem Rand und einer konkav gewölbten äußeren Oberfläche, die in

79

Hörnerv

Schnecke

einzelne, verhältnismäßig

UNSERE SINNE // Unser Der Aufbau untrügliches des OhrsAuge

straffe und dennoch flexible Bereiche unterteilt ist. ///

d

f

Steigbügel

Amboss

e

Hammer

g

Trommelfell

h

Ohrtrompete


/// Verstopft die „Tuba“, /// Die Gehörknöchelchen

zum Beispiel bei einem

setzen die Schwankungen

Schnupfen, nimmt der Druck

des Luftdrucks im Außen-

in der Paukenhöhle ab, das

ohr in Änderungen des

Trommelfell wird dadurch

Flüssigkeitsdrucks in den

leicht eingezogen und unser

schneckenförmigen Win-

Hörvermögen ist vorüberge-

dungen des Innenohrs um. ///

hend eingeschränkt [64]. ///

Die kleinsten Knochen unseres Körpers

auch das, in der Nähe der Hörschnecke, im Felsenbein befindliche Gleichgewichtsorgan (Vestibularorgan). Es besteht aus drei senkrecht zueinander angeordneten Bogengängen. Dieses Sinnesorgan hat die Aufgabe, Bewegungen und Beschleunigungen zu messen [63]. ///

Die Schallwellen, beziehungsweise Töne, die vom Außenohr aufgefangen wurden, landen an unserem Trommelfell. Das Trommelfell befindet sich am Ende des äußeren Gehörgangs und schließt das Mittelohr, mit Paukenhöhle und Tympanon, zum Außenohr hin luftdicht ab. Trotz dieser Abschottung ist das Mittelohr nicht ganz ohne Luft oder gar unbelüftet. Es ist durch die Ohrtrompete (Tuba auditiva; Eustachische Röhre), eine etwa vier Zentimeter lange Röhre, belüftet und mit der Außenwelt verbunden. Die Ohrtrompete verbindet das Mittelohr mit dem Nasen-Rachenraum. Durch diese Verbindung wird gewährleistet, dass der Luftdruck, auf beiden Seiten des Trommelfells, gleich hoch ist und der Schall, und dessen erzeugte Schwingungen, nicht beeinträchtigt wird. Durch die Paukenhöhle zieht die Kette der kleinsten Knochen des menschlichen Körpers. Der Hammer (Malleus) ist mit seinem Stiel am Trommelfell angeheftet, so dass er dessen Schwingungen aufnehmen und über den Amboss (Incus) an den Steigbügel (Stapes) weiterleiten kann. Sie Übertragen also die Schwingungen des Trommelfells auf eine Membran (ovales Fenster) zum Innenohr. Die Umsetzung der Druckwellen in mechanische Schwingungen erfolgt also durch Außenund Mittelohr. Die Übersetzung in elektrische Nervenimpulse findet aber im hochkomplexen Innenohr statt. Das labyrinthartige Innenohr besteht aus einem schneckenförmigen Gang (Cochlea) im Felsenbein, in den ein, mit sogenannten Endolymphe, gefüllter Schlauch (Schneckengang, Ductus cochlearis) eingelagert ist. Der Schneckengang ist beiderseitig von zwei weiteren Flüssigkeitsräumen begleitet, der Vorhoftreppe und der Paukentreppe, beide Gänge sind mit sogenannten Perilymphe gefüllt und gehen an der Schneckenspitze ineinander über. Die Schwingungen der Steigbügelfußplatte am ovalen Fenster führen zu einer Volumenverschiebung der Perilymphe, was wiederum eine Ausdehnung der Membran, am runden Fenster, zur Folge hat. Eine dünne, elastische Membran (ReißnerMembran), trennt den Schneckengang von der Vorhoftreppe. Sie gibt der wellenförmigen Volu-

menverschiebung, der Wanderwelle, nach und wird von der Endolymphe auf die Basilarmemb- 80 ran zwischen Schneckengang und Paukengang übertragen und von dort von den Perilymphe zum runden Fenster weitergeleitet. Dadurch werden die Haarzellen gereizt und über den Hörnerv (Nervus cochlearis) ans Gehirn weitergeleitet. Der Hörvorgang hört sich sehr kompliziert an funktioniert aber. Gerade deshalb ist er geradezu ein Wunderwerk lebendiger Technik.

Natürlicher Überlastungsschutz

Die Behauptung, dass wir unser Gehör nicht „abschalten“ können ist nicht ganz korrekt ausgedrückt. Wir haben einen natürlichen Schutz, der unser Gehör vor plötzlichen und übermäßigen Überlastungen, die unser Gehör dauerhaft schaden könnten, schützt. Dies passiert nicht bewusst, sondern automatisch. Die Beschützer unseres Ohres sind kleine, rasch reagierende Muskelchen. Sie sind auf zack, wenn es um laute und schrille Geräuschwahrnehmungen geht. Der Musculus tensor tympani zieht am Hammer und spannt damit das Trommelfell, während der Musculus stapedius durch seinen Ansatz am Steigbügel dessen Bewegungsfreiheit einschränkt. Dadurch steht die Energieübertragung im Mittelohr unter ständiger Kontrolle. Bei einer „normaler“ Funktion kontrahieren diese Muskeln automatisch, sobald ein Geräusch 80 Dezibel übersteigt, und schützen somit unser Gehör. Dennoch sind sie, zum Beispiel gegen das Detonationsgeräusch einer Explosion in unmittelbarer Nähe machtlos, aber im Alltag, und seien wir mal ehrlich, bei uns gibt es zur Zeit nicht so viele Bomben, reicht diese Schutzfunktion völlig aus [65].

UNSERE SINNE // Unser Natürlicher untrügliches Überlastungsschutz Auge

/// Zum Innenohr zählt

IV.6 IV


IV.6

/// Konsumenten schließen daraus, wie ein Produkt beim Gebrauch klingt, auf die Eigenschaft des Produkt [66]. ///

81 UNSERE SINNE // Geräusche und das Produkt

Die Chips müssen knacken

/// Das Hochgefühl beim Hören von Musik wird von neuronalen Mustern begleitet, die auch im Zusammenhang mit gutem Essen, Drogenkonsum und Sex stehen. ///

Im alltäglichen, lauten Leben, haben viele Menschen das Bedürfnis nach Ruhe. Aber die absolute Stille gibt es nicht, sie ist ein Trugschluss. Fast alle Tätigkeiten, die wir ausüben sind mit Geräuschen verbunden. Selbst bei der wichtigsten Untätigkeit, dem Schlafen, herrscht keine absolute Stille, denn unser Körper selbst macht ständig Geräusche. Nein, nicht die lauten, meist als unangenehm empfundenen plötzlichen, mit Bauchgrummeln verbundenen Geräusche, sondern die Eigengeräusche. Oder denken Sie, dass das Wort „Blutrauschen“ von irgendwoher kommt. Unser Blut rauscht, genauso wie unser Herz pocht. Das sind Eigengeräusche, an die wir uns schon lange gewöhnt haben und die in unserem Gehirn einfach ausgeblendet werden. Da das Ohr ständig online ist, übernimmt es auch sehr viele Kontrollaufgaben in unserem Alltag. Es kontrolliert ständig, wo sich unser Körper im Raum befindet, in welcher Stellung, welche Geräusche gerade wahrgenommen werden, ob sie gefährlich, oder „normal“ sind usw. Es passt auf uns auf. Durch diese ständige Kontrolle haben wir auch bestimmte Erwartungshaltungen an die Geräusche unserer Umwelt. Oder sind Sie nicht auch irritiert, wenn im Wald plötzlich kein Vogel mehr singt? Genau diese Erwartungshaltung, durch Lernen aus vorherigen Geräuscherfahrungen gebildet, haben wir auch an Produkte. An bestimmte Produkte knüpfen wir bestimmte akustische Signale. Zum Beispiel eine Tür. Wir haben uns daran gewöhnt, dass eine Tür mit einem bestimmten Geräusch schließt. Sie „fällt“ ins Schloss. Wenn sich nun dieser „Fallton“ plötzlich scheppernd anhört, „klingt“ sie nicht richtig und wir sind irritiert und schauen uns das ganze genauer an.

Natürlich gibt es nicht nur die alltäglichen Geräusche aus unserer Umwelt. Auch verschiedene Produkte „klingen“ anders und im besten Fall immer gleich ansprechend. Die Erwartungshaltung des Verbrauchers und die neuronalen Reaktionen, also auch Gefühle, Erinnerungen und ähnliches, möchte natürlich auch das Marketing und die Werbung nicht unbedient lassen. Beim „Sound-Design“, dem professionellen gestalten von Klängen und Geräuschen, hofft man auf eine möglichst positive Assoziation des Konsumenten zum Geräusch des dargebotenen Produkts. Denn die Klänge und Geräusche, die wir wahrnehmen, werden nicht isoliert als solche bewertet. Das Urteil über das Gehörte wird emotional auch auf die Quelle des Schalls übertragen. In diesem Fall auf das dargebotene Produkt. Wenn Ihre Küchenmaschine beim Kneten des Teiges hohe, quietschige Geräusche von sich gibt, kann etwas mit ihr nicht stimmen. „Gut“ klingt sie nur, wenn sie ein tiefes, gemütliches brummen von sich gibt. Genauso wie der Staubsaugermotor sich schön laut und dennoch ruhig anhören muss, oder sich die Autotür sich beim Zuschlagen dumpf und vertrauenerweckend anhören sollte. Solcherlei Beispiele gibt es sehr viele. Jedes Gerät hat sein Geräusch, das wir gelernt haben und das bei uns „gute“ Gefühle auslöst. Denken Sie doch einmal an das Klicken eines iPod-Rades. Schön nicht? Haben Sie jetzt auch ein Lächeln auf dem Gesicht? Dennoch sind in den überwiegenden Fällen der genannten Beispiele die zugeordneten Geräusche nicht wirklich notwendig, beziehungsweise noch natürlich. Mit der heutigen Technik ist es sicherlich kein Problem mehr, Staubsaugermotoren nahezu lautlos ablaufen zu lassen [67]. Aber nicht nur Gebrauchsgegenstände sind mit einem bestimmten „Sound“ und damit mit einer bestimmten Erwartungshaltung, verbunden, sondern auch Lebensmittel. Das Knacken, wenn man in einen Kartoffelchips beißt, nur als kleines Beispiel. Das charakteristische Knacken und Krachen wird mit Chipsgenuss assoziiert. Ein anderes, dumpfes Geräusch, oder auch das Fehlen des erwarteten Knack-Geräusches, deutet

/// Zusammengefasst bewirken Geräusche neuronale /// Manche Geräusche sind

Reaktionen, je nachdem,

derart selbstverständlich,

welche Erfahrungen und

dass wir misstrauisch wer-

Erwartungen damit ver-

den, wenn sie fehlen [72]. ///

bunden werden [73]. ///

eher auf Chipsfrust denn Lust hin [68]. Ein spezieller Bereich des „Sound-Design“ widmet sich genau dieser Thematik. Im Dienste der Multisensualität manipulieren „AkustikDesigner“, oder auch „Lebensmittel-Akustiker“ die natürlichen Geräusche der Produkte so, dass sie bei den Verbrauchern die passende Erwartung erzeugen [69]. Aber welche Geräusche erwartet das Gehirn des Konsumenten von einem „guten“ Produkt und wie kann der entsprechende akustische Reiz produziert werden [70]? Die Lebensmittelakustik macht aber auch auf eine spezielle Eigenart des Gehörs aufmerksam. Eine Besonderheit, die meist vergessen wird, wenn man von „hören“ redet. Das Ohr ist auch nach innen gerichtet. Man hört, was man isst. Dadurch hat das Gehör einen erweiterten Zugang zu den Konsumvorgängen als beispielsweise das Auge.

/// Nichts prägt sich so ein wie ein gesungener Werbespruch, egal wie doof oder nervtötend er ist [71]. ///


IV.6

82

Kniiiiirrrrsch, mmh, ich glaube, die sind noch gut.

UNSERE SINNE // Ger채usche und das Produkt

>


»

IV.6

83

Exkurs Sound-Design

UNSERE SINNE // Exkurs: Sound-Design

Das „Sound-Design“ ist zu einer eigenen Werbeform und Werbetechnik geworden. Es ist ein praktischer Zusatznutzen in der Werbung, um unsere Sinne zu bezirzen und Werbeideen, nicht nur über das Auge, in unser Gehirn zu bringen und auch dort zu halten. Natürlich gibt es auch hier unterschiedliche „Disziplinen“:

Zusammengefassend bilden diese auditiven Gestaltungsbereiche, zusammen mit der Produktakustik, das Arbeitsgebiet der akustischen Markenführung, oder auch „acoustic branding“ genannt. Der Verbraucher soll über den Hörsinn eine Beziehung zum Unternehmen und seinen Produkten aufbauen. Am ehesten gelingt dies natürlich, wenn einzelne Töne und Geräusche wiedererkannt und zugeordnet werden können. Zum Beispiel durch


IV.6 /// Wenn man den „Ohrwurm“ tatsächlich hört, sind die gleichen Hirnregionen aktiv, wie in dem

mulieren andere Areale des

Moment, wo er nur im

Gehirns als Dissonante. ///

Kopf herumgeht [75]. ///

Das „Audio Logo“ ist, wie der Name schon vermuten lässt, die Entsprechung zum visuellen Logo. Es verdichtet eine Botschaft kurz und prägnant zu einem Geräusch, einem Klang oder einer kurzen Folge von Tönen. Da da da da daaaaa, na erinnert Sie das an etwas? Wenn sie jetzt ein magentafarbenes Logo vor Ihrem geistigen Auge haben, dann hat ihr neuronales Netzwerk genau die richtige Assoziation gefunden.

»

Der „Jingle“ äußert sich als Ausruf, Akkord, melodischer Text oder Sprechgesang, Tonfolge, Eingangs- oder Ausgangsgeräusch, Begleitklang oder Hintergrundmusik.

»

Der „Promo-Song“, das Werbelied. Es hat eine lange Tradition, ungefähr seit die Minnesänger von Burg zu Burg zogen und ihre Weisen kundtaten. Ein „guter“ Werbesong hat Text, Melodie und inneren Zusammenhalt. Und die Hoffnung, dass ihn die Spatzen von den Dächern pfeifen.

»

Ein „sound scape“ ist eine komplexe Angelegenheit. Diese selbstgemachte Klangwelt bildet die akustische Kulisse, beziehungsweise die akustische Atmosphäre eines Unternehmens. Das geht von der dargebotenen Melodie in der Warteschleife, über den Klang zum Internetauftritt bis hin zum begleitenden Sound des Messestandes.

»

„Corporate Voices“ verleihen den Unternehmen eine akustische Persönlichkeit. Dazu tragen neben den sorgfältig komponierten Klingeltönen des Telefons und aller übrigen Geräte, die per Lautzeichen auf sich aufmerksam machen, auch Markenarien und Unternehmenshymnen, bei.

sich wiederholende Elemente in den einzelnen Tondisziplinen, die zusätzlich den Rezipienten emotional ansprechen. Das zu erreichen ist das Ziel des „corporate sound“, das Erreichen eines eindeutigen, typischen, emotional positiv aufgeladenen „Klangs“ des Unternehmens [74].

/// Markenbildung mithilfe von Geräuschen gibt es schon seit den 1950er Jahren. ///

84 UNSERE SINNE // Exkurs: Sound-Design

»

/// Konsonante Akkorde sti-


Alt, wenig entwickelt und dennoch im Vorteil.

IV.7

85

U

UNSERE SINNE // Der Geruchssinn

nser Geruchssinn wird häufig als der unwichtigste unserer Sinne angesehen. Dennoch dürfte er einer unserer ältesten Sinne sein und hat zudem größeren Einfluss auf unser Unterbewusstsein als andere Sinneswahrnehmungen [76]. Zudem ist er aber leider auch ein vergleichsweise wenig entwickelter Sinn, vor allem im Vergleich zum Geruchsinn eines Hundes. Dennoch ist er das einzige menschliche Sinnesorgan, dessen Nerven, die Geruchsnerven, ohne eine Verbindung zur Großhirnrinde, direkt in die älteren Regionen des zentralen Nervensystems laufen. Sie laufen direkt zum limbischen System. Infolgedessen reagiert unser „Bauchgefühl“ sofort. Pam Scholder Ellen, Marketingprofessorin an der George State University sagt folgendes dazu: „Bei allen unseren Sinnen denken wir erst, ehe wir reagieren, aber bei Gerüchen reagiert ihr Gehirn, noch ehe Sie denken.“ [77]. Da wir ständig atmen, es fällt uns irgendwie schwer es nicht zu tun, und die uns angebotene Atemluft nicht von den Duftmolekülen trennen können, gelangen „Düfte“ unwillkürlich immer zu den Riechrezeptoren [78].

//Der Riechkolben... // /// Der Mensch besitzt zirka 10 Millionen Riechsinneszellen, ein Hund hat ungefähr eine Milliarde [79]. ///

„Sie sind aber nah.“


Chemisch und vielseitig.

//...das beweglichste Organ // tem reguliert vor allem Emotion, Motivation und die Empfindung von Lust und Unlust [80]. ///

ährend die anderen Sinne physikalisch sind, zählt der Geschmackssinn, zusammen mit dem Geruchssinn, zu den chemischen Sinnen. Unsere Zunge ist eines der vielseitigsten Organe des menschlichen Körpers. Die Zungenmuskulatur ermöglicht zahlreiche komplizierte Bewegungen beim Sprechen, zum Beispiel bei der Modulation einzelner Buchstaben, 86 Kauen und Schlucken. Zudem ist sie natürlich ein sehr empfindliches Sinnesorgan.

IV.8

UNSERE SINNE // Der Geschmackssinn

/// Das limbische Sys-

W


a

b Nasenbein

c obere Nasenmuschel

UNSERE SINNE // Der Aufbau unserer Nase

Nasenvorhof

IV.7

87


IV.8

88 Der Aufbau des Geschmacksorgans Zunge

»

Pilzpapillen (Papillae fungiformes) reagieren auf süße und ebenso saure Geschmacksstoffe. Sie sind auf Zungenrand- und spitze verteilt.

»

Wallpapillen (Papillae vallatae) liegen zwischen Körper und Wurzel der Zunge und reagieren auf saure und bittere Geschmacksstoffe.

»

Blätterpapillen (Papillae foliatae) gruppieren sich in zwei Reihen an der Zungenseite. Sie reagieren überwiegend auf saure und salzige Geschmacksstoffe.

Die Rezeptoren der rund 2.000 Geschmackspapillen sind überwiegend auf jeweils eine der Grundgeschmacksarten spezialisiert. Nach aktuell geltender Lehrmeinung sind dies fünf:

»

Süß

»

Sauer

»

Salzig

»

Bitter

»

„umami“

Der letzt genannte Geschmack wird insbesondere durch Natriumglutamat ausgelöst. Glutaminsäure ist ein Proteinbestandteil. Der Geschmack „umami“ deutet also auf proteinhaltige Nahrung hin, ähnlich wie „süß“ auf einen hohen Anteil an Kalorien, zum Beispiel Zucker oder Kohlenhydrate, weist. Beide Geschmacksrichtungen stehen für besonders gehaltvolle Nahrung und werden allgemein als lustvoll empfunden. Die übrigen Geschmacksrichtungen geben eher warnende Signale, dies spiegelt sich auch in der

Empfindlichkeit gegenüber den Geschmacksrichtungen wider. Sie ist am größten bei Bitterstoffen, wie zum Beispiel bei Strichnin, dass nicht oder nur in geringen Mengen zugeführt werden sollte [81]. Die eigentliche Geschmackserkennung findet auf molekularer Ebene statt, doch um im Gehirn eine Geschmackserkennung auszulösen, müssen Impulse, von mehreren Sinneszellen zusammenkommen [82]. Die zentrale Verarbeitung, der von den Nerven weitergeleiteten Reizen, geschieht im Hirnstamm [83]. Die Zunge ist mit ihren Nervenbahnen eng an das limbische System gekoppelt. Die chemischen Sinne sind dazu da um die Grundbedürfnisse des menschlichen Lebens zu sichern. Dazu gehört auch die Identifikation von gefährlicher Nahrung und über die Abkürzung, dem direkten Zugang zum limbischen System, ist die Schnelligkeit des Erkennens gesichert. Unser Geruchssinn und unser Geschmackssinn arbeiten sehr eng zusammen. Zum Beispiel entfaltet sich der volle Genuss eines guten Essens erst, wenn man es auch riecht und die einzelnen Duftstoffe aufnimmt. Jeder kennt dieses Phänomen. Ohne die Nase schmeckt es einfach nicht.

UNSERE SINNE // Der Aufbau der Zunge

Die Zunge besteht im wesentlichen aus quergestreiften Muskelfaserbündeln, die in alle drei Richtungen angeordnet sind und durch ein medianes, bindegewebiges Septum, an der Oberfläche als mediane Zungenfurche erkennbar, halbiert werden. Wenn man die Zunge (Lingua) herausstreckt und im Spiegel betrachtet, sieht man nur ihre vorderen zwei Drittel, den Zungenkörper (Corpus linguae). Dieser geht in die dahinterliegende, meist nur für den Hals-Nasen-OhrenArzt sichtbare, Zungenwurzel über (Radix linguae). Der sichtbare Zungenrücken hat eine samtige, unebene Oberfläche mit vielen Geschmacksknospen, die sich in vier verschiedene Arten von Papillen gliedern lassen, von denen drei davon mit dem Geschmackssinn in Verbindung stehen. Sie tragen die Geschmacksknospen an ihrer Oberfläche. Diese Knospen können verschiedene Geschmacksrichtungen unterscheiden, für die jeweiligen Empfindungen sind bestimmte Areale der Zunge verantwortlich.


IV.7

89 UNSERE SINNE // Der Aufbau unserer Nase

Nur ein geringer Bereich unserer Nasenhöhle wird vom tatsächlichen Riechorgan eingenommen. Der weitaus größere Teil dient dem Weiterleiten des Luftstroms auf seinem Weg zur Lunge. Im Inneren ist die Nasenhöhle, insbesondere die mittlere und die untere Nasenmuschel mit einer Schleimhaut überzogen. Die eigentlichen Riechorgane, die Riechkolben, befinden sich in den Riechspalten am Dach der Nasenhöhle und über den oberen Nasenmuscheln. Sie bestehen aus zwei leicht bräunlichen Gewebsbezirken, der Riechschleimhaut, von denen jeder etwa die Größe einer Briefmarke hat. Es gibt einen Unterschied zwischen „atmen“ und „schnuppern“. Bei der normalen Atmung strömt die Luft gleichmäßig durch die Nase und

/// Wie die Geschmackszellen

Der Aufbau der Nase

haben auch die Riechzellen eine kurze Lebensdauer, sie sind etwa einen Monat lang aktiv, werden dann

nur ein geringer Anteil der Luft erreicht die Riechspalten, doch dies reicht aus um einen Geruch zu erfassen. In Wirklichkeit reicht nur ein einziges Duftmolekül dazu aus, um einen Geruch wahrzunehmen [84]. Wenn wir versuchen etwas genauer zu riechen, schnuppern wir. Die Luft gleitet schneller durch die Nase, ihr Fluss zu den Riechspalten verstärkt sich und so gelangen auch mehr Duftmoleküle an die Sinneszellen [85]. Diese Sinneszellen ragen aus der Riechschleimhaut hervor. Jede dieser Rezeptorzellen, es handelt sich dabei um mehr als 10 Millionen, endet in einer eingezogenen Anschwellung, dem Riechkopf. Aus ihm ragen etwa fünf Riechhärchen hervor. Vorbeikommende Duftmoleküle bleiben an den Riechhärchen haften und veranlassen die Sinneszelle dazu einen Nervenimpuls zu erzeugen.

abgebaut, und von einer neuen Riechzelle ersetzt, die dann wiederum Riechhärchen entwickelt [86]. ///


a

b

c

Blätterpapillen

Pilzpapillen

d

Wallpapillen

UNSERE SINNE // Der Aufbau der Zunge

Zungenkörper

IV.8

90


IV.7

91 UNSERE SINNE // Geruchliche Erinnerungen

/// Der „Frisch-gebratenerSpeck-mit-Cheeseburger-

Was riechst du und an was erinnert dich das

/// Das Verbinden des Duftes mit dem dazugehörigen Produkt, den Erinnerungen und Emotionen, nennt man auch olfaktorische Gestaltwahrnehmung [87]. ///

Duft“ kommt aus einer Dose

/// Gerüche sind zwar

auf der RTX9338PJS, oder et-

emotional bedeutsam,

was ähnliches, steht. Er wird

aber nicht für jeden auf

im Lokal versprüht [88]. ///

die gleiche Weise [90]. ///

Es wird davon ausgegangen, dass unsere Riechrezeptoren auf bestimmte Duftmoleküle spezialisiert sind. Bei uns Menschen konnten 350 verschiedene Typen von Riechzellen nachgewiesen werden und theoretisch lassen sich auch exakt so viele, reine, Düfte unterscheiden. Wenn sich diese „reinen“ Düfte untereinander vermischen können unzählige Duftvarianten entstehen. Geübte Nasen können ungefähr 10.000 dieser Zusammenstellungen unterscheiden. Aber nicht jeder von uns riecht dasselbe, beziehungsweise kann denselben Geruch erkennen und identifizieren. Das liegt daran, dass wir jeden Geruch den wir identifizieren wollen erst kennenlernen müssen. Dieser Prozess ist nicht ganz einfach, aber glücklicherweise haben wir die meisten Gerüche nebenbei und unterbewusst mitbekommen und gelernt. Ein Duft besteht nicht aus einem einzigen Duftstoff. Jeder Geruch ist aus unzähligen Düften zusammengesetzt. Der typische Kaffeegeruch besteht zum Beispiel aus 200 Komponenten. Bei einer Rose sind es schon 500 verschiedene Komponenten. /// Aufgrund eines Experi-

/// Was bei der Beschrei-

mentes kamen Forscher zu

bung und Verwendung von

der Erkenntnis, dass der

Gerüchen meist vergessen

Geruch vielfach die gleichen

wird: er ist flüchtig. ///

Gehirnregionen aktiviert wie der Anblick eines Produkts – auch der Anblick eines Produktlogos [89]. ///

Damit unsere Nase diese Gerüche erkennt, reichen ihr schon die typischen, prägenden Geruchsmoleküle. Dadurch bekommen viele von uns die Feinheiten einzelner Gerüche kaum mit. Für Kaffee braucht unsere Nase nur 15 Einzelstoffe dieser 200 verschiedenen Düfte. Genau diesen Fakt machen sich auch Hersteller künstlicher Duftstoffe zunutze und man könnte die Reduktion von duftlicher Vielfalt auf wenige Eckpunkte als bewusste Sinnestäuschung werten. Jedwedige Kombination eines erkannten oder erlernten Duftstoffes wird als neuronales Muster gespeichert. Um es wiederzuerkennen und es richtig zu zuordnen zu können, wird es mit dem Träger des Duftstoffes verknüpft und somit wird auch der Träger erinnert. Dazu kommen noch persönliche Erinnerungen und die dazugehörigen Emotionen, die mit dem gespeicherten Geruchsmuster einhergehen. Dadurch ist es kein Wunder, das bestimmte Gerüche natürlich auch bestimmte Emotionen bei uns wachrufen.


IV.7

92

Ich liebe den Geruch von RTX9338PJS.

UNSERE SINNE // Geruchliche Erinnerungen

&


IV.8

93

Schmeckt nicht,

gibt‘s schon.

UNSERE SINNE // Der Geschmackssinn und das Produkt

&


IV.8

94 UNSERE SINNE // Der Geschmackssinn und das Produkt

Es muss nicht alles schmecken

Für das Marketing ist der Geschmackssinn ein recht schwieriger Sinn. Zum einen sind bei einer geschmacklichen Wahrnehmung auch die übrigen Sinne, und damit die Erinnerungen und verknüpfte Emotionen beteiligt, was das Ganze eher zu einem Geschmackserlebnis macht. Zudem müssen die Sinnesreize eine sehr hohe Schranke überwinden um an das Sinnesorgan zu gelangen. Das hat dazu geführt, dass der Geschmackssinn für das Marketing für fast alle Produkte, außer Nahrungs- und Genussmittel, eine Nebenrolle spielt. Oder haben Sie schon einmal an einem Auto geleckt? Die Einzige Ausnahme bei dieser Geschmacks-Leck-Theorie ist natürlich die Briefmarke. Die wurde geschmacklich „designed“ [91]. Bei Nahrungsmitteln steht der „Geschmack“ jedoch immer noch im Mittelpunkt. Meistens zumindest. Ihren Grundbestandteilen werden vielfältige Stoffe beigemengt um ein abgerundetes Geschmackserlebnis zu garantieren.

/// Funktional ist der

/// Der Geschmackssinn ist

Geschmackssinn mit der

nicht nur ein Nahsinn, er

Prüfung der Genießbar-

ist einer der persönlichsten

keit von Nahrungsmitteln

Sinne des Menschen. Wer

verbunden, emotional mit

den Geschmackssinn für

deren Genuss [92]. ///

das Marketing einsetzen will, ist wohl oder übel auf die Kooperation der Zielperson angewiesen. Wie beim Riechen müssen die Geschmacksmoleküle in den Körper gelangen [93]. ///


IV.9 IV

95

Schranke und dennoch Vermittler.

UNSERE SINNE // Der Unser Tastsinn untrügliches Auge

//Anfassen erwünscht // N

eben den „wichtigsten“ Sinnen Sehen und Hören, vergessen wir meist, dass wir noch ein anderes, sehr wichtiges Sinnesorgan besitzen. Dieses größte Organ, die Haut, umgibt uns komplett und bildet einerseits eine Barriere zwischen uns und der Umwelt, aber gleichzeitig auch ein Vermittler, eine Art Schranke [94]. Zum Tastsinn lassen sich aber zusätzlich noch die Sensoren, die in unseren Muskeln, Sehnen und Gelenken sitzen, zählen. Sie ermöglichen die Eigenwahrnehmung unseres Körpers und tragen dazu bei, dass wir uns koordiniert bewegen.

Ein Großteil der aufgeschnappten Informationen durch die Tastreize wird unterbewusst verarbeitet, bewusst würden wir mit der großen Informationsflut wahrscheinlich nicht gut klarkommen. Die Organisation haptischer Prozesse ist allerdings noch weitgehend ungeklärt [95]. /// Zu folgenden Phänomenen liefern spezielle Rezeptoren des Tastsinns dem Gehirn Informationen: Druck (Gewicht), Vibration, Berührung, Temperatur, Schmerz [96]. ///


a

Haar

IV.9 IV

96

Epidermis und Dermis bilden die Haut (Cutis), im engeren Sinn gesehen. Sie bedeckt eine Fläche von etwa 1,6 Quadratmetern und macht als Decke ungefähr 12 Prozent des gesamten Körpergewichts aus. Die Dicke der Haut variiert zwischen 1 bis 4 Millimetern, je nachdem an welcher Körperregion sie angesiedelt ist. Am kräftigsten ist sie als Leistenhaut an der Handinnenfläche und Fußsohle, am dünnsten ist sie als Felderhaut in der Achselhöhle und auf unseren Augenlidern. An Zellen, den Merkel-Zellen, in der unteren Hautschicht (Basalschicht) treten freie Nervenenden hervor. Sie sind somit die Empfänger mechanischer Reize [97].

c

Talgdrüse

b

MeißnerKörperchen

Schicht um Schicht um Schicht

UNSERE SINNE // Der Unser Aufbau untrügliches der HautAuge

T-t-t-tTouch me!


e

d

Haaraufrichetermuskel UNSERE SINNE // Der Unser Aufbau untr端gliches der HautAuge

Haarpapille

IV.9 IV

97


f

g Vater-PaciniLamellenkörperchen

UNSERE SINNE // Der Unser Aufbau untrügliches der HautAuge

Fettgewebe der Unterhaut

IV.9 IV

98


IV.9

99 UNSERE SINNE // Der Tastsinn und das Produkt

/// Bei der haptischen Wahrnehmung geht es um einen Nahsinn. Um unseren Tastsinn einzusetzen, müssen wir die Sicherheitsdistanz zum Objekt überwinden [98]. ///

Erst Anfassen, dann kaufen

Die Rezeptoren unseres Tastsinns liefern uns zu verschiedenen Phänomenen Informationen, die durch unterschiedliche Bewegungen evaluiert werden. Temperatur und Gewicht einer Sache stellen wir durch einen einfachen Kontakt fest, wir fassen es an. Durch „darüberstreichen“ mit der ganzen Hand, oder nur einem Finger, stellen wir Rauhigkeit und Kontur, sowie Kantenschärfe und Oberflächenform eines Objekts fest. Härte und Weichheit, auch Rauheit, finden wir durch umfassen und drücken heraus. Durch „befingern“, rütteln, schrauben, ziehen und vielen anderen Interaktionen erkunden wir die Funktion und ähnliche Eigenschaften eines Objekts. Bekannte Alltagsgegenstände werden durch dieses Erkunden unseres Tastsinns und ohne Zuhilfenahme unserer anderen Sinne, innerhalb von 1 bis 2 Sekunden erkannt. Aber auch dieser wunderbare Sinn ist vor Täuschungen nicht gefeit, meist wird unsere Wahrnehmung durch das Sehen beeinflusst, oder unterliegt einer falschen Erwartungshaltung an das Objekt [99]. Durch das Anfassen eines Objekts, oder eines Produkts, bauen wir unweigerlich eine kleine emotionale Beziehung zu ihm auf. Diese muss

nicht immer positiv sein, denn negative Empfindungen sind ja auch Emotionen. Es ist also kein Wunder, dass Einzelhandelsexperten raten, einem potenziellen Kunden das Produkt in die Hand zu drücken. Wir wollen es auch anfassen und einen kleinen sensorischen Test mit ihm durchführen. Ist es weich oder hart, doch nicht so flauschig wie meine Augen das gesehen haben? Produkte, die diesen sensorischen Test durchlaufen haben, werden häufiger gekauft, als Produkte, die einfach nur angeschaut wurden. Natürlich spielt beim Anfassen auch unsere Erwartungshaltung eine Rolle, wir wollen uns überzeugen, dass sich das Produkt „richtig“ anfühlt. Wir erwarten von bestimmten Produkten eine gewisse haptische Erfahrung, zum Beispiel eine Fernbedienung. Sie fühlt sich unecht und nicht funktional an, wenn sie zu leicht ist. Von einer Fernbedienung, die alles kann, erwarten wir hohes technisches Niveau und somit auch eine bestimmte Schwere. Gute Technik fühlt sich schwer an.


IV.10

100

Zusammen sind wir stark.

UNSERE SINNE // Das Zusammenspiel der Sinne

¿>&≈


IV.10

101 UNSERE SINNE // Das Zusammenspiel der Sinne

Das Zusammenspiel der Sinne.

//Gemeinsam, nie einsam // U

nsere Sinne arbeiten natürlich auch zusammen. In jede unserer sinnlichen Wahrnehmungen wird auch die Wahrnehmung eines anderen Sinnes mit einfließen. Mal mehr, mal weniger. Meist arbeiten sie jedoch alle zusammen. Zum Beispiel beim alltägliche Vorgang des Essens. Die geschmackliche Wahrnehmung funktioniert über die Geschmacksknospen in unserem Mundraum und auf unserer Zunge. Allerdings darf man, wie schon einmal erwähnt, den Geruchssinn nicht vergessen. Durch ihn entfaltet sich das komplette Sinneserlebnis beim Essen. Denn bevor wir etwas in unseren Mund stecken können, haben sich Duftmoleküle schon längst an unseren Riechrezeptoren angedockt. Schon zu diesem Zeitpunkt haben wir uns ein erstes Urteil

über das Essen gebildet, bevor es überhaupt in unserem Mund war. Wir bilden auch hier eine bestimmte Erwartungshaltung. Auch die Tastzellen in unserem Mundraum tragen zu diesem Gesamterlebnis „Essen“ bei. Sie befühlen die Konsistenz der Speise und die Textur beim Kauen. Der Hörsinn ist beim Essen auch beteiligt. Er hört mit, beim Kauen, und analysiert, ob sich das Essen so anhört, wie es sollte und gleicht dieses mit der Erwartungshaltung ab. Und das Auge? Ja, das Auge isst schließlich auch immer mit [100].

/// In einem Test wurde die Qualität von Fruchtsaft wie erwartet beurteilt, nämlich nach seinem Geschmack. Dagegen wurde ein Handy eher nach seinen haptischen Eigenschaften als nach seinen technischen beurteilt. Es wird also geurteilt wie es sich „anfühlt“ [101]. ///


IV.10

102 UNSERE SINNE // Multisensorische Produkterlebnisse

Multisensorische Produkterlebnisse

Offenbar ist es fast unmöglich, verschiedene Kanäle der Wahrnehmung und der Informationsverarbeitung voneinander zu trennen. Das ist beim Essen so und dürfte bei der Wahrnehmung von Produkten nicht anders sein. Die taktilen, haptischen Eigenschaften eines Produkts sind sowohl für die Wiedererkennung als auch für die Beurteilung mindestens so wichtig wie die olfaktorischen. Der direkte Kontakt zu einem Objekt schafft anscheinend einen Gedächtnisvorteil. Zudem entwickeln Menschen auch emotionale Schemata anhand von erlebten haptischen Eindrücken. Glatte Flächen wirken entspannend, kühle und glatte gar erotisch und raue Flächen gehen mit der Assoziation „herb“ einher. Da es sich bei den Assoziationen um Schemabilder handelt, lassen sich diese, und die damit verknüpften Emotionen, ohne dass der Konsument das Produkt wirklich berühren muss, aktivieren. Bilder von rauen Oberflächen, kratzende Bewegungen und die dazugehörigen Geräusche können durchaus haptische Eindrücke mit einem Produkt verbinden, ohne, dass es jemals angefasst wurde [102]. Denselben Effekt kann man auch bei Kombinationen aus Düften, Bildern und Geräuschen beobachten.


V. Aufmerksamkeit


V.1

104

//Aufmerksamkeit Bitte // E

rinnern Sie sich noch an das AIDA-Modell? Attention, also Aufmerksamkeit, ist bei dieser Werbestrategie der erste Schritt. Und es ist ein bedeutender Schritt. Aber wie kann man die Aufmerksamkeit des Konsumenten hinsichtlich seines Produktes steigern und steuern? Sicherlich kennen Sie diese Situation. Sie befinden sich in einem Gespräch, beziehungsweise ihr „Gesprächspartner“ spricht, sie langweilen sich tödlich. Und plötzlich hören sie ein lautes Lachen aus der anderen Ecke des Raumes. Dort steht eine Gruppe von Menschen, die sich kreuz und quer unterhalten und scheinbar sehr viel Spaß haben. Unwillkürlich bekommen Sie „große Ohren“ und versuchen Gesprächsfetzen dieser Gruppe aufzunehmen. Das gelingt Ihnen auch und anstelle des losen Geplappers ihres Gegenübers können sie nun dem lustigen Gespräch der Gruppe folgen. Dieses Phänomen, man nennt in auch den „Cocktailparty-Effekt“ [103], verdanken Sie ihrer Fähigkeit Ihre Aufmerksamkeit bewusst zu steuern. Sie können sich trotz einer komplexen Geräuschkulisse auf einen einzelnen Hör-Punkt konzentrieren, bei dieser Fähigkeit spricht man von selektiver Aufmerksamkeit. Dieses CocktailPhänomen ist eigentlich nichts anderes als eine akustische Version der Figur-Grund-Wahrnehmung: Wir versuchen eine bestimmte Struktur in den Vordergrund zu heben und zur „Figur“ zu machen.

Unsere Aufmerksamkeit unterliegt aber nicht völlig der willentlichen Steuerung. Sobald jemand, auf dieser Party, in Ihrer Nähe, Ihren Namen sagt, wird Ihre Aufmerksamkeit in diese Richtung gelenkt. Daraus folgt, dass unsere Aufmerksamkeit beeinflussbar ist, es folgt aber auch daraus, dass auch Reize, denen wir keine Beachtung schenken, irgendwie verarbeitet werden und eine Wirkung hinterlassen. Dennoch ist unsere Aufmerksamkeit nicht unbegrenzt. Man kann einfach nicht unendlich viele Dinge gleichzeitig beachten. Dies ist eine wichtige Eigenschaft der Aufmerksamkeit. Wenn ich meine Aufmerksamkeit auf etwas richte, blende ich unwillkürlich andere Kanäle und Reize aus und ich bin nicht mehr so empfänglich für andere Stimuli oder Reize.

AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung

Low Involvement und die Aufmerksamkeitssteuerung.


V.2

105 AUFMERKSAMKEIT // Reizverarbeitung ohne Aufmerksamkeit

Die Gestaltung macht den Reiz

Reizverarbeitung ohne Aufmerksamkeit

Im Prinzip gilt, je höher die Aufmerksamkeit, umso besser. Allerdings nur im Prinzip, denn es gibt bei dieser These Einschränkungen. So ist es gar nicht so gut, die volle Aufmerksamkeit eines Publikums zu genießen, denn sie konzentrieren sich dann ganz auf das Gesagte oder das Tun und sind deshalb auch kritischer. Gegenargumente gegen das Gehörte sind leichter zur Hand. Hingegen scheint, durch verschiedenste Studien begründet, ein mittleres Aufmerksamkeitsniveau des Publikums am besten für eine Einstellungsänderung zu sein. Wenn man nicht ganz bei der Sache ist, ist es auch schwerer sofortige Gegenargumente zu liefern. Übertragen wir nun diesen Gedanken auf die Werbung. Demnach ist es gar nicht so ungünstig, wenn Werbung nicht mit voller Aufmerksamkeit rezipiert wird. Aus einer Studie aus dem Jahr 1988 geht hervor, „dass ablenkende Beschäftigungen keine Beeinträchtigung der Werbewirkung nach sich ziehen“. Werbung wird in der Regel mit geringer Aufmerksamkeit rezipiert und bringt meist eine Ablenkung, von der Werbung oder von anderen Tätigkeiten, der Aufmerksamkeit des Rezipienten gleich mit. Durch dargebotene Reize, wie Erotik, Musik oder eine Geschichte, in die die Werbung eingebettet ist. Man setzt darauf, dass die mitgebrachten Ablenkungen zum Beispiel von einer schwachen Information ablenken. Wenn die eigenen Informationen und Argumente jedoch stark sind, sollte man von dieser Ablenkungstaktik absehen, denn dadurch dämpft man nur seine Argumente.

Aber wie steigert man nun die Aufmerksamkeit seines Publikums. Es gibt eine allgemeine Faustregel: Eine Anzeige, zum Beispiel in einer Zeitschrift, hat umso bessere Chancen auf Aufmerksamkeit, je stärker sie sich von anderen Anzeigen unterscheidet [104]. Es kommt also auf den Kontrast zum Umfeld der Anzeige an. Man unterscheidet bei dieser Faustregel zwei Arten von Kontrast, den A- und den B-Kontrast [105]. Der A-Kontrast folgt dem Prinzip. „ Auffallen, Aufmerksamkeit erregen, Aktivieren“. Um diesen Kontrast zu erreichen, eigenen sich am besten Reize, die innovativ und überraschend sind. Er ist im Grunde schon erreicht, wenn ein Stimuli sich von seinem Reizumfeld genügend abhebt. Wenn sich aber alle Anzeigen auf schrill, exzentrisch und laut spezialisieren um unsere Aufmerksamkeit zu erringen, dann wäre der A-Kontrast, das Auffallen eventuell gegeben, aber nicht der B-Kontrast. Beim B-Kontrast soll der Reiz nämlich in der Folge leicht wiedererkannt und auch identifiziert werden. Hierzu eignen sich Reize, die typisch und vertraut sich, die nur für dieses Produkt oder diese eine Kampagne stehen können. Während der A-Kontrast auf das aktuelle Stimulus-Umfeld abzielt, hat der B-Kontrast ein sehr viel höheres Ziel. Er möchte im Gedächtnis hängen bleiben, zusammen mit dem Kontext der Kampagne. Im optimalen Fall geht der A-Kontrast langsam in den B-Kontrast über. Ein Beispiel hierfür ist die Milka-Kuh. Zuerst war sie nur verrückt, hat sich dann aber mit der Zeit in eine unverwechselbare Repräsentantin für ihre Marke gewandelt. Da Aufmerksamkeit und Aufmerksamkeitssteigerung in der Werbung natürlich etwas mit Gestaltung zu tun hat, hier ein paar Techniken und Tricks.


So bek omme n sie sie garan tiert!

V.3

106

Deckkraft 90%

Deckkraft 80%

Deckkraft 70%

Deckkraft 60%

Deckkraft 50%

Deckkraft 100%

Deckkraft 40%

Deckkraft 30%

Deckkraft 20%

Deckkraft 15%

Deckkraft 10%

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AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

Deckkraft 100%


V.3

107 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

»

Licht und Farbe: Bunte Anzeigen und farbige Gegenstände erregen eine höhere Aufmerksamkeit als schwarzweiße Gegenstände. Allerdings ist die „Buntheit“ nicht der entscheidende Faktor, sondern der Kontrast. Zu „bunte“ Anzeigen verlieren jedoch ihren Kontrast, das kann man feststellen, indem man sie einmal schwarz-weiß ausdruckt. Zu farbig erschwert zudem dem Betrachter die Figur-Grund-Gliederung und wirkt schwammig. Eine gute Alternative ist die Dominanz eines einzigen Farbtons. 2/3 aller Werbespots folgen erfolgreich diesem Gestaltungsprinzip. Aber eine Farbe kann nicht nur Stimmungen auslösen, sie hat meist auch einen Symbolwert, der von Kultur zu Kultur unterschiedlich sein kann. Zum Beispiel ist die Farbe für Trauer in einer Kultur Schwarz, in einer anderen Weiß. Das hat mit der jeweiligen Tradition zu tun. Solcherlei Codierungen sollte man bei der Gestaltung beachten.


V.3

108

1x

1x

3x

1x

AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

?se tsi saw ?dnU

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V.3

109 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

/// Es ist vielleicht nicht überflüssig, darauf hinzuweisen, dass Neuartigkeit nur in Verbindung mit etwas Vertrautem wirken kann. Nur die Kombination hat etwas Anregendes. Wenn alle Elemente neu und ungewohnt sind, ist Aversion und Abwendung die wahrscheinlichste Folge [106]. ///

»

Mehrdeutigkeit und Neuartigkeit: Kaum ein Gegenstand erregt soviel Aufmerksamkeit, wie ein völlig neuartiger, mit dem der Betrachter erst nichts anzufangen weiß. Man kommt ins stutzen und muss sich erst einmal wieder neu orientieren. Unter diese Kategorie fallen zum Beispiel Dinge wie etwas wirklich Neues, Dinge, die unklar erscheinen oder auch bewusste Verstöße gegen Wahrnehmungs- und Gestaltungsregeln. Da unser Wahrnehmungsapparat aktiv wird, wenn er eine „Gute Gestalt“ herstellen möchte, können zum Beispiel bewusst abgeschnittene Gestaltungselemente Aufmerksamkeit erringen. Oder Irritationsmomente, wie ein Flimmern, Schreibfehler oder auf dem „Kopf“ stehen. Diese wirken aber meist nur bei den Betrachtern unter 26 Jahren. Mehrdeutigkeit kann (natürlich) auch durch Sprache entstehen.


V.3

110 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

ES KIPPT, SCHNELL!

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V.3

111 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

»

Intensität und Menge: Viel, laut, grell, schrill ... all’ das kann unsere Aufmerksamkeit binden [107].


V.3

112 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

Ich bin Makro.

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V.3

113 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung /// Je größer die Abbildung im Verhältnis zum Text, desto größer das Aktivierungspotential [108]. ///

»

Größe: Je größer eine Sache ist, desto mehr Aufmerksamkeit erregt sie. Allerdings steigt die Aufmerksamkeit nicht proportional zur Größe. Doppelte Größe bedeutet nicht doppelte Aufmerksamkeit, sondern sie steigt ungefähr um den Faktor 1,4.


V.3

114 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

Der springende Punkt.

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V.3

115 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

»

Bewegung: Bewegung in unserer unmittelbaren Umgebung führt unwillkürlich zu einer Orientierungsaktion. Wir können fast nicht anders, als unseren Kopf nach etwas Bewegtem umzudrehen. Wir wollen ja wissen ob es Gefahr für uns bedeutet. Abbildungen in Zeitschriften, die gedruckt sind und sich deswegen nicht „bewegen“ können, wollen meist durch grafische Mittel Bewegung suggerieren. Das geht durch Spiralen, Wellenlinien oder auch Unschärfe.


V.3

116 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

Genau da.

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V.3

117 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

»

Platzierung: Die größte Chance auf Beachtung haben Gegenstände, die mühelos wahrgenommen oder gegriffen werden können. So werden zum Beispiel im Supermarkt. Artikel, die besonders gut verkauft werden sollen, in Augenhöhe platziert. Ein Platz, der auch besonders gute Aufmerksamkeitsquoten hat, ist die Ecke links oben. Das hängt mit der allgemeinen Leserichtung des Betrachters zusammen.


V.3

118 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

Pausbäckiges Kind mit riesigen Augen und einem Bitte-Bitte Blick.

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V.3

119 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

/// Die Stärke der Reaktion hängt meist davon ab, in

/// Warum werden Autos in

welchem Blickwinkel wir

der Werbung meist von vorne

das Gesicht betrachten. Je

gezeigt? Ganz einfach, das

mehr sich das zu betrach-

„Gesicht“ eines Autos, mit

tende Antlitz abwendet,

den Scheinwerfern und dem

desto mehr Interesse wird

Kühlergrill, aktiviert ebenso

ihm zuteil [109]. ///

das Gesichtsareal [110]. ///

»

Formen: Eine besondere Stellung bei der Aufmerksamkeit nimmt das menschliche Gesicht ein. Dieses genießt eindeutige Priorität, was mittels Untersuchungen, mittels fMRT Untersuchung nachgewiesen wurde. Ein bestimmtes Areal in unserem Gehirn, genauer gesagt das fusiforme Gesichtsareal, ist auf die Analyse von Gesichtern spezialisiert. Das hängt damit zusammen, dass unser Gehirn auf Kommunikation und soziale Interaktion spezialisiert ist. Die Gesichter ziehen nicht nur den Blick auf sich, sie lösen auch unmittelbare Reaktionen aus. Das bekannteste Beispiel hierfür ist wohl das Kindchenschema. Das Gesicht eines Kleinkinds sendet Schlüsselreize aus, die ein Fürsorgeverhalten auslösen. Dafür muss nicht einmal ein echtes Kind anwesend sein, es reicht auch eine Abbildung. Sogar abstrakte Zeichnungen genügen, vorausgesetzt, sie berücksichtigen die Proportionen des kindlichen Kopfes mit wichtigen Merkmalen wie „Stupsnase“ und „Pausbäckchen“. Diese Prinzip funktioniert auch bei Tieren, sobald die Merkmale des Kindchenschemas erfüllt sind [111]. Ich sag' nur Knut.


V.3

120 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

Thema? Einfach umblättern »


V.3

121 AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch formale Gestaltung

»

Sex: Sex ist aus der Werbung und Warenwelt nicht mehr wegzudenken. Aber wieso eigentlich, ist es wirklich bewiesen das „sex sells“? Forscher kamen zu dem Schluss, dass Sex meist nichts anderes verkauft als sich selbst. Sie haben sogar eine Bezeichnung für dieses Phänomen. Der Vampir-Effekt. Das bedeutet, dass die erregende Werbung die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Botschaft ablenkt [112]. Effektiver, als Sex, ist eine kontroverse Werbung, die zu anstößig gestaltet ist oder ein Tabuthema aufgreift. Die meist darauf folgende Diskussion bringt Aufmerksamkeit. Zudem belegt eine Studie, dass sich Frauen von schönen Frauen in der Werbung eher abgestoßen fühlen. Deshalb, eventuell, der neue Trend der Werbebranche, mehr natürliche Frauen zu zeigen.


V.4

122

/// Unter Anagramm (von griechisch anagramma = Buchstabenversetzung) versteht man Wörter oder Wendungen, die dadurch entstanden sind, dass die Buchstaben eines anderen Wortes (oder einer anderen Wendung) umgestellt worden sind, ohne dass Buchstaben hinzugefügt oder ausgelassen werden. So wird dann aus „Staatsdiener“ zum Beispiel „Dasein rastet“ oder auch „Das tarnte sie“. ///

Abschließen kann man das Thema Aufmerksamkeit nie ganz. Aber man kann eine generelle Aussage treffen, welche Inhalte eine große Chance haben, bemerkt zu werden. Auch hier spielt wieder die Erwartungshaltung eine wichtige Rolle. Reize, die ich, kontextbezogen erwarte, erregen weniger Aufmerksamkeit als solche, die aus dem Kontext fallen. Eine hohe, wenn auch niedrigere Aufmerksamkeit als emotionale Inhalte, generieren Inhalte mit rätselhaftem Charakter. Die bieten „intellektuelle“ Anregung, wie zum Beispiel Anagramme. „Schlüsselreize“, denen man eine biologische Basis nachsagen kann, generieren ebenso eine generelle Grundaufmerksamkeit. Wie das schon erwähnte Kindchenschema oder die Abbildung „menschlicher“ Gesichter. Bei Verzerrung dieser Schlüssereize ist meist mit einem aversiven Verhalten des Betrachters zu rechnen. Menschen die behaupten, dass sie bei erotischer Werbung und beim Anblick nackter Haut wegsehen, sind unehrlich. Denn, ob mal will oder nicht, es findet eine automatische Orientierungsreaktion statt. Dabei muss der Betrachter nicht einmal sehr an Erotik interessiert sein. Man kann nicht wegsehen, ohne hinzusehen, nur bleibt dabei meist das beworbene Produkt auf der Strecke.

AUFMERKSAMKEIT // Aufmerksamkeitssteuerung durch konkrete Inhalte

Inhalt, Inhalt, Inhalt


VI. Codes


VI *Kommunikation, Information, Codes und der eigene Nachahmungstrieb.

/// Definition Informationen: Von Information wird gesprochen, wenn ein Ereignis uns veranlasst, etwas zu wissen oder zu glauben, was wir vorher nicht gewusst oder geglaubt haben. ///

E

infach gesagt funktioniert Kommunikation so: Ein Sender sendet eine Botschaft an einen Empfänger. Der Sender verschlüsselt seine Botschaft (Enkodierung) und sendet sie über einen Kanal zum Empfänger. Dieser entschlüsselt die Botschaft (Dekodierung). Natürlich müssen die jeweiligen Codes bekannt sein, sonst entsteht keine Kommunikation. Kommunikation ist ebenso zielgerichtet. Es gibt viele verschiedene Arten von Kommunikation. Unser Gehirn ist, evolutionshistorisch gesehen, auf darauf ausgelegt. Das Interagieren mit der Herde sicherte unser Überleben, genauso wie das Kennen und Erkennen der jeweiligen Codes. Diese Codes haben wir im Laufe unserer Entwicklung gelernt und wir lernen weiter. Zum effektiven entschlüsseln der Codes gehört nicht nur das Wahrnehmen des explizit gesagten sonder auch das Erkennen und Deuten von nonverbalen Signalen, wie Mimik, Gestik und Tonalität der Stimme [113].

/// Man kommuniziert immer mehr als das explizit Gesagte – durch die subtilen, nonverbalen Codes [115]. ///

»

/// Marken sind nicht nur über das Logo codiert, sondern über weitere, nichtsprachliche Codes, wie Farben, Formen und Symbole [114]. ///

Definition Kommunikation [116]: Ein wechselseitiger, intentionaler, symbolvermittelter Verständigungsprozess zwischen biologischen Systemen, in dem in einem spezifischen Kontext die Bedeutung übermittelter Information(en) (meist in Bezug auf den Gesprächsgegenstand), die Beziehung zwischen den „Gesprächspartnern“ und der eigenen Person mit verbalen und nonverbalen Zeichen verhandelt wird.

Es ist zu beachten, dass es beim Erkennen von nonverbalen Zeichen, nicht nur im Falle von nonverbaler Kommunikation, meist um eine Interpretation handelt. Es kann auch passieren, dass wir etwas erkennen und deuteln was gar nicht gesendet wurde.

CODES // Kommunikation und Codes

// -.-. --- -.. . ... * //

124


VI.1

125 CODES // Spiegelneuronen

»

GÄHHHHN

„Spiegelneuronen bei der Arbeit“

/// Rizzolatti nannte es „Spiegelneuronen bei der Arbeit“. Diese Neuronen werden aktiv, wenn eine Handlung selbst ausgeführt wird, oder wenn beobachtet wird, dass eine Handlung durchgeführt wird. ///

Kennen Sie das, sie sehen jemanden gähnen und ein paar Sekunden später gähnen Sie auch? Oder sie lesen, dass jemand gähnt und Sie gähnen? Für solcherlei Phänomene sind unsere Spiegelneuronen verantwortlich. Spiegelneuronen wurden 1992 während einer Gehirnuntersuchung einer Affenart – der Makaken – , von Professor Rizzolatti und seinem Team, eher zufällig entdeckt. Sie konzentrierten sich bei ihren Forschungen auf ein Hirnareal, das als F5 oder prämotorische Rinde bekannt ist. Dieses Hirnareal ist aktiv, wenn eine bestimmte Handlung vollzogen wird, zum Beispiel das Aufheben einer Nuss. Wir sprechen hier immer noch von Affen. Um die Aktivitäten dieser Gehirnregion zu messen, war das Affengehirn mit Elektroden an einen Monitor angeschlossen. Die Spiegelneuronen wurden entdeckt, als ein Student, an einem heißen Sommertag, mit einem Eis ins Labor kam. Als der Student an seinem Eis leckte, maß der Monitor Aktivitäten in der prämotorischen Rinde, obwohl der Affe nicht selbst an einem Eis leckte und sich auch nicht bewegte. Allein das Beobachten, wie der Student das Eis aß reichte, damit das Gehirn des Affen diese Handlung imitierte. Nach einigen Versuchen konnte dieses Phänomen deutlicher definiert werden. Die Affen-Spiegelneuronen reagierten nur, wenn eine zielgerichtete Handlung vorlag, Also eine Handlung, die zum Beispiel ein Objekt mit einschloss, aber keine zufälligen Handlungen. Nur diese Handlungen wurden in seinem Gehirn nachgeahmt, als ob er sie selbst tun würde. Sie reagierten nicht, wenn jemand den Raum durchquerte, so was wurde nicht imitiert. Aber das Lecken an einem Eis, das schon.

Natürlich kann man aufgrund dieser Erkenntnisse, und vor allem aus ethischen Gründen, keine Elektroden in ein menschliches Gehirn stecken, aber durch Gehirnscans wurde die Region, in denen die Spiegelneuronen vermutet wurden, ausgemacht. Nämlich der untere frontale Kortex und das obere Parietalläppchen. Diese Regionen wurden aktiv, wenn die Versuchsperson eine Handlung durchführte und wenn sie eine andere Person eine Handlung durchführen sah.

Einmal Nachahmen Bitte!

Haben Sie sich schon gefragt, warum sie zusammenzucken, wenn ein anderer sich den Fuß stößt, oder wenn die Protagonistin in einem Film hemmungslos schluchzt sich auch ihre Augen mit Tränen füllen? Durch dieses neuronale Phänomen der Spiegelneuronen sind wir in der Lage uns in unseren Gegenüber hineinzuversetzen und mitzufühlen. Sie sind die Basis der nonverbalen Kommunikation und sorgen dafür, dass wir erleben, was andere fühlen und das in einer spontanen, inneren Simulation. Solche inneren „Simulationen“ können dazu führen, dass wir beim Betrachten einer Werbung ein imaginäres Produkterlebnis haben, weil die Spiegelneuronen dafür sorgen, dass der Kunde das Gezeigte nachempfindet und somit die Bedeutung eines Produktes implizit lernt. Es gilt


VI.1

126 UNSERE SINNE // Spiegelneuronen

»

Spiegelneuronen und die Kaufentscheidung: Unser angeborene Nachahmungstrieb ist einer der wesentlichen Erklärungsfaktoren dafür, warum wir kaufen, was wir kaufen. Erinnern sie sich noch an ein Produkt, welches sie als unendlich hässlich und unnütz empfunden haben es aber alle hatten? Und plötzlich gefiel es Ihnen auch und Sie mussten es haben. Das sind unsere Spiegelneuronen bei der Arbeit [118]. Und ich habe jetzt auch diese Crocs.

also nicht die Frage, ob das zu bewerbende Produkt in der Werbung gezeigt wird, sondern, wie es in Szene gesetzt wird, damit der Betrachter das bestmöglichste imaginäre Produkterlebnis erfahren kann. In der Werbung wirkt die Inszenierung des Konsumerlebnisses vor allem durch nonverbale Codes. Die Frau im Bikini muss nicht sagen, das der Strand und das Wasser auf Hawaii toll sind. Wir sehen ihren zufriedenen Gesichtsausdruck und wissen es. Und wir sind neidisch.

/// Es ist fast so, als ob Sehen und Tun das Gleiche wären [117]. ///


VI.1

127

CODES // Spiegelneuronen

hci tsib ud ĂŚ


VI.1

128 CODES // Spiegelneuronen

Ich bin du ĂŚ


VI.2

Bitte jetzt Lesen ...

wicht ige Infor matio nen

129 CODES // Die vier Zugänge ins Kundengehirn

...in das Gehirn des Kunden.

// die Vier wege... // I

n der Werbung kann man vier verschiedene Wege ausmachen, wie man Bedeutungen und Botschaften, durch Codes vermittelt, in das Gehirn des Kunden „pflanzen“ kann.


»

Sprache: Es gibt natürlich die Sprache. Aber Sprache setzt eine konzentrierte und bewusste Wahrnehmung des Werberezipienten voraus. Da unser Bewusstsein und unsere Aufmerksamkeit jedoch begrenzt ist, ist sie nicht der effektivste Weg um Botschaften und Bedeutungen zu transportieren. Dazu kommt, dass Sprache nicht nur das explizit Gesagte beinhaltet, sondern meist auch implizite und nonverbale Botschaften enthält. Sogar einzelne Buchstaben können mehr als nur explizite Bedeutungen transportieren. Zum Beispiel klingt der Vokal „a“ klar und kühl, das „u“ transportiert hingegen Schwere. Konsonanten wie „k“ oder „t“ klingen eher hart, „m“ oder „l“ dagegen wirken und

VI.2

klingen weicher.

130 /// Selbst Sprache bein-

(unser Unterbewusstsein)

haltet nicht nur Explizite,

reagiert auf implizite Be-

sondern auch implizite

deutungen und Botschaften

Aspekte wie zum Bei-

der sprachlichen Codes. Und

spiel der Wortklang. ///

genau den Autopiloten gilt es ja zu überzeugen. ///

»

... ---- .--. .-. .- ---- .

CODES // Die vier Zugänge ins Kundengehirn

/// Vor allem der Autopilot


VII2

131 CODES // Die vier Zugänge ins Kundengehirn /// Geschichten transportieren implizite, kulturell gelernte Bedeutungen, weit über das Offensichtliche und Explizite hinaus. ///

»»

Geschichten: Ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass Sie sich Tatsachen besser in Erinnerung rufen können,

wenn um sie eine Geschichte herum passiert ist? Mit Geschichten in der Werbung sind erzählte Geschichten und

gezeigte Episoden gemeint. Aber sie sind eigentlich genau das Gleiche. Geschichten um Tatsachen oder Botschaften

besser merkbar zu machen. Sie zielen auf unser „episodisches Gedächtnis“ ab, neuronale Netzwerke, die sich genau

um das Merken von Geschichten und Zusammenhängen kümmern. [121].

»»

--. . ... ---- .. ---- - . -.


»

Exkurs:

Die neuronale Grundlage des

episodischen Gedächtnisses:

Einmal im Ferienlager ...

Menschen lieben Geschichten, sie können sie sich leicht merken und auch leichter wiedergeben. Genau deswegen ist das „Story Telling“ in der Werbung so beliebt. Geschichten sind unter anderem auch gut als Bedeutungsträger, da sie durch die Spiegelneuronen „direkt“ miterlebbar werden [122].

VI.2

132 CODES // Exkurs: Die neuronale Grundlage des episodischen Gedächtnisses

Neuere Untersuchungen unterscheiden innerhalb unser Gedächtnisses ein episodisches Gedächtnis und ein Wissensgedächtnis, das sich auf Fakten bezieht. Das episodische Gedächtnis gilt als das am höchsten entwickelte Gedächtnissystem und ist deshalb bei Hirnschädigungen besonders anfällig. Die Speicherung dieses eigenen Gedächtnistyps wird dem Hippocampus zugeschrieben, das Wissensgedächtnis dagegen dem benachbarten entorhinalen, perirhinalen und parahippocampalen Kotrex (EPPC). Das episodische Gedächtnis ist stark an Emotionen geknüpft. Unter anderem auch durch die enge anatomische Verknüpfung zwischen dem Hippocampus und der Amygdala (siehe „Das Gehirn“). Geschichten werden als zeitlich geordnete Bedeutungsmuster gespeichert und damit auch gemerkt [120].


Hallo Herr Kaiser

Symbole haben für die Kommunikation zwei wesentliche Vorteile, erstens kommunizieren sie Botschaften besonders schnell und zweitens reagieren die meisten Menschen automatisch auf Symbole. Die Bedeutung und die damit einhergehende Handlungsweise haben wir gelernt und verinnerlicht. Es ist kein Nachdenken mehr nötig, denn die Symbole kommunizieren direkt mit unserem Unterbewusstsein, beziehungsweise dem Autopiloten. Das hört sich sehr kompliziert an, ist aber in der täglichen Umsetzung allzu bekannt. Zum Beispiel haben Autofahrer gelernt bei einer roten Ampel auf die Bremse zu treten und bei einer grünen Ampel auf das Gas. Es wird nicht mehr darüber nachgedacht und wir „befehlen“ unserem Gehirn auch nicht „Jetzt bremsen!“. Das läuft unterbewusst ab. Und genauso funktionieren die gelernten Symbole auch in der Werbewelt.

VI.2

133 CODES // Die vier Zugänge ins Kundengehirn

/// Symbole transportieren /// Ein Symbol, welches wir

implizite, kulturell gelernte

besonders in der Konsum-

Bedeutungen besonders

welt sehr verinnerlicht haben

effizient. Symbole können

ist das des Rabattschildes.

/// Genau wie Geschichten

unmittelbar Verhaltens-

Wir reagieren darauf, ob

sind Symbole eine uralte Art,

programme im Autopiloten

wir wollen oder nicht. ///

Bedeutung zu übertrage. ///

aktivieren [123]. ///


VI.2

134 CODES // Die vier Zugänge ins Kundengehirn

» »

... -.-- -- -... --- .-.. .

Symbole: Symbole bedeuten in diesem Kontext zum Beispiel die Protagonisten, wie Herr Kaiser oder der Fuchs von Spee, die Handlungsplätze, zum Beispiel das offene Meer, und die Markenlogos. Zu den Symbolen können auch noch andere Erscheinungsformen gezählt werden.


VI.2

135 CODES // Die vier Zugänge ins Kundengehirn

Sinnige Bedeutungsträger

Neben den erwähnten visuellen Codes kommen in diesem Zusammenhang auch die anderen Sinne zum tragen. Auch Geräusche übermitteln Codes. Das Knacken eines Kekses wird mit Frische assoziiert, der Geruch frisch gebackenen Brotes oder das flauschige Gefühl eines frisch gewaschenen Pullovers. All diese Aspekte beeinflussen und verändern unsere Wahrnehmung und das allgemeine Wahrnehmungsklima. Vor allem übertragen diese sensualen Codes aber Bedeutungen [124]. Es geht aber nicht einfach darum, die Sinne zu stimulieren um sie zu involvieren, sondern es geht darum die Sinne zu stimulieren, damit sie die „Bedeutungen“ in unser Gehirn übertragen. Die Frage ist natürlich immer, welche Bedeutung soll übertragen werden und was ist das auffällig unauffälligste Mittel dafür. Da unser Gehirn auf Kommunikation und auf nonverbale Kommunikation ausgelegt ist, ist es auch auf der Ebene der Sinne, besten vorbereitet auf das Erkennen von Mustern und „Botschaften“. Aber wie macht es das. Hier ein kleiner Exkurs. Im Gyrus angularis, in unserem Gehirn, laufen alle Sinnesdaten zusammen und er „sucht“ nach dem gemeinsamen Nenner, deswegen ist es enorm wichtig, treu zu sein, also dem Muster, das sich über alle Sinnesdaten hinweg und unabhängig von der Codierung des einzelnen Sinnes zeigt. Der Gyrus angularis sitzt an einem strategisch wichtigen Ort, nämlich dort, wo Partietallappan (Tastsinn, Körperwahrnehmung), Temporallappan

(Hören) und Okzipitallappan (Sehen) zusammenstoßen. Diese strategische Lage ermöglicht es der Hirnstruktur, aus der Verschiedenheit der einzelnen Sinnesmodalitäten abstrakte Muster und deren Bedeutung zu erkennen. Das Erkennen eines bedeutungsschwangeren Musters reicht aber dem Autopiloten nicht aus. Erst wenn die scheinbar „erkannte“ Bedeutung durch einen anderen Sinn, am besten durch zwei andere Sinne, bestätigt wird, ist es auch stark genug um eine Wirkung zu erzielen. Kommen durch alle Sinneskanäle unterschiedliche Muster an, verpuffen sie wirkungslos. Forscher nennen dieses Phänomen „Multisensory Enhancement“, also eine multisensuale Verstärkung, und meinen damit die Tatsache, dass Nervenzellen im Gehirn bis zu zehnmal stärker „feuern“, wenn sie über mehrere Sinne angesprochen werden. Dies ist keine bloße Rechenaufgabe, denn eins und eins ergibt in diesem Fall nicht doppelt, sondern zehnfach.


/// Je stimmiger die Bedeu-

VI.2

tung des multisensualen Musters, desto stärker die Wirkung im Gehirn [125]. ///

136 CODES // Die vier Zugänge ins Kundengehirn

/// Die Idee des 5-SinneMarketing ist nicht neu. Schon die Kirche benutzte unsere Sinne um Bedeutung

»

zu vermitteln und sich zu

/// Die sensorische Codie-

verkaufen. Zum Beispiel

rung einer Marke muss

Weihrauch oder der liebliche

über alle Sinne die gleiche

Chorgesang. Aber das Wort

Bedeutung transportieren.

„5-Sinne-Marketing“ ist

Erst dann entsteht die

zur Zeit furchtbar in. ///

maximale Wirkung [126]. ///

Sensuale Codes: Eine Zusammenfassung der Bedeutungsträger sensualer Codes liest sich ungefähr so: Farben, Lichtverhältnisse, Geräusche, Tonalität, Geruch, Temperatur, Typografie, Formen und Bildsprache. Es gibt fast unendliche Erweiterungen. Im Grunde ist alles, was Bedeutung von Codes zu uns transportieren kann, und auch als solches unterbewusst erkannt wird, als Bedeutungsträger möglich [127].

»

-- ..- .-.. - .. ... . -. ... --- .-. .. ... ----


VI.2

137 CODES // Die vier Zugänge ins Kundengehirn

A (.-) B (-...) C (-.-.) D (-..) E (.) F (..-.) G (--.) H (....) I (..) J (.---) K (-.-) L (.-..) M (--) N (-.) O (---) P (.--.) Q (--.-) R (.-.) S (...) T (-) U (..-) V (...-) W (.--) X (-..-) Y (-.--) Z (--..) Ä (.-.-) Ö (---.) Ü (..--) CH (----) Und das war das Morsealphabet.


VI.2

138

tung von Produkten und Marken nicht nur über die Werbung, sondern auch implizit über Produkt- und Markennutzer [130]. ///

Lerne den Code

/// Die Bedeutung von den Codes entsteht durch kulturelles Lernen [128]. ///

///Die Bedeutung der Codes ist von der Subkultur, also der Zielgruppe, abhängig. Erfolgreiche Markenkommunikation muss deshalb die für die Zielgruppe richtigen Codes einsetzen [129]. ///

Aber wie entsteht diese sagenumwobene „Bedeutung“ in unserem Gehirn? Denn unsere Sinne übertragen ja nur den Reiz, sind also nur Bedeutungslieferanten. Entpacken muss es das Gehirn. Zudem sind wir die einzigen Lebewesen, so zumindest die Meinung der Forscher, die ein und denselben Reiz, von Person zu Person, unterschiedliche Bedeutungen zuweisen. Zum Beispiel Chili. Ein Hochgenuss für Menschen die es mögen und auf Zungen-Rachen-Schmerzen stehen. Dagegen eher eine Folter, für Menschen, wie mich. Ein und derselbe Reiz und unterschiedliche Bedeutungen. Aber der Stoff an sich und die von ihm ausgelösten Reaktionen an den Sinneszellen bleiben gleich. Kennt unser Gehirn den Code, den die Sinne geliefert haben, nicht, kann es das Päckchen nicht entpacken. Deswegen muss es die verschiedenen Bedeutungen und Botschaften von Codes erst lernen. Das passiert meist unterbewusst und durch geschieht unsere soziale, kulturelle und gesellschaftliche Umgebung. Damit ist nicht nur das Land, in dem man aufgewachsen ist und lebt gemeint, sondern auch die verschiedensten Subkulturen, vom Rocker bis über den Kreativen zum Manager. Unser Unterbewusstsein, oder auch „Autopilot“ genannt, lernt die Bedeutung von Codes, also implizit. Das gilt nicht nur für das alltägliche Leben, sondern auch für dessen Bestandteil, die Werbung. Die Markenkommunikation und die Werbung haben also nun die Aufgabe Produkte und Marken mit kultureller und sozialer Bedeutung aufzuladen. Ähnlich wie eine Batterie. Ist das Produkt nicht geladen, vermittelt es keine Codes, keine Bedeutung, bleibt stumm. Den Verbraucher erreicht gar nichts und somit das Produkt auch nicht die Kasse. Um es mal einfach zu erklären.

Allerdings ist zu beachten, dass sich Codes im Laufe der Zeit verändern können. Standen früher Pelzmäntel für Wohlstand, Geschmack und eine gewisse Exklusivität, so stehen sie heute eher für gefolterte und bestialisch abgeschlachtete Tiere und „gewissenlose“ Trägerinnen und Träger. Für Produkte und Marken ist es wichtig mit Codes aufgeladen zu sein und diese dann auch zu vermitteln, damit wir sie implizit lernen können. Nicht nur, damit sie gekauft werden, sondern auch aus langfristigen Imagegründen, um dann noch mehr zu verkaufen. Aber „aufgeladene“ Marken und ihr Image sind nicht nur wichtig für den Hersteller oder die Werbetreibenden, sondern auch für die Verbraucher, für uns. Wir sind Herdentiere, waren wir schon immer, und auch durch die moderne Gesellschaftsstruktur hat sich das nicht geändert. In der heutigen Zeit gehörigen wir allerdings zu dem Stamm der Jurastudenten oder der Rocker. Natürlich wechseln wir auch zwischen Herden, aber prinzipiell kann man eine solche Zuteilung erkennen. Was ist nun aber wichtig an der Tatsache, dass Marken Codes vermitteln und wir Herdentiere sind. Nicht nur, dass jeder von uns eine einnehmende Persönlichkeit hat und uns darüber auch definieren, nein, wir definieren uns auch über Marken und Produkte und wir wollen auch zeigen, wie wir uns selbst definieren. Sozialpsychologen nennen dieses Phänomen „symbolische Selbstergänzung“. Man ist einfach kein Designer, ohne einen Apple. Nutzer eines Produkts transportieren dessen Bedeutung sehr effizient. Je wichtiger diese Produktkategorie für unser eigenes Selbstbild ist, desto bedeutender ist das Bild der Nutzer. Auch aus diesem Grund sind die Protagonisten und deren Inszenierung in den Werbemitteln so wichtig. Wir sollen uns ja damit identifizieren.

CODES // Lerne den Code

/// Wir lernen die Bedeu-


VII. (Kauf)entscheidung


VII.1

140

// WAS uns im Inneren antreibt // /// „cogito ero sum – Ich denke, also bin ich“, Ausspruch von Descartes [131]. ///

E

ntscheiden Sie auch immer völlig emotionslos und rational? Ja? Komisch, außer Ihnen macht das im Grunde keiner. Wir denken, dass wir das tun, aber wir tun es im Grunde nicht. Den „homo oeconomicus“, auf den wir uns lange berufen haben, den rational entscheidenden, modernen Menschen, den Nachfolger des homo sapiens. Ja, den, den gibt es nicht. Wir entscheiden nicht rational, wir erklären es, nach der Entscheidung nur rational (siehe auch „Drei Hierarchien-von-Effekten Modelle“), damit wir es selbst verstehen, was wir da gerade eben gemacht haben. Aber eigentlich entscheiden unsere inneren Bedürfnisse und unterbewussten Motive. Natürlich nicht immer, das wäre ineffizient. Nicht jede Ansprache eines unterschwelligen Motivs durch Bedeutung führt direkt zu Verhalten. Nein, eine Bedeutung reicht nicht aus. Es muss die sein, die uns mitten in unsere eigenen Bedürfnisse trifft. Dadurch entsteht die nötige Energie um Kaufverhalten auszulösen. Prinzipiell, und sehr grob ausgedrückt, aktivieren vor allem Emotionen das menschliche Verhalten, nicht der Geist. Sie bestimmen unsere „Handlungsbereitschaft“. So ist es vorrangiges Ziel des Marketings einem Produkt, über seinen bloßen Gebrauchswert hinaus, einen Erlebniswert, einen Zusatznutzen, zu verschaffen und diesen auch, durch implizite Codes und Gefühle, zu vermitteln.

(KAUF)ENTSCHEIDUNG // Was Kunden antreibt

Unsere Bedürfnisse in Pyramidenform.


VII.1

141 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Was Kunden antreibt

Bedürfnispyramide und „Zürcher Modell der Motivation“

Es gibt verschiedene Modelle, um die Motivationen eines Menschen zu begreifen und zu beschreiben. Ein immer wieder zitiertes Beispiel ist die Maslow’sche Bedürfnispyramide. Nach diesem Modell bilden die menschlichen Bedürfnisse „Stufen“ und bauen so aufeinander auf. Nach dieser Theorie versucht der Mensch zuerst die untersten Bedürfnisse zu stillen, bevor er zur nächsten „Stufe“ übergeht. Diese Pyramide gliedert sich folgendermaßen:

»

/// Die Maslow’sche Bedürfnispyramide, eigentlich Bedürfnishierarchie genannt, beruht auf dem Modell des amerikanischen Psychologen Abraham Maslow (1943-1970). ///

5. Selbstverwirklichung, also Individualität, Talententfaltung, Perfektion, Erleuchtung

»

4. Individualisierungsbedürfnis, das heißt soviel wie die Erhöhung des eigenen Status, Respekt, Annerkennung und Lob, Wohlstand, beruflicher und privater Erfolg, mentale und körperliche Stärke.

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3. Soziale Bedürfnisse, auch Anschlussmotiv genannt, wie Familie, Freunde, Partnerschaft und Liebe, Kommunikation, Intimität,

»

2. Sicherheit, also Recht und Ordnung, Schutz vor Gefahren, ein festes Einkommen, eine Unterkunft

»

1. Physiologische Bedürfnisse wie Atmen, Schlafen, Essen, Wärme, Kleidung, Bewegung


VII.1

142 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Was Kunden antreibt

/// Das „Zürcher Modell“ wurde von dem Psychologen Norbert Bischof entwickelt. Es integriert Erkenntnisse der Hirnforschung, der Verhaltensforschung, der Evolutionslehre, der Entwicklungs- und Motivationspsychologie [132]. ///

Die unteren drei Bedürfnisse, und einen Teil der vierten Stufe der Pyramide, werden auch als Defizitbedürfnisse bezeichnet. Diese Grundbedürfnisse müssen befriedigt werden, damit der Mensch zufrieden ist, und wenn sie erfüllt sind, hat man keine Motivation sie weiter zu erfüllen. Also nicht falsch verstehen, das heißt nicht, dass man nur einmal im Leben essen muss. Nein es bedeutet eher, dass man, nachdem man gegessen hat, man hatte ja Hunger, also ein Defizit, satt ist und keine Motivation hat immer mehr zu essen bis man platzt. So weit so logisch. Teilweise noch die vierte, aber vor allem die fünfte, Stufe dieser Pyramide werden als „unstillbare“ Bedürfnisse bezeichnet. Den Wunsch nach „Selbstverwirklichung“ zu befriedigen ist aber auch schwer. Ein Künstler ist ja auch nicht nach nur einem Bild zufrieden und hängt seinen Kittel an den Nagel. Diese Bedürfnispyramide wird heute noch sehr oft in der Verkaufspsychologie verwendet, was nicht immer ganz korrekt ist. Denn dabei darf man nicht vergessen, dass diese Bedürfnisse nicht immer an diese Pyramide geknüpft sind. Zum Beispiel erfüllen wir, wenn wir Essen nicht immer nur das Bedürfnis nach „nicht verhungern“. Essen kann auch regulative, expressive und soziale Komponenten und Bedürfnisse enthalten und befriedigen [133].

Ein anderes, differenzierteres Modell der Motivation des Menschen ist das „Zürcher Modell der sozialen Motivation“. Bei diesem Modell stehen drei grundlegende Motivsysteme im Vordergrund, das „Sicherheitssystem“, das „Erregungssystem“ und das „Autonomiesystem“. Diese drei Systeme bedingen sich gegenseitig. Zum Beispiel, wenn die Autonomie (das Autonomiesystem) zunimmt, nimmt auch die Abenteuerlust (das Erregungssystem) zu, aber das Sicherheitsbedürfnis nimmt ab. Es ist einerlei welche Theorie man bevorzugt, prinzipiell kann man aber sagen, dass man Motive nicht erzeugen kann. Sie sind schon in uns angelegt. Von Geburt an haben wir Bedürfnisse und Motive. Werbung kann also in diesem Sinne den Rezipienten keine Motive in die Köpfe schleusen. Sie sind schon da, eventuell schlafend, aber da. Das ist die Aufgabe der Werbung, an bestehende Motive anknüpfen indem sie Bedeutungen durch Codes transportiert.

/// Codes schlagen die Brücke zwischen Produkt und Motiv. Ohne den Anschluss an Motive bleibt der Kauf aus. Codes laden deshalb Produkte und Marken nicht nur mit Bedeutung auf, sondern sie sind für den Anschluss an die relevanten Motive verantwortlich [134]. ///


VII.1

143 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die drei Motive des Menschen

Sie sind immer da, begründen unser Verhalten und sind doch verschieden.

// Die drei motive des Menschen // D

as „Zürcher Modell der sozialen Motivation“ geht von drei elementaren Motiven in uns Menschen aus. Diese drei, grundlegenden, Motive werden schon in den ersten Lebensjahren angelegt und fangen damit an sich auszuprägen. Natürlicherweise dominiert bei einem Säugling das „Sicherheitsmotiv“, aber an diesem Beispiel kann man die Macht der unterschiedlichen Ausprägungen erkennen. Es gibt Nestflüchter, die lieber die Welt erkunden und es gibt Kinder, die lieber ganz nah bei Mama bleiben. Die Motive, die in den ersten Jahren angelegt und ausgeprägt wurden, werden uns, das ganze

Leben lang, begleiten. Genau diese drei. Wir alle haben diese Motive in uns, auch wenn sie durch unterschiedliche Erfahrungen und Charaktere unterschiedlich stark in den Vordergrund treten [135]. Wichtig bei diesem System der Motive ist noch zu Erwähnen, das sie unterbewusste Motive darstellen. Also die selbstreflektierende, eigene Aussage über die eigene Motivation muss sich nicht immer mit den wahren Motiven des eigenen Handelns decken.

/// Bei diesem Modell steht der Aspekt „sozial“ im Vordergrund und da unser Gehirn auf soziale Interaktion spezialisiert ist... ///


VII.1

144 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die drei Motive des Menschen

»

Das Sicherheitssystem: Das Sicherheitssystem steht für das Streben nach, wie der Name es vermuten lässt, Sicherheit und Geborgenheit. Insbesondere bei vertrauten Menschen, wie bei der Familie oder bei einem engen Freundeskreis. In dieses System gehört auch das Fürsorgemotiv, also das „helfen wollen“, vor allem das Unterstützen der eigenen Familie.


VII.1

145 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die drei Motive des Menschen

»

Das Erregungssystem: Das Streben, nach Abwechslung, etwas neuem und aufregendem. Das Streben hin zu anderen, fremden Menschen und das damit einhergehende Ablösen und Abnabeln von der eigenen Familie. Im „Erregungssystem“ ist auch die Funktion der „Genvermischung- und ausbreitung“ untergebracht. Ein weiterer Aspekt ist der ausgeprägte Spieltrieb.


VII.1

146 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die drei Motive des Menschen

»

Das Autonomiesystem: Das Streben nach Unabhängigkeit, Freiheit, nach Durchsetzung gegenüber anderen, nach Kontrolle und Macht. Dieses Motivsystem bündelt eine ganze Reihe von Einzelsystemen, alle leicht egoistischer Natur. Auch das Streben nach Leistung und Selbstbeherrschung ist hier verankert. Das Gegenteil eines ausgeprägten Autonomiesystems wäre zum Beispiel die totale Abhängigkeit, von einem spirituellen Guru oder ähnlichem. Im „Normalfall“ ist das Gefühl, die Dinge selbst zu bestimmen, fundamental wichtig für unsere psychische Gesundheit. Ergo ist die Abhängigkeit, beispielsweise von einem Guru, nicht gesund.


VII.1

147 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die drei Motive des Menschen /// Für das Neuromarketing ist diese Modell wichtig, da es die Grundlagen des

/// Wissenschaftler haben

menschlichen Handelns

festgestellt, dass eine eigene

offen legt und mit Fakten aus

Region im Stirnlappenkortex

verschiedenen Wissen-

/// Motive sind Triebfedern

(Brodman-Areal 10), aktiviert

schaftsdisziplinen belegt. Es

unseres Handelns, Ehrgeiz,

wird, wenn wir Produkte

ist deshalb auch nicht über-

/// Traditionell sprechen die

Hunger, Neugier oder das

erblicken, die wir „echt cool“

raschend, dass sich die zen-

Hirnforscher eher von Emo-

Bedürfnis nach Geselligkeit

finden. Dieses Areal hängt

tralen Aussagen, also dass

tionen und die Psychologen

sind solche Antriebe. Wir

mit der Selbstwahrnehmung

es drei große Motivsysteme

eher von Motivation, die

erleben Ungleichgewichte

und sozialen Emotionen

im Menschen gibt mit den-

beiden Begriffe nähern sich

in den Motiven in Form

zusammen. Daraus folgt,

jenigen der modernen Hirn-

jedoch an. Denn sie sind zwei

von Emotionen, Stimm-

dass wir, bewusst oder auch

forschung decken [136]. ///

Seiten derselben Medaille. ///

ungen oder Gefühlen. ///

unbewusst, Dinge, wie ein iPhone und dergleichen,

Diese ausgemachten Motive geben also den Rahmen vor, in dem wir agieren und versorgen „Kunden“ mit der nötigen (Kauf)Energie. Sie bilden zudem einen wichtigen Ankerpunkt für die Wahrnehmung von Produkten und Marken. Genauer gesagt bilden sie eine Art Bezugspunkt und verändern somit unsere Wahrnehmung. Ein Beispiel hierfür: Ein junger, abenteuerlustiger Mensch hat Lust auf Bier. Seltsamerweise erscheint ihm Beck’s interessanter und größer als Bitburger. Und warum? Starke Marken knüpfen durch ihre Codes an unseren Motiven an und verschieben so unsere Wahrnehmung, sodass die eine Marke wichtiger erscheint, als eine andere.

hauptsächlich nach ihrem Potenzial beurteilen, unseren gesellschaftlichen Status zu erhöhen [137]. ///


VII.1

148 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die drei Motive des Menschen


VII.1

149

(KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die drei Motive des Menschen


VII.1

150 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die drei Motive des Menschen


VII.1

151 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die drei Motive des Menschen

Die Motive Im Überblick

»

Das Sicherheitssystem strebt nach Vertrautheit, Anschluss und Geborgenheit. Ein weiterer Aspekt dieses Systems ist die Fürsorge, zum Beispiel für die Familie. Eine typische Automarke für das Sicherheitssystem wäre zum Beispiel ein Volvo („Sicherheit aus Schwedenstahl“). In der Hirnforschung wird dieses System als Angst- oder auch Paniksystem bezeichnet.

»

Das Erregungssystem strebt nach Neuem, nach neuer Stimulation und Veränderung. Der Spieltrieb ist ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Systems. Ein Abenteuerurlaub wäre genau das richtige. Eine typische Automarke wäre ein BMW („Freude am Fahren“). In der Hirnforschung nennt man dieses System das Suchsystem („Seeking“).

»

Das Autonomiesystem strebt nach Macht, Geltung und Leistung. Der eigene Selbstwert ist hierbei sehr wichtig. Unter einer wichtigen Führungsposition wird dieses System nicht glücklich. Eine typische Automarke könnte zum Beispiel eine Audi sein („Vorsprung durch Technik“). In der Hirnforschung wird dieses System auch Wutsystem („Rage“) betitelt [138].


VII.2

152

// warum wir kaufen // W

ie wirken sich nun diese drei Grundmotive auf unser Verhalten aus? Vor allem auf unser Kaufverhalten. Prinzipiell gilt, dass alle drei Motive in uns vorhanden sind, ihre Ausprägungen von Person zu Person allerdings verschieden sind. Diese unterschiedlichen Ausprägungen bestimmen auch zu einem großen Teil unsere Persönlichkeit. Kreativen Menschen spricht man häufig zu besonders neugierig zu sein („Erregungssystem“), andere Persönlichkeiten wiederum sind eher auf das eigene Durchsetzungsvermögen aus („Autonomiesystem“). Für wieder andere ist es die Erfüllung, anderen Menschen zu helfen („Sicherheitssystem“). Wir unterscheiden uns grundlegend in der Ausprägung, also in den Sollwerten der verschiedenen Motiven. Das heißt, jeder von uns benötigt einen anderen Sollwert in Bezug auf Sicherheit, Erregung und Autonomie um „glücklich“ zu sein. Diese Grundwerte bleiben im Lauf unseres Lebens stabil, wir ändern ja auch nicht stündlich unseren Charakter. Aber, auch wenn uns eines der Motive sehr stark bestimmt, gilt das nicht in jeder Situation des Alltags. Ein Beispiel. Ein Sozialarbeiter ist sehr von dem Sicherheitssystem bestimmt. Er will helfen, doch auch er wird „aggressiv“, wenn seine Autonomie eingeschränkt wird, zum Beispiel, wenn sich jemand in einer Warteschlange vor ihn drängelt. Unsere Motive sind mal minder mal mehr aktiv, sie unterliegen einer ständigen Dynamik und das heißt, dass wir nicht immer nur von einem Motiv beherrscht werden. Es gibt also einen Unterschied zwischen den „persönlichkeitsmarkierenden“ Motiven, die im Laufe

unseres Lebens sehr stabil sind, und den „situationsabhängigen“ Motiven [139]. Jedes der drei Motive ist im Laufe der Woche mal aktiv, je nach Situation. Im Alltag bestimmt die Situation den Istwert der Motive und der Autopilot vergleicht diesen Wert ständig mit dem eigentlichen Sollwert der Motive, bei dem man „glücklich“ ist. Ein Ungleichgewicht in den Motiven fällt sofort auf. Nun ist der Autopilot darauf getrimmt uns „glücklich“ zu machen und er sucht nach einer Möglichkeit, dieses entdeckte Ungleichgewicht wieder gerade zu biegen, also in den Sollwert zu bringen. Das Ergebnis aus diesen Bemühungen ist, einfach gesagt, Verhalten. Wir tun etwas. Zum Beispiel kaufen wir etwas. Das Kaufen von bestimmten Marken und Produkten soll dieses Ungleichgewicht wieder ins Lot bringen. Daraus folgt, dass Marken und Produkte demnach nur eine Funktion haben: Sie sollen ein drohendes Ungleichgewicht in unseren Motiven ausgleichen oder auch verhindern.

/// Das Verhalten der Kunden wird von persönlichkeitsmarkierenden Motiven bestimmt, die über die Zeit stabil sind, als auch von situationsabhängigen Motivlagen und Stimmungen. Diese beiden Aspekte – die kurzfristige Verfassung und die stabile Einstellung – gilt es im Marketing zu berücksichtigen. ///

(KAUF)ENTSCHEIDUNG // Motive steuern unser (Kauf)verhalten

Unsere Motive steuern unser (Kauf)verhalten.


VII.3

153 UNSERE SINNE // Trait-Produkte

Konsum reguliert unsere Motive.

// was wir kaufen // E

in Motiv funktioniert also wie ein Konto. Ist es im Minus wird alles dafür getan, es wieder aufzuladen. Das geschieht durch Verhalten und Kaufverhalten. Nach einem langen harten Arbeitstag, voll wichtiger Entscheidungen und Autonomie, greift, zum Beispiel, der hochdekorierte Manager zu seinem Handy und schreibt eine SMS nach Hause. Er sei gleich da. Obwohl er wirklich gleich da wäre und persönlich „Hallo“ sagen könnte, aber durch diese SMS füllt er sein Geborgenheitskonto auf, sein Sicherheitsmotiv ist im Laufe des Tages ins Minus geraten. Daraus folgt, das Verhalten also dann entsteht, wenn mindestens eins unserer Motive im Ungleichgewicht ist und wieder aufgeladen werden muss. Diese situationsabhängige Motivlage heißt „Verfassung“. Und diese Verfassung ist im Laufe unseres Lebens nicht stabil, wie unsere persönlichkeitsmarkierenden Motive, sondern kann sich stündlich ändern. Produkte und Marken kommen also an zwei Stellen ins Spiel. Erstens um unsere langfristigen Motive zu bedienen und zweitens um aus dem Gleichgewicht geratene Motive wieder ins Lot zu bringen. Daraus folgt, dass es einige Produkte gibt, die als Persönlichkeitsmarkierer dienen und andere wiederum, die als Verfassungsbediener dienen. Ob ein Produkt als das eine oder als das andere fungiert bestimmt aber alleine der Kunde und sein Geldbeutel.

Die Persönlichkeitsmarkierer

Ein klassisches Beispiel eines „Persönlichkeitsmarkierers“ ist ein Auto. Ein Auto kauft man nicht aus einer Laune heraus, außer man ist ein Millionär, dann schon. Aber der Ottonormalverbraucher nicht. Der Kauf eines Autos zahlt also langfristig auf unser Motivkonto ein, und zwar auf unser persönlichkeitsmarkierendes Motiv. Der Kauf eines Mercedes zum Beispiel zahlt auf das Autonomiekonto ein. Dabei gleicht dieser Kauf nicht nur ein ins Ungleichgewicht geratenes Konto aus. Das Motivkonto muss gar nicht im Minus sein um ein „Trait-Produkt“ (Persönlichkeitsmarkierer) zu kaufen. Es soll verhindern, dass es jemals ins Ungleichgewicht kommt. Es ist ein Vorsorgekauf. In diesem Zusammenhang entsteht auch Kundenloyalität. Zum Beispiel. Ein autonomieorientierter Kunde kauft meist BOSS-Schuhe. Er tut dies aber nicht, weil sein Konto immer im Minus ist, sondern weil er untergründig, und damit meine ich den Autopiloten, die Angst hegt, dass

er ins Minus geraten könnte, falls er eine andere Marke einkauft. Die Marke ist so mit dem Motiv gekoppelt, dass der Kauf einer anderen Marke das Konto ins Minus führen würde. Der Autopilot gaukelt dem Käufer in dieser Situation rationale Argumente wie Qualität und Design vor, reagiert aber selbst auf die impliziten Codes der Marke. Die Markenkommunikation hat also die Aufgabe, eine Marke über die expliziten und auch impliziten Codes so an die drei Motive anzuschließen, dass sie für die Zielgruppe langfristig relevant ist [140]. /// Starke Marken werden unabhängig vom Produkt zu Persönlichkeitsmarkierern, indem sie an die langfristigen Motive der Zielgruppe angeschlossen sind. ///


VII.3

154

...um komplett zu wirken?

(KAUF)ENTSCHEIDUNG // Konsum reguliert unsere Motive

Was brauche ich...


VII.3

155

...um komplett zu sein?

(KAUF)ENTSCHEIDUNG // Konsum reguliert unsere Motive

Was brauche ich...


VII.3

156 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // State-Produkte

Die Verfassungsbediener

Neben den Trait-Produkten gibt es natürlich auch Produkte, die die aktuelle Verfassung und unsere stimmungsabhängigen Bedürfnisse bedienen. Deren Konsum ist vom aktuellen Zustand der Person abhängig. Wir können uns ja nicht jedes Mal ein Auto kaufen um unser Konto aufzufüllen. Diese Produkte nennt man auch „StateProdukte“, von „state“=Zustand. State-Produkte dienen einer kurzfristigen Regulierung von Ungleichgewichten in unseren Motiven. Ein typisches Beispiel hierfür ist ein Schokoriegel. Mit diesem Schokoladenriegel, den ich gerade esse, mache ich üblicherweise kein Statement über meine Persönlichkeit. Meistens jedenfalls. Der Kauf eines Schokoriegels hängt nicht vom Sollwert eines Motivs ab, sondern von der jeweiligen Stimmung. Habe ich, zum Beispiel Lust auf eine Pause, nehme ich ein KitKat, habe ich das Gefühl mich durchbeißen zu müssen, dann vielleicht lieber ein Lion.

Bei der Vermarktung eines State-Produkts kommt es also darauf an, welche Verfassungen vorliegen und welche das Produkt bedienen kann und will. Die eigene Vorliebe des Produkts, welche Verfassung es am liebsten bedienen möchte, hört man meist schon aus seinem Slogan heraus. „Have a break, have a KitKat“ oder „Morgens um halb 10 ...“, na? Aber man muss aufpassen, bei der Ansprache der Motive, seien es nun aktuelle Verfassungen oder Persönlichkeitsmarkierer. Kunden haben es nicht so gerne, wenn sie direkt auf ihre unterschwelligen Motive angesprochen werden. Man sagt der Hausfrau nicht, dass sie Maggi nehmen soll, weil es ihr beim Kochen hilft und sie weniger zu tun hat. Nein, man sagt zum Beispiel, dass es dadurch besser schmeckt [141].


VII.4

157 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Wie wir kaufen

Unser Kaufverhalten unter die Lupe genommen.

// Wie wir kaufen // /// Subtile Markensignale lösen Verhaltensprogramme aus, ohne das die Kunden sich darüber bewusst sind oder gar Auskunft darüber geben könnten [142]. ///

D

as „Warum“ und das „Was“ haben wir nun geklärt, aber „Wie“ kaufen wir jetzt nun genau ein? Das wir immer genau abwägen, was in unser Einkaufskörbchen wandert ist nicht wahr. Jeder kennt das. Meist gibt es keine rationalen Gründe für das eine oder andere Produkt, aber wenn uns jemand fragt, dann schon. Keiner legt gerne seine inneren Motive und Gedankengänge offen. Meist auch deswegen, weil man es selbst nicht genau weiß. Tatsächlich zeigen Studien, dass schon die minimalsten Signale und Codes ausreichen, um Kunden zum Handeln zu bewegen. Ohne, dass diese die Signale bewusst benennen könnten. Aber wie ist es möglich, dass wir so leicht zu beeinflussen sind? Die Antwort hierauf liegt auch wieder in unserem Gehirn und seinen circa 11 Millionen Bits, die es unterbewusst wahrnimmt. Diese Informationen nimmt es anscheinend nicht nur wahr, sondern sie lösen auch spontanes Verhalten aus. Neurowissenschaftler nennen das

Auslösen solcher Verhaltensprogramme durch implizite und unterschwellige Codes „Priming“ (Bahnung). Markenkommunikation kann also den Kunden implizit „primen“ [143]. Ein gutes Beispiel für dieses implizite Auslösen von Verhalten ist „Zitrusduft“. Unser Gehirn verbindet Zitrusduft mit Reinlichkeit und Sauberkeit. Die Bedeutung dieses Codes hat es gelernt. In einer Studie wurde getestet wie sich der Duft von „Zitrus“ auf unser Verhalten auswirkt. In dieser Studie gab es zwei gleiche Wartezimmer angefüllt mit Probanden. In dem einen Zimmer wurde Zitrusduft gesprüht und die Probanden reagierten unterbewusst darauf. Sie verhielten sich „reinlicher“ als in dem Wartezimmer ohne Zitrusduft.


VII.4

158 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Der innere Monolog

/// Sich entsprechend den Maximen des homo oeconomicus zu verhalten, ist keine Garantie für Erfolg. Es muss nicht einmal bedeuten,

/// Subtile, implizite Codes

dass man zwangsläu-

steuern das Verhalten, nicht

fig immer die „richtige“

die reflektierten Kosten-Nut-

Entscheidung fällt [144]. ///

zen-Abwägungen [145]. ///

Diesen Code, und das damit einhergehende Verhalten, haben wir implizit gelernt, also ohne Aufmerksamkeit. Daraus folgt, dass wir Codes, quasi im Vorbeigehen, lernen und man kann auch daraus folgern, wie falsch die Annahme des AIDA-Modells ist. Dieses besagt ja, ohne Aufmerksamkeit keine Kommunikationswirkung. Aber Kommunikation mit Codes kann auch gänzlich ohne Aufmerksamkeit wirken. Sie wirkt auch wenn sich die Kunden nicht daran erinnern [146].

/// Markenkommunikation wirkt auch, wenn sich die Kunden nicht bewusst daran erinnern. ///

Der innere Monolog

Spielen wir einfach mal eine typische Einkaufssituation gedanklich nach. Zum Beispiel stehen wir vor der Kühltheke und wollen einen Frischkäse kaufen. Die meisten Kunden brauchen für ihre Wahl gerade einmal zwei Sekunden. Sie nehmen, zum Beispiel, einen „Exquisa“ mit und gehen weiter zur nächsten Warengruppe und zum nächsten Punkt ihres Einkaufszettels. War dies nun eine rationale Entscheidung? Wenn ja, dann hätte sich der Gedankengang vermutlich so angehört:


VII.4

159 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Der innere Monolog

»

„ Bresso ... die Konsistenz ist ein bisschen zu locker und luftig ... Philadelphia ... damit hat meine Oma früher Kuchen gebacken, also wohl weniger ein Brotaufstrich ... Die Eigenmarke kaufe ich nicht. Sie kostet 30 Cent weniger, das macht mich misstrauisch. Meiner Erfahrung nach, bedeutet ein höherer Preis auch bessere Qualität ... Du darfst? Die werben doch immer damit, dass man es für Saucen verwenden kann ... Habe ich da neulich nicht gelesen, dass man trotz aller dieser kalorienreduzierten Produkte nicht abnimmt, also, was soll’s ... Exquisa ... wie war das noch mal: „Mmmh, Exquisa – keiner schmeckt mir so wie dieser“. Genau. Mir kommt es auf den Geschmack an...“ [147].

Das ist in etwa der unbewusste Dialog, der sich bei jeder Kaufentscheidung in unserem Gehirn abspielt. Bewusst würde uns dieser „Innere Monolog“ nur, wenn wir ihn laut aussprechen würden. Aber unser Gehirn hat eine ganze Reihe von gedanklichen Abkürzungen geschaffen, die uns helfen, schnelle Kaufentscheidungen zu treffen (siehe „kortikale Entlastung“). Genau bedeutet das, dass wenn wir Kaufentscheidungen treffen, unser Gehirn blitzschnell eine riesige Menge an Erinnerungen, Fakten und Gefühlen sichtet und daraus eine rasche Antwort formt – binnen Sekunden wird daraus bestimmt, was im Einkaufskorb landet und was nicht. 50 Prozent, aller Entscheidungen im Supermarkt, fällen wir unbewusst, diese Fähigkeit verdanken wir auch den somatischen Markern.

somatische MArker

Aber wie entstehen diese somatische Marker? Stellen wir uns einmal folgende Situation vor. Ein Kind kommt von der Schule nach Hause, geht in die Küche und bemerkt, dass etwas wunderbar duftet. Es geht zum Ofen und entdeckt, dass der verlockende Duft aus einer Glasschüssel im Ofen kommt. Um herauszufinden, was diese Schüssel enthält macht es den Ofen auf und möchte die Schüssel zu sich heran ziehen, aber in diesem Augenblick, indem es die Schüssel anfasst, verbrennt es sich die Finger. Nach ein paar Tagen sind die Verbrennungen wieder abgeheilt, aber


VII.4

160

Sehr beliebt.

(KAUF)ENTSCHEIDUNG // Somatische Marker

Lautlose Selbstgespr채che.


VII.4

161 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Somatische Marker

das Kind wird nie vergessen, dass es sich die Finger verbrannt hat. Und auch unser Gehirn nicht. Ohne unser Zutun hat das Gehirn eine Gleichung aufgestellt in der die Variablen „Ofen“, „heiß“, „Fingerspitzen“ und „furchtbare Schmerzen“ auftauchen und in eine Reihung gebracht werden. Durch die Verbindung von Dingen, Körperteilen und Empfindungen entsteht in unserem Gehirn etwas, was Antonio Damasio als „somatischer Marker“ bezeichnet. Sie sind eine Art Lesezeichen für den Schnellzugriff in unserem Gehirn. Aufbauend auf früheren Erfahrungen, mit Belohnung und Bestrafung, sorgen diese Marker für eine Verbindung zwischen einem Erlebnis, einem Gefühl und einer angemessenen Reaktion darauf. Sie helfen uns, sofort die möglichen Reaktionen auf eine Situation einzugrenzen und einzuschätzen. Sie leiten uns somit zu einer SituationsEntscheidung, von der wir wissen, dass es uns zum „Besten“, am wenigsten unangenehmen Ergebnis für uns, führen wird. Im Laufe unseres Lebens sammeln wir solche Erlebnisse und die dazugehörigen Marker. Wenn uns nun jemand fragt, warum wir wissen, dass es gefährlich ist einen Kopfsprung in einen See zu machen, oder einfach die Hand in Richtung eines knurrenden Schäferhundes zu strecken, wissen wir es nicht. Das weiß man halt. Es sei natürlich noch erwähnt, dass somatische Marker auch entstehen können, wenn wir etwas nicht selbst erlebt haben, sondern nur etwas miterlebt haben, was

anderen Menschen passiert ist. Warum das so ist. Dafür sind natürlich die Spiegelneuronen verantwortlich. Diese kognitiven Lesezeichen entstehen auch im Bezug auf Marken und Produkte. Je mehr somatische Marker unser Gehirn anhäuft, sei es im Bezug auf Shampoo, Yoghurt oder Kaugummi, desto mehr Entscheidungen sind wir in der Lage zu treffen. Ohne somatische Marker könnten wir uns überhaupt nicht entscheiden. Auch nicht einparken, sicher über die Straße gehen oder gar Fahrrad fahren. Das sind alles Vorgänge, die unbewusst geschehen, ohne, dass wir bewusst nachdenken müssten. Somatische Marker entlasten uns im Alltag. Da die somatische Marker auf Erfahrungen mit Belohnungen und Bestrafungen basieren, kann Angst natürlich sehr eindringliche Marker erschaffen. Manche Werbetreibende scheuen nicht davor zurück mit dieser Angst zu werben. Sie machen sich unser verletzliches, unsicheres und gestresstes Naturell zunutze. Oder haben Sie keine Angst davor etwas zu verpassen? Oder, dass kleine, ekelerregende Bakterien in ihrer Toilette wohnen? Die Werbung für so gut wie jede Warengruppe spielt indirekt oder direkt mit unserer Angst [148].


Verschiedene Entscheidungsund Einkaufstypen

Äußerlich gesehen gibt es verschiedenen Arten des „Kaufs“, also was, warum und weshalb wir etwas kaufen. Dabei kann man grob vier verschiedene Arten unterscheiden:

VII.4 »

Extensiver Kauf: Beim extensiven Kauf ist der Käufer noch unentschlossen und sucht daher nach Informationen und Vergleichen. Er ist hoch involviert. Er erwartet nennenswerte Produkt- und Markenunterschiede und ist der Werbebotschaft gegenüber verhältnismäßig aufgeschlossen. Ein typisches Beispiel für diese Kaufart ist der

162

Kauf eines Autos. Man informiert sich über verschiedene Marken, Modelle und Ausstattungen, damit man „rational“

(KAUF)ENTSCHEIDUNG // Der extensive Kauf

entscheiden kann. Kleine Dinge, wie zum Beispiel Schokoriegel werden kaum extensiv gekauft. Der extensive Kauf lässt sich grob in vier Phasen unterteilen, in jeder dieser Phase hat die Werbung die Möglichkeit den motivierten Käufer nachhaltig anzusprechen, und sollte dies auch, vor allem beim nachhaltigen Gebrauchsgüterkauf, auch tun.

1. Phase Kaufinteresse: In dieser Phase bekunden Kunden erstmals ihr Interesse, schätzen die Kaufwahrscheinlichkeit hoch ein und halten sich für einigermaßen informiert.

2. Phase Wunschphase: Diese Phase hat meist besondere Auslöser. Man könnte sie auch als wellenförmigen Übergang zwischen Interesse und Wunsch beschreiben. Auslöser für diese Phase könnte sein: „Mein Nachbar hat sich gerade auch einen gekauft“, „Mein Alter versagt hin und wieder“, etc. Je höher diese Auslöserwelle schwappt, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Konsument in die nächste Phase eintritt. Die Entscheidungsphase. Die Wunschphase ist etwas kniffelig, denn dass die Wunschphase in die Entscheidungsphase eintritt ist natürlich nicht immer gegeben.

3. Phase eigentliche Entscheidungsphase: Erst in dieser Phase beginnen „bewusste“ Prozesse der Entscheidung. Selbst bei größeren Investitionen, etwa bei Gebrauchsgütern, hier zum Beispiel ein Auto, kann diese Phase sehr kurz ausfallen. Es komm manchmal zu einer Art Tunneleffekt, in der eine Massenwerbung kaum mehr beeinflusst, da der Kunde sich vorher schon sehr ausgiebig informiert hat und Meinungsänderungen sehr selten sind.

4. Phase Bestätigung: Auch diese Phase gehört zum Kaufprozess. Nach der Entscheidung und dem Kauf sind Konsumenten weiterhin sehr offen für weitere Informationen, die ihre Entscheidung unterstützen. Diese Phase sollte mit sogenannter „Nachkaufwerbung“ unterstützt werden. „Nachkaufwerbung“ kennen wir alle. Zum Beispiel Autowerbung. Sie unterstützt den Käufer bei seiner bereits getroffenen Entscheidung und lässt ihn mit einem guten Gefühl zurück. Diese Art ist eigentlich die wichtigste Werbung, bei dieser Art von „Kaufen“. Wirkt im Vorfeld die Autowerbung generisch, also wirbt auch für andere Autos mit, ist Werbung in der Bestätigungsphase bestens dazu geeignet die Bindung zwischen Kunde, Produkt und Marke zu verstärken.


VII.4

163 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Der extensive Kauf

Danke f체r die Best채tigung. Dann habe ich mich ja doch richtig entschieden.


VII.4

164 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Der impulsive Kauf

»

Impulsiver Kauf: Der impulsive Kauf ist eher ein reaktives Verhalten. Gute Beispiele hierfür wären ein Getränk oder ein Eis an heißen Tagen. Wir entscheiden uns dabei nicht bewusst für eine Marke, sondern lassen uns eher von Umwelteinflüssen beeinflussen. Hier sind Argumente in der Werbung nicht besonders wichtig, es zählt eigentlich nur, dass dem Kunden zur richtigen Zeit, also vor dem Regal, das richtige in den Sinn kommt, wie zum Beispiel Durst. Man kann davon ausgehen, dass jeder Kunde im Supermarkt mindestens einen Impulsivkauf im Einkaufswagen verschwinden lässt. Natürlich unterliegt auch dieser Art von Kauf gewissen Normen, wir kaufen ja nicht wahllos alles was uns in den Sinn kommt ein. Aus der Sicht der Konsumenten wird darauf geachtet, dass Impulsivkäufe nur in angemessenen Situationen stattfinden, weiterhin ist er nur gerechtfertigt, wenn sich die Produkte in Preis und Qualität kaum unterscheiden und sich dadurch ein großartiges vergleichen kaum lohnt. Häufig aber verletzen Konsumenten durch einen Impulsivkauf ihre selbstgesetzten Normen und bereuen ihn im Nachhinein. Zudem hängen typische impulsive Käufe sehr oft mit der momentanen Stimmung zusammen, sei sie nun positiv oder negativ. Bei positiver Stimmung kaufen wir meist ungezielt, wichtigster Aspekt hierbei: die positive Stimmung zu halten. Bei negativer Grundhaltung kaufen wir schon gezielter um unsere Stimmung ins positive zu drehen. Allgemein kann man sagen, das diese stimmungsabhängigen impulsiven Käufe eine regulierende Funktion haben.


VII.4

165 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Der limitierte Kauf

»

Limitierter Kauf: Bei dem „Verhaltensmuster“ des limitierten Kaufens hat die kaufende Person schon einige Erfahrung mit dem Kaufen an sich, kennt sich aber beim Kauf bestimmter Produktgruppen nicht aus und verfährt deshalb üblicherweise nach bewährten Faustregeln, also schon gebildeten Kaufheuristiken. Solcherlei Faustregeln können sein, dass teuere Produkte oft besser bewertet werden als billige oder, dass das eine umweltverträglicher ist als das andere. Bei diesem Kauf dienen auch allgemeine Vorurteile gegenüber Marken oder Produkten. Hier ein paar Beispiel für solcherlei Faustregeln:

Annahmen zu Marken: ∕

No-Name Produkte sind im Grunde diesselben wie die Markenprodukte, sie kosten nur weniger.

Die besten Marken sind jene, die am meisten gekauft werden.

Im Zweifelsfall sind einheimische Marken immer am besten.

Preise und Sonderangebote: ∕

Mit Sonderangeboten wollen die Anbieter typischerweise Ladenhüter loswerden.

Ein Geschäft, das ständig nur Sonderangebote führt, bietet nicht wirklich gute Preise.

Produkt: ∕

Verpackungen mit großen Mengen sind umgerechnet billiger als kleine Mengen.

Kurz nach der Einführung sind Produkte am teuersten; die Preise sinken mit der Zeit.

Natürliche Produkte sind besser als synthetische.

Wenn ein Produkt noch ganz neu ist, sollte man vorerst die Finger davon lassen. Der Hersteller braucht noch einige Zeit, um kleine Mängel zu beseitigen.

Viele dieser Vorurteile beruhen auf völlig korrekten Beobachtungen, sind aber in ihrer Verallgemeinerung meist nicht ganz korrekt, dafür sind sie aber sehr änderungsresistent. Sie bieten aber leider auch einen guten Ansatzpunkt um Konsumenten mit Werbung in die Irre zu führen [149].


VII.4

166

Ich habe Faustregeln.

(KAUF)ENTSCHEIDUNG // Der limitierte Kauf

Ich habe keine Vorurteile.


VII.4 »

Gewohnheitskauf: Einfach gesagt kauft beim Gewohnheitskauf, oder auch habitualisierten Kauf, eine Person

167

das, was sie schon immer gekauft hat. Typische Artikel für diesen Kauf ist die gesamte Supermarktproduktpalette,

(KAUF)ENTSCHEIDUNG // Der Gewohnheitskauf

vom Käse über Wurst und Brot bis hin zum Bier. Wie der impulsive Kauf enthält der Gewohnheitskauf auch keine Entscheidung. Der Konsument unterstellt dieser Art von Kauf meist eine vorhergehende gute Begründung, für das was er kauft. Dies muss aber nicht immer der Fall sein. Es muss keine Begründung geben, dieses Verhaltens kann auch völlig unbegründet und zufällig entstanden sein. Es gibt mindestens zwei Arten von Gewohnheitskäufen. Die eine, die entstanden ist um uns in Zukunft zu entlasten und die andere, die unsere Vorlieben widerspiegelt.

Entlastungsfunktion: Bei der Entlastungsfunktion ist es für den Konsumenten wichtig über für ihn „unwichtige“ Produkte nicht immer neu nachdenken zu müssen. Solche Gewohnheiten laufen meist gleichgültig ab, der Konsument hat keine spezielle Bindung zu „seinem“ Frischkäse. Gewohnheitskäufe entlasten das Denken. Daher kann man auch zwei Aussagen über diese Art von Kauf treffen. Erstens, je sicherer man sich mit dieser Kaufentscheidung ist, desto eher kauft man ein Produkt gewohnheitsmäßig und zweitens, zu Gewohnheitskäufen neigen vor allem Menschen, die eh nicht gerne einkaufen.

Ausdruck einer stabilen Präferenz: Zu Artikeln, die wir besonders gerne kaufen, haben wir eine emotionale Bindung, zum Beispiel zu der Marke. Diese Gewohnheiten können auch Ausdruck eines „Selbstkonzepts“ sein, das der Konsument gerne nach außen kommuniziert. Es entsteht auch eine gewisse Loyalität zu einem Produkt oder einer Marke. Je größer diese Loyalität ausgeprägt ist, desto weniger möchte der Konsument seinen eigenen Nutzen maximieren, deswegen wird er dem Produkt auch die Treue halten, auch wenn er vor sich selbst selber zugeben muss, dass es bessere Alternativen gäbe.

Änderungsresistenz: Deswegen stellen die habitualisierten Käufe für Werbetreibende eine große Herausforderung dar. Sie sind sehr Änderungsresistent. Aber warum ist das so? Für eine Änderung unseres gewohnheitsmäßigen Kaufverhaltens ist es wichtig, dass es eine besondere Begründung gibt. Das neue Produkt müsste unglaublich besser sein, als das alte. Für die Beibehaltung des Kaufverhaltens brauchen wir hingegen keinen Grund. Es ist einfacher. Zudem ist eine Person, die immer wieder das gleiche Produkt kauft auch Zufrieden. Gegen Zufriedenheit ist schlecht anzukommen. Für das Marketing ergibt sich hieraus, dass es einfacher ist Kunden zu halten, als neue hinzuzugewinnen. Da die neuen Kunden natürlich auch meist schon Gewohnheitskäufer anderer Marken sind.


VII.4

168 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die Entscheidung gegen ein Produkt

Natürlich gibt es auch eine Kaufentscheidung, die beinhaltet, ein Produkt nicht zu kaufen. Das kann aus vielerlei Gründen passieren. Zum Beispiel genau eben wegen der Produktwerbung. Haben Sie schon mal etwas nicht gekauft, weil Sie sich über die Werbung geärgert haben? In den meisten Fällen sind es sogar spezielle Kampagnen, über die sich ein Konsument geärgert hat und deshalb nicht kauft, nicht nur übergreifende Produktgruppen. Besonders ärgerlich werden die Werbespots empfunden, die unangenehm und sehr peinlich wirken, wie unangebrachte Werbung für Damenhygieneartikel zum Beispiel. Auch Werbung, die als extrem dumm, albern oder total unlogisch empfunden wird, schürt die Aversion gegen ein Produkt. Sogenannte „slice-of-life“ Werbespots kommen bei diesen Beurteilungen besonders schlecht weg, da die Mehrzahl dieser Spots als extrem unehrlich und heuchlerisch empfunden werden. Ein anderer Grund für einen „Nicht-Kauf“ kann die allgemeine Unternehmenspolitik sein. Denken Sie zum Beispiel an das Mineralölunternehmen „Shell“. Die Konsumenten schreiben

Dagegen

großen Unternehmen und Marken eine gewisse Hauptverantwortung, zum Beispiel in Umweltfragen und dem Umgang mit neuen Technologien zu. Der Konsument hat ein „moralisches“ Empfinden entwickelt. Verstößt ein Unternehmen dagegen muss es mit einer Abstrafung rechnen. Ein solches moralische Empfinden betrifft zum Beispiel Themen wie Pelze, Thunfisch oder an Tieren getestete Kosmetika. Hinzu kommt, dass es den Konsumenten nichts kostet eine Firma mit Nicht-Kauf abzustrafen. Für ihn bedeutet das ja keinerlei Einschränkung. Würde es aber einen materiellen Nachteil für ihn bedeuten, wären die meisten moralischen Bedenken des Verbrauchers wahrscheinlich halb so wild [150].


VII.5

169 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Entscheidungsheuristiken

Bewährte (Kauf)entscheidungsheuristiken.

// Wie wir uns entscheiden // Kennen Sie den „Interpretierer“? Müssten Sie eigentlich, sie haben ihn. Jeder hat ihn. Er tritt zum Beispiel beim Autokauf in Kraft. Es würde so wunderbar zu ihnen passen, die Farbe und das Design, ihr Autonomiesystem wäre damit eine lange Zeit bedient und ihr Nachbar hat sich doch letzt erst auch eines geleistet, sie können das auch. Aber natürlich entscheiden sie sich für das Auto weil es ihr altes nicht mehr lange macht, es ist nicht mehr sicher und so weiter. Diese expliziten, also sachlichen Argumente sind wichtig um ihren „Piloten“ zu beschäftigen, damit im Hintergrund ihr „Autopilot“ wirken kann. Durch den Interpretierer kann der Kunde sein Selbstbild als rational Handelnder und Entscheidender aufrechterhalten. Nach dem Neurowissenschaftler Gazzaniga gibt es im linken, vorderen Stirnhirn (ein Teil des Piloten) eine eigene und angeborene Instanz für Rechtfertigungen. Er nennt diese Hirnregion den

„Interpretierer“ [151], weil sie in erster Linie damit beschäftigt ist, das Verhalten des Autopiloten zu interpretieren und zu rechtfertigen. In der Werbung müssen die Bedürfnisse dieses Interpretierers berücksichtigt werden, indem gerade bei relevanten Kaufentscheidungen „rationale“ Gründe für den Kauf oder das Produkt genannt werden [152]. Der Kauf eines Produkts gleicht oft eher mehr einem rituellen Verhalten als einer bewussten Entscheidung. Zu diesem „rituellen“ Verhalten gehört all’ das, was wir bereits wissen und auch können, das Bestellen eines Buches bei Amazon oder das Binden eines Schnürsenkels. Die Forschung ist sich weitgehend einig, dass Einkaufsentscheidungen binnen 2,5 Sekunden getroffen werden können. Aber nicht selten fallen Entscheidungen so beiläufig, dass man sie kaum registriert. Beim Spontankauf etwa [153]. Aber man kann „Entscheiden“ nicht einfach mit rituellem Verhalten abtun. Es gibt natürlich verschiedene psychologische Entscheidungsheuristiken die als Filter für die zu fällende Entscheidung fungieren. Hier einmal die „wichtigsten“, da sehr oft angewendeten.


VII.5

170 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die Verfügbarkeitsheuristik

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Die Verfügbarkeitsheuristik: Die Verfügbarkeitsheuristik ist eine Art Faustregel, die wir immer in einer Entscheidungssituation anwenden, wenn wir uns unsicher sind. Um dieses Problem zu lösen besinnen wir uns auf Informationen, an die wir uns erinnern. Informationen, an die wir uns besonders schnell erinnern, es müssen keine wichtigen Informationen sein, werden als besonders wichtig bewertet. Man hat sich ja schnell daran erinnert. Das ist für uns wieder eine Information. Wichtig gleich schnell gleich gut. Das gilt auch, wenn eine schwer erinnerbare Information viel relevanter wäre als die Leichte. Sie wird geringer bewertet. Also einfach gesagt entscheiden wir uns in diesem Fall nach der Leichtigkeit der Informationsbeschaffung, egal ob diese Information nun wichtig ist oder nicht, sie wird als bedeutender gewertet als die „Schweren“.


VII.5

171 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die Rekognitionsheuristik

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Die Rekognitionsheuristik: In vielen Situationen beruht unsere Entscheidung auf der Faustregel: „Kenne ich, habe ich schon gehört“. Allein das Gefühl des Wiedererkennens reicht in solchen Situationen oft aus, um eine Entscheidung zu treffen und lassen dabei meist andere Entscheidungskriterien außer Acht. Diese Heuristik wird meist in Entweder-Oder-Situationen angewendet, nach dem Prinzip: „Wenn du zwischen zwei Alternativen wählen musst, dann nimm' die dir Bekannte“. Das funktioniert auch bei Produktwahlen. Wenn du dich mit der Qualität der beiden zur Wahl stehenden Produkten nicht auskennst, dann nimm das, an deren Marke oder Namen du dich erinnerst. Personen, die diese Heuristik häufig verwenden, erzielen immer bessere und bessere Ergebnisse je öfter sie sie anwenden. Sie trainieren. Raten Sie auch gerne bei wer wird Millionär mit? Viele Kandidaten wenden diese Art der Entscheidung an. Sie funktioniert nämlich auch umgekehrt. Wähle das was du nicht kennst, wenn du die anderen drei vorgegebenen Antwortmöglichkeiten schon mal gehört hast. Auch Werbung kann von dieser „Erinnerung“ profitieren. Zum Beispiel Schock-Werbung. Wir erinnern uns an sie, weil sie uns schockiert hat, aber nicht, weil wir die Marke oder das Produkt so toll finden. Aber die Erinnerung ist alles. Der Unterschied zwischen der Verfügbarkeitsheuristik und der Rekognitionsheuristik besteht in einem wesentlichen Umstand. Bei der Verfügbarkeitsheuristik geht es um die Informationsflüssigkeit und wie schnell man sich an etwas erinnert. Bei der Rekognitionsheuristik muss man etwas wiedererkennen, das schon vorgegeben ist.


VII.5

172 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Die Repräsentativheuristik

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Die Repräsentativheuristik: Bei diesem Entscheidungsprinzip geht es um eine gewisse Ähnlichkeit zu einer bekannten Kategorie. Was aussieht wie eine Ente, watschelt wie eine Ente, quakt wie eine Ente wird vermutlich auch eine Ente sein. Andere Schlussfolgerungen dieses Entscheidungsprinzips könnten heißen: „Was von außen schlecht aussieht, ist innen auch schlecht“ (funktioniert zum Beispiel bei Obst sehr gut, bei Büchern eher weniger, aber auch bei Werbung: Gute Werbung = gutes Produkt, und umgekehrt), oder „Große Ereignisse haben große Ursachen“. Diese Schlussfolgerungen auf die Gesamtheit können unterschiedlich zustande gekommen sein:

Eine Stichprobe ist repräsentativ für die Grundgesamtheit.

Ein Element ist repräsentativ für eine Kategorie.

Ein Verhalten ist repräsentativ für einen Handelnden.

Die Repräsentativheuristik unterliegt aber einer bestimmten Verzerrung der Gesamtheit. Nicht nur das wir bei der Anwendung dieses Entscheidungsprinzip andere wichtige Informationen ignorieren, sondern wir missachten statistische Regeln. Wir verstehen eine Stichprobe als repräsentativ für die Grundgesamtheit, ohne die Grundgesamtheit zu kennen.


VII.5

173 (KAUF)ENTSCHEIDUNG // Mentale Kontoführung

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Mentale Kontoführung: Kennen Sie diese Situation. Sie haben eine Kinokarte für 10 Euro gekauft. Sie verlieren diese Karte, was tun Sie? Kaufen Sie sich eine neue Karte und gehen ins Kino? Eher nicht. Aber was ist, wenn Sie sich noch keine Karte gekauft haben und die 10 Euro verloren haben. Kaufen Sie sich dann trotzdem eine Karte für „neue“ 10 Euro? Statistisch gesehen nehmen wir von dem geplanten Kinobesuch abstand, wenn wir die Karte verloren haben, nämlich 54 Prozent der Befragten, aber wenn wir das Geld verloren haben, nehmen nur 22 Prozent der Befragten Abstand von dem geplanten Kinobesuch. Aber warum ist das so, denn rein rational ist es in beiden Situationen ein Verlust von 20 Euro [154]. Warum bewerten wir diese, rein ökonomisch, gleichwertigen Situationen so unterschiedlich? Das liegt an unserer „Mentalen Kontoführung“. Wir bewerten anders, weil sie jeweils zu einer anderen Kategorie gehören. Es ist ein „Kategorisierungsproblem“. Die Kinokarte gehört für uns schon zur Kategorie „Kinobesuch“. Verlieren wir die Karte verteuert sich dieser Besuch um das doppelte, also ist er zu teuer und wir brechen das Vorhaben ab. Verlieren wir aber das Geld, gehört dieser Verlust nicht zum „Kinobesuch“ sondern fällt eher in die Kategorie „ärgerlich“ aber der eigentliche Kinobesuch wird dadurch nicht tangiert, er kostet ja immer noch nur 10 Euro. Wir richten dieses mentale Konto für unsere jeweiligen Ziele ein, aber nicht bewusst. Welches Konto nun belastet wird, hängt davon ab, inwieweit der „Posten“ mit dem innerlichen Konto verbunden ist. Für die Verkaufspraxis ist es nun wichtig zu wissen zu welchem Konto der Kunden was zählt. Zum Beispiel kauft ein Kunde eine Karte für ein Fußballspiel und rechnet diesen Betrag als Minus auf seinem „Freizeitkonto“ an. Dann wird er sich in derselben Woche kaum eine Karte fürs Theater kaufen, denn das Freizeitkonto ist ja schon belastet worden. Rechnet der Kunde nun aber den Theaterbesuch zu seinem „Bildungskonto“ dann ist es sehr wahrscheinlich, dass er die Theaterkarte kaufen wird. Denn das Bildungskonto wurde noch nicht belastet. Wie verschiedenen Ausgaben kategorisiert werden liegt alleine beim Konsumenten und ist von Person zu Person unterschiedlich. Aber Ökonomisch gleiche Sachverhalte unterschiedlich zu bewerten und zu kategorisieren hört sich auf den ersten Blick unlogisch an, ist aber eine Art der Selbstkontrolle. Sie erlaubt langfristige Planung.


VII.5

174

Wir Menschen neigen leider dazu alle bereitgestellten Informationen auch zu nutzen. Egal ob sie für die grundlegende Entscheidung wichtig sind oder nicht. Das führt zu einer Art „Verwässerungseffekt“ bei der Entscheidungsfindung. Aber unsere Neigung im Bezug auf irrelevanten Informationen geht noch weiter. Umso schwieriger es ist, diese Informationen zu erhalten, desto wichtiger werden sie gewertet. Noch interessanter ist es für uns, wenn mit der zu beschaffenden Information eine unserer Erwartungshaltungen zusammenhängt. In einem „Verkaufsgespräch“ könnte es dann beispielsweise so aussehen: Der Kunde muss die Vorteile eines Produkts erfragen, so werden sie automatisch aufgewertet. Erweisen sich diese Informationen auch noch als positiv „enttäuschend“ im Sinne der Erwartungshaltung, dann sind diese Informationen, seien sie noch so irrelevant der absolute Sieger unter den Entscheidungshelfern. Eine positive Enttäu-

(KAUF)ENTSCHEIDUNG // Der Einfluss irrelevanter Informationen

Nein, kauf‘ ich nicht

schung der Erwartungshaltung sieht zum Beispiel so aus. Sie besichtigen eine Wohnung. Sie gefällt ihnen ganz gut, aber es gibt noch andere. Sie fragen nach dem Internet-Anschluss und erfahren, dass es wahrscheinlich einen geben wird. Ihre Erwartungshaltung ist also: Kein Internet-Anschluss. Später erfahren Sie aber, dass es eine Internet-Flatrate gibt, die sogar im Mietpreis enthalten ist. Ergo sie wurden enttäuscht, aber positiv und sie nehmen die Wohnung sofort, egal ob Ihnen die Lage oder der Straßenlärm vorher gefallen hat oder nicht. Ein anderes Beispiel für den Einfluss von irrelevanter Informationen ist der sogenannte „Ankereffekt“. Ein Beispiel hierfür. Sie stehen in einer Kneipe und ihr Gesprächspartner bittet Sie sein Alter zu schätzen. Sie schätzen ihn auf 25. Würde Ihnen der Gesprächspartner aber vor der Schätzung verraten, dass jemand anders ihn auf 29 geschätzt hat, dann würden Sie Ihn wahrscheinlich auf 27 schätzen. 2 Jahre Unterschied durch eine kleine irrelevante Information. Aber warum ist das so? Die vorherig geschätzte 29 ist für uns ein Anker, wir werden uns davon nicht soviel entfernen. Wir wollen uns ja nicht blamieren und wir sind Herdentiere, schon vergessen? Diese Informationsanker sind für die eigentliche Entscheidung meist irrelevant, aber sie sind da, werden berücksichtigt und sind zudem noch außerordentlich robust. Sie lassen sich weder durch die eigene Motivation noch durch eine eigentlich relevante Information ausrotten oder neutralisieren [155].


tDie en ng i z ďŹ eru mysti t. Beginn

VIII. Das Gehirn


VIII.1

176 DAS GEHIRN // Der grundlegende Aufbau

Der grundlegende Aufbau unseres Gehirns.

// Fundamental Sozial // D

ieses rätselhafte Gebilde, welches wir als „Gehirn“ unser eigen nennen, hat in den letzten Jahren viele, beileibe aber nicht alle seine Geheimnisse preisgegeben. Es ist immer noch mehr als fraglich, ob Naturwissenschaftler und -forscher jemals all’ seine Geheimnisse lüften werden.

/// Das Gehirn ist fundamental sozial, für keine andere Funktion gibt es so viele Spezialisten im Gehirn

Der Aufbau im Inneren

wie für den sozialen Austausch [156]. ///

Unser Gehirn ist, sozusagen, der Zentralcomputer des Körpers. Es steuert fast alle Bewegungen und ist der Empfänger aller Sinneseindrücke, die durch die verschiedenste Nerven zu ihm geleitet werden. Nach der Entscheidungsfindung werden ebenfalls über die Nervenfasern die verschiedene motorische Anweisungen an die Muskeln weitergeleitet. Jedoch laufen nicht alle unsere Handlungen bewusst ab, das Gehirn steuert auch die automatisch ablaufende Prozesse, wie Herzschlag oder Atmung. Das Gehirn eines erwachsenen Menschen wiegt etwa 1.500 Gramm, genauer gesagt wiegt das männliche Gehirn etwa 1.375 Gramm und das weibliche etwa 1.245 Gramm. Größe und Schwere eines Gehirns sagt aber keinesfalls etwas über „seine“ Intelligenz aus. Es ist von zahlreichen

Furchen durchzogen und enthält ungefähr 10 Milliarden Nervenzellen. Den weitaus größten Teil nimmt das Großhirn ein, darunter befindet sich das Kleinhirn [00/02] ebenso der Hirnstamm [00/01], der in das Rückenmark übergeht. Im Prinzip ist die rechte Gehirnhälfte für die linke Körpermotorik zuständig und andersherum. Man kann das Gehirn nach seiner Lage in unserem Schädel einteilen. In das „Hinter-“, beziehungsweise „Rautenhirn“ [00/03], das „Mittelhirn“ [00/04] und in das „Vorderhirn“ [00/05]. Durch das verlängerte Rückenmark und das Hinterhirn bis hin zum Mittelhirn zieht sich ein Maschenwerk, die sogenannte „Formatio reticularis“. Hier findet die enge Verknüpfung zwischen den motorischen, sensorischen und vegetativen Funktionen statt. Eine Reizung dieser Region, über die Sinnesorgane, versetzt uns in erhöhte Aufmerksamkeit. Wenn diese Reize nachlassen schlafen wir ein. Die Formatio reticularis, das Schaltzentrum unseres Bewusstseins, sortiert unzählige Nervenreize, die in jeder Sekunde das Gehirn erreichen und trennt die wichtige von den belanglosen Reizen. Das Gehirn muss beispielsweise nicht ständig darüber informiert werden, wie sich die Schuhe an den Füßen anfühlen.


VIII.1

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DAS GEHIRN // Der grundlegende Aufbau

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VIII.1

178 DAS GEHIRN // Der grundlegende Aufbau

Deshalb werden nur etwa 100 Impulse pro Sekunde an Regionen oberhalb des Hirnstamms weitergeleitet, und nur einige wenige davon gelangen auch in unser Bewusstsein. Wir nehmen zwar die uns umgebende Geräuschkulisse war, konzentrieren uns aber in der Regel auf ein einziges Geräusch. Die „Formatio reticularis“, mit den dazugehörigen Nervenbahnen, bildet außerdem die Alarmeinrichtung unseres Körpers, das „retikuläre Aktivierungssystem“ (RAS). Ein Impuls, dem eine sofortige Aufmerksamkeit zu schenken ist, wie zum Beispiel dem Geruch von Rauch, wird vom RAS entdeckt und sofort ins Großhirn weitergeleitet, wobei sämtliche anderen Botschaften vorübergehend unterdrückt werden. Dieses Aktivierungssystem funktioniert übrigens auch umgekehrt. Das Bewusstsein instruiert das RAS alles andere auszuschalten und die Aufmerksamkeit auf eine, ganz bestimmte Handlung zu lenken, die ein Höchstmaß an Konzentration und Fertigkeit erfordert. Ohne diese Funktion könnte zum Beispiel ein Tennisspieler während eines Matchs nicht das Gemurmel der zuschauenden Menge ignorieren. Das RAS steuert zudem einen Vorgang, den wir als Gewöhnung bezeichnen. Eine ungewöhnliche Wahrnehmung, wie zum Beispiel das Geräusch eines Presslufthammers auf der Straße, versetzt dieses System sofort in Alarmzustand. Sobald das Geräusch identifiziert wurde und nichts Neues mehr darstellt, befiehlt das Gehirn dem RAS seinen Alarmzustand zu beenden.

Das am Rautenhirn [00/03] hängende, und sich nach hinten auswölbende, Kleinhirn [00/02] macht etwa ein Achtel der gesamten Gehirnmasse aus. Seine beiden Hemisphären sind stark gefurcht, etwa 85 Prozent der Oberfläche sind in diesen tiefen Furchen verborgen. Das Kleinhirn steht in enger Verbindung mit dem Gleichgewichtsapparat im Innenohr, es reguliert die Spannung unserer Muskulatur und koordiniert sämtliche Bewegungsabläufe. Wenn wir neue Bewegungsabläufe lernen, wie etwa Radfahren, braucht das Kleinhirn Zeit und Mühe. Haben wir es aber einmal gelernt, tritt es in Aktion und sorgt dafür, dass Wiederholungen im Unterbewusstsein ablaufen. Auch nach langer Zeit und ohne Übung zwischendurch können wir noch Fahrradfahren, dank des Kleinhirns. Wir können es sozusagen „im Schlaf“. Der größte und auch jüngste Teil unseres Vorderhirns ist das Endhirn, welches sich in zwei Hälften, also Großhirnhemisphären, gliedert. In jeder der beiden Hemisphären befindet sich eine flüssigkeitsgefüllte Höhle mit der Form eines Widderhorns [01/01]. Diese sogenannten Seitenventrikel [02/01] führen zu der zentral liegenden dritten Hirnkammer und durch den schmalen vierten Ventrikel in den Hirn-Rückenmarkskanal. Die Wand der dritten Hirnkammer [02/02] wird von den mächtigen Kerngruppen des Zwischenhirns gebildet, die als „Thalamus“ [04/01] (sowie Epi-, Meta- und Hypothalamus) den größten Teil des Hirnstamms darstellen. Zusammen mit Bereichen des älteren Endhirns [01/01] und Bahnen, ist das Zwischenhirn [00/04] Teil des limbischen Systems, der älteste Abschnitt des Vorderhirns, Sitz der menschlichen Leidenschaften und Triebe. Genau hier [04/01], im Zentrum des Gehirns, befindet sich einer seiner geheimnisvollsten Bezirke. Unter den Hirnwindungen ist das „limbische System“, auch emotionelles Gehirn genannt, das ein Gleichgewicht zwischen Angst und Verlangen, täglichen Wünschen und Bedürfnissen herstellen soll.


VIII.1

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VIII.1

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VIII.1

181 DAS GEHIRN // Der grundlegende Aufbau

Der Thalamus [04/01], eiförmiges Kernareal auf beiden Seiten an der Spitze des Hirnstamms [00/01], ist wie eine Schaltstation. Er erhält Informationen aus den großen Sinnesorganen, aus den Hirnhemisphären, dem Kleinhirn sowie der Formatio reticularis im Hirnstamm. Diese Vielzahl von Eindrücken wird im Thalamus integriert und in höchst komplizierte Informationsmuster umgewandelt. Der Hypothalamus ist zwar nur daumennagelgroß, ist aber die wesentliche Schaltzentrale des Körpers. Kleinste Rezeptoren messen zum Beispiel den Glukose- und Salzgehalt des Blutes und erzeugen, wenn diese Werte zu stark absinken, Hunger- oder Durstgefühle. Über die benachbarte Hirnanhangsdrüse, die Hypophyse, sorgt der Hypothalamus für eine Freisetzung von Hormonen, die Wachstum und Geschlechtverhalten beeinflussen. Außerdem beginnen hier die Reaktionen auf besondere Belastungssituationen, indem chemische Botenstoffe über die Hypophyse zu den Nebennieren geschickt werden. Feinere Emotionen und instinktive Verhaltensmuster, wie etwa Partnersuche oder das Verantwortungsgefühl für die eigenen Kinder sind in der Wechselwirkung des gesamten limbischen Systems angesiedelt. Der Mandelkern, [04/02] über dem Hypothalamus, modifiziert wahrscheinlich Wut- und Aggressionsgefühle. Über dem Thalami endet ein Fasernetz, die „Fornix cerebri“, dieses Gebilde überträgt Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis und vergleicht dabei ständig die Signale der Sinnesorgane mit den bereits gespeicherten Informationen.

Das Endhirn, [01/01] unmittelbar unterhalb des Schädeldaches, ist der Hauptwohnsitz für das logische Denken, der Phantasie und des kreativen Denkens. Seine Oberfläche besteht aus vielen Hirnwindungen, die von Hirnfurchen unterteilt werden. Die beiden „Großhirnhemisphären“ [01/04+05] werden durch eine Längsspalte [01/06] voneinander getrennt. Die Windungen des Großhirns sind nicht so fein wie die des Kleinhirns und ihr Verlauf ist bei jedem Menschen ungefähr identisch. Einige der tieferen Furchen werden dazu verwendet um jede Hirnhälfte in vier Lappen zu unterteilen. Stirn- (Frontal-) [00/06], Schläfen- (Temporal-) [01/03], Scheitel(Parietal-) [00/08], und Hinterhauptslappen (Okziptallappen) [00/07]. In der Tiefe, zwischen Schläfen- und Scheitellappen liegt noch der fünfte, der Insellappen [02/01].


VIII.1

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DAS GEHIRN // Der grundlegende Aufbau

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VIII.1

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DAS GEHIRN // Der grundlegende Aufbau

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VIII.1 /// Je nach Sichtweise lässt sich das limbische System als Gegenspieler der Großhirnrinde oder als deren ungleicher Partner beschreiben.

184

Beide Hirnareale haben mit gen zu tun. Die Großhirnrinde steht für Wissen, analytisches Vorgehen und Rationalität. Das limbische System steht für Sugges-

Und verantwortlich ist...

tion, intuitives Vorgehen und Emotionalität [157]. ///

Prinzipiell ist das Gehirn nun in zwei Hemisphären und fünf Großhirnlappen aufgeteilt. Jedem Lappen kommt eine bestimmte Verantwortlichkeit für die Organisation des Gehirns zu, wobei einzelne Funktionen noch nicht ganz exakt geklärt sind.

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Der Stirnlappen [00/06] ist der vordere Großhirnabschnitt bis zur Zentralfurche, die die Hemisphäre im rechten Winkel zur Hirnlängsspalte geradezu vollständig halbiert. Im frontalen Stirnlappen vermuten manche Forscher den Sitz der Planungsfähigkeit und die Fähigkeit zur Auswahl. Dieser Rindenbereich, direkt vor der Zentralfurche gilt als primäres motorisches Zentrum, er steuert die Bewegungen des Körpers.

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Hinter der Zentralfurche, in den vorderen Windungen des Scheitellappens [00/08] liegt das primäre sensible Zentrum, in dem Empfindungen wie Berührung, Wärme, Schmerz und auch Körperhaltung registriert werden.

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Im Hinterhauptslappen [00/07] liegt das Sehzentrum. Hier treffen die Impulse von der Netzhaut mit einer Geschwindigkeit von 120 Metern pro Sekunde ein.

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Im Schläfenlappen [01/03], unterhalb von Stirn- und Scheitellappen befindet sich das Hörzentrum.

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Die Funktion des Insellappens [02/01] ist noch nicht ganz geklärt. Er liegt in der Tiefe des Gehirns, ist auch in zwei Hemisphären geteilt und seine Oberfläche ist ebenso von Furchen überzogen.

Die anderen Bereiche der Hirnrinde werden als Assoziationsfelder bezeichnet, da ihre Aufgabe und Bedeutung noch nicht ganz geklärt wurde. Sie sollen mit der Verfeinerung sensorischer Informationen zu tun haben, könnten aber auch der Sitz des Gedächtnisses sein [158].

DAS GEHIRN // Verantwortliche Gehirnbereiche

dem Fällen von Entscheidun-


VIII.1

185

DAS GEHIRN // Bewusstsein

Hallo Floppy.


VIII.1

186 DAS GEHIRN // Bewusstsein

/// Sprache ist nicht gerade hocheffizient in der Werbung, wenn sie nur geschrieben und nicht gesprochen ist. Sie transportiert aber dennoch implizite Botschaften. ///

Die Bits und Wir

/// Für die nichtsprachlichen Codes stehen 11 Millionen Bits zur Verfügung, um „Wirkung“ beim Kunden zu erzielen [159]. ///

In jeder Sekunde versorgen die fünf Sinne unser Gehirn mit Informationen und Eindrücken. Insgesamt kommen sie auf circa 11 Millionen Bits an Informationen. Das sind in etwa 1,4 Megabyte oder anders ausgedrückt eine Floppy Disk, für alle, die noch wissen, was das ist. Im gleichen Zeitraum verarbeitet unser „bewusstes Erleben“ aber nur 40 bis 50 Bits. Daraus folgt, dass fast 100 Prozent der Daten, die unser Gehirn aufnimmt, unbewusst verarbeitet wird und implizit auf uns wirken. Ein Beispiel: Eine Zahl, nehmen wir einmal die Sieben, entspricht ungefähr 5 Bits an Informationen. Da wir ungefähr 40 Bits an bewusstem Erleben frei haben folgt daraus, dass wir maximal

acht Zahlen gleichzeitig in unserem Bewusstsein bearbeiten und merken können. Deshalb haben wir auch Mühe, wenn wir uns eine Telefonnummer mit mehr als 8 Zahlen merken sollen. Auch ein einzelner Buchstabe entspricht etwa 5 Bits. 40 Bits entsprechen also ungefähr acht Buchstaben. Merken Sie sich einmal „Nodfrarf“. Na? Echte Wörter können wir uns natürlich schneller merken und verarbeiten. Aber mehr als einen kurzen Satz pro Sekunde schafft unser Bewusstsein dennoch nicht. Trotz seines geringen „Bewusstseins“ hat sich unser Gehirn Effizienz antrainiert. Es ist vor allem anderen auf eine effiziente Kommunikation getrimmt. Anstatt über einen Gesichtsausdruck lange nachzudenken, erkennen wir einfach seine „wahre“ Bedeutung. Da dieser Vorgang völlig automatisch abläuft, beansprucht er auch keine mentalen Ressourcen und ist deshalb auch so hocheffizient [160].


VIII.2

187 DAS GEHIRN // Unsere Zwei Systeme

Die zwei Pilot-Systeme in unserem Gehirn.

// unBewusst und bewusst // /// Das „Neue Unbewusste“ sind die impliziten, also nicht reflektierten Vorgänge im Gehirn, die unser Verhalten massiv steuern, wie ein Autopilot [161]. ///

H

eutzutage sprechen viele Wissenschaftler und auch Gehirnforscher davon, dass der Mensch zwei Gedächtnisse habe. Ein explizites und ein implizites, also ein bewusstes und ein unbewusstes. Dabei heißt zum Beispiel etwas unbewusst zu entscheiden, nicht, dass man auf jede Verführung hereinfällt, denn gerade unbewusst verrichten wir Dinge gewohnheitsmäßig und dadurch auch nahezu änderungsresistent. Gerade die Hirnforschung hat seit ein paar Jahren das „Unbewusste“ beziehungsweise das „Implizite“ wieder salonfähig gemacht. Auch die Psychologen stürzen sich wieder mehr auf die Erforschung des Unbewussten, diesmal aber mit dem Gedächtnis, dem Lernen und Wahrnehmen und vor allem dem Entscheiden im Fokus, und nicht mehr unseren unterbewussten Trieben. Die aktuellen Forschungen zeigen nun, dass in unseren Köpfen zwei verschiedene Systeme am Werk sind.


VIII.2

188 DAS GEHIRN // Der Autopilot

/// 85 Prozent der Zeit wird unser Gehirn von einer Art Autopilot gesteuert [162]. ///

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„System 1“ der Autopilot: Der Autopilot in unserem Kopf ist hoch effizient, intuitiv, zum Beispiel durch die Spiegelneuronen, spontan, entscheidet sich in annähernd zwei Sekunden, liebt Geschichten und Symbole und hasst Argumente und Logik. Er arbeitet grundsätzlich im Untergrund, er arbeitet implizit. Er nimmt lieber 50 Euro heute als 100 in einer Woche, denn er kann nicht warten und verfährt nach dem Spatz-in-der-Hand-Prinzip. Er greift zur Schokolade, obwohl wir gerade abnehmen wollen, und zur Zigarette, wenn wir Kaffeeduft riechen. Von seinem Treiben bekommen wir bewusst nichts mit, wie gesagt er arbeitet lieber im Untergrund. Er ist emotional und kognitiv, In seinem System sind all’ die automatisierten Programme gespeichert, die durch Codes, zum Beispiel Zitrusduft und ein bestimmtes Logo, aktiviert werden. Um dann in Kraft zu treten und unser Verhalten zu steuern. Unbewusst.


VIII.2

189 DAS GEHIRN // Der Pilot /// Pilot (40 Bits) gegen Autopilot und seine fünf Sinne (10.999.960 Bits) [163]. ///

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„System 2“ der Pilot: Der Pilot enthält alle Emotionen und kognitiven Vorgänge, die uns „bewusst“ sind. Deshalb können wir sie auch kontrollieren. Der Pilot ist etwas träge und fällt seine Entscheidungen nur zögerlich. Dafür sind seine großen Stärken die Planung und das Nachdenken. Mit dem Pilot lösen wir die Aufgabe 12 x 48 und ziehen die Wurzel aus der Zahl 81. Er ist beherrscht, kontrolliert, aber dennoch flexibler als der Autopilot. Wenn wir zum Beispiel den teuren Ring doch nicht kaufen, weil unser Bankkonto nach Weihnachten definitiv leergeräumt ist, oder doch mit dem Rauchen aufhören, weil es wirklich gesundheitsschädlich ist, dann ist der Pilot am Werk. Seine Arbeit ist anstrengend und kostet uns viel Energie. Dafür sind seine Vorgänge bewusst und wir sind voll informiert [164].


VIII.2

190 DAS GEHIRN // Unsere zwei Systeme

„Hallo Tower? Erbitten Landeerlaubnis!“


VIII.2

191 DAS GEHIRN // Unsere Zwei Systeme

Tower an Pilot:

„Und was sagt der Autopilot dazu?“


VIII.2

192

Neuronale Grundlagen für Piloten

/// Die Aufteilung in automatisierte, also implizite und reflektierte, also explizite Vorgänge kommt der Realität im Gehirn sehr viel näher als diejenigen in emotionale und rationale Vorgänge [165]. ///

Es ist ein bisschen problematisch, wenn man die beiden komplexen Funktionen wie den Autopiloten und den Piloten genauen anatomischen Strukturen zuordnen will, denn man kann sie im Gehirn nur grob verorten. Die Arbeit des Piloten basiert unter anderem auf dem so genannten dorso-lateralen präfrontalen Kortex, ganz vorne im Gehirn, also im Stirn-, oder auch Frontalhirn. In dieser Hirnregion wird auch das Zentrum des Arbeitsgedächtnisses vermutet. Damit denken wir zum Beispiel darüber nach, wo wir unseren nächsten Urlaub verbringen wollen. Zum Piloten gehört auch das Anterior Cingulum, das unter anderem auch Konflikte und Turbulenzen des Autopiloten registriert und darauf reagiert. Der Autopilot basiert dagegen auf einer Vielzahl von verschiedenen Hirnstrukturen, denen gemeinsam ist, dass sie ihre Arbeit weitgehend unbewusst verrichten. Dazu gehören alle sensorischen Areale, das limbische System, der orbitifrontale Kortex, also das Bewertungszentrum, und die Basalganglien, die Mustererkenner und - lerner [166].

DAS GEHIRN // Neuronale Grundlagen

Kurz gesagt haben wir also zwei verschiedene Modi, in denen wir funktionieren. Den unterbewussten Autopiloten und den bewussten Piloten. Diese „neue“ Definition ersetzt nun diejenigen Aufteilungen, die zwischen „emotionalen“ und „rationalen“ Vorgängen in unserem Gehirn unterscheiden. Denn sowohl der Autopilot als auch der Pilot sind gleichzeitig beides, emotional als auch rational.


IX. Chemie


IX

194 CHEMIE //

Auch wir si nd nicht Bio.

Der körpereigene Chemiebaukasten.

// Glück in Häppchen // S

piegelneuronen arbeiten natürlich nicht alleine. Häufig arbeiten sie mit unseren körpereigenen Chemie-Apotheke zusammen. Zum Beispiel mit Dopamin, der Chemikalie des Vergnügens in unserem Gehirn.

/// Dopamin ist eine der stärksten suchterzeugenden Substanzen, die wir kennen, und Kaufentscheidungen werden zumindest teilweise durch seine verführerische Wirkung gesteuert [167]. ///


HO

IX.1

195

C CHEMIE // Dopamin

C

C

C

HO


C C

IX.1

196 CHEMIE // Dopamin

C

NH2

Glückshormon Nr.1

C

Dopamin ist ein biogenes Amin und ein wichtiger Neurotransmitter. Im Volksmund wird es auch „Glückshormon“ genannt. Neuronen, in denen das Dopamin vorkommt, nennt man dopaminerge Neuronen. Sie befinden sich unter anderem im zentralen Nervensystem, und hier vor allem im Mittelhirn. Vom Mittelhirn steigen viele wichtige dopaminerge Systeme ins Endhirn auf. Dopamin ist aber auch ein Neurotransmitter in einigen Systemen des vegetativen Nervensystems und reguliert hier die Durchblutung innerer Organe. Dopamin ist nicht nur das „Glückshormon“, sondern auch ein „Belohnungshormon“. Unabhängig davon, was wir kaufen, Einkaufsbummel machen uns glücklich. Warum ist das so? Diese Dosis „Glück“ lässt sich auf das ausgeschüttete Dopamin zurückführen, unsere gehirneigene Chemikalie für Belohnung, Vergnügen und Wohlbefinden. Wenn wir uns entscheiden, etwas zu kaufen, bewirken Gehirnzellen, die Dopamin freisetzen, eine Menge guter Gefühle, und der Dopaminanstieg sagt unserem Instinkt, mit dem Kaufen weiterzumachen, auch wenn unser Verstand sagt, dass wir genug haben. Dopamin wird aber nicht nur beim Kaufakt ausgeschüttet, sondern auch währender der Erwartungshaltung auf den Kaufakt an sich, was den Wunsch zu kaufen nur verstärkt um noch mehr Dopamin auszuschütten. Ein Teufelskreis und eine gute Begründung für einen „Kaufrausch“.

»

Summenformel Dopamin C8H11NO2


HO

C

IX.2

C

197

C

CHEMIE // Serotonin

C C

C

HN Glückshormon Nr.2

»

Summenformel Serotonin C10H12N2O

Serotonin ist ebenfalls ein Neurotransmitter. Es kommt im Zentralnervensystem, Herz-Kreislaufsystem und im Blut vor. Serotonin gilt im Volksmund ebenfalls als ein „Glückshormon“, übernimmt aber in unserem Körper viele verschiedene Funktionen. Es hat eine besondere Auswirkung auf unsere aktuelle Gefühlslage. Es beschert uns emotionale Ausgeglichenheit, Gelassenheit, Ruhe und vor allem Zufriedenheit. Es dämpft dabei auch Gefühle wie Aggression und Angstzustände.


C

IX.2 C

198

C

CHEMIE // Serotonin

C

NH2


IX.3

HO 199

CHEMIE // Adrenalin

C C

C

C

C HO


Erregung und Stress

OH

C

»

Summenformel Adrenalin C9H13NO13

C

IX.3

Grob gesagt spielen alle diese drei Hormone beim Einkaufen eine Rolle und bilden zusammen mit unseren Spiegelneuronen ein unschlagbares Team. Wir sehen etwas im Schaufenster, zum Beispiel ein unglaublich „schönes“ Kleid. Wir wollen es haben, und unsere Spiegelneuronen sagen uns, dass wir mit diesem Kleid genauso toll 200 und unwiderstehlich aussehen werden, wie die Schaufensterpuppe mit Größe 36. Wir sind aufgeregt, es kribbelt und wir gehen in den Laden und suchen es. Beim Finden schlägt unser Herz höher, wir kaufen es und wir werden dafür auch belohnt. Serotonin und Dopamin werden ausgeschüttet und wir würden es auf jeden Fall wieder tun. Bis wir zu Hause sind. Der Hormonspiegel hat sich wieder abgesenkt, wir schauen nüchtern auf das Kleid. Es ist nicht das tollste Kleid der Welt, aber es ist passabel. Dennoch würden wir es beim nächsten Einkauf jederzeit wieder genau so machen. CHEMIE // Adrenalin

Adrenalin ist ein „Stresshormon“, es versetzt uns in die Bereitschaft etwas zu tun. Äußerliche Wirkungen von Adrenalin können erhöhte Schweißproduktion, Gänsehaut und Pupillenerweiterung sein. Innere Wirkungen sind erhöhter Blutdruck und Muskelanspannung. Dopamin ist ein Zwischenprodukt bei der Entstehung von Adrenalin. Kein Wunder, dass es beim Einkaufen eine kleine Rolle übernimmt. Die Aufregung und das kribbelnde Gefühl im Magen, wenn man etwas unglaublich tolles gejagt hat.

C

HN

CH3


, isse ebn ! g r E zt Jet

X. Hirnforschung


X

202 HIRNFORSCHUNG //

Der Blick ins Kundengehirn.

// Kaufknopf, Ja oder Nein // /// Es gibt keinen „Kaufknopf“ im Gehirn des Konsumenten! Der Grund liegt in der Komplexität des Gehirns [168]. ///

D

ie wahren Gründe des Konsumenten und seiner alles über seine getroffenen Entscheidung herauszufinden, war schon immer der Traum aller Werbetreibenden. Wenn man nur in das Gehirn schauen könnte um eine Art „Kaufknopf“ zu finden, den man nur drücken muss und die Konsumenten kaufen das Produkt wie kleine Kauf-Zombies. Ja, das wäre schön. Forscher und vor allem die Gehirnforscher schüren diesen Traumgedanken der Werbefachleute noch und scheinen auch erschreckend nahe an seiner Realisierung zu sein. Mit den neuen Maschinen kann man direkt in das Gehirn der Probanden und Versuchspersonen schauen. Man sieht eine Reaktion im Gehirn und deutet sie. Auch schon vor den „neuen Neuromarketingapparaten“ und der modernen Gehirnforschung versuchte man diesem Ziel des gläsernen Kunden näher zu kommen.


X.1

203 HIRNFORSCHUNG // Technik von „früher“

Technik von Aussen

Bevor die Forscher ihren Blick direkt in das Gehirn der Konsumenten gerichtet haben, versuchten sie durch verschiedene Techniken von Außen auf die versteckten inneren Beweggründe einen Blick zu erhaschen. Zum Beispiel mit diesen Apparaturen.

»

Augenkamera: Eine Augenkamera verfolgt jede Bewegung der Pupille, während die Versuchsperson etwas betrachtet, eine Anzeige etwa. Sie erfasst den gesamten Weg des Blicks über das gesehene Objekt und misst exakt die Verweildauer auf einem bestimmten Punkt und das Tempo, des Blicks. Aus diesen, sehr kurzen Augenblicken und Zeitdifferenzen wird auf die innere Reaktion geschlossen, die im Gehirn hervorgerufen werden könnte [169].

»

„mind reading machines“: Unter diesem Überbegriff versammeln sich verschiedene Apparaturen, die allesamt dieselbe Technik benutzen. Sie beobachten äußerliche Reaktionen der Versuchsperson, beispielsweise die Mimik, Körperhaltung und Stimme, und schließen daraus was in der Person vorgeht. Sie machen sich die Tatsache zunutze, dass wir oft nicht nur mental auf Reize reagieren, sondern auch unwillkürlich körperlich. Ähnlich wie ein Lügendetektor geht es bei diesen „gedankenlesenden“ Maschinen um von äußerliche Beobachtungen auf innere Vorgänge zu schließen.

Aber körperliche Reaktionen sagen nicht viel darüber aus, wie die Entschlüsse im Inneren des Konsumenten genau zustande kommen und vor allem nicht, welche Gehirnareale daran beteiligt sind.


X.2

Zahlen bilden ab

»

EEG: Die Elektroenzephalographie wurde Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts entwickelt. Über Elektroden an der Oberfläche des Kopfes der Versuchsperson werden elektrische die Zustandsänderungen von Gehirnzellen gemessen. Während früher die Geräte einen Wust an rohen Messdaten lieferten, analysieren mittlerweile Computer die verschiedenen Signale und erleichtern somit die Durchführung der Experimente. Gemessen werden die elektrische Aktivität des Gehirns, genauer gesagt, Spannungsschwankungen, die sich einstellen, wenn sich das Aktivitätsniveau der Zellen, aufgrund von physiologischen Vorgängen, ändert. Zum Beispiel die Reaktion auf einen Sinnesreiz. Die räumliche Auflösung des EEG ist aufgrund des Messverfahrens sehr gering, dagegen ist die zeitliche Auflösung sehr hoch. Es ist quasi eine Echtzeitbeobachtung möglich. Sowohl die Reaktionszeit als auch die Reihenfolge der Hirnaktivitäten lassen sich mit dieser Methode seht gut beobachten und bestimmen. Das EEG gehört im medizinischen Bereich zur Standartausrüstung.

»

MEG: Die Magnetenzephalographie macht sich die einfache Tatsache zunutze, dass jede Bewegung elektrischer Ladung ein Magnetfeld hervorruft. Die Magnetfelder des menschlichen Gehirns sind zwar sehr schwach, das Erdmagnetfeld ist etwa 100 Millionen Mal stärker, lassen sich jedoch mit hochempfindlichen Detektoren, wie etwa flüssiges Helium, messen. Durch die entsprechende Anordnung der Sensoren können die Aktivitätsquellen im Großhirn auch lokalisiert werden. Allerdings nicht sehr genau, etwa im Zentimeterbereich. Die zeitliche Auflösung ist dagegen sehr hoch, sie liegt im Bereich von Millisekunden. Während die ersten MEG’s, die etwa ab 1970 konstruiert wurden, noch sehr umständlich in Handhabung. Leistung und Datenauswertung waren, ähneln moderne Ganzkopf-MEG Hauben eher Apparaturen, wie sie zum Beispiel zum Trocknen der Haare in Gebrauch sind [170].

204 HIRNFORSCHUNG // „alte“ Neuromarketingapparate

Mit den „neuen“ Apparaten ist es nun möglich genau aufzuzeichnen, welche Reaktionen die Sinnesreize wo im Gehirn auslösen. Mit diesen neuen Methoden rücken nun auch Gehirnareale und Strukturen ins Blickfeld der Forscher, bei denen man früher, beziehungsweise vor nicht allzu langer Zeit, nicht daran gedacht hätte sie zu erforschen. So lässt sich nunmehr erforschen und feststellen, welche Areale des Gehirns an Vorgängen beteiligt sind, die für das Marketing von höchstem Interesse sind. Die „moderne“ Hirnforschung ebnet dem Marketing den Zugang zu alten Fragestellungen, zum Beispiel emotionalen und unbewussten Prozessen.


X.2

205

HIRNFORSCHUNG // „alte“ Neuromarketingapparate


X.2

206 HIRNFORSCHUNG // Die neue Generation

Die neue Wunderwaffe der Werbung?


X.2

207 HIRNFORSCHUNG // Die neue Generation

Oder nur technische Spielerei?


X.2

208

Die neuen bildgebenden Verfahren mit ihrer bildhaften Darstellung suggerieren Einfachheit und Eindeutigkeit und haben in der Grundlagenforschung sicherlich zu einer Art Durchbruch beigetragen.

/// Die Hoffnung auf den „Kaufknopf“ im Kopf und den gläsernen Kunden wurden vor allem durch die sogenannten bildgebenden Verfahren wir fMRt oder PET geschürt [171]. ///

»

PET: Jede Aktivität von Neuronen zieht einen erhöhten Sauerstoffverbrauch nach sich. Wenn man die Stoffwechselraten bestimmt kann man auf das Aktivitätsniveau schließen. Da der Sauerstoff dorthin transportiert wird, wo er auch gebraucht wird, kann man aktive und weniger aktive Hirnareale lokalisieren und voneinander unterscheiden. Bei der Positronen-Emmissions-Tomographie handelt es sich um eine nuklear-medizinische Methode, bei der der Versuchsperson für den Organismus ungefährliche, schwach radioaktive Marker injiziert werden, die beim Stoffwechsel eine Rolle spielen. Die freigesetzte Strahlung wird von einer PET-Kamera erfasst. Sie besteht aus einem Ring von Strahlungsdetektoren, der den Kopf des Probanden umschließt. Die erfolgten Messwerte werden nicht als Zahlenkombination ausgegeben, sondern gleich zu Bildern verarbeitet, die das Gehirn mit Arealen unterschiedlich hoher Aktivität zeigen [172].

»

fMRT, fMRI: Auch bei der funktionellen Magnetresonanztomographie geht es um den Stoffwechsel. Sauerstoffhaltiges und sauerstoffarmes Blut strahlen unterschiedlich starke magnetische Felder ab. Dort wo das Gehirn aktiv ist wird Sauerstoff verbraucht und neues zugeführt. Die starken Magnetfelder des auch Hirnscanner genannten Geräts können die feinen Abweichungen messen und ein räumlich gut aufgelöstes Bild der Areale des Gehirns mit unterschiedlichem Aktivitätsniveau erzeugen. Die Lokalisierungen der verschiedenen Hirnareale liegen bei dieser Methode im Millimeterbereich. Diese Methode zeigt nicht die eigentliche neuronale Aktivität im Gehirn und sie kann ebenso wenig die Gedanken verfolgen und lesen.

HIRNFORSCHUNG // Die neue Generation

Das neue Bild


X.3

209 HIRNFORSCHUNG // Neue Erkenntnisse

Erkenntnisse der neuen Forschung

Obwohl die neuen, bildgebenden Verfahren der Hirnforschung noch keine Gedanken lesen können haben sie dennoch ein paar interessante Erkenntnisse über „den“ Verbraucher gebracht.

»

„Kortikale Entlastung“: Verschiedene Untersuchungen im Hinblick auf den Einfluss von Marken auf die Einstellungen und Entscheidungen von Kunden durch bildgebende Verfahren haben eine interessante Erkenntnis zu Tage gebracht. Bevorzugte Marken führen in der vorderen äußeren Hirnrinde zu einer Verringerung der Aktivität. Diese Region ist für das Speichern und analytische Verarbeiten von Informationen zuständig. Für rationale Entscheidungen also. Gleichzeitig wurden erhöhte Aktivitäten in den Arealen des Gehirns gemessen, die Emotionen in die Entscheidungen mit einbringen. Was heißt das nun? Die Emotionen in Bezug auf eine Marke oder auf ein bestimmtes Produkt helfen dem Gehirn, seine Entscheidung zu treffen, indem sie den Aufwand für langwieriges Vergleichen und Abwägen reduzieren. Und da unser Gehirn auf Effektivität getrimmt ist. Diesen Effekt bezeichnen Neuroforscher als „kortikale Entlastung“ [173].

»

Kundenloyalität: Es gab sehr viele Thesen darüber, was das Marketing dazu beitragen kann, damit die „Kundenloyalität“ entsteht. Dennoch gibt es keine allgemein anerkannte Theorie, schließlich spielen dabei sehr viele Faktoren eine Rolle. Der Lösung dieser Fragestellung scheint man nun bedeutend näher gekommen zu sein. Mittlerweile ist es gelungen ein Areal des Gehirns einzukreisen, dessen Aktivierung mit der Kundenloyalität in Verbindung gebracht werden könnte. Das Striatum-Areal.


X.3

210 HIRNFORSCHUNG // Neue Erkenntnisse


XI. Neuromarketing


XI.1

212

Der neue Superheld am Marketinghimmel.

// Hoffnungsträger ohne gleichen // D

ie große Zukunft des Marketings heißt „Neuromarketing“ und beinhaltet mehr, als nur ein Verfahren. Neuromarketing vereint in sich viele verschiedene Disziplinen, die daran arbeiten, „Konsumenten“ besser zu verstehen. Neuromarketing nutzt also Erkenntnisse und Verfahren aus verschiedenster Disziplinen und macht sie für die Marketingpraxis nutzbar. Zu diesen mitarbeitenden Disziplinen gehören, außer der Hirnforschung und dem Marketing, auch noch andere.

»

Die Psychophysik, also die Erforschung der Sensorik

»

Die Entwicklungspsychologie, wie sich das Gehirn entwickelt.

»

Die Erforschung künstlicher Intelligenz und neuronaler Netzwerke.

»

Kulturwissenschaften, wie wir die Bedeutung von Dingen lernen. Zum Beispiel, das ein Dreimaster für Abenteuer steht.

»

Marktforschung und die Erforschung der Konsumenten [175]. Bei dem Zusammenspiel der verschiedenen Disziplinen, kurz gesagt dem Neuromarketing, belegen die Forscher verschiedene Annahmen, die in der Werbebranche bis dato getätigt wurden. Das „Neuromarketing“ widerlegt aber auch sehr viele.

/// Kann Neuromarketing helfen, Kunden besser und effizienter anzusprechen? Die Antwort lautet: Ja. Müssen wir nun völlig umdenken und alles über Bord werfen, was bislang gemacht wurde? Natürlich nicht [174]. ///

NEUROMARKETING // Alle zusammen

Ja, Die neue Wunderwaffe


Ein neuer Held tritt auf... mit dem Willen, die Welt der Werbung zu verbessern!

XI.3

213 NEUROMARKETING // Alle zusammen

fte, werde ich bald „Durch meine Superkrä erbung zu retten in der Lage sein, die W zu meinen und die Konsumenten machen. Haha“ willenlosen Sklaven zu


XI.2

214 NEUROMARKETING // Widerlegte Annahmen

Die allgemeine These über eine Art „Relevant Set“ des Kunden, bei der Wahl der Marke und des dazugehörigen Produkts, wurde vom Neuromarketing widerlegt. Der Begriff des „Relevant Set“ bezeichnet den Auswahlprozess von Produkten und Marken im Bewusstsein des Konsumenten. Ein mehrstufiger Selektionsprozess, beginnend mit allem Verfügbaren, dann alles Bekannte, dann das Vertraute und Akzeptierte. Dieser Selektionsprozess endet mit den präferierten, also bevorzugten Produkten und Marken, die dann auch genommen werden.

Marke nr.1

Diese Annahme wurde widerlegt. Es gibt im Kundengehirn nur zwei Plätze, erster Platz oder dahinter. Alle anderen sind sozusagen unwichtig und werden im Normalfall auch nicht besonders beachtet. Die „kortikale Entlastung“ setzt nur bei der Marke NR. 1 ein, also der Lieblingsmarke des Konsumenten. Frei nach dem Motto „the winner takes it all“ [176].


XI.2

215

NEUROMARKETING // Widerlegte Annahmen

„Können wir das schaffen?“


XI.2

216

„Röntgenstrahlen an!“

NEUROMARKETING // Widerlegte Annahmen

„Ja wir schaffen das!“


XI.2

217 NEUROMARKETING // Widerlegte Annahmen /// Die Trennung von Emotion und Ratio ist aus der Sicht der Anatomie und Funktionsweise des Gehirns wenig sinnvoll. Es gibt keine rein rationalen Vorgänge im Gehirn. ///

Auch die viel verbreitete Meinung, dass die beiden Hirnhälften sich jeweils auf das logische Denken (links) und die Emotionalität (rechts) spezialisiert hätten, wurde durch die intensive Hirnforschung widerlegt. Man weiß nun, dass „emotionale“ und auch „rationale“ Aktivierungsmuster in beiden Hälften des Gehirns zu beobachten sind. Beide Hirnhälften sind also emotional und rational, gleichermaßen. Dazu ein kleines Beispiel. Die Amygdale, befindlich im limbischen System und das sogenannte Emotionszentrum, ist das wichtigste emotionale Zentrum im Gehirn und sitzt in beiden Gehirnhälften [177].


„Habe nun, a

ch! Philosoph

und Medizin

Theologie du

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und bin so klu

ie, Juristerei uch

r t, mit heiße

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r

218

or.“

NEUROMARKETING // Widerlegte Annahmen

g als wie zuv

XI.2

Tatkräftig unterstützt von seinem treuen, allwissenden Helferlein.


XII. Markennetzwerke


XII.1

220 MARKENNETZWERKE // Die Organisation

Unser Gehirn organisiert Marken in neuronalen Netzwerken.

// Organisation ist alles // /// Durch implizites Lernen entsteht auch die Verbindung zwischen dem Dreimaster und der Bedeutung „Abenteuer“ und diese Bedeutung wird durch die Markenkommunikation von Beck’s in das Beck’sNetzwerk integriert [178]. ///

B

ereits kurz nach unserer Geburt fangen wir an Informationen aufzunehmen, wie ein menschlicher Schwamm. Da sich unsere Sinne am Anfang nur langsam entwickeln, besteht dadurch eine natürliche Beschränkung der Informationsaufnahme. Und das ist auch gut so, denn durch diese natürliche Taktik kann unser Gehirn seine Arbeitsweise Schritt für Schritt verfeinern. Die eingehenden Informationen, egal über welchen Sinneskanal sie aufgenommen, werden im Gehirn gespeichert. Man geht davon aus, dass es kein „Vergessen“ gibt, das heißt, alles wird gespeichert, aber nur wenig davon ist auch bewusst abrufbar. Die meisten der Informationen werden in den Tiefen des Autopiloten abgelegt. Entgegen der allgemeinen Vorstellung, dass unser Gehirn Informationen ähnlich wie ein Computer ablegt ist falsch. Unser Gehirn ist von der Effizienz getrieben und legt die eingehenden

Informationen in „neuronalen Netzwerken“ ab. Ein solches Netzwerk besteht aus einer Vielzahl von Nervenzellen (Neuronen), die miteinander verbunden sind, das ganze Gebilde ist dabei nicht statisch angelegt, sondern ist flexibel, dadurch kann es immer wieder neue Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Nervenzellen anlegen. Dabei können die Netzwerke sowohl sensorische, als auch episodische, symbolische oder sprachliche Codes enthalten. Jeder Code kann prinzipiell in ganz vielen Netzwerken integriert sein, die Information ist durch Gebrauch in einem der Netzwerke nicht verbraucht. Zum Beispiel kann der Code „blau“ Bestandteil der Netzwerke „Allianz“, „Wasser“, „Fische“, usw. sein. Die Verbindungen der Codes sowie der Codes und der Motive entstehen durch implizites, kulturelles Lernen. /// Die Grundlage für das Zusammenspiel von Codes und Motiven sind neuronale Netzwerke in unserem Gehirn. In diesen neuronalen Netzwerken sind die Codes mit den Motiven verknüpft. ///


XII.1

221 MARKENNETZWERKE // Die Organisation

Neuronale Netzwerke sind persรถnlich und vor allem unterbewusst.


XII.1

Nur f端

r mich

!

222

Aktivieren Sie bitte Ihr Netzwerk und lassen Sie andere teilhaben.

MARKENNETZWERKE // Die Organisation

EFFIZIENZ


XII.1

223

MARKENNETZWERKE // Die Organisation


XII.1

224

mit seinen Codes ist also über das gesamte Gehirn verteilt. Auch das macht noch mal deutlich, dass es keinen Sinn macht mit einem Hirnscanner nach einem „Kaufknopf“ zu suchen. ///

MARKENNETZWERKE // Die Organisation

/// Ein Markennetzwerk

Die Markennetzwerke sind über das gesamte Gehirn verteilt. Wenn wir zum Beispiel die Farbe „lila“ von Milka sehen, sind die Netzwerke im visuellen Kortex aktiviert. Sie sind es auch, die die Farbe speichern. Die akustischen Merkmale einer Marke, zum Beispiel der „Sail Away“-Song von Beck’s, sind im auditiven Kortex gespeichert, direkt hinter den Ohren, im Temporallappen. Die haptischen Merkmale einer Marke, also zum Beispiel,wie sich eine Verpackung oder das dazu Produkt anfühlt, sind im somatosensorischen Kortex ganz oben im Gehirn abgelegt. Die motivationalen Aspekte sind „oben“, also ganz vorne, im orbitofrontalen Kortex abgelegt. Warum aber legt unser Gehirn Marken und ihre verbundenen Codes in solchen neuronalen Netzwerken an? Natürlich wegen der Effizienz. Es ist ein bisschen wie ein Schneeballsystem. Wird ein Code angeschupst, stößt er wiederum die anderen im Netzwerk an und aktiviert sie. Natürlich sollte „die Werbung“ darauf achten nur einen, möglich eindeutigen, Code zu senden, sonst werden mehrere Netzwerke aktiviert und der „Zugriff“ auf die Marke ist nicht eindeutig genug. Zum Beispiel die Farbe „grün“. Sie aktiviert das Netzwerk „Dresdner Bank“ und das Netzwerk „Beck’s“ und wahrscheinlicherweise noch ein paar andere. Aber der Dreimaster aktiviert eindeutig das „Beck’s-Netzwerk“. Und das ist ja das Wichtigste für die Marke, die eindeutige Aktivierung. Steht der Kunde vor einem Regal greift er eher zu der Marke, bei der eindeutig die meisten Codes aktiviert wurden. Deswegen sind auf vielen Produktverpackungen auch Elemente der Werbung integriert. Wiedererkennen, Aktivieren und Kaufen.


XII.2

225 MARKENNETZWERKE // Die Eingliederung der Motive

Kultur und unsere Motive

Ein großes, viel verzweigtes Markennetzwerk ist eigentlich nutzlos, wenn der Anschluss an die Motive fehlt. Die reine Reizkonditionierung auf Codes löst somit kein nachhaltiges Verhalten der Kunden aus. Die (kauf-)entscheidende Frage lautet deshalb weder, wie es einige Markenmodelle nahe legen, ob 76 Prozent der Kunden sich an die Farbe „gelb“ erinnern und der richtigen Marke zugeordnet wird. Auch nicht, ob die Farbe einer Marke alleine gehört. Denn wenn die Farbe „gelb“ für den Konsumenten nicht relevant ist, nicht an ein persönliches Motiv anschließt, dann ist die Farbe nicht relevant für den Kauf und somit egal. Es reicht auch nicht aus zu wissen wie viele Menschen mit meiner Marke einen bestimmten Duft verbinden, man sollte wissen, was dieser Duft für den Kunden bedeutet. Die Frage ist also, welche Motive sind mit den Codes verbunden und wie kann man sie ansprechen. Denn eine Verbindung von Code und einem Motiv kann nicht durch Markenkommunikation aufgebaut werden. Die Verbindung besteht oder sie besteht nicht. Die Bedeutung von „Dreimaster“ wurde nicht durch die Beck’s Werbung gelernt. Diese Verbindung, Dreimaster und Abenteuer, bestand schon früher. Mit welcher Art Schiff fuhren die Abenteurer den auf „Die Schatzinsel“? Genau. Man kann in der Markenkommunikation also nur Verbindungen zu Motiven nutzen, die bereits gelernt wurden. Mit Marketing können unterschiedliche Codes miteinander verbunden werden. Zum Beispiel „lila“ mit „Kuh“. Aber die Anbindung zu den Motiven muss in der Zielgruppe, der Herde, der Kultur bereits angelegt sein [181].

/// Die Verbindung zwischen den Codes und den Motiven sind implizit durch die Sozialisierung entstanden, sie sind kulturell gelernt [180]. ///

Alleinstellungsmerkmale bitte

Für die Werbung und das Marketing gilt es nun ein Netzwerk von Codes in den Köpfen der Kunden aufzubauen und sicherzustellen, dass sie, mit der für die Zielgruppe relevanter Motive, verknüpft sind. Das eigene „Markennetzwerk“ muss sich von den Netzwerken der Mitbewerber unterscheiden, den nur so ist eine eindeutige Aktivierung möglich. Dazu gibt es zwei Ansätze.

»

Kontrast: Die Codes unterscheiden sich von denen des Wettbewerbs.

»

Differenzierung: Die Codes sprechen unterschiedliche Motivprofile an.

/// Weit mehr als ein Drittel der Werbung aktiviert Wettbewerbs-Netzwerke [182]. ///


XII.3

226

/// Die Wirkung von Werbung

munikation braucht beides:

kann nur sehr eingeschränkt

den Kontrast der Codes und

durch herkömmliche

die Differenzierung in den

Konsumentenbefragung

Motivprofilen [183]. ///

erfragt werden. Die durch

MARKENNETZWERKE // Differenzierung bitte

/// Erfolgreiche Markenkom-

Markenkommunikation

Der Kontrast zu Mitbewerbern wird natürlich umso höher, je weniger Codes man mit anderen gemeinsam hat. Aber das ist gar nicht so leicht. Viele Werbeexperten beklagen die „Austauschbarkeit“ von den Werbekampagnen, denn es gibt immer typische Klischees, mit denen persönliche Motive angesprochen werden sollen. Zum Beispiel:

entstehende Bedeutung der Marken ist den Kunden nicht bewusst [184]. ///

»

Lachende Frau und Blumenstrauß = Frauenglück

»

Schmuck und Herz = Liebe

»

Weißhaariger Herr beim Angeln oder mit Enkel = sorgloses Alter

»

Junge Leute mit altem, amerikanischen Cabrio = jugendliches Angebot

»

Kleines Kind auf dem Rücksitz eines Autos = Sicherheit

Diese Liste an Beispielen könnte man wahrscheinlich ewig so weiterführen. Für Marken ist der Preis für „Austauschbarkeit“ hoch. Wenn der gesendete Code auch das Netzwerk des eigenen Mitbewerbers aktiviert, besteht natürlich immer die Gefahr, dass ich für den Anderen mitwerbe. Und natürlich, je mehr Codes meine Marke mit anderen teilt, desto diffuser ist das eigene Markenprofil.

Für den Rezipienten kann es natürlich meist egal sein, welches der Markennetzwerke aktiviert wird. Seine Entscheidungen werden auch durch andere Faktoren beeinflusst. Aber für die Werbung ist es wichtig. Vor allem, da Werbetreibende nicht genau wissen, wie ihre Codes wirken. Denn wir und unser Pilot können diese Fragen nicht beantworten. Unser Autopilot könnte es, aber diesen kann man nur beobachten, nicht fragen.

///Neben den Codes, dem Wahrnehmbaren, unterscheiden sich starke Marken hinsichtlich ihres Motivprofils, also dadurch welche Motive sie durch ihre Codes ansprechen. ///


O Eckpunkte unserer Beziehung zueinander.

227 ERGO //

// Nach den Worten, Erkenntnisse // N

un, welche Komponenten machen nun unsere wechselseitige und wechselhafte Beziehung zur Werbung aus. Zurück zum Begriff des „Information Overload“. Hätten wir nur die circa 40 Bits der „bewussten Aufmerksamkeit“ zur Verfügung, dann würde der Begriff der „Reizüberflutung“ sicher zutreffen. Aber wir haben ja noch die 10.999.960 Bits des „unbewussten“ pro Sekunde. Wie wir nun gelernt haben , nutzt der Autopilot dabei hocheffiziente und implizite Verarbeitungstechniken und strebt, im Gegensatz zu unserem Piloten, nach Auslastung. Die Evolution hat unser Gehirn nicht mit so einer mächtigen Sensorik ausgestattet, nur um dann den Großteil der gesammelten Informationen auf die Müllhalde zu kippen. Unser Gehirn nutzt diese Informationen vielmehr, um uns durch den Alltag zu lotsen und um ohne Unterbrechungen implizit zu lernen. Seien es nun die kulturell wichtige Codes, wie Sprache, oder die Code-Angebote der Werbung. Die Aussage, dass nur noch 8 Prozent der gesendeten Werbespots erinnert werden, sagt nichts darüber aus, wie viel unser Gehirn wirklich „gelernt“ und verarbeitet hat. Der Einfluss des Piloten und damit auch der bewussten Werbeerinnerung wird überschätzt. Er macht nur geschätzte 5 Prozent unseres Verhaltens aus [185]. Dazu kommt, dass die Wirkung von Werbung nicht unbedingt von unserer aktiven und auch konzentrierten Aufmerksamkeit abhängt. Die /// „Wir nehmen zwar nicht immer alles war, aber wir sind nicht in der Lage, unser Wahrnehmungssystem daran zu hindern, immer soviel wie möglich wahrzunehmen.“ (Manfred Spitzer, Hirnforscher) ///

Bedeutung von Marken und deren Produkten wird implizit gelernt. Wie sollen wir uns sonst von anderen aus der Herde abgrenzen, oder unsere Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe bezeugen. Nirgends steht ein Schild, das dich auf eine fehlende Hornbrille hinweist. Deinem Autopiloten fällt es aber auf. Und er handelt. Auch gegenüber unseren Motiven spielen Produkte und die Marken eine große Rolle. Wie sollen wir sonst das Defizit in unseren Motiven ausgleichen, wie sollen wir uns glücklich kaufen, ohne Produkte und die damit einhergehenden Versprechen, die sie machen? Auch wenn man Sätze wie „ich schaue keine Werbung“ oder „ich habe mich noch nie von Werbung leiten lassen“ schon tausendmal gehört und wahrscheinlich auch genauso oft selbst ausgesprochen hat, so entsprechen sie doch nicht ganz der Wahrheit. Matthias Horx, ein Zukunftsforscher, hat in diesem Zusammenhang eine sehr interessante Unterscheidung gemacht. Horx teilt Konsumenten in „Pro-Sumer“ und „No-Sumer“ ein und meint damit, dass sich die Menschen darin unterscheiden, wie relevant „Konsum“ im allgemeinen für sie ist. Aber auch die No-Sumer nutzen den Konsumverzicht sozialen Abgrenzung und damit auch zur Befriedigung ihres Autonomiemotivs. In der Marktforschung gehen viele davon aus, dass Werbung nur dann wirkt, wenn sie bewusst erinnerbar ist. Über 95 Prozent aller Werbetest basieren auf dieser Idee. Die Menschen nach der Wirkung von Werbung zu fragen, beispielsweise ob sie sich an einen Werbespot erinnern können. Aber nur weil sich Konsumenten explizit und verbal nicht erinnern können, heißt das nicht, dass sie die Werbung nicht implizit verarbeitet haben und die darin enthaltenen Codes nicht ihre Wirkung entfalten.


O

228 ERGO //

Ergo?

Âť

Werbung wirkt also vor allem durch implizites Lernen, durch Anbindung der unterbewussten Codes an unsere persĂśnlichen Motive und durch somatische Marker, die wie emotionale Etiketten an unseren Erinnerungen haften.



O

230

verschiedenen Körperorganen

[ fremde Wörter... ] Median = in der Mitte(llinie) eines Körpers oder Organs adäquat = angemessen, entsprechend Annektierung = etwas gewaltsam und/oder widerrecht-

gelegen

lich in seinen Besitz bringen

Assoziation = ursächliche Verknüpfung von Vorstellungen

olfaktorisch = den Geruchssinn und den Riechnerv betreffend

Behaviorismus/behavioristisch = Richtung der amerikanischen Verhaltensforschung, die nur direkt

Prestige = Ansehen, Geltung einer Person, Gruppe, Institu-

beobachtbares Geschehen als Gegenstand wissenschaftlicher

tion (oder ähnliches) in der Öffentlichkeit

Psychologie zulässt.

Proband = Versuchs-, Testperson prägnant = etwas in sehr knapper Form genau treffend,

deskriptiv = beschreibend

präskriptiv = bestimmte Normen festlegend präferieren = vorziehen, den Vorzug geben Psychophysik = Wissenschaft von den Wechselbezieh-

Exkurs = Erörterung in Form einer Abschweifung

ungen des Physischen und des Psychischen, von den Bezie-

darstellend

hungen zwischen Reizen und ihrer Empfindung

Gebrauchswert = Wert, den eine Sache hinsichtlich ihrer Zwecke hat, Nutzwert

qualitativ = die Qualität betreffend quantitativ = die Menge, Dosis betreffend

haptisch = den Tastsinn, das Tasten betreffend, mithilfe

rezipieren = a. fremdes Gedanken-, Kulturgut aufneh-

des Tastsinns (erfolgend)

men, übernehmen, b. einen Text, ein Kunstwerk als Leser(in),

Heuristik =Lehre, Wissenschaft von den Verfahren,

Hörer(in) oder Betrachter(in) sinnlich erfassen

Brauchbarkeit, ihrer Eignung für bestimmte Funktionen und

Probleme zu lösen; methodische Anleitung, Anweisung zur Gewinnung neuer Erkenntnisse

Hierarchie = Rangfolge, Rangordnung

Sensualität = Empfindungsvermögen (der Sinnesorgane) sensorisch = die Sinnesorgane allgemein, die Aufnahme von Sinnesempfindungen betreffend

implizit = 1. mit enthalten, mit gemeint, aber nicht aus-

Stimulus/Stimuli = 1. (Psychologie) (eine unwillkür-

drücklich gesagt, 2. nicht aus sich selbst zu verstehen, sondern

liche Reaktion auslösender) Reiz 2. (bildungssprachlich) Anreiz

logisch zu erschließen

Strategie = genauer Plan des Vorgehens, der dazu dient,

intervenieren = (bildungssprachlich) [vermittelnd] in

ein Ziel zu erreichen

ein Geschehen, einen Streit o.Ä. eingreifen, sich [als Mittler]

subtil = mit viel Feingefühl, mit großer Sorgfalt, Genau-

einschalten

igkeit vorgehend oder ausgeführt; in die Feinheiten gehend;

involviert = beteiligt

nuanciert, differenziert

FREMDWö RTERVERZEICHNIS //

Korrelation = (bildungssprachlich) wechselseitige Beziehung, (Medizin) funktionelle Wechselbeziehung zwischen


O

»

Quellennachweis Kapitel III. Information Overflow 29 30 31 32

Scheier, Held, 2006, S. 151 www.wissensnavigator.ch, Abfrage vom 20.12.2011 Kroeber-Riel, 1993, S. 15 Felser, 2007, S. 5

231 QUELLENNACHWEIS //

»

[ Abgeschrieben bei... ] »

Quellennachweis Kapitel I. Werbung 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

»

Bergler, 1984 Felser, 2007, S. 1 Felser, 2007, S. 2 Ehm, 1995 Felser, 2007, S.2 Meyer-Hentschel, 1993 Felser, 2007, S.2 Niemayer und Czycholl, 1994; Roßmann, 2000 Felser, 2007, S.3 Felser, 2007, S.3 Felser, 2007, S. 5 Bottler, 1995, S. 54 H:A: Hartwig, zit. n. Bottler, 1995, S.54 Hermanns, 2007 Felser, 2007, S. 24 Felser, 2007, S. 26 Kienscherf, 1990, S. 253 vgl. Kienscherf, 1990, S. 254 ff vgl. www.werberat.de, Abfrage vom 24.10.2011

Quellennachweis Kapitel II. Werbestrategien 20 21 22 23 24 25 26 27 28

Felser, 2007, S. 12 Felser, 2007, S. 13 Felser, 2007, S. 14 Meyer-Hentschel, 1993, S. 157 Felser, 2007, S. 17 Felser, 2007, S. 17 Meyer-Hentschel, 1996, S. 59 Felser, 2007, S.18 Felser, 2007, S. 18 ff

Quellennachweis Kapitel IV. Sinne 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78

Benner, 1996, S. 253 Warmbier, 2008, 23-24 Warmbier, 2008, S. 91 Felser, 2007, S. 119 Warmbier, 2008, S. 69-71 Felser, 2007, S. 122 Felser, 2007, S. 121 Felser, 2007, S. 120 Felser, 2007, S. 122 Benner, 1996, S. 256 Warmbier, 2008, S. 92 Benner, 1996, S. 253 Benner, 1996, S. 256 Warmbier, 2008, S. 92 Benner, 1996, S. 257 Benner, 1996, S. 257 Felser, 2007, S. 125 Warmbier, 2008, S. 93 Warmbier, 2008, S. 93 Warmbier, 2008, S. 94 Warmbier, 2008, S. 95 ff Felser, 2007, S. 126 Wikipedia, Suchwort: Lesen Felser, 2007, S. 128 Felser, 2007, S. 129 Warmbier, 2008, S. 100 Warmbier, 2008, S. 104 ff Benner, 1996, S. 271 Benner, 1996, S. 270 Warmbier, 2008, S. 132 Brenner, 1996, S. 272 Brenner, 1996, S. 272 Brenner, 1996, S. 272 Felser, 2007, S. 129 Felser, 2007, S. 130 Beispiele nach Bröder, Bröder und Weidt, 2006 Felser, 2007, S. 130 Warmbier, 2008, S. 134 ff Warmbier, 2008, S. 158 ff Warmbier, 2008, S. 134 Warmbier, 2008, S. 134 ff Warmbier, 2008, S. 138 ff Warmbier, 2008, S. 137 Brenner, 1996, S. 284 Lindstrom, 2009, S. 149 Warmbier, 2008, S. 117


»

Felser, 2007, S. 130 Felser, 2007, S. 130 Warmbier, 2008, S. 114 ff Brenner, 1996, S. 284 Warmbier, 2008, S. 114 ff Felser, 2007, S. 131 Brenner, 1996, S. 285 Brenner, 1996, S. 285 Warmbier, 2008, S. 122 ff Lindstrom, 2009, S. 150 Lindstrom, 2009, S. 147 Felser, 2007, S. 132 Warmbier, 2008, S. 117 ff Warmbier,2008, S. 114 ff Warmbier, 2008, S. 117 Brenner, 1996, S. 49 Warmbier, 2008, S. 106 ff Warmbier, 2008, S. 107 Brenner, 1996, S. 52 Warmbier, 2008, S. 109 Warmbier, 2008, S. 107 ff Warmbier, 2008, S. 115 ff Felser, 2007, S. 135, nach Lindstrom Felser, 2007, S. 135

126 127 128 129 130

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103 104 105 106 107 108 109 110 111 112 113

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Anderson, 2001 Felser, 2007, S. 141 nach Lachmann, 2003 Kover, Goldmann & James, 1995 Felser, 2007, S. 142 Meyer-Hentschel, 1993, S. 45 Warmbier, 2008, S. 102 Warmbier, 2008, S. 29 Warmbier, 2008, S. 102 ff Warmbier, 2008, S. 180 Scheier, Held, 2006, S. 34 ff

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114 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125

Scheier, Held, 2006, S. 38 Scheier, Held, 2006, S. 36 nach Thomas, 2006 Lindstrom, 2009, S. 63 Lindstrom, 2009, S. 66 ff Scheier, Held, 2006, S. 69 Scheier, Held, 2006, S. 72 Scheier, Held, 2006, S. 70 Scheier, Held, 2006, S. 70 Scheier, Held, 2006, S. 75 Scheier, Held, 2006, S. 79 Scheier, Held, 2006, S. 82 ff

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Warmbier, 2008, S. 35 Scheier, Held, 2006, S. 99 Felser, 2007, S. 47 Scheier, Held, 2006, S. 98 Scheier, Held, 2006, S. 99 ff Scheier, Held, 2006, S. 100 ff Lindstrom, 2009, S. 71 Scheier, Held, 2006, S. 101 Warmbier, 2008, S. 105 Scheier, Held, 2006, S. 108 Scheier, Held, 2006, S. 109 Scheier, Held, 2006, S. 55 Scheier, Held, 2006, S. 56 Warmbier, 2008, S. 36 Scheier, Held, 2006, S. 54 Scheier, Held, 2006, S. 57 ff Lindstrom, 2009, S. 132 Lindstrom, 2009, S. 141 Felser, 2007, S. 81 Felser, 2007, S. 85 Gazzaniga, 1998, S. 25 Scheier, Held, 2006, S. 64 ff Lindstrom, 2009, S. 70 Felser, 2007, S. 97 Felser, 2007, S. 106

Quellennachweis Kapitel VIII. Gehirn 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166

Quellennachweis Kapitel VI. Codes

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Quellennachweis Kapitel X. Hirnforschung 168 169 170 171 172 173

Scheier, Held, 2006, S. 19 Warmbier, 2008, S. 46 ff Warmbier, 2008, S. 50 ff Scheier, Held, 2006, S. 19 Warmbier, 2008, S. 52 ff Scheier, Held, 2006, S. 24

Scheier, Held, 2006, S. 29 Warmbier, 2008, S. 74 Benner, 1996, S. 230 ff Scheier, Held, 2006, S. 49 Scheier, Held, 2006, S. 49 ff Scheier, Held, 2006, S. 59 Lindstrom, 2009, S. 29 Scheier, Held, 2006, S. 61 Scheier, Held, 2006, S. 60 ff Scheier, Held, 2006, S. 61 Scheier, Held, 2006, S. 63

Quellennachweis Kapitel IX. Chemie 167 Lindstrom, 2009, S. 70

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Quellennachweis Kapitel XI. Neuromarketing 174 Scheier, Held, 2006, S. 24 175 Scheier, Held, 2006, S. 21 ff 176 Scheier, Held, 2006, S. 25

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Quellennachweis Kapitel XII. Markennetzwerke 177 178 179 180 181 182 183 184 185

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232

Quellennachweis Kapitel VII. (Kauf)entscheidung 131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144 145 146 147 148 149 150 151 152 153 154 155

Quellennachweis Kapitel V. Aufmerksamkeit

Scheier, Held, 2006, S. 83 Scheier, Held, 2006, S. 80 Scheier, Held, 2006, S. 85 Scheier, Held, 2006, S. 87 Scheier, Held, 2006, S. 92

Scheier, Held, 2006, S. 26 Scheier, Held, 2006, S. 134 ff Scheier, Held, 2006, S. 134 ff Scheier, Held, 2006, S. 138 ff Scheier, Held, 2006, S. 139 Scheier, Held, 2006, S. 140 ff Scheier, Held, 2006, S. 145 Scheier, Held, 2006, S. 153 Scheier, Held, 2006, S. 153

[ Oder so... ]

QUELLENNACHWEIS //

79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102


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233 LITERATURVERZEICHNIS //

[ und die Literatur ] Anderson, J. R.: Kognitive Psychologie, Eine Einführung, 3. Auflage, Heidelberg, Spektrum, 2001

Bergler, R.: Werbung als Untersuchungsgegenstand der empirischen Sozialforschung, Bonn, Edition ZAW, 1984 Benner, K.-U.: Der Körper des Menschen, Das Wunderwerk des menschlichen Körpers, Aufbau, Funktionen, Zusammenwirken, Abläufe und Vorgänge, Augsburg, Weltbild Verlag, 1996, Titel der Originalausgabe: The Human Body – A comprehensive guide to the structure and functions of the human body, London, Gallery Press, 1989 Bottler, S.: Zeigen Sie den Vogel, werben & verkaufen, 28, S. 52-55, 1995 Bröder, S.: Das Ohr kauft mit, in Psychologie Heute, 33 (4), S. 30-34, 2006

Ehm, P.: Großer Wurf mit Database, werben & verkaufen, 27, S.130-133, 1995

Felser, G.: Werbe- und Konsumentenpsychologie, 3. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, Spektrum Akademischer Verlag, 2007

Hermanns, A., Kiendl, S.C., & Ringle, T.: Die Bedeutung des Sponsoring für die Markenführung, in A. Florack, M. Scarabis & E. Primosch (Hrsg.), Psychologie der Markenführung, S. 377-390, München: Vahlen, 2007

Kienscherf, H.: Werbung und Recht, in L. Poth, K. Rippel, D. Pflaum, J.Dohmen, R. Grimm, R. Waldeck, R. Huth, D. Heymann, H. Flögel, H. Kienscherf und G. Jaster, Praktisches Lehrbuch der Werbung, S. 253-267, Berlin, Verlag Die Wirtschaft, 1990 Kover, A. J., Goldberg, S. M. & James, W. L.: Creativity vs. Effectiveness? An integrating classification for advertising, Journal of Advertising Reasearch, 35, S. 29-40, 1995 Kroeber-Riel, W.: Strategien und Technik der Werbung, Verhaltenswissenschaftliche Ansätze, 4. Auflage, Stuttgart, Kohlhammer, 1993


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234 LITERATURVERZEICHNIS //

Lachmann, U.: Wahrnehmung und Gestaltung von Werbung, 2. Auflage, Hamburg, Gruner + Jahr AG & Co., 2003 Lindstrom, M.: Buyologie, Warum wir kaufen, was wir kaufen, deutschsprachige Ausgabe, Frankfurt/Main, Campus Verlag, 2009. Titel der Originalausgabe: Buyologie: truth and lies about why we buy, New York, Random House (Doubleday), 2008

Meyer-Hentschel Management Consulting: Erfolgreiche Anzeigen: Kriterien und Beispiele zur Beurteilung und Gestaltung, Wiesbaden, Gabler, 1993

Niemayer, H.-G. & Czycholl, J.M.: Zapper, Sricker und andere Medientypen: Eine marktpsychologische Studie zum selektiven TV-Verhalten, Stuttgart, Schäffer-Poeschel, 1994

Scheier, C., Held, D.: Wie Werbung wirkt, Erkenntnisse des Neuromarketings, Planegg/ München, Rudolf Haufe Verlag GmbH & Co. KG, 2006 Schwenckendiek, J.: Werbung im Deutschunterricht, in D. Arnsdorf, J. Schwenckendiek & S. Wolf (Hrsg.), Die Krönung der schönsten Stunden, Begleitheft zum Video mit Unterrichtsvorschlägen, München, Hueber, 1990

Thomas, M. & Morwitz, V.: Penny wise and pound foolish: The left digit effect in price cognition, Journal of Consumer Research, 32, S. 54-64, 2005

Warmbier, W.: Der programmierte Kunde, Neuromarketing, Frontalangriff auf unsere Sinne, Berlin, Ullstein Buchverlage (Econ), 2008 www.werberat.de, Abfrage vom 24.10.2011 Weidt, B.: Wie ein Staubsauger surren muß, oder: Die Suche nach dem idealen Ton, Harzer Volksstimme; Wochenend Magazin, S. 2, 2006, 24. Juni www.wikipedia.de, Suchwort: Lesen, Abfrage, 24.10.2011 www.wissensnavigator.ch, Suchwort: Information Overflow, Abfrage vom 20.12.2011


// danke*

* an meine Familie, für die großen und kleinen Schubser an meine Schatz, für seine Geduld und mentale Unterstützung, während meiner geistigen Abwesenheit an die Mädels, für die Kritik und den Rückhalt an meinen Computer, für sein Durchhaltevermögen an meinen Betreuer, Herr Prof. Barth, für seine kritischen Fragen




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