gen für die Schüler/innen, um die konkrete Geschichte eines Deportierten zu erforschen. Ein Schüler beschriftet einen Gedenkstein mit dem Namen eines deportierten Menschen und fügt ihn der Erinnerungsmauer auf dem Gelände der Löcknitz-Grundschule hinzu. Inzwischen gibt es mehr als 750 Steine, die die Kinder dort zu einer Denkstein-Mauer seit 1994 aufgeschichtet haben. Auch das Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin bietet ein breites pädagogisches Angebot zum Thema Nationalsozialismus für unterschiedliche Zielgruppen an. Es gibt Studientage für allgemein- und berufsbildende Schulen, in denen unter anderem die „Orte der Erinnerung“ im Bayerischen Viertel besucht werden. „Geschichte in Bewegung“ nennt sich das Programm mit kombinierten Bildungsangeboten zu NS-Zeit, Erinnerungspolitik und Demokratieverständnis. Lehrerfortbildungen und internationale Seminare – unter anderem deutsch-israelische – zum Thema Holocaust gehören zu den speziellen Angeboten des Hauses der WannseeKonferenz. Hierbei wird oft das Denkmal im Bayerischen Viertel aufgesucht. Es kann beispielhaft zeigen, wie die Verfolgung und Ermordung von Juden Gegenstand von Kunst im öffentlichen Raum wurde. Gerade bei internationalen Gruppen lässt sich mit dem Denkmal von Stih/Schnock arbeiten, weil es so viele Dimensionen aufzeigt und so anschaulich ist.5 ArtLeaks – by Zampa di Leone, 2011
So sieht man neben den Kinder- und Jugendgruppen aus dem Bezirk immer wieder Erwachsene, die planmäßig von Schild zu Schild das Denkmal im Viertel erwandern. Sie sprechen viele Sprachen, vor allem sind es Amerikaner und Israelis, die kommen, aber auch Niederländer, Franzosen, Spanier und Gruppen aus Osteuropa, die sich mit dem Denkmal als Diskurs der deutschen Erinnerungskultur auseinandersetzen. Es sind Studentengruppen, Künstler, Kunsthistoriker, Kulturpolitiker, Stipendiaten der unterschiedlichen Kulturprogramme in Berlin, auch Gewerkschaftsgruppen oder Touristengruppen.
Nicht-Ausstellung versus Selbstorganisation
Das nach der Idee von Renata Stih und Frieder Schnock realisierte Denkmal im Bayerischen Viertel bleibt ein lebendiger Ort der Erinnerung an die Vernichtung der Juden. Es ist ein Beispiel für einen erfolgreichen offenen Kunst-Wettbewerb. Man kann lebendige Kommunikation rund um das Denkmal beobachten, auch wenn sich in den beiden Jahrzehnten die Generationen und die Bewohner/innen verändert und die Rezeption des Denkmals sich gewandelt haben. Es nimmt einen besonderen Platz zwischen den HolocaustDenkmalen auf der Welt ein. Adelheid Scholten
kunststadt stadtkunst 60 | Internationales
1 Florian von Buttlar, Ein Kunstwettbewerb als ideengeschichtliche Sammlung, in: Orte des Erinnerns, das Denkmal im bayrischen Viertel, Berlin 1994, Bd. 1, Seite 98 2 laut Petra Zwaka, Jugend Museum Schöneberg, im Gespräch am 20.2.2013. 3 www.jugendmuseum.de/geschichte-vor-ort.html und MaterialienMappe zum Audio Guide, herausgegeben vom Jugend Museum 2010 4 aus: www.loecknitz-grundschule.de/denk_mal.htm 5 laut Elke Gryglewski, Haus der Wannsee-Konferenz, im Gespräch am 19.2.1013.
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Präsentation des Audioguide der Klasse 6b der Barbarossa-Gundschule, 2008, Foto: Adelheid Scholten
Das ArtLeaks Komitee vor dem Museum für Zeitgenössische Kunst in Belgrad, Foto: Rena Rädle
A
rtLeaks (http://art-leaks.org) ist eine kollektive Plattform, die von einer Gruppe internationaler Künstler/ innen, Kurator/innen, Kunsthistoriker/innen und Intellektuellen als Antwort auf den Missbrauch ihrer professionellen Integrität und die offene Missachtung ihrer Arbeiterrechte gegründet wurde. Der hier abgedruckte Text beruht auf Auszügen aus dem Bericht des ArtLeaks Komitees für Belgrad vom 8. September 2012 und wurde von Rena Rädle zusammengestellt und aus dem Englischen übersetzt. Nachdem die ersten beiden ArtLeaks Working Assemblies in Berlin und Moskau abgehalten worden waren, fand die dritte Versammlung in Belgrad statt. Am 30. August 2012 trat im Vorfeld des Treffens das ArtLeaks Komitee zusammen, gebildet von Corina Apostol, Alina Popa, Rena Rädle und Ştefan Tiron, um die Bedingungen in den Belgrader Kulturinstitutionen vor Ort zu untersuchen. Nummer eins auf unserer Liste war der problematische Fall des Museums für Zeitgenössische Kunst in Belgrad. Der beeindruckende modernistische Museumsbau ist seit 2007 für die Öffentlichkeit geschlossen. Damals begannen Sanierungsarbeiten, die bis heute nicht abgeschlossen sind. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs war das Museum temporär für die sogenannte „Nicht-Ausstellung“ mit dem Titel „Was ist mit dem Museum für Zeitgenössische Kunst passiert?“ geöffnet, die aus einer Dokumentation, künstlerischen Interventionen, Überresten der letzten Ausstellung und dem
3rd Art Leaks Working Assembly in Belgrad, Foto: Benjamin Renter
Gebäudeinterieur bestand. Die Ausstellung thematisierte zum ersten Mal seit fünf Jahren öffentlich die Lage der Institution, nachdem das Museumsmanagement jahrelang über dessen Zustand geschwiegen hatte. Die Direktorin, die bereits über 12 Jahre im Amt ist, koordiniert mit über 30 Angestellten die vorwiegend persönlichen Interessen dienenden Aktivitäten der staatlich finanzierten Institution von einer im Reichen-Viertel Belgrads gelegen Villa aus. Während wir durch die „Nicht-Ausstellung“ gingen, diskutierten wir darüber, warum die Belgrader Art Community dieses leerstehende Museum nicht einfach besetzt und einen alternativen Raum schafft, in dem Kulturarbeiter/innen ihre Erfahrungen austauschen, Vorträge, Workshops und Ausstellungen organisieren könnten. Könnte hier nicht ein großartiges Experiment stattfinden, das einen Raum für Kunst und Kultur schaffen würde, von unten organisiert? Nach dem Besuch des Museums stießen der Künstler Vladan Jeremić und der Fotograf Benjamin Renter zu uns. Der zweite Kunstort, den wir besuchten, war die Galerie der serbischen Künstlerunion (ULUS), mit der Ausstellung „Ich bin er“. Die Künstlerin Milica Vergot selbst begleitete uns durch die Ausstellung. Es folgte ein Besuch der open air Fotoausstellungen auf der Belgrader Festung, im Kalemegdan Park. Die eine Ausstellung trug den Titel „The New Look of Russia“ und war finanziert von GAZPROM, die andere, mit dem Titel „This is Poland“ war von der Österreichischen Botschaft gesponsert. Erste Eindrücke: Ein vielgestaltiger und schwieriger loka-