Wirkstoff
Lesestoff für den Fachhandel Selbstmedikation
5/2025

Lesestoff für den Fachhandel Selbstmedikation
5/2025
Deutsche mischen den Markt auf
Welche Expansionspläne
Müller und Rossmann für die Schweiz haben
Pierre-Alain Widmer im Interview
Der Gesamtleiter Vertrieb von Weleda erzählt, was ihn an der Drogeriebranche fasziniert
So gelingt gute Parfümberatung
Drei Parfümexpertinnen verraten Tipps und Tricks, um Düfte gekonnt zu verkaufen
Branche
Interview
Rossmann hat vor ein paar Monaten den Markteintritt gewagt und ist wie Müller auf Expansionskurs. Eine Einordnung, welche Strategien die beiden deutschen Drogerieketten verfolgen.
Pierre-Alain Widmer hat über 30 Jahre als Gesamtleiter Vertrieb Schweiz bei Weleda gearbeitet. Im Interview erzählt er, warum ihn die Drogeriebranche begeistert und wo Verbesserungspotenzial besteht.
Impressum Wirkstoff
Herausgeber Schweizerischer Drogistenverband, Thomas-Wyttenbach-Strasse 2, 2502 Biel, Telefon 032 328 50 30, info@drogistenverband.ch
Verlag vitagate ag, Thomas-Wyttenbach-Strasse 2, 2502 Biel Geschäftsführung und Verlagsleitung: Tamara Gygax-Freiburghaus, t.gygax@vitagate.ch
Inserate: Tamara Gygax-Freiburghaus, Marlies Föhn, Janine Klaric, inserate@vitagate.ch Abonnemente und Vertrieb: Valérie Rufer, vertrieb@vitagate.ch Redaktion
Publizistische Leitung: Heinrich Gasser, h.gasser@vitagate.ch
Leiterin Fachmedien, Chefredaktorin Wirkstoff: Céline Jenni, c.jenni@vitagate.ch Redaktionelle Mitarbeit in dieser Ausgabe: Adrian Ritter, Barbara Halter, Claudia Merki, Désirée Klarer Wissenschaftliche Fachkontrolle: Dr. phil.-nat. Anita Finger Weber
Übersetzung: Daphné Grekos, Marie-Noëlle Hofmann
Titelbild: istockphoto.com/Liudmila Chernetska
Produktion
Layout: Claudia Luginbühl
Druck: Courvoisier-Gassmann AG, Biel ISSN 2673-4974 (Print), ISSN 2673-4982 (Online); CHF 65.–/Jahr, inkl. MWST. Auflage von 5508 Ex. WEMF/KS-beglaubigt (9/2024) 6. Jahrgang. Erscheinung 10× jährlich
© 2025 – vitagate ag, Thomas-Wyttenbach-Strasse 2, 2502 Biel
Offizielles Magazin des Schweizerischen Drogistenverbandes und Medium von Angestellte Drogisten Suisse
Schwerpunkt
Lässt sich der Umsatz mit Duftmarketing steigern? Und wie wählt man den passenden Duft aus? Verschiedene Duftmarketing-Experten, professionelle Raumbedufter und ein Geruchsforscher geben Auskunft.
Fachwissen
Was gegen Mundgeruch hilft
Mundgeruch ist ein unangenehmes
Thema für betroffene Personen. In vielen Fällen kann aber mit guter Mundhygiene, ausgewogener Ernährung und Mitteln aus der Drogerie einfach Abhilfe geschaffen werden.
13
Angestellte Drogisten Suisse
Der Vorstand von Angestellte Drogisten Suisse lädt zur 86. Generalversammlung ein.
20 Parfümberatung
Gute Duftberatung schafft eine Wohlfühloase für die Kundschaft. Drei Parfümexpertinnen erzählen, wie das gelingen kann.
28
Organe kopieren
Organoide sind vereinfachte Kopien realer Organe. Mit dieser vielversprechenden Technologie können Krankheiten besser verstanden und neue Wirkstoffe gefunden werden.
Editorial
Richtig eingesetzt sind Düfte sehr effektiv: Innerhalb von Sekunden können sie alte Erinnerungen heraufbeschwören und längst vergessene Empfindungen aufleben lassen. Kein anderes Sinnesorgan ist so direkt mit den Emotionen verknüpft wie unsere Nase. Dies kann man sich im Duftmarketing zunutze machen. Ein angenehmes Raumklima erhöht nachweislich das Wohlbefinden, die Aufenthaltsdauer und den Umsatz und lässt Mitarbeitende freundlicher und kompetenter wirken. Einfach etwas Raumspray versprühen genügt aber nicht. Damit Düfte passend zur Umgebung ihre Wirkung entfalten können, braucht es viel konzeptionelle Arbeit. Wie diese aussehen kann und was Duftmarketing ist, erfahren Sie in der Titelgeschichte auf Seite 14. Über Düfte zu sprechen (oder schreiben) ist aber schwierig. Oder können Sie ganz genau beschreiben, wie es in einer Drogerie riecht? Mir kommen nur allgemeine Floskeln in den Sinn, beispielsweise sauber, frisch, holzig, süsslich, aromatisch, würzig oder zitrusartig. Dies erfasst das Wesen einer Drogerie aber nicht. Auch im Alltag sind wir es uns viel eher gewohnt, über visuelle Eindrücke zu sprechen als über olfaktorische. Flecken auf der Kleidung? Darauf darf man aufmerksam machen. Schweissoder Mundgeruch? Schon viel schwieriger anzusprechen. Düfte sind etwas sehr Intimes und Persönliches – deshalb können wir gewisse Personen wortwörtlich gut riechen (oder auch nicht). Mit unseren beiden Geschichten zu «Mundgeruch» und «Parfümberatung» finden Sie aber dennoch die richtigen Worte für unangenehme beziehungsweise wohlriechende Düfte.
Céline Jenni, Chefredaktorin Wirkstoff, Leiterin Fachmedien, c.jenni@vitagate.ch
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Die hiesige Drogeriebranche ist in Bewegung. Mit Rossmann betritt ein neuer Akteur den Markt, während Müller seine Position weiter ausbauen will. Welche Strategien verfolgen die deutschen DrogerieGiganten in der Schweiz?
7 Désirée Klarer
Die einen kämpfen ums Überleben, die anderen um Expansion. Die Anzahl der Drogerien ist in den letzten zehn Jahren gesunken, der Umsatz pro Standort ist gestiegen. Das geht aus einer 2024 veröffentlichten Broschüre des Drogistenverbandes SDV hervor (siehe Grafik auf Seite 5). Diese Entwicklung bleibt auch den deutschen Drogerieketten nicht verborgen – sie setzen auf Wachstum. Müller hat seine Marktstellung 2023 durch den Kauf von Franz Carl Weber weiter gestärkt. Rossmann, auch in vielen anderen Ländern Europas vertreten, wagte im Dezember 2024 den Markteintritt in der Schweiz. Die erste Filiale eröffnete das Unternehmen in Emmen im Kanton
Luzern. «Emmen hat uns durch die Lage im Emmen Center, die Frequenz sowie die gute verkehrstechnische Anbindung überzeugt», sagt Fabrizio D’Ascenzo, Managing Director Rossmann Schweiz. Weiter sei das multikulturelle Einkaufszentrum mit hoher Kundenfrequenz ideal, um Rossmann in der Schweiz bekannt zu machen.
Die bisherigen, «durchwegs positiven» Erfahrungen dürften das Unternehmen in seinem ambitionierten Unterfangen bestärken: bis zu 150 Filialen sollen in den kommenden Jahren eröffnet werden. Nach Emmen folgt im Sommer 2025 bereits eine Filiale in Biel. «Unser Ziel ist es, ein dichtes Filialnetz aufzubauen, das der Kundschaft
schweizweit einen einfachen Zugang zu unserem Angebot ermöglicht», so D’Ascenzo. Dabei orientiere sich Rossmann unter anderem an der regionalen Nachfrage und den verfügbaren Flächen.
Ein Blick auf die Entwicklung von Müller in der Schweiz zeigt, wie ein solcher Expansionskurs verlaufen kann. 2004 kaufte Müller 19 Estorel-Filialen. Heute betreibt das Unternehmen hierzulande bereits 89 Filialen und setzt die Wachstumsstrategie mit rund 28,3 Millionen Euro Investitionsvolumen fort. Allein für 2025 sind neun Neueröffnungen geplant, wie es in einer Medienmitteilung vom 7. März dieses Jahres heisst. Müllers Erfolgsrezept basiert auf der Sortimentsvielfalt, sagt Geschäftsleiterin Elke Menold: «Müller versteht sich als Markenhaus mit der grössten Sortimentstiefe in der Schweiz, das seinen Kundinnen und Kunden eine breite Auswahl vom Preiseinstieg bis hin zu Luxusartikeln bietet.» Gesamthaft sind es rund 190 000 Artikel. Dazu gehören rund 11 000 Artikel speziell für den Schweizer Markt. Als einziger Handelskonzern in der Schweiz führt Müller neben Drogerie-, Spielwaren- und Parfümerieprodukten auch OTC-Produkte, was dem Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil verschafft, heisst es in der Medienmitteilung weiter. Und wie steht es um den OTC-Anteil bei Rossmann? «In der Schweiz führen wir aktuell ein kleines, gezielt ausgewähltes Sortiment an rezeptfreien Produkten. Wir planen, diesen Bereich schrittweise auszubauen», sagt D’Ascenzo. Andrea Ullius, Leiter Politik und Branche sowie Geschäftsführer des SDV, ordnet ein: «Was Rossmann meint, sind frei verkäufliche Arzneimittel, also jene der Liste E. Die kann jeder verkaufen, beispielsweise auch Coop oder Migros.» Sollte Rossmann auch OTC-Produkte anbieten wollen, müsste der Konzern die Drogerie integrieren. «So, wie das auch Müller macht», sagt Ullius, und ergänzt: «dafür müssten sie erst die Leute finden.» Ullius spricht damit ein wichtiges Thema an: den Fachkräftemangel.
Schweizweit hat sich dieser zwar seit 2022 etwas entspannt, doch er liegt noch immer über dem Wert von vor der Pandemie. Dies geht aus dem Fachkräftemangel-Index 2024 hervor, der im November letzten Jahres herausgegeben wurde. Spitzenreiter des Fachkräftemangels sind nach wie vor die Gesundheitsberufe, zu denen auch das Berufsbild Drogistin/Drogist zählt. Da Müller und Rossmann sowohl Detailhandelsfachleute als auch Drogistinnen und Drogisten einstellen, dürfte sich ihre Personalgewinnung leichter gestalten. Im Verkauf ist der Fachkräftemangel bei weitem nicht so akut wie bei den Gesundheitsberufen.
Drogerien und Mischbetriebe SDV, Entwicklung 2014–2024
Umsatzentwicklung der Drogerien und Mischbetriebe SDV 2014–2024
Umsatz in Mio. CHF3
1 Anzahl Apotheken/Drogerien (Mischbetriebe), die gleichzeitig Mitglied des Schweizerischen Drogistenverbandes und von pharmaSuisse sind.
2 Extrapoliert, Berechnungen SDV auf Basis IQVIA
3 Umsatz Drogerien sowie Drogerie-Umsatz-Anteil Apotheken/Drogerien (Mischbetriebe)
Quellen Drogeriestandorte: SDV, Bundesamt für Statistik
Quellen Umsatzzahlen: SDV, Eidg. Steuerverwaltung MWST, IQVIA
Müller investiert mit 23 Lernenden in fünf Berufen zudem gezielt in die Ausbildung angehender Fachkräfte und nimmt auch an Recruiting-Messen in der Schweiz teil. Das Ziel sei, die Zukunft aktiv zu gestalten und den Fachkräftebedarf nachhaltig zu sichern, heisst es in der Medienmitteilung.
Rossmann: Team-Aufbau in der Schweiz
Rossmann wiederum positioniert sich als moderner und verlässlicher Arbeitgeber mit flachen Hierarchien, kurzen Entscheidungswegen und einem familiären Miteinander. Das Team in der Schweiz baut das Unternehmen bewusst lokal auf. «Unsere Geschäftsführung setzt auf Menschen, die den hiesigen Markt, die Kundschaft sowie die landesspezifischen Gepflogenheiten kennen», sagt D’Ascenzo. Das Ziel sei es, Fachkräfte in der Schweiz zu gewinnen und langfristig zu binden. D’Ascenzo hat auch schon eine Vorstellung davon, wie das gelingen könnte: «Wir glauben daran, dass man Menschen gewinnt, wenn man ihnen zuhört, sie einbindet und ihnen echte Perspektiven gibt.»
Gekommen,
Die Unternehmen buhlen nicht nur um die Gunst potenzieller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern auch um jene der Kundschaft. Schweizerinnen und Schweizer seien anspruchsvoll, sehr gut informiert und stark qualitätsorientiert, sagt D’Ascenzo. «Gleichzeitig nehmen wir eine grosse Offenheit für Neues wahr.» Die Besonderheit des Marktes liege darin, dass er kleiner, sehr heterogen und regional geprägt sei. Den höheren Kosten in der Schweiz begegnet Rossmann laut D’Ascenzo mit realistischen, tragfähigen Modellen. Er betont: «Unser Anspruch ist es, wirtschaftlich zu handeln – ohne Kompromisse bei Qualität, Service oder Teamkultur.» Das gelinge, weil Rossmann langfristig denke und jeden Standort individuell bewerte.
Das Ziel ist laut D’Ascenzo klar: «Wir möchten Rossmann als feste Grösse im Schwei-
zer Detailhandel etablieren.» Er betont, dass die Schweiz kein Testlauf sei, sondern ein Markt mit strategischer Bedeutung, «in den wir mit viel Herzblut, Engagement und Langfristigkeit investieren.» Ähnlich klingt es auch bei Müller. «Die Schweiz bleibt ein zentraler Wachstumsmarkt für uns, in dem wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden und unserer Kundschaft die Zukunft gestalten», sagt Geschäftsführerin Elke Menold. Für Müller bedeutet dies unter anderem, 2025 auch die Digitalisierung voranzutreiben. Das Unternehmen startet in einer ersten Pilotphase den Ausbau des Onlineshops sowie die Einführung einer Express-Abholung. Rossmann möchte sich in der Aufbauphase primär auf den stationären Handel konzentrieren.
Die Pläne der deutschen Riesen zeigen: Die Schweiz ist ein attraktiver, aber zugleich herausfordernder Markt. Müssen sich Drogistinnen und Drogisten mit dem Markteintritt von Rossmann nun Sorgen um ihre Zukunft machen? «Jeder neue Anbieter hat einen Einfluss auf den Markt. Doch ob nun eine Rossmann-Filiale eröffnet oder eine von Müller, spielt für Drogistinnen und Drogisten eine untergeordnete Rolle», sagt Ullius. Bei den einzelnen Betrieben hänge es davon ab, wie man als Drogerie positioniert sei. «Wenn man zum Beispiel stark auf Parfümerie- und Kosmetikartikel setzt, ist ein Rossmann, der nebenan eröffnet, sicher eine starke Konkurrenz», sagt Ullius. Wenn jemand hingegen stark spezialisiert sei, beispielsweise im Bereich der Komplementärmedizin, könne eine Rossmann-Filiale in der Nähe sogar eine Hilfe sein, weil sie die Frequenz erhöhen könne. «Ob es für die einzelnen Drogerien Chance oder Risiko ist, ist je nach Standort und Segment unterschiedlich», fasst Ullius zusammen. Klar müsse man sich überlegen, was man mache, wenn in der Nähe eine Filiale von Müller oder Rossmann eröffne. «Ein generelles Problem für alle Drogerien in der Schweiz ist der Markteintritt von Rossmann jedoch nicht», betont Ullius.
Pierre-Alain Widmer von Weleda hat über drei Jahrzehnte mit der Drogeriebranche zusammengearbeitet. Der in Pension gehende Gesamtleiter Vertrieb Schweiz ist bekannt dafür, seine Meinung klar zu äussern. Hier sagt er, was Ausbildner, Berufsschulen und die ESD besser machen könnten und worauf sich Drogerien fokussieren müssen. Sein Appell: Überlasst den Jungen Social Media!
7 Claudia Merki | Miriam Kolmann
Pierre-Alain Widmer, Sie haben fast 24 Jahre für Weleda gewirkt. Ist aus Pierre-Alain Widmer Pierre-Alain Weleda geworden?
Pierre-Alain Widmer: Ich bin nicht Weleda, aber fasziniert von der Natur und unseren daraus hervorgehenden Produkten, hinter denen ich voll stehen kann. Dazu gehört der Umgang mit den Rohstoffen, deren Verarbeitung und Einsatz.
Über eine sehr lange Zeit konnten Sie die Entwicklung der Drogeriebranche aus der Nähe begleiten und verfolgen. Was fasziniert Sie an der Branche?
Es ist eine Branche, die nicht etwa «nur überlebt», nein, sie lebt! Faszinierend finde ich die Sortimentsvielfalt, die Beratungskompetenz, das Persönliche, die Begeisterung für den Beruf von jenen, die ihn ausüben. Meine Zusammenarbeit startete vor etwa 35 Jahren mit der Gruppierung Dromenta.
Wie gestaltete sich diese Zusammenarbeit? Mit provokativen Fragen und Aussagen bin ich immer wieder angeeckt. Einige mag
Pierre-Alain Widmer
das abgeschreckt haben, andere hat es herausgefordert und interessiert. Junge Drogistinnen und Drogisten kamen auf mich zu, um über verschiedene Themen zu diskutieren. «Mit dir rede ich gerne», hörte ich etwa, «du sprichst nicht nur wie ein Händler, du nimmst auch die Kundenperspektive ein». Das war ein bereichernder Austausch. Im Nachhinein muss ich sagen: Drogist wäre ein Beruf für mich gewesen – spannend, facettenreich, herausfordernd, aber auch schwierig in der heutigen Zeit.
Worin sehen Sie diese Schwierigkeiten?
Neue Anbieter wie Rossmann drängen in den Schweizer Markt, die Geschwindigkeit, mit der Veränderungen kommen oder das sich ändernde Einkaufsverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten.
Apropos Rossmann – und Müller: Wie beeinflussen diese deutschen Ketten die Drogerielandschaft in der Schweiz?
Diese Drogerieketten haben ein grösseres, aber standardisiertes Sortiment, können
Der heute 67-Jährige absolvierte bei der ehemaligen Ciba-Geigy ab 1974 eine Lehre als Chemielaborant und hängte noch eine zweite, ebenfalls dreijährige Lehre als Chemikant an. Während seiner Laufbahn in der pharmazeutischen Industrie, u. a. bei Sanofi, arbeitete er sich bis zum Verkaufsleiter hoch. 1998 übernahm er bei der damaligen Sidroga die Geschäftsführung. Vor 24 Jahren stieg der Vater eines erwachsenen Sohnes bei Weleda ein. Widmer lebt mit seiner Frau in Pfeffingen, BL.
Und wenn die Kundschaft diese Themen nicht kommen sieht – sollen die Drogistinnen und Drogisten es ansprechen? Also: Guten Tag Herr Müller, was macht die Prostata?
Warum nicht? Diese Offenheit traue ich den Fachleuten zu, gerade den jungen, so wie ich sie erlebe. Natürlich braucht es Fingerspitzengefühl in der Kommunikation, Empathie und solide Beratungskompetenz.
Welchen Stellenwert nimmt Social Media ein?
Darum kommt man nicht herum. Auch wir bei Weleda nutzen TikTok, Instagram, Facebook etc. Unsere jungen, spezialisierten Mitarbeitenden bespielen diese Kanäle. Da kann eine einzelne Drogerie nicht mithalten. Die Frage lautet, was das Ziel einer Massnahme ist. Strategisch eingesetzt können zum Beispiel eine Website, ein Webshop und Facebook zielführend sein. Mein Appell lautet: Lasst die Jungen machen! Überprüft die Wirkung, wertet die Marktdaten aus! Als Weleda 2024 mit seinem Haartonikum auf TikTok ging, verzeichneten wir im deutschsprachigen Raum Europas fast eine Umsatzverdoppelung.
Pierre-Alain Widmer
Grossistenverträge mit Avosano und Galexis & Generika-Tools
viel Zeit
«Erfolgreiche Geschäfte investieren sehr
in die Weiterbildung ihres Personals.»
Auf TikTok preisen Kinderinfluencerinnen problematische Hautprodukte für Gleichaltrige an. Weleda ging kürzlich mit der schwedischen Prinzessin Madeleine eine Zusammenarbeit ein. Auch, um dem «bedenklichen Trend» entgegenzuwirken. Ein geschickter Marketingschachzug von Weleda?
Nein, dies entspricht dem Wunsch von Konsumentinnen und Konsumenten, vor allem von Eltern. Wir stehen ganz am Anfang dieser Bewegung und hoffen, dass sie sich durchsetzen kann.
Warum sich ein Wechsel der Gruppierung lohnt
Lieferantenkonditionen
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Gerne beraten wir Sie: 044 380 42 02 | dromenta.ch
Müsste die Ausbildung von Drogistinnen und Drogisten angepasst werden, etwa von der Detailhändlerin zur Gesundheitsfachperson?
Ich sehe die Unterschiede in der Ausbildung der Lernenden. Das Problem fängt beim Ausbildner, bei der Ausbildnerin an und hört bei der Berufsschule auf. Anstatt dass die Lernenden hinsichtlich Therapiemöglichkeiten in der Komplementärmedizin breit, neutral und unvoreingenommen geschult werden, bekommen sie schon früh den Stempel aufgedrückt. So werden sie zur Spagyrikerin, zum Schüssler, zur Homöopathin. An den Berufsschulen wird schweizweit zwar mit den gleichen
Pierre-Alain Widmer
«Generell gilt es, das Sortiment dem Konkurrenzumfeld anzupassen und nach den Kundenbedürfnissen auszurichten.»
Lehrmitteln unterrichtet, die Lehrpersonen handhaben die Themen jedoch sehr unterschiedlich. Zudem: Ausbildnerinnen und Ausbildner in den Drogerien müssen offener werden für das ganze komplementärmedizinische Spektrum und nicht nur ihre Hausspezialitäten in den Vordergrund rücken. Diese einseitige Sichtweise und Schulung ist mir auch an der ESD aufgefallen. Da braucht es ein Umdenken.
Drogerien haben sich zu Gruppierungen zusammengeschlossen. Wäre es für die Branche sinnvoll, dieser Trend setzte sich fort?
Ich höre von vielen Lieferanten, dass sie nur Druck auf die Produzenten machen. Ich sehe das etwas anders. Natürlich kosten uns ihre besseren Einkaufskonditionen etwas Geld. Aber Gruppierungen bieten nicht nur Drogerien Vorteile, sondern auch Lieferanten. So müssen diese beispielsweise nicht mit zig Drogerien einzeln verhandeln. Oder es entstehen gemeinsame Aktivitäten wie die Naturkosmetikwoche. Solche Anlässe sind wichtig für den Austausch, aber auch für die Angebotsvielfalt. Von Gruppierungen profitieren alle.
Falls Sie ein rezeptfreies Medikament benötigen – gehen Sie in eine Drogerie oder Apotheke?
Benötige ich einmal etwas sofort, kaufe ich dort ein, wo ich gerade vorbeikomme. Ansonsten bin ich Stammkunde einer kleinen Apothekenkette in Familienbesitz, die auf Natur eingeschworen ist. 70 Prozent des Personals sind Drogistinnen. Ich fühle mich da super wohl.
Sie sind 67 Jahre alt, haben im Teilzeitpensum zwei Jahre über das reguläre Pensionsalter hinaus gearbeitet und verabschieden sich im Mai ganz von Weleda. Wird Ihr Hobby Modellfliegen nun mehr Platz in Ihrem Leben einnehmen?
Ich habe eine Frau. Sie führt eine To-doListe für mich. Obwohl ich diese abarbeite, wird sie stetig länger. Ich werde aber sicher etwas mehr Modellfliegen als bisher. Dann bleibe ich der Branche weiter erhalten, indem ich zwei Gruppierungen coache.
Im März wurden Sie von der Geschäftsleitung geehrt. Was hat sie gesagt?
Dass ich viel geleistet hätte, das Gesicht von Weleda war. Solche Dinge.
In der Juni-Ausgabe von Wirkstoff erwartet Sie an dieser Stelle ein Gespräch mit Susanne Wegenast, Leiterin Marktkontrolle Arzneimittel bei Swissmedic.
stock.adobe.com/raining
Im Marketing braucht es immer wieder neue und kreative Einfälle, um bei der Kundschaft Freude an Produkten zu wecken. Erlebnisse und vor allem die Sinneseindrücke spielen im stationären Handel eine grosse Rolle. Gewisse Unternehmen setzen dabei schon seit langem Umgebungsdüfte in Verkaufs- und Serviceumgebungen ein. Das Ziel ist, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen und mit einem bestimmten Duft eine unverwechselbare und sympathische Markenidentität zu kommunizieren. «Beim Duftmarketing will man durch den Einsatz von bestimmten Düften das Konsumentenverhalten positiv und im Sinne des Unternehmens beeinflussen», sagt Patrick Hehn. Er ist Professor für Marketing und Konsumentenpsychologie an der Hochschule Harz in Deutschland und forscht zu Duftmarketing. Duftmarketing bezieht sich übrigens nicht nur auf Raumdüfte, sondern auch auf Produktparfümierung. Vielen Kosmetikprodukten setzt man zum Beispiel ganz gezielt einen Duft zu, um via Nase eine Aussage über das Produkt und die Positionierung zu machen. Duftmarketing oder auch die Produktbeduftung ist aber keine neue Erfindung. Die Stadt Grasse in Frankreich, heute die «Hauptstadt des Parfüms», war im Mittelalter sehr bekannt für Lederwaren, zum Beispiel Lederhandschuhe. «Das Gerben von Leder hatte aber einen sehr penetranten, unangenehmen Geruch», erzählt Hehn, «also sind die Gerber dann irgendwann auf die Idee gekommen, die Lederhandschuhe zum Beispiel mit Rosenwasser zu besprühen.»
Doch einfach nur etwas Raumduft in einer Drogerie oder Apotheke zu versprühen und dann zu hoffen, dass Konsumentinnen und Konsumenten mehr einkaufen und zufriedener sind, funktioniert nicht. «Es gibt nicht diesen einen passenden Duft für eine Verkaufs- oder Serviceumgebung», sagt Hehn. Es kommt auf das Zusammenspiel des Dufttyps, der Intensität, der Vertrautheit mit dem Duft und die Dauer der Exposition an. Zudem nehmen auch Konsumentinnen und Konsumenten Düfte sehr unter-
Warme und kalte Düfte
Eher warm: Banane, Kaffee, Pfirsich, Sandelholz, Vanille, Zedernholz, Zimt
Eher kalt: Eukalyptus, Holz, Jasmin, Lavendel, Melone, Minze, Rosmarin
schiedlich wahr, je nach Geschlecht, kulturellem Hintergrund und Situation. Auch die Studienlage ist teilweise widersprüchlich, was Duftmarketing anbelangt. «Generell lässt sich aber sagen, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gross ist, dass die Aufenthaltsdauer in einem Raum mit angenehmen Gerüchen länger ist als in einem Raum mit unangenehmen Gerüchen», sagt Hehn. Gewisse Studien würden auch zeigen, dass sich der Umsatz mit Raumbeduftung steigern lasse. «Viele Effekte lassen sich auf Kongruenz zurückführen», sagt Hehn. Wenn verschiedene Sinnesreize gut zueinanderpassen, dann verarbeitet das Gehirn diese Information müheloser, und das führt in der Regel zu einer positiveren Beurteilung. Kongruenz könne einerseits sensorischer Art sein, so Hehn. Das heisst, wenn die Ladenumgebung mit Holz ausgestaltet sei, dass dann ein Raumduft, der nach Tannen oder Arven rieche, als passend wahrgenommen werde. Andererseits gebe es auch die semantische Kongruenz. Dort geht es um die sprachlichen Assoziationen, beispielsweise, dass wir Haushaltsgeräte zum Backen mit «Apfelkuchen» verbinden. «Eine Studie zeigte, dass sich Probandinnen und Probanden der Haushaltswarenabteilung eher genähert haben, wenn es dort nach Apfelkuchen roch, als wenn es nach Kaffee geduftet hat. Der Duft von Kaffee wurde in diesem konkreten Fall als nicht passend wahrgenommen», sagt Hehn.
Doch warum beeinflussen uns Düfte so stark? Antworten darauf gibt Sylvain Delplanque, Forscher an der Universität Genf. Er ist spezialisiert auf olfaktorische Neurowissenschaften und beschäftigt sich schon seit Jahren mit Gerüchen und Emotionen. «Wenn wir flüchtige Moleküle riechen, dann werden Gehirnareale aktiviert, die unmittelbar mit Emotionen und mit dem Gedächtnis verknüpft sind.» Das sei weder beim Sehen, Hören oder Fühlen der Fall, so Delplanque (mehr dazu lesen Sie im Zusatztext «Diese Prozesse laufen beim Riechen im Gehirn ab»). Bei unangenehmen Gerüchen wie verrottetem Fleisch gebe es eine Art angeborenes System, dass uns vor möglichen Gesundheitsgefahren warne, so Delplanque. Unangenehme Gerüche haben oft Schwefelatome in den Duftmolekü-
len. Doch ob ein Duft als angenehm oder unangenehm empfunden werde, sei häufig abhängig von den Erfahrungen, die eine Person damit gemacht habe. «Je nach olfaktorischer Kultur in verschiedenen Teilen der Welt ist es unterschiedlich, wie ein Duft bewertet wird – beispielsweise bei Lebensmitteln», betont Delplanque. Für das Duftmarketing sei das eine Herausforderung. «Es gibt zwei Optionen», sagt Delplanque. «Entweder wird ein Duft gewählt, den fast alle Personen mögen. Dann ist das aber wahrscheinlich kein einprägsamer Duft und er hat keine starke Signatur. Oder man sucht einen Nischenduft, den nur bestimmte Leute anziehend finden.» Im zweiten Fall riskiere man, dass gewisse Personen auf dem Absatz kehrtmachen, wenn sie einen Laden betreten, weil sie den Raumduft nicht mögen. Der Geruchsforscher betont: «Wenn mir etwas optisch nicht gefällt, kann ich den Kopf wegdrehen und nicht mehr hinsehen, bei Geräuschen kann ich mir die Ohren zuhalten, aber ich kann nicht aufhören zu atmen. Gerüchen kann man schlecht aus dem Weg gehen.»
Unsere Nase gewöhnt sich aber auch ganz schnell an einen bestimmten Geruch (was bei unangenehmen Gerüchen ein Glück ist) und nimmt ihn
bereits nach ein paar Sekunden oder Minuten gar nicht mehr wahr. «Einerseits sind nach einer gewissen Zeit alle Rezeptoren mit Molekülen besetzt, und es gibt kein weiteres Signal», sagt Delplanque, «andererseits hemmt das Gehirn nach einer Zeit auch die Wahrnehmung eines bestimmten Geruchs.» Mit dem Geruchssinn werde nach olfaktorischen Veränderungen in der Umgebung gesucht – immer auf der Suche nach neuen Informationen. «Der Riechmechanismus ist darauf angelegt, möglichst rasch kleinste Veränderungen wahrzunehmen – so erkennt man Gefahren oder Nahrungsquellen möglichst schnell», sagt Delplanque. «Da sich die Nase rasch an Gerüche adaptiert, zählt vor allem der erste Geruchseindruck», sagt Marketingprofessor Patrick Hehn. «Mit einem Welcome-Duft am Eingang eines Geschäfts kann ein erster gewünschter Eindruck geschaffen werden.» Es gibt dabei unzählige Möglichkeiten, wie Düfte in einen Raum verteilt werden können: Von Diffusern, Duftsteinen, Duftspendern bis hin zu Duftkissen.
Wie Raumbeduftung gelingt, weiss Marcel Hetzel, CEO und Partner bei Goodair in Abtwil SG, ganz genau. Seit mehr als 20 Jahren berät er Kundinnen und Kunden mit den unterschiedlichsten Räumlichkeiten – von kleinen Büros, Autoverkaufsräumen und Parkhäusern bis hin zum Gesundheitswesen mit Spitälern, Altersheimen und Arztpraxen. «Mit der Raumbeduftung möchte man eine Atmosphäre schaffen und eine
Diese Prozesse laufen beim Riechen im Gehirn ab Sobald flüchtige Duftmoleküle in die Nase gelangen, binden sie sich an passende Rezeptoren im Riechepithel. Die Rezeptoren sind über Neuronen mit dem Riechkolben verbunden, bei dem die zentralnervöse Verarbeitung im olfaktorischen Cortex beginnt. Vom Riechkolben geht das Signal in verschiedene Areale tief im Gehirn. So wird die Geruchsempfindung einerseits mit der Amygdala (dem limbischen System) verknüpft, die für die Emotionsregulation zuständig ist. Andererseits wird der Duft auch vom Hippocampus (zuständig für die Verarbeitung von Erinnerungen) verarbeitet, der einen Duft direkt im Langzeitgedächtnis speichern kann. Deshalb kann ein bestimmter Duft, den man erst Jahrzehnte später wieder riecht, Erinnerungen und Emotionen sofort wieder aufleben lassen. Ungefähr 400 Gene sind dafür verantwortlich, dass jeder Mensch ungefähr 400 verschiedene Rezeptoren in etwa 25 Millionen Riechzellen exprimiert und dadurch etwa 10 000 bis sogar eine Billion Gerüche wahrnehmen kann. Da nicht alle Menschen die gleichen Rezeptoren haben, können wir auch nicht alle Düfte wahrnehmen – dabei spricht man von spezifischer Anosmie.
Orbitofrontaler Cortex (Entscheidungsfindung, emotionale Verarbeitung)
zu bewahren», sagt Kritzmöller. «Auch mit individueller Lichtsteuerung über einem Bett könne man sich etwas abgrenzen.» Für das Forschungsprojekt konnte Kritzmöller zwei Patientenzimmer in zwei verschiedenen Abteilungen der kooperierenden Hirslanden Klinik Stephanshorn, St. Gallen umgestalten und anschliessend den Vergleich mit den klassischen Spitalzimmern ziehen. Zum Einsatz kam auch die Technik von Goodair. «Ich konnte zeigen, dass die auf derselben konzeptionellen Basis ausgearbeiteten Zimmer, die vom Design und Duft her unterschiedlich interpretiert wurden, bei den Patienten positiv wirkten», sagt Kritzmöller. «So klingelten sie weniger nach dem Pflegepersonal und hatten unter anderem einen tieferen Puls und eine bessere psychische Verfassung.» Dies zeige, dass nicht dekorative Einzelmassnahmen, sondern fundierte konzeptionelle Grundlagen entscheidend seien.
Übertragen auf Drogerien heisst das also, dass Raumbeduftung nur dann ihre Wirkung entfaltet, wenn sie zum Ladendesign und zur bewusst gewählten Positionierung passt. Gemäss dem Buch «Multisensorisches Design von Verkaufsumgebungen» von Marko Sarstedt, Monika Imschloss und Susanne Alder unterscheidet die Forschung zwischen aktivierenden und entspannenden Düften (siehe Zusatztext auf Seite 18). In Verkaufsumgebungen werden dabei eher erfrischende Düfte eingesetzt wie Orange, Melone oder Zitrone, und entspannende Düfte werden eher in Serviceumgebungen wie Arztpraxen, Spas oder Friseursalons genutzt. Studien zeigen: Passt der Duft zur Verkaufsumgebung und zur Zielgruppe, steigt die Ausgabebereitschaft der Kundschaft um bis zu 23 Prozent. Düfte beeinflussen zudem auch die Zeitwahrnehmung: bei angenehmen Düften verfliegt die Zeit schneller. «Mit Düften kann auch das Temperaturempfinden beeinflusst werden», erzählt Duftspezialist Marcel Hetzel von Goodair. Kalte Düfte würden helfen, dass ein Raum um bis zu drei Grad kälter wahrgenommen werde. Gewisse Geschäfte würden deshalb jahreszeitabhängige Düfte einsetzen, andere würden bei einem Signaturduft bleiben. «Welche Duftnote eingesetzt wird, hängt vom Selbstverständnis
ab, wofür das Geschäft steht und welche Raumwirkung es verstärken möchte», so Hetzel. Doch werden Konsumentinnen und Konsumenten mit Duftmarketing nicht an der Nase herumgeführt und manipuliert? Hetzel winkt ab: «Nein, die oberste Prämisse ist doch, dass sich Menschen wohlfühlen. Besonders im Gesundheitswesen, wenn Menschen verletzlich sind, ist es auch ein Zeichen von Würde, wenn es nicht stinkt.» Zudem könne man argumentieren, dass jede Art von Werbung auf eine Art und Weise manipulativ sei, dennoch würden Konsumentinnen und Konsumenten nicht gleich in einen Kaufrausch verfallen. Für Hetzel spricht für die Raumbeduftung, dass Menschen sich wohler fühlen – sei es bezüglich Sicherheit, Sauberkeit oder höherem Komfort. Besonders spannend ist auch eine Studie bei einer Schweizer Bank: «Der Einsatz von Düften hat dazu geführt, dass die Mitarbeitenden als kompetenter und freundlicher wahrgenommen wurden als ohne Duft», erzählt Hetzel.
Eine starke Rumpfmuskulatur optimiert Ihre Körperhaltung und beugt Rücken- oder Gelenkschmerzen vor. Und: Wenn Sie auf Alkohol verzichten, nehmen Sie erst noch schneller ab.
«Wir müssen die Trends kennen, gleichzeitig ist Beratung gefragt»
Andrea Fuchs, wie steigen Sie in ein Verkaufsgespräch ein?
Andrea Fuchs: Wichtig finde ich, dass man unvoreingenommen auf die Kundin oder den Kunden zugeht und niemand aufgrund seines Äusseren schubladisiert wird. Ich werde immer wieder davon überrascht, welche Düfte jemand wählt.
Was für Fragen stellen Sie?
Zuerst möchte ich wissen, was die Person für Düfte kennt und verwendet. Dann frage ich, zu welchem Anlass der Duft getragen wird. Soll er für die Arbeit sein, für einen Anlass abends – oder einfach für jeden Tag?
Wie reagieren Sie, wenn Kundinnen und Kunden mit einer fixen Vorstellung zu Ihnen kommen?
Früher orientierten sich viele an den Haute-Couture-Labels, heute ist der Einfluss von Instagram sehr stark. Ich beobachte, dass gerade junge Männer sehr gut informiert sind und sich mit Nischendüften auskennen. Wir müssen die Trends kennen, gleichzeitig ist Beratung gefragt. Die Vorstellungen, die sich die Kunden von Düften machen, die sie online bei Influencern sehen, stimmt oft nicht mit der Realität überein. Ob ein Duft passt, ist sehr individuell.
Wie viele Düfte geben Sie zum Testen? Und wie?
In der Regel sind es drei Düfte. Diese Anzahl kann unsere Nase bewusst wahrnehmen. In der Praxis entscheidet die Kundin oder der Kunde, wie viel sie oder er probieren möchte. Ich beginne mit dem leichtesten, feinsten Duft und sprühe ihn auf einen Papierstreifen. Später soll der Duft auch auf der Haut getestet werden. Um den Geruchssinn etwas zu neutralisieren, kann man zwischendurch an Kaffeebohnen schnuppern.
Was für Hintergrundinformationen geben Sie zu einem Duft?
Ich erzähle etwas über die Herstellung des Dufts, was sich der Parfümeur gedacht hat, als er ihn komponierte. Jeder Duft will ein Lebensgefühl vermitteln. Mit meinen Geschichten öffne ich der Kundschaft eine neue Welt und mache den Einkauf zu einem Erlebnis.
Wie funktioniert die Beratung bei Geschenken?
Ich stelle die gleichen Fragen und gebe ebenfalls drei Düfte zum Testen. Bei einem Kauf legen wir dem Produkt eine kleine Probe bei, die dann die beschenkte Person erst testen kann. Passt der Duft nicht, kann er umgetauscht werden.
Welche Tipps geben Sie für den Umgang mit Düften?
Für die Qualität ist eine dunkle Lagerung bei konstanter Temperatur wichtig. Einen 300 oder 400 Franken teuren Parfümflakon sollte man nicht in die Ferien mitnehmen, sondern in eine Reisegrösse abfüllen. Diesen Service bieten wir an. Ein Duft wird auf die Haut aufgetragen, auf pulsierende Stellen wie die Innenseite des Handgelenks. Die Halsgegend ist wegen der Gefahr von Hautverfärbungen tabu. Sonst aber: Den Duft aufbrauchen und nicht für besondere Momente aufsparen. Er wird nicht besser!
Andrea Fuchs, 56, Kosmetikerin, arbeitet in der Apotheke Drogerie Parfümerie Moll in Steinhausen, ZG. Sie mag Moleküldüfte, die individuell zu leben beginnen, wenn sie mit der Haut in Berührung kommen. zVg
Mayumi Matthäus, wie beginnen Sie eine Beratung?
Mayumi Matthäus: Viele Kundinnen und Kunden sehen sich gerne erst alleine im Geschäft um und schnuppern an den verschiedenen Produkten. Da ich ausschliesslich Nischendüfte verkaufe, die nicht so bekannt sind, habe ich die Parfüms zur Orientierung nach Duftfamilien geordnet.
Wie gehen Sie vor, wenn Ihre Unterstützung gefragt ist?
Ich höre vor allem aufmerksam zu! Die Kundinnen und Kunden sollen mir beschreiben, welche Duftnoten sie mögen. Hilfreich sind Bezeichnungen wie blumig, würzig, pudrig, holzig, aquatisch, zitronig oder GourmandDüfte wie Karamell oder Vanille.
Wie wird getestet?
Mayumi Matthäus, 48, gründete vor zwölf Jahren die Parfümerie Süskind im Zürcher Niederdorf. Sie hat die Hotelfachschule besucht und war Flight Attendant. Ihre vielen Reisen inspirierten sie zur Eröffnung ihres Geschäfts. Sie mag dunkle, würzige, orientalische Duftkompositionen.
Wenn ich die Richtung weiss, schlage ich vier bis fünf Düfte vor. Die Kundin oder der Kunde darf dann deren zwei auf den Handgelenken testen. Danach braucht der Duft eine Weile, um sich zu entfalten. Wenn die Kunden Zeit haben, schlage ich ihnen vor, spazieren zu gehen oder einen Kaffee zu trinken, bevor sie sich entscheiden. Mir ist es wichtig, dass der Kauf ruhig und wohlüberlegt ist.
Was für Hintergrundinformationen geben Sie?
Jeder Duft erzählt eine Geschichte, die sich aus den Zutaten und der Inspiration des Parfümeurs ergibt. Ein Parfüm kann zum Beispiel einen Spaziergang an der Atlantikküste widerspiegeln, mit der salzigen Luft und dem Geruch nach Algen. In den letzten Jahren kommen vermehrt junge Männer, die sich intensiv mit Düften auseinandersetzen und ein grosses Fachwissen haben. Das finde ich schön.
Was ist wichtig, wenn jemand einen Duft als Geschenk kauft?
Wenn man die Vorlieben der beschenkten Person nicht genau kennt, empfehle ich einen Gutschein. Diesen löst man am besten gemeinsam ein. Besonders schön finde ich es, wenn Paare oder Väter mit ihren Töchtern bei uns einkaufen. Ist ein Gutschein keine Option, gebe ich gern zu einem Parfüm eine Probe mit. Gefällt der Duft nicht, kann der ungeöffnete Flakon umgetauscht werden.
Was sind Ihre Tipps im Umgang mit Parfüms?
Weniger ist mehr. Ein Duft sollte wahrnehmbar sein, wenn man sich der Person nähert – es geht nicht darum, eine Duftwolke zu hinterlassen. Wenn jemand sehr trockene Haut hat, empfehle ich, zuerst eine neutrale Bodylotion aufzutragen. So haften Düfte besser. Oder man versprüht den Duft über sich in der Luft, an den Haaren bleibt er auch gut.
Was raten Sie Kundinnen und Kunden, die sensibel auf Düfte reagieren?
Viele meiner Kundinnen und Kunden kaufen zum ersten Mal ein Parfüm. Einige haben Allergien, andere arbeiten in Berufen, in denen man sich nur dezent parfümieren sollte, wie zum Beispiel in der Pflege. In solchen Fällen empfehle ich Moleküldüfte. Ist eine Kundin oder ein Kunde unsicher, ob sie oder er den Duft verträgt, gebe ich eine Probe mit. Für mich ist es wichtig, eine Atmosphäre ohne Verkaufsdruck zu schaffen. Der Kauf eines Parfüms sollte immer eine entspannte und angenehme Erfahrung sein.
Moleküldüfte
Moleküldüfte, auch Molekül-Parfüms genannt, riechen an jeder Person unterschiedlich und entfalten erst im Kontakt mit der Haut ihren Duft. Sie basieren auf synthetischen Molekülverbindungen, die im Labor erzeugt werden. Ätherische Öle oder andere klassische Inhaltsstoffe kommen nicht vor. Moleküldüfte sind eher dezent, sie brauchen mehr Zeit, um sich zu entfalten und funktionieren gut als Unisex-Parfüms.
Birgit Salow, 58, ist seit fast zwanzig Jahren bei der Parfümerie Osswald in Zürich zuständig für Training und Verkauf. Sie mag feine, reduzierte Nuancen wie den Duft «Angélique sous la Pluie» des Parfümeurs JeanClaude Ellena.
«Am Schluss sollte der Duft wie ein Kleid sitzen»
Birgit Salow, wie finden Sie heraus, welcher Duft einer Kundin oder einem Kunden gefallen könnte?
Birgit Salow: Für viele Menschen ist es schwierig, Düfte in Worten zu beschreiben. Zudem werden Düfte auf der sachlichen und emotionalen Ebene unterschiedlich wahrgenommen. Es kann gut sein, dass ein Kunde findet, er liebe zitronige Noten, dann aber beim Testen warme Aromen bevorzugt. Hilfreich ist es, wenn ich weiss, welche Gerüche jemand im Alltag mag und welche Hobbys er oder sie hat. Jemand, der oft im Wald spazieren geht, riecht wahrscheinlich gern erdige Düfte. Jemand, der reitet, mag den Geruch von Leder, weil dieser mit positiven Emotionen und Erinnerungen verbunden ist.
Wie viele Düfte geben Sie zum Testen?
Ab fünf Düften sind viele Menschen bereits überfordert, die einzelnen Noten auseinanderzuhalten. Grundsätzlich wird es nicht einfacher, je mehr man probiert. Aber das entscheidet die Kundin oder der Kunde individuell. Ab dem Punkt, wenn alles gleich riecht, braucht die Nase eine Pause. Am besten dreht man dann eine Runde an der frischen Luft.
Wie präsentieren Sie einen Duft?
Wir sprühen ihn auf ein Kleenex, damit er genug Platz zum Entfalten hat. Ich warte, bis sich der Alkohol verflüchtigt hat, dann gebe ich das Tuch zum Riechen. Gefällt ein Duft, sollte man ihn unbedingt auf der Haut probieren. Je gehaltvoller und komplexer er ist, desto mehr Zeit braucht er, um sich zu entfalten. Je leichter ein Duft, desto rascher kann man ihn beurteilen. Am Schluss sollte er wie ein Kleid sitzen.
Und wenn er nicht sitzt: Sagen Sie das der Kundin oder dem Kunden?
Ich bewerte keine Düfte, aber ich formuliere meine persönliche Meinung und begründe sie. Grundsätzlich möchte ich die
Kundinnen und Kunden ermutigen, auf ihr Bauchgefühl zu hören und sich auf Feinheiten und Nischendüfte einzulassen. Oft ist es so, dass man nicht weiss, was man für einen Duft sucht, aber man erkennt, wenn es der richtige ist.
Was erzählen Sie über einen Duft?
Durch meine langjährige Erfahrung weiss ich viel über die Marken, Parfümeure, Inhaltsstoffe und die Geschichte eines Dufts. Oft helfen diese Informationen der Kundschaft, beim Testen die verschiedenen Düfte auseinanderzuhalten. Viele schätzen das, andere informieren sich lieber über die sozialen Medien, wodurch aber Individualität verloren geht. Viele lassen sich in ihrer Wahl von Personen und Marken beeinflussen und reagieren fast etwas irritiert, wenn ich frage: «Was gefällt Ihnen persönlich?»
Wie beraten Sie, wenn ein Duft als Geschenk gekauft wird?
Ich versuche mir durch Fragen ein Bild von der Person zu machen, die das Geschenk erhalten soll. Pudrige, fruchtige und Gourmand-Düfte gefallen vielen und sind ideal zum Verschenken. Von zu ausgefallenen Düften rate ich in diesem Falle ab.
Welche Tipps im Umgang mit Parfüms geben Sie?
Nicht überparfümieren! Es geht nicht darum, andere zu narkotisieren. Wer zum Beispiel in einem Grossraumbüro arbeitet, sollte Düfte rücksichtsvoll einsetzen. Das ist natürlich ein heikles Thema. Aber ich versuche es trotzdem diplomatisch im Kundengespräch anzubringen, gerade bei den schweren, opulenten Düften, die im Moment so gefragt sind.
Eine gründliche Zahn- und Zungenreinigung ist die wichtigste Massnahme gegen Mundgeruch.
Mit jedem Wort rückt das Gegenüber unmerklich zurück oder bietet ganz zufällig ein Pfefferminzbonbon an. Mundgeruch ist ein stilles Leid, das mehr Menschen betrifft, als man denkt. Die gute Nachricht: In den meisten Fällen lässt sich das Problem wirksam behandeln.
7 Désirée Klarer stock.adobe.com/Iryna
«Als Erzfeind erster Dates und von Vorstellungsgesprächen kann Mundgeruch schwerwiegende Folgen für das Sozialleben haben, wenn er unbehandelt bleibt», schreibt Zahnarzt Bernhard J. Hennessy in einem Kommentar in MSD Manuals.¹ Schätzungen zufolge leidet jede vierte Person in der Schweiz zumindest phasenweise unter Mundgeruch. 2,3 In den USA ist es laut dem US-amerikanischen Zahnärzteverband (American Dental Association) gar die Hälfte der Bevölkerung, die temporär unter Mundgeruch leidet.⁴ Je nachdem, wo der üble Geruch seinen Ursprung hat, handelt es sich um Foetor ex ore oder Halitosis. Bei Foetor ex ore liegen die Ursachen für Mundgeruch im Mund- und Rachenraum. Bei der Halitosis kann der Mundgeruch aus der Lunge und/oder dem Magen-DarmTrakt stammen. 5,6
Die häufigsten Ursachen von Mundgeruch sind Erkrankungen des Zahnhalteapparats (Parodontitis), Tabakkonsum, der Verzehr bestimmter Nahrungsmittel und alkoholischer Getränke sowie geruchsbildende Bakterien. 5 Diese anaeroben Bakterien im Mund zersetzen Speisereste, abgestorbene Zellen und andere organische Substanzen und produzieren dabei flüchtige Schwefelverbindungen (VSCs, volatile sulphur compounds). Diese Verbindungen sind für den unangenehmen Geruch verantwortlich, den wir als Mundgeruch wahrnehmen.7 Die Art und Menge der produzierten VSCs kann je nach bakterieller Zusammensetzung und den Umgebungsbedingungen im Mundraum variieren.6
Zungenbelag als Hauptverursacher
Ein bedeutender Faktor bei der Entstehung von Mundgeruch ist auch der Zungenbelag. Die Zunge hat eine grosse Oberfläche, auf der sich Bakterien ansiedeln können, welche die vormals genannten, flüchtigen Schwefelverbindungen produzieren. Eine Studie zeigt, dass die bakterielle Besiedlung der Zunge stark mit der Intensität von Mundgeruch korreliert. 8
Die raue Oberfläche der Zunge bietet ideale Bedingungen für das Wachstum der anaeroben Bakterien, die sich in den Papillen und Furchen der Zunge sowie in Zahnzwischenräumen ansiedeln. 9
Neben der oralen Mikrobiota spielen auch systemische Erkrankungen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Mundgeruch. Diabetes mellitus, insbesondere unzureichend behandelte Diabetesformen, führt zu einem Mundgeruch, der nach Nagellack riecht. 5 Bei Diabetikern kann die verminderte Speichelproduktion und die erhöhte Glukosekonzentration im Speichel das Wachstum von Bakterien fördern, die VSCs produzieren.10 Ähnlich kann eine Leberzirrhose oder eine Niereninsuffizienz ebenfalls zu Mundgeruch führen, da die Abfallprodukte im Körper nicht mehr ausreichend ausgeschieden werden können. Diese Stoffwechselstörungen können sich direkt auf den Atem auswirken, da die aus-
geschiedenen Substanzen über die Lunge abgeatmet werden.11 Insbesondere bei Lebererkrankungen kann der Atem einen süssen, muffigen Geruch annehmen.12 Ein weiterer relevanter Faktor ist die gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD). Bei GERD kann Magensäure in die Speiseröhre und den Mundraum gelangen, was zu einem säuerlichen Atem führt. 5,13 Die aufsteigende Magensäure kann die Schleimhäute im Mundraum reizen und Entzündungen verursachen, die wiederum das Wachstum von Bakterien fördern.12 Auch Verdauungsstörungen, wie sie bei der Reizdarmkrankheit oder Gastritis auftreten, können das mikrobielle Gleichgewicht im Magen-Darm-Trakt verändern und den Mundgeruch verstärken.10 Stress und bestimmte Medikamente können ebenfalls zu Mundgeruch beitragen, indem sie den Speichelfluss reduzieren und somit die natürliche Reinigung des Mundraums beeinträchtigen. Antidepressiva, Antihistaminika und Diuretika sind Beispiele für Medikamente, die den Speichelfluss reduzieren und somit die Entstehung von Mundgeruch begünstigen können.14
Die Prävention von Mundgeruch basiert in erster Linie auf einer gründlichen Mundhygiene und einer ausgewogenen Ernährung.15 Drogistinnen und Drogisten können ihren Kundinnen und Kunden dabei helfen, auf eine korrekte Mundpflege zu achten, die das Wachstum geruchsverursachender Bakterien im Mund verhindert. Zu den wichtigsten Massnahmen gehört das regelmässige Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta.16 «Das Minimum ist es, dass man sich zweimal am Tag die Zähne putzt», schreibt Zahnarzt Bernhard J. Hennessy in seinem Kommentar.¹ Das ist nötig, um Plaque und Bakterien zu entfernen.17 Zahnpasten, die antibakterielle Wir kstoffe wie Triclosan oder Zink enthalten, können die Produktion von VSCs mindern, da sie die Bildung von Plaque verhindern und die Bakterienzahl reduzieren.18 Die Auswahl der richtigen Zahnpasta und die korrekte Putztechnik sind entscheidend, um alle Be-
reiche des Mundes gründlich zu reinigen. Es ist ratsam, eine weiche Zahnbürste zu verwenden, um das Zahnfleisch nicht zu verletzen und gleichzeitig eine effektive Reinigung zu gewährleisten.16,17
Auch die regelmässige Reinigung der Zunge kann den Mundgeruch signifikant reduzieren.19 Hierzu können spezielle Zungenbürsten oder Zungenreiniger verwendet werden. Es ist wichtig, die Zunge von hinten nach vorne zu reinigen, um die Bakterien effektiv zu entfernen. 20 Auch das regelmässige Benutzen von Zahnseide oder interdentalen Bürstchen ist wichtig. Die Interdentalräume sind oft schwer zugänglich, daher ist die Verwendung von Zahnseide oder Interdentalbürsten unerlässlich, um auch diese Bereiche von Plaque zu befreien und Speisereste aus den Zahnzwischenräumen zu entfernen. Interdentalbürsten sind besonders effektiv, um grössere Zahnzwischenräume zu reinigen 21 und Entzündungen des Zahnfleisches vorzubeugen. 22
Neben der Mundpflege spielt die Ernährung eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung von Mundgeruch. Bestimmte Lebensmittel, wie zum Beispiel Knoblauch, Zwiebeln oder stark gewürzte Speisen, können aufgrund ihres Gehalts an Schwefelverbindungen den Atem beeinträchtigen. Diese Verbindungen werden im Verdauungstrakt freigesetzt und gelangen über den Blutkreislauf in die Lungen, wo sie über den Atem abgegeben werden. 23 Um dies zu vermeiden, sollten Menschen, die zu Mundgeruch neigen, auf eine ausgewogene Ernährung mit reichlich Obst und Gemüse mit hoher Flüssigkeitszufuhr achten. Das soll den Speichelfluss anregen und das Wachstum gesunder Bakterien im Mund fördern. 24 Der Speichelfluss ist wichtig, um den Mundraum auf natürliche Weise zu reinigen und die Bakterienzahl zu reduzieren. Der Konsum von zuckerhaltigen Lebensmitteln sollte reduziert werden, da Zucker das Wachstum von Bakterien fördert und somit zur Entstehung von Mundgeruch beitragen kann. 25
Drogistinnen und Drogisten können ihren Kundinnen und Kunden gezielte Produkte zur Bekämpfung von Halitosis empfehlen. Zu den effektivsten Produkten gehören antibakterielle Mundspülungen, die Inhaltsstoffe wie Chlorhexidin oder Cetylpyridiniumchlorid enthalten. 26 Chlorhexidin ist ein sehr wirksames antimikrobielles Mittel, das die Bakterienzahl im Mund reduziert und somit indirekt die Bildung von VSCs verhindert. 25 Ein weiterer Ansatz ist die Verwendung von Zinkpräparaten in Form von Lutschtabletten, Kaugummis, Zahnpasten und Mundspülungen, die eine einfache und bequeme Anwendung ermöglichen. 27
Probiotische Produkte haben sich ebenfalls als vielversprechend erwiesen. Bestimmte probiotische Stämme wie Lactobacillus und Bifidobacterium können das bakterielle Gleichgewicht im Mund stabilisieren und so das Wachstum geruchsverursachender Bakterien hemmen. 28 Besonders Studien zur Verwendung von Probiotika zur Mundgeruchbehandlung zeigen positive Ergebnisse. 27 Probiotika können in Form von Nahrungsergänzungsmitteln eingenommen oder als spezielle Mundspülungen angewendet werden und tragen dazu bei, eine gesunde Mundflora zu fördern. Es ist wichtig, auf die Qualität der Probiotika zu achten und Produkte zu wählen, die eine hohe Anzahl an lebenden Bakterien enthalten. 29
Das vollständige Literaturverzeichnis finden Sie hier:
Organoide sind im Labor gezüchtete «Kopien» von Organen. An ihnen lassen sich Wir kstoffe testen. So können Tierversuche reduziert werden – und Patientinnen und Patienten erhalten schneller die bestmögliche Therapie. So sind Organoide eine vielversprechende Technologie, an der weltweit geforscht wird.
7 Adrian Ritter
Ein Kopierapparat ist eine praktische Sache – manchmal auch in Zeiten der Digitalisierung noch. Was aber, wenn es nicht nur möglich wäre, ein Blatt Papier zu kopieren, sondern ganze Organe – zum Beispiel eine Leber, Niere oder eine Lunge? Was nach Science-Fiction klingt, wird in den Labors weltweit schrittweise zur Realität – mithilfe von Organoiden. Diese 3-D-Zellkulturen sind aus Stammzellen entwickelte, vereinfachte «Kopien» realer Organe. Forschende lassen mit dieser Technologie heute unter anderem Darm, Leber, Lunge, Prostata und sogar Gehirne wachsen – als Organoide im Miniaturformat, maximal einige Millimeter gross.
Im Gegensatz zu bisherigen Zellkulturen sind Organoide komplexer und damit realitätsnähere Abbildungen von Teilen des menschlichen Körpers. Sie versprechen unter anderem neue Einsichten, wie sich Organe entwickeln und Krankheiten entstehen. So werden heute unter anderem Infektionskrankheiten, aber auch Alzheimer und Parkinson an Organoiden erforscht. Organoide entstehen, indem man Stammzellen aus dem Organ eines Patienten oder einer Patientin in einer Nährlösung wach-
sen lässt. So entstehen im Labor individuell zu dieser Person passende Organoide. Eine andere Möglichkeit ist es, Krebszellen von Erkrankten zu züchten. Daraus entstehen sogenannte Tumoroide – Abbilder eines individuellen Tumors. Diese werden zunehmend zu wichtigen Krankheitsmodellen der Krebsforschung. Was konnte mit dieser neuartigen Technologie bereits erreicht werden? Ein Highlight betrifft die Behandlung der zystischen Fibrose. In Studien zeigte sich, dass DarmOrganoide von Patientinnen und Patienten mit zystischer Fibrose auf Medikamente sehr ähnlich reagieren wie das echte Organ im Körper.¹ Diese Erkenntnis wird in den Niederlanden bereits im klinischen Alltag angewandt. Organoide machen es damit möglich, die passende Therapie vorgängig im Labor zu bestimmen, bevor sie zu den Menschen gelangt. Umwege, bei denen verschiedene Therapien nacheinander an den Patientinnen und Patienten selber ausprobiert werden, fallen damit weg.
Medizin
Die Forschung zu Organoiden läuft auf Hochtouren – weltweit unter anderem im Rahmen von derzeit 160 klinischen Studien.² «Die Schweiz ist dabei einer der interessantesten Forschungsplätze weltweit.
Organoide sehen in Realität nicht wie kleine Miniaturversionen von Organen aus. Die höchstens ein paar Millimeter grossen 3D-Zellverbände ahmen aber die physiologischen Eigenschaften «echter» Organe nach.
stock.adobe.com/tiagozr (KI)
Fast jede Universität hierzulande hat inzwischen entsprechende Forschungsgruppen und Labors», sagt Matthias Lütolf. Er gehört zu den Pionieren der Organoidforschung in der Schweiz – als Professor an der ETH Lausanne und seit 2021 auch als wissenschaftlicher Direktor des Roche Institute of Human Biology. Zum wichtigsten Anwendungsgebiet hat sich mit den Tumoroiden die Krebsforschung entwickelt. Diesem Gebiet hat sich unter anderem Chantal Pauli verschrieben. Die Pathologieprofessorin am Universitätsspital Zürich verfügt über eine Biobank mit Tumoroiden verschiedenster Krebsarten. Pauli und ihr Team züchten im Rahmen von Forschung und klinischen Studien pro Patientin und Patient Hunderte von Tumoroiden. An jedem von ihnen testen sie anschliessend bis zu hundert Wir kstoffe in unterschiedlicher Dosierung und Kombination. Damit bestimmen sie die individuell wirksamste Therapie – ganz im Sinne der personalisierten Medizin. Denn heute weiss man: Jeder Tumor ist anders. Noch gehört die Therapie mithilfe von Tumoroiden und Organoiden allerdings nicht zum
Alltag im Spital. «Wir müssen in klinischen Studien die Wirksamkeit der Methode erst noch weiter nachweisen», so Pauli.
Grosse Hoffnungen in die Organoid-Technologie setzen auch die National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine in den USA. In einem Bericht³ beschreiben sie die Chancen, die sich ergeben, mittels Hirnorganoiden beispielsweise bisher schwer behandelbare neurologische und psychiatrische Krankheiten besser verstehen und therapieren zu können. Noch viel weitergehende Anwendungen von Organoiden sieht der Science Breakthrough Radar⁴ der Geneva Science and Diplomacy Anticipator (GESDA) Foundation. Die Stiftung hat sich zum Ziel gesetzt, mögliche zukünftige Entwicklungen in der Wissenschaft zu beschreiben. In ihrem Bericht 2024 gehen die Autorinnen und Autoren davon aus, dass es bis in zehn Jahren gelingen wird, Hirnorganoide beschleunigt altern zu lassen. So liesse sich besser erforschen, wie