Auszug aus dem STORE BOOK 2023
PICCOLO BAR — UDINE
Sorsi e morsi
Sie ist wirklich klein, die neue Bar. Kaum größer als ein Wohnzimmer. Und genau das spielt die ungewöhnliche Einrichtung perfekt aus und verwandelt den fast lichtlosen Raum in einen Lieblingsort.
Projektdaten + Projektpartner
Standort Via Rialto 2/I
33100 Udine, Italien
Eröffnung 23. Dezember 2021
Verkaufsfläche (m2/Etagen) 28/1
Planung | Storedesign Visual Display S.r.l.
Ladenbau Project & Design
Fotografie Camilla Bach
Leichte Materialien, maritim-frisches Kolorit und eine minimalistische Einrichtung lassen den Raum größer erscheinen, als er ist.
In Italien ergänzen sich die vielen kleinen und größeren Bars eines Ortes mit ihrem vergleichbar guten, immer verführerischen Angebot an gutem Kaffee, Aperitifs und Tramezzini zu einer wundersamen friedlichen Koexistenz. Mal ist es die Persönlichkeit des Inhabers, mal das Publikum und bisweilen einfach nur das Lokal selbst, das der Adresse Charakter, Unverwechselbarkeit und damit Beständigkeit verleiht. Eine neue Bar in Udine setzt auf Letzteres. In einem Raum, kaum größer als die gute Stube im sozialen Wohnungsbau, ist es gelungen, eine Bar einzurichten, die alles hat, was eine Bar in einem wettbewerbsstarken Umfeld braucht: Atmosphäre und ein erlesenes Angebot an kleinen Speisen und Getränken, dazu den Schauwert einer ungewöhnlichen Einrichtung. Die langgezogene, schlauchartige Fläche misst gerade einmal 28 Quadratmeter und wird in dieser Beschaffenheit durch einen orthogonalen Thekenblock noch betont. Die Gravität dieses Elements wird von der Leichtigkeit aller anderen Möbel und Accessoires förmlich aufgehoben: Schwebende Lampenschirme aus naturfarbenem Flechtwerk, schlanke Stahlregale entlang der Längswand, Verblendungen und Wandschirme aus hellem Rattan sowie das Aquamarin von Fliesen und Anstrichen lassen den fensterlosen Raum fast schwerelos wirken. Über ein Oberlicht wird die Fläche dennoch mit Helligkeit versorgt.
Dass es sich um altes Gemäuer handelt, ist nur an den teilweise freigelegten Ziegelabschnitten zu erkennen, die wie der grob aufgetragene Kratzputz einfach übermalt wurden. Die Fläche zwischen den Regalen für die Präsentation der Weinauswahl und der Bar ist zwar schmal, doch Platz für schlichte, fest montierte Barhocker ließ sich noch gewinnen. Das Arrangement ist ein Garant von Geselligkeit bei gleichzeitigem Kommen und Gehen: Wer will, bleibt sitzen und bestellt ungestört noch ein Glas zu einem Stück Schinken, zu Oliven und Käse. Schlückchen und Stückchen, auf dieser schlichten Addition beruht noch der Erfolg jeder italienischen Bar. Größe egal.
Auszug aus dem STORE BOOK 2023
FATTORIA SANT ’ ELISEO — MAJANO
Hofladen
Wer es nicht besser weiß, könnte den Laden für ein ambitioniert eingerichtetes Gemeindezentrum halten.
Doch dass es hier ausschließlich um bunte Eier geht, hat nichts mit Ostern zu tun.
Projektdaten + Projektpartner
Standort Ciro di Pers 51 33030 Majano, Italien
Eröffnung 23. Mai 2022
Verkaufsfläche (m2/Etagen) 73/1
Planung | Storedesign Visual Display S.r.l.
Ladenbau Project & Design
Fotografie Camilla Bach
Ein Tisch für Beratungs- und Kundengespräche, dazu eine kleine Sitzgruppe mit Blick ins Dorf – die Verkaufsstelle einer Hühnerfarm wird zum Ort der Begegnung.
Das Örtchen Majano im äußersten Nordosten Italiens hat knapp 6.000 Einwohner, rühmt sich der Nähe zur Autobahn Richtung Österreich und ist der Geburtsort des Großvaters von Gianluigi Buffon, dem legendären Torwart der Squadra Azzurra. Und eigentlich gäbe es über die Gemeinde nicht viel mehr zu erzählen, hätte nicht ein möglicherweise verrückter Landwirt einen leerstehenden Laden im Zentrum in den weltweit wahrscheinlich einzigen Showroom für Eier verwandelt. Als Lebensmittel fristen Eier im Handel gemeinhin eine Existenz in der Unsichtbarkeit von Kartons und erleben allenfalls zu Ostern ein bisschen Abwechslung als Dekorationselement. Ein in Majano ansässiger Öko-Bauer wollte den Erzeugnissen seiner freilaufenden Hühner, begehrt bei Spitzenköchen der regionalen Gastronomie, zu mehr Prominenz verhelfen und kam auf die Idee, dafür einen Laden einzurichten, der seinem Angebot mit den Mitteln des prinzipiell lebens- und farbenfrohen italienischen Designs Aufmerksamkeit verschafft. Die attraktive Farbigkeit der Einrichtung spielt auf die hier angebotenen „Regenbogeneier“ an: die Buntheit der täglichen Ausbeute hat mit den vielen verschiedenen, teilweise sehr seltenen Hühnerrassen zu tun, die auf der Farm gezüchtet werden.
Im Shop können sich die Kunden über die Besonderheiten der einzelnen Sorten informieren, einen Eindruck vom Alltag des Landwirtschaftsbetriebs gewinnen und Bestellungen aufgeben. Bei der Gestaltung wurde auf alle rustikal-agrarischen Referenzen verzichtet. Anstatt landlust-verliebter Strohballen, Korbflechtereien oder rostiger Eisenpfannen arbeitet das Design mit den Formen und Farben klassisch moderner und zeitgenössischer Innenarchitektur. Der gleißende Faltenwurf eines zentral aufgehängten Vorhangs aus transluzentem PVC, das eindringliche Yves-Klein-Blau der Stühle oder die an Industrieschlote erinnernden Stehleuchten namens Ciminiere d’Italia von Rotalia – nichts davon würde man im Verkaufsraum einer nachhaltig wirtschaftenden Farm vermuten und ist deshalb umso mehr überrascht. Der Vorhang verbirgt eine separate Beratungszone vor einer blau lackierten Schrankfront, den vorderen, von der Straße gut einsehbaren Teil nimmt eine Sitzgruppe mit Zweisitzer und Sessel neben einem langgestreckten Holztisch ein. Natürlich darf man sich fragen, was das Ganze soll. Doch wer Italiens Landleben nur ein bisschen kennt, weiß schon jetzt, über was und wo das Dorf sich unterhält.
DORBOLÒ — CIVIDALE DEL FRIULI
Hefeteig-Preziosen
Auch wenn die hier feilgebotenen Produkte, anders als Schmuck, nur als Frischware verkauft werden, sind sie deswegen nicht weniger wertvoll: Brioches als Broschen sozusagen.
Der schlichte Verkaufsraum gewinnt durch die aufgefächerten Bögen an Struktur und erscheint dank des abwechslungsreichen Licht-Schatten-Spiels tatsächlich wie eine Boutique. Die verkostbare Ware erhält über die Präsentation den Charakter von Einzelstücken.
Projektpartner
Planung | Storedesign Visual Display S.r.l.
Ladenbau Livon Arredamenti S.r.l.
Boden Marazzi Group
Fotografie Camilla Bach
Der Largo Boiani mit seinen historischen Stadthäusern führt auf den Domplatz der überschaubaren Gemeinde Cividale del Friuli im Friaul und gehört damit zu den Einkaufslagen mit viel Laufkundschaft. Und es kann gut sein, dass nicht wenige Passanten das neue Geschäft in der Hausnummer 10 für einen Juwelier halten. Seine große Glasfront gibt den Blick frei auf einen prominent platzierten, halbhohen Vitrinenblock mit Marmorsockel. Dank der eigenwilligen Bogenstruktur, die sich mit weitem Schwung in das Innere zieht, scheint sich der 75 Quadratmeter große Raum förmlich aufzufächern. Dass dieser Einbau zugleich distinkte räumliche Situationen ausformuliert und Funktionen einhaust, zeigt sich jedoch erst nach dem Betreten des Geschäfts. Doch viel spektakulärer ist freilich die Erkenntnis, dass es sich nicht um einen Laden für kostbares Geschmeide handelt, sondern um die Bäckerei Dorbolò. Der seit 1930 im Ort ansässige Traditionsbetrieb ist bekannt für seine Gubana, ein regionales Hefegebäck, das nach Familienrezept entsteht und zusammen mit den Broten, Brioches und Konditoreierzeugnissen des Hauses den guten Ruf des Handwerksbetriebs begründet hat.
Die neuen Eigentümer wollten mit der Einrichtung des Ladens dem Wert der Backwaren einen angemessenen Ausdruck geben und haben dafür auf die Optik eines Fachgeschäfts für kostbaren Schmuck zurückgegriffen. Das Feingebäck – Törtchen, Hörnchen, Plundern – wird in Form akkurat arrangierter Einzelstücke in Vitrinen präsentiert; die verschiedenen Brotsorten finden wohlsortiert im offenen Regal hinter dem Ladentisch entlang einer seitlichen Wand ihren Platz. Die eingangs erwähnte Bogenstruktur dient hier als ordnende Kraft, da sie in diesem Abschnitt zum Teil des Brotregals wird. Gegenüber des Bedienungstresens wurden zwischen die Rippen Sitzbänke mit kleinem Tisch platziert, die zu einer Kaffeepause einladen. Spätestens dank der verwendeten Materialien und Oberflächen – Messing, Naturstein, Glas – und einer eleganten Lichtregie erscheint das tägliche Brot weniger als selbstverständliches Gut, sondern vielmehr als Luxus. Dekadenz? Nein, Wahrhaftigkeit.