La Ciclovia dell'Oglio su Reisewelt Alpen Magazin

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[ Brescia in der Lombardei . Hideaway in Garmisch-Partenkirchen . Pilgerreise in Osttirol ]

REISEWELT ALPEN MAGAZIN FRÜHLING 02 | 2022

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Einsame Berge, schillernde Seen AUF IN DIE LOMBARDEI

Bild | Ein Radweg folgt dem Ufer des Iseosees.

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Rad fahren, wandern und Boot fahren in der norditalienischen Provinz Brescia Die Provinz Brescia am Südrand der Alpen ist die größte Provinz der Lombardei und bietet eine gigantische Spielwiese für aktive Urlauber. Die Reisewelt Alpen-Redakteurinnen Annika Müller und Katharina Baus waren vor Ort. TEXT: ANNIKA MÜLLER/KATHARINA BAUS FOTOS: ANNIKA MÜLLER

M

it lautem »Salute« klingen die Gläser aneinander. Es liegt ein Geruch nach italienischer Pasta in der Luft. Vor uns werden selbstgemachte Ravioli, Polentaschnitten und lokale Käse aufgetischt. Die Schlemmerei auf der Terrasse des Laboratorio L'Emporio, am Ufer des Iseosees, haben wir uns schwer verdient: Hinter uns liegt ein rund hundert Kilometer langer Abschnitt der Ciclovia dell'Oglio, eines Radwanderwegs, der sich immer dem Flusslauf des Oglio folgend auf 280 Kilometer Länge vom Tonale-Pass bis zum Fluss Po zieht. Dabei durchquert die Ciclovia dell'Oglio komplett das 2018 eingerichtete Biosphärenreservat Valle Camonica – Alto Sebino, das sich auf 1.360 km² Fläche vom Iseosee über den Tonale-Pass bis zum Adamello-Gletscher erstreckt. Der Auftakt ist spektakulär. Mit wuchtigen Granitgipfeln und riesigen Plateau-Gletschern, die man so weit im Süden kaum erwarten würde, strahlt das Adamello-Massiv eine fast urweltliche Schroffheit aus. Der Radweg startet am Tonale-Pass (1.833 m), der die Grenze zum Trentino und gleichzeitig die Wasserscheide zwischen Etsch und Po bildet. »Der Pass trennt außerdem das lombardische Valcamonica vom Val di Sole im Trentino«, erklärt uns Radguide Riccardo Perlotti. Mit ihm und seinem Kollegen Luca Ruggeri vom Unternehmen Roadbike Italy, das, anders als der Name vermuten lässt, auch Touren mit dem

Mountain- und Trekkingbike anbietet, legen wir die Strecke durch das Valcamonica (auch: Valle Camonica) bis zum Iseosee zurück. Die beiden Bergriesen Cima Presanella (3.556 m) und Monte Adamello (3.554 m) präsentieren sich vom geschichtsträchtigen Tonale-Pass in voller Pracht und lassen ihre Gletscher um die Wette funkeln. Dazwischen schlängelt sich wie ein grünes Band das Camonica-Tal hindurch. Auf der ersten Etappe rollen wir mit minimalem, aber konstantem Wadendruck 80 Kilometer hinab, vom zwischen Berggiganten eingeklemmten oberen Camonica-Tal bis in die von sanften Hügeln eingerahmte Senke des Iseosees. Schattige und kühle Wälder wechseln sich ab mit urigen Dörfern und gut erhaltener Alpenarchitektur. Ab dem idyllischen Ponte di Legno folgen wir der Beschilderung des Alta Vallecamonica-Radwegs, der bis Vezza d'Oglio führt. Das Flusstal wird immer breiter, während die mächtigen Alpengipfel nach und nach schrumpfen. Die Landschaft ähnelt ab Edolo einem deutschen Mittelgebirge, sind da nicht einzelne, gelbe Kaktusblüten und rote -früchte, die sich im Windschatten mächtiger Felsbrocken verstecken. Ab Capo di Ponte radeln wir auf dem Camuna-Radweg, der sich über 40 Kilometer durch die Zentren von Breno, Darfo Boario Terme und Pisogne bis zum Ostufer des Iseosees zieht. Das Santuario di Minerva, ein Tempel der Römerzeit, befindet sich bei Breno, direkt am Ufer des Oglio und am Radweg; in Cividate Camuno erzählt ein römisches Amphitheater von der bedeutenden Vergangenheit des kleinen Ortes. Statt hoher Berge recken sich nun senkrechte Felsriegel am Rande des Tals in den Himmel. Geologen können in diesen aufgestellten Felsplatten, die sich wie Reptilien am Rande des Tales

Bild ganz oben | Die Ciclovia dell'Oglio führt durch hübsche Dörfer. Bild oben | Das Valcamonica birgt einen unglaublichen Blütenreichtum.

in der Sonne räkeln, sogar lesen wie in einem Geschichtsbuch: Vor über 230 Millionen Jahren begannen sich die Kalksteinplatten auf dem Boden des Tethys-Meeres zu entwickeln. Vor rund 30 Millionen Jahren schob sich die afrikanische Kontinentalplatte dann gegen die eurasische, faltete die Erde auf. Dort, wo heute die Alpen schroff und mächtig in die Höhe ragen, brach die Platte. Der riesige, aber sehr flache Ozean floss ab. Die Erosion und Gletschertätigkeit formten das Tal weiter. Darfo Boario Terme empfängt uns mit einem gepflasterten Römerbrückchen und dann sehen wir ihn: den Iseosee. Wie magisch angezogen vom klaren Wasser beschleunigen wir den Tretrhythmus. In Sale Marasino sind die Uferpromenaden mit Platanen gesäumt; stattliche Renaissance-Bauten erheben sich dahinter; an den Stegen schaukeln Boote auf den Wellen. Wohlige Müdigkeit macht sich nun nach dem Festmahl im Laboratorio L’Emporio in Sale Marasino breit. Ach ja – bella Italia! t REISEWELT ALPEN

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REISEWELT BRESCIA DIE STILLE SEITE DER ADAMELLO-BRESANELLA-ALPEN

WANDERTIPP Im Val Malga di Sonico

REISE INFO

BRESCIA Die Provinz Brescia am Südrand der Alpen ist die größte Provinz der Lombardei. Die Landschaft ist vielfältig und reicht von der Ebene südlich der Provinzhauptstadt Brescia über die Brescianer und Gardasee-Voralpen, der Adamellogruppe mit der Presanella (3.556 m) und den Ausläufern der Bergamasker Alpen (Alpi Orobie) bis hin zur Ortlergruppe. Das Valcamonica ist eines der Haupttäler.

visitbrescia.it

INFOS ZUR TOUR

Bild ganz oben | Der Frühsommer ist die schönste Zeit im Adamello-Massiv, denn dann blühen die Alpenrosen. Bild oben | Tourenplanung vor dem Rifugio Tonolini. Bild oben rechts| Der Lago Miller liegt direkt unterhalb der Hütte Serafino Gnutti.

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 Über einen kiesigen Pfad geht es stetig sanft bergauf. Am Ende des waldreichen, rund acht Kilometer langen Val Malga schmiegt sich das Rifugio Premassone auf 1.650 Meter in eine sattgrüne Szenerie. In Begleitung des markant rauschenden Gebirgsbachs Torrente Remulo führt ein weiß-rot markierter Pfad zunächst durch offene, mit bunten Blumen bestückte Schrofen- und Wiesenflanken, später in steilen Kehren in das Hochgebirge der westlichen Adamellogruppe bergauf. Wir passieren die Malga Frino, eine kleine Alm, schrauben uns, der Felsentreppe Scale del Miller folgend, in engen Kehren den Hang ins gleichnamige Miller-Tal hinauf. Rechts säumen kleine Steinmauern den Weg, links donnert der Fluss durch sein steil abfallendes Bett. Rund zwei Stunden sind wir unterwegs, bis wir auf der steinernen Terrasse des Serafino Gnutti einen der begehrten Plätze ergattern. Die Hütte liegt auf 2.166 Metern und bietet einen grandiosen Blick auf den

Die Tour von Pont del Guat im Val Malga di Sonico über die Schutzhütten Gnutti und Baitone zum Rifugio Tonolini führt über den »Weg der tausend Treppen«. Länge: 13 km, Dauer: 5 Std., Auf-/Abstieg: 1.410/570 Hm.

benachbarten, eisblau leuchtenden Stausee Lago Miller, der sich wie ein gigantischer Farbtupfer in sein graues Umland schmiegt. Noch bei Sonnenschein, aber schon verschleiertem Himmel folgen wir ein paar Kilometer lang einem breiten Weg Richtung Norden, bis sich das Rifugio Baitone, eine alpine Schutzhütte, auf 2.218 Metern Höhe vor uns erhebt. Noch etwa zwei Kilometer sind es von hier bis zu unserem Übernachtungsort, dem urigen Rifugio Tonolini am nächsten See, dem Lago Rotodo. Acht kleine Seen umgeben das Rifugio, in dem der Hüttenwirt Fabio Madeo persönlich den Kochlöffel schwingt und typische Gerichte aus dem Tal Valcamonica kredenzt.


UNTERWEGS AUF DEM ISEOSEE

BOOTSFAHRT zur Monte Isola

Bild ganz oben | Drei Inseln liegen im Iseosee. Bild oben | Monte Isola wurde als »schönstes Dorf Italiens« ausgezeichnet.

 Der Kapitän eines kleinen, schnittigen Sportboots bittet uns am Ufer des Iseosees an Bord. Wir lassen die Haare im Fahrtwind wehen und die italienische Sonne auf die gecremten Gesichter brutzeln, während die Inseln an uns vorbeirauschen. An der Monte Isola, der größten Insel des Iseosees und überhaupt der größten Binnenseeinsel in Südeuropa, drosseln wir die Geschwindigkeit.

Es gibt viel zu bestaunen und zu knipsen. Ihren Reichtum verdankten die Bewohner des als »schönstes Dorf Italiens« ausgezeichneten Monte Isola zunächst der Produktion von handgeknüpften Fischernetzen. Heute hat man sich auf die Netze von Fußballtoren spezialisiert. Uralte Zypressen, Zitrus-, Mandel- und Feigenbäume wachsen an den Hängen des Berges, der sich 400 Meter über der Wasseroberfläche erhebt. Auf seiner Spitze thront die Kirche Santuario della Madonna della Ceriola. Wie bestellt, zieht ein einsames Fischerboot vorbei. Kitsch oder Romantik? Jedenfalls ein perfektes Foto. Und dann kommt der ersehnte Moment: An einer abgelegenen Stelle steigen wir über die Bootsleiter ins besonders saubere Wasser des Iseosees. Auf dem Rücken treibend betrachten wir den Himmel, der von der gleichen tiefblauen Farbe wie der See ist. Die Eindrücke der letzten Tage schwirren durch den Kopf, verdichten sich zu dem Film, den das Gedächtnis ab jetzt beim Wort »Brescia« abspielen wird. Dazu wird jedes Mal das wohlige Gefühl des Wassers und der warmen Sonne auf der Haut aufkommen.

REISE INFO

ISEOSEE Der Iseosee ist der viertgrößte der oberitalienischen Seen in den lombardischen Provinzen Brescia und Bergamo. Eine Schifffahrt von Sale Marasino und zu den drei Inseln des Iseosees ist empfehlenswert.

navigazionelagoiseo.it

HIGHLIGHT Im Valcamonica gibt es acht Welterbestätten der UNESCO, die sich durch eine unglaubliche Vielfalt an Felsritzungen aus der Zeit des Oberpaläolithikums (vor ca. 10.000 Jahren) bis zum Ende des 1. Jahrtausends v. Chr auszeichnen. Der Park von Naquane in Capo di Ponte war sowohl der erste archäologische Park als auch die erste Welterbestätte in Italien, die 1979 von der UNESCO anerkannt wurde.

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