Brückenbau 1-2/2018

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www.maurer.eu

Ausgabe 1/2 . 2018

18. Symposium Brückenbau in Leipzig Aktuell ÖPP-Projekt »Ausbau der Isentalautobahn«

www.verlagsgruppewiederspahn.de

ISSN 1867-643X



EDITORIAL Zum achtzehnten Symposium in Leipzig

Brückenbauwerke (auch) zum Betrachten von Michael Wiederspahn

Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn

Das Auto ist, wer wollte es bestreiten, noch immer oder eben weiterhin des Deutschen liebstes Spielzeug, und zwar unabhängig von der Frage, ob das vor kurzem oder längerem erworbene oder lediglich geleaste Vehikel über ein mehr oder minder umweltverträglich anmutendes Antriebsaggregat verfügt, es also der traditionellen Brenn- oder aber einem der vermeintlich innovativeren »Kraftstoffe« bedarf, um seinen Dienst überhaupt verrichten zu können. Das besagt natürlich keineswegs, dass die Wahl der adäquaten Motorisierung ohne irgendeine Bedeutung (gewesen) wäre, gab und gibt es doch stets Politiker und Lobbyisten jedweder Couleur, die fast unaufhörlich versuch(t)en, den geneigten Bürger zum Kauf eines Neuwagens zu animieren oder sogar zu drängen, wobei die dafür herangezogenen Mittel und Methoden durchaus zu variieren pfleg(t)en – von der »Abwrackprämie« als einem rein finanziellen Anreiz über die Einführung verschiedenfarbiger Plaketten zur, sehr höflich formuliert, Differenzierung in klimafreundlichere und -unfreundlichere Fahrzeuge bis hin zu den inzwischen aufgelegten Programmen zur Förderung der Elektromobilität. Trotz solcher und vieler anderer Maßnahmen hat sich im Übrigen kaum etwas ge- oder verbessert, haben sich in den meisten Städten schon vor dem »Diesel-Skandal«

die Feinstaubbelastung wie die sonstigen abgasinduzierten Luftverunreinigungen eher verschlimmert denn verringert, weshalb sich einem die Sinnhaftigkeit derartiger Ge- und Verbote de facto nur unter wirtschaftlichen Aspekten zu erschließen gelingt. Ein Kriterium von nachgerade entscheidendem Einfluss war und ist hingegen die Zahl der Pferdestärken, wie sich bereits an den auf vier Rädern ruhenden und mitunter auch rollenden oder quasi rennenden Kleinstkarosserien und deren kontinuierlich ansteigendem Leistungsvermögen unschwer erkennen lässt. Ähnliches gilt zweifelsohne für sogenannte Geländelimousinen, ergo für die heute überaus geschätzten Großvolumina auf grobprofiligen Reifen, die dank exponierter Sitzposition, ihrer ausgedehnten Breite wie Tiefe und der Ausstattung mit fünf bis zwölf Zylindern den bis dato wohl nicht zur Gänze entsprochenen Kundenwunsch nach maximaler Sicherheit, besserer Überoder Draufsicht und, nicht zu vergessen, nach Potenz und Potential bei der Fortbewegung nun endlich (demonstrativ) zu erfüllen verheißen. Und sie alle warten selbstredend mit bisweilen nahezu unfassbar erscheinenden Beschleunigungswerten und Höchstgeschwindigkeiten auf, was offenbar einen Urinstinkt des (überwiegend) männlichen Teils der Bevölkerung zu befriedigen hilft: »Erster an der Ampel und danach freie Fahrt auf sämtlichen Straßen!« lautete ein (hier) leicht abgewandelter Slogan früherer Generationen, der im Grunde zeitlos blieb, da seine Anhängerschaft erstaunlicherweise nie gealtert ist, sondern sich in bewusster Abgrenzung zu ihrem einstigen Geburtsdatum andauernd zu verjüngen verstand. Wer dem Rausch des Rasens frönt und nicht einmal an geeigneter Stelle einzulenken oder wenigstens abzubremsen gedenkt, wird freilich einiges versäumen, wird, nach Paul Virilio, früher oder später die von ihm erblickten »›Sequenzen‹ mit ihrer geographischen Realität zu verwechseln« beginnen und dann letztlich akzeptieren müssen, wenn ihn das Gros der Passanten (geistig) zu überholen droht.

»Wo sind wir, wenn wir reisen? Wo liegt dies ›Land der Geschwindigkeit‹, das nie genau mit dem zusammenfällt, das wir durchqueren? (…) Das Fahrzeug, das am Straßenrand steht, ist nichts als ein Sofa mit vier oder fünf Plätzen. Wenn es nun startet und mit voller Geschwindigkeit durch die Straßen der Stadt fährt, wenn das Möbel verschwindet und seine Öffnungen zu leben beginnen – wo sind wir da? In der Tat ist das Automobil ein Projektor, ein Projektor, dessen Geschwindigkeit wir mit der Schaltung regeln. Doch was bedeutet das Schalten, diese Veränderung der Geschwindigkeit, wenn wir Sinn und Bedeutung der Geschwindigkeit überhaupt nicht kennen? Wir gehen von einem Bewegungszustand zum nächsten über, ohne uns darum zu kümmern, was sie bedeuten; wir werden mitgenommen an ein Ziel, einen Ort, werden an den Endpunkt unserer Strecke befördert, aber das Hier und Jetzt der Geschwindigkeit und der Beschleunigung entgehen uns, obwohl sie schwersten Einfluss auf das Bild der durchquerten Landschaft haben, denn zwischen zwanzig und zweihundert Stundenkilometern ist die Deutlichkeit des vorbeihuschenden Bildes radikal verschieden. Doch der Begriff des Bildes, so wie er eben eingeführt wurde, bedarf der Erläuterung. Wenn wir durch ein Feld gehen, sprechen wir von einem ›Feld‹, wenn wir aber mit dem Auto durch die Beauce, die Landschaft südwestlich von Paris, fahren, werden die belebten Felder ›kinetisch‹ und keiner würde sich einfallen lassen, diese ›Sequenzen‹ mit ihrer geographischen Realität zu verwechseln.« Die (zuvor) zitierten Zeilen, von Paul Virilio stammend und in »Fahrzeug« zu finden, sollten in dem Zusammenhang als begleitende Lektüreempfehlung genügen, zumal die folgenden Seiten mit Nachdruck veranschaulichen, warum sich das An- und Innehalten generell lohnt – nämlich um Brückenbauwerke von außerordentlicher Qualität zu betrachten, die als unabdingbare Elemente der Verkehrsinfrastruktur das Reisen zwangläufig zum Vergnügen machen (können).

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BRÜCKENBAU | 1/2 . 2018

Editorial

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Brückenbauwerke (auch) zum Betrachten

Michael Wiederspahn

18. Symposium Brückenbau in Leipzig

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Talbrücke Schraudenbach an der A 7

Karl Goj

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Monobogen als Tor zum Spessart

Tobias Bäumler, Hans-Joachim Casper

20

»Die perfekte Welle« nördlich von Bamberg

Bernd Endres, Rolf Jung

28

Brückenbau in der Stahlhauptstadt Linz

Martin Pöcheim

30

Zwei Bypassbrücken für die Vöestbrücke

Martin Pöcheim, Josef Reischl, Walter Skala

34

Ein neues Wahrzeichen für Linz

Martin Pöcheim, Franz Sempelmann, Thomas Fackler

40

Neue Donaubrücke in Linz (Entwurfsplanung)

Marc Mimram, Jacques Durst

48

Neue Donaubrücke in Linz (Umsetzung)

Christian Stadler

52

Grosshofbrücken im schweizerischen Kriens

Guido Biaggio, Rainer Hohermuth

64

Planung und Umsetzung der Mersey Gateway

Bart Halaczek

70

Pont Grande Duchesse Charlotte in Luxembourg

Thomas Stihl, Martin Seidel


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Anstehende Großbrückenprojekte der DEGES

Gregor Gebert

88

Verbunddübelleisten im Brückenbau

Günter Seidl, Andreas Danders, Wojciech Lorenc

98

Brückenbau im Großprojekt VDE 8

Reiner Selig

104

Ersatzneubau der Langenfelder Brücke

Martin Steinkühler

110

Alles BIM – beim Werksneubau in Graben-Neudorf

Hans Grassl, Nazereh Nejat, Jacqueline Donner, Thilo Weischedel

116

Neuer Strombrückenzug in Magdeburg

Stefan Burgard, Karsten Eins

125

Chenab-Brücke in Indien

Kilian Karius, Peter Walser, Pekka Pulkkinen

132

Shaping forces

Laurent Ney

Aktuell

142

ÖPP-Projekt »Ausbau der Isentalautobahn«

Siegfried Löffler

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Produkte und Projekte

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Software und IT

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Nachrichten und Termine

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Branchenregister

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Impressum

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SYMPOSIUM Sanierung nach dem Traggerüsteinsturz

Talbrücke Schraudenbach an der A 7 von Karl Goj

Die Talbrücke Schraudenbach liegt südlich des Autobahnkreuzes Schweinfurt-Werneck im Zuge der Bundesautobahn A 7. Die 50 Jahre alte Brücke war in einem schlechten baulichen Zustand und musste erneuert werden. Der Baubeginn für die neue sechsfeldrige Spannbetonbrücke mit einer Gesamtlänge von 236 m war im Juli 2015. Zunächst wurde der gesamte Verkehr auf das westliche Teilbauwerk umgelegt und das östliche Teilbauwerk in Fahrtrichtung Fulda abgebrochen. Die Bauarbeiten für das neue Teilbauwerk waren in vollem Gange, als am 15. Juni 2016 das Traggerüst bei den Betonierarbeiten des Überbaus im dritten Bauabschnitt einstürzte. Neben der Ursachenforschung und den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen stellte sich für die Straßenbauverwaltung die Frage, ob die beiden bereits fertiggestellten Überbauabschnitte abgebrochen werden müssen oder ob die noch nicht verpressten beschädigten Spannglieder ausgetauscht und die Schäden saniert werden können. Dazu wurden umfangreiche Untersuchungen im Labor und in situ an Probekörpern durchgeführt. Parallel dazu erfolgte die statische und konstruktive Untersuchung aller Zwischenzustände in engem Austausch zwischen Tragwerksplaner, Gutachter und Prüfer. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse konnte der Rückbau bereits hergestellter Überbauabschnitte verworfen und die Sanierung erfolgreich umgesetzt werden. Nach der Fertigstellung des Überbaus Ende letzten Jahres ist der Verkehr umgelegt worden, und es wird derzeit die zweite Brückenhälfte erneuert.

1 Ausgangssituation nach dem Traggerüsteinsturz Nach Beendigung der Aufräumarbeiten war die Frage zu klären, ob die beiden bereits fertiggestellten Bauabschnitte 1 und 2 weiterverwendet werden können oder ob Schädigungen vorliegen, die einen Rückbau und kompletten Neubau der Brücke erforderlich machen. Die Untersuchungen zeigten, dass sowohl der im Havariebereich stehende Pfeiler als auch der Betonüberbau keine größeren Schäden aufwiesen. Des Weiteren beschäftigte man sich mit der Frage möglicher Schäden im Bereich der Koppelfuge zwischen dem Bauabschnitt 2 und dem beim Betonieren eingestürzten Bauabschnitt 3 (Bild 4).

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1 Lage der Talbrücke Schraudenbach © Autobahndirektion Nordbayern

3 Situation nach Einsturz des Lehrgerüsts © Autobahndirektion Nordbayern

2 Alte Talbrücke Schraudenbach © Autobahndirektion Nordbayern

Die Überprüfung ergab, dass die Verschlussdeckel und die Ankerplatten der Koppelanker der bereits verpressten Spannglieder unbeschädigt sind. Auch die Lage und der Sitz der Spannkeile an den drei Koppelankern waren ohne Mängel.


SYMPOSIUM

4 Koppelfuge zwischen Bauabschnitt 2 und 3 © Autobahndirektion Nordbayern

Schäden wurden aber an den über die Koppelfuge 2 durchlaufenden und noch unverpressten Spanngliedern festgestellt. Es war schnell klar, dass ein mängelfreies Bauwerk nur errichtet werden kann, wenn es möglich ist, alle geschädigten Spannglieder bzw. alle Spanndrähte auszutauschen. Daraus ergab sich folgende Aufgabenstellung: – Schaffung eines Zugangs zu den bereits einbetonierten Festankern bzw. Koppelankern, – Freilegung der Festanker bzw. Koppelanker durch Hochdruckwasserstrahlen und Durchtrennung der Bewehrung, – Öffnen der Trompeten der Spann- glieder, – Auswechseln der Litzen, – Verschließen der Trompeten der Spannglieder, – Wiederherstellen der Bewehrung, – Verschließen aller Öffnungen mit Beton bzw. Vergussbeton. In enger Abstimmung mit allen Beteiligten einschließlich des Spanngliedherstellers wurde beschlossen, die Realisierbarkeit des beschriebenen Vorgehens durch umfangreiche Untersuchungen im Labor und auf der Baustelle an Probekörpern zu testen. Parallel dazu waren alle notwendigen statischen und konstruktiven Untersuchungen unter Einbeziehung des Tragwerksplaners, Gutachters und Prüfers durchzuführen. Auf der Basis eines abschließenden Gutachtens sollte dann die Entscheidung für einen Abbruch oder eine Sanierung getroffen werden.

5 Koppelfuge 2 © Autobahndirektion Nordbayern

6 Prinzipskizze der Vorspannung © Autobahndirektion Nordbayern

2 Versuchsdurchführung 2.1 Allgemeines Um die Möglichkeit der Auswechslung der Spanndrähte nach der beschriebenen Vorgehensweise als Grundlage für ein Gutachten zu testen, wurde auf der Baustelle ein Probekörper hergestellt (Bild 7). An diesem Probekörper sollten sowohl die Öffnung der einbetonierten Trompeten der Koppelanker in der Koppelfuge 1 als auch der Zugang zu den einbetonierten Festankern in der Mitte des zweiten Bauabschnittes mit Hochdruckwasserstrahlen praktiziert werden.

Ein besonderes Augenmerk war dabei auf die Wiederherstellung der Bewehrung im Bereich der Öffnungen nach dem Auswechseln der Spanndrähte zu richten. Dazu wurden Probeschweißungen und Ermüdungsversuche im Labor sowie Probeschweißungen am Probekörper auf der Baustelle durchgeführt. Eine Änderung des Konzeptes im Bereich der Koppelanker machte die Herstellung eines zweiten Probekörpers erforderlich. Zuletzt wurden die Versuche an den Probekörpern mit dem Verschließen der Öffnungen mit Vergussbeton bzw. Betonersatz abgeschlossen.

7 Hochdruckwasserstrahlen am Probekörper © Autobahndirektion Nordbayern

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SYMPOSIUM

8 Freilegen Koppelanker von der Seite © Autobahndirektion Nordbayern

2.2 Versuche am Koppelanker Das ursprüngliche Konzept des Zugangs zu den Koppelankern war ausschließlich von der Seite der Stege vorgesehen (Bild 8). Der Versuch begann mit dem Herstellen der Öffnung. Dabei war eine hohe Präzision beim Hochdruckwasserstrahlen erforderlich, die durch den Einsatz eines ausgewiesenen Fachmanns erreicht wurde. Die Vorgabe war, dass dieser Fachmann auch das Hochdruckwasserstrahlen am Bauwerk selbst durchführt. Nach dem Durchtrennen der Bewehrung wurde mit dem Schweißbrenner eine Öffnung in der Trompete des Koppelankers hergestellt. Anschließend erfolgten das Durchtrennen und das Ziehen der Spanndrähte (Bilder 9, 10). Mit einem Überschubröhrchen wurden dann die Keile gelöst und die abgetrennten Spanndrahtreste aus der Ankerplatte entfernt. Nach dem Verschließen der Spanndrahtöffnungen in der Ankerplatte und dem Aufbringen einer Schutzkappe wurde der innenliegende Koppelanker freigelegt (Bild 11). Das Wiedereinführen der Spanndrähte und das Verankern in der Ankerplatte bereiteten zwar keine Probleme, dennoch zeigten sich bei diesem In-situ-Versuch auch folgende Schwachpunkte: – Die Zugänglichkeit von der Seite zur zweiten Spanngliedlage war nur mit einer relativ großen Öffnung im Bereich der vorderen Spanngliedlage möglich. Wegen der großen Öffnung konnten die Umlenkkräfte aus der darunterliegenden bereits verpressten Spanngliedlage nicht mehr ohne aufwendige Verstärkungsmaßnahmen aufgenommen bzw. konnte die Aufnahme der Umlenkkräfte nicht nachgewiesen werden.

9 10 Durchtrennen und Lösen der Spanndrähte © Autobahndirektion Nordbayern

– Außerdem musste für die Zugänglichkeit zur zweiten Spanngliedlage das gesamte Übergangsrohr vom vorderen Anker entfernt werden. Durch den Austausch des kompletten Übergangsrohres bestand aber die Gefahr der Verschmutzung der Hüllrohre und der Ankerkeile. Aus diesen Gründen wurde das Konzept umgestellt (Bild 12). Die Öffnungen von der Seite sollten auf das absolut notwendige Maß reduziert und der Zugang zu den Spanndrähten der Koppelanker über ein kleines Fenster in der Trompete erreicht werden. Der Zugang zum mittleren Koppelanker wurde von unten vorgesehen.

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12 Öffnung von der Seite und von unten © Autobahndirektion Nordbayern

11 Freilegen des inneren Koppelankers © Autobahndirektion Nordbayern


SYMPOSIUM

13 Zweiter Probekörper mit Fenster © Autobahndirektion Nordbayern

14 Fenster: Einfüllen des Fließbetons © Autobahndirektion Nordbayern

1 2 1 2 Freilegen und Austauschen erfolgt in zwei Abschnitten

15 Freilegen der Festanker in zwei Abschnitten © Autobahndirektion Nordbayern

Hier sollte folglich das Verfüllen der Öffnung mit Beton ebenfalls von unten erfolgen. Um nachzuweisen, dass ein vollständiges Verfüllen möglich ist, wurde ein zweiter Probekörper erstellt (Bild13). An diesem war aber die Aussparung bereits vorgesehen, so dass hier nur das Öffnen und Verschließen der Trompete, das Auswechseln der Spanndrähte und vor allem das vollständige Verfüllen der Öffnung mit Vergussbeton geprobt wurden (Bild 14). 2.3 Versuche am Festanker Anders als bei den Koppelankern konnte der Zugang zu den Festankern von oben erfolgen. Es wurde festgelegt, das Öffnen, das Auswechseln der vier Festanker und das Verschließen in zwei Abschnitten zu realisieren (Bild 15). Dadurch sollte eine zu starke Schwächung des Betonquerschnittes verhindert werden. Da bei der Öffnung der Betonfenster mit Hochdruckwasserstrahlen von oben das Problem bestand, dass das Wasser nicht abfließen und damit der Ausführende den Betonabtrag nicht genau beobachten konnte, wurde hier am Probekörper 1 nur das exakte Herstellen der Öffnung von oben geprobt. Auch dieser Versuch war erfolgreich, und die Öffnung konnte von dem eingesetzten Spezialisten erstaunlich genau umgesetzt werden. Die Durchführbarkeit aller anderen Arbeitsschritte ließ sich aus den vorhergehenden Versuchen ableiten.

16 Hochdruckwasserstrahlen von oben © Autobahndirektion Nordbayern

2.4 Schweißversuche Eine besondere Herausforderung war das Ergänzen der herausgetrennten Bewehrung: zum einen das Schweißen unter absolut beengten Verhältnissen und auch über Kopf, zum anderen der Anschluss an die wegen der kleinen Betonöffnungen nur sehr kurzen Anschlusslängen. Wegen der letztgenannten Randbedingung schied zudem eine Verbindung mit mechanischen Betonstahlverbindern oder eine Verbindung durch einen Überlappungsstoß von vorneherein aus. Außerdem musste untersucht werden, ob die Ermüdungsfestigkeit der geschweißten Stähle ausreichend ist. Aufgrund der beschränkten Zugänglichkeit wurde eine Schweißstoßverbindung als einseitige V-Stumpfnaht mit Badsicherung als die am besten umsetzbare Lösung angesehen. Auf dieser Basis waren ein Schweißplan zu erstellen und folgende Versuche durchzuführen:

– Verfahrensprüfungen für Metall-Aktiv gas-(MAG-)Schweißen und Lichtbogen handschweißen, – Schweißproben im Labor und am Probekörper, – Dauerschwingversuche an Schweiß proben (Lastwechselzahl: zwei Millio nen). Insbesondere wurde festgelegt, dass die Schweißfachleute, die die Schweißproben gefertigt hatten, auch die Schweißungen an der Talbrücke durchführen. Nachdem die Schweiß-Ermüdungsversuche erfolgreich waren, konnte die Zustimmung zum Instandsetzungskonzept erteilt werden.

17 Schweißversuche am Versuchskörper © Autobahndirektion Nordbayern

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SYMPOSIUM

19 Arbeiten am Festanker © Autobahndirektion Nordbayern

18 Arbeitsgerüst zur Instandsetzung © Autobahndirektion Nordbayern

3 Durchführung der Instandsetzungsmaßnahme Auf der Grundlage der durchgeführten Versuche und des darauf aufbauenden Gutachtens, das vom Prüfingenieur geprüft und vom Bauherrn freigegeben wurde, konnte die Instandsetzung bzw. der Austausch der geschädigten Spannglieder beginnen. Dazu wurde im Bereich der Koppelanker ein Arbeitsgerüst aufgestellt (Bild 18). Der Bereich der Festanker war von der Fahrbahnplatte aus zugänglich. Aufgrund der intensiven Vorbereitung und der Ausführung der Arbeiten durch die ausgewiesenen Fachleute, die bereits die Versuche auf der Baustelle bzw. an den Probekörpern realisiert hatten, konnten die komplizierten Arbeiten am Bauwerk ohne besondere Probleme nahezu eins zu eins zu den Versuchen umgesetzt werden.

Zu erwähnen bleibt aber, dass den Akteuren auf der Baustelle auch einiges an Körperbeherrschung abverlangt wurde (Bild 19). Letztlich konnten die Instandsetzungsarbeiten im März 2017 abgeschlossen, die Talbrücke weitergebaut und Ende November 2017 der Verkehr auf den neuen Überbau umgelegt werden. 4 Zusammenfassung Die Frage, ob die bereits realisierten Bauabschnitte 1 und 2 des östlichen Teilbauwerks der Talbrücke Schraudenbach nach dem Lehrgerüsteinsturz im dritten Bauabschnitt instand gesetzt werden können, stellte alle Beteiligten vor große Herausforderungen. Das Problem waren die geschädigten, noch nicht verpressten Spannglieder, die ausgetauscht werden

mussten. Dazu war es notwendig, an die einbetonierten Koppelanker und Festanker zu gelangen, diese zu öffnen, die Spannglieder auszutauschen und alles wieder zu verschließen. Dies hatte zum einen so zu erfolgen, dass die Statik der Brücke nicht beeinträchtigt wird, und zum anderen, dass man nach der Durchführung der Arbeiten bestätigen konnte, dass das dann fertige Bauwerk in Qualität und Dauerhaftigkeit einem nicht instandgesetzten neuen Bauwerk entspricht. Dazu waren auch drei Zustimmungen im Einzelfall erforderlich, und zwar für die Bewehrungskoppelung durch Schweißen, die Verwendung von Vergussbeton als Betonersatz und die Spannöffnungen in der Fahrbahnplatte. Durch das optimale Zusammenwirken aller Beteiligten, des Bauherrn, Tragwerksplaners, Gutachters, Prüfers und der ausführenden Firma, konnte ein Konzept erarbeitet und umgesetzt werden, das diese Anforderungen erfüllt. Von entscheidender Bedeutung war, dass alle dazu notwendigen Arbeiten auf der Baustelle an Versuchskörpern vorher getestet wurden, und zwar von den Spezialisten, die dies später auch am Bauwerk selbst umsetzen mussten. So konnten die sehr komplizierten Instandsetzungsarbeiten erfolgreich durchgeführt werden. Autor: Ministerialrat Prof. Dipl.-Ing. Karl Goj Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, München Bauherr Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Autobahndirektion Nordbayern Gutachter Spannstahl und Betontechnologie Prof. Dr.-Ing. Konrad Zilch, München Gutachter Bewehrungskoppelung Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt-Ing. Martin Mensinger, München Sanierungsüberwachung und Dokumentation Zilch + Müller Ingenieure GmbH, München

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20 Fertiggestellter Überbau im Bereich der Instandsetzung © Autobahndirektion Nordbayern

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Schweißtechnische Überwachung Koller Ingenieurbüro GmbH, Nürnberg


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SYMPOSIUM Staatsstraßenüberführung im Zuge der A 3

Monobogen als Tor zum Spessart von Tobias Bäumler, Hans-Joachim Casper

Die A 3 zählt zu den bedeutendsten Bundesautobahnen in Deutschland. Aufgrund ihrer hohen Verkehrsbelastung wird sie zwischen Aschaffenburg und dem Autobahnkreuz Biebelried sechsstreifig ausgebaut. Ausgewählte Bauwerke im Streckenabschnitt erhalten eine besondere Gestaltung mit Wiedererkennungswert. Dazu zählt auch die Überführung der Staatsstraße 2312, der sogenannte Monobogen. Die Konzeption der neuen Brücke soll insbesondere der schiefwinkligen Kreuzungssituation Rechnung tragen. Entworfen wurde ein Tragwerk, welches in seiner Statik und Ansicht der Schiefe entgegenwirkt. Der diagonal über den Überbau spannende Monobogen mit beidseitigen Seilabspannungen kreuzt nahezu rechtwinklig die unterführte Bundesautobahn. Die regelmäßig angeordneten Seilaufhängungen ermöglichen ein sehr schlankes Brückendeck, welches seine Wirkung unabhängig vom Betrachtungswinkel entfaltet. Der Bogen zeigt sich aufgrund seiner nahezu rechtwinklig zur Bundesautobahn gerichteten Anordnung unverfälscht in seiner wahren Bogenform. Die Form der Seilüberspannung ist neben statischen Aspekten von der gekreuzten Hängeransicht geprägt. Für das gestalterisch anspruchsvolle Tragwerk wurden vollverschlossene Seile gewählt, da deren Außendurchmesser und die Geometrie der Verankerungen gegenüber Litzenseilen eher den Proportionen der filigranen Brückenkonstruktion mit den vergleichsweise kurzen Seillängen gerecht werden.

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1 Allgemeines Die Bundesautobahn (BAB) A 3 ist Europastraße und Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes. Sie verbindet die Beneluxstaaten mit Südeuropa und innerhalb Deutschlands Bayern mit den Zentren am Rhein. Sie zählt damit zu den bedeutendsten Strecken im Netz der Bundesautobahnen. Die A 3 wurde Ende der 1950er und Anfang der 1960er Jahre als vierstreifige Autobahn durch Spessart und Steigerwald gebaut und ist heute stark überlastet. Die durchschnittlichen Verkehrsbelastungen bei Aschaffenburg und Nürnberg liegen bei 100.000 Kfz/d. Vermehrte Unfälle und Staus sind die Folge. Im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist der sechsstreifige Ausbau von der Anschlussstelle Aschaffenburg bis zum Autobahnkreuz Biebelried deshalb als vordringlicher Bedarf ausgewiesen. Mit dem sechsstreifigen Ausbau wird eine leistungsfähige und den heutigen Anforderungen gerechte Verkehrsverbindung geschaffen.

Große Teile des insgesamt 94 km langen sechsstreifigen Ausbaus sind bereits fertiggestellt. Derzeit laufen unter anderem noch die Ausbauarbeiten im Spessart zwischen der Anschlussstelle Rohrbrunn und der bereits neu errichteten Haseltalbrücke mit den Ersatzneubauten von zwei Großbrücken – der Überführung der Staatsstraße 2312 und der Talbrücke Rohrbuch. Ausgewählte Bauwerke im Streckenabschnitt zwischen Aschaffenburg und dem Autobahnkreuz Biebelried bei Würzburg erhalten eine besondere Gestaltung mit Wiedererkennungswert. Dazu zählt auch die Überführung der Staatsstraße 2312, der sogenannte Monobogen.

1 Sechsstreifiger Ausbau der Bundesautobahn A3 zwischen Aschaffenburg und Autobahnkreuz Biebelried © Autobahndirektion Nordbayern


SYMPOSIUM

2 Blick auf die bestehende Bogenbrücke © Autobahndirektion Nordbayern

2 Bestandsbauwerk Im Bereich der bestehenden, sehr schiefwinkligen Überführung der Staatsstraße 2312 verläuft die Bundesautobahn A 3 in einer tiefen Einschnittslage. Das Bestandsbauwerk wurde als Bogenbrücke mit aufgeständerter Fahrbahn errichtet. Die Bogenbrücke wurde dabei im Grundriss orthogonal entworfen, so dass sich in der BAB-Ansicht aufgrund des schiefen Betrachtungswinkels große, wuchtig wirkende Ansichtsflächen ergeben. 3 Entwurf Im Zuge des sechsstreifigen Ausbaus im Abschnitt »westlich Anschlussstelle Rohrbrunn–Haseltalbrücke« wird durch die Verlegung der Bundesautobahn A 3 und der Staatsstraße 2312 ein neues Kreuzungsbauwerk erforderlich. Die verlegte Staatsstraße 2312 kreuzt weiterhin sehr schiefwinklig die neu ausgebaute Bundesautobahn, die im Kreuzungsbereich, wie schon im Bestand, in einer tiefen Einschnittslage verläuft. Aufgrund der exponierten Lage der Überführung am Hochpunkt des Spessarts soll das neue Bauwerk eine besondere Gestaltung erhalten. Die Konzeption der neuen Brücke soll dabei insbesondere der schiefwinkligen Kreuzungssituation Rechnung tragen.

Entworfen wurde daher ein Tragwerk, welches in seiner Statik und Ansicht der Schiefe entgegenwirkt. Der diagonal über den Überbau spannende Monobogen mit beidseitigen Seilabspannungen kreuzt nahezu rechtwinklig die unterführte Bundesautobahn. Die regelmäßig angeordneten Seilaufhängungen ermöglichen ein sehr schlank gestaltetes Brückendeck, welches seine Wirkung unabhängig vom Betrachtungswinkel entfaltet. Der Bogen zeigt sich aufgrund seiner nahezu rechtwinklig zur Bundesautobahn gerichteten

Anordnung unverfälscht in seiner wahren Bogenform und harmoniert auch mit der Wannenausrundung des Brückendecks. Die gegenläufigen Seilebenen mit Seillängen zwischen ca. 6 m und 50 m tragen das Brückendeck. Die Form der Seilüberspannung ist neben statischen Aspekten von der so gestalteten, gekreuzten Hängeransicht geprägt. Jede Seilebene ist vergleichbar mit einer einhüftigen Schrägkabelbrücke mit einem Rückhängeseil.

3 Visualisierung des Brückenentwurfs © SSF Ingenieure AG

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SYMPOSIUM

4 Brückenquerschnitt © SSF Ingenieure AG

5 Brückendraufsicht © SSF Ingenieure AG

4 Tragwerksplanung 4.1 Konstruktion Das mit einem Kreuzungswinkel von 157 gon schiefwinklige Brückendeck mit einer Stützweite zwischen den Widerlagerachsen von 108,30 m und einer Breite zwischen den Außenkanten der Gesimskappen von 12,50 m ist als Verbundtragwerk konzipiert. Außenliegende Hohlkastenlängsträger und im schiefen Kreuzungswinkel verlaufende Hohlkastenquerträger bilden einen Stahlträgerrost, auf den die maximal 37 cm dicke Stahlbetonverbundplatte mittels Kopfbolzendübel schubfest aufbetoniert ist.

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Der Abstand der Querträger beträgt 14,40 m und entspricht damit jenem der Seilverankerungen, die in Verlängerung der Querträger an Konsolen außerhalb des Brückendecks angeordnet sind. Längs- und Querträger besitzen die gleiche Bauhöhe und sind luftdicht verschweißt. Die Konstruktionshöhe des Brückenquerschnittes beträgt insgesamt 1,32 m. Die Wahl von Hohlkastenlängs- und -querträgern ergibt eine harmonische und wartungsfreundliche Brückenuntersicht mit ebenen Flächen und begünstigt vor dem Hintergrund des räumlichen Tragverhaltens den Entwurf dauerhafter Detailausbildungen.

Weiterhin wird mit der Ausbildung torsionssteifer Querschnitte eine räumliche Versteifung des schiefwinkligen Trägerrostes erreicht. Die gegenläufigen Seile mit uneinheitlichen Längen, Neigungen und Querschnitten bewirken unterschiedliche »Federsteifigkeiten« der Seilaufhängung über die Brückenlänge sowie beiderseits eines Brückenquerschnittes. Auch gleichmäßige vertikale Belastungen des Überbaus führen entsprechend nicht nur zu einer Durchbiegung, sondern ebenso zu einem Tordieren des Brückenquerschnitts. Die konstruktive Durchbildung der Tragstruktur trägt damit der Begrenzung örtlicher Durchbiegungen Rechnung.


SYMPOSIUM

6 Brückenuntersicht © Tom Bauer

Aufgelagert sind die beiden Längsträger des Brückenüberbaus in jeder Auflagerachse über Kalottenlager auf massiven flachgegründeten Widerlagern, deren Schiefe dem Kreuzungswinkel des Bauwerkes entspricht. In der Bauwerksachse sind mittige Führungslager eingebaut, die auf dem westlichen Widerlager allseitsfest und auf dem östlichen Widerlager querfest ausgebildet sind. Weil mit einer in Längsrichtung »schwimmenden« Lagerung mit theoretischem Festpunkt in Brückenmitte durch das Verformungsverhalten des Bogens keine Reduktion der maximalen Dehnwege an den Übergangskonstruktionen erreicht werden konnte, wurde ein Lagerungskonzept mit einem einseitigen Festpunkt konzipiert, zumal diese Lagerung auch keine relevanten Zusatzbeanspruchungen im Gesamttragwerk bewirkte.

Die Hohlkastenquerschnitte der Hauptträger und der Endquerträger sind vor den Widerlagern mit Ballastbeton verfüllt. Damit konnten negative Lagerkräfte vermieden werden, die sich ansonsten durch die Schiefwinkligkeit des Brückendecks in Verbindung mit dem durch die asymmetrischen Seilsteifigkeiten hervorgerufenen räumlichen Verformungsverhalten des Brückenüberbaus ergeben hätten. Der Stahlbogen des Brückentragwerkes hat eine Spannweite von ca. 58 m und einen Bogenstich von ca. 30 m. Die Abmessungen des Hohlkastenquerschnittes betragen b x h = 2,00 m x 1,35 m. Die statischen Berechnungen ergaben Blechdicken bis zu 95 mm. An den Fußpunkten ist der Stahlbogen in die flachgegründeten Fundamente eingespannt. Um die Lasten in den Baugrund abzutragen und die für die Tragsicherheit bedeutsame Fußeinspannung des Bogentragwerkes sicherzustellen, waren Kämpferfundamente mit den Abmessungen von ca. l x b = 18,50 m x 10,00 m auf mürben bis festen Sandsteinen erforderlich.

Die räumlichen Verformungen aus Verkehr des nicht nur maßgeblich auf Druck, sondern wegen der asymmetrischen Seilaufhängungen durch schiefe Biegung und Torsion beanspruchten Bogentragwerkes belaufen sich mit den statisch berechneten Querschnittsabmessungen vertikal und horizontal auf weniger als 20 mm. Für das architektonisch gestaltete Tragwerk wurden vollverschlossene Seile gewählt, da deren Außendurchmesser und die Geometrie der Verankerungen gegenüber Litzenseilen eher den Proportionen der filigranen Brückenkonstruktion mit den vergleichsweise kurzen Seillängen gerecht werden. Weitere Vorteile der vollverschlossenen Seile sind die hohe Redundanz, da auch mehrere Drahtbrüche die Tragsicherheit durch die innere Reibung nicht aufheben, sofern die Brüche über die Länge verteilt sind, sowie die einfache Nachprüfbarkeit der nicht verwahrten Seile.

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SYMPOSIUM

7 8 Monobogen im Bauzustand © Tom Bauer

Zur Ausführung kamen galfanverzinkte vollverschlossene Spiralseile der Firma Bridon mit den Seilnenndurchmessern von 120 mm, 133 mm und 145 mm. Am Stahlbogen sind die Seile mit Gabelseilköpfen befestigt, zylindrische Seilköpfe mit Stützmuttern ermöglichten das Anspannen der Seile am Brückendeck. Die Anschlagpunkte am Bogen wurden mit Ausnahme für die Rückhängeseile so gewählt, dass die Systemlinien der Seile in der Mitte des Bogenuntergurtes anschließen und nicht etwa im Schwerpunkt des Hohlkastenquerschnittes. Ausschließlich optische Gründe waren hierfür entscheidend. Die Exzentrizität im Hohlkastenquerschnitt konnte in Kauf genommen werden. 4.2 Statisches System, Belastungen und Seilvorspannung Die Berechnung des Tragwerks erfolgte an einem räumlichen baustatischen Modell aus Stab- und Schalenelementen. Das Brückendeck wurde hierbei als Faltwerk abgebildet, da ein Stabsystem örtliche Spannungen und Verformungen durch die breiten Hohlkästen der Hauptträger und durch die schiefwinklige Deckgeometrie nicht ausreichend genau wiedergab. Sonst übliche gesonderte Detailmodelle, etwa für die Lasteinleitung der Seilkräfte über die Konsolen in das Brückendeck, konnten damit entfallen. Nur für die Nachweise der Stabilität des Gesamttragwerkes wurde ein separates Stabsystem betrachtet, um zutreffende Verzweigungsfaktoren für die Hauptbauteile wie Bogen und Brückendeck zu erhalten. Neben der Berechnung des statischen Systems mit einer Volleinspan-

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nung des Bogens in die Flachfundamente wurden Grenzbetrachtungen für die Bettung auf dem anstehenden Baugrund durchgeführt. Geometrische Grundlage der statischen Systembeschreibung sowie der Konstruktionspläne war ein 3-D-Modell, das mit der CAD-Software Siemens NX erstellt wurde. Außer für die Eigen-, Temperatur- und Windlasten, Stützensenkungen und Kriechen und Schwinden ist das Bauwerk für das Lastmodell LM 1 und LM 2 nach EN 1991-2 sowie für das Ermüdungslastmodell 3 bemessen. Als außergewöhnliche Einwirkung wurde der Ausfall jedes einzelnen Seiles unter Berücksichtigung der dynamischen Effekte betrachtet. Die Seilvorspannung wurde so gewählt, dass die vertikalen Verformungen in den Seilaufhängepunkten zum Zeitpunkt der Brückenfertigstellung gleich null waren. Damit näherte sich die Momentenbeanspruchung im Brückendeck einem Durchlaufsystem an. Im Allgemeinen wird aus Zeit- und Kostengründen eine Seilmontage mit einem einzigen Spannvorgang angestrebt. We-

gen der Asymmetrie des Bauwerkes und der räumlich unterschiedlichen »Federsteifigkeit« der Seilaufhängung wurde das Vorspannen der Seile beim vorliegenden Bauwerk in zwei Phasen durchgeführt: Im ersten Spannvorgang wurden die Seile 1 bis 4 N + S (Nord und Süd) unter dem Bogen und die beiden Rückhängeseile 6 N + S vorgespannt. Die Vorspannung erfolgte so, dass einerseits für die weitere lineare statische Betrachtung die effektiven Seilsteifigkeiten ausreichend groß waren und andererseits das Brückendeck zur Vermeidung eines nichtlinearen Systemverhaltens noch auf dem Traggerüst auflag. Nicht vorgespannt wurden in dieser ersten Phase die beiden kürzesten Seile 5 N + S, da sie die Auflasten des Brückendecks durch ihre größte im Tragwerk vorhandene Seilsteifigkeit quasi als Punktlagerung und damit ungünstig für Fahrbahnbeanspruchung und Seilvorspannung angezogen hätten. Nach dem ersten Spannvorgang wurde das Traggerüst abgesenkt, die Seile 5 N + S eingebaut und die Endvorspannung auf alle Seile aufgebracht.


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4.3 Nachweisführung und Dynamik Zur Dimensionierung des Tragwerkes wurden die durch das bautechnische Regelwerk geforderten Nachweise im Grenzzustand der Tragfähigkeit, der Ermüdungssicherheit und gegen ein örtliches und globales Stabilitätsversagen geführt. Verzweigungslastuntersuchungen zeigten für den Bogen eine hohe Sicherheit gegen Stabilitätsversagen. Für das Brückendeck wurden ergänzend Nachweise nach Theorie II. Ordnung geführt. Für die Dimensionierung des Tragwerkes wurde die Reihenfolge der Montage berücksichtigt. Die Nachweise der Tragsicherheit und die Berechnungen der Verformungen mit der spannungslosen Werkstattform ergeben sich aus der Summe der Einzelbelastungen in den jeweiligen Bauzuständen. Für die Seile des Tragwerkes wurden auf Grundlage der DIN EN 1993-1-11 und des Nationalen Anhangs die Grenzzustände der Tragfähigkeit, die Grenzzustände der Gebrauchstauglichkeit und die Ermüdungssicherheit nachgewiesen. Alle Berechnungen wurden nach Theorie I. Ordnung geführt, da die Nachweise der effektiven Seilsteifigkeiten mit Eeff > 0,95 E die Vernachlässigung der Wirkung des Seildurchhanges erlaubten. Die Berechnungen der Tragfähigkeit zeigten gemäß dem bautechnischen Regelwerk die Zulässigkeit der maximalen Seilkräfte im Bruchzustand ohne die Berücksichtigung von Verdrehwinkeln an den Seilverankerungen. Die Nachweise der Spannungsbegrenzung im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit wurden dagegen unter Beachtung der Biegespannungen im Bereich der Seilverankerungen geführt. Grundsätzlich wäre es gemäß dem Nationalen Anhang zu DIN EN 1993-1-11 zulässig gewesen, die Nachweise ohne Biegeeffekte gegen fSLS = 0,45 σuk zu führen. Wegen der Besonderheit des Tragwerkes mit der asymmetrischen Geometrie und dem räumlichen Verformungsverhalten wurden die Winkeländerungen in den Verankerungspunkten jedoch nicht als untergeordnet angesehen. Die Biegespannungen wurden entsprechend gemäß der DIN EN 1993-1-11 mit in die Nachweisführung einbezogen und die Grenzspannungen mit fSLS = 0,50 σuk eingehalten. Die maßgeblichen Verdrehwinkel treten am

9 Einbau der Seile © Tom Bauer

Brückendeck auf. Unbeachtet blieb bei der Nachweisführung hier die Möglichkeit eines Winkelausgleichs über die sphärischen Muttern und Scheiben an den Spannankern, da diese Ausgleichsmöglichkeit der Aufnahme von Toleranzen beim Seileinbau vorbehalten sein sollte. Die Ermüdungssicherheit ist für alle Seile unter Beachtung des Nationalen Anhanges zu DIN EN 1993-1-11 für die höchste Anforderungsklasse 5 unter Zug- und Biegebeanspruchungen mit Einordnung in die Kerbgruppe KG 112 erfüllt. Damit wird den Nachweisen wegen des räumlichen Tragverhaltens bei diesem besonderen Brückenbauwerk eine strenge Regelauslegung zugrunde gelegt. Nicht ganz eindeutig erlaubt die DIN EN 1993-1-11 eine Kerbfalleinstufung Δσc = 150 N/mm2, während der Nationale Anhang mit seiner strengeren Forderung nicht aussagt, ob bei Einhaltung der deutlich ungünstigeren Kerbgruppe 112 auch die Biegespannungen zu beachten sind.

Das dynamische Verhalten des Tragwerkes wurde für denkbare Anregungen aus Verkehr und Wind betrachtet. Unter Verkehrsbelastungen konnte nachgewiesen werden, dass in Abhängigkeit von möglichen Geschwindigkeiten und mit Fahrzeugabständen analog der Eigenform Erreger- und maßgebliche Eigenfrequenzen ausreichend weit auseinanderliegen und dynamische Effekte aus Verkehr als unkritisch anzusehen sind. Die rechnerischen dynamischen Betrachtungen unter den Windbelastungen zeigten, dass für das Tragwerk ein vereinfachter Nachweis der Böenreaktion nach Eurocode ausreichend war. Der in Abhängigkeit von Eigenfrequenz, Windzone und Bauwerksgeometrie ermittelte Böenreaktionsfaktor ergab einen hiervon abhängigen rechnerisch anzusetzenden Winddruck, der jener gemäß dem bautechnischen Regelwerk anzusetzenden Windbelastung entsprach. Galloping und Flattern wurden bei dem seilverspannten Tragwerk ausgeschlossen.

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spannungen im Bereich der Seilverankerungen wurde jedoch in der Nachweisführung dadurch Rechnung getragen, dass die Ermüdungsnachweise neben den Normalkräften die Biegemomente aus Seildurchhang, Bauteilverdrehungen und -translationen berücksichtigen und den Nachweisen die strengere Kerbgruppe 112 zugrunde gelegt wurde. Durchgeführt wurden die Versuche für das 145-mm-Seil durch die Materialprüfanstalt (MPA) für das Bauwesen in Braunschweig. Die Zugversuche für die beiden Seile mit Durchmesser 120 und 133 mm wurden durch die DMT-Seilprüfstelle in Bochum durchgeführt.

10 Seilköpfe © Tom Bauer

4.4 Seilprüfungen Gemäß den »Technischen Lieferbedingungen und Technischen Prüfvorschriften für vollverschlossene Seile – TL/TP VVS« waren an mindestens einem Probestück für alle Seildurchmesser mit den Originalverankerungen Zugversuche zur Ermittlung der Verformungsmoduli und im Anschluss zur Feststellung der wirklichen Bruchkraft durchzuführen. Die ebenso erforderlichen Ermüdungsversuche, die als Zugschwellversuche mit anschließenden Zugversuchen durchzuführen sind, wurden bei den in Aufbau und Fertigung vergleichbaren Seilen auf das dickste Seil mit dem Nenndurchmesser von 145 mm begrenzt. Auch wenn entsprechende Referenzversuche unter vergleichbaren Bedingungen von anderen Projekten von der Firma Bridon als Seilhersteller vorgelegt werden konnten, wurde von der durch die »ZTV-ING, Abschnitt Brückenseile« gebotene Möglichkeit, auf Dauerschwingversuche ganz zu verzichten, nicht Gebrauch gemacht. Nachgewiesen wurde durch den erfolgreichen Ermüdungsversuch die Kerbgruppe 150, wobei Winkelverdrehungen in den Seilverankerungen nicht berücksichtigt wurden und in der TL/TP VVS auch nicht gefordert werden. Dem höheren Beanspruchungsniveau durch Biege-

11 Montage der Bogenstruktur © Tom Bauer

RAFFL – Der Spezialist für Stahl- und Metallbau Das Fertigungswerk von RAFFL mit einer Produktionsfläche von über 10.000 m2 ermöglicht es, jährlich tausende Tonnen Stahl für gewerbliche und industrielle Zwecke zu verarbeiten. Die Firma Raffl ist auf den Bau und die Errichtung von Stahlhallen spezialisiert. Von der Planumsetzung über Konstruktion, Fertigung und Montage erfolgen alle Arbeiten als Talübergang Enzenstetten

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Brücke Hafling

Eigenleistung. Organisatorische Effizienz, Zuverlässigkeit in der Fertigung, spezialisiertes Personal und modernste Produktionstechnik ermöglichen es, die Wünsche öffentlicher und privater Auftraggeber in kürzester Zeit fachgerecht umzusetzen. Die Firma Raffl entwickelte sich zudem kontinuierlich zum führenden Brückenbauunternehmen in Österreich: Fachplanung, Ausarbeitung und Fertigung U 2 / 8 Wien

kommen aus dem eigenen Haus. Die Produktion erfolgt mit Hilfe hochmoderner maschineller Ausrüstung. Sämtliche gefertigten Stahlteile werden ausschließlich sandgestrahlt bearbeitet und in der hauseigenen Abteilung für Korrosionsschutz beschichtet. Die Montage wird mit firmeneigenen Hebegeräten durch das spezialisierte Fachpersonal durchgeführt.


SYMPOSIUM

12 13 Luftbilder im Herbst 2017 © Hajo Dietz/Nürnberger Luftbild

4.5 Montage Nach Herstellung der Widerlager wurde die Stahlkonstruktion des Brückenüberbaus auf einem auf gesamter Brückenlänge vorhandenen Traggerüst montiert und anschließend die Fahrbahnplatte betoniert. Die Herstellung der Bogenfundamente erfolgte parallel. Für die Errichtung des Bogentragwerkes konnten auf dem vorgefertigten Brückendeck die Gerüststützen zum Auflegen der Bogenschüsse gestellt werden. Nach dem vollständigen Verschweißen des Bogentragwerkes und der geometrischen Kontrolle, insbesondere der Abstände der Seilverankerungen von Bogen und Brückendeck, wurde der Stabbogen in die Kämpferfundamente einbetoniert.

Anschließend wurden die Montage und das Anspannen der Seile in zwei Schritten durchgeführt. Das Traggerüst wurde nach dem Einbau der Seile 1–4 und 6 zu beiden Seiten des Brückendecks und nach dem ersten Spannvorgang abgesenkt. Zur Wahrung der Gradientengenauigkeit wurde der Brückenausbau mit Aufbringung von Kappen und Belag abschließend nach dem vollständigen Vorspannen der Seile ausgeführt. Autoren: BD Dipl.-Ing. Tobias Bäumler Autobahndirektion Nordbayern, Nürnberg Dipl.-Ing. Hans-Joachim Casper SSF Ingenieure AG, München

Bauherr Freistaat Bayern Bauherrenvertretung Autobahndirektion Nordbayern, Nürnberg Entwurf und Ausführungsplanung SSF Ingenieure AG, München Prüfingenieur Prof. Dr.-Ing. Robert Hertle, Gräfelfing Schweißfachtechnische Prüfung Schmid Ingenieure GmbH, München Bauausführung Mayerhofer Hoch-, Tief- und Ingenieurbau GmbH, Simbach am Inn Raffl Stahlbau GmbH, Steinach am Brenner

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SYMPOSIUM Überführung der A 73 über die ICE-Ausbaustrecke

»Die perfekte Welle« nördlich von Bamberg von Bernd Endres, Rolf Jung

Mit der »perfekten Welle« wird eine anspruchsvolle Entwurfsaufgabe mit unterschiedlichsten komplexen Randbedingungen verschiedener Verkehrsbeziehungen auf einfache und dennoch elegante Art gelöst. Die wellenförmige Tragkonstruktion fügt sich dabei ganz selbstverständlich in die ruhige Landschaft ein und setzt dennoch ein Merkzeichen auch für den Nutzer. Sie kombiniert funktionale Erfordernisse wie Lärmschutz, Berührungsschutz, Lichtraumprofile, Gradientenlage, Verkehrsführungen und eine einfache Herstellung mit einer dem Kraftfluss folgenden dynamischen Gestalt zu einer gelungenen Symbiose aus Form und Funktion. Durch das Spiel mit unterschidlichen Wellenformaten ist es gelungen, ein Alleinstellungsmerkmal für dieses Ingenieurbauwerk zu entwickeln.

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1 Lage im Netz © Autobahndirektion Nordbayern

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2 Luftbild der Kreuzungssituation © Autobahndirektion Nordbayern

1 Allgemeines 1.1 Lage und Notwendigkeit Das Bauwerk im Zuge der Bundesautobahn A 73 befindet sich nördlich des Autobahnkreuzes Bamberg unmittelbar im Bereich der Anschlussstelle Breitengüßbach Süd.

Die Bahnlinie Nürnberg–Erfurt kreuzt nördlich von Bamberg die Bundesautobahn (BAB) A 73. Im Rahmen des viergleisigen Ausbaus der Bahnlinie (VDE-Projekt 8.1) muss die bestehende Autobahnbrücke abgebrochen und durch einen Neubau mit größerer Durchfahrtsbreite, die die Aufnahme der ausgebauten viergleisigen Bahnstrecke ermöglicht, ersetzt werden. Die Autobahndirektion fordert gleichzeitig eine Verbreiterung der BABFahrbahn auf einen RQ 31. Kreuzungsrechtlich liegt damit ein Verlangen beider, der Deutschen Bahn AG und des Straßenbaulastträgers Bundesautobahn, vor. Die Bundesautobahn A 73 wird in einem Winkel von ca. 45° über die Bundesstraße 4, die Gleisanlagen der Deutschen Bahn AG und einen Feldweg überführt.


SYMPOSIUM Die vorhandene Brücke besteht aus zwei Teilbauwerken, die in den Jahren 1966 bzw. 1986 fertiggestellt wurden. Die heutige Richtungsfahrbahn Lichtenfels wurde 1966 zur Überführung der Bundesstraße B 173 über die Bundesstraße B 4 und über die zweigleisige Bahntrasse Bamberg–Lichtenfels mit einer Fahrbahnbreite von 8,50 m und einer Breite von 11,50 m zwischen den Geländern als dreifeldrige Brücke errichtet. Der Überbau besteht aus einem längsvorgespannten zweizelligen Spannbetonhohlkasten mit Mittelsteg. Die Bauhöhe beträgt 1,55 m, die Stützweiten messen 34,50 m + 44,00 m + 34,50 m = 113,00 m. Dieses Bauwerk entspricht der Brückenklasse 60 gemäß DIN 1072. Die für die Vorspannung des bestehenden Überbaus in Fahrtrichtung Lichtenfels (Baujahr 1966) in Längsrichtung verwendeten Spannglieder der Firma Sager & Woerner sind als spannungsrisskorrosionsgefährdet eingestuft. Im Zuge des späteren Autobahnausbaus wurde für die Richtungsfahrbahn Bamberg ein weiteres Bauwerk neben das bestehende gesetzt. Dieser 1986 hergestellte vierfeldrige Überbau mit einer Stützweite von 21,88 m + 37,00 m + 37,00 m + 31,00 m = 126,88 m besteht aus einem fünfstegigen Plattenbalkenquerschnitt aus Spannbetonfertigteilen mit Ortbetonergänzung. Die Konstruktionshöhe beträgt 1,67 m. Zwischen den Geländern ist der Überbau 13,25 m breit und zwischen den Borden 10,00 m. Das Teilbauwerk entspricht der Brückenklasse 60/30 gemäß DIN 1072.

3 Bestandsquerschnitt des Überbaus: Richtungsfahrbahn Lichtenfels © Autobahndirektion Nordbayern

4 Bestandsquerschnitt des Überbaus: Richtungsfahrbahn Bamberg © Autobahndirektion Nordbayern

5 Erscheinungsbild des Bestandsbauwerks © Autobahndirektion Nordbayern

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6 Ansicht der Fachwerkbogenbrücke © Leonhardt Andrä und Partner AG

1.2 Variantenuntersuchung 1.2.1 Randbedingungen Aufgrund der schwierigen Kreuzungssituation, Bundesstraße B 4 und vier Streckengleise der Deutschen Bahn AG sowie ein Wirtschaftsweg, ist die Stützenstellung weitestgehend vorbestimmt. Wegen der großen Schiefwinkligkeit der kreuzenden Verkehrswege und zur Reduzierung der Brückenflächen wurden im Grundriss versetzte Stützen und schiefwinklige Widerlager als Vorzugslösung im Rahmen der Vorplanung ermittelt. Weiterhin wurde aufgrund der im Wesentlichen beizubehaltenden Gradientenlage der Bundesautobahn und der sich daraus ergebenden geringen Konstruktionshöhe von nur ca. 2 m über dem Lichtraumprofil der DB ein obenliegendes Tragwerk bei den hier vorhandenen maximalen Stützweiten von 80,00 m für die Brücke erforderlich. Durch die Vorgabe von getrennten Überbauten je Richtungsfahrbahn ergeben sich dann insgesamt vier Tragwerksebenen, die zudem im Raum versetzt angeordnet werden müssen. Im Rahmen der weitergehenden Vorplanung im Jahr 2016 wurden dann zwei Varianten hinsichtlich Stützweiten und Überbauquerschnitts eingehender untersucht und in Ansichten, Querschnitten sowie an räumlichen 3-D-Modellen bewertet.

7 Perspektive der Fachwerklösung © Leonhardt Andrä und Partner AG

1.2.2 Variante 1: Fachwerk Als Variante 1 wurde eine Fachwerkbogenbrücke als Durchlaufträger über drei Felder gewählt. Aufgrund der begrenzten Bauhöhe über den Gleisen der DB AG wird für beide Teilbauwerke jeweils ein Trogquerschnitt mit außenliegenden Hauptträgern als einfache Welle geplant. Die insgesamt vier Tragwerksscheiben werden jeweils seitlich neben dem Querschnitt angeordnet und sind über Querträger miteinander verbunden. Die außenliegenden Hauptträger der Teilbauwerke wurden als Fachwerkbögen entworfen. Die maximale Bauhöhe der Fachwerkscheiben beträgt 8 m. Die Fachwerkstäbe werden als luftdichte Kastenprofile ausgebildet. Die innenliegenden Tragwerksscheiben wurden zur Vermeidung von kreuzenden Fachwerkstäben als geschlossene, luftdicht verschweißte Hohlkästen geplant.

8 »Welle« in der Ansicht © Leonhardt Andrä und Partner AG

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9 »Welle« in der Perspektive © Leonhardt Andrä und Partner AG

1.2.3 Variante 2: »Welle« Als Variante 2 wurde eine Stahlverbundbrücke als Durchlaufträger über drei Felder gewählt. Aufgrund der begrenzten Bauhöhe über den Gleisen der DB AG wird für beide Teilbauwerke jeweils ein Trogquerschnitt mit außenliegenden Hauptträgern als Doppelwelle geplant. Die Hauptträger sind mit Querträgern im Regelabstand von 3,20 m verbunden. Die Hauptträger werden als luftdicht verschweißte, jedoch notbegehbare Hohlkästen ausgeführt. Die jeweils außenliegenden Hauptträger der Teilbauwerke werden wellenförmig, dem Momentverlauf folgend, mit Hochpunkten jeweils über den Stützen ausgeführt. Im Wellental in der Bauwerksmitte werden auf den äußeren Hauptträgern, orientiert an der Wellenform, transparente Schutzwände angeordnet, die als Berührschutz dienen und als Nebeneffekt zur Verbesserung der Lärmsituation beitragen. Die maximale Höhe der äußeren Ansichtsseite beträgt im Bereich der Schutzwand 7,10 m. Die beiden inneren Hauptträger werden aufgrund der Schiefwinkligkeit des Bauwerks als einfache flache Welle mit dem Hochpunkt in Bauwerksmitte ausgeführt. Die maximale Bauhöhe der innenliegenden Hauptträger beträgt 4,60 m.


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10 Ansicht des Ersatzneubaus © Leonhardt Andrä und Partner AG

1.2.4 Vorzugsvariante Neben der gestalterischen und konstruktiven Abwägung der einzelnen Varianten war es das Ziel der Vorplanung, unter Berücksichtigung aller Randbedingungen eine robuste, dauerhafte, unterhaltsfreundliche und wirtschaftliche Bauwerksalternative zu wählen. Ein wichtiger Aspekt der Variantenuntersuchung ist weiterhin die Herstellung unter Berücksichtigung des geringen Zeitfensters für die Montage über den Gleisanlagen der Deutschen Bahn AG und die bauzeitlichen Verkehrsführungen auf der Bundesautobahn A 73. Bei beiden Varianten können die Teilbauwerke mittels Einschubs über den Gleisanlagen hergestellt werden. Der unmittelbare Verschub über den Gleisanlagen lässt sich innerhalb von festgelegten Sperrpausen realisieren. Der innovative Lösungsansatz mit unterschiedlich geformten Tragebenen, wobei die beiden mittleren Tragebenen optisch zu einer Einheit verschmelzen, wurde als Vorzugsvariante bestimmt. In Kombination mit den gläsernen Schutzwänden auf den äußeren Trägern ergibt sich ein elegantes Wellenspiel, welches sich selbstverständlich in die Landschaft einfügt.

Die Stahlverbundkonstruktion spannt über drei Felder mit Stützweiten von ca. 35 m, 80 m, 35 m, daraus resultiert eine Gesamtstützweite von 150 m. Die Widerlager und Pfeiler sind parallel zur Bundesstraße 4 ausgerichtet, so dass sich ein Kreuzungswinkel der Bauwerksachsen von ca. 45° zur BAB-Achse ergibt. Die Vorzugsvariante »Welle« vereint somit Ästhetik, einen optimalen Baubetrieb, eine durchdachte Konstruktion und löst nebenbei auch noch die Lärmproblematik vor Ort – also die »perfekte« Welle. 2 Überbau Bei den beiden getrennten Überbauten handelt es sich jeweils um einen dreifeldrigen Durchlaufträger aus Stahl mit Stützweiten von ca. 35 m, 80 m, 35 m. Der Querschnitt besteht aus jeweils zwei außenliegenden Hauptträgern, die über Querträger miteinander verbunden sind. Die Hauptträger werden als Stahlhohlkästen mit variabler Bauhöhe ausgeführt. Die Haupttragelemente sind der wellenförmig ausgebildete Obergurt und der zur Gradienten parallele Untergurt.

Die Bauhöhe der äußeren Hauptträger, die jeweils einer Doppelwelle folgen, beträgt an den Widerlagern 3,40 m, über den Stützen jeweils 5,10 m und in Feldmitte 3,25 m. Die Bauhöhe der inneren Hauptträger, die einer einfachen Welle folgen, misst an den Widerlagern 3,40 m, über den Stützen 4,10 m und in Feldmitte 4,60 m. Zur Ableitung des Regenwassers werden die Obergurte mit 2,50 % nach außen geneigt. Die Breite der Hauptträger ist variabel und beträgt für die äußeren Hauptträger minimal 1,20 m und für die inneren konstant 1,40 m. Die Stege der Hauptträger werden entsprechend ihren Belastungen aus den Bauzuständen und dem Endzustand mit Trapezhohlsteifen gegen Stabilitätsversagen gesichert. In Brückenquerrichtung werden die Lasten der Fahrbahnplatte über Stahlquerträger, die als Doppel-T-Profil ausgebildet sind, zu den äußeren Hauptträgern hin abgetragen. Die Bauhöhe der Querträger ist variabel, wobei ihre Obergurte der Querneigung der Fahrbahnplatte folgen. Der Regelabstand der Querträger beträgt 3,20 m. Zur Vermeidung von Verschmutzungen auf den offenen Untergurten erhalten die Querträger seitliche Taubenbleche, die gleichzeitig zu ihrer Aussteifung dienen.

11 Querschnitt des Neubaus © Leonhardt Andrä und Partner AG

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Die Fahrbahnplatte wird als Stahlverbundkonstruktion mit 12 cm dicken Halbfertigteilen und einer 22 cm dicken Ortbetonergänzung ausgeführt. Die Gesamtdicke der Fahrbahnplatte beträgt somit 34 cm und ist über Kopfbolzen mit den Stahlquerträgern verbunden. Im Bereich der Bahngleise wird anstelle der Halbfertigteile ein Stahlblech als verlorene Schalung verwendet, das im Verbund mit der Fahrbahnplatte trägt. Im Bereich der Endquerträger wird ebenfalls ein geschlossenes Deckblech verwendet, so dass auf Sonderfertigteile bzw. örtliche Schalungsarbeiten verzichtet werden kann. Die Fahrbahnplatte wird zur Vermeidung von offenen Längsfugen mit Kopfbolzendübeln seitlich fest mit den Hauptträgerstegen verbunden. Zur Vermeidung von abhebenden Lagerkräften werden die Endquerträger und die Zwickelbereiche vor den Endquerträgern mit Ballastbeton ausgefüllt. Zur weiteren Erhöhung der vertikalen Auflagerkräfte am Widerlager wird der Überbau nach dem Endverschub in den Pfeilerachsen ca. 20 cm abgesenkt, so dass eine zusätzliche vertikale Zwangskraft in die Lager eingeprägt wird. Diese Verformungen werden neben der Verkehrslastüberhöhung bereits in der spannungslosen Werkstattform berücksichtigt. Die beiden getrennten Überbauten haben eine Nutzbreite zwischen den Hauptträgerstegen von jeweils 16,30 m. Die Gesamtbreite der beiden Überbauten zwischen den inneren Stegen der äußeren Hauptträger beträgt 36,40 m. Zwischen den beiden inneren Hauptträgern ergibt sich somit ein Wartungsgang mit 1,00 m lichter Breite. Auf den beiden äußeren Hauptträgern wird im Mittelfeld jeweils ein transparenter Berührungsschutz gemäß Richtzeichnungen angeordnet. Die Oberkante der Wand wird dabei als Gegenwelle gekrümmt ausgeführt. Somit ergeben sich trapezförmige Elemente mit unterschiedlichen Höhen bis zu ca. 4,20 m. Die Glaselemente werden dabei ohne horizontale Fugen in einem Stück eingebaut, die Ober- und Unterkanten der Elemente verlaufen also ohne Versprünge.

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Die Acrylglaselemente werden am unteren Rand und den Seitenrändern mit einer EPDM-Profildichtung und einem Edelstahl-U-Profil eingefasst. Der obere Rand erhält keine Einfassung. Die Elemente werden fahrbahnseitig mittels Klemmleisten aus nichtrostendem Stahl an den Pfosten befestigt und am Pfostenfuß gelagert. Die Klemmleisten fixieren die seitlichen Elementränder und sind über am Pfosten angeschweißte Ankerschienen zu montieren. Somit können die Verformungen aus dem Überbau im Bereich der Fugen sicher ausgeglichen werden. Die Pfosten werden als T-Profil mit nach oben veränderlicher Profilhöhe ausgeführt. Der Pfostenabstand beträgt ca. 1,60 m, was dem halben Querträgerabstand entspricht. Zum Ausgleich der geneigten Obergurte der Hauptträger werden keilförmige Ankerplatten auf den Obergurt geschweißt, um darauf die Fußplatten der Pfosten aufschrauben zu können. 3 Bodenverhältnisse, Gründung Aufgrund der Empfehlung des Baugrundgutachters und unter Berücksichtigung der beengten Platzverhältnisse im Pfeilerbereich wird das Bauwerk auf ca. 20 m langen Großbohrpfählen mit D = 150 cm im Sandstein gegründet. 4 Unterbauten 4.1 Widerlager Der kontinuierliche Übergang zwischen Straßendamm und Brückenüberbau wird durch die Anordnung von zwei tiefgegründeten kastenförmigen Widerlagern gewährleistet. Da an beiden Überbauenden Übergangskonstruktionen erforderlich sind, werden in beiden Widerlagern Wartungsgänge mit Entwässerung gemäß Richtzeichnung (RiZ) Was 6 angeordnet. Der Zugang zu den Widerlagern erfolgt jeweils von der Widerlagervorderseite über eine Böschungstreppe gemäß RiZ Bösch 2 und eine Einstiegstür gemäß RiZ Zug 3.

4.2 Pfeiler In den Achsen 20 und 30 liegen die Überbauten auf runden Massivpfeilern auf. Aufgrund der geringen Höhe über Gelände werden zur Vermeidung von Pfeilerkopfverbreiterungen nur die Lager auf dem Pfeilerkopf angeordnet. Die Pressen für den Lagerwechsel werden auf Hilfsstützen abgestellt, die sich auf den vorhandenen Pfahlkopfplatten abstützen können. Im Grundriss weisen die Pfeiler einen Kreisquerschnitt mit einem Durchmesser von 1,60 m auf. Der Pfeilerkopf erhält eine Fase von 10 cm. Die Tiefgründung der Pfeiler erfolgt über Pfahlkopfplatten mit einer Dicke von 1,50 m und jeweils drei Großbohrpfähle mit einem Durchmesser von D = 1,50 m. Die Pfahlkopfplatten erhalten zusätzlich einen Fundamentsockel bis Geländeoberkante zur Aufnahme der Hilfsstützen sowohl im Bauzustand als auch im Zustand des Lagerwechsels. 4.3 Lager Bei der Größe der vorhandenen Lagerkräfte und Verschiebungen wurden Kalottenlager mit hochfester Gleitpaarung als eine wirtschaftliche, dauerhafte und wartungsfreundliche Lösung mit geringen Abmessungen gewählt. Die Lager werden mittig unter den Hauptträgern angeordnet und erhalten zum Ausgleich der Längsneigung jeweils eine obere Keilplatte, die fest mit dem Untergurt verschweißt ist. Die Gleitplatten der Lager werden generell oben angeordnet. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse im Bereich der Pfeilergründungen werden die Festpunkte in Brückenlängsrichtung der beiden Überbauten jeweils am Widerlager Achse 40 vorgesehen. Somit ist eine Horizontallastabtragung über die größeren Pfahlkopfplatten der Widerlager einfacher möglich. Die längsfesten Lager werden aufgrund der höheren Vertikallast jeweils unter der stumpfen Ecke der Überbauten am Widerlager Achse 40 angeordnet. Zur Aufnahme der in Brückenquerrichtung angreifenden Horizontallasten werden an den Widerlagern in Achse 10 und Achse 40 Querfesthaltungen ausgebildet. Zur Vermeidung von Zwangskräften werden die Lager auf den Pfeilern allseitig beweglich ausgeführt. Die zum Lagerwechsel erforderlichen Pressenansatzpunkte werden vor und hinter den Gleitplatten mit fest angeschweißten Pressentellern an den Untergurten der Hauptträger hergestellt.


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12 Farbgestaltung im Entwurf © Leonhardt Andrä und Partner AG

5 Farbgestaltung Zur Auswahl der Farbtöne für die letzte Deckbeschichtung wurde eine Farbstudie mit verschiedenen Farbkombinationen anhand einer Visualisierung am 3-DModell erstellt. Die Innenflächen der äußeren Doppelwelle werden mit einem dunkelblauen Eisenglimmerfarbton DB 510 hervorgehoben. Die weiteren Flächen erhalten helle Farbtöne in Silber mit einem Eisenglimmeranteil entsprechend DB 701. Für die Innenflächen des begehbaren Hohlkastens ist eine helle Grundbeschichtung aus Epoxidharz-Zinkphosphat vorgesehen. 6 Baudurchführung Der Brückenneubau wird in zwei Hauptbauphasen realisiert. Zur Vorbereitung der Hauptbauphasen wurde bereits in 2016 der Umbau des Berührschutzes am Bestandsbauwerk innerhalb einer längeren Streckensperrung der Deutschen Bahn AG vorgenommen. Damit kann in 2018 ohne eine weitere Bahnsperrpause die Bestandsbrücke der Richtungsfahrbahn Bamberg für die Aufnahme der bauzeitlichen 4+0-Ver-

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13 Prinzipdarstellung des Einschubvorgangs © Leonhardt Andrä und Partner AG

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kehrsführung umgebaut werden. Hierfür muss unter anderem die Fahrbahn von 11,00 m auf 11,85 m durch Rückbau von Schrammborden und Kappenkürzung verbreitert werden. Vor Beginn der Abbrucharbeiten des Teilbauwerks der Fahrtrichtung Lichtenfels wird der Verkehr auf das zunächst verbleibende Teilbauwerk der Fahrtrichtung Bamberg umgelegt. Für die aus der bauzeitlichen Verkehrsführung resultierende zusätzliche Belastung konnte unter Berücksichtigung einer kurzen Restlebensdauer eine ausreichende Tragfähigkeit für den 4+0-Verkehr im Bauzustand des Bestandsbauwerks nachgewiesen werden. Nach Verkehrsumlegung wird ab 2019 die nördliche Bestandsbrücke der Richtungsfahrbahn Lichtenfels abgebrochen und neu errichtet. Anschließend wird der Autobahnverkehr auf das neue Bauwerk der Richtungsfahrbahn Lichtenfels umgelegt, um mit dem Abbruch und Neubau der Brücke für die Richtungsfahrbahn Bamberg beginnen zu können.

Die im Stahlwerk vorgefertigten Brückenelemente werden hinter dem Widerlager montiert und über den Bahngleisen und der Bundesstraße 4 bis in ihre Endlage eingeschoben. Für den Einschub über den Bahngleisen werden wiederum Bahnsperrpausen erforderlich. Hinter dem Widerlager wird ein ca. 120 m langer Taktkeller ausgehoben, der gleichzeitig auch als Vormontageplatz für den Stahlbau dient. In einem ersten Bauabschnitt wird der Stahlüberbau auf einer Länge von ca. 100 m hinter dem Widerlager auf Verschiebelagern montiert. Anschließend erfolgt ein erster Verschub um ca. 35 m Länge, bis der Überbau über die erste Pfeilerreihe geschoben ist. Somit ist ausreichend Platz geschaffen, um den restlichen Teil des Überbaus im Schutze des Taktkellers herzustellen. Innerhalb einer Sperrpause der DB AG wird der komplette Stahlüberbau über die Gleise der DB AG bis in seine Endlage verschoben. Nach dem Endverschub werden in einer zweiten Sperrpause die Verschiebelager ausgebaut und der Überbau auf die endgültigen Lager gesetzt. Im Zuge des


SYMPOSIUM

14 Visualisierung des neuen Bauwerks © Leonhardt Andrä und Partner AG

Absenkens des Stahlüberbaus wird eine Differenzverformung zwischen den Pfeilern und den Widerlagern von 20 cm realisiert, um eine zusätzliche Auflast in den Widerlagerachsen zu erreichen. Anschließend werden die Halbfertigteile in den Seitenfeldern montiert und die Fahrbahnplatte vollständig betoniert. Nach der Herstellung der Abdichtung, der Kappen, der Schutzwände und der Fahrbahnbeläge kann der Verkehr vollständig auf

den neuhergestellten Überbau umgelegt werden. Die Gesamtfertigstellung der Brückenbaumaßnahme ist für 2022 geplant. Autoren: Ltd. Baudirektor Dipl.-Ing. Bernd Endres Autobahndirektion Nordbayern, Würzburg Dipl.-Ing. Rolf Jung Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Dresden

Bauherr Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Autobahndirektion Nordbayern, Nürnberg Entwurfs- und Ausführungsplanung Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG, Dresden Prüfingenieur Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler, Berlin

Ersatzneubau

Strombrückenzug Magdeburg > Generalplanung > Objektplanung > Tragwerksplanung > Bauüberwachung

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SYMPOSIUM Errichtung von vier neuen Donauquerungen

Brückenbau in der Stahlhauptstadt Linz von Martin Pöcheim

Linz ist die einzige Großstadt Österreichs, die mehr Arbeitsplätze als Einwohner hat: 205.000 Arbeitsplätze stehen ca. 203.000 Einwohnern gegenüber. Diese unter Österreichs Städten einzigartige Situation eines enormen Arbeitsplatzüberschusses bewirkt eine dementsprechend hohe Einpendlerrate aus den Umlandgemeinden von Linz, was ursächlich für die evidenten Verkehrsprobleme der Stadt ist. Hinsichtlich des Verkehrs kommt erschwerend hinzu, dass das Linzer Stadtgebiet durch die Donau quasi geteilt wird, die Überquerung der Barriere der Donau ist von jeher ein zentrales Thema des Verkehrs in Linz. Um den verkehrlichen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu begegnen, starten im Jahr 2018 nahezu gleichzeitig drei Großprojekte zur Realisierung von insgesamt vier neuen Donaubrücken.

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1 Donaubrücken in Linz © www.maps.google.at

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1 Wirtschaftszentrum und Pendlerstadt Linz ist die Landeshauptstadt des Bundeslandes Oberösterreich, mit ca. 203.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Österreichs und gleichzeitig Zentrum des mit ca. 772.000 Menschen zweitgrößten Ballungsraums der Republik Österreich. [1] Die Geschichte der Stadt ist industriell geprägt, sie ist untrennbar mit dem größten Arbeitgeber, den Stahlwerken der Voestalpine AG, verbunden. Der industrielle Charme der Stahlstadt ist auch heute noch spürbar, wenngleich viele Akzente im Bereich Kunst und Kultur sowie die Einhaltung strenger Umweltauflagen einen deutlichen Wandel im Selbstverständnis und in der Wahrnehmung der Stadt ausgelöst haben. Wie sehr Oberösterreich und seine Landeshauptstadt Linz zunehmend eine ökonomische Führungsrolle in Österreich innehaben und ausbauen, zeigen unter anderem Zahlen zum Außenhandel. Im Zeitraum von Mitte 2014 bis Mitte 2015 stiegen die Exporte in Oberösterreich um 6,80 % auf ca. 17 Mrd. €. Das entspricht 26,40 % aller österreichischen Ausfuhren. Das bedeutet, mehr als ein Viertel der österreichischen Exporte werden von einem Bundesland erbracht, dessen Anteil an der gesamtösterreichischen Wohnbevölkerung nur ca. 15 % beträgt. Linz ist der größte Wirtschaftsstandort im oberösterreichischen Zentralraum, der zu den drei stärksten in ganz Österreich zählt. Die Stadt Linz ist dabei in mehrerlei Hinsicht besonders und beachtenswert.

2 Arbeitsplatzüberschuss und Verkehrsaufkommen Linz ist die einzige Großstadt Österreichs, die mehr Arbeitsplätze als Einwohner hat: 205.000 Arbeitsplätze stehen ca. 203.000 Einwohnern gegenüber. [1] Unterstellt man, dass ca. 50 % der Einwohner erwerbstätig sind, so wird deutlich, dass die Stadtbevölkerung den Bedarf an Arbeitskräften nicht annähernd abzudecken vermag. Diese unter Österreichs größeren Städten einzigartige Situation eines enormen Arbeitsplatzüberschusses bewirkt eine dementsprechend hohe Einpendlerrate aus den Umlandgemeinden von Linz, was ursächlich für die evidenten Verkehrsprobleme der Stadt ist. Südlich von Linz befinden sich zudem große Gewerbegebiete, und mehrere Shopping-Center in Linz und den Nachbargemeinden führen zu zusätzlichem Pendlerverkehr und verschärfen die Verkehrsproblematik auch außerhalb der Stadt. Die hohe Wirtschaftskraft der Region äußert sich zugleich im Verkehrsaufkommen im Großraum Linz. So hat sich alleine am hochrangigen Autobahnnetz (A 1 West-Autobahn und A 7 Mühlkreis-Autobahn) das Verkehrsaufkommen zwischen 2008 und 2016 um ca. 15 % erhöht. Besonders stark hat der Verkehr zuletzt 2014–2016 mit einem mittleren jährlichen Anstieg von über 4 % zugenommen.


SYMPOSIUM

Brücke Funktion (Fahrstreifen)

Verkehrsaufkommen [2015, Kfz/24h]

Verkehrsaufkommen [2016, Kfz/24h]

Änderung [%]

Nibelungenbrücke

Landesstraße (4)

44.000

48.000

+9,1 %

Eisenbahnbrücke

Stadtstraße / (2)

14.000

-

-

Vöestbrücke

Autobahn (6)

90.500

95.500

+5,5 %

Steyreggerbrücke

Landesstraße (4)

26.000

26.500 + 1,9 %

2 Verkehrsaufkommen auf den Linzer Donaubrücken vor und nach Abbruch der Eisenbahnbrücke © ASFiNAG Bau Management GmbH

3 Linzer Donaubrücken Das Linzer Stadtgebiet wird durch die Donau quasi geteilt, die Überquerung der Barriere der Donau ist von jeher ein zentrales Thema des Verkehrs und der Wirtschaft der Landeshauptstadt. Dem donauquerenden motorisierten Individualverkehr standen im erweiterten Linzer Stadtgebiet bis zum Frühjahr 2016 vier Donaubrücken zur Verfügung (Bild 1). Im Jahr 2015 überquerten über diese Brücken in Summe ca. 175.000 Kfz/d die Donau (Bild 2). Ende 2015 wurde in einem Gutachten festgestellt, dass die Stahlkonstruktion der Eisenbahnbrücke, unter anderem als Folge der Salzstreuung, massive Schäden aufweist. Bereits am 27. Februar 2016 wurde die Brücke aufgrund »Gefahr im Verzug« für den gesamten Verkehr gesperrt und die ca. 14.000 Kfz/d mussten sich einen anderen Weg über die Donau suchen. Dieser Umstand hat die Verkehrsproblematik in den Spitzenstunden in Linz zusätzlich verschärft. Die ohnehin bereits stark überlasteten Brücken im Linzer Stadtgebiet mussten ab dem Frühjahr 2016 noch deutlich mehr Verkehr aufnehmen, das Verkehrsaufkommen erhöhte sich schlagartig um bis zu 10 % (Bild 2). Vor allem in den Spitzenstunden morgens (Einpendeln) und abends (Auspendeln) führt dies derzeit zu massiven Kapazitätsproblemen auf den verbleibenden Brücken.

4 Ausblick Neben dem geplanten Ersatz für die abgebrochene Eisenbahnbrücke (Neue Donaubrücke Linz) sollen vor allem Verbesserungen im hochrangigen Netz (Autobahnen A 7 und A 26) einen wesentlichen Beitrag zur Lösung der Verkehrsprobleme leisten. A 26 Linzer Autobahn: Die Nibelungenbrücke bzw. die Linzer Innenstadt sollen durch eine Westumfahrung der Landeshauptstadt entlastet werden. Die erste Bauetappe der A 26 Linzer Autobahn besteht in der Errichtung einer zusätzlichen Donauquerung (Hängebrücke) mit entsprechenden Verbindungsrampen im Berg an die bestehenden Landesstraßen links und rechts der Donau. A 7 Mühlkreis-Autobahn, Errichtung von zwei zusätzlichen Donaubrücken (Bypassbrücken): Bereits im Januar 2018, nach nur rund vier Jahren Projektentwicklung, startet die Erweiterung der A 7 im Bereich der Donau. Vier zusätzliche Fahrspuren auf zwei neuen Brückentragwerken, jeweils zwei links und rechts der bestehenden Hauptbrücke, werden die Leistungsfähigkeit dieser Donauquerung deutlich erhöhen. Ziel ist hier eine klare Trennung des Durchzugsverkehrs von Quell- und Zielfahrten in Linz. Die Hauptbrücke bleibt mit Fertigstellung der Bypässe dem Durchzugsverkehr in Richtung Mühlviertel bzw. A 1 West-Autobahn vorbehalten.

Lenkerinnen und Lenker, die im Bereich der Donau auf- oder abfahren, tun das künftig über die beiden neuen Zusatzbrücken. Die aktuell größte Stauursache, das mühsame Einordnen und Spurwechseln, entfällt dann auf der Hauptbrücke. Geplante Fertigstellungstermine der angegebenen Projekte sind aus derzeitiger Sicht: – A 26 Linzer Autobahn: Ende 2023 (Vorbaulose in Umsetzung) – Neue Donaubrücke Linz: Ende 2020 (Vorbaulose in Umsetzung) – Zusatzbrücken (Bypässe): März 2020 (bereits in Bau) Autor: Dipl.-Ing. Martin Pöcheim Gruppenleiter ASFiNAG Bau Management GmbH, Linz Anmerkung [1] Statistik Austria: Bevölkerung zu Jahresbeginn 2002–2017 nach Gemeinden (Gebietsstand: 1.1.2017) unter http://www.statistik.at/wcm/idc/ idcplg?IdcService=GET_FILE&dID=354032&dDoc Name=080904.

Erneuerung der Echelsbacher Brücke

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Deutscher Ingenieurpreis 2017, Straße und Verkehr, Kategorie Baukultur mit Staatlichem Bauamt Weilheim www.drschuetz-ingenieure.de

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SYMPOSIUM Eine Operation am offenen Herzen in Linz

Zwei Bypassbrücken für die Vöestbrücke von Martin Pöcheim, Josef Reischl, Walter Skala

1 Vöestbrücke der Mühlkreis-Autobahn und Strompfeiler der abgebrochenen Eisenbahnbrücke © Michael Wolfsteiner

Die A 7 Mühlkreis-Autobahn in Linz steht seit ca. 40 Jahren unter Verkehr und wird täglich von bis zu 100.000 Kfz benutzt. Der österreichweit am zweitstärksten belastete Straßenabschnitt ist absehbar am Ende der technischen Lebensdauer angelangt. Aufgrund des fehlenden durchgehenden Abstellstreifens sowie der verminderten Mittelstreifenbreite entspricht dieser im Hinblick auf die Verkehrssicherheit darüber hinaus nicht mehr dem heutigen Stand der Technik. 2018 startet daher mit der Errichtung von zwei Zusatzbrücken (Bypässen) links und rechts der bestehenden Vöestbrücke der sogenannte Sicherheitsausbau der Stadtautobahn A 7. Eine Fertigstellung der neuen Brücken wird für das Jahr 2020 angestrebt. Die Gesamtinvestition in die Errichtung der Bypassbrücken sowie den erforderlichen Umbau der beiden Anschlussstellen Urfahr und Hafenstraße beträgt ca. 168 Mio. €.

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1 Die Vöestbrücke der A 7 Als Teil der A 7 Mühlkreis-Autobahn ist die zwischen 1969 und 1972 errichtete Vöestbrücke eine Autobahnbrücke über die Donau, dient aber auch dem innerstädtischen Verkehr. Die Brücke hat eine Länge von 407 m, ihre Breite beträgt 34,86 m. Die Hauptöffnung hat eine Spannweite von 215 m, die Nebenöffnungen haben Spannweiten von 72 m + 60 m + 60 m. Sie ist die erste Schrägseilbrücke, die in Österreich erbaut wurde. Die Brücke verfügt derzeit über sechs Fahrstreifen auf einem Fahrbahnträger mit einer Breite von 34,90 m. Davon sind zwei pro Fahrtrichtung Teil der Richtungsfahrbahn, jeweils ein Fahrstreifen dient der Auffahrt oder Abfahrt für die Anschlussstellen nördlich (Knoten LinzUrfahr) und südlich (Linz-Hafenstraße) der Brücke. Zusätzlich befindet sich auf beiden Außenseiten jeweils ein baulich abgetrennter Fahrradstreifen. Markantes Element der Brücke ist ein ca. 66 m hoher Pylon, der mittig in der Längsachse der Brücke steht. An ihm sind nach Norden und Süden jeweils drei harfenförmig angeordnete Schrägseile angebracht, welche die Fahrbahn tragen. Um dem Pylon und den Verankerungen der Schrägseile ausreichend Platz zu bieten, trennt ein 3,50 m breiter Mittelstreifen die beiden Richtungsfahrbahnen.

2 Leistungsfähigkeit und Design Laufende Bestandsuntersuchungen zeigen die dringende Notwendigkeit der Sanierung der Fahrbahn auf der Vöestbrücke der A 7. Eine solche Sanierung kann vor dem Hintergrund der spezifischen Linzer Verkehrsverhältnisse nicht unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Verkehrs auf der Brücke erfolgen. Aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und der bereits derzeit auftretenden Überlastungen werden daher »Bypassbrücken« zur Aufrechterhaltung des Verkehrs während der Fahrbahnsanierung errichtet. Während der späteren Sanierung der Vöestbrücke in den Jahren 2022 und 2023 erfolgt eine provisorische Verkehrsführung über diese Bypassbrücken. Eine Verbreiterung der bestehenden Vöestbrücke selbst ist technisch nicht möglich.


SYMPOSIUM

2 Vöestbrücke mit neuen Bypassbrücken: zwei kleinere Pylone rechts des Bestandspylons © SOLID architecture ZT GmbH

Im späteren Regelbetrieb werden die Bypassbrücken weiter genutzt und dadurch bestehende und prognostizierte Überlastungen reduziert, die Flüssigkeit des Verkehrs auf der Brücke gewährleistet und die Sicherheit bei den Verflechtungsvorgängen der Auf- und Abfahrten deutlich erhöht: Die Auf- und Abfahrtsrampen der Anschlussstellen Hafenstraße und Urfahr links und rechts der Donau (Verflechtungen) werden auf die Bypassbrücken verlegt, die Fahrstreifen für den durchgehenden Verkehr verbleiben in der Mitte auf der bestehenden Vöestbrücke. Mehr Leistungsfähigkeit der überlasteten Strecke und anspruchsvolle Gestaltung sollten dabei kein Widerspruch sein. Zur Gestaltung der Bypassbrücken und Integration ins Stadtbild wurde im Herbst 2013 seitens der ASFiNAG ein Wettbewerb ausgelobt. Gesucht wurde die beste Kombination aus Formgebung und Ingenieurplanung. Aus den 17 hochwertigen Entwürfen hat sich der Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft aus Bernard Ingenieure, Hall in Tirol, RWT plus, Wien, und SOLID architecture, Wien, klar durchge-

setzt: »Das Projekt besticht durch die detaillierte konstruktive und gestalterische Ausführung«, so die seinerzeitige Begründung der Jury. Der Entwurf vermittelt den Eindruck einer »Brückenfamilie an einem Ort, das Tragsystem der Hauptbrücke wird übernommen, aber nicht kopiert. Zudem schafft die Veränderung des Fuß- und Radwegs von einem langsam ansteigenden Teil im Vorlandbereich in einen horizontal verlaufenden Teil im Bereich der Schrägseilbrücke auf der 400 m langen Donauquerung räumliche Abwechslung«. 3 Verkehrsführung in der Bauphase Im Zuge des Projekts werden nicht nur zwei neue Donaubrücken errichtet, sondern insgesamt 14 Rampenbauwerke und sieben Stützmauern der Anschlussstellen nördlich (Urfahr) und südlich (Hafenstraße) der A 7 Mühlkreis-Autobahn. Dies erfolgt direkt im Linzer Stadtgebiet, unmittelbar angrenzend an Wohnsiedlungen und Gewerbegebiete und vor allem unter einem Verkehrsaufkommen von ca. 100.000 Kfz/d.

Eine besondere Herausforderung stellte daher die Planung der insgesamt neun Bauphasen mit korrespondierenden Verkehrsführungen dar. Neben dem hohen Verkehrsaufkommen galt es dabei auch Anforderungen des Linienbusverkehrs, der Einsatzkräfte und des Winterdienstes zu berücksichtigen. Es ist gelungen, die komplexe Bauausführung so zu gestalten, dass tagsüber auf der Hauptfahrbahn wie im bisherigen Bestand immer jeweils zwei Fahrstreifen zur Verfügung stehen. Bedingt durch teilweise schmalere Fahrstreifen (Verschwenke und 4+0-Verkehrsführungen) wird im Baustellenbereich Tempo 60 verordnet. Sperren von Fahrstreifen erfolgen nur nachts bzw. am Wochenende bei geringerem Verkehrsaufkommen. Längere Rampensperren sind lediglich in zwei Ausnahmefällen erforderlich.

3 Brückenfamilie in der Nachtansicht © SOLID architecture ZT GmbH

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SYMPOSIUM

Der Abstand zur bestehenden Vöestbrücke beträgt jeweils 6 m, für die freizuhaltende Schifffahrtsrinne wird bei beiden Bypassbrücken das über 132 m lange Stromfeld durch eine Schrägkabelebene unterstützt. Die ca. 36 m hohen Pylonen mit rechteckigem Stahlquerschnitt sind biegesteif mit dem Brückendeck verbunden. Der Brückenquerschnitt besteht aus einem zweizelligen Stahlhohlkasten mit beidseitigen Kragarmen. Die Breite des Brückenquerschnittes beträgt im Regelbereich 17,15 m, die konstante Querschnittshöhe im Minimum 3,50 m. Topflager dienen zur Auflagerung des Überbaues, wobei der Festpunkt in der Pylonachse vorgesehen ist. Beim Widerlager Linz werden zur Ableitung der Zugkraft aus der Seileinleitung ZugDruck-Pendel eingebaut. Strompfeiler, Vorlandpfeiler und Widerlager werden tieffundiert.

4 Ableitung: Geometrie von Bypassbrücken und Bestandsbrücke © SOLID architecture ZT GmbH

5 Unterwasserseitiger Längsschnitt der Bypassbrücke © Bernard Ingenieure ZT GmbH

4 Neubau der Bypassbrücken 4.1 Gestalterisches Konzept Das statische und gestalterische Konzept für die Bypassbrücken sieht vor, die bestehende Vöestbrücke um zwei untergeordnete Bauwerke zu einer Brückenfamilie zu erweitern. Die beiden neuen Bypassbrücken nehmen die klare, reduzierte Formensprache der vorhandenen Vöestbrücke auf und schaffen dadurch ein Ensemble mit Landmarkqualität. Achsabstände und Neigungswinkel der Abspannungen der Bypassbrücken orientieren sich an der Geometrie der Vöestbrücke.

6 Regelquerschnitte im Feldbereich © Bernard Ingenieure ZT GmbH

4.2 Das Bauwerk im Überblick Bei den geplanten Bypassbrücken über die Donau handelt es sich um dreifeldrige Schrägkabelbrücken mit den Spannweiten 85 m, 132 m und 72 m für die Richtungsfahrbahn Freistadt sowie um eine vierfeldrige Schrägkabelbrücke mit den Spannweiten 85 m, 132 m, 72 m und 60 m für die Richtungsfahrbahn Linz.

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7 Regelquerschnitte im Stützbereich © Bernard Ingenieure ZT GmbH


SYMPOSIUM 4.3 Tragwerk 4.3.1 Gründung Zur Ableitung der Brückenlasten dienen Großbohrpfähle (D = 1,20 m) in den neogenen Schlier, welcher von quartärem Donauschotter und Anschüttungen überlagert wird. Die Fundierung der Strompfeiler erfolgt mittels eines Pfahlkastens, ein Kolkschutz wird mittels schwerer Wasserbausteine bewerkstelligt. 4.3.2 Unterbauten Das Widerlager Linz wird als begehbares Widerlager ausgeführt. Ein 2 m breiter Gang bietet Platz zur Wartung des Pendellagers und zum Ansetzen der Seilpresse. Die Strompfeiler bestehen bis zum höchsten schiffbaren Wasserstand (HSW) aus Mantelbetonelementen, darüber werden die Strompfeiler in Ortbeton hergestellt. Die Breite der Strompfeiler beträgt 4,50 m, ihre Länge entspricht der Querschnittsbreite. Die Vorlandpfeiler mit einer Breite von 3,40 m im Überschwemmungsgebiet der Donau dienen auch als Auflager der neuzuerrichtenden Vorlandbrücken. Alle sichtbaren Außenflächen der Unterbauten werden mit einer Strukturschalung hergestellt. 4.3.3 Überbau Der Brückenquerschnitt beinhaltet im Endzustand neben zwei Fahrstreifen mit je 3,75 m Breite auch einen Geh- und Radweg mit einer Breite von 3,00 m, welcher außenseitig zur Donau situiert ist. Ein Spritz- und Kletterschutz trennt diesen vom motorisierten Verkehr der Bypassbrücken. Die Brückenbreite der Bypassbrücken ist so dimensioniert, dass während der späteren Sanierung der Vöestbrücke deren Verkehr durch einen zusätzlichen provisorischen Fahrstreifen auf die Bypassbrücken umgelegt werden kann. Die Aussteifung des Hohlkastenquerschnitts erfolgt durch Querrahmen und Querschotte. Letztere werden in den Auflagerachsen sowie im Bereich der Seilverankerungen angeordnet. Der Abstand der Querrahmen beträgt maximal 4,60 m, bei jedem vierten Querrahmen ist zusätzlich ein Querverband vorgesehen: Die Quersysteme bilden gleichzeitig die Auflager für die Längsrippen der orthotropen Fahrbahnplatte.

Die Schrägkabel, als Parallellitzenseile ausgeführt, verlaufen in einer Ebene mit einem Achsabstand von 1,00 m parallel zueinander. Die Verankerung im Pylon bildet den Festanker des Schrägkabels, die Vorspannung erfolgt an der Verankerung im Brückenquerschnitt. Der Pylon mit den Außenabmessungen von 3,10 m x 2,00 m kann vom Hohlkasten des Tragwerkes aus über eine Leiter begangen werden. 4.3.4 Bauablauf Die Herstellung der Strompfeiler erfolgt nach dem Senkkastenprinzip. Der Zusammenbau der vorgefertigten Teile des Brückendecks wird am Vormontageplatz am linken Donauufer vorgenommen. Anschließend werden die einzelnen Schüsse auf Pontons verführt, mittels Pressentürmen in die Höhe gehoben und auf den Lagern abgesetzt. Der über Land befindliche Teil des Tragwerks wird auf herkömmlichen Rüsttürmen montiert.

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Autoren: Dipl.-Ing. Martin Pöcheim Gruppenleiter ASFiNAG Bau Management GmbH Ing. Josef Reischl Projektleiter ASFiNAG Bau Management GmbH, Wien Dipl.-Ing. Walter Skala Projektleiter Bernard Ingenieure ZT GmbH, Wien

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Bauherr ASFiNAG Bau Management GmbH, Wien Entwurf und Tragwerksplanung Bernard Ingenieure ZT GmbH, Hall in Tirol RWT plus ZT GmbH, Wien SOLID architecture ZT GmbH, Wien Prüfingenieur Dipl.-Ing. Ulrich Eder, Wien Bauausführung Swietelsky Bau GmbH, Linz Bauunternehmung Granit GmbH, Graz

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SYMPOSIUM Die Hängebrücke der A 26

Ein neues Wahrzeichen für Linz von Martin Pöcheim, Franz Sempelmann, Thomas Fackler

Die A 26 Linzer Autobahn ist als Westumfahrung eines der wichtigsten Projekte zur Verbesserung der Verkehrslage in Linz sowie im Umfeld der Landeshauptstadt. Linzerinnen und Linzer profitieren von weniger Verkehr, Pendler aus dem westlichen Mühlviertel von den kürzeren Wegen. Mit der A 26 wird viel Verkehr sinnvoll auf die neue Autobahn verlagert und das städtische Straßennetz damit maßgeblich entlastet. Teil der ersten Bauetappe ist die Errichtung einer neuen Donaubrücke: Mit einer Spannweite von über 300 m wird die schlanke Hängebrücke über die Donau zu einem ebenso eleganten wie funktionalen Wahrzeichen der Stadt Linz. Die vierte Linzer Donaubrücke ist bis dato die einzige Hängebrücke in Österreich über die Donau. Die Investition von insgesamt 668 Mio. € in das Gesamtprojekt A 26 setzt darüber hinaus starke Impulse für den Wirtschaftsstandort Linz und das nordwestliche Mühlviertel.

1 Die A 26 Linzer Autobahn Mit der A 26 entsteht eine leistungsfähige Straßenverbindung zwischen der bestehenden A 7 Mühlkreis-Autobahn beim Knoten Hummelhof und der B 127 Rohrbacher Straße. Die Strecke ist ca. 4,70 km lang, 68 % und damit ca. 3,20 m km der Gesamtstrecke verlaufen unterirdisch im Tunnel. Zur Überquerung des Donautals sowie der Westbahn werden zwei weitgespannte Brücken errichtet. Die A 26 wird in drei Etappen gebaut (Bild 1). Gemäß aktuellem Planungsstand werden folgende Baubeginne und Fertigstellungszeitpunkte angestrebt: – Etappe 1 (Donaubrücke inklusive Anschlussstellen im Berg): 2018–2023 – Etappe 2 (Tunnel Freinberg, Unterflur trasse Waldeggstraße): 2024–2028 – Etappe 3 (Westbrücke, Anschluss an die A 7): 2028–2030 Der Bau der A 26 dient der Bündelung der Verkehrsströme im Kfz-Verkehr auf einer umweltschonenden Trasse mit Tunnelund Unterflurstrecken und wird begleitet von entsprechenden Schutzmaßnahmen.

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Im ersten Ausbauschritt werden die neue Linzer Donaubrücke und die Auf- und Abfahrten zur B 127 Rohrbacher Straße und B 129 Eferdinger Straße errichtet. Die Anschlüsse an das Landesstraßennetz befinden sich vollständig im Tunnel. Nach ihrer Fertigstellung wird die Brücke für den Verkehr freigegeben. Zunächst, bis zur Fertigstellung der Bauetappe 2, wird in jede Richtung eine Fahrspur über die Donau nutzbar sein. Ohne die A 26 würden laut Verkehrsprognose im Jahr 2030 ca. 62.200 Kfz/d die innerstädtische Nibelungenbrücke, eine vierstreifige Landesstraße, passieren. Bereits mit der Verkehrsfreigabe der neuen Donaubrücke der Etappe 1 wird die Nibelungenbrücke um 20.000 Kfz/d deutlich entlastet. Nach Fertigstellung der A 26 wird sich das Fahrzeugaufkommen auf ca. 38.800 Kfz/d reduzieren, was einer Entlastung von ca. 38 % entspricht.

1 Übersicht über die Realisierungsabschnitte der A 26 © ASFiNAG Bau Management GmbH


SYMPOSIUM

2 Visualisierung der Hängebrücke bei Tag © von Gerkan, Marg und Partner

2 Wer baut, gestaltet Von Beginn des Projekts an stellt die Querung der Donau durch eine Brücke aufgrund der technischen Herausforderung und des sensiblen Landschaftsraums der »Donaupforte« westlich von Linz ein besonderes Baulos dar. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2003 auf Basis des damaligen Vorprojekts ein Gestaltungswettbewerb ausgeschrieben und in dessen Rahmen sowohl die statischkonstruktive Brückenplanung als auch die Gestaltung des Bauwerks gefunden. Im Wettbewerb hat sich unter zwölf internationalen Einreichungen der Brückenentwurf der Arbeitsgemeinschaft aus schlaich bergermann partner, Baumann + Obholzer und von Gerkan, Marg und Partner klar durchgesetzt: Ihre schlanke Ausführung als echte Hängebrücke fügt sich optimal in das sensible Donautal und die »Linzer Pforte« ein. Die tragenden Seile, die hoch über der Donau direkt

3 Erscheinungsbild des Bauwerks bei Nacht © von Gerkan, Marg und Partner

in den Fels der Uferwänden verankert werden, vermitteln aus Sicht der Jury eine »Schwerelosigkeit« der Konstruktion, die das Zeug zu einem neuen Linzer Wahrzeichen hat.

4 Lage der Hängebrücke westlich von Linz im Bereich der »Donaupforte« © ASFiNAG Bau Management GmbH

Tag- und Nachtbild der Brücke stehen in enger Beziehung zueinander. Es gibt das horizontale Brückendeck mit der Fahrbahn, gehalten von den Tragseilen, die von Berg zu Berg spannen. Das Beleuchtungskonzept sieht vor, das Licht unmittelbar auf und sehr nah am Bauwerk zu halten und lediglich die beiden Elemente Brückendeck und Tragseile mit LED-Strahlern zu beleuchten.

5 Ansicht der Brücke in Blickrichtung Südportal © ASFiNAG Bau Management GmbH

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SYMPOSIUM

6 7 Brücke in Ansicht und Grundriss © schlaich bergermann partner

3 Brückenneubau 3.1 Brückensystem Das statische System der Linzer Donaubrücke entspricht einer echten, das heißt erdverankerten Hängebrücke. Im Unterschied zu den bekannten großen Hängebrücken konnte hier aber aufgrund der topographischen und geologischen Randbedingungen auf die Anordnung von Pylonen an den Brückenenden verzichtet werden. Die Tragseile werden direkt an den beidseitig vorhandenen Steilufern verankert. Die guten geologischen Verhältnisse mit einem hochbelastbaren Felsgestein erlauben eine kostengünstige Verankerung großer Kräfte mit Felsankern und begünstigen eine direkte Abhängung von den Flanken der Steilhänge. Die Haupttragseile über die Donau, die ein Gewicht von 13.000 t tragen, sind ca. 500 m lang. Zusammengefasst sind diese zu zwei Paketen aus jeweils zwölf einzelnen Seilen mit einem Durchmesser von 145 mm. Die Hängerseile, die die Haupttragseile mit dem Brückendeck verbinden, haben einen Durchmesser von 95 mm und sind in einem Abstand von jeweils 15 m angeordnet. Die zwei Tragseilpakete vereinigen sich wieder an den Donauufern und werden an massiven Abspannbauwerken von 15 m Länge und 15 m Breite mit jeweils ca. 100 Ankern im Fels des Freinbergs bzw. der Urfahrwänd befestigt. Dadurch entsteht eine interessante Räumlichkeit der Tragstruktur, die den Blick der Benutzer der Brücke »einfängt« und eine einmalige Torsituation zur Stadt Linz darstellt.

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3.2 Hauptabmessungen Die Brücke weist folgende Hauptabmessungen auf: – Spannweite des Brückendecks: 305,55 m – Breite des Brückendecks: 22,54 m – Bauhöhe des Brückendecks: 2,53 m ohne Belag (Stahl-Hauptträger 205 cm, Betonplatte 28 cm mit Vouten 20 cm im Bereich der Stahlträger) – Abspannbauwerk Süd: 105 Verpress anker, Längen ca. 70 m – Abspannbauwerk Nord: 94 Verpress anker, Längen 42–60 m 3.3 Überbau und Seiltragwerk Der Überbau der Brücke wird mit in der Ansicht vertikalen Hängerseilen von den Tragseilen abgehängt. Der Hauptträger ist ein einzelliger Stahlhohlkasten mit einer im Verbund liegenden Fahrbahnplatte aus Beton. Er gewährleistet die

8 Brückenquerschnitt © schlaich bergermann partner

für Hängebrücken nötige Biege- und Torsionssteifigkeit. Der hohe Eigengewichtsanteil aus Stahltragwerk, Betonplatte und Fahrbahnbelag samt Randbalken sorgt zudem dafür, dass die Verformungen und die Ermüdungslastanteile aus Verkehr in einem zulässigen Bereich bleiben. Durch die mittige Lage des Hohlkastens verschwindet dieser visuell im Schatten der auskragenden Fahrbahn und lässt die Brücke in der Ansicht schlank und elegant wirken. Die Wahl eines aus Stahl und Beton kombinierten Tragwerks vereinfacht die Montage durch das Einheben der leichten Stahlbausegmente von der Donau aus und bietet mit der nachträglich aufbetonierten Betonplatte die notwendige Robustheit und Dauerhaftigkeit für eine stark frequentierte Straßenbrücke.


SYMPOSIUM

9 Tragseilklemme mit Hängeranschluss © schlaich bergermann partner

Jede der beiden Tragseilebenen wird als Paket, bestehend aus zwölf einzelnen vollverschlossenen Spiralseilen (d = 145 mm) zusammengesetzt. Durch diese Aufteilung wird nicht nur die Montage der Tragseile vereinfacht, sondern auch die jederzeitige Austauschbarkeit einzelner Seile gewährleistet, ein entscheidendes Argument für eine lange Lebensdauer des Bauwerks. Durch die Wahl von zwei Seilebenen je Tragseil ist es möglich, sie einfach und effizient an einem kräftigen, stehenden Blech (Ankerschwert) zu verankern. Zur Justierung der Tragseile sind Futterplatten zum Längenausgleich vorgesehen. An den Tragseilklemmen aus Gussstahl, die auch die Tragseile in ihrer Geometrie fixieren, werden die Hängerseile über einen Gabelseilkopf verankert. Die Tragseile werden mit Klemmschalen in den Nuten der Tragseilklemme gehalten. Durch die Vorspannung der HV-Schrauben können die Tangentialkräfte über Reibung abgetragen werden. Die Länge der Tragseilklemmen richtet sich nach der zulässigen Querpressung sowie den notwendigen »Auslauftrompeten« für die Seilumlenkung. Die Hängerseile sind ebenfalls vollverschlossene Spiralseile mit einem Durchmesser von 95 mm und Einzellängen von ca. 4,50–27,00 m. In Brückenlängsrichtung haben sie einen Abstand von 14,55 m.

Der 2,05 m hohe, oben 7 m und unten 5 m breite, begehbare Stahl-Hauptträger bildet zusammen mit dem Randträger im Verbund mit einer 28 cm starken, schlaff bewehrten Betonplatte den biege- und torsionssteifen Längsträger der Brücke. Längs- und Quersteifen als T-Profil-Rahmen im Hauptträger verhindern das Beulen der Steg- und Gurtbleche unter Druck- und Schubbeanspruchung. Stahlquerträger von 80 cm Breite und 0,90–2,05 m Höhe, die ebenfalls im Verbund mit der Betonplatte liegen, leiten die Kräfte aus dem Hauptträger zu den Verankerungspunkten der Hängerseile. Die Querträger werden so wie die am Rand angeordneten, 65 cm breiten und 90 cm hohen Längsträger als dichtgeschweißte Hohlprofile ausgebildet.

Die Quer- und Längsträger dienen zugleich zur Auflagerung der Betonplatte. Die Betonfahrbahnplatte spannt primär in Querrichtung mit Auflagerungen an den Stegen des Hauptträgers und an den Randträgern. An den Rändern kragt die Betonplatte ca. 1,20 m aus und entlastet damit das Feld zwischen Rand- und Hauptträger. Auch an den Querträgern ist die Platte aufgelagert, so dass in diesen Bereichen eine zweiachsig gespannte Platte vorliegt. Wegen der einfacheren Herstellbarkeit ist geplant, die Verbundplatte mit Halbfertigteilen herzustellen: 8 cm Filigranplatten, in Querrichtung gespannt mit Zwischenjoch, und zusätzlich 20 cm Aufbeton.

10 Prinzipdarstellung des Brückendecks © schlaich bergermann partner

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SYMPOSIUM 3.4 Abspannbauwerke und Widerlager Am rechten Donauufer werden die Tragseile zu den Hängen des Freinberges weitergeführt. Zum Abspannen der Seile wird ein Verankerungsbauwerk errichtet. Die Kräfte der Tragseile werden über Endverankerungseinbauteile aus Stahl (Ankerschwert) in das Verankerungsbauwerk aus Beton (Ankerblock) übertragen. Der eigentliche Ankerblock mit der Seilverankerung und den Felsankern wird in Stahlbeton mit im oberen Bereich liegender Quervorspannung ausgeführt. Die Lagerung dieses Verankerungsbauwerkes erfolgt einerseits über eine Rückspannung mit zwölflitzigen Dauerankern nach hinten in den Felsuntergrund und in der Sohlfuge über eine Auflagerung am darunterliegenden Fels. Um die Sohlpressung in der Sohlfuge und die Pressungen aus Ankervorspannung gesichert übertragen zu können, sind Gebirgsverbesserungsmaßnahmen vorgesehen. Diese Baugrundverbesserung erfolgt durch Entfernen von verwitterten Gesteinsbereichen und deren anschließende Betonauffüllung sowie durch Injektionen.

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11 Isometrie: Ankerblock Süd © Baumann + Obholzer ZT GmbH

12 Ankerblock Süd im Schnitt © Baumann + Obholzer ZT GmbH

13 Isometrie: Ankerblock Nord © Baumann + Obholzer ZT GmbH

14 Ankerblock Nord im Schnitt © Baumann + Obholzer ZT GmbH


SYMPOSIUM

An der nordseitigen Felswand werden die Tragseile durch einen Seiltunnel bis zum oberen Plateau geführt. Auch hier wird, wie im Süden, ein Verankerungsbauwerk zum Abspannen der Seile errichtet. Der weitere Aufbau des Abspannpunktes ist vom Konzept analog zum Süden. Das von den Tragseilen abgehängte Brückendeck lagert auf im Portalbereich der Tunnel angeordneten Widerlagern. Das Widerlager Süd wird auf Bohrpfählen gegründet, wohingegen beim Widerlager Nord eine Flachgründung ausreichend ist.

Nach derzeitigem Terminplan werden die Rohbauarbeiten im Frühjahr 2023 abgeschlossen. Die Verkehrsfreigabe der Etappe 1 ist nach den Ausrüstungsarbeiten insbesondere der Rampentunnel, der Kreuzungsbereiche und der Betriebsgebäude für Ende 2023 geplant. Die Realisierung des Abschnitts 2 (Tunnel Freinberg) ist in den Jahren 2024–2028 vorgesehen. Die Realisierung des Abschnitts 3 (Westbrücke) und somit der Lückenschluss zur bestehenden A 7 soll in den Jahren 2028 –2030 erfolgen.

4 Ausblick Die Ausschreibungsunterlagen für die Rohbauarbeiten A 26, Etappe 1 der Linzer Autobahn (Donauquerung) wurden am 5. Dezember 2017 veröffentlicht. Die Submissionsfrist läuft bis zum 28. Februar 2018. Der Baubeginn ist derzeit, nach einer dreimonatigen Dispositionsfrist, für Oktober 2018 geplant.

Autoren: Dipl.-Ing. Martin Pöcheim Gruppenleiter ASFiNAG Bau Management GmbH Dipl.-Ing. Franz Sempelmann Projektleiter ASFiNAG Bau Management GmbH, Wien Dipl.-Ing. Thomas Fackler Projektleiter schlaich bergermann partner, Stuttgart

Bauherr ASFiNAG Bau Management GmbH, Wien Entwurf schlaich bergermann partner, Stuttgart Baumann + Obholzer ZT GmbH, Innsbruck Architekten von Gerkan, Marg und Partner, Aachen Tragwerksplanung schlaich bergermann partner, Stuttgart Baumann + Obholzer ZT GmbH, Innsbruck Verkehrsplanung arealConsult Ziviltechniker GmbH, Wien Prüfingenieure Dipl.-Ing. Hinko Jusufagic, Wien Dipl.-Ing. Alexander Oplustil, Wien

Brückenbau Scherkondetalbrücke

Gänsebachtalbrücke

Instandsetzung Kochertalbrücke

Bauherr: DB Netz AG Bauart: Mehrfeldrige semi-integrale Spannbetonbrücke Entwurfsplanung: DB ProjektBau GmbH Ausführungsplanung: Büchting + Streit AG, München

Bauherr: DB Netz AG Bauart: Semi-integrale Brücke mit Spannbetonplattenbalken Entwurfs- & Ausführungsplanung: schlaich bergermann und partner Zusammenarbeit: SSF Ingenieure, Berlin

Bauherr: BRD vertreten durch Regierungspräsidium Stuttgart Vor-, Entwurfs- & Ausführungsplanung, Vergabevorbereitung, Nachrechnung, Bauüberwachung: Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG

(Deutscher Brückenbaupreis 2012)

(Deutscher Brückenbaupreis 2014)

(Deutscher Brückenbaupreis 2016)

www.sofistik.de · info@sofistik.de 1/2 . 2018 | BRÜCKENBAU

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SYMPOSIUM Wettbewerb und Entwurfsplanung

Neue Donaubrücke in Linz von Marc Mimram, Jacques Durst

1 Entwurfsplanung: bestehende Schrägseilbrücke und künftige Bogenkonstruktion © Marc Mimram Architecture Ingénierie

Im Rahmen des Entwurfs der neuen Schienenachse Linz wurde beschlossen, die seit 1900 bestehende Eisenbahnbrücke, die durch Korrosion sehr beschädigt war, abzureißen und zu ersetzen. Dadurch wird das Donautal mit einer 400 m langen neuen Brücke überspannt. Dies erlaubt es, auch neue Nutzungen anzubieten: Die ehemals zwei schmalen Verkehrsspuren werden durch eine zweispurige Fahrbahnplatte und eine von ihnen getrennte Trasse für die Straßenbahn ersetzt, die seitlichen Gehund Radwege werden zudem ausgeweitet. Baubeginn ist voraussichtlich im Juni 2018 und die Fertigstellung für Dezember 2020 vorgesehen.

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1 Wettbewerbsentwurf 1.1 Gestaltungskonzept 1.1.1 Linz und die Donau Die Donau ist ein ganz markantes Bezugselement für die Stadt Linz, wobei sie aus historischen Gründen aber eher eine Trennung denn ein Zentrum darstellt. Ursprünglich entwickelte sich die Stadt im Wesentlichen nur entlang des Südufers. Mittlerweile hat sich nördlich der Donau eine städtische Struktur entwickelt, was seit mehreren Jahrzehnten zu vielseitigen Bemühungen geführt hat, die Donau in die Stadt einzubeziehen und die Uferzonen beiderseits des Flusses attraktiv zu machen. Für den Umraum ist charakteristisch, dass Grünräume über größere Bereiche vorhanden sind und die städtische Struktur etwas vom Ufer wegrückt. Relevant ist auch, dass das eigentliche Flussbett wesentlich näher an den südlichen Rand des durch Dammbauten gebildeten seichten Flusstales gerückt und auf der Nordseite eine ca. 100 m breite Naherholungszone entstanden ist.

1.1.2 Vertikal und horizontal Die alte Eisenbahnbrücke weist mit ihren aneinandergereihten Bogenfachwerken vordergründig eine horizontale Struktur auf, wohingegen die Struktur der bestehenden Autobahnbrücke mit ihren Pylonen hauptsächlich vertikal wahrgenommen wird. In Summe ergibt sich im Zusammenwirken der beiden Brückenkonstruktionen ein respektvoller Dialog der Horizontalen der Eisenbahnbrücke mit den Pylonen der Schrägseilbrücke. Die neue Brückenkonstruktion darf dieses Gleichgewicht nicht stören, soll sich zugleich aber auch, im Gegensatz zur ehemaligen Brücke, zu den Ufern hinwenden.


SYMPOSIUM

2 Erscheinungsbild bei Dunkelheit © Marc Mimram Architecture Ingénierie

1.1.3 Beleuchtung Eine Effektbeleuchtung des Bauwerks zur Betonung seiner Bedeutung als Wahrzeichen der näheren Umgebung wird vorgesehen. Sie gewährleistet eine allseitige Erkennbarkeit der Struktur, durchgehend von einem Ufer zum anderen, ohne zusätzliche Effekte: Die Struktur als solche liefert hier eine ausreichende Identifizierbarkeit.

1.2 Entwurf 1.2.1 Anlageverhältnisse Die neue Donaubrücke wird am Standort der ehemaligen Eisenbahnbrücke errichtet. Die Verkehrsachsen liegen auf der Brücke in einer Geraden, in den Anschlussbereichen erfolgen die erforderlichen Anpassungen an den Bestand. Die Aufteilung der lichten Weiten und damit der Pfeiler ist wie folgt: 73,10 m, 112,50 m, 112,50 m, 70,50 m, 27,00 m. In Bezug auf das Flussbett ergibt sich für die Tragkonstruktion eine symmetrische Aufteilung. Ein weiteres Bogenelement ist im Bereich des Urfahraner Vorlandes vorgesehen. Komplettiert wird das Brückentragwerk durch ein zusätzliches Feld am Linzer Ufer.

Die Trassierung im Längenschnitt wurde optimiert im Hinblick auf die verschiedenen Anforderungen. Die Schifffahrtsrinne ist 100 m breit. In einem 80,00 m breiten Bereich der Rinne beträgt die Durchfahrtshöhe mindestens 8,00 m zur Tragwerksunterkante, bezogen auf den höchsten schiffbaren Wasserstand. Das Längsprofil besteht aus einer Kuppe, die mittels Wanne und linearer Steigungen in den Anschlussbereichen an die Ufer angebunden wird.

3 Situation im Orthofoto (Stand: Entwurfsplanung) © Marc Mimram Architecture Ingénierie

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SYMPOSIUM

4 Entwurfsplanung: Ansicht der Brücke © Marc Mimram Architecture Ingénierie

5 6 Grundriss und Längsschnitt © Marc Mimram Architecture Ingénierie

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7 Entwurfsplanung: Regelquerschnitt © Marc Mimram Architecture Ingénierie

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SYMPOSIUM

8 Visualisierung der Bogenstruktur © Marc Mimram Architecture Ingénierie

Im Regelbereich besteht der Brückenquerschnitt aus folgenden Spuren: – Geh- und Radwege (5,60 m) – Bogentragwerk (1,20 m) – Straßenbahntrasse (6,50 m) – Fahrbahn samt Randbalken (10,38 m) – Bogentragwerk – Geh- und Radwege – Gesamte Breite: 34,54 m Im Bereich der Balkone wird der Querschnitt mit einer zusätzlichen Nutzbreite von jeweils 1,33 m aufgeweitet. Die Querneigung der Geh- und Radwege wird mit 2,50 % Gefälle zu den Hauptträgern hin ausgeführt, ebenso ist in den zwei Verkehrsbereichen jeweils ein zum Hauptträger verlaufendes Quergefälle von 2,50 % vorgesehen.

1.2.2 Tragwerk Als Tragwerk ist im Wesentlichen eine Stahlkonstruktion vorgesehen, welche im Mittelbereich eine Fahrbahnplatte aus Stahlbeton erhält. Das Stahltragwerk besteht primär aus zwei für die Längskraftabtragung verantwortlichen Haupttragebenen, die jeweils zwischen den äußeren Geh- und Radwegen und den Verkehrsflächen für den motorisierten Individualverkehr bzw. für die Straßenbahn angeordnet werden, sowie den im Abstand von 3,00 m platzierten verbindenden Querträgern. In den Haupttragebenen ergibt sich das Tragvermögen durch das Zusammenwirken der jeweils zweigeteilten oberen Bogenträger, des durchlaufenden Hauptträgerhohlkastens und der V-förmigen Streben über den Pfeilern. Die Geh- und Radwegkonstruktionen sind außenseitig angehängt. Die Lager werden jeweils direkt unter den Hauptträgern situiert, die Längsfesthaltung ist am Pfeiler P 2 vorgesehen, das straßenbahnseitige Lager wird daher als Festpunkt ausgeführt.

1.2.3 Pfeiler Die Pfeiler werden als massive Betonkonstruktionen ausgeführt, wobei die oberen Bereiche in zwei Teilquerschnitte aufgelöst werden, hierbei erfolgt eine Reduktion auf den Platzbedarf der unmittelbaren Auflagerzonen für die Lager und die Ansatzpunkte für Pressen zum Lagerwechsel. Die unteren Abschnitte werden hingegen im Hinblick auf einen möglichen Schiffsanprall mit einer durchgehenden Scheibe realisiert. Die Gründung der Pfeiler erfolgt über Kastengründungen, eine Sonderform der kombinierten Pfahl-Platten-Gründung, bei der die Pfahlkopfplatten auf Höhe der Flusssohle angeordnet und die Pfähle in den Schlier verankert werden. Um die Pfeiler wird ein ca. 5,00 m breiter Kolkschutz aufgebracht.

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SYMPOSIUM

9 Modell für Windkanalversuche © Marc Mimram Architecture Ingénierie

2 Entwurfsplanung 2.1 Optimierung des Entwurfs 2.1.1 Notwendigkeit von Änderungen Aufbauend auf dem erfolgreichen Wettbewerbsentwurf wurden im Rahmen der Planung Änderungen vorgenommen, welche im Sinne einer Optimierung des Projektes ausgeführt wurden. Die wichtigsten Änderungen und deren Hintergründe werden nachstehend kurz erläutert.

2.1.2 Entfall eines Pfeilers Eine geringfügige Verschiebung der Pfeiler wurde von der Schifffahrtsaufsicht akzeptiert, womit der ursprünglich unmittelbar am Ufer erforderliche Pfeiler entfallen konnte. Daraus resultiert nicht nur eine wirtschaftlichere Konstruktion, sondern es ergibt sich auch eine symmetrische Aufteilung des Tragwerks zwischen den Widerlagern. Die Stützweiten sehen jetzt wie folgt aus: 78,58 m + 119,94 m + 119,94 m + 78,58 m = 397,03 m

2.1.3 Adaptierung der Achse Durch eine leichte Verschwenkung der Achse im Grundriss ergibt sich eine trassierungstechnisch optimierte Linienführung der künftigen Straßenbahn auf Linzer Seite. Ebenfalls auf der Seite Linz wurde eine Absenkung der Trasse akzeptiert, wodurch die beiden Widerlager nunmehr auf der exakt gleichen Höhe ausgeführt werden. Damit ist eine vollständige Symmetrie des Bauwerks in Längsrichtung gewährleistet, was im Hinblick auf die Errichtung von wirtschaftlichem Vorteil ist. 2.1.4 Querschnittsanpassungen Im Sinne der Anforderungen wurde der Regelquerschnitt letztgültig adaptiert, unter anderem wurde ein Vier-SchienenGleis für die Straßenbahn berücksichtigt und die Entwässerung der Außenbereiche angepasst. 2.2 Unterbauten Hinsichtlich der genauen Ausführung der Unterbauten wird hier auf den Beitrag »Die neue Donaubrücke Linz – Umsetzung« verwiesen.

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2.3 Tragwerk 2.3.1 Tragwerksbemessung Windbeanspruchungen und vom Wind erregte Schwingungen: Die statischen Windbeanspruchungen auf der Brücke wurden mittels einer digitalen Untersuchung ermittelt. Diese präzise Studie hat es erlaubt, die Windkräfte um mehr als 10 % zur verringern. Die sehr schlanke Gestaltung der Brücke macht das Tragwerk aber besonders weich. Die ersten Eigenmoden der Brücke werden schon bei Frequenzen um 0,50 Hz angetroffen. Die vereinfachte Berechnungsmethode aus der europäischen Norm erlaubte in dem Fall nicht, eine Instabilität wegen windinduzierter Schwingungen auszuschließen. Diese wurde daher über Versuche eines aeroelastischen Modells im Windkanal nachgewiesen.


Wirtschaftlich und nachhaltig. SYMPOSIUM

Korrosion impossible Straßenbrücken sind jetzt feuerverzinkbar

10 Prinzip des Bogenanschlusses © Marc Mimram Architecture Ingénierie

Modellierung: Die Tragwerksbemessung erfolgt über verschiedene Modelle, wobei die komplette Lastaufstellung und die Bauphasen im Hauptmodell untersucht werden. Dieses Stabwerksmodell wird dann ergänzt durch – eine gesamte Modellierung mit Berücksichtigung der Fahrbahnplatte, um die Kriech- und Schwind-Effekte zu kontrollieren, – eine vereinfachte gesamte Modellierung für die dynamischen Untersuchungen, – eine gesamte Modellierung, die die Stahlbauknoten als 2-D-Finite-Elemente integriert, und zwar mit vereinfachten Einwirkungen, – getrennte Modelle zur Bemessung der Kastengründung.

2.3.2 Tragwerksplanung Blechkrümmungen: Die Geometrie der einzelnen Elemente wird im Lauf der Entwurfsplanung definiert, um die Menge der doppelgekrümmten Bleche möglichst zu reduzieren. Der Hauptträger besteht nur aus einfach gekrümmten Blechen, signifikant doppelgekrümmte Bereiche befinden sich lediglich an den Knoten. Die Gestaltung des Hauptträgers wird auch angepasst, um die Trägheitsmomente erhöhen zu können, ohne die Gestaltung zu beeinflussen. Die Querträger, die einen großen Anteil an den Massen haben, werden sorgfältig optimiert.

Stahl- und Verbundbrücken dürfen seit kurzem auch in Deutschland feuerverzinkt werden. Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben nämlich, dass die Feuer verzinkung auch für den Einsatz an zyklisch belasteten Brückenbauteilen geeignet ist und eine Korrosionsschutzdauer von 100 Jahren ohne Wartung erreicht. Zudem ist Feuerverzinken bereits bei den Erstkosten günstiger. Mehr unter www.feuerverzinken.com/ bruecken

11 Integration der Knoten im Modell © Marc Mimram Architecture Ingénierie

INSTITUT FEUERVERZINKEN 1/2 . 2018 | BRÜCKENBAU

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SYMPOSIUM

Stahlbaudetails: Durch die Symmetrie des Bauwerks wird die Planung der Knoten vereinfacht. Im Auflagerungspunkt werden die sehr hohen Lasten mittels eines Gusselements (identische Ausführung für alle sechs Teile) ermüdungsgerecht im Hauptträger und dann weiter durch entsprechende Querschotte zum Lager geführt. In diesen hochbeanspruchten Bereichen werden Blechdicken bis zu 80 mm verwendet.

12 Maximale Vergleichsspannungen im Bogenfußpunkt © Marc Mimram Architecture Ingénierie

Im Anschluss zwischen Bögen und V-Streben wird eine direkte Krafteinleitung mittels in die Gestaltung integrierter Schotten und Längssteifen bis in den Bogenfußpunkt erzeugt.

13 14 15 Finite-Elemente-Modelle: Auflagerungspunkt, Bogenfußpunkt, Anschluss von Bogen und V-Streben © Marc Mimram Architecture Ingénierie

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SYMPOSIUM

16 Zwei stadtbildprägende Donauquerungen in Linz © Marc Mimram Architecture Ingénierie

Die weiteren Knotentypen wurden ebenfalls über präzise Finite-ElementeModelle nachgewiesen: Querträgeranschluss, Struktur der Gehwegkonstruktion und Endquerträgeranschluss. Je nach Bedarf werden, in einzelnen Bauteilen, die Stahlgüte S 460 ML (anstatt S 460 M) zur Vermeidung der Bruchzähigkeit sowie entsprechende Z-Güten verwendet. Alle Querträger sollen in S 355 M zur Ausführung kommen.

Bauherr Landeshauptstadt Linz Autoren: Marc Mimram Architecte DPLG, Ingénieur ENPC Jacques Durst Dipl.-Ing. Universität Stuttgart, Ingénieur ECN Marc Mimram Architecte et Associés Marc Mimram Ingénierie, Paris

Entwurf und Tragwerksplanung Marc Mimram Architecte et Associés, Paris Marc Mimram Ingénierie, Paris KMP ZT-GmbH, Linz. Beleuchtungsplanung Marc Mimram Architecte et Associés, Paris Agence ON, Paris

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SYMPOSIUM Umsetzung der Entwurfsplanung

Neue Donaubrücke in Linz von Christian Stadler

Der Wettbewerbsvorschlag und die Entwurfsplanung für die »Neue Donaubrücke in Linz« wurden bereits im vorhergehenden Beitrag detailliert erläutert. Die nachfolgenden Ausführungen thematisieren nun die Umsetzung dieses Projekts, und zwar vom Vergabeverfahren über die Unterbauten und das Tragwerk bis hin zur vorgesehenen Terminschiene. Baubeginn soll im Juni 2018 sein, die Fertigstellung der Brücke hat dann bis Dezember 2020 zu erfolgen. 1 Vergabeverfahren 1.1 Verhandlungsverfahren Entsprechend der vorgesehenen Projektabwicklung im Sinne einer bestmöglichen Kooperation aller Beteiligten wurde für die derzeit laufende Vergabe ein zweistufiges Verhandlungsverfahren gewählt. Dieses ermöglicht, dass über den gesamten Auftragsinhalt einschließlich der kaufmännischen Bedingungen verhandelt werden kann, so dass die Anliegen beider künftiger Vertragsparteien ausreichende Berücksichtigung erfahren können. Es stellt durch die Auswahl geeigneter Bieterkonsortien des weiteren sicher, dass ausreichende Kenntnisse und Kapazitäten auf Seiten der Ausführenden vorhanden sind.

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1 Ansicht des Widerlagers Urfahr © Marc Mimram Ingénierie/KMP ZT-GmbH

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1.2 Bestbieterprinzip Da es sich bei der Errichtung der neuen Linzer Donaubrücke sowohl im Fall der Konstruktion als auch der baulichen Umsetzung um eine sehr anspruchsvolle Aufgabe handelt, wird der Angebotspreis nur zu 90 % in die Bestbieterermittlung einbezogen. Bei den qualitätsbezogenen Kriterien wird eine mögliche Verkürzung der Bauzeit mit 2 % berücksichtigt, ebenfalls 2 % sind für eine allfällige Verlängerung der Gewährleistungsfrist vorgesehen. Den wesentlichsten Qualitätsaspekt stellt jedoch die Bewertung der von den Bietern auszuarbeitenden »Montage- und Transportkonzepte« dar, welche mit 6 % in die Bestbieterermittlung einfließen. Dabei werden von der Bewertungskommission neben ökologischen Aspekten vor allem die daraus ableitbare künftige Bauwerksqualität und die Umsetzungssicherheit beurteilt. 1.3 Leistungsbeschreibung Nur jene Leistungen, die für die Sicherstellung einer vergleichbaren, den hohen Anforderungen genügenden Qualität des endgültigen Bauwerks erforderlich sind, wurden konstruktiv ausgeschrieben. Dementsprechend wurden vergleichsweise viele Positionen des Leistungsverzeichnisses funktional ausgeschrieben, wobei den Bietern im Sinne der vorzulegenden Konzepte im Rahmen der materienrechtlichen Randbedingungen relativ große Freiheiten eingeräumt werden.

Durch diese Kombination aus konstruktiver und funktionaler Leistungsbeschreibung können die verschiedenen Möglichkeiten der einzelnen Bieter im Sinne der Wirtschaftlichkeit bzw. der Bauwerksqualität bestmöglich eingebracht werden. 2 Unterbauten 2.1 Widerlager Die Widerlager weisen angesichts der gewählten Tragkonstruktion relativ geringe Lagerlasten (< 10.000 kN) auf und konnten daher vergleichsweise einfach konzeptioniert werden. Hinter den massiven Auflagerbänken wird unterhalb der Fahrbahnübergänge eine Art Inspektionsgang ausgeführt, von welchem auch die beiden Kammern, der integrierten Gewässerschutzanlage bzw. der Leitungsverteilung dienend, erschlossen werden. Der Übergang von der direkt befahrenen Kammerdecke auf die anschließende Erdbaustrecke wird mittels Schleppplatten realisiert. Die Gründung erfolgt wegen der Tieflage ausreichend tragfähiger Schichten mittels Großbohrpfählen mit Durchmesser 120 cm. Im Hinblick auf das durchgängige Gestaltungskonzept werden die Außenflächen der Widerlager mit Nuten strukturiert, wobei so auch ein Bezug zu früheren Hochwasserereignissen hergestellt wird.


SYMPOSIUM

2.2 Pfeiler Im Bereich der Pfeiler bedingen die hohen Auflagerlasten (Einzellager: ca. 45.000 kN Gebrauchslast) sowie die zusätzlichen Anforderungen aus einem möglichen Schiffsanprall bei gleichzeitig eingeschränkten räumlichen Verhältnissen eine hohe spezifische Lasteinleitung in den tragfähigen Untergrund. Aus diesem Grund wird hier eine Kastengründung mit 5 m Einbindung in den anstehenden Schlier-Horizont ausgeführt.

2 Widerlager im Querschnitt © Marc Mimram Ingénierie/KMP ZT-GmbH

3 4 Längschnitt und Querschnitt eines Pfeilers © Marc Mimram Ingénierie/KMP ZT-GmbH

Die äußere Begrenzung der rechnerischen Lasteinleitungsfläche stellen die in geringem Abstand eingebrachten Großbohrpfähle (D = 120 cm) dar, innerhalb der im Untergrund verbleibenden Stahlspundwände wird der Bereich von der auf Höhe der Flusssohle liegenden Pfahlkopfplatte bis zur Übergangszone auf den Schlier mittels Hochdruck-Bodenvermörtelung vergütet.

Die aufgehenden Teile bestehen aus den beiden direkt unter den Lagern befindlichen konischen Säulen und der für die Lastverteilung zusätzlich vorgesehenen Verbindungsscheibe, welche bis knapp über den höchsten schiffbaren Wasserstand reicht. In Analogie zum Gestaltungskonzept der Widerlager werden die Außenflächen der »Säulen« wieder mit Nuten strukturiert, die Innenflächen sowie das Scheibenelement hingegen mit einer flächigen Struktur versehen.

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SYMPOSIUM

5 Tragstruktur am Vormontageplatz © Marc Mimram Ingénierie/KMP ZT-GmbH

2.3 Herstellung der Unterbauten Bei den Widerlagern sind mit Ausnahme der Gewährleistung der Schutzfunktion der äußeren Hochwasserdämme keine besonderen Anforderungen gegeben. Bei den Pfeilern, vor allem bei den beiden im Flussbett liegenden Achsen P 2 und P 3, liegen besondere technische und logistische Herausforderungen vor. Da der Schiffsverkehr auf der Donau ständig aufrechtzuerhalten ist und auch keine großflächigen Schüttungen zulässig sind, müssen die einzelnen Arbeitsschritte von Pontons aus erfolgen. Zudem müssen die von den Bietern zu konzipierenden Baugrubenverbauten bis zu 10 m Wasserdruck aufnehmen können und Vorkehrungen gegen einen Schiffsanprall beinhalten. Ein mögliches Konzept sieht dabei die Herstellung von Pilotpfählen zur Stabilisierung des künftigen Verbaus vor, wobei der Stützrahmen gleichzeitig der Führung der Spundwände dienen soll. Nach dem Auspumpen bzw. dem Aushub sollten dann die Bohrpfähle hergestellt und anschließend die HDBV-Arbeiten im Schutz der Spundwand durchgeführt werden. Nach der Herstellung der Pfahlroste bzw. der aufgehenden Teile wird der Verbau wieder geflutet, und die Spundbohlen werden von Tauchern in bis zu 8 m Tiefe abgeschnitten. Im Sinne der Minimierung der Abflusshindernisse müssen die Pfeiler jeweils seriell errichtet werden. 3 Tragwerk 3.1 Stahlkonstruktion Hinsichtlich der genauen Ausführung der Stahlkonstruktion der Haupttragebenen samt den angehängten Gehwegbereichen wird auf den vorhergehenden Beitrag »Die neue Donaubrücke in Linz. Wettbewerb und Entwurfsplanung« verwiesen.

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3.2 Montage der Stahlkonstruktion Der Zusammenbau der im Werk vorgefertigten Elemente erfolgt am Vormontageplatz am Urfahraner Ufer, wobei diese Fläche in ihrer Größe so dimensioniert ist, dass zwei komplette Bogentragwerke zusammengefügt und zwischengelagert werden können. Im Sinne der Hochwassersicherheit werden bis zum HQ 100 reichende Sockelfundamente ausgeführt, auf denen die erforderlichen Montagerüstungen aufgesetzt werden.

6 Einschwimmen des ersten Teiltragwerks © Marc Mimram Ingénierie/KMP ZT-GmbH

Für die erforderliche Verbreiterung zur Donau hin wird eine Fangedamm-Lösung aus Spundwänden hergestellt, damit lässt sich auch ein ausreichender Tiefgang für anlegende Schiffe bzw. Pontons realisieren. Vom Bauablaufkonzept, welches von den Bietern im Rahmen der Bescheide adaptiert werden kann, ist eine Montage von der Seite Urfahr vorgesehen. Als Erstes wird ein vom Widerlager bis zur ersten


SYMPOSIUM Feldmitte reichendes Bogentragwerk mittels SPMT an den endgültigen Einbauort verbracht und auf die Hilfslagerpunkte abgesetzt und stabilisiert. Je nach genauem Konzept kann nur eine Tragebene – eine entsprechende Querstabilisierung ist in einem solchen Fall erforderlich – oder eben ein komplettes Element eingefahren werden. Nach dem Aufbau der beiden über der Donau einzubauenden Bogentragwerke werden diese mittels SPMT und Pontons nacheinander eingeschwommen, wobei die Kopplungen jeweils in Feldmitte vorgesehen sind. Das abschließende kurze Schlussstück zum Widerlager Linz soll direkt eingehoben werden. Bei einem Verbringen halber Bogenelemente müssen die Querträger dann vor Ort zusammengefügt werden. 3.3 Verbundfahrbahnplatte Der Mittelbereich mit den Fahrbahnzonen für den Straßenbahn- bzw. Straßenverkehr ist als Stahl-Beton-Verbundplatte konzipiert und bildet die einzige Verbindung zwischen den beiden äußeren Haupttragebenen. Im Raster von 3,00 m werden I-förmige Querträger mit jeweils 70 cm Gurtbreite ausgeführt, wobei die Höhe entsprechend dem dachprofilartigen Regelquerschnitt variabel ist. Auf den Obergurten werden 10 cm dicke, freitragende Stahlbeton-Elementplatten aufgelegt, so dass kein gesondertes Lehrgerüst erforderlich ist. Gemeinsam mit dem Aufbeton ergibt sich eine orthotrope Tragwirkung für die Abtragung der Biegebeanspruchungen aus lokalen Verkehrslasten bzw. Querbeanspruchungen. Die Endquerträger werden als verstärkte Stahlhohlkästen ausgeführt, wobei zur Sicherstellung der Abhebesicherheit die Hohlräume noch mit Beton verfüllt werden. 4 Terminschiene Entsprechend den angestellten Überlegungen zur Projektabwicklung ist von einem Abschluss des Vergabeverfahrens im Zeitraum von April bis Mai und damit einem Baubeginn im Juni dieses Jahres auszugehen. Für die Gesamtbaumaßnahme ist angesichts der aus Hochwasserschutzgründen geforderten seriellen Herstellung der Pfeiler und unter Berücksichtigung des Gesamtumfanges der Stahlbauleistungen eine Bauzeit von 30 Monaten veranschlagt worden, woraus eine Fertigstellung zum Ende des Jahres 2020 resultiert. Hierbei sind noch allfällig angebotene Bauzeitverkürzungen zu berücksichtigen. Angesichts der Bauabfolge ist zudem davon auszugehen, dass sich sowohl bei der Errichtung der Pfeiler im Fluss als auch bei den Stahlbaumontagen keine relevanten Pausen im Sinne der Ausnutzung günstigerer Witterungsverhältnisse ergeben werden. Autor: Dipl.-Ing. Christian Stadler KMP ZT-GmbH, Linz

Bauherr Landeshauptstadt Linz Entwurf und Tragwerksplanung Marc Mimram Architecte et Associés, Paris Marc Mimram Ingénierie, Paris KMP ZT-GmbH, Linz. Beleuchtungsplanung Marc Mimram Architecte et Associés, Paris Agence ON, Paris

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SYMPOSIUM Projektwettbewerb im selektiven Verfahren

Grosshofbrücken im schweizerischen Kriens von Guido Biaggio, Rainer Hohermuth

Im Rahmen der Engpassbeseitigung im schweizerischen Nationalstraßennetz soll der Sonnenbergtunnel in Luzern durch den Tunnel Bypass Luzern entlastet werden. Diese unterirdische Verkehrsverbindung taucht direkt neben dem Südportal des bestehenden Verkehrsträgers in einem ohnehin stark belasteten Umfeld an die Oberfläche auf und muss angemessen eingepasst werden. Das betroffene Gebiet Grosshof befindet sich gerade im Übergang zwischen Industriebrache und hoffnungsvollem Stadtentwicklungsgebiet … Der gordische Knoten im Spannungsfeld von Politik, Mobilitätsansprüchen und Städtebau wurde mit einem Wettbewerbsverfahren gelöst. Hier der Bericht!

1 Schematische Darstellung der Portale Sonnenbergtunnel und Bypass Luzern © media-work gmbh

1 Einleitung 1.1 Das Brückenhaus Das »Brückenhaus«, eine neuzeitliche gedeckte Brücke, erweist sich als beste Lösung für die höchst anspruchsvolle Zusammenführung der Tunnelportale Sonnenbergtunnel und Bypass Luzern. Was zunächst fast idyllisch klingt, ist in Tat und Wahrheit das Resultat einer harten Ausmarchung zwischen den Ansprüchen der Mobilität, dem Städtebau und dem Immissionsschutz.

1.2 Geschichte und Lage Im Jahr 1792 war Luzern noch eine schwer befestigte Stadt. Die damals fast doppelt so lange Kapellbrücke diente als Wehrgang und schloss an beiden Enden direkt an die berühmte Stadtmauer an. Sie hatte zu dieser Zeit bereits 400 Jahre auf dem Buckel! Das war noch kein Bypass – hier ging es vielmehr darum, ungebetene Gäste zur weiträumigen Umfahrung der Ortschaft zu veranlassen. Von Tourismus war noch keine Rede, das Stadtbild war geprägt von politischen Realitäten. Wer hätte damals geahnt, dass die gedeckte Brücke zum Wahrzeichen der Stadt avancieren würde?

2 Stadtmodell Luzern im Jahr 1792 © Pascal Klein

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3 Erste Autobahn der Schweiz © Stadtarchiv Luzern


SYMPOSIUM

4 Engpassbeseitigung: Bypass Luzern © Bundesamt für Strassen ASTRA

Trotz weltweiter Bekanntheit und beeindruckender Besucherzahlen, der Balanceakt zwischen den Segnungen der Mobilität und deren Schattenseiten ist erhalten geblieben. Dies wurde jedoch nicht in allen Epochen gleich wahrgenommen. 1955 wurde mit der Ausfallstraße LuzernSüd zwischen Kriens und Horw die erste 3 km lange Autobahn der Schweiz eingeweiht. Sie durfte noch mit Pferdefuhrwerken befahren werden und wies Fußgängerstreifen auf. Der Anfang jener neuzeitlichen Piste lag exakt am Ort des heutigen Grosshofbrückenprojektes. Aus der Zeit sind vor allem die positiven Wahrnehmungen zu diesem Fortschritt überliefert. Offenbar wurde damals die Autobahnsicht in Wohnungsinseraten noch speziell angepriesen! Im Jahr 1976 wurde dann der Sonnenbergtunnel eröffnet. Er unterquert die Stadt in zwei richtungsgetrennten Tunnelröhren und tritt ziemlich genau am Fotostandort des Bildes 3 aus dem Berg heraus. Die neue Grosshofbrücke über die Luzernerstraße und Werkgeleise machte den Anschluss an die inzwischen 20-jährige erste Autobahn. Der Fortschrittsglaube war zu dieser Zeit noch ungebrochen – einzig die Ölkrisen trübten die Freude.

1.3 Engpassbeseitigung, Bypass Luzern Wenn vor 60 Jahren von der ersten Autobahn die Rede war, dann kann man schon bald von der letzten reden … In der Gegenwart geht es noch um Engpassbeseitigung (Bild 4). Das Blatt hat sich gewendet: Was die Mehrheit begrüßt, solange es vor der Tür des anderen ist, weckt Widerstand bei den Leidtragenden am Ort des Geschehens. Der Bypass Luzern soll den notorisch verstopften Flaschenhals um Luzern entlasten, indem er zwei weitere Tunnelröhren durch den Sonnenberg zur Verfügung stellt.

1.4 Situation Grosshof Auf Bild 5 sieht man die heutige Situation beim Südportal des Sonnenbergtunnels. Die rote Industriehalle neben dem Portalbauwerk illustriert in etwa die Mündungskonstruktion des neu zu erstellenden Tunnels für den Bypass. Sie wird abgebrochen. Die zu erstellende neue Konstruktion kommt einer Verdoppelung der bestehenden Anzahl Spuren mit zugehöriger Einhausung gleich. Zudem sollen die Einhausungen in Zukunft auch die Brückenbereiche einschließen. Der voluminöse tiefliegende Baukörper stellt eine große städtebauliche Herausforderung dar. Die Bereiche unter- und oberhalb der neuen »Kiste« müssen sorgfältig gelöst werden, damit sie nicht zu einer Hypothek für die empfindliche Siedlungszone werden.

5 Grosshofbrücke mit verbesserter Lärmschutzkonstruktion aus dem Jahr 1999 © www.bing.maps.ch

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SYMPOSIUM

2 Wettbewerbsverfahren 2.1 Ausgangslage Die Lage der neuen Straßen- und Tunnelachsen wurde im Rahmen des generellen Projektes 2016 durch den Bundesrat genehmigt. Machbarkeitsstudien zu Brücken und Lärmschutzkonstruktionen belegten zwar die Machbarkeit, brachten jedoch keine umfassend befriedigende Lösung hervor. Angesichts der großen Bedeutung für die weitere Gebietsentwicklung wurde deshalb beschlossen, einen einstufigen Wettbewerb mit vorausgehender Präqualifikation auszuloben. Dadurch konnte sichergestellt werden, dass nur eine volkswirtschaftlich sinnvolle Zahl von Angeboten ausgearbeitet werden musste, diese dafür einen hohen Qualitätsstandard erfüllten. 2.2 Präqualifikation 13 Teams reichten Präqualifikationsanträge ein. Sie legten darin dar, dass sie die Kompetenzen Ingenieurbau, Architektur, Städtebau und Landschaftsplanung mit entsprechenden Schlüsselpersonen abdeckten. Sie zeigten anhand von Referenzprojekten auf, dass sie Infrastrukturbauten in ähnlich komplexen Situationen erstellt hatten, und zudem wurde die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nachgewiesen. Zum anstehenden Projekt durften in dieser Phase noch keine Ideen präsentiert werden: Verfahrensbezeichnung war deshalb »einstufig«. Den Bewerbern stand allerdings ein provisorisches Wettbewerbsprogramm zur Verfügung. In einer ersten Jurysitzung wurden durch das Preisgericht acht Teams ausgewählt, die für die Ausarbeitung eines Vorschlags eingeladen wurden.

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2.3 Aufgabenstellung Die Aufgabenstellung wird im Kapitel 7.1 detailliert beschrieben. Deshalb werden im Folgenden nur die Hauptfaktoren erwähnt: – Die Straßenachsen waren fest vorgegeben und durften nicht verändert werden. – Die Brückenkonstruktionen mussten innerhalb der vorgegebenen Grenze eingedeckt werden (Bild 11). – Das stark in Entwicklung begriffene Stadtrandgebiet sollte durch die neuen Baukörper inspiriert werden, städtebauliche Richtlinien dazu waren im Vorfeld erarbeitet worden. – Die bestehende sowie eine zusätzliche danebenliegende Brücke mit ähnlichen Ausmaßen sollten in Etappen erstellt bzw. ersetzt werden. 2.4 Kriterien Die Beurteilung erfolgte integral anhand der nachfolgenden Kriterien, die Reihenfolge hatte keine Bedeutung (keine Gewichtung). Die Jury wollte sich damit die Freiheit erhalten, die Projekte nach gesamtheitlichen Kriterien zu betrachten: Gesamtkonzeption – Zweckmäßigkeit und Klarheit des Lösungsvorschlags – Funktionalität und Benutzerfreund lichkeit – Städtebauliche Qualität – Flexibilität in der Bauausführung und Konstruktion – Zweckmäßigkeit des Tragwerks konzepts – Dauerhaftigkeit – Bauvorgang Gestaltung – Gestaltung der Bauwerke und der Freiräume im Betrachtungsperimeter – Integration der Bauwerke in den Landschafts- und Siedlungsraum Wirtschaftlichkeit – Baukosten – Erwartete Erhaltungs-, Unterhalts und Rückbaukosten

2.5 Preisgericht Das Preisgericht spiegelte die Kompetenzen wider, die von den Teilnehmerteams abzudecken waren: – Ingenieurwesen – Städtebau – Landschaftsplanung – Architektur – Technik 3 Wettbewerbsbeiträge 3.1 Überblick Alle acht Projekteingaben wurden nach einer formellen und technischen Vorprüfung zur Beurteilung zugelassen. Ein Projektteam hatte allerdings die Linienführung angepasst und wurde deshalb wegen Verletzung der Programmbestimmungen von der Rangierung ausgeschlossen. Wenn sich dies im Nachhinein als »genialer Schachzug« erwiesen hätte, wäre damit ein Ankauf möglich geblieben. Die Eingaben ließen sich grob einteilen in solche, die vorrangig zwei eingehauste Brücken vorschlugen, und solche, die den Städtebau in den Vordergrund stellten und die Verkehrsströme auf diesem Hintergrund bewältigten. Während der dritten Jurysitzung kristallisierten sich nach eingehender Prüfung drei Projekte für die engere Wahl heraus.


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3.2 Origami Das Projekt »Origami« funktioniert als Faltwerk und und inszeniert diese technische Eigenheit offen als technischästhetisch sehr transparentes Objekt im Stadtraum. Die Längstragelemente befinden sich in den Ebenen, die sich aus den vorgegebenen Fahrraumwänden automatisch ergeben. Das Dach wird verglast und ohne Begrünung ausgeführt. Die Stadtnutzungen unterqueren die Brückenkonstruktion fließend über die gesamte Länge des »Tatzelwurms«.

6 Auszüge aus »Origami« © Gruner Wepf AG/Nissen & Wenzlaff Architekten/Westpol Landschaftsarchitektur

3.3 Viva Das Projekt »Viva« erweist sich als Gegenpol zu dieser Interpretation und versteht sich als »Brückenhaus«. Der Erholungsraum vom Sonnenberg ergießt sich hier gleichsam in den »Stadtdschungel« hinunter: Das Dach wird als Park, Langsamverkehrsverbindung und sogar Naturschutzreservat genutzt (Reptilienkorridor). Der Raum zwischen den Brücken wird mit Liftschächten und Kletterwänden zur Vertikalverbindung. Die Längstragwerke werden in denselben Zwischenwänden untergebracht, wie dies bei Origami der Fall ist.

7 Auszüge aus »Viva« © ACS-Partner AG/Hager Partner AG/smarch – Mathys & Stücheli

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3.4 Parkour Das Projekt »Parkour« ist zwischen diesen beiden Extremen anzusiedeln. Hier wird die Tunnelstruktur ohne Fensteröffnungen, jedoch mit einer gebäudeartig gegliederten Fassadenhaut durch das Quartier geführt. Unter der Brücke werden Stadtnutzungen angeboten, auf dem Dach eine extensive Begrünung ohne öffentliche Nutzung. Das Tragwerk liegt unter der Fahrbahnplatte, die Einhausung wird in Elementbau daraufgestellt. Brückenspannweiten werden nur über der Luzernerstraße angeordnet. Im rückwärtigen Bereich gegen den Sonnenberg wird der bestehende Damm belassen, die Decken über den Erdgeschoßnutzungen werden mit hochbautypischen Spannweiten < 10 m eingedeckt. Dies ist offensichtlich ein sehr wirtschaftliches Projekt. 4 Auswahl und Begründung der Rangierung Bezüglich der Gesamtkonzeption markieren die Projekte »Origami« und »Viva« in mancherlei Hinsicht entgegengesetzte Interpretationen, während »Parkour« sich im Mittelfeld zwischen diesen bewegt. Origami arbeitet die zwei Brückenkörper fast chirurgisch heraus und minimiert sie auf das Wesentlichste: Fahrbahn, Einhausung und kürzestmögliche Portallage. Die »Hightech-Papierfalter-Skelette« ragen als Solitäre aus dem Sonnenberg und wirken so leicht wie auch distanziert. Eine Grünverbindung über die Dachfläche bleibt aus. Im krassen Gegensatz dazu erscheint Viva geradezu als Bergsturzkegel, der sich ins flache Vorland ergießt und die Autobahn so weit einschüttet, wie das nur möglich ist. Der Dachpark wird zumindest aus der Draufschau zum prägenden Element. Die ökologische wie langsam-verkehrstechnische Verbindung zwischen den »Stadtufern« wird ohne Abstriche realisiert. Vertikalverbindungen zwischen Stadtund Dachebene vervollständigen dieses Lebens-»Labyrinth«. Mit Parkour manifestiert sich das »vernünftige« Mittelmaß. Alle gestellten Anforderungen werden elegant erfüllt. Das Dach ist begrünt, und mit der diagonal geschnittenen Portallage einschließlich »Dächlichappe« wird ohne maximale Länge ein guter zusätzlicher Lärmschutz erzielt. Wer trotzdem über die Dachfläche oder die Fassaden von A nach B gelangen will, muss ein gewiefter Parcoursläufer sein …

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8 Auszüge aus »Parkour« © Bänziger Partner AG/B+S AG/Eduard Imhof/Lorenz Eugster

Allen drei Eingaben können Zweckmäßigkeit und große Klarheit im je eigenen Lösungsvorschlag attestiert werden. Betreffend Funktionalität fehlt Origami die ökologische Vernetzung über die Dachebene, während Viva mit Spazierwegen, Langsamverkehrsbrücken, Liften und Glasüberdachungen weit über die Minimalforderungen gemäß Wettbewerbsprogramm hinausgeht. Die Benutzerfreundlichkeit im Fahrraum der Nationalstraße wird bei Origami aufgrund der horizontalen und vertikalen gerasterten Verglasung eingeschränkt. In viel geringerem Ausmaß gilt dies auch für Viva (Ein- und Ausfahrtspur). Das Bauwerk von Parkour ist komplett verkleidet und lässt kein Tageslicht in die Überdeckung eindringen. Die Lichtführung für den Verkehrsteilnehmer kann hier nach den gängigen Normen analog einem Tunnelbauwerk umgesetzt werden.

Aufgrund der erwähnten Kriterien empfahl das Preisgericht das Projekt »Viva« zur Weiterbearbeitung. Dieser Vorschlag lanciert das »Brückenhaus« gemäß eigenen Worten als angemessenes Vis-à-vis für die künftig angrenzenden Bebauungen. Belebt wird das »Gebäude« auf allen drei Ebenen: Neben den Verkehrsströmen auf den drei Etagen wird durch den vorgeschlagenen Lift eine wirkungsvolle Vertikalverlinkung erzielt. Auch die benachbarte Kletterwand nutzt das Potential der neuen »Gebäudehöhe« clever aus. Auf der Stadtebene sollen im Einklang mit der Entwicklung der Umgebung Gewerbe- und Freizeitangebote entstehen.


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5 Stand der Arbeiten und Kosten Die Projektierung hat begonnen. Das politische Element ist damit aber nicht aus dem Spiel. Straßenbau im 21. Jahrhundert ist die Operation am offenen Herz. Während die Ingenieure am »Millimetern« sind, geht die Öffentlichkeitsarbeit weiter. Bund und Kanton stehen hinter dem Vorhaben. Die betroffenen Gemeinden sind in der Opposition. Sie möchten die 3 km lange Autobahn über das gesamte Gemeindegebiet eingedeckt sehen. Das Bundesamt für Strassen als Treuhänder aller Autobahnanrainer muss aber das Geld gerecht verteilen. Alle Autobahnen in den Untergrund verbannen – das kann sich nicht mal die Schweiz leisten. Die vorliegenden Kostenschätzungen zeigen auf, dass Mehrkosten in der Größenordnung von 20 % oder 15 Mio. CHF in Kauf genommen wurden, um die negativen Auswirkungen auf das Umfeld zu minimieren. So viel weniger hätte das günstigste Projekt gekostet. Dieses hätte die lärmrechtlichen Anforderungen auch schon übertroffen. 6 Überlegungen des Projektverfassers 6.1 Auftragsanalyse 6.1.1 Grundgedanken Die neue Konstruktion soll nicht aus wirtschaftlichen Gründen auf ein Minimum beschränkt werden. Vielmehr versuchte das Projektteam die bestmögliche Lösung für eine optimale Eingliederung in die bestehende städtebauliche Landschaft zu finden. Überdies soll die Brücke als zentraler Bestandteil des zukünftigen Entwicklungsgebietes Luzern Süd auch als dessen Katalysator fungieren. Die gestalterische Integration der Anlage in die Umgebung wurde als zentraler Teil der Aufgabe gesehen. Einerseits galt es, die großen Bereiche unterhalb der Brückenkörper so attraktiv wie möglich zu gestalten: Licht, Freiräume, soziale Sicherheit. Andererseits waren auch die beidseitigen Ansichten, die Eingliederung mit Areal Eichof West und die Funktion »›Eingangstor«› Kriens, sowie die Draufsicht aus den Perspektiven des Sonnenbergquartiers von großer Bedeutung. Da insbesondere in der Gemeinde Kriens die politische Akzeptanz für das Projekt nicht sehr hoch ist, soll diese durch eine möglichst lange Portalzone sowie mit einer größtmöglichen Nutzung unter und auf der Brücke gesteigert werden.

9 Umfeld des Projekts © ACS-Partner AG/Hager Partner AG/smarch – Mathys & Stücheli

Die Hauptziele sind daraus: – Neubau der beiden Brücken für eine bessere städtebauliche Integration, – möglichst große Verlängerung der Portalbauwerke für maximalen Lärmschutz,

– Nutzung der Dachfläche: Ausbildung eines Dachparks mit Wegvernetzungen, – städtische Nutzung der Flächen unter der Brücke.

10 Entwicklungskonzept für Luzern Süd © Ernst Niklaus Fausch Partner AG

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11 Projektperimeter mit Grenzen der Eindeckung © ACS-Partner AG/Hager Partner AG/smarch – Mathys & Stücheli

6.1.2 Geometrische Randbedingungen Die Straßenachsen, vertikal wie auch horizontal, sind gemäß generellem Projekt vorgegeben und müssen übernommen werden. Damit waren auch die Fahrspuren und die entsprechenden Lichtraumprofile der verschiedenen Verkehrsträger fixiert. Die lichte Höhe der Autobahnspuren beträgt minimal 5,20 m. Unter der Brücke gelten für die Luzernerstraße minimal 5,00 m Lichtraumhöhe und für die Langsägestraße 4,60 m. Daraus resultierte einerseits eine sehr breite und gleichzeitig tief über den bestehenden querenden Straßen liegende Fahrbahnkonstruktion. Um Strömungskurzschlüsse zu vermeiden, sind verschiedene raumhohe Trenn-

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wände zwischen den Fahrspuren vorgegeben. Zudem führt eine Antirezirkulationswand zwischen den Fahrbahnen 30 m über das südliche Portal hinaus. Im Anschluss an das Portalbauwerk müssen die Lärmschutzwände weitergeführt werden. 6.1.3 Verkehrstechnische Bedingungen Die übergeordnete Bauphasenplanung des Tunnelsystem Bypass war als Rahmenbedingung einzuhalten. Damit sind stets zwei Fahrspuren pro Richtung sowie die Ein- und Ausfahrten zu gewährleisten. Unter der Brücke sind zudem keine Spureinschränkungen zugelassen. Die Spuren dürfen aber umgelegt werden. Unterhaltsarbeiten, Teilsperrungen oder Instandsetzungen sollen in Zukunft unter

12 Lichtraumhöhen als Vorgaben © ACS-Partner AG/Hager Partner AG/smarch – Mathys & Stücheli

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Aufrechterhaltung der Verkehrsströme möglich sein, sowohl aus dem Stadttunnel als auch aus dem Bypass heraus. Allfällige Verschwenkungen müssen im Bereich der südlichen Lärmschutzkonstruktionen erfolgen. Im Bereich der Brücken müssen zu allen Zeiten 75% der Spuren zumindest verengt unter Betrieb erhalten werden können. 6.1.4 Allgemeine Anforderungen Weiter sind übliche Anforderungen gestellt. So wird ein dauerhaftes und wartungsarmes Bauwerk angestrebt. Die Kontrollierbarkeit und Auswechselbarkeit der Verschleißteile wie Lager oder Fahrbahnübergänge müssen gewährleistet sein.


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13 Brückenquerschnitt © ACS-Partner AG/Hager Partner AG/smarch – Mathys & Stücheli

6.2 Gesamtkonzept des Entwurfs 6.2.1 Tragwerkskonzept Da die Einhausungen die Lichtraumprofile umhüllen müssen, entstehen beinahe 14 m hohe Bauwerke. Statt die Einhausungen auf die Brückenkonstruktionen zu stellen, ist es sinnvoller, die ohnehin notwendige Hülle gleich als Tragwerk auszubilden, welches dank seiner Höhe große Spannweiten überbrücken kann. Die Anzahl der notwendigen Stützen kann somit gegenüber der heutigen Situation reduziert werden. Der Querschnitt veranschaulicht das Prinzip der Veschmelzung von Tragwerk und Hülle, siehe Bild 14. Auf dem Autobahnniveau bilden drei Wandscheiben pro Brücke die vertikalen seitlichen Begrenzungen der beiden Raumhüllen. Die jeweils ganz außenliegenden Wandscheiben ähneln einem Fachwerkträger. Die Streben sind schief angeordnet, und jede zweite Öffnung ist als Betonwandscheibe konzipiert. Bei den offenen Bereichen ist eine Verglasung vorgesehen, die den Straßenraum akustisch schließt. Die Stützen sind V-förmig und setzen die Diagonalneigung der Außenwände fort. Zwischen die »Ober- und Untergurte« der Scheiben sind in 2,70 m Abstand (Fahrbahn) respektive 4,00 m (Decke) Querrippen gespannt, die Fahrbahn und Decke tragen. Die Untergurte bei den außenliegenden Scheiben werden auf der Innenseite als Leitmauer ausgebildet. Dank der großen Spannweiten, die Scheiben dieser Höhe bewältigen können, kann die Gesamtlänge in wenige Felder unterteilt werden. Es bleiben noch zwei Pfeilerachsen im Bereich der bestehenden Brücke. Sie zeigen ein charakteristisches Erscheinungsbild, das den Ort positiv bestimmt und ihm ein unverwechselbares Gepräge verleiht und somit auch die städtebauliche Aufgabe erfüllt.

6.2.2 Einbettung in die Umgebung Das neue Brückenbauwerk umfasst mit den neun Spuren eine Ausdehnung, die einer sorgfältigen Einbettung in die bestehende Siedlungslandschaft bedarf. Die neue Brücke wächst wie ein Gebäude gleichsam aus dem Sonnenberghang heraus, überspannt die Luzernerstraße und wird auf der gegenüberliegenden Seite durch den größer gestalteten »Salesiahügel« der Autobahnzufahrt aufgefangen und in die südlich folgende Tallandschaft geführt. So entsteht eine Torsituation zwischen Sonnenberg und dem erweiterten »Salesiahügel«. Für die Geländeanpassungen kann durch den Tunnelbau anfallendes Aushubmaterial wiederverwertet werden. Die Promenade findet ihre Fortsetzung unter der Brücke mit einer dreidimensionalen Spiellandschaft. Zwischen der Brücke und den neuen Bauten auf dem Eichhof- bzw. Herzog-Elmiger-Areal vermitteln luftige Baumreihen, zum Beispiel Kiefern, welche zunächst ein Gegenüber und später, wenn die Gebäude stehen, eine städtische Atmosphäre bewirken.

6.2.3 Gestaltung Das Infrastrukturbauwerk soll als solches gelesen werden können und darüber hinaus differenziert auf die städtebaulichen Gegebenheiten reagieren: Damm – Landschaft (1), Brücke – Straße (2) sowie »Brückenhaus« – Stadtquartiere (3) bilden dabei die drei unterschiedlichen Paare. Ein durchgehendes, in regelmäßigen Abständen angeordnetes, V-förmiges und über die ganze Bauwerkshöhe gehendes Gestaltungsprinzip erzeugt als Ausgangslage ein zusammenhängendes Ganzes. Die Ausschnitte bei den Durchfahrten bilden großmaßstäbliche Ausnahmen für die Straßen. Das verglaste Erdgeschoß im Bereich der geschlossenen Nutzungen impliziert eine klassische Brückenbauwerksnutzung im urbanen Kontext, welche ein selbstverständlicher Teil der Quartierstruktur wird. Im Gegensatz dazu wird die Portalsituation nicht inszeniert, sondern integrierter Teil der naturnahen Landschaft, die im Wechselspiel mit den Straßenschlaufen steht.

14 Städtebauliche Gegebenheiten und Brückenhaus © ACS-Partner AG/Hager Partner AG/smarch – Mathys & Stücheli

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SYMPOSIUM 7 Bauwerksbeschreibung 7.1 Gestaltung und Nutzung Die Überdeckung soll als eine überdeckte begehbare Landschaft genutzt werden. Der begrünte und von einem Wegnetz durchzogene Raum ist am Sonnenberg angebunden, wird mit Rampen an den Amstutzweg und mit Treppenanlagen an die Ebene unter der Brücke angeschlossen. Die untere Stadtebene ist mit einem Lift verbunden. Auf der Südseite begrenzen die Portale den Landschaftsgarten. Die Wege bewegen sich in eine seitlich angeformte Grüninsel mit eingebauter Straßenabwasser-Behandlungsanlage. Hier schließen sie an die Luzernerstraße und mit einer zusätzlichen Fuß- und Radwegbrücke über die Eichwilstraße an die südlichen Quartiere an.

15 Modellfoto © Feddersen & Klostermann AG

16 Ausbildung eines Dachparkes © ACS-Partner AG/Hager Partner AG/smarch – Mathys & Stücheli

Die Brücken überspannen im Gegensatz zur heutigen Anlage den Raum von der Hangkante am Sonnenberg bis zum Widerlager südlich der Luzernerstraße. Damit wird darunter ein Angebot für großzügig ausbaubare Nutzungen geschaffen. Im Brückenhaus vorgesehen sind quartiernahe Ergänzungsnutzungen entlang den Rändern des Infrastrukturbauwerkes sowie Freizeitnutzungen von regionaler Bedeutung im großräumigen und zenitalen belichteten Innenbereich. Die Aneignung des Brückenhauses kann in zeitlich unabhängigen Ausbaustufen erfolgen. Fix sind die Fassade und die Rohbauinstallation im Sinne eines Edelrohbaus.

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Der Kletterpark im Innern passt insofern zum Ort, als die Brücke an sich für Verbindung und Bewegung steht. Jener sportliche Aspekt zeigt sich auch in der Ausnutzung oder der Vorstellung eines Veloladens, der den Ort stimmig belegen könnte. Reflektierende Decke, Oberlicht und Beleuchtungselemente schaffen Reflexionen und Lichteffekte, die für eine helle, durchlässige, offene und angenehme Atmosphäre im Bereich zwischen Luzernerstraße und Langsägestraße sorgen.

7.2 Tragwerk Das Gesamtbauwerk Brücke mit Lärmschutzbauwerk weist eine Länge von ca. 305 m und eine Breite bis 65 m auf. Die beiden Brücken sind bis zum südlichen Widerlager statisch getrennt, aber konstruktiv verbunden; lediglich die Verlängerung der Einhausung (Lärmschutzbauwerk) umfasst alle Spuren und überdeckt diese unterschiedlich weit. Die Brücken selbst sind 208 m und das Lärmschutzbauwerk ist 97 m lang. Die beiden Brücken West und Ost sind ähnlich konzipiert. Der Brückenquerschnitt ist ein großformatiger dreistegiger Kastenquerschnitt. Die Tragelemente umreißen die Lichtraumprofile dabei möglichst knapp (Bild 12). Das eigentliche Tragsystem besteht primär aus Durchlaufträgern, welche durch die Wandscheiben gebildet werden. So bilden die Fahrbahn- und Deckenplatte das Tragsystem in Querrichtung. Für diese beiden Elemente sind vorgespannte Rippenplatten als Zweifeldträger vorgesehen, welche die Lasten der entsprechenden Flächen (Dach und Verkehrsfläche) mit Spannweiten von jeweils ca. 15–19 m bzw. 10–11 m quer abtragen. Als Auflager dienen die drei längslaufenden Wandscheiben, welche als flächige Scheiben mit einer Dicke von 70 cm vorgesehen sind. Eine Ausnahme bildet die eine von außen sichtbare Wand. Diese erhält aus ästhetischen Gründen eine besondere Formgebung und wirkt statisch als Scheibe mit großen Öffnungen. Die hohen Scheiben sind in der Lage, große Spannweiten zu überwinden, womit nur wenige Stützen notwendig sind.


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17 Nutzungsmöglichkeiten auf Stadtebene © ACS-Partner AG/Hager Partner AG/smarch – Mathys & Stücheli

Durch die Anordnung von V-förmigen Stützen ergibt sich ein Durchlaufträger der Außenscheibe mit Spannweiten von 48 m + 16 m + 32 m + 5 x 16 m respektive von 48 m + 16 m + 32 m + 4 x 16 m für die Westbrücke. Die Spannweiten der innenliegenden Träger – dort, wo gegenüber der Außenseite Stützen weggelassen wurden – sind 48 m + 48 m + 32 m + 32 m + 16 m respektive 48 m + 48 m + 32 m + 32 m + 0 m für die Westbrücke. Die statische Höhe der Fachwerkträger beträgt ca. 6,50 m. Es ergibt sich daraus eine Schlankheit von ca. l/h ≈ 7,40. Die Vorspannung der Tragscheiben ist so konzipiert, dass unter ständigen Lasten keine Zugspannungen auftreten. Damit ist die Tragsicherheit in allen Querschnitten mit einer vernünftigen schlaffen Bewehrung erfüllt. Die Formen sind so gewählt, dass sie einfach herstellbar sind, was eine gute Betonqualität erwarten lässt. Alle Bauteile sind gut einseh- und kontrollierbar. Die Zugänglichkeit zu allen Tragelementen ist gegeben.

18 Visualisierung der Stadtebene © ACS-Partner AG/Hager Partner AG/smarch – Mathys & Stücheli

7.3.2 Materialisierung Die Materialpalette des Bauwerkes wird zugunsten eines einprägsamen Erscheinungsbildes knapp gehalten. Für die Hülle des Brückenträgers und der Widerlager wird ausschließlich Sichtbeton verwendet. 7.3.3 Fundation Die hohen Brückenlasten werden über Ortbeton-Bohrpfähle mit einem Durchmesser von 1,50 m in den Untergrund eingeleitet. Die Tieffundation erlaubt, wenig tiefe Baugruben zu erstellen und große Lasten direkt in den Untergrund zu leiten. Die V-Stielstützen stehen auf 1–4 Pfählen, je nach Lastgröße. Die Pfähle werden in die tiefliegende untere Südwassermolasse (Wechsellagerung aus Sandsteinbänken und Silt-, Schlammund Sandsteinen), welche in 25–40 m anzutreffen ist, eingebunden.

7.3.4 Lager und Fahrbahnübergang Das Lagerungskonzept sieht vor, dass die Brücke am nördlichen Widerlager gehalten wird. Die ersten zwei V-Stützen werden monolithisch mit dem Fundament verbunden. Unter den übrigen V-Stützen und auf dem Widerlager Süd wird die Brücke in Längsrichtung verschieblich gelagert. Damit werden möglichst viele bewegliche Teile eliminiert. Die Lager im Bereich der Stützen unter den vollen Wandscheiben sind in Brückenquerrichtung unverschieblich, um die Kräfte infolge Wind und Erdbeben über ein Stützenpaar abzutragen. Die dabei entstehenden Zwängungsschnittkräfte können aufgenommen werden. Es sind Kalottenlager vorgesehen, welche eine hohe Lebensdauer aufweisen. Die Längsverschiebungen aus Temperatur, Schwinden und Kriechen werden auf der Seite Süd durch einen Finger-Fugenübergang aufgenommen.

7.3 Konstruktion und Materialisierung 7.3.1 Grundsätze der konstruktiven Ausbildung Die Querschnittsausbildung berücksichtigt alle Grundsätze des modernen Betonbaus, indem die Anforderungen für eine wirtschaftliche und qualitativ hochstehende Ausführung wie auch der Dauerhaftigkeit erfüllt werden.

19 Tragwerks- und Lagerungskonzept © ACS-Partner AG/Hager Partner AG/smarch – Mathys & Stücheli

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20 Betriebszustände aus übergeordneten Verkehrsführungen © Bundesamt für Strassen ASTRA

7.3.5 Widerlager Der Überbau geht beim Widerlager Nord nahtlos in den Tagbautunnel über und ist dort somit gehalten. An der Stelle befindet sich der Bewegungsfixpunkt der Brücke. Das Widerlager Süd weist eine nach hinten schiefe Widerlagerwand auf. Die Neigung entspricht derjenigen der V-Stützen, welche der Wand vorgelagert sind. Die Lager des Überbaus sind analog den Pfeilern unten am V angeordnet. Eine Widerlagerkammer gewährleistet die Zugänglichkeit der Fahrbahnübergänge. Das anfallende Wasser wird unter dem Fahrbahnübergang über eine Rinne kontrolliert abgeleitet. 7.3.6 Brückenentwässerung Die Entwässerung erfolgt separat pro Fahrraumkammer. Es sind Schlitzrinnen im Bankett vorgesehen. Unterhalb der Fahrbahnplatte ist jeweils eine Sammelleitung angeordnet.

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7.4 Bauvorgang Der Umstand der Quasiverdoppelung der Portal- und Brückenkapazitäten erlaubt den vorgängigen Neubau der Grosshofbrücke West zusammen mit den Tunnelröhren des Bypasses. Nach der Umlegung der gesamten Verkehrsströme auf die neuen Achsen kann die alte Brücke ersetzt werden. Zwischen dem Ist- und dem Endzustand sind die in Bild 20 dargestellten relevanten Situationen zu bewältigen.

8 Schluss Das Projekt ist technisch und urbanistisch anspruchsvoll. Alle Designentscheidungen müssen vor dem Hintergrund sämtlicher Anforderungen gesehen werden. Es gibt damit aus der Sicht der Bauingenieure und Betreiber auch Wermutstropfen: – Lager am Fuß von Dreieckstützen, – bauphysikalische und inspektionstechnische Einschränkung an der Schnittstelle Ladengeschosse– Brückenstruktur, – Abdichtungsherausforderungen an der Schnittstelle Parklandschaft–Brückenstruktur. 3 km Autobahn auf der grünen Wiese – grüne Parteien gab es noch nicht – das war anspruchsvoll. 300 m heute sind anspruchsvoller. Wie auch immer, um der Gesellschaft zu helfen, gilt weiterhin: Dem Ingeniör ist nichts zu schwör. Weitere Informationen sind im Übrigen unter www.bypasslu.ch zu finden. Autoren: Guido Biaggio, dipl. Bauing. ETH Vizedirektor Abteilungschef Strasseninfrastruktur Ost Bundesamt für Strassen ASTRA, Zürich Rainer Hohermuth, dipl. Bauing. ETH SIA Mitglied der Geschäftsleitung von ACS-Partner Projektleiter Grossbrücken ACS-Partner AG, Zürich


SYMPOSIUM

LE PONT

BRÜCKEN

CONSTRUCTION & ENGINEERING

Zum ersten deutsch-französischem Symposium

BRÜCKENBAU CONSTRUCTION & ENGINEERING laden wir nach Luxembourg ein. Termin: 5. + 6. Juni 2018 Unser Partner in Frankreich veranstaltet seit vielen Jahren das Symposium »Le Pont« in Toulouse. Wir erhoffen uns von dieser Partnerschaft für Teilnehmer und Referenten die Vermittlung neuer Erkenntnisse, Verfahren und Vorgaben. Dass die Gelegenheiten zum Netzwerken, ein ganz wesentlicher Faktor, dabei nicht zu kurz kommen werden, betonen wir besonders. Wir sind sicher, unsere Gespräche mit der Universität Esch-sur-Alzette, den Campus betreffend, in Kürze mit einem positiven Ergebnis abschließen zu können – um dann über nähere Details wie Tagungsort, Kosten und Schwerpunktthemen zu verfügen. Gerne informieren wir Sie, wenn Sie, wie gewohnt, unter office@verlagsgruppewiederspahn.de die Unterlagen anfordern. Unter www.symposium-brueckenbau.de stellen wir ab März 2018 das vorläufige Programm mit Angabe der Anmeldekonditionen usw. zum Abruf bereit.

Weitere Informationen und Anmeldung

VERLAGSGRUPPE W I E D E R Smit MixedMedia P A Konzepts HN

Biebricher Allee 11 b 65187 Wiesbaden Tel.: +49/611/98 12 920 Fax: +49/611/80 12 52 kontakt@verlagsgruppewiederspahn.de www.verlagsgruppewiederspahn.de www.mixedmedia-konzepts.de www.symposium-brueckenbau.de .

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SYMPOSIUM Qualitätssicherung bei knapp bemessenem Budget

Planung und Umsetzung der Mersey Gateway von Bart Halaczek

Mersey Gateway ist ein zentrales Verkehrsinfrastrukturprojekt im Norden Englands, nahe der Stadt Liverpool gelegen. Seit ihrer Eröffnung im Oktober 2017 schließt die Mersey Gateway eine große Lücke im Autobahnnetz: Das umfangreiche Vorhaben im Zuge der Strecke von Runcorn nach Widnes umfasst 9,50 km teilweise neu gebauter Autobahn inklusive mehrerer Anschluss- und Überführungsbauwerke. Das Projekt soll als Bypassroute auf lokaler Ebene die bestehende Silver Jubilee Bridge, eine Stahlbogenstruktur aus den 1960er Jahren, entlasten. Überregional bildet die sechsspurige Autobahnspange eine neue Nord-Süd-Verbindung in einem strategisch sensiblen Transitareal, das in naher Zukunft bis zu 450.000 Kfz/d passieren werden. Nachfolgend wird nun insbesondere die Frage der gestalterischen Qualitätssicherung des Gesamtkonzeptes bei knapp bemessenem Budget thematisiert. 1 Einleitung Das Herzstück des Projekts ist die 2,20 km lange Querung des Flusses Mersey, eines 1.000 m breiten Ästuars in einem landschaftlich geschützten Areal. Bei dem Querungsbauwerk selbst handelt es sich um ein Schrägseilsystem mit drei mittig positionierten Pylonen und einem Überbau aus Spannbeton. Die Spannweiten zwischen den Pylonen betragen 294 m und 318 m, während die Endträger Längen von 205 m erreichen. Die Pylone sind als Monotürme aus Beton ausgebildet und in ihren Höhen gestaffelt: Die äußeren Pylone haben Höhen von 122 m und 108 m, während der mittlere Pylon mit 75 m ca. 30 % niedriger ist. Die bekannte Problematik der Steifigkeit von DreiPylon-Systemen bei asymmetrischen Lasten führte dazu, dass der mittlere Pylon kürzer gehalten wurde.

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1 Geographische Lage des Projekts © Knight Architects

Die Differenz der Höhen der zwei äußeren Türme ist darin begründet, dass der zu querende Schifffahrtsweg nicht, wie sonst üblich, in Flussmitte verläuft, denn der Fluss selbst ist nicht schiffbar.

2 Layout des Fernstraßennetzes © Knight Architects

Stattdessen befindet sich am südlichen Ufer der »Manchester Ship Canal«, dessen Lichtraumprofil den Gradientenstich am südlichen Widerlager der Brücke definiert.


SYMPOSIUM

3 Fertiggestellte Mersey Gateway Bridge bei Dunkelheit © James Newton

Die Drei-Pylon-Lösung wurde aus mehreren Gründen gewählt. Zum einen liegt die Brücke in der Einflugschneise des John Lennon Flughafens von Liverpool, was eine Pylonhöhe von maximal 150 m vorgab. Wirtschaftliche Betrachtungen favorisierten ebenfalls eine Drei-PylonLösung, da so die Hauptspannweiten auf 300 m begrenzt werden konnten. Der dritte Grund wurde sehr früh vom Bauherrn vorgegeben, nämlich dass die Brücke in ihrem landschaftlich geschützten Umfeld nicht zu dominant erscheinen durfte. 2 Vorentwurf Die Gemeinde Halton Borough Council (HBC) führte bereits in den 1990er Jahren erste Machbarkeitsstudien durch, als klar wurde, dass die bestehende Silver Jubilee Bridge dem prognostizierten Verkehrsaufkommen nicht gewachsen sein würde. Ferner war war eine fünfte Querung des ca. 1.000 m breiten Flusses für die regionale Entwicklung dringend notwendig. Projekte dieser Größenordnung hatten in der Vergangenheit aber zu sehr viel Unmut unter den Anliegern geführt, da ihr Erfolg sehr oft allein am Preis gemessen wurde, während weichere Faktoren wie Qualität, Dauerhaftigkeit und städtebauliche Integration häufig zur Randnotiz

verkamen. Die langfristigen Effekte dieser Niedrigpreispolitik äußerten sich sowohl wirtschaftlich in wiederkehrenden Ausbesserungsarbeiten als auch ästhetisch in dem wenig ruhmreichen Gesamtbild der Bauwerke. Aus diesem Grund verabschiedete der Bauherr mehrere bindende raumplanerische Regelwerke, sogenannte Planning Policy Statements, deren Ziel es war, die regionale Entwicklung zu fördern, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Wirtschaft, sondern auch in den Bereichen Nachhaltigkeit, Ressourcenschutz, soziale Inklusion und Landschaftsschutz. Hierbei lautete die Vorgabe des »Planning Policy Statement 1«: Die Gemeinden sollen »wirtschaftliche Entwicklung hinsichtlich besserer Lebensstandards fördern unter besonderem Augenmerk auf die Erhaltung und Verbesserung der Umwelt und deren Erhaltung für zukünftige Generationen«. Der Leitsatz dabei war, dass »gutes Design das oberste Ziel der Entwickler sein sollte, denn nur, wenn das Projekt auf seine Umgebung eingeht, wird es von deren Anwohnern akzeptiert und begrüßt werden. So wird langfristig auch die lokale Wirtschaft gefördert.« Das erste transformative Projekt, das unter diese Kategorie fiel, war die Mersey Gateway.

Nach dem Abschluss der Machbarkeitsstudien und dem Festlegen einer Route für den neuen Korridor wurde ein Team von Spezialisten mit der Entwicklung des Vorentwurfs beauftragt. Hierbei war Gifford (heute Ramboll) das leitende Ingenieurbüro, während Knight Architects Konzepte für die architektonische Einbindung des Korridors in sein Umfeld untersuchten. Neben großmaßstäblichen Fragen, wie dem generellen Routenverlauf und dessen Einfluss auf die angrenzende Nachbarschaft, lag die Kernaufgabe in einer möglichst transparenten Gestaltung des Brückenbauwerkes selbst. Das Hauptaugenmerk richtete sich dabei auf die Punkte Pylon, Seile, Überbau und Vorlandbrücken. Es wurden dazu umfangreiche Studien in Form von Zeichnungen, Visualisierungen und Modellen durchgeführt, mit dem Ergebnis einer Lösung in Gestalt von drei Monotürmen und einem mittig platzierten Deck, gehalten in einer einzelnen Seilebene in Harfenanordnung. Eine solche Anordnung erlaubte die Maximierung der Transparenz, und der pastellgrüne Anstrich der Kabelhülsen in RAL 6019 fügt das Bauwerk unaufdringlich in die umgebende Landschaft ein. Der so entwickelte Referenzentwurf wurde in dieser Form für die Genehmigungsplanung eingereicht.

4 Ansicht aus der Entwurfsphase © Knight Architects

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SYMPOSIUM

5 Geplante Schrägseilbrücke und bestehende Silver Jubilee Bridge © Knight Architects

3 Public Consultation Neben den üblichen Vorgehensweisen zur Genehmigung eines Projektes dieser Größenordnung sollten hier zwei Verfahren besonders hervorgehoben werden: zum einen das CABE Design Review Panel durch eine unabhängige, interdisziplinäre Kommission, welche die Qualität großer Infrastrukturvorhaben beurteilt und Empfehlungen für deren Weiterbearbeitung ausspricht oder auf Unzulänglichkeiten hinweist. Eine erfolgreiche Beurteilung im Jahr 2008 ebnete den Weg zu dem zweiten wichtigen Genehmigungsschritt, nämlich dem öffentlichen Einspruchsverfahren, welches 2009 erfolgreich beendet wurde. Ziel beider Verfahren war es, den gesellschaftlichen Mehrwert des Vorhabens für die lokale Bevölkerung zu beurteilen sowie sicherzugehen, dass die Interessen der Anwohner genügend Berücksichtigung finden, und sich dies auch bestätigen zu lassen. Hierzu waren ein stimmiges Konzept und eine klare und durchdachte Präsentation des Entwurfs mit all seinen Besonderheiten essentiell, da eine Opposition der Anwohner durchaus in der Lage gewesen wäre, das Projekt signifikant zu bremsen. 2010 wurde Mersey Gateway vom Secretary of State formell genehmigt.

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4 Ausschreibung Projekte dieser Größenordnung tragen beträchtliche finanzielle Risiken in sich, welche der Bauherr allein oft nicht abdecken kann. Deswegen wählt er oft die Form eines Design-and-Build-Projekts oder bildet eine Public Private Partnership (PPP). In beiden Fällen gibt der Bauherr einen Großteil der Projektkontrolle an die Autragnehmer ab und hat nachträglich wenig Spielraum, bei der weiteren Umsetzung korrigierend einzugreifen. Das hat zwar den Vorteil, dass die Gemeinde Geld einsparen kann, resultiert aber häufig in einer Lösung, die technisch zwar funktioniert, aber nur entfernt an das Konzept erinnert, das von der Öffentlichkeit genehmigt wurde. Angesichts der negativen Erfahrungen, die bei früheren Vorhaben dieser Größenordnung gemacht wurden, war HBC bestrebt, das Projekt in bestmöglicher Qualität umzusetzen. Allerdings war die finanzielle Situation der Kommunen wesentlich schlechter als vor der Bankenkrise im Jahr 2008, und potentielle Einsparmöglichkeiten waren deshalb dringend zu suchen. Als Lösung für das Dilemma entschied sich HBC für ein Verfahren namens »Competitive Dialogue«, das auf dem PPP-Modell basiert.

5 Competitive Dialogue Beim Competitive Dialogue wird der bestehende Entwurf vor Beginn der Ausschreibung auf potentielle Einsparmöglichkeiten geprüft. Gleichzeitig wird die Planung in harte und weiche Komponenten aufgeteilt: Erstere stellen sicher, dass der Entwurfsrahmen und die Qualitätsansprüche in den sensiblen Bereichen eingehalten werden, Letztere erlauben den Bietern größere Flexibilität in Bereichen, die weniger Einfluss auf das Gesamtbild haben. Darauf aufbauend werden Ausschreibungsunterlagen mit teilweise präskriptivem und teilweise deskriptivem Charakter erstellt und an mehrere vorausgewählte Bietergemeinschaften versandt. Dem folgt eine mehrere Jahre dauernde Dialogphase, in der jeder Bieter einen Sondervorschlag unter permanenter Abstimmung mit dem Bauherrn und seinen Planungsteams erarbeiten soll. Die Bietergemeinschaften können so ihre Expertise mit einbringen, während der Bauherr am Ende einen Entwurf bekommt, der sowohl hinsichtlich des Preises als auch der Qualität überzeugend ist.


SYMPOSIUM

Das »Design and Access Statement« wurde als rechtlich bindendes Dokument für das Verhandlungsverfahren eingeführt und im späteren Bauablauf von der MCGB zur Kontrolle und Klärung von Fragen intensiv verwendet.

6 Mersey Gateway Bridge (noch) als Visualisierung © Knight Architects

Im Fall der Mersey Gateway erfolgte der Prozess in mehreren Schritten. Zuerst etablierte der Bauherr HBC eine Dachgesellschaft, die Mersey Gateway Crossings Board (MGCB), eine interdisziplinäre Organisation, deren Aufgabe es war, die Ausschreibung zu übernehmen und die Bauausführung auf Übereinstimmung mit der Planung zu überwachen. Die Dachgesellschaft gliederte sich in eine geschäftliche und eine technische Abteilung. Letztere verpflichtete die an der Entwurfsplanung beteiligten Unternehmen, unter anderem Ramboll sowie Knight Architects. Die Dachgesellschaft erarbeitete die Ausschreibungsunterlagen und lobte das Verhandlungsverfahren mit einer vorgeschalteten Bewerbungsstufe aus. Drei Teams qualifizierten sich für die Verhandlungsstufe, welche im Zeitraum zwischen 2011 und 2014 stattfand. Der Zuschlag ging dann im Sommer 2014 an das Merseylink Konsortium, bestehend aus den Firmen Cowi, Fhecor und Dissing+ Weitling als Design Joint Venture (DJV) sowie Kier, FCC und Samsung als Cooperate Joint Venture (CJV). 6 Design and Access Statement Dreh- und Angelpunkt des Dialogverfahrens war ein deskriptives Planungsdokument mit der Bezeichnung »Design and Access Statement« oder DAS. Dieses Dokument wird üblicherweise bei Genehmigungsplanungen an die Behörden mit den Entwurfsplänen übergeben und klärt architektonisch wichtige Punkte, wie übergeordnetes Konzept, Einbindung in die Landschaft, gesellschaftlicher Mehrwert etc. Im Fall der Mersey Gateway wurde das Dokument gezielt so erstellt, um möglichst große Spielräume für den Entwurf des Bauwerkes zu belassen, aber gleichzeitig sicherzugehen, dass Qualität und architektonische Leitelemente nicht verwässert werden.

So konnten beispielsweise sowohl die Höhe der Pylone als auch die Anordnung der Tragkabel variiert werden, jedoch durfte von einer Drei-Pylon-Lösung nicht abgewichen werden.

7 Ausführung Der Bau der Brücke begann im Herbst 2014, wobei die Errichtung der MerseyQuerung im Freivorbau durchgeführt wurde. Der Zugang zu den drei Pylonen erfolgte über eine Behelfsbrücke, die im Vorfeld über den Fluss gezogen wurde. Da der Fluss nicht schiffbar ist, konnte der Steg mit Rammpfählen und geringen Spannweiten schnell und effizient umgesetzt werden.

7 8 9 Impressionen vom Freivorbau der Flussquerung © Knight Architects

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10 Bauzustand im Februar 2017 © Knight Architects

Die Vorlandbrücke auf der Nordseite wurde mit Hilfe einer mobilen Schalung erstellt und führt den Querschnitt der Flussquerung fort, während die Vorlandbereiche auf der Südseite als Balkenbrücken mit vorgefertigten Betoneinfeldträgern realisiert wurden. 8 Diskussion Bei der Planung der Mersey Gateway hat es der Bauherr geschafft, seine Anforderungen an Qualität, Dauerhaftigkeit, Erscheinungsbild und Integration mit Hilfe eines innovativen Planungsansatzes umzusetzen. Durch die frühe Einbindung eines Architekten konnte ein für die Anwohner akzeptables Gesamtkonzept entwickelt werden, das anschließend in einem öffentlichen Einspruchverfahren bestätigt wurde. Potentielle Konflikte ließen sich derart bereits im Vorfeld entschärfen.

Der Competitive Dialogue war eine hervorragende Alternative zur sonst üblichen Ausschreibung, da über eine mehrjährige Dialogperiode jeder Bieter einen eigenen Sondervorschlag entwickeln konnte, der aber kontinuierlich mit dem Bauherrn abgestimmt wurde. Kompromisse in der Gesamtqualität ließen sich solcherart deutlich reduzieren, während der Bauherr stets die Kontrolle über die Kosten behielt. Mit der Schaffung der Mersey Gateway Crossings Board bildete der Bauherr eine kompetente, interdisziplinäre Kontrollinstanz, die mit den Bietern auf Augenhöhe verhandeln konnte. All dies führte zu einem einzigartigen Bauwerk, welches sich perfekt in die geschützte Landschaft einfügt und sich nicht aufdrängt, das jedoch in seinem unverkennbaren Erscheinungsbild zum neuen Wahrzeichen der Städte Widnes und Runcorn wurde. Autor: Dipl.-Ing. Bart Halaczek Knight Architects, High Wycombe, England

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11 Blick auf die heutige Schrägseilbrücke von Südosten © Mersey Gateway Crossings Board Ltd.

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Bauherr Halton Borough Council, Widnes, England Bauherrenvertreter Mersey Gateway Crossings Board Ltd., Widnes, England Technische Bauherrenberatung Ramboll UK Limited, Chester, England CH2M, Swinden, England Knight Architects, High Wycombe, England Entwurf und Tragwerksplanung Design Joint Venture, Runcon, Großbritannien: Cowi, Flint & Neill, Fhecor, Eptisa, Aecom, Dessing+Weitling Prüfingenieure Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart Bauausführung Merseylink Consortium, Runcorn, Großbritannien: Samsung C&T, Seoul, Südkorea FCC Construcción, Spanien Kier Infrastructure & Overseas Limited, London, England


© Barry Williams

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MERSEY GATEWAY (MODERNE VERKEHRSINFRASTRUKTUR FÜR ENGLAND) WWW.RAMBOLL.DE/MERSEYGATEWAY

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SYMPOSIUM Umbau und Verstärkung des Brückenbauwerks

Pont Grande Duchesse Charlotte in Luxembourg von Thomas Stihl, Martin Seidel

Mit beeindruckender Dynamik wird das Europa-Viertel auf dem Kirchbergplateau der Landeshauptstadt Luxembourg gegenwärtig durch Neubauten städtebaulich weiterentwickelt. Die das Plateau komplett durchkreuzende vierstreifige Hauptstraße, die Avenue John F. Kennedy, wird an seinem Ende über die Brücke Grande Duchesse Charlotte zum historischen Stadtkern von Luxembourg geführt. Die Brücke quert das Tal der Alzette (Pfaffental). Der Bereich des Tales, an dem sich die Brücke befindet, gehört zum Unesco-Weltkulturerbe und unterliegt damit einem besonderen Schutz. Im Rahmen der Infrastrukturentwicklung wurde von der luxemburgischen Verwaltung beschlossen, den öffentlichen Personennahverkehr auszubauen und den Busverkehr durch eine Tram zu ersetzen bzw. ihn zu ergänzen. Der Pont Grande Duchesse Charlotte, der seit seiner Errichtung im Jahr 1965 das Stadtbild auch durch seinen roten Anstrich (Rout Bréck) stark prägt, war wegen des UnescoSchutzes quasi ohne maßgebliche Änderungen zu erhalten. Das führte zur Entscheidung, das vorhandene Bauwerk für die neuen Aufgaben zu ertüchtigen. Nachfolgend werden die Arbeiten beschrieben, die sich aus den geänderten Beanspruchungen durch die Zusatznutzung mit dem zweigleisigen Straßenbahnverkehr entstehen, die sich aus den aktuellen Normen (Eurocodes) ergeben oder die »gewöhnliche« Instandsetzungsaufgaben darstellen.

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1 Pont Grande Duchesse Charlotte vor dem Umbau © SEH Engineering GmbH

1 Projektbeschreibung Infolge der geplanten Nutzungsänderung wurde eine Anpassung des Verkehrsquerschnitts der Brücke erforderlich. Prägend ist die Überführung einer zweigleisigen Tramtrasse, welche am Kirchberg-Widerlager über eine Standseilbahn (Funiculaire) an die durch das Alzettetal verlaufende S-Bahn angeschlossen wird. Im Rahmen dieses Vorhabens werden umfassende Verstärkungs- und Sanierungsmaßnahmen erforderlich, um die Dauerhaftigkeit und Tragsicherheit des Bauwerks nach heutigen Standards zu gewährleisten. Gleichzeitig erfolgen eine optische Auffrischung durch einen neuen Anstrich in einem kräftigen Rot und der Ersatz des Brückengeländers. In einem umfangreichen Ausschreibungsverfahren wurden folgende Bauleistungen abgefragt: – Demontage und Neubau der Gehwege mit Schutzwänden (Geländer bzw. Absturzsicherung), Gehwege aus SPS-Platten (2.310 m²); – Umbau der Brückenfahrbahn von 2 x 3 Fahrspuren je Fahrtrichtung in 2 x 2 Fahrspuren plus zweigleisige Straßenbahntrasse;

– Umbau bzw. Verstärkung des Fahrbahnbleches mit SPS-Overlay (5.100 m²); – Einbau von Verstärkungen in das Brückentragwerk (ca. 900 t) – Einbau neuer Brückenlager und Fahrbahnübergänge; – Erneuerung des Korrosionsschutzes (ca. 30.000 m² außen, ca. 15.000 m² innen); – Aufbringen eines RHD-Brücken-Straßen-und-Gehwegbelags (ca. 8.400 m²); – Einbau von Medienüberführungen (ca. 6.000 m Rohre) – Umbau des Widerlagers; – Herstellen von 2 x 90 m Straßenanbindung an die Avenue John F. Kennedy. Die zentrale Maßnahme besteht dabei in der großflächigen Verstärkung der orthotropen Fahrbahnplatte mittels SPS-Overlay. Die Arbeiten am Brückentragwerk wurden im Juni 2015 begonnen und im September 2017 mit dem Rückbau der Baustelleneinrichtung der Stahlmontage abgeschlossen.


SYMPOSIUM

2 Brückenquerschnitt vor (oben) und nach dem Umbau (unten) © TR-Engineering S. A.

2 Baustellenorganisation und Termine Die exponierte Lage der Baustelle, die innerstädtische Verkehrssituation und die zeitlich eng getaktete Verknüpfung mit anderen Infrastrukturvorhaben in der Stadt wurden durch weitere Besonderheiten tangiert. So wurde während der gesamten Baumaßnahme der öffentliche Verkehr auf dem Bauwerk aufrechterhalten, unter anderem auch wegen der Minister und Europaabgeordneten, welche die Brücke täglich auf dem Weg zu ihren Regierungsstellen querten und dabei begleitet wurden von die Straßen quasi freiräumenden Blaulichtfahrzeugen. Die großen Gelenkbusse des luxemburgischen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) mussten die Stadteile im Fahrplantakt pünktlich andienen. Für die Fußgänger und Radfahrer war ständig eine Gehwegseite für den Übergang von der Stadt in das Europaviertel und das Kirchberg-Plateau zur Verfügung zu stellen.

3 Baustelleneinrichtung am Widerlager Kirchberg © Font d´urbanisation et aménagement du Plateau de Kirchberg

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4 Verkehrsführung in den vier Bauphasen © Font d´ urbanisation et aménagement du Plateau de Kirchberg

Hauptkriterium für die Organisation der Abläufe war jedoch der zwingend einzuhaltende Fertigstellungstermin für die Fahrbahn (30. Juni 2017), da an ihm die Baufreiheit für den Einbau der Schienen gegeben wurde. Die Arbeiten ließen sich in vier Arbeitsetappen gliedern: In den Bauphasen I und III waren beide Gehwege für die Fußgänger und Radfahrer frei benutzbar. In den Bauphasen II und IV stand nur einer der Geh-und-Rad-Wege zur Verfügung, weil dann einer von beiden, entweder der nördliche oder der südliche, neu gebaut wurde und das neue Geländer mit Übersteigschutz zu installieren war. Ein regelmäßiger Wechsel der Baustelleneinrichtung sowohl in den Arbeits- als auch in den Lager- und Verwaltungsbereichen war erforderlich. Für den gesamten Fahrbahnumbau standen 20 Monate oder 455 Arbeitstage vom 1. Oktober 2015 bis 30. Juni 2017 zur Verfügung. Der Sanierungsumfang lässt sich somit ermitteln für die 355 x 26,58 = 9.436 m² Brückenfläche zu einer Leistung von 21 m²/d. Dieser Wert gilt für die Ausführung aller Ausbauleistungen, wie Fahrbahnverstärkung mit SPS-Overlay, Gehwegneubau mit SPS-Paneelen, 6 km Medienüberführung unter den Gehwegen, Geländer-(Übersteigschutz-)Montage, Fahrbahnbelagsarbeiten und Korrosionsschutz.

6 Längsschnitt: verstärkte Bereiche in Rot © TR-Engineering S. A.

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Arbeitsbereich Beginn

Ende Tage

Arbeitsbereich I

01.10.2015

03.02.2016

90

Arbeitsbereich II

04.02.2016

05.10.2016

175

Arbeitsbereich III

06.10.2016

03.02.2016

85

Arbeitsbereich IV

04.02.2017

30.06.2017

105

Fahrbahnumbau: 01.10.2015

30.06.2017 455

5 Terminplan © SEH Engineering GmbH

3 Tragwerksverstärkung 3.1 Zustand der Struktur Das Bauwerk wurde 1965 auf Basis der damaligen DIN 1072 für den ehedem üblichen »Autobahnquerschnitt« konstruiert und dimensioniert, obwohl es sich um eine Stadtbrücke mit kommunalem Verkehr handelt. Weil aber die über die Brücke geführte Avenue John F. Kennedy ein sechsstreifiger Boulevard ist, passen die Entwurfsparameter des Autobahnquerschnittes auf die örtlichen Gegebenheiten. Aus der damals großzügig gewählten Geometrie resultierte, dass sich das Tragwerk bei der Prüfung zur Tauglichkeit für die neue Nutzung in einem für eine 50-jährige Brücke erstaunlich guten Zustand präsentierte. Es zeigte sich, dass eine Bauwerksertüchtigung möglich sowie dann eine ausreichende Restlebensdauer für die zu erwartenden Beanspruchungen vorhanden war.

3.2 Stahlbauliche Maßnahmen In einem aufwendigen Planungsprozess wurde das Tragwerk analysiert und die Schwachpunkte für eine Verstärkung aufbereitet. So zeigte sich, dass das in den 1960er Jahren noch nicht erkannte bzw. untersuchte knickstabähnliche Verhalten von Beulfeldern das Verstärken bzw. Aussteifen in einigen Abschnitten erforderlich machte. In einigen Bereichen der Querverbandsrahmen in den Hauptträgerkästen war es zudem erforderlich, zusätzliche Zulageprofile mit neuen Bindeblechen in die Druckstreben der Querrahmen einzubauen, um die Knicksicherheit auf das erforderliche Maß zu erhöhen. Die Schussverbindungen der Hauptträger waren damals noch mit Schraublaschen ausgeführt worden. Die neuen Beanspruchungen und Nachweisformate der gültigen Norm bedingten nun, dass in einigen Laschen Schrauben gegen tragfähigere ausgetauscht werden mussten bzw. zusätzliche Schrauben, wo realisierbar, einzusetzen waren.


SYMPOSIUM Die Rahmenkragarme des Sprengwerksystems der beiden Hauptträgerkästen waren ursprünglich zwei unabhängige Strukturen, die in den Widerlagern auf Kalottenlagern gelagert waren. Die Nachrechnung zeigte, dass zur Vermeidung von abhebenden Kräften und zur Verformungsbeschränkung eine Kopplung mittels eines durchlaufenden Endrahmens erforderlich war, der die beiden parallel angeordneten Hohlkästen im Widerlagerbereich verbindet. Auch die Brückenlager mussten den neuen Verhältnissen angepasst werden und wurden deshalb durch tragfähigere Elastomerlager ersetzt. Für die Ertüchtigung des Haupttragwerks waren insgesamt ca. 900 t verstärkende Stahlkonstruktionen einzubauen. Das heißt, diese waren komplett über zwei kleine Bodenluken mit Öffnungsflächen von ca. 1 m x 2 m in das Bauwerk zu transportieren und dann über im Inneren installierte Transportwagen an den Einbauort zu heben. 3.3 Fahrbahn mit Sandwich-Plate-Overlay Die Bestandsanalyse zeigte, dass die orthotrope Fahrbahn zum einen in einem rissfreien Zustand war, also keine Dauerfestigkeitsschäden aufwies und dass eine flächige Verstärkung der Fahrbahnoberseite realisierbar war. Die (gedanklich) mögliche Alternative, der Ausbau der Fahrbahntafel und der anschließende Einbau einer neuen Stahlfahrbahn, hätte mindestens zu einer Sperrung der Straße geführt, bzw. es wäre durch den Ausbau der Fahrbahn das Haupttragwerk nicht mehr funktionsfähig geblieben: Die Torsionskörper der Hohlkästen hätten bei Entfernung des Deckbleches nur noch die St.-Venant’sche Torsion aufnehmen können anstatt der erforderlichen Bredt’schen. Selbst wenn man eine spannungsverträgliche temporäre Aussteifung eingesetzt hätte, wären Fragen der Formkompatibilität geblieben bzw. hätten Verformungsänderungen zu einer nicht trassenverträglichen Form geführt. Dies alles stellte K.-o.-Kriterien dar. Es war also eine Technologie zu finden, die das Tragwerk ergänzt, ohne den Ausbau von Tragwerksteilen zu verursachen, und die gleichzeitig das Einbringen von zusätzlichen Eigengewichtsanteilen auf ein Mindestmaß beschränkt. Das in den 1990er Jahren in Kanada entwickelte Sandwich-Plate-System (SPS) erfüllte jene Anforderungen. Bei diesem System wird in der Bauweise »Overlay« die Oberseite einer orthotropen Stahlplatte mit einem im Abstand von 20–50 mm angeordneten zusätzlichen

7 Brückenfahrbahn während der SPS-Overlay-Installation © SEH Engineering GmbH

Deckblech (ca. 6–12 mm dick) versehen und der Zwischenraum mit einem Polyurethan-Kunststoff verfüllt. Das Polyurethan polymerisiert nach dem flüssigen Injizieren der Komponenten zu einem massiven, soliden Kunststoffkern, welcher durch seine Haftungseigenschaften auf den umgebenden Stahlhäuten mit selbigen einen tragfähigen Sandwichquerschnitt bildet. Die Steiner’schen Anteile des Trägheitsmomentes des Deckbleches werden über die Sandwichmembrantheorie voll aktiviert. Die Steifigkeit des Fahrbahnbleches wird dabei so weit erhöht, dass die Schweißnahtspannungen an den Längsrippen der orthotropen Platte um 60 % auf 40 % der nicht verstärkten Platte gesenkt werden. Somit war es möglich, auch das kritische Tragwerksteil, die Fahrbahntafel des Pont Grand Duchesse Charlotte für die neuen Erfordernisse zu ertüchtigen. Mit SPS konnten die erforderlichen Tragreserven bereitgestellt werden. Das Mehrgewicht von ca. 520 t SPSOverlay (ca. 110 kg/m²) für den vierstreifigen Ausbau wurde durch den Ersatz der 8-cm-Asphaltschicht durch einen 10-mm-RHD-Belag ausgeglichen. Das Gewicht des RHD-Belags plus Zusatzgewicht des SPS-Overlay entsprechen jenem des vor dem Umbau eingebauten Asphalts. Die Beanspruchung des Tragwerks aus dem Fahrbahngewicht änderte sich nicht. Eine gewichtsneutrale, höhertragfähige Fahrbahn war damit erreicht.

8 Einbau eines SPS-Overlay-Deckbleches © SEH Engineering GmbH

9 Kunststoffinjektion in eine SPS-Kavität © SEH Engineering GmbH

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10 Querschnitt des neuen Gehwegs Süd © Administration des Ponts et Chaussées Luxembourg

Die beiden Fahrspuren, in denen die Gleise für die Tram verlegt werden, erhielten keine SPS-Overlay-Verstärkung. Die Schienen wurden schwellenlos mit Rippenspurplatten einer festen Fahrbahn auf 30 mm dicken Breitflachstahllamellen verlegt. Diese Lamellen sind so breit, dass die Schienenlasten jeweils hälftig in zwei Längsrippen der vorhandenen orthotropen Platte eingeleitet werden. Eine flächige Verstärkung wie für den Straßenverkehr war nicht erforderlich und wurde durch die linearen mit den längslaufend auf das Brückendeck aufgeschweißten Breitflachstahllamellen gewährleistet. Zwischen den Schienen wurden im gesamten Trambereich Kautschukelemente eingebaut, die den Höhenversatz von Fahrbahnblech bis Schienenoberkante ausgleichen. Diese sind mit Radfahrzeugen überfahrbar und machen die seitlichen Brückenbereiche für Rettungsfahrzeuge zugänglich.

11 Einbau der Medienrohre am Gehweg Süd © SEH Engineering GmbH

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3.4 Gehwege mit Sandwich-Plate- Paneelen und Medienüberführung Die beiden Gehwegbereiche der »Roten Brücke« erfuhren eine radikale Überarbeitung, indem sie komplett neu gebaut wurden. Das heißt, die alten Gehwege wurden abgebrochen und durch neue Konstruktionen ersetzt. Dies war auch deshalb erforderlich, weil nun zusätzlich Medienleitungen die Brücke queren, die unter den Gehwegblechen an den Brückenkragarmen neben den Hauptträgerhohlkästen anzuordnen waren. Außerdem sollte ein zusätzlicher Radweg die Brücke überführen: Teil eines neuen Verkehrskonzeptes, das eine Reaktion auf den zunehmenden Radverkehr in Luxembourg darstellt. Aus dem zusätzlichen Platzbedarf für den Radweg resultierte die Verbreiterung der Brücke um 1,84 m. Da unter dem Gehwegblech relativ großformatige, rollengelagerte Medienrohre für die städtische Energieversorgung

unterzubringen waren sowie die Überführung der Stromtrasse der Straßenbahn erfolgt, wurden wegen störender Rippengeometrien keine orthotropen Platten eingesetzt. Für solche konstruktiven Randbedingungen eignet sich der Einsatz von isotropen Sandwich-Plate-Paneelen, welche in der vorhandenen Stützweite, ohne Rippen, mit einer Bauhöhe von lediglich 46 mm (SPS 8-30-8) auskommen. Die SPS-Paneele haben den zusätzlichen Vorzug, dass sie die bauphysikalischen Nachteile der reinen Stahlkonstruktion ausgleichen. Durch den verbauten Kunststoffkern werden gute Trittschallwerte und Isoliereigenschaften (Blitzeisvermeidung) erreicht. SPS-Platten sind zudem dämpfend, was sich vorteilhaft auf das Schwingungsverhalten bei dynamischen Beanspruchungen des Tragwerks auswirkt.

12 SPS-Fertigteil-Paneele am Gehweg Süd © SEH Engineering GmbH


SYMPOSIUM 4 Architektonische Überarbeitung Im Zuge des Umbaus sollte eine dezent akzentuierte Änderung des Erscheinungsbildes für die Nutzer erreicht werden, die jedoch den Status als geschütztes Unesco-Weltkulturerbe nicht beeinträchtigen durfte. Der Entwurf der Architekten und Ingenieure Ney & Partner erfüllte diese Anforderungen am besten. Das System eines filigranen Füllstabgeländers wird in Form hoch aufgerichteter Stahllamellen interpretiert und so gleichzeitig der bedauerlicherweise erforderliche Suizidschutz gewährleistet. Die besondere Wirkung wird vor allem in der Dunkelheit durch ein außergewöhnliches Lichtkonzept akzentuiert, das mit moderner, energieeffizienter LED-Technik ausgerüstet wurde. Diese wird in den Handlauf aufgenommen und beleuchtet die Nutzungsbereiche der Brücke in markanter Weise.

13 System: Übersteigschutz mit Strangguss-Handlauf © Ney & Partners BXL s. a.

14 15 Architektenentwurf (links) und Mustergeländer (rechts) © Ney & Partners BXL s. a./SEH Engineering GmbH

Auch die Mitteltrennung der beiden Fahrstreifen erhielt diese LED-Illumination. Auf hohe Lampenmasten wurde komplett verzichtet, desgleichen wurden keine Masten für die Stromoberleitung der Tram über die Brücke geführt: Die Tram quert die Brücke mit einem Batteriepuffer in den Schienenfahrzeugen. Die Energie des vor und hinter der Brücke vorhandenen Fahrdrahts wird im Brückenbereich mittels Stromkabels durch die Medienrohre unter den Gehwegen von Widerlager zu Widerlager geführt.

16 Übersteigschutz nach Montage © SEH Engineering GmbH

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17 18 Zelt: Erscheinungsbild und Nutzung für Belagsarbeiten © SEH Engineering GmbH

5 Montage- und Korrosionsschutzgerüste 5.1 Anforderungen Für die Sanierung des Pont Grande Duchesse Charlotte bestand der Anspruch, sowohl die Oberseite der Brücke als auch deren Unterseite für die Stahlbausanierung und Korrosionsschutzerneuerung zugänglich zu machen. Dabei mussten die getroffenen Maßnahmen für temporäre Einhausungen und Gerüste neben den Anforderungen an den Witterungsund Arbeitssschutzes auch die Ansprüche an die Aufrechterhaltung der Suizidprävention und Sicherung über bewohntem Gebiet erfüllen. Für die jeweiligen Arbeitsbereiche wurden Konzepte für stationäre und mobile Gerüste erstellt, die den jeweiligen Anforderungen zu entsprechen hatten. 5.2 Einhausungen für das SPS Overlay Das SPS Overlay wurde in drei Bauabschnitten realisiert, wobei sich die Breite der Arbeitsbereiche voneinander unterschied. Die Einhausung musste demzufolge in ihrer Breite variabel einstellbar sein. Die Ausführung der Fahrbahn erfolgte in drei Schritten: – Stahlbauarbeiten zur Herstellung der Kavitäten, – Injektion der Kavitäten zur Herstellung einer SPS-Platte, – Aufbringen des RHD-Belages als finaler Fahrbahnbelag.

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Die Herstellung eines beheizbaren Witterungsschutzes, welcher, abhängig vom Bauabschnitt, den Arbeitsbereich überdeckt und für alle Gewerke nutzbar ist, war essentiell. Gelöst wurde diese Aufgabe durch eine verschiebliche, in ihrer Länge und Breite variable Zeltkonstruktion. Die Tragstruktur des Zeltes ist als Zwei-Gelenk-Rahmen ausgebildet. Die Rahmen wurden in einem Systemraster von 2,50 m angeordnet und über Koppelprofile und Verbandsebenen miteinander verbunden. Die Kopplung ließ sich an beliebiger Stelle unterbrechen, so dass beliebig lange Einheiten entstehen konnten. Sandwichprofile dienten als Wände, schwere über

Kederschienen eingeknüpfte Planen als Dach. Die Breite der Zelte wurde über passende Adapter eingestellt, deren Montage beim Umbau von einem in den anderen Arbeitsbereich durchgeführt wurde. Das Verfahren erfolgte auf Flacheisenschienen, die vorher entlang der Brücke verlegt und mit Knaggen gesichert wurden. Abhebende Lasten wurden durch Abhubsicherungen aufgenommen. Wegen der innerstädtischen Baustelle wurde besonderer Wert auf den Schallschutz gelegt. Aus diesem Grund wurden alle vertikalen Zeltwände und Gerüstwandungen aus schallisolierenden Sandwichpaneelen hergestellt.


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19 20 Schema der Modulpodeste-Montage und Hilfsbühne im Einsatz © SEH Engineering GmbH

5.3 Gerüste für Gehwegsarbeiten Der Umbau der Gehwege erforderte eine Gerüstlösung, bei der einerseits Zugängeund Arbeitsräume für die Stahlbau- und Korrosionsschutzarbeiten geschaffen werden mussten und die andererseits eine überwindungshemmende Absturzsicherung sowie einen präventiven Schutz gegen herabfallende Gegenstände wie Handwerkszeuge, Schrauben etc. darstellte. Für die Korrosionsschutzarbeiten hatte zudem eine staubdichte Einhausung vorhanden zu sein. Zunächst lag die Überlegung auf der Hand, punktuell verfahrbare Einhausungen zu errichten, die entlang der Brücke bewegt werden konnten. Beim Betrachten des Tragkonzeptentwurfes unter Berücksichtigung des zeitlichen Aufwandes

21 Einzelnes Podestmodul © SEH Engineering GmbH

zum Umsetzen und Wiederherstellen der Arbeitsbereitschaft zeigte sich aber sehr schnell, dass diese Herangehensweise zu keiner akzeptablen Bauabwicklung führt. Zum einen waren die einzelnen Arbeitsschritte stark miteinander verknüpft und damit zeitlich voneinander abhängig, zum anderen waren die Nebenzeiten ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Basierend auf dieser Erkenntnis wurde ein komplett neues Gerüstkonzept entwickelt. Dabei wurde an die seitlich überstehende, nach dem Abtrennen der Gehwege verbleibende Tragstruktur ein Podest als 2,50 m langes Modul angehängt. Jedes Modul konnte auf dem Brückendeck vormontiert und vollständig mit Bodenbelag und Sandwichwand aus-

gestattet werden. Die einzelnen Module wurden mit einem Kran von der Brücke aus eingehoben, was eine zügige Montage erlaubte. Es bestand die Forderung, dass auch bei der Montage der Gerüste ein Schutz gegen herabfallende Teile vorhanden sein musste, da sich unter der Brücke bewohntes Gebiet befindet. Dazu wurde unterhalb der schon realisierten Gerüste eine zweite verschiebliche Hilfsbühne installiert, die wie eine Schublade herausgefahren werden konnte. Diese Zusatzebene diente als Arbeitsbereich und erfüllte gleichzeitig die Anforderungen an Absturzsicherung und Prävention gegen herabfallende Teile.

22 Rüstung aus Einzelmodulen © SEH Engineering GmbH

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23 Außenliegende Schutzeinhausung nach Montage © SEH Engineering GmbH

Die seitlichen Wände der Podeste sind 3,80 m hoch und durch Sandwichpaneele vollständig verschalt, so dass sie Schutz in allen Bauphasen bieten. Das Abschlussprofil am oberen Wandabschluss wurde so ausgebildet, dass es gleichzeitig als Führungsschiene für die auf der Oberseite der Brücke verfahrbare Einhausung

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dienen konnte. Die drei Einhausungen mit je 15 m Länge wurden als Witterungsschutz und später primär für die Korrosionsschutz- und RHD-Belagsarbeiten verwendet. Alle Einhausungen ließen sich unabhängig voneinander beliebig verfahren oder als eine Einheit nutzen.

24 Seitliche Podeste mit Dachkonstruktion und Schutzzelt © Font d´urbanisation et aménagement du Plateau de Kirchberg

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25 Einhausung von außen © SEH Engineering GmbH

5.4 Korrosionsschutzgerüst Im Zuge der Beschichtungsarbeiten an der Unterseite der Brücke musste eine Einhausung geschaffen werden, die für die Strahlarbeiten staubdicht und für die Beschichtungsarbeiten klimatisierbar war. Wegen der Größe der einzuhausenden Beschichtungsfläche von ca. 30.000 m² wurde hier entschieden, eine mobile Rüstung zu errichten. Schlussendlich entstand eine Einhausung mit ca. 800 m² Nutzfläche und ca. 6.000 m³ Raumvolumen. Schwierig bei der Konstruktion waren insbesondere die gevoutete Querschnittsgestaltung der beiden Hohlkasten-Hauptträger sowie die Umfahrung der Stützen. Die Hohlkästen bieten wegen ihrer glatten Untersicht zunächst keine Möglichkeit, sich an ihnen über Klemmen oder ähnliche Anschlusskonstruktionen festzumachen. Lediglich zwischen den beiden Hauptträgern und an den außenliegenden Kragarmen bieten sich Anschlussmöglichkeiten an den vorhandenen Querträgern im 2,50-m-Raster. Aus diesen konstruktiven Randbedingungen resultierte eine Tragstruktur, bei der die lastabtragenden Bauteile nur im Raum zwischen den Brückenkästen und im äußeren Kragbereich sitzen und bei der sowohl die Vertikal- als auch Horizontallasten in die vorhandenen Brückenquerträger eingeleitet werden können.

Gekoppelt werden die innere und äußere Tragstruktur durch leichte Aluminiumträger, die sich bei der Stützenumfahrung herausnehmen und nach der Umfahrung wieder einsetzen ließen. Der Verschub der Bühne erfolgte auf Laufrädern, die zwischen Hänger und Bühne angeordnet wurden. Eine Besonderheit hierbei war,

dass die Führungsschiene fest mit der Bühne verbunden blieb und die Laufrollen an den Hängern saßen. Somit mussten nur die punktuell an den Brückenquerträgern befestigten Hänger mit Laufrollen umgehängt werden. Der genannte Aufwand für die Befestigung des Rollgerüstes an der Brückenunterseite war erforderlich, weil auf der Oberseite bereits der Verkehr freigegeben worden war und im »Korrosionsschutzjahr 2018« keine Verkehrsbeeinträchtigungen gestattet waren und sind. Die Korrosionsschutzbühne war in ihrer Höhe für den größten Querschnitt konstruiert. Innerhalb der Einhausung befanden sich drei Gerüstebenen, von denen aus alle Bereiche für die Korrosionsschutzarbeiten bedient werden konnten. Stromzuführungen, Beleuchtung, Klimatisierung sowie Abluft und Absaugungen waren fest installiert und konnten auch während des Verschubs verbleiben. Der Zugang zur Bühne sowie der Fluchtund Rettungsweg wurden durch einen 1,50 m breiten Laufsteg realisiert, der zentral unterhalb der Brücke hing und über den überdies die Verlegung der Beund Entlüftungsleitungen erfolgte.

26 Arbeitsbereich im Innern © SEH Engineering GmbH

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5.5 Einhausung: Korrosionsschutz Stützen Im Bereich der Stützen kommt eine klassische Einhausung als Systemstandgerüst über die gesamte Stützenhöhe zum Einsatz. Der Querschnitt der Stützen verjüngt sich zum Fußpunkt, wobei ihre Form der eines Trapezes entspricht. Die beiden Stützen auf den Seiten Kirchberg und Luxembourg sind zudem unterschiedlich geneigt. Diese geometrischen Voraussetzungen führen zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand beim Einsatz einer rollengeführten verschieblichen Konstruktion, insbesondere bei der Herstellung der Abdichtungsebenen und der Ableitung von herabfließendem Regenwasser. Auch die Unterbrechungen für das Ab- und Einrüsten wären erheblich. Die Wahl einer stationären vollflächigen Einrüstung der gesamten Stütze wurde damit unter wirtschaftlichen und terminlichen Gesichtspunkten favorisiert. 6 Restarbeiten und Fertigstellung Die Arbeiten zur Verstärkung der Stahlkonstruktion sowie zum Umbau der Gehund Radwege, welche die Baufreiheit zur Ausrüstung der Brücke mit den Schienen für die Überführung des Tramverkehrs ermöglichten, wurden im Juli 2017 abgeschlossen. Das Jahr 2018 bleibt dem außenseitig herzustellenden Korrosionsschutz vorbehalten.

27 Querschnitt einer Stütze © Administration des Ponts et Chaussées Luxembourg

7 Resümee Die Nutzungserweiterung, die Verstärkung und die Verbreiterung des Pont Grande Duchesse Charlotte waren nur durch den Einsatz der SPS-Technologie wirtschaftlich, technisch und organisatorisch durchführbar. Durch den Umbau kann die Brücke aus dem Jahr 1965 nun mit neuen Funktionen dauerhaft genutzt werden. Das vertraute optische Erscheinungsbild der Brücke bleibt einerseits gewahrt, erhielt aber zugleich eine interessante und zeitgemäße architektonische Nuance. Während aller Etappen der Bauarbeiten blieb die Überführung des Straßen-, Personenund Radverkehrs gewährleistet. Der Umbau dieser Tragstruktur ist ein weiterer außergewöhnlicher Beleg für explizite Nachhaltigkeit von Stahlbrückenbauwerken im Hinblick auf eine möglichst langjährige Nutzung. Autoren: Dipl.-Ing. Thomas Stihl M. Eng. Dipl.-Ing. (FH) Martin Seidel SEH Engineering GmbH, Hannover Literatur [1] Gesella, H., Schwarz, W., Didier, G.: Planung und Ausschreibung der Ertüchtigung der Brücke Grande-Duchesse Charlotte in Luxemburg; in: Stahlbau, Heft 4, 2016. [2] Stihl, Th., Geßler, A., Feldmann, M., Kennedy, Stephen J.: Sanierung von Brückenfahrbahnen und Gehwegen mit Stahl-Kunststoff-Verbundbauteilen; in: Stahlbau, Heft 10, 2016.

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Auftraggeber Fonds d’urbanisation et aménagement du Plateau de Kirchberg, Luxembourg, vertreten durch: Administration des Ponts et Chaussées, Division des Ouvrages d’Art, Luxembourg Architekten Ney & Partners BXL s. a., Brüssel Entwurf und Ausführungsplanung TR-Engineering S. A., Luxembourg Bauüberwachung Schroeder & Associés S. A., Luxembourg Generalunternehmer Arbeitsgemeinschaft: Tralux Construction, Bettembourg SEH Engineering GmbH, Hannover Stahlbau und SPS-Technologie SEH Engineering GmbH, Hannover Intelligent Engineering (UK) Ltd, Gerrards Cross Straßenbau und Brückenausrüstung Tralux Construction, Bettembourg, Luxembourg Detailengineering und Ausbaudesign SEH Engineering GmbH, Hannover Korrosionsschutz Arbeitsgemeinschaft: Hans Tiefenbach GmbH, Duisburg Surface Protection GmbH, Hannover


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Pont Grande Duchesse Charlotte, Luxemburg

© Fonds Kirchberg Luxemburg

www.seh-engineering.de 1/2 . 2018 | BRÜCKENBAU

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SYMPOSIUM Besondere Bauwerke sowie Fragen der Vergabe

Anstehende Großbrückenprojekte der DEGES von Gregor Gebert

Die DEGES wird auch in den kommenden Jahren Großbrücken realisieren, die sowohl ingenieurtechnisch und baulogistisch als auch im Sinne der Baukultur besondere Bauwerke sind. Anhand von fünf ausgewählten Projekten werden die jeweiligen Herausforderungen bei der Planung und Baudurchführung kurz dargestellt. Es ist zu überlegen, inwieweit es aus Sicht des Bauherrn notwendig ist, Teile der Ausführungsplanung vorab zu erstellen – mit dem Ziel, die Umsetzbarkeit des Entwurfs in der Bauphase abzusichern. Auch stellt sich die Frage, wie derartig komplexe und anspruchsvolle Projekte in Vergabe und Bauausführung besser abgewickelt werden können als bisher. Hiermit soll an Diskussionen angeknüpft werden, die bei den letzten Symposien immer wieder Thema waren.

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1 Einleitung Über folgende Bauwerke wird kurz berichtet: – Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp im Zuge der A 40, Nordrhein-Westfalen, – Rader Hochbrücke über den Nordostseekanal im Zuge der A 7, SchleswigHolstein, – Gottleubatalbrücke bei Pirna im Zuge der B 172n, Sachsen, – Süderelbbrücke Moorburg im Zuge des A-26-Neubaus, Hamburg, – Peenestromquerung Wolgast im Zuge der Ortsumfahrung Wolgast, B 111n, Mecklenburg-Vorpommern. Bei der Brücke in Duisburg und der Rader Hochbrücke über den Nordostseekanal handelt es sich um dringend benötigte Ersatzneubauten, da aufgrund des defizitären Bauwerkszustandes die Lebensdauer der Bestandsbrücken dem Ende entgegengeht. Erst jüngst musste die Rheinbrücke Duisburg aufgrund von Reparaturen wieder für mehrere Tage voll gesperrt werden. Bei beiden Bestandsbrücken handelt es sich um einteilige Überbauten, die nur als Ganzes funktionieren und somit nicht halbseitig rück- und neugebaut werden können. Bei beiden Vorhaben ist neben dem Neubau auch der Rückbau des Bestandes anspruchsvoll und ein Faktor, der die Gesamtbauzeit wesentlich beeinflusst. Bei beiden Brücken steht derzeit eine schnelle Baurechtserlangung im Vordergrund. Aufgrund der Dringlichkeit hat der Bundestag beschlossen, dass für beide Projekte das Bundesverwaltungsgericht sowohl erst- als auch letztinstanzlich zuständig ist. Für ihre Errichtung sind dann die schnellstmögliche Außerbetriebnahme des Bestandsbauwerks, also eine kurze Bauzeit, die möglichst uneingeschränkte Aufrechterhaltung des Verkehrs auf der Autobahn und weitere Aspekte wie die Minimierung der Betroffenheiten für die Anwohner und Umweltfragen wesentliche Zielstellungen. Für den Erfolg ist es dann essentiell, Grundsatzdiskussionen zur technischen Umsetzbarkeit des Entwurfes zu vermeiden, die bei Großprojekten oft zu erheblichen Verzögerungen führen.

Bei den drei anderen Brücken handelt es sich um Neubauten im Zuge von Ortsumgehungen (Pirna, Wolgast) bzw. von Autobahnen (A 26, Hamburg). Auch diese Bauwerke sind hinsichtlich Statik und Konstruktion sowie baulicher Umsetzung äußerst anspruchsvoll. Die Entwürfe der Gottleubatalbrücke und der Süderelbquerung sind das Ergebnis von zwei Realisierungswettbewerben, welche die DEGES 2006 bzw. 2012 durchgeführt hat. Die Gottleubatalbrücke weist mit der Ergänzung von Betonvouten, welche erst nach Montage der Stahlkonstruktion mit dem Überbau verbunden werden, ein neues, innovatives Konstruktionskonzept auf, das auch bei der Rader Hochbrücke angewandt werden soll. Bei der Süderelbquerung sind es neben den technischen insbesondere die baulogistischen Herausforderungen, die den Projekterfolg maßgeblich beeinflussen. In dem durch den Hamburger Hafen mit Straßen- und Bahnanlagen sowie Logistikstandorten geprägten Umfeld verbleibt für das Bauen nur wenig Spielraum. Bei der Brücke in Wolgast steht die Umweltthematik im Vordergrund: Hier ist aufgrund der sensiblen Lage in einem Vogelschutzgebiet anstelle einer Schrägseilbrücke eine Zügelgurtkonstruktion geplant, die in dieser Dimension außergewöhnlich sein wird.


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2 Beschreibung der Brücken 2.1 Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp Die Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp wurde 1970 fertiggestellt. Das Bauwerk hat eine Gesamtlänge von ca. 777 m bei einer Hauptspannweite von 350 m. Die Gesamtbreite beträgt ca. 36 m. In Bezug auf das Tragsystem handelt es sich um eine zweihüftige Mittelträger-Schrägseilbrücke. Der Querschnitt ist ein zweizelliger Stahlhohlkasten mit weit auskragender Fahrbahnplatte, welche durch Schrägstreben gestützt wird. Das Bauwerk ist weitgehend baugleich mit der 1965 fertiggestellten Rheinbrücke Leverkusen. Die im Jahr 2015 festgestellten Risse in den Anschlüssen der Schrägstreben am Hohlkasten führten zu einer dauerhaften Sperrung der äußeren Fahrstreifen. Risse an der Seilaufhängung erforderten Ende 2017 eine mehrtägige Vollsperrung. Ein Ersatzneubau ist von äußerster Dringlichkeit. Bei der Planung ist im Hinblick auf eine zukunftsorientierte Infrastruktur der achtstreifige Ausbau der A 40 zu berücksichtigen. Zudem erfolgt der Neubau mit getrennten Überbauten, so dass die neue Brücke eine wesentlich größere Gesamtbreite aufweisen wird als die bisherige. Während der Bauzeit muss der Verkehr auf der A 40 in allen Phasen aufrechterhalten werden. Der erste Überbau wird daher zunächst in temporärer Seitenlage südlich neben dem Bestand errichtet.

2 Neue Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp als Visualisierung © DEGES GmbH

1 Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp: Bestandsbauwerk © DEGES GmbH

Mit dessen Fertigstellung kann der Verkehr dann wieder mit sechs Fahrstreifen geführt werden. Nach Rückbau der bestehenden Brücke und Herstellung der zweiten Richtungsfahrbahn erfolgt zwischenzeitlich die Verkehrsumlegung auf den zweiten Überbau. Um einen dauerhaften Achsversatz der A 40 und erhebliche Eingriffe in das innerstädtische Umfeld zu vermeiden, wird der erste Überbau dann in seine endgültige Lage um ca. 12 m querverschoben. Der Neubau erfolgt wieder als zweihüftige Schrägseilbrücke. Gegenüber dem Bestand wird die Stützweite auf 380 m

vergrößert. Damit wird die neue Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp die weitestgespannte Schrägseilbrücke in Deutschland sein. Anders als beim Bestand sind aufgrund der getrennten Überbauten insgesamt vier Tragebenen außerhalb der beiden Fahrbahndecks erforderlich. Bei einer Breite der Überbauten von jeweils 30,60 m und einer dazwischen verbleibenden Lücke von 7,50 m zur Aufnahme der Pylone ergibt sich eine Gesamtbreite für den Neubau von ca. 69 m. Das Gestaltungskonzept sieht frei stehende Pylone aus Stahl vor, die einen fünfeckigen, über die Höhe veränderlichen Querschnitt haben. Um Überschneidungen in der Schrägansicht zu vermeiden, verlaufen die Seile harfenförmig. Die Höhe der Pylone beträgt ca. 71 m über der Fahrbahn. Der Querschnitt des Überbaus ist ein geschlossener, dreizelliger Hohlkasten. Über dem Rhein erfolgt die Ausführung in Stahl, mit orthotroper Fahrbahn, und in den Seitenfeldern als Verbundquerschnitt mit Einsatz von Fertigteilen. Eine Besonderheit sind die von der Hauptkonstruktion abgesetzten Gehund Radwege, die über Konsolträger mit dem Fahrbahndeck verbunden sind. Die Planfeststellungsunterlagen für den Neubau der Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp wurden termingerecht im Dezember 2017 übergeben. Der Baubeginn soll spätestens 2020 erfolgen, mit dem Ziel einer Inbetriebnahme des ersten Teilbauwerks 2023. Die Gesamtfertigstellung ist 2026 vorgesehen.

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3 Rader Hochbrücke: Bestandsbauwerk © DEGES GmbH

2.2 Rader Hochbrücke Das 1.500 m lange Bauwerk wurde 1972 für den Verkehr freigegeben und überführt die A 7 über den Nordostseekanal und die Rader Insel sowie das Gewässer Borgstedter Enge. Die Hauptstützweite über dem Nordostseekanal beträgt 221,50 m bei einer Durchfahrtshöhe von 42 m für die Schifffahrt. Der einteilige, 29,50 m breite Stahlüberbau ist für vier Fahrstreifen zuzüglich Standstreifen ausgelegt. Er wurde als zweistegiger Plattenbalken mit offenen, zwischen 5 m und 9,50 m hohen Hauptträgern und orthotroper Fahrbahn ausgeführt. Gravierende Schäden an den Pfeilerköpfen führten 2013 zu einer Teilsperrung für Lkws über 7,50 t, die nach einer Instandsetzung wieder aufgehoben wurde. Ein Gutachten von 2016 ergab

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4 Neubau der Rader Hochbrücke als Visualisierung © DEGES GmbH

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jedoch eine eingeschränkte Restnutzungsdauer des Überbaus bis 2026, so dass umgehend die Planung für einen Ersatzneubau eingeleitet wurde. Im September 2017 wurde entschieden, den Ersatzneubau im Hinblick auf einen sechsstreifigen Ausbau der A 7 zu planen. Die neue Gesamtbreite beträgt damit ca. 37 m. Die Vorplanung ergab bei Regelstützweiten von ca. 80 m als Vorzugslösung einen Durchlaufträger in Stahlverbundbauweise. Das Fahrbahndeck besteht aus Verbundhohlkästen mit auskragender Fahrbahnplatte, die durch Konsolen bzw. Schrägstreben abgestützt wird: Hierzu erfolgen derzeit noch weitere Untersuchungen. Im Bereich des Nordostseekanals, wo eine Stützweite von 224 m

erforderlich wird, ist eine gevoutete Ausführung vorgesehen, mit massiven Vouten aus Stahlbeton. Analog zur Gottleubatalbrücke wird der Überbau erst nach Herstellung der Stahlkonstruk-tion monolithisch mit den Betonvouten der Kanalpfeiler verbunden, wodurch ein integrales Tragsystem entsteht. Die Bauhöhe des Verbundüberbaus variiert zwischen 4 m in den Regelbereichen und 6 m im Kanalfeld. Die Betonvouten haben eine maximale Höhe von ca. 15 m und erstrecken sich über eine Länge von ca. 45 m beidseitig der Kanalpfeiler. Während der Bauzeit muss der Verkehr auf der A 7 in allen Phasen aufrechterhalten werden. Der erste Überbau wird östlich neben dem Bestand errichtet, so dass der Verkehr in dieser Phase ungestört weitergeführt werden kann. Anschließend erfolgt die Verkehrsumlegung auf den neuen Überbau. Nach Rückbau der bestehenden Brücke wird der zweite Überbau dann unmittelbar neben dem ersten errichtet. Anders als bei der Rheinbrücke Duisburg erlauben die Randbedingungen hier einen dauerhaften Achsversatz der A 7, so dass sich der technisch aufwendige Querverschub vermeiden lässt. Die Planfeststellung für den Neubau soll 2019 eingeleitet werden, so dass spätestens Anfang 2023 der Baubeginn erfolgen kann. Damit ist gewährleistet, dass der Bestandsüberbau zum Ablauf der Restnutzungsdauer 2026 außer Betrieb gehen wird. Die Gesamtfertigstellung ist bis Ende 2029 vorgesehen.


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5 Integrale Struktur der Gottleubatalbrücke © André Keipke/Schüßler-Plan GmbH

2.3 Gottleubatalbrücke Der Entwurf der Gottleubatalbrücke ist das Ergebnis eines 2006 von der DEGES durchgeführten Realisierungswettbewerbs. Bereits 2008 wurde auf dem »Achten Symposium Brückenbau« in Leipzig über diesen Wettbewerb samt Ergebnis berichtet. Danach fehlte es einige Zeit am politischen Druck zur Umsetzung des Vorhabens. Nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses im November 2015 wurden die Planungen wieder aufgenommen, und zwölf Jahre nach Abschluss des Wettbewerbs soll Ende 2018 der Baubeginn erfolgen. Der Wettbewerbsentwurf sieht einen Stahlverbundüberbau vor, der im Bereich der Talpfeiler durch massive Betonvouten verstärkt wird. Die Herstellung des Überbaus erfolgt durch Taktschieben. Um trotz der statisch notwendigen Vouten die Herstellung des Überbaus per Einschub zu ermöglichen, wurde eine besondere Lösung entwickelt: Zunächst wird nur die Stahlkonstruktion des Überbaus eingeschoben. Die Betonvouten werden, genau wie die Verbundfahrbahnplatte, nachträglich ergänzt und als Teil des Pfeilers monolithisch mit dem Überbau verbunden.

Der Querschnitt besteht aus einem einzelligen Kastenträger aus Stahl, der durchgängig begehbar ist. Die mit dem Kastenträger im Verbund stehende Stahlbeton-Fahrbahnplatte wird über Konsolen gestützt. Im Bereich der Vouten wird der Überbau in einzelne Hohlkästen aufgelöst. Der verbleibende Zwischenraum wird nach dem Längseinschub

zusammen mit Herstellung der Betonvouten ausbetoniert, so dass ein monolithischer Gesamtquerschnitt entsteht. Der Verbund von Überbau und Voute wird konventionell über Kopfbolzendübel und Bewehrung realisiert. Mit dieser besonderen Lösung wird die statische Effizienz einer Voutenbrücke mit den technologischen Vorzügen des Taktschiebens kombiniert. Der Baubeginn soll noch in 2018 erfolgen, die Verkehrsfreigabe für die Gesamtstrecke dann 2022. Für das Bauwerk wird zurzeit die Ausführungsstatik erstellt, womit konkrete Vorgaben zur Konstruktion, zur Materialverteilung und zur Bewehrungsführung in den Voutenbereichen verbunden sind.

6 Visualisierung der künftigen Gottleubatalbrücke © André Keipke/Schüßler-Plan GmbH

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7 Künftige Süderelbquerung: Gesamtsituation © DEGES GmbH

2.5 Süderelbquerung Die Süderelbquerung ist Teil der Verlängerung der A 26 von Stade an die A 1 nach Lübeck. Sie soll künftig die A 7 und die A 1 im Süden des Hamburger Hafens miteinander verbinden. Im Zuge dieses »Hafenpassage« genannten Abschnittes wird eine Hochstraßenbrücke mit einer Gesamtlänge von ca. 5,25 km entstehen, die dann Deutschlands längster Brückenzug sein wird. Für die Querung der Süderelbe, als Kernstück jenes Abschnitts, wurde 2012 ein Realisierungswettbewerb gestartet. Im Ergebnis fiel die Entscheidung des Preisgerichts auf eine Mittelträger-Schrägseilbrücke mit zwei mittig angeordneten Pylonen und Lichtband zwischen den beiden Fahrbahnen. Im Zuge der vertiefenden Betrachtung der Zwangspunkte wurde die dreifeldrige Seilbrücke optimiert und spannt nun mit fünf Feldern über die Süderelbe und deren Vorland, wobei die Stützweiten 80 m, 90 m, 350 m, 90 m, 80 m betragen. Infolge der beengten Verhältnisse des durch Industrie geprägten Hafens ergibt sich eine enge Trassierung mit kleinen Radien bis zu 300 m, wodurch die Brücke einen besonders dynamischen Charakter erhält. Mehrfache Überführungen der Trasse über Hafenstraßen, Bahngleise sowie Schleusen-, Hochwasserschutzund Industrieanlagen stellen eine technische wie auch gestalterische Herausforderung dar. Für den Brückenquerschnitt werden übergreifend getrennte Verbundhohlkästen mit Konsolen und geschlossenem Deckblech favorisiert, um den

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8 Querschnittsgestaltung im Vorlandbereich © Planungsgemeinschaft Südelbquerung

technologischen Erfordernissen und Zwangspunkten bei einer erschwerten Baudurchführung Rechnung zu tragen. Lediglich im Bereich der Seilbrücke und den Übergangsbereichen kommen einteilige Überbauten zur Anwendung, wobei ein fließender Übergang zwischen den Bauwerksteilen angestrebt wird. Für die Pfeiler erfolgt aktuell die Endabstimmung der Gestaltung. Aktuell wird für diesen Abschnitt der A 26 die Planfeststellung vorbereitet mit dem Ziel der Einleitung des Verfahrens in 2018. Parallel dazu erfolgt die weitere Ausarbeitung des Bauwerksentwurfs. 2.6 Peenestromquerung Wolgast Die Anforderungen der Schifffahrt und des Werftbetriebs erfordern eine Stützweite von ca. 250 m und eine Durchfahrtshöhe von 42 m. Mit den beidseitig anschließenden Vorlandbrücken ergibt sich eine Gesamtlänge des Brückenzuges von ca. 1.465 m. Das Brückendeck hat eine Breite von ca. 14 m und ist in Stahlverbundbauweise konzipiert.

Die Lage der Ortsumfahrung Wolgast im Vogelschutzgebiet »Peenestrom und Achterwasser« und im FFH-Gebiet »Peeneunterlauf, Peenestrom, Achterwasser und Kleines Haff« stellt ganz besonders hohe Anforderungen an eine den Schutzerfordernissen angepasste technische Lösung für das Bauwerk. Zunächst war vorgesehen, die Brücke über den Peenestrom als seilverspannte Konstruktion auszubilden. Es gab jedoch Bedenken, dass eine solche Lösung den besonderen Anforderungen nicht ausreichend gerecht wird. Die Sorge ist, dass filigrane Tragglieder wie Brückenseile vor allem bei schlechten Wetterlagen durch ziehende Vögel schlecht wahrgenommen werden können und damit ein erhöhtes Kollisionsrisiko besteht. Aus diesem Grund soll für die Brücke über den Peenestrom nun eine Zügelgurtlösung zum Einsatz kommen. Die außen am Tragwerk verlaufenden Zügelgurte bestehen aus stählernen Kastenquerschnitten von ca. 1,50 m Höhe. Es wird erwartet, dass diese Bauteile für Vögel


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deutlich besser wahrnehmbar sind. Die Herstellung ist entsprechend aufwendig, da für den Freivorbau über dem Peenestrom temporäre Hilfsabspannungen erforderlich sind, die später wieder rückgebaut werden müssen. Die Planfeststellung wird Anfang 2018 eingeleitet Der Baubeginn soll dann 2020 erfolgen, so dass eine Inbetriebnahme der Ortsumgehung 2024 erfolgen könnte. 3 Überlegungen zur Vergabepraxis Den vorgestellten Projekten ist gemeinsam, dass es sich um statisch-konstruktiv besonders anspruchsvolle Bauwerke handelt. In der Bauausführung werden bei derartigen Bauwerken immer häufiger Grundsatzdiskussionen zur Umsetzbarkeit des Entwurfs geführt. Die Folge sind langwierige Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien, ein Bauzeitverzug und ein erheblicher Aufwand an personellen Ressourcen, die an anderer Stelle eigentlich dringender benötigt werden. Eine Reaktion auf diese Entwicklung ist, dass die Ausführungsplanung, zumindest in Teilen, durch den Bauherrn beigestellt wird. Damit greift der Bauherr allerdings mehr oder weniger kompetent in die Belange der zur Ausführung kommenden Fachfirmen ein und beschränkt deren Dispositionsfreiheit. Auch dies führt zu Konflikten, die dem Ziel einer weitgehend reibungslosen Bauausführung nicht immer dienlich sind. Eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung ist derzeit nicht in Sicht! Die Zielsetzung des Bauherrn besteht darin, Bauprojekte im vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmen bei Einhaltung der im Bauvertrag vorgegebenen Qualitätsanforderungen umzusetzen.

9 Peenestromquerung Wolgast: Visualisierung der Seilvariante © DEGES GmbH

10 Peenestromquerung Wolgast: Visualisierung der Zügelgurtvariante © DEGES GmbH

Darüber hinaus gibt es ein großes öffen tliches Interesse, Vorhaben so verkehrsverträglich wie möglich und in möglichst kurzer Bauzeit abzuwickeln. Weitere Aspekte kommen hinzu wie die Minimierung von Umwelteingriffen und von baustellenbedingten Immissionen, wie zum Beispiel Staub und Lärm. Es stellt sich die Frage, inwieweit die gängige, durch das Baurecht vorgegebene Vergabepraxis geeignet ist, diese Zielsetzung zu erreichen.

Es mangelt am Dialog mit den ausführenden Firmen im Sinne einer Optimierung des Gesamtpaketes. Daher lohnt es sich, über alternative Vergabeverfahren auch in Deutschland nachzudenken. Autor: Dipl.-Ing. Gregor Gebert DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungsund -bau GmbH, Berlin

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SYMPOSIUM Entwicklung und Anwendung

Verbunddübelleisten im Brückenbau von Günter Seidl, Andreas Danders, Wojciech Lorenc

Kontinuierliche Verbundmittel wie die Kombi-Verdübelung und die Perfobond-Leiste finden seit den 1990er Jahren in Hoch- und Brückenbau ihren Einsatzbereich. Auf der Grundlage verschiedener Forschungsprojekte wurde der Anwendungsbereich weiterentwickelt und ein umfangreiches Bemessungskonzept erarbeitet, das in die europäische Normung Eingang finden wird. In den letzten Jahren wurden im Brückenbau Projekte mit der Verbunddübelleiste im Inland und Ausland realisiert. 1 Einleitung Brücken aus Stahlträgern, die mit Beton ergänzt werden, kennen wir seit Beginn des 19. Jahrhunderts. Beispiele hierfür gibt es von Hennebique, Melan und Emperger [1], die den Stahl in Kombination mit Beton brachten, ohne eine Verbundwirkung anzusetzen. Erste Eisenbahnbrücken wurden als Verbundbrücken mit Walzträgern in Beton Anfang des 20. Jahrhunderts ausgeführt. Dabei spielten die Walzträger, die im Vergleich zu genieteten Stahlträgern um ein vielfaches wirtschaftlicher waren, eine wichtige Rolle. Dem Beton wurde dabei die lastverteilende Rolle, für die er prädestiniert ist, zugewiesen. Außerdem ist er, wenn er den Stahl vollflächig umhüllt, ein dauerhafter Korrosionsschutz. Die Verbundwirkung wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg für die Ingenieure interessant, weil die Rechenmodelle für das Betontragverhalten ausreichend präzise wurden. Die erste normative Grundlage war die EMPA-Richtlinie aus dem Jahre 1944, die Hinweise zur Spannungsberechnung im Stahlträger und in der Betonplatte und zu den Verbundmitteln gab. Ihr folgte in Deutschland 1950 eine »Vorläufige Richtlinie für die Bemessung von Verbundträgern im Straßenbrückenbau«, die als Ergebnis einer Arbeitstagung des Deutschen Stahlbau-Verbandes 1949 und 1950 entstand [2] [3]. Mit dem Ansatz des Schubverbunds zwischen

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Stahlträger und Betonplatte wurden die Übertragungsmittel wichtig. Dem Ingenieur wurde in dieser Richtlinie freie Hand gegeben, die Verbundwirkung zwischen Stahl und Beton herzustellen. Anfänglich wurden aufgebogene Bewehrungsstäbe oder U-förmige Schlaufen zusammen mit Blockdübeln auf die Stahlträger aufgeschweißt. In den 1960er Jahren wurde der Kopfbolzendübel entwickelt. Einem Stahlstab wird ein Kopf aufgestaucht, der zur Rückverankerung der abhebenden Kräfte dient. Der Kopfbolzen wird im Lichtbogenbolzenschweißverfahren auf den Stahlträger aufgesetzt. Mit diesem Verfahren lässt sich der Arbeitsaufwand gegenüber den früheren Verbundmitteln deutlich verringern und es wurde so zum gängigen Verbundmittel im Stahlverbundbrückenbau. 2 Entwicklung der kontinuierlichen Verbundmittel 2.1 Verbunddübelleisten unterschiedlicher Geometrien Mitte der 1980er Jahre wurde von Leonhardt und Andrä ein gelochtes Stahlblech entwickelt, das längs der Stahlträger mit zwei Kehlnähten aufgeschweißt wird [4]. Für die sogenannte Perfobond-Leiste wurde 1991 die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erteilt [5]. Sie kann auf Brückenträger aus Stahl in Längsrichtung in mehreren Reihen aufgeschweißt werden und fand bei zahlreichen Brücken im Ausland ihren Einsatz. Die Perfobond-Leiste findet ihre Hauptanwendung im Brückenbau. Der Stahlträger wird dabei so konzipiert, dass er das Betoniergewicht tragen kann. Durch die Momentenbelastung in diesem Zustand ist ein entsprechend dicker Stahlobergurt notwendig. Im Endzustand ist aber dieser dicke Stahlobergurt meist nicht voll ausgelastet, weil die Betonplatte dessen Tragfunktion größtenteils übernimmt. Parallel dazu wurden von Brendel in Zusammenarbeit mit der Firma Kombi-Tragwerk Trägersysteme mit Betondübeln entwickelt, die in Patentanmeldungen [6] [7] und Gebrauchsmuster mündeten. Für die sogenannte Kombi-Verdübelung wurde im Jahr 2000 die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung erteilt [8].

Während sich die Perfobond-Leiste auf den Brückenbau ausrichtet, indem sie als Schubleiste auf die Träger geschweißt wird, ist die Kombi-Verdübelung auf Verbundträgersysteme im Hochbau fokussiert. Die Praxis ist im Hochbau, dass die Betondecken vom unteren Geschoß durch Lehrgerüste getragen werden. Im Falle der Kombi-Träger müssen daher die Stahlträger nicht ihr Eigengewicht und das Betoniergewicht der Betondecke tragen, sondern werden nach dem Erhärten der Betonplatte unterstützt. Erst dann wird das Konstruktionseigengewicht auf die Verbundträger umgelagert. Dadurch kann der Stahlträger auch ohne Stahlobergurt ausgeführt werden, da durch den Eigengewichtsverbund die Druckkräfte von der Betonplatte übernommen werden. Die Perfobond-Leiste und die Kombi-Verdübelung werden als kontinuierliche Verbundmittel bezeichnet. Im Gegensatz zu den Kopfbolzen, die die Schubkraft über den Dübelfuß punktuell in den Beton einleiten, übertragen die Dübelleisten die Schubkraft über eine Vielzahl von Löchern in der Stahlleiste in den Beton. Mit der Entwicklung der Verbundfertigteil-Bauweise (VFT-Bauweise) wird bereits im Fertigteilwerk ein Eigengewichtsverbund hergestellt. Der Stahlträger wird nicht mehr für die Lasten aus Ortbeton bemessen, sondern der Verbundträger nimmt diese Lasten auf. Der erforderliche Stahlbedarf verringert sich deutlich. Der Obergurt, der beim VFT-Träger nahe der Nulllinie des Querschnitts liegt, ist in seinen Abmessungen konstruktiv auszulegen, weil er kaum Spannungen aus Biegung des Trägers erfährt. Der Stahlobergurt fungiert lediglich als Tragelement für die Kopfbolzendübel. Untersuchungen wurden in Kaiserslautern bei Professor Bode durchgeführt. Die schwalbenschwanzartige Geometrie ist für statische Lasten sehr tragfähig, da der hälftige Flächenanteil des Betons sehr hoch ist.


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Zugleich erzeugen die schmalen Stahldübel eine ausreichende Duktilität der Verbindung. Für dynamische Beanspruchung ist die Schnittlinie in Form von sogenannten Zahndübeln im Hinblick auf die Ermüdung gutmütiger. Der Dübelgrund des Zahndübels ist ausgerundet und erzeugt kaum Spannungsspitzen unter Längsbeanspruchung. Bei VFT-Trägern ist es naheliegend, auf den Stahlobergurt mit seinen Kopfbolzendübeln zu verzichten und den Stahlsteg direkt in das Fertigteil einbinden zu lassen. Neben der Materialersparnis im Obergurt und bei den Kopfbolzendübeln entfällt auch der Arbeitsaufwand für die beiden Halskehlnähte am Obergurt. Um Erfahrung im Umgang Verbunddübelleisten im Brückenbau zu sammeln, werden zwei Stahlprofile nebeneinander angeordnet. Der Querschnitt wurde erstmals bei der Brücke in Pöcking eingesetzt [9]. Es wurde ein Walzträger gewählt, der mittig getrennt wird. Der Trennschnitt hat die puzzleartige Form, die doppelt symmetrisch ist, um keinen Verlust beim Trennschnitt des Walzträgers zu haben. Untersuchungen zur Tragfähigkeit der Verbunddübelleiste wurden an der Universität der Bundeswehr in München durchgeführt, die bereits umfangreiche Erfahrungen mit Betondübeln hatte [10] [11]. Der erste Einsatz im Brückenbau war der Anstoß für die Weiterentwicklung der Verbunddübelleiste. Unterschiedliche Ausformungen der Leiste wurden untersucht. Dabei standen doppelt-symmetrische Schnittformen im Vordergrund.

a)

b)

1 Schnittprinzip der Verbunddübel in Klothoidenform mit Verschnitt a) Prinzipskizze aus [12] und b) in der Fertigung bei ArcelorMittal © ArcelorMittal/SSF Ingenieure AG

2.2 Optimierung der Schnittgeometrie für Ermüdungsbeanspruchung Das Projekt »PrecoBeam« des europäischen Research Fund for Coal and Steel (RFCS) trieb die Untersuchungen im Hinblick auf eine Verbesserung der Schnittlinie entscheidend voran. Ausgangspunkt waren die Geometrien Puzzle und Sägezahn. Bei beiden Formen war von Nachteil, dass sie in der Herstellung kompliziert waren. Durch die enge Schnittführung und die Eigenspannungen im Stahlträger, in der Regel als Walzträger ausgeführt, verspannten sich die getrennten Trägerhälften so, dass das Separieren der Träger einen wesentlichen Kostenfaktor darstellte. Außerdem war speziell der Sägezahn mit seinem scharfen Hinterschnitt wenig für hochzyklische Belastungen geeignet. Gesucht wurde eine Schnittführung, die im Dübelgrund eine stetige Übergangslinie zum Stahldübel ermöglicht und zugleich den konstruktiven Regeln für eine kerbarme Form folgt. In Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Breslau und der französischen Sétra wurde die sogenannte Klothoidenform erarbeitet [12] und bildete ein wichtiges Ergebnis des Forschungsprojekts [13]. Bild 1 zeigt die Schnittlinie und die Ausführung im Stahlwerk.

2.3 Bemessungsregeln für Verbunddübelleisten Im Rahmen des Forschungsvorhabens P 804 der Forschungsvereinigung für Stahlanwendung (FOSTA) wurden alle Forschungsergebnisse zusammengetragen [14]. Auf dieser Grundlage wurden weitere Versuchsreihen durchgeführt und ein Bemessungskonzept für die Zulassung zur Verfügung gestellt. Die allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-26.4-56 »Verbunddübelleisten« [15] hat sich in vielen Projekten in der Praxis bewährt. Die Zulassung bildet die Grundlage zur Einführung der Verbunddübelleiste in die nächste Version des Eurocodes 4 (EC 4), der durch einen Anhang ergänzt werden wird. Ziel der Überarbeitung der Eurocodes ist eine Straffung der Vorschrift. Daher wird auch die Bemessung der Verbunddübelleiste für den Eurocode gegenüber der Zulassung deutlich vereinfacht. Die Zulassung umfasst derzeit mit der Puzzleform (PZ) und der Klothoidenform (CL) zwei Dübelgeometrien. In der Praxis zeigt sich, dass die Klothoidenform sich durch eine höhere Tragfähigkeit und ein gutmütigeres Verhalten gegenüber Ermüdung auszeichnet. Der EC 4 wird daher nur die Dübelform der Klothoide regeln.

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SYMPOSIUM Die Zulassung sieht für den Grenzzustand der Tragfähigkeit die drei Kriterien Abscheren Psh, Ausstanzen Ppo und Stahlversagen Ppl für das Versagen vor.

Da das Abscherkriterium nur bei sehr tief im Betongurt eingebetteten Verbunddübelleisten theoretisch zum Tragen kommt, wird das Abscherkriterium durch das Ausstanzkriterium begrenzt, indem der Ausbruchkegel begrenzt und durch einen Abminderungsfaktor cr für den Einfluss der Rissbildung erweitert wird:

2 Darstellung der Randbedingungen als Vorschlag zum Eurocode 3, Anhang D © Wojciech Lorenc

Der Ausbruchkegel wird dabei auf 240 mm Höhe theoretisch begrenzt.

Der Bewehrungsgrad ρDi im Dübel wird auf 6 % begrenzt:

Bild 2 zeigt die erweiterten, geometrischen Randbedingungen auf Grundlage der Zulassung. Zentral ist die geometrische Anpassung der Form der Bügel in den Verbunddübeln. Für den Ausbruchkegel der Höhe hpo= min (co + 0,07 ∙ ex; cu + 0,13 ∙ ex) wird festgelegt, dass er nicht über den Rand der Platte oder des Steges hinausreichen soll. Daraus ergibt sich die Bedingung zu hpo ≤ ev + 0,13 ex, um theoretisch einen Ausbruch an der Stegaußenseite zu vermeiden, wenn die Verbunddübel tief in den Betonstegen liegen. Der Abstand zwischen den Stahlzähnen wird dabei mit ex bezeichnet.

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Die Rissbildung im Beton wird auf Grundlage der Untersuchungen von [16] festgelegt. Der Faktor zur Abminderung im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit cr wird festgelegt zu

Der Rissabstand bestimmt sich zu sr = min (0,6hc|250 mm). Der Rissabstand tritt ein, wenn die Zugspannung im Beton unter charakteristischer Lasteinwirkung überschritten wird. Im ungerissenen Beton entfällt eine Abminderung ( cr = 1,0). Die Seite des Betons, für die cr ermittelt wird, ergibt sich aus cu und co im Verhältnis zur Höhe des Ausbruchkegels hpo. Der Auswertung in [16] liegt eine Rissweite von 0,2 mm im Gebrauchszustand zugrunde, also für den Brückenquerschnitt im elastischen Zustand.

3 Fertigungstoleranzen bei der Herstellung der Stahldübel © Wojciech Lorenc

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Der in der Zulassung aufgeführten Bemessungsformel für Betonausbruch liegt eine Rissweite von 0,15 mm zugrunde, so dass die Formel mit der Abminderung cr auf der konservativen Seite liegt. In Anlehnung ab DIN EN 1994-2, 6.6.3.2 kann eine Zugbeanspruchung senkrecht zur Verbundwirkung vernachlässigt werden, wenn sie < 10 % der Schubtragfähigkeit der Verbindung ist. Der Nachweis der Ermüdung der Verbunddübelleisten wird in Anlehnung an die Zulassung übernommen. Weiterhin werden ausführliche Empfehlungen zur Ausführung der Stahldübel gegeben (Bild 3).


SYMPOSIUM 3 Fertigteilbauweisen im Brückenbau Im Brückenbau ist die Tendenz zu einer erhöhten Vorfertigung von Bauwerkskomponenten im Werk seit den 1970er Jahren zu beobachten. Stahlträger wurden schon immer in möglichst großen Einheiten vorgefertigt. Durch höhere Krankapazitäten bei mobilen Hebezeugen konnten nun auch schwerere Fertigteile verlegt werden. Die Spannbetonfertigteile wurden in dieser Zeit zu einer weitverbreiteten Bauweise. Speziell über bestehenden Verkehrsstrecken haben sie große Vorteile im Bauablauf, da sie in kurzen Sperrzeiten eingehoben werden können. Allerdings wiegen Träger bei größeren Spannweiten weit über 80 t und sind schwierig zu transportieren, so dass ihr Einsatzbereich auf 35 m begrenzt ist. Als Alternative wurden Ende der 1990er Jahre Verbundfertigteilträger (VFT-Träger) entwickelt, die deutlich größere Spannweiten bei vergleichsweise geringen Verlegegewichten überbrücken [17]. Der Einsatzbereich der VFT-Bauweise beginnt bei ca. 30 m und hat seine Grenzen bei ca. 65 m. Neben den großen Spannweiten kann der VFT-Träger in eine Widerlagerwand eingespannt werden. Aus der Betonfertigteilplatte, die über die Kopfbolzendübel fest mit dem Stahlträger verbunden ist, bindet die Bewehrung direkt in die Widerlagerwand ein. Ein Rahmeneck bildet sich durch die Zugbewehrung im Betonobergurt und einer Druckplatte am Ende des Stahlträgeruntergurts aus. Dies führte in Deutschland dazu, dass Überführungen über Verkehrswege ohne Mittelstütze ausgeführt werden können. Die Konstruktionshöhe der VFT-Träger wird zum Widerlager hin erhöht, um die Stützmomente abzudecken. In Feldmitte ist der Träger schlank zu dimensionieren. Das Lichtraumprofil des unterführten Verkehrswegs wird so ideal freigehalten. Die Bauweise mit VFT-Trägern hat bei weitgespannten Brücken ohne Mittelunterstützung ihren festen Einsatzbereich gefunden. Ihr Erfolg ist auf die konsequente Verfolgung der Grundidee des Verbundbaus zurückzuführen, die Eigenschaften der Materialen ihrer Beanspruchungsart zuzuweisen, Beton auf Druck und Stahl auf Zug. Darüber hinaus lässt sich durch den Betonflansch der Verbundfertigteilträger effektiv die Einspannwirkung bei Rahmensystemen konstruktiv durchbilden [18] [19]. Es gibt im In- und Ausland zahlreiche Beispiele für weitgespannte Rahmen in VFT-Bauweise. Die größte Brücke befindet sich in Danzig mit einer Spannweite von 63 m.

4 VFT-Rahmenbrücke mit 63 m Spannweite in Danzig © Günter Seidl

Die Verbunddübelleisten ermöglichen es nun, den Stahlsteg des geschweißten Trägers direkt in den Betonflansch einbinden zu lassen. Werden Walzträger mittig getrennt, können auch zwei Stege in den Obergurt eingebunden werden. Es entsteht ein sehr robuster Querschnitt, der speziell auf Anfahrschäden einen großen Widerstand zeigt (Bild 5b). Werden Walzträger verwendet, ist die Konstruktionshöhe des Querschnitts jedoch auf das halbe Walzträgermaß beschränkt.

Wenn nur ein Stahlträger angeordnet wird, kann die Konstruktionshöhe durch einen Betonsteg, in den die Verbunddübelleiste einbindet, beliebig erhöht werden (Bild 5a und Bild 6). Der Verwendungsbereich dieser Verbundfertigteilträger mit Walzträger im Betonsteg, kurz VFT-WIB, wird nur vom Verlegegewicht begrenzt.

5 VFT-Träger mit a) einem und b) zwei Walzträgern im Querschnitt © SSF Ingenieure AG

6 Prinzipskizze: VFT-WIB mit veränderlicher Trägerhöhe © SSF Ingenieure AG

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SYMPOSIUM

Die Verlegegewichte der Bauarten sind das wichtigste Kriterium für den Einsatzbereich der Bausysteme. In Bild 7 sind die Gewichte gegenübergestellt. Die Stegbreite des Spannbetonfertigträgers ist mindestens mit 60 cm auszuführen. Der Einsatzbereich geht mit maximal 90 t bis knapp 40 m. Die Vorschriftenlage für Straßenbrücken beschränkt die Länge jedoch auf 35 m. Der VFT-Träger ist als klassischer Verbundträger das leistungsfähigste System, große Spannweiten mit geringem Eigengewicht zu überbrücken. Der wirtschaftliche Einsatzbereich beginnt bei 30–35 m. Die größten Stützweiten, die realisiert wurden, liegen bei 65 m. Zwischen diesen beiden Systemen findet der VFT-WIB-Träger mit Verbunddübelleisten seinen Einsatzbereich. Er ist nahezu so günstig herzustellen wie ein Spannbetonfertigteil, jedoch durch den an der äußersten Faser angeordneten Stahlgurt sehr leistungsfähig. Der wirtschaftliche Einsatzbereich beginnt bei 20–25 m und endet wegen seines Verlegegewichts bei ca. 45 m. 4 Brücken mit Verbunddübelleisten 4.1 Feuerverzinkte VFT-WIB-Brücke in Osendorf bei Halle Nach der erfolgreichen Anwendung eines feuerverzinkten Stahlblechträgers über die A 44 lag es nahe, bei einer Brücke in VFT-WIB-Bauweise ebenfalls die Stahltragstruktur verzinkt auszuführen. Die Bauweise bietet sich in ihrer Konstruktionsart mit externer Bewehrung für diesen Korrosionsschutz an. Der mittig getrennte Walzträger ist arm an Eigenspannungen und durch seine T-Form im Zinkbad leicht zu handhaben. Die Brücke überführt einen Wirtschaftsweg über das Überschwemmungsgebiet der Saale-Elster-Aue. Um einen ausreichenden Durchflussquerschnitt im Fall eines Hochwassers freizuhalten, wurde eine sehr schlanke Konstruktion erforderlich. Mit einer Spannweite von 21,00 m liegt das Bauwerk in einem Bereich, in dem die VFT-WIB-Bauweise sehr wirtschaftlich ist (Bild 9). Im Querschnitt mit einer Breite von 4,50 m zwischen den Geländern liegen zwei Fertigteilträger mit einer Breite von 2,26 m. Die Träger sind veränderlich hoch mit 0,45 m in Feldmitte und 1,15 m am Widerlager. Die Ortbetonergänzung ist 0,25 m dick (Bild 8). Das Rahmentragwerk ist auf fünf Bohrpfählen mit D = 90 cm gegründet.

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7 Einsatzbereiche und Vergleich der Verlegegewichte von Spannbetonträger, VFT- und VFT-WIB-Träger © SSF Ingenieure AG

8 Querschnitt der Elsterbrücke Osendorf © SSF Ingenieure AG

9 Längsschnitt der Elsterbrücke Osendorf © SSF Ingenieure AG


SYMPOSIUM Die T-förmigen Stahlprofile wurden aus einem Walzträger HD 320 x 300 der Güte S 355ML mit einem Trennschnitt in Klothoidenform hergestellt. Bei der Stahlauswahl wurde darauf geachtet, dass der Stahl für eine Verzinkung geeignet ist (Bild 10). Dabei ist anzustreben, dass der Siliziumgehalt zwischen 0,14 und 0,35 Gewicht-% liegt. Außerdem sollen alle verwendeten Stahlbauteile einen ähnlichen Siliziumanteil aufweisen, um gleiche Schichtdicken im Zinkbad zu erreichen. Der Phosphorgehalt des Stahls muss unter 0,035, der Aluminiumgehalt unter 0,03 Gewicht-% bleiben.

Da die Kessellängen für die Verzinkung derzeit auf 16 m begrenzt sind, wurden die Träger mittig geteilt. Die Teilung lässt auch einen sehr günstigen Transport der Stahlträger ins Fertigteilwerk zu. Dort wurden die Träger mittig verschweißt und die Schweißnähte plan verschliffen. Um den Schweißstoß wurde eine Spritzverzinkung aus dem Werkstoff ZnA115 auf Sa3 gestrahlten Flächen aufgebracht und versiegelt. Im Fertigteilwerk wurden die Betonteile der Güte C 50/60 ergänzt und im Bauwerk verlegt. Die Brücke ist seit Frühjahr 2017 unter Verkehr [20].

Bauherr Stadt Halle, Abteilung Straßen- und Brückenbau Entwurf und Ausführungsplanung SSF Ingenieure AG, Halle Baudurchführung Osterburger Straßen-, Tief- und Hochbau GmbH, Osterburg

10 Externe Bewehrung mit Verbunddübelleisten im Zinkkessel © SSF Ingenieure AG

11 VFT-WIB mit verzinktem Konstruktionsstahl bei der Brücke Osendorf © SSF Ingenieure AG

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SYMPOSIUM 4.2 Straßenbrücke über die Bahn bei Elbląg Im Zuge des vierstreifigen Ausbaus der Schnellstraße von Warschau nach Danzig wurde die bestehende Brücke erneuert. Die Schnellstraße bildet den südlichen Teil des Straßenrings um Elbląg und führt weiter Richtung Malbork (Marienburg). Die bestehende Spannbetonbrücke wurde mit einer Brücke aus Verbundfertigteilen mit Walzträgern in VFT-WIB-Bauweise projektiert. Bei VFT-WIB-Trägern ist die Nachbehandlung des Betonfertigteils von zentraler Bedeutung. Wird der Beton bei kühlen Temperaturen eingebracht, der Stahlträger nicht ausreichend vor Auskühlen geschützt und der Beton nicht entsprechend nachbehandelt, kann es zur Rissbildung im Steg kommen. Die Risse bilden sich dann im Feldbereich und im unteren Teil des Betonsteges aus.

12 VFT-WIB-Träger mit unterschiedlichen Stahlsteghöhen: konstant und gevoutet © SSF Ingenieure AG

13 Querschnitte typisiert am Widerlager, im Viertelspunkt und in Feldmitte © SSF Ingenieure AG

14 Längsschnitt der Brücke Elbląg © SSF Ingenieure AG

Bei diesem Entwurf wurden daher die Stege der externen Bewehrung nach oben gezogen, um das Verlegegewicht des Trägers zu reduzieren und eine Rissbildung im Betonsteg zu vermeiden (Bild 13). Hier ändert sich auch die Höhe des Stahlträgers und des Betonsteges über die Trägerlänge. Über der Stütze wird der Betonsteg bis auf den Untergurt gezogen, um Druckkräfte aus dem negativen Stützmoment im Betonsteg abtragen zu können (Bild 12). Das Stahlprofil wirkt als externe Bewehrung. Zur Feldmitte hin wandert die Druckkraft in den Obergurt, und der Trägersteg liegt in der Zugzone. Um die Zugspannungen im Steg aufzunehmen, wird der Stahlsteg im Feldbereich bis zum Fertigteilobergurt gezogen. So entsteht ein Träger, dessen Stahluntergurt parallel zum Obergurt verläuft, der Stahlsteg jedoch variabel ist. Bei großen Spannweiten mit entsprechenden Trägerhöhen ergibt sich der Vorteil, dass keine Zugspannungen im Beton entstehen und zu einem Rissbild führen. Zugleich verringert sich das Verlegegewicht der Träger erheblich. Der Einsatzbereich der Bau-

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weise erweitert sich deutlich, da die verfügbaren Hebegeräte längere Träger verlegen können. Werden die Stützweiten größer, ist der auflagernahe Bereich mit

einer Voute zu versehen. Diese lässt sich einfach realisieren, indem der Bereich des niedrigen Stahlsteges mit einem Bogen überhöht wird.

15 Regelquerschnitt der Brücke Elbląg am Widerlager und in Feldmitte © SSF Ingenieure AG


SYMPOSIUM Die Brücke ist im Grundriss im Radius R = 750 m trassiert. Sie spannt über fünf Felder mit Spannweiten von 37,85– 38,25 m. Dabei ist der Pfeiler in Achse 4 fest in den Überbau eingespannt und bildet den Brückenfestpunkt. Die Bauhöhe des Verbundquerschnitts ist veränderlich von 1,65 m an der Stütze bis 1,15 m im Feld mit Schlankheiten von 1/33 bis 1/25 [21]. Im Querschnitt sind sechs Träger angeordnet (Bild 15). Sie binden über der Stütze und am Widerlager in Ortbetonquerträger ein (Bild 17). An Achse 4 wird auf die Lager verzichtet, und der Querträger ist monolithisch mit den Stützen verbunden. Achse 4 bildet die Längsfesthaltung der Brücke. Der Betonsteg ist veränderlich hoch und bindet in das geschweißte Stahlprofil ein. Im Übergangsbereich werden Öffnungen im Stahlsteg vorgesehen, in die die Bügel gesteckt werden. So gibt der Stahlsteg im Übergangsbereich kontinuierlich die Querkraft an die Bügel und damit an den Betonsteg ab (Bild 16). Für den Nachweis der Verdübelung ist im Feldbereich eine Aufweitung notwendig, um den Betonausbruchkegel an der Plattenunterseite nachweisen zu können. Die bis zu 65 t schweren Verbundträger wurden mit einem Autokran eingehoben. Bauherr General Directorate of National Roads and Motorways, Warschau Entwurf und Ausführungsplanung Europrojekt Gdańsk S. A., Danzig Baudurchführung Vistal Gdynia S. A., Gdynia

16 Übergangsbereich vom hohen Betonsteg an der Stütze zum hohen Stahlsteg im Feldbereich © Günter Seidl

17 Einbindung der VFT-WIB-Träger in die Stützen über einen Ortbetonquerträger © Europrojekt Gdańsk s. A.

4.3 Brücke zur Halbinsel Sobieszewo bei Danzig In der Entwicklung der Querschnitte bei der Brücke Elbląg wurde das Verfahren weiter verbessert. Dem Stahl wird bei der Hubbrücke nach Sobieszewo nur noch die Zugbeanspruchung zugewiesen. Zur Halbinsel Sobieszewo führt derzeit eine bewegliche Pontonbrücke über die Martwa Wisła (Tote Weichsel). Die Pontonbrücke lässt momentan eine nur sehr langsame Fahrweise der Fahrzeuge zu.

Zugleich sind die Unterbrechungen sehr lang, wenn die Pontons seitlich verschwenkt werden, um ein Schiff passieren zu lassen. Die neue Hubbrücke wird die bestehende Pontonbrücke ersetzen und ist derzeit im Bau. Sie ist 173,00 m lang und geht über fünf Felder. Die Schifffahrtsöffnung wird mit 59,50 m + 2 x 6,75 m überspannt, die vier Randfelder mit je 25,00 m.

18 Längsschnitt der neuen Hubbrücke über die Martwa Wisła bei Danzig © Europrojekt Gdańsk s. A.

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SYMPOSIUM

Die Randfelder werden als Fertigteile in Verbundbauweise ausgeführt. Dabei werden die Träger nicht in voller Breite hergestellt, sondern mit einer Lücke verlegt. Die Innenträger haben eine Obergurtbreite von 1,20 m, die Randträger eine Breite von 1,40 m. Die Zwischenräume werden durch Fertigteilplatten mit Abmessungen von 2,24 m x 1,12 m abgedeckt. Der Bauablauf sieht vor, die Träger auf die Pfeiler und Widerlager zu verlegen und die Rahmenecken und Querträger zu betonieren. Anschließend werden die Betonplatten verlegt und mit der Ortbetonplatte ergänzt.

19 Querschnitt der Brücke Sobieszewo © Europrojekt Gdańsk s. A.

Bauherr Stadt Danzig Entwurf und Ausführungsplanung Europrojekt Gdańsk S.A., Danzig Baudurchführung Metrostac a. s., Prag Vistal Gdynia S. A., Gdynia

21 Herstellung der Stahlträger © Wojciech Lorenc

20 Ansicht eines VFT-WIB-Trägers mit zugehörigen Querschnitten © Europrojekt Gdańsk s. A.

5 Ausblick und Danksagung Die Übertragung der Schubkräfte zwischen Beton und Stahl über die Verbunddübelleiste eröffnet dem Verbundbau neue Konstruktionsformen. Derzeit wird eine Vielzahl neuartiger Brückentypen entworfen und gebaut. Die Erfahrungen am Markt werden zeigen, welchen Lösungen wirtschaftlich und robust in der Umsetzung sind. An dieser Stelle sei den Forschungsmittelgebern, der Forschungsvereinigung für Stahlanwendung (FOSTA) und dem Research Fund for Coal and Steel (RFCS), für das entgegengebrachte Vertrauen und die finanzielle Unterstützung der Projekte gedankt. Autoren: Dr. Günter Seidl SSF Ingenieure AG, Berlin Dipl.-Ing. Andreas Danders SSF Ingenieure AG, Halle Prof. Dr. hab. inż. Wojciech Lorenc Technische Universität Breslau

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22 VFT-WIB-Träger nach Einbringung © Wojciech Lorenc

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SYMPOSIUM

Literatur [1] Emperger, F.v.: Handbuch für Eisenbetonbau. Der Baustoff und seine Bearbeitung. Band II, 2. A., Berlin, 1911. [2] Sonderheft »Stahlverbundbauweise«. Der Bauingenieur 25, Heft 3, Berlin, 1950. [3] 2. Sonderheft »Stahlverbundbauweise«, Der Bauingenieur 25, Heft 8, Berlin, 1950. [4] Leonhardt, F., Andrä, W., Andrä, H.P., Harre, W.: Neues, vorteilhaftes Verbundmittel für Stahlverbund-Tragwerke mit hoher Dauerfestigkeit; in: Beton- und Stahlbetonbau, Heft 12, 1987, S. 325–331. [5] Zulassungsbescheid Z-26.1-23: Perfobond-Leiste. Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin, 1991. [6] Deutsches Patentamt, Offenlegungsschrift DE3503410A1, 1985. [7] Deutsches Patentamt, Offenlegungsschrift DE3836592A1, 1989. [8] Zulassungsbescheid Z-26.4-39: Kombi-Verdübelung. Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin, 2000. [9] Schmitt, V., Seidl, G., Hever, M., Zapfe, C.: Verbundbrücke Pöcking, Innovative VFT-Träger mit Betondübeln; in: Stahlbau, 73. Jg., 2004, Heft 6, S. 387–393. [10] Wurzer, O.: Zur Tragfähigkeit von Betondübeln. Dissertation. Berichte aus dem konstruktiven Ingenieurbau, Universität der Bundeswehr, München, 1997.

[11] Zapfe, C.: Trag- und Verformungsverhalten von Verbundträgern mit Betondübeln zur Übertragung der Längsschubkräfte. Dissertation. Berichte aus dem konstruktiven Ingenieurbau, Universität der Bundeswehr, München, 2001. [12] Berthellemy, J. et al.: Premiers résultats du projet de recherche européen Precobeam de connexion par découpe d‘une tôle; in: Revue Construction Métallique, No. 3, 2009, p. 3–26. [13] Seidl, G. et al.: Prefabricated enduring composite beams based on innovative shear transmission (Preco-Beam). Final report. European Commission, Brussels, 2013. [14] Feldmann, M., Gündel, M., Kopp, M., Hegger, J., Gallwoszus, J., Heinemeyer, S., Seidl, G., Hoyer, O.: Neue Systeme für Stahlverbundbrücken. Verbundfertigteilträger aus hochfesten Werkstoffen und innovativen Verbundmitteln. FOSTA Forschungsvereinigung für Stahlanwendung. Endbericht zum Forschungsvorhaben P 804. Düsseldorf, 2012. [15] Deutsches Institut für Bautechnik: Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung Z-26.4-56 »Verbunddübelleisten«, Berlin, 13.05.2013. [16] Classen, M., Hegger, J.: Assessing the pry-out resistance of open rib shear connectors in cracked concrete, engineering model with aggregate interlock; in: Engineering Structures 148, 2017, p. 254–262.2 [17] Schmitt, V., Seidl, G.: Verbundfertigteil-Bauweise im Brückenbau; in: Stahlbau, 70. Jg., 2001, Heft 8, S. 546–553.

[18] Braun, A., Weizenegger, M., Seidl, G.: Rahmentragwerke im Brückenbau; in: Beton- und Stahlbetonbau, 101. Jg., 2006, Heft 3, S. 187–197. [19] Schmitt, V., Seidl, G.: Verbundfertigteil-Bauweise im Brückenbau; in: Beton- und Stahlbetonbau, 70. Jg., 2001, Heft 8, S. 546–553. [20] Seidl, G., Danders, A., Gunkel, F., Rademacher, D., Pinger, T.: Elsterbrücke Osendorf – eine feuerverzinkte Verbundbrücke mit externer Bewehrung; in: Stahlbau, 86 Jg., 2017, Heft 2, S. 175–182. [21] Lorenc, W., Kołakowski, T., Hukowicz, A., Seidl, G.: Verbundbrücke bei Elbląg. Weiterentwicklung der VFT-WIB-Bauweise; in: Stahlbau, 86 Jg., 2017, Heft 2, S. 167–174.

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SYMPOSIUM Umgang mit technischen Herausforderungen

Brückenbau im Großprojekt VDE 8 von Reiner Selig

Nach ca. 25 Jahren Planungs- und Bauzeit nahm im Zuge des Großvorhabens »Verkehrsprojekte Deutsche Einheit Nr. 8« (VDE 8) die Bahnstrecke Nürnberg–Erfurt–Leipzig/Halle– Berlin am 10. Dezember 2017 planmäßig den Betrieb auf. Eine der längsten Brücken des Großprojekts, die 868 m lange Itztalbrücke, wurde etwa zwölf Jahre vor Inbetriebnahme der Strecke errichtet. Die konstruktive Durchbildung bewirkt bei der Itztalbrücke eine stark ausgeprägte Interaktion zwischen Gleis und Brückentragwerk. Im Rahmen der Nachweisführung für die Feste Fahrbahn wurde die ursprüngliche Ausführungsplanung der Brücke überprüft und dabei festgestellt, dass die im Zuge des Brückenbaus erarbeiten Nachweise für die Schienenspannung fehlerhaft waren. Zur Ertüchtigung wurden diverse Maßnahmen untersucht sowie ein ausführliches Risikomanagementverfahren gemäß CSM-Verordnung einschließlich umfangreicher Großund Laborversuche durchgeführt. Im Ergebnis konnte der Nachweis gleicher Sicherheit rechtzeitig und erfolgreich erbracht und somit eine Grundlage für einen dauerhaft sicheren Eisenbahnbetrieb auf der Itztalbrücke als Teil des VDE 8 geschaffen werden.

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1 Transeuropäisches Verkehrsnetz (TEN-V) und VDE 8 © DB Netz AG

1 Das Großprojekt VDE 8, die Neubaustrecke VDE 8.1 und ihre Brücken Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 (VDE 8) umfasst die Verbindung zwischen Nürnberg und Berlin sowie die Bahnknoten Erfurt, Leipzig und Halle. Das 10-Mrd.-€-Projekt wurde 1991 von der Bundesregierung beschlossen, um die Verkehrsanbindung zwischen Ost und West und zwischen Nord und Süd zu verbessern. Es ist gleichzeitig ein Lückenschluss im deutschen Schnellbahnnetz. Im Dezember 2017 ging mit dem letzten Teilprojekt VDE 8.1 zugleich auch das Gesamtprojekt VDE 8 in Betrieb. Die zulässige Geschwindigkeit auf den Neubaustrecken beträgt nunmehr bis zu 300 km/h. Der Strecke liegen die folgenden Trassierungswerte der Linienführung zugrunde: – Regelradius: 6.300 m – Mindestradius: 3.700 m – Maximale Längsneigung: 12,5 ‰, auf Teilstücken 20 ‰ – Regelausrundung: 25.000 m – Mindestausrundung: 22.500 m Die Deutsche Bahn bringt Menschen zwischen München und Berlin mittlerweile in weniger als 4 h von Innenstadt zu Innenstadt. Auch in Europa stellt das VDE 8 nunmehr ein wichtiges Bindeglied der Schienenverbindungen von Skandinavien bis zum Mittelmeer dar.

In vielen Bereichen sind beim Bau der Strecke ingenieurtechnische Maßstäbe gesetzt worden: bei Sicherheit, Schallund Umweltschutz, Streckenbau und -ausrüstung, beim Bau der Tunnel. Auch die Brückenbauwerke sind Meilensteine des Eisenbahnbaus. Die Neubaustrecke VDE 8.1 Ebensfeld–Erfurt verläuft fast zur Hälfte auf Brücken oder in Tunneln: 53 km von 107 km Gesamtstrecke. Hierbei sind insgesamt 29 Talbrücken in einer Gesamtlänge von 12 km entstanden. Zusätzlich sind 23 kleinere Eisenbahnbrücken und 46 Straßen- und Wegebrücken zur Wiederherstellung der durch die Neubaustrecke (NBS) unterbrochenen Verkehrsbzw. Wegebeziehungen erforderlich. Der Grundgedanke der Brückenentwürfe auf der Neubaustrecke VDE 8.1 waren die Minimierung des Eingriffs in die Talräume und eine größtmögliche Transparenz zur optimalen Einbindung der Bauwerke in die reizvollen Landschaften der Freistaaten Bayern und Thüringen. Die Brücken überspannen in der technisch möglichen Spannweite die Täler, um den Talraum nicht zu beeinträchtigen. Die Herausforderung war, eine Verbindung zwischen Natur, Technik und Mensch zu schaffen.


SYMPOSIUM

2 Eisenbahnüberführung Itztalbrücke (vorne) sowie die parallel verlaufende Itztalbrücke der Autobahn 73 © Hajo Dietz/Luftbild Nürnberg

Die Brücken wurden in den unterschiedlichsten Bauarten, zum Beispiel Stabbogen aus Stahl oder Spannbetonhohlkasten, und Bauverfahren, zum Beispiel Taktschiebeverfahren oder Vorschubrüstung, gefertigt sowie in verschiedenen Zeiträumen gebaut und fertiggestellt. Eine der längsten Brücken der Neubaustrecke VDE 8.1 und damit auch des gesamten Großprojekts VDE 8 ist die 868 m lange 15-feldrige Itztalbrücke. An ihrem Beispiel werden im Rahmen des Vortrags sowie im folgenden Text die Erfahrungen und technischen Herausforderungen

beim Brückenbau im Zuge des gewaltigen Infrastrukturprojekts VDE 8 Bahnstrecke Nürnberg–Erfurt–Leipzig/ Halle–Berlin vorgestellt. 2 Die Itztalbrücke und ihre technischen Herausforderungen 2.1 Grundlagen und Bau der Itztalbrücke Die Itztalbrücke wurde 2003–2005, also ca. zwölf Jahre vor Inbetriebnahme der Gesamtstrecke, errichtet. Sie befindet sich auf der Neubaustrecke zwischen Ebensfeld und Erfurt im Bereich von

km 107,714–km 108,582. Die Neubaustrecke verläuft in diesem Abschnitt östlich von Coburg. Mit der 868 m langen und maximal 30 m hohen Brücke überquert die Strecke das Tal der Itz zwischen Dörfles-Esbach und Rödental.

3 4 Lage und Einordnung der Itztalbrücke im Großprojekt VDE 8 © DB Netz AG

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SYMPOSIUM

5 Itztalbrücke der Bahn (links) und der Autobahn (rechts) © Marx Krontal GmbH

Das Bauwerk zeichnet sich durch eine schlanke und transparente Gestaltung aus, eine Stahlverbundkonstruktion mit untenliegenden Stahlfachwerkträgern. Die Brücke ist auf 14 Pfeilern und zwei Widerlagern, die Verbindung mit dem Erddamm am Anfang und Ende der Brücke, mittels Bohrpfahlgründung gegründet. Die Spannweite zwischen den Pfeilern beträgt 58 m. Der Bau der Brücke war Teil einer komplexen Verkehrslösung. Sie stand in engem Zusammenhang mit dem Bau der parallel geführten Autobahnbrücke der A 73 und der Umverlegung der kreuzenden Staatsstraße 2202. Vor allem die Autobahnbrücke Itztal, die westlich in ca. 25 m Abstand errichtet wurde, machte umfangreiche Koordinierungsmaßnahmen zwischen der Deutschen Bahn und der Autobahndirektion Nordbayern erforderlich.

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6 Auf einen Blick: Zahlen und Fakten zur Itztalbrücke © DB Netz AG

Wegen der geringen Tragfähigkeit des Baugrunds im Itztal mussten umfangreiche Vorbereitungen getroffen werden. Die beiden Widerlager und die 14 Stahlbetonhohlpfeiler wurden als Tiefgründung angelegt – mittels bis zu 30 m tiefen Großbohrpfählen mit einem Durchmesser von 1,20 m. Vor ihrem Bau war an der nördlichen Talflanke eine ehemalige Abfalldeponie saniert worden. In deren Hang wurde das nördliche Widerlager gegründet, weshalb der Untergrund standsicher gemacht werden musste. Zudem befand sich im Bereich des südlichen Widerlagers ein ehemaliges Munitionsdepot. Von den unterirdischen Bauwerken lagen nur unzureichend Pläne vor, so dass teilweise noch während der Bauausführung erkundet werden musste.

Auf die Pfeilerköpfe wurde nach Herstellung der Pfeiler ein am Boden vormontiertes Stahlstrebenfachwerk, insgesamt 2.600 t wiegend, mit Mobilkränen als Zwei- bzw. Dreifeldtragwerk aufgesetzt. Auf den Obergurten dieses Tragwerkes ist abschließend eine 45 cm dicke Betonfahrbahnplatte im Pilgerschrittverfahren betoniert worden. Mit dieser flachen und transparenten Konstruktion sollen die Sichtbeziehungen im Itztal möglichst wenig gestört werden. Als Oberbau wurden im Bereich der Brücke und darüber hinaus die Feste Fahrbahn System ÖBBPorr eingebaut. Die Schienen laufen lückenlos über den Brückenüberbau und die anschließenden Bahnkörper durch.


SYMPOSIUM

7 Längsschnitt, statisches System und Querschnitt der Itztalbrücke © Marc Wenner

2.2 Interaktion von Brückentragwerk und Oberbau Grundsätzlich wirken das Brückentragwerk (Überbau und Unterbauten) und der Oberbau (Feste Fahrbahn mit Schienen) bei der Abtragung der Längskräfte aus Bremsen und Anfahren zusammen. Die Längskräfte werden dabei teilweise über die Schienen bis zum Erdbauwerk hinter den Widerlagern sowie teilweise über die Brückenlager und die Unterbauten in die Gründung weitergeleitet. Die freie Bewegung des Brückenüberbaus wird durch die lückenlos durchlaufenden Schienen behindert. In den Schienen entstehen Längskräfte aus Verformungen des Überbaus, zum Beispiel infolge Temperaturänderungen, vertikaler Belastung, Anfahr- und Bremslasten sowie Schwindens und Kriechens. Eine große Rolle spielen auch die Steifigkeiten der Unterbauten gegen Horizontalverschiebung in Brückenlängsrichtung. Die Einflüsse aus dem Zusammenwirken (Interaktion) von Brückentragwerk und Oberbau müssen sowohl bei der Dimensionierung der Brückentragkonstruktion als auch beim Nachweis der Schienen (Einhaltung der zulässigen Schienenspannungen) berücksichtigt werden. Die große Bauwerkslänge, die verhältnismäßig geringe Längssteifigkeit der als Festpunkt ausgebildeten hohen Pfeiler sowie die lückenlose Führung des Gleises bewirken bei der Itztalbrücke eine stark ausgeprägte Interaktion zwischen Gleis und Brückentragwerk.

2.3 Technische Oberbau Herausforderungen und -Lösung Im Zuge der Nachweisführung zur Oberbau-Tragwerk-Interaktion für die Feste Fahrbahn wurde im Jahr 2015 die ursprüngliche Ausführungsplanung der Brücke überprüft. Dabei wurde erkannt,

dass die im Zuge des Brückenbaus erstellten Nachweise für die Schienenspannung fehlerhaft sind. Eine neuerliche, korrigierte Nachweisführung wies deutliche Überschreitungen der zulässigen Schienenspannungen aus.

8 Regelzeichnung des eingesetzten Stützpunkts mit Markierung der Unterschiede zum Regelstützpunkt © Marc Wenner

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SYMPOSIUM

9 10 Lasteinleitungskonstruktion während der statischen Belastungsversuche (links) sowie Bremsversuche auf der Itztalbrücke (rechts) © Marc Wenner

Zur Ertüchtigung wurden seit 2015 diverse Varianten untersucht. Die Reduzierung der Effekte aus der Interaktion zwischen Gleis und Tragwerk basiert zum einen auf der Verringerung des Längsverschiebewiderstands der Stützpunkte. Hierfür war ein modifizierter Schienenstützpunkt zu entwickeln, zu prüfen, für die Betriebserprobung zuzulassen und einzubauen. Der Nachweis der genannten Anforderungen an den Sonderschienenstützpunkt (SSP) erfolgte über ein abgestimmtes Verfahren an der Technischen Universität München, Prüfamt für Verkehrswegebau. Ein Prüfprogramm und die Methodik der Zulassungsprüfungen wurden definiert und mit dem Eisenbahn-Bundesamt abgestimmt.

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11 Blick ins »Innere« des Tragwerks © Ludolf Krontal

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Zum anderen wurden in Ergänzung dazu die verbleibenden Überschreitungen der Schienenspannungen auf der Zug- und Druckseite durch Erhöhung der Grenzwerte im Rahmen eines Nachweises gleicher Sicherheit legitimiert. Dieser wurde auf Basis eines ausführlichen Risikomanagementverfahrens gemäß CSM-Verordnung (EU) Nr. 402/2013 geführt. Hierfür wurden folgende Kompensationsmaßnahmen durch ein Expertenteam festgelegt: – Maßnahme 1: Lage und Art der Schienenschweißungen – Maßnahme 2: messtechnische Dauerüberwachung – Maßnahme 3: Ansatz von abgesicherten Unterbausteifigkeiten

– Maßnahme 4: Durchführung eines Bremsversuchs – Maßnahme 5: rechnerische Untersu chung zum Stabilitätsversagen – Maßnahme 6: Versuche zur ertragbaren Längskraft – Maßnahme 7: Direkte Überwachung des Längsverschiebewiderstands vor Ort – Maßnahme 8: Zusätzliche Veranke rung der Gleistragplatten mit vier Stützpunkten Maßnahme 9: Sicherstellung der dauerhaften Betriebssicherheit sowie präventive Feststellung der Zustandsentwicklung im Rahmen eines Instandhaltungskonzeptes


SYMPOSIUM

3 Fazit Im Ergebnis konnte der Nachweis gleicher Sicherheit trotz aller technischer Komplexität sowie der terminlichen Anspannung rechtzeitig und erfolgreich geführt und somit eine Grundlage für einen dauerhaft sicheren Eisenbahnbetrieb auf der Itztalbrücke als Teil des VDE 8 geschaffen werden. Die beschriebenen Maßnahmen werden in ihrer Summe als geeignet und ausreichend bewertet, um Risiken aus den Abweichungen der anerkannten Regeln der Technik auf ein akzeptables Maß zu begrenzen. Die Brücke wurde im November 2017, rund einen Monat vor Inbetriebnahme des Großprojekts VDE 8, komplett fertiggestellt.

Bauherr DB Netz AG, Frankfurt am Main

Gutachter Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler, Berlin

Auftraggeber DB Netz AG, Großprojekt VDE 8, Erfurt

Bewertungsstelle CSM RA DB Netz AG, Unabhängige Bewertungsstelle I.NVS 2(B), Frankfurt am Main

Bauwerksentwurf Obermeyer Planen + Beraten GmbH, München Gleis-Tragwerk-Interaktions-Nachweiskonzept Marx Krontal GmbH, Beratende Ingenieure, Hannover Planung und Ausführung Messtechnik Ingenieurbüro für Bauwerkserhaltung Weimar GmbH

Durchführung Laborversuch Leibniz Universität Hannover, Institut für Massivbau Durchführung Großversuch Marx Krontal GmbH Beratende Ingenieure, Hannover Bauausführung Großversuch Porr Bau GmbH, VDE 8.1 FF Los Süd, Dörfles-Esbach

Autor: Dipl.-Ing. Reiner Selig DB Netz AG, Leipzig

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SYMPOSIUM Erfahrungen aus Auftraggebersicht

Ersatzneubau der Langenfelder Brücke von Martin Steinkühler

Im Rahmen des Leipziger Brückenbausymposiums im Jahr 2012 wurden die Planungsgrundlagen zum Entwurf des Abbruchs und Neubaus der Langenfelder Brücke vorgestellt. Beim Symposium im Februar 2016 war das Bauwerk im Zuge der Bundesautobahn A 7 in Hamburg ebenfalls Vortragsgegenstand, der Schwerpunkt damals auf dem Abbruch des ersten östlichen Überbaus und dem Beginn des Einschubes aus Sicht des Auftragnehmers. Nun, zwei Jahre später, ist der erste östliche Überbau bereits über ein Jahr in Betrieb und der westliche Überbau abgebrochen. Der Einschub des Stahlüberbaus soll im März 2018 beendet sein, die Fertigstellung des westlichen Überbaus ist für Oktober 2018 vorgesehen. Dies gibt Gelegenheit, aus Sicht des Auftraggebers Bilanz zu ziehen.

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1 Die Langenfelder Brücke 1.1 Bestandsüberbau Die 400 m lange Bestandsbrücke aus dem Jahr 1972 hatte sechs Stützen mit sieben Feldern von 40–80 m Länge und damit eine sehr unregelmäßige Stützweite bei gleichbleibendem Spannbetonquerschnitt. Die Brücke überführt die A 7 über Betriebsgleise sowie über Fernverkehrsgleise, zwei S-Bahn-Gleise und eine innerstädtische Straße. Die Anordnung der Stützen beim Bestandsbauwerk war durch die damalige Gleislage bestimmt.

1 Grundriss der Bestandsbrücke © DEGES GmbH

2 Regelquerschnitt der Bestandsbrücke © DEGES GmbH

Da eine Verbreiterung des Überbaus um eine Spur zum Ausbau der A 7 mit zusätzlichen Lärmschutzmaßnahmen konstruktiv nicht möglich war, musste ein Ersatzneubau geplant werden. Immerhin bot die 20 m breite Fahrbahnplatte des westlichen Überbaus Platz für einen 6+0-Verkehr, um bei dieser Verkehrsführung den ersten östlichen Überbau abbrechen und neu errichten zu können. Als Bauzeit waren dafür jeweils zwei Jahre vorgesehen.


SYMPOSIUM

3 Grundriss des Ersatzneubaus © DEGES GmbH

1.2 Ersatzneubau Für den neuen Überbau wurden die Stützweiten optimiert und eine Stützenachse weggelassen: Es wurde ein zweizelliger Stahlverbundquerschnitt mit Stahlquerträgern gewählt. Die Fahrbahnplatte ist als Verbundplatte mit Fertigteilen ausgeführt. Das ermöglicht eine schnelle Bauzeit und ein, mit Ausnahme des Einhebens der Fertigteilplatten, vom Bahnbetrieb unabhängiges Bauen. Die Betonierabschnitte sind größer als bei Einsatz eines Schalwagens.

Die neue jeweils um einen Fahrstreifen verbreiterte Langenfelder Brücke erhält auf beiden Seiten 7,50 m hohe Lärmschutzwände, die alte Brücke bot keinen Lärmschutz. Das Ziel der Planung war die Vermeidung von Störungen des Bahnverkehrs sowohl beim Abbruch als auch beim Neubau, eine Verkehrsführung mit den sechs Bestandsfahrspuren und eine möglichst kurze Bauzeit.

4 Regelquerschnitt des Ersatzneubaus © DEGES GmbH

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SYMPOSIUM

5 Mittelteil des westlichen Überbaus vor dem Ausschub, rechts der neue östliche Überbau © DEGES GmbH

2 Abbruch 2.1 Erfahrungen: östlicher Überbau Dem Auftragnehmer wurde eine Referenzplanung zum Abbruch übergeben. Es war ihm freigestellt, sich daran zu halten oder anders zu planen. Darin war vorgesehen, das nördliche und südliche Ende des Überbaus konventionell abzubrechen und den Mittelteil auszuschieben. Die in den statischen Nachweisen wichtige Tragwirkung des Spannstahls war an der Langenfelder Brücke kein Problem. Bei mit der Seilsäge geschnittenen Spanngliedern zogen sich die Litzen nicht in den Verpressmörtel zurück, was ein augenscheinlicher Beweis für das Funktionieren des Verbundes war. Der konventionelle Abbruch mit dem planmäßigen Absenken einzelner Felder nach vorherigem Leichtern und gezieltem Freilegen und Durchschneiden der Spannglieder lief reibungslos.

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Schwieriger war jedoch der Brückenausschub des ersten Überbaus. Der Auftragnehmer entschied sich, nur die drei südlichen Felder konventionell abzubrechen und den Mittel- und Nordteil so in Richtung Norden zu schieben, dass der Abbruch hinter dem Widerlager erfolgen konnte. Die Vorteile für den Auftraggeber lagen in deutlich geringeren Verkehrseinschränkungen auf dem Binsbarg und der Aufrechterhaltung einer Feuerwehrzufahrt ins nahegelegene Wohngebiet. Der nun längere auszuschiebende Überbau führte aber zu störungsanfälligen Verschubvorgängen. Regelmäßig konnten Verschübe innerhalb von Sperrpausen nicht zu Ende gebracht werden. Der Stahlbau der Hilfsstützen zum Ausschub war sehr kompliziert und hatte mit standardmäßigen Schwerlastgerüsten nicht mehr viel gemein, die Gerüstlasten variierten aufgrund der Ungenauigkeit der Untersicht der Brücke stärker als angenommen und verschlissen die Verschublager. Der Ausschub ließ sich nach Verschubtests unter Einhaltung von Sperrpausen, begleitet durch das CommonSafety-Methode-(CSM-)Verfahren, über rollendem Rad ausführen.

2.2 Erfahrungen: westlicher Überbau Beim zweiten Überbau wurde dem Amtsentwurf insoweit gefolgt, als nur der mittlere über der Bahn und der Straße liegende Teil ausgeschoben wurde. Der Abbruch fand nicht hinter dem Wiederlager statt, sondern im Bereich des vorletzten nördlichen Feldes der Brücke. Der Auftragnehmer setzte diesmal Betonstützen aus vorgefertigten Elementen für den Ausschub ein, deren Lage modifiziert wurde. Die Betonstützen haben den Vorteil einer deutlich besseren horizontalen Lastabtragung und bieten mehr Platz für nun ausreichend dimensionierte Verschublager und Pressen. Der Abbruch des 130 m langen Überbaus war nach 30 nächtlichen Verschubschichten unter Gleissperrung mit einer mittleren Verschubleistung von 4,30 m/Schicht in zwei Monaten abgeschlossen.


SYMPOSIUM

6 Stahlbau am Überbau West nach dem ersten Einschub auf Überbau Ost © DEGES GmbH

3 Neubau 3.1. Stahbaueinschub und Auflegen der Fertigteile Hinter den Widerlagern war Platz für eine Feldfabrik zur Montage der Stahlüberbauten. Die Kästen konnten komplett im Werk gefertigt werden, sie wurden in Elementen von ca. 20 m Länge angeliefert. Auf der Baustelle wurden die Einzelkästen mit Self-Propelled Modular Transporters (SPMTs) bewegt, für die Montage der Stahlquerträger reichte einfaches Gerät. Da die Brücke in Endlage knapp über der Oberleitung liegt und um Längsverbauten hinter dem Widerlager in der Feldfabrik zur A 7 zu vermeiden, wurde der Stahlüberbau um ca. 3 m überhöht von beiden Seiten eingeschoben, dann abgestapelt und zusammengeschweißt. Der Vorbauschnabel konnte beim Einschub ab- bzw. hochgeklappt werden, um die Durchbiegung vor Erreichen des nächsten Pfeilers auszugleichen. Die Verschublager waren zum Ausgleich der Winkeländerungen infolge Durchbiegens als Wipplager ausgeführt worden. Sowohl das Einschieben als auch das Abstapeln wurden seitens der Deutschen Bahn nur in Sperrpausen erlaubt.

Nach dem Einlagern des Überbaus wurden die Fertigteile mit den Regelabmessungen 4 m x 2 m x 0,13 m mit Hochbaukranen montiert und auf umlaufendem Moosgummi aufgelegt. Auch wenn das Raster der Querträger sehr gleichmäßig ist, kommen doch wegen Einbauteilen

wie Einläufen etc. über 20 verschiedene Elementtypen zum Einsatz, was eine entsprechende Logistik bei der Anlieferung erfordert. Nach dem Verlegen wurden die Längsfugen zwischen den Fertigteilen verfugt.

7 Blick in die Feldfabrik Süd © DEGES GmbH

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SYMPOSIUM

3.2 Fertigstellung des Überbaus Die Betonage der Deckenplatte erfolgte in sechs Abschnitten. Die Herstellung der Kappe mit einem obenlaufenden Kappenschalwagen und das Aufsetzen der Lärmschutzelemente sind Standard. Die Ortbetonschutzwände wurden mit einem Fertiger unter Einsatz von Edelstahlbewehrung hergestellt. Der westliche Überbau wird im Oktober 2018 fertiggestellt sein und damit 23 Monate nach Errichtung des östlichen Überbaus. 4 Sperrpausenproblematik, Verschub über rollendem Rad Das beim ersten Überbau erfolgreich ein gesetzte CSM-Verfahren – die Common Safety Method ist eine gemeinsame Sicherheitsmethode für die Evaluierung und Bewertung von Risiken – wurde seitens der Bahn für den zweiten Überbau abgelehnt. Als Begründung wurden ein hoher personeller Aufwand in Verbindung mit Personalmangel und die Möglichkeit des Einräumens von Sperrpausen aufgeführt. Die für den Bahnbetrieb Verantwortlichen konnten nicht überzeugt werden, dass ein Bewegen einer Brücke mit Bauüberwachung und geprüfter Arbeitsanwei-

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8 Aufgelegte Fertigteile am Überbau Ost © DEGES GmbH

sung über rollendem Rad, egal ob beim Ausschub oder Einschub oder Anheben oder beim Absenken eines Überbaus, keine Gefahr für den Bahnbetrieb darstellt, obwohl genau dies beim ersten Überbau bewiesen wurde. Die Vorteile aufwendiger Bauweisen wie Taktschieben, Stahlbaueinschub, Brückenausschub oder Kappenherstellung mit Kappenschalwagen lassen sich nur dann aus-

9 Simulationsdarstellung der neuen Langenfelder Brücke © DEGES GmbH

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spielen, wenn diese Arbeiten (unter Einhaltung aller statisch konstruktiven und sicherheitstechnischen Belange) auch über rollendem Rad ausgeführt werden dürfen. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum sie über öffentlichen Plätzen oder Straßen etabliert sind und daher regelmäßig sicher ausgeführt werden, über Bahngleisen aber nicht erlaubt sind.


SYMPOSIUM

5 Fazit Als Bilanz können aus Sicht des Auftraggebers folgende Schlüsse gezogen werden: – Das Konzept der Ausschreibung zum Abbruch wurde umgesetzt und hat technisch funktioniert. Die Referenzplanung für den Ausschub im Bereich der Ferngleise und der S-Bahn war dafür eine wichtige Voraussetzung. – Die Referenzplanungen wurden durch den Auftragnehmer im Rahmen der Ausführung immer modifiziert. – Der Ausschub konnte für den ersten Überbau über laufendem Bahnverkehr mit dem CSM-Verfahren durchgeführt werden. – Beim Ausschub des zweiten Überbaus reichten die angemeldeten Sperrpausen aus, nicht zuletzt auch wegen der gewonnenen Erfahrungen beim ersten Überbau. – Es muss durch Gespräche bei den Richtlinienverantwortlichen der Bahn gelingen, Bauverfahren im Bahnregelwerk zu etablieren, die den Bedarf an Sperrpausen bei gleicher Sicherheit reduzieren. – Die Beistellung einer auftraggeberseitig grüngeprüften Statik für den Neubau des ersten Überbaus mit einer vorgegebenen Materialverteilung war für einen schnellen Baubeginn wesentlich, aber nicht unproblematisch. Die damit einhergehenden Diskussionen um eine »bessere« oder »richtigere« oder »montagegerechtere« Konstruktion sowie notwendige Anpassungen an das dem Auftragnehmer zur Verfügung stehende Gerät erfordern viel Verständnis auf beiden Seiten.

– Die Verbundbauweise mit Halbfertigteilplatten ermöglicht kurze Bauzeiten. – Bei komplexen Projekten würde es Sinn machen, frühzeitig Auftragnehmer und Planer einzubinden, um auch deren Wissen und Erfahrungen einzubeziehen und doppelte Planungen zu vermeiden. Es sollten Wege gefunden werden, dies trotz des geltenden Vergaberechts im Wettbewerb möglich zu machen. Beim Bau der Langenfelder Brücke war es das erklärte Ziel aller Vertragsparteien, eine termingerechte Fertigstellung zu gewährleisten. Diese zielgerichtete Herangehensweise erlaubte trotz der schwierigen Umstände eine partnerschaftliche und erfolgreiche Projektabwicklung.

Bauherr DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin, im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland Entwurf SSF Ingenieure AG, Berlin Abbruchplanung G+S Planungsgesellschaft mbH, Hamburg Tragwerksplanung Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG, Niederlassung Dresden SSF Ingenieure AG, Berlin Stahlbauplanung S.A.N. beratende Bauingenieure GmbH, Darmstadt Prüfingenieure Freie und Hansestadt Hamburg (Abbruch Ost) Dr.-Ing. Jörg Kobarg, Hamburg (Abbruch West) Prof. Dr.-Ing. Karsten Geißler, Berlin (Neubau)

Autor: Dipl.-Ing. Martin Steinkühler DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin

Bauausführung Hochtief Infrastructure GmbH, Hamburg Zwickauer Sonderstahlbau GmbH, Zwickau Tesch Straßenbau GmbH & Co. KG, Schkeuditz

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SYMPOSIUM Zusammenhängende und modellbasierte Planung der Brücken und Gebäude

Alles BIM – beim Werksneubau in Graben-Neudorf von Hans Grassl, Nazereh Nejat, Jacqueline Donner, Thilo Weischedel

Im Lebenszyklus von Infrastrukturbauten mit ihren komplexen Planungs- und Realisierungsabläufen liegen erhebliche Innovationspotenziale. Die aus der Vernetzungsära entstandene Digitalisierung hat dabei eine Schlüsselrolle. Vernetzungen der digitalen Repräsentation der Bauteile und Abläufe in der Planung und Ausführung in einem Bauwerksdatenmodell schaffen entscheidende Effizienzgewinne. Im Stufenplan fordert das BMVI »die Einführung von modernen, IT-gestützten Prozessen sowie Technologien zur Planung, für den Bau und das Betreiben von Bauwerken« und treibt somit die Umsetzung von BIM voran. Die BIM-Arbeitsmethode ist eine objektorientierte, fachgewerkspezifische computerunterstützte Technologie, die das Bauwerksmodell parametrisch beschreibt und die Arbeitsabläufe mit dem Bauwerksmodell verknüpft. Grassl Ingenieure setzten insbesondere bei den komplexen Projekten des konstruktiven Ingenieurbaus die BIM-Technologie ein. Somit kommt auch beim Werksneubau in GrabenNeudorf für die Planung sämtlicher Ingenieurbauwerke und Gebäude die BIM-Methode erfolgreich zur Anwendung.

1 Gesamtmaßnahme Die SEW-Eurodrive GmbH & Co KG ist ein seit den 1930er Jahren bestehendes deutsches Unternehmen in der Antriebstechnik. In 51 Ländern mit Montagewerken und Servicepunkten präsent, ist die Zentrale des Familienunternehmens mit den wichtigsten Fertigungswerken im badischen Bruchsal angesiedelt. Entwickelt und hergestellt werden innovative, modulare Komponenten wie Motoren, Getriebe, Steuerungen, Umrichter etc., aber auch Komplettsysteme. Unter dem Namen »Lean Sm@rt Factory« treibt die SEW die Vision der Industrie 4.0 in Gestalt einer modularen Fabrik voran. Hierfür werden mobile Montageassistenten produziert, die den Mitarbeiter mit Informationen versorgen und ihn ergonomisch entlasten. Autonome, intelligente und selbstorganisierende Logistikassistenten übernehmen die Andienung von Material für die Arbeitsplätze just in time. Diese intelligenten Logistikassistenten sollen aber nicht nur an Kunden vertrieben werden, sondern auch die eigene Fertigung und Montage effektiver gestalten. Hierzu investiert die SEW unter anderem am Standort in Graben-Neudorf in die Erweiterung des Werks. So soll in den nächsten Jahren das bestehende Werk mit bislang 110.000 m² Fläche nahezu verdoppelt werden.

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1 Luftaufnahme des Baufelds © Siegfried Hauf

Das Werksgelände ist auf der Südseite durch die Bahnlinie und auf der Nordseite durch die Ernst-Blickle-Straße begrenzt. Um die nötigen Erweiterungsflächen zu schaffen, wurde in einer Vorabmaßnahme das Mitarbeiterparkhaus errichtet und ein bestehendes Umspannwerk aus dem Baufeld verlegt. Die Halle Süd mit Hochregallager, Büro- und Technikgebäude befindet sich derzeit im Bau. Für die nördlich der Straße liegenden Erweiterungsflächen, für die neben der Errichtung der Energiezentrale weitere Fertigungs- und Montagehallen vorgesehen sind, ist eine Straßenbrücke über die Ernst-Blickle-Straße zur werksinternen Verbindung für Fahrzeuge erforderlich. Parallel zur Straßenbrücke werden die Mitarbeiter künftig trockenen Fußes über eine kombinierte Fußgänger- und Medienbrücke das Parkhaus sowie die Hallen Süd und Nord erreichen können. Zudem dient diese Brücke auch der Überführung der Medien von der Energiezentrale zur Halle Süd und damit unter anderem der Versorgung der neuen Produktionsstätten mit Strom, Wärme, Dampf, Druckluft etc. Die Fertigstellung der Gesamtbaumaßnahmen soll in 2019 erfolgen (Bild 1).


SYMPOSIUM 2 Werksgebäude Die Gebäudekonstruktionen wurden entsprechend den Anforderungen aus der Nutzung, den baurechtlichen und baubetrieblichen Rahmenbedingungen festgelegt. Dabei kamen Ortbeton-, Fertigteil- sowie Stahlbauweisen zum Einsatz. Während Technik- und Administrationsgebäude (Randbau) mit Büros und Sozialräumen aufgrund der individuellen, aus der Architektur resultierenden Geometrie überwiegend in Ortbeton errichtet wurden, konnten beim Hochregallager Stahlbau- und Spannbetonfertigteile verwendet werden. Dabei kamen Fertigteilstützen mit einer Länge von 30 m und einem Gewicht bis zu 80 t sowie Spannbetonbinder mit 31,30 m Länge zur Ausführung. Die Stützen wurden über Köcheraussparungen in eine Ortbetonbodenplatte eingespannt, die aus Gründen der geforderten minimalen Verformungen aus dem Regalbetrieb mit einer Dicke von 1,20 m auf einem mittels Rütteldruckverdichtung vergüteten Baugrund realisiert worden war. Für die ca. 28.000 m² große eingeschossige Produktionshalle wurde eine modulare Tragstruktur gewählt, die hochflexibel auf die unterschiedlichen Anforderungen und den Bauablauf reagieren kann. Als Achsraster wurden im Rahmen intensiver vergleichender Voruntersuchungen 24 m x 24 m bei einer lichten Hallenhöhe von 9 m festgelegt. Für die Dachkonstruktion wurden Stahlfachwerkträger als Haupt- und Nebenträger angeordnet. Die Hauptträger wurden dabei als parallelgurtige Träger im Abstand von 24 m, die Nebenträger mit veränderlicher Bauhöhe im Abstand von 6 m erstellt. Die gesamte umfangreiche Technik- und Medienversorgung wird innerhalb der Fachwerkträger geführt. Die Aussteifung der Hallenkonstruktion erfolgt über eingespannte Stahlbetonfertigteilstützen. Somit ist gewährleistet, dass jedes Hallenfeld für sich selbst ausgesteift ist und während der Bauphase keine provisorischen Aussteifungsverbände eingebaut werden mussten. Dadurch konnte mit der Hallenmontage sehr flexibel auf Verzögerungen durch Witterung bzw. Prozessoptimierungen reagiert werden (Bild 2).

2 Modulare Struktur der Hallenkonstruktion © Ingenieurbüro Grassl GmbH

Die gesamte Planung der Gebäude erfolgte nach der BIM-Methode. Alle Bauteilinformationen wie zum Beispiel Positionsbezeichnungen, Materialgüten, besondere Anforderungen, Betonstahlgehalt etc. wurden im Modell erfasst sowie für die Ausschreibung und Massenkontrolle ausgewertet und überwacht. Mit den Planern der Technikgewerke erfolgte ein fortwährender Austausch der Modelle zur Kollisionskontrolle zwischen Konstruktion und Technik, ebenso mit dem Ersteller der Werkstattplanung für den Stahlbau. Bei der Realisierung des Modells konnte weitgehend auf die Funktionalitäten der gängigen Softwarelösungen sowie auf bürointerne Standards zurückgegriffen werden. Somit war eine zügige und wirtschaftliche Erstellung des Modells möglich. Auf Änderungen konnte flexibel und schnell reagiert und die Qualität der Planung optimiert werden. 3 Kombinierte Fußgänger und Medienbrücke Die Medienbrücke wird als wärmegedämmte Stahlfachwerkkonstruktion mit einer Breite von 3,40 m und einer Höhe von ca. 2,45 m ausgebildet. Die Stützweiten betragen 9,30 m + 35,50 m + 9,40 m + 25,10 m + 26,90 m = 106,20 m. Beim Anschluss an die Halle Süd weitet sich die obere Ebene in ein großes Vordach zur Überdeckung der Warenanlieferung mit Abmessungen von ca. 14,50 m x 22,50 m auf.

Die Fußgängerebene als Stahlkonstruktion wird von der obenliegenden Tragkonstruktion der Medienbrücke über Zugstäbe abgehängt. Aus architektonischen Gründen und zum Witterungsschutz erhält die Brücke eine Blechverkleidung, im begehbaren Bereich mit Lochblechkassetten. Die Auflagerung erfolgt auf Stahlbetonstützen, die konstruktiv von der benachbarten Straßenbrücke komplett getrennt sind. Zur Aufnahme der Horizontallasten werden einzelne Pfeiler bis zur Brückenoberkante geführt sowie dort die Fachwerkkonstruktion in Querrichtung unverschieblich und in Längsrichtung verschieblich gelagert. Auf der Nordseite der Brücke ist ein kombiniertes Schachtund Treppenbauwerk vorgesehen. Der Stahlbetonschacht fungiert als Verbindung der Medien von der Brücke zur Energiezentrale, und zwar unter der Straßenbrücke hindurch. Gleichzeitig dient die Stahlbetonkonstruktion auch zur Auflagerung der Medienbrücke sowie als Festpunkt zur Aufnahme der Horizontalkräfte. Eine mehrläufige Stahlbetontreppe stellt im Widerlager Nord die Verbindung zwischen der Gehbahn des Überbaus und dem Werksgelände her.

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SYMPOSIUM Zur Erstellung der statischen Berechnung der gesamten Brücke erfolgte die Übernahme des Konstruktionsmodells über eine integrierte Schnittstelle direkt in das Berechnungsprogramm als Stabwerksmodell. Mit geringfügigen geometrischen Anpassungen einzelner Knoten sowie Ergänzungen von weiteren Lastfällen und der Lastfallkombinationen konnten die erforderlichen Nachweise und Bemessungen geführt werden. Anschließend wurden die gewonnenen Ergebnisse wieder in das Gesamt-BIM-Modell übernommen (Bild 4).

3 Planungsmodell der Fußgänger- und Medienbrücke © Ingenieurbüro Grassl GmbH

Die kombinierte Fußgänger- und Medienbrücke berücksichtigt bereits sowohl für die Medien- als auch für die Fußgängerverbindung eine künftige Verlängerung der Brücke zur Halle Nord. Die Treppe dient dann weiterhin als Anbindung des Technik- und Bürogebäudes sowie als Fluchtweg. Die Erstellung der Bauwerksmodelle erfolgt nach der BIM-Methode in einer hybriden Programmstruktur. Zur Steigerung der Effektivität und zur wirtschaftlichen Optimierung bei der Modellerstellung werden teilweise getrennte Modelle mit den für die jeweilige Aufgabe optimalen Softwarelösungen erarbeitet. Die Tragkonstruktion aus Stahl wurde dabei mit einer BIM-fähigen Software abgebildet (Bild 3).

4 Berechnungsmodell der Fußgänger- und Medienbrücke © Ingenieurbüro Grassl GmbH

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Maßgebliche Anschlüsse und Verbindungen wurden exemplarisch modelliert. Die vollständige Werkstattplanung erfolgt anschließend durch die ausführende Stahlbaufirma. In weiteren Modellen wurden darüber hinaus Massivbauteile sowie sämtliche Ausbauteile wie Wandverkleidungen, Dämmungen, Trapezbleche, Geländer etc. hinterlegt. Auch bei diesem Bauwerk war ein ständiger Austausch mit den Planern der Technikgewerke zur Koordination und zur Kollisionsprüfung sowie mit dem für die Gestaltung verantwortlichen Architekten gegeben.

4 Straßenbrücke Die Straßenbrücke, als werksinterne Verbindung über die Ernst-Blickle-Straße konzipiert, wird als Stahlverbundstruktur mit anschließenden Trögen geplant. Sie erhält im Regelbereich eine Fahrbahnbreite von 7,00 m. Die Trassierung erfolgte durch einen Fachplaner für Verkehrsanlagen: Im südlichen Anschluss an den Bestand beginnt die Trasse in der Lage mit einem Radius von 90 m, gefolgt von einem geraden Zwischenstück und einem anschließenden Radius von 56,50 m. Hier liegt auch der Übergang vom Trogbauwerk auf die Brücke. Nach einer weiteren Zwischengerade schließt im Bereich des nördlichen Troges ein Radius von 100 m an. Im Bereich des engen Radius von 56,50 m zeigt die Schleppkurvenüberprüfung, dass für den Nachweis des Begegnungsverkehrs von Lkws eine einseitige Aufweitung der Fahrbahnbreite um 50 cm erforderlich ist. Der Hochpunkt der Gradiente befindet sich im Bereich der Ernst-Blickle-Straße auf dem Brückenbauwerk und ist mit einem Kuppenhalbmesser von H = 350 m ausgerundet. Auf beiden Brückenrichtungen beträgt das Längsgefälle 6 %. Der Überbau besteht aus einem Plattenbalken mit zwei Stegen in Stahlverbundbauweise. Die beiden Stege sind als luftdicht geschweißte Stahlhohlkästen ausgebildet. Die Konstruktionshöhe beträgt konstant 1,275 m (Bild 5). An den Pfeilern sind als Querträger luftdichtgeschweißte Stahlhohlkästen und an den Widerlagern Endquerträger in Stahlbetonbauweise angeordnet. Im Bereich der Ernst-Blickle-Straße ist unterhalb der Brücke eine lichte Höhe von 5 m einzuhalten. Die Querschnittsbreite zwischen den Kappenaußenkanten beträgt im Regelbereich 9,85 m. Im Aufweitungsbereich ergibt sich die Gesamtbreite des Überbaus zu 10,35 m. Beidseitig werden


SYMPOSIUM besonders gestaltete Kappen mit Absturzsicherung vorgesehen. Einseitig misst die nutzbare Kappenbreite 1,50 m, um als Notgehweg dienen zu können. Die Stützweiten ergeben sich zu 21 m + 26 m + 25 m + 26 m + 21 m = 119 m (Bild 6). Die Unterbauten bestehen aus flach gegründeten Pfeilerscheiben und kastenförmigen Widerlagern, wobei deren Vorderkanten architektonisch gestaltet sind und schräg ausgebildet werden. Die Pfeilerstellung ergibt sich aus der unter der Brücke liegenden Straße und dem Medientunnel. Die Anbindung der Straßenbrücke erfolgt über Rampen mit Stützbauwerken als flach gegründeter Stahlbetontrog. Für die Zugänglichkeit der Fahrbahnübergangskonstruktion verfügt das südliche Widerlager über einen Kammergang. Am nördlichen Widerlager liegt der Festpunkt, weshalb kein Kammergang vorgesehen werden muss (Bild 7).

5 Regelquerschnitt der Straßenbrücke © Ingenieurbüro Grassl GmbH

6 Grundriss: Straßenbrücke sowie Fußgänger- und Medienbrücke © Ingenieurbüro Grassl GmbH

7 Ansicht der Straßenbrücke © Ingenieurbüro Grassl GmbH

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SYMPOSIUM

Die Erstellung des Planungsmodells für die Straßenbrücke erfolgte analog zu den übrigen Objekten nach der BIM-Methode in einer parametrisierten Bauteilstruktur. Zur Steigerung der Flexibilität und Effizienz bei der Modellanfertigung wurden standardisierte und projektspezifische Bauteile mit den für das jeweilige Bauteil optimalen Parametern eingepflegt. Der Überbau wurde als parametrisierter Querschnitt erstellt und entlang der Achse extrudiert. Die anderen Bauteile wie Querträger, Elastomerlager, Lagersockel, Pfeiler, Widerlager, Stützwände, Trogbauwerk, Geländer, Befestigungselemente, Entwässerungselemente etc. wurden auch mit den für das Projekt geeigneten Parametern erfasst und in der Bauteildokumentation beschrieben (Bild 8). Das Planungsmodell wurde ebenfalls für die erforderlichen Kollisionsprüfungen mit den Sparten verwendet. Im südlichen Trogbereich sind drei Spartenkreuzungen notwendig, so dass hier die Bodenplatte unterbrochen und die Trogwände statisch entsprechend ausgelegt werden. Durch enge Abstimmungen mit den anderen Planern konnte auf weitere Kreuzungen verzichtet werden. Das Verkehrsanlagenmodell wurde zeichnerisch als dwg-Datei und parametrisch als standardisierte 040-Datei für die Achse und als 021-Datei für die Gradiente übergeben und mittels einer hierfür programmierten Schnittstelle als Grundlage für das Planungsmodell verwendet. Somit sind alle Überbaubauteile in der Lage mit der Achse und in der Höhe mit der Gradiente verknüpft. Die Unterbauten haben ebenfalls Bezugspunkte in Achse wie Gradiente und zudem eine Referenzierung zum modellierten Gelände. Hierdurch werden die Lage und Höhe der Unterbauten in Abhängigkeit von der Trasse und dem Gelände angepasst.

9 Planungsmodell der Gesamtmaßnahme »Werksneubau« © Ingenieurbüro Grassl GmbH

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8 Planungsmodell der Straßenbrücke © Ingenieurbüro Grassl GmbH

Das Arbeiten mit parametrisierten Bauteilen und die Verwendung gemeinsamer Parameter ermöglichen, bei erforderlichen Änderungen die entsprechenden Anpassungen parallel an alle Objekte des Planungsmodells zu übertragen, die Resultate auf Plausibilität zu prüfen, eventuell auftretende Konflikte rechtzeitig zu erkennen und zu lösen. Somit konnten das Planungsmodell der Straßenbrücke und die zugehörige Planableitung durch das Einlesen einer parallel zur Planung der Ingenieurbauwerke angepassten Trassierung der überführten Straße automatisch aktualisiert werden. Bei der Erstellung der Bauteile wurden über die geometrischen Parameter hinaus Felder für die Hinterlegung von weiteren Informationen eingefügt. Während der Planung konnten somit Bauteilinformationen wie Stoffe, Betongüte, Expositionsklasse, Richtzeichnungstyp etc. hinterlegt werden. Im weiteren Verlauf der Planung und des Baus ist es möglich, zusätzliche Informationen, etwa die IFC-Klassen oder auch die für Erhaltung und Betrieb notwendigen Angaben zu Herstellern, Lieferanten, Herstellungsdatum etc., zu ergänzen.

Die Pläne werden anschließend aus dem Modell extrahiert, so dass Änderungen sogar bis in die Pläne übernommen werden. Für die in Infrastrukturprojekten erforderlichen Längsabwicklungen entlang gekrümmten Linien, in diesem Fall zum Beispiel zur Ausgabe eines Längsschnittes entlang der Gradiente, wurde ein weiteres Programm verwendet, in welchem diese Generierung programmiert werden konnte, und mit dem Planungsmodell verknüpft. Somit ist es möglich, auch alle Schalpläne der gekrümmten Bauteile aus dem 3-D-Modell zu erzeugen und die Effizienz so weiter zu steigern. 5 Fazit Die Planung der Maßnahme »Werksneubau in Graben-Neudorf« konnte nicht nur für die Hochbauten, sondern auch für die Infrastrukturbauwerke vollständig modellbasiert inklusive der Planableitung für Entwurf und Ausführung erfolgen. Somit steht zudem ein Gesamtmodell aller neuzuerrichtenden Objekte für Bauausführung, Betrieb und Erhaltung zum ganzheitlichen Einsatz der BIMMethode zur Verfügung (Bild 9). Die BIM-Methode ermöglicht dem Planer, ausführungs- und bauteilorientierter zu arbeiten. Qualität und Effizienz werden dadurch gesteigert, dass die Fülle der im Rahmen der Planung zu verarbeitenden Informationen zentral im Modell, das heißt nur an einer Stelle, verwaltet wird und sich in den jeweiligen Planungsphasen für unterschiedliche Zwecke, wie zum Beispiel für Variantenauswahl, Entwurf, Genehmigung, Ausschreibung, Bauüberwachung, ableiten lässt.


SYMPOSIUM

10 Visualisierung der beiden Brückenbauwerke © Ingenieurbüro Grassl GmbH

Dem Bauherrn steht bereits in der Planungsphase ein Modell der Gesamtmaßnahme zur Verfügung, das dazu dienen kann, den Verlauf der Maßnahme zu veranschaulichen sowie für die Öffentlichkeit oder für beteiligte Dritte verständliche Darstellungen in Form von Bildern, Filmen oder Echtzeitmodellen zu generieren (Bild 10).

Darüber hinaus können die nach der BIM-Methode erstellten Modelle eingesetzt werden, um den Baulastträger nach Fertigstellung der Baumaßnahme bei seinen Aufgaben im Rahmen von Betrieb und Erhaltung zu unterstützen. Autoren: Dr.-Ing. Hans Grassl Nazereh Nejat M.Sc. Jacqueline Donner M.Sc. Dipl.-Ing. (FH) Thilo Weischedel Ingenieurbüro Grassl GmbH, München und Stuttgart

Bauherr SEW-Eurodrive GmbH & Co. KG, Bruchsal Objekt- und Tragwerksplanung Ingenieurbüro Grassl GmbH, Stuttgart Architektur Studio Wolfhugel, Hoerdt, Frankreich Dill + Hauf Architekten, Mühlacker Prüfingenieur Dr.-Ing. Dietmar H. Maier, Karlsruhe

WERKSNEUBAU GRABEN – NEUDORF Zusammenhängende und modellbasierte Planung der Brücken und Gebäude

www.grassl-ing.de

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SYMPOSIUM Planung eines innerstädtischen Großprojektes

Neuer Strombrückenzug in Magdeburg von Stefan Burgard, Karsten Eins

Das Vorhaben »Ersatzneubau Strombrückenzug« soll unter anderem die vorhandene Brückenverbindung der bestehenden Anna-Ebert-Brücke ersetzen. Diese weist aufgrund des Hochwassers 2013 und gemäß aktuellen Gutachten einen irreversiblen und nicht reparablen statischen Totalschaden auf und muss zwingend umgehend und schnellstmöglich durch den Ersatzneubau entlastet werden. Weiterhin haben die Hochwasserereignisse 2002 und 2013 gezeigt, dass der bestehende Verkehrszug über die Anna-EbertBrücke als Evakuierungsverbindung im Gefahrenfall nicht mehr genutzt werden kann. Insofern ist auch aus diesem Grund die Wiederherstellung einer leistungsfähigen Brückenverbindung im Sinne des Zivilschutzes zwingend und kurzfristig geboten. Herzstück der innerstädtischen Neubauplanung aus zwei Brückenbauwerken und sechs Knotenpunkten ist die Schrägseilbrücke über die Alte Elbe.

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1 Gesamtlageplan © Landeshauptstadt Magdeburg

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1 Einleitung Im Stadtgebiet der Landeshauptstadt Magdeburg sichert der Strombrückenzug neben dem Nordbrückenzug die Verbindung der westlich und östlich der Elbe bzw. der Elbarme gelegenen Stadtteile für den Fußgänger-, den Rad-, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und den motorisierten Individualverkehr (MIV). Der Strombrückenzug besteht derzeit aus der in den 1960er Jahren errichteten vierstreifigen Strombrücke mit separatem Gleiskörper der Straßenbahn, der zweistreifigen Zollbrücke und der ebenfalls zweistreifigen Anna-Ebert-Brücke. In westlicher Richtung findet der Strombrückenzug seine Fortsetzung in der Ernst-Reuter-Allee mit Anschluss an den Hauptbahnhof sowie die B 71. In östlicher Richtung schließt der Strombrückenzug über die Brückstraße und die Berliner Chaussee an die B 1 an. Neben der Verbindungsfunktion dient der Strombrückenzug der direkten Erschließung des zwischen Elbe und Alter Elbe gelegenen Stadtteils Werder sowie des Stadtparks Rotehorn.

Das unmittelbare Umfeld des Planungsraumes ist durch verschiedene Bau- und Kulturdenkmale sowie durch das FFHGebiet DE 3936-301 »Elbaue zwischen Saalemündung und Magdeburg« geprägt. Aufgrund des derzeitigen unbefriedigenden Zustandes der maroden und hochwassergeschädigten Anna-Ebert-Brücke und der Neuen Strombrücke, verbunden mit starken Einschränkungen für den MIV und den ÖPNV und der nicht zufriedenstellenden Verkehrslösung für alle Verkehrsteilnehmer muss die Landeshauptstadt Magdeburg den Strombrückenzug sanieren bzw. teilweise neu errichten. Hierzu ist der Neubau von zwei Brückenbauwerken, mehreren Stützwänden, sechs Knotenpunkten, insgesamt 1,50 km Verkehrsanlage einschließlich Straßenbahn, drei Freianlagen und umfangreichen Leitungsverlegungsarbeiten notwendig. Aufgrund der zentralen innerstädtischen Lage werden an das Gesamtprojekt hohe gestalterische Anforderungen gestellt.


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2 Verkehrsanlage der Hauptstrecke © Leonhardt, Andrä und Partner AG/Visualexpression

2 Verkehrsanlagen Der Beginn der Baustrecke wird in WestOst-Achse durch die Sanierung der bestehenden Neuen Strombrücke bestimmt. Das Ausbauende befindet sich östlich der Einmündung »Am Charlottentor« in der Brückstraße. Östlich der Alten Elbe wird das bestehende Gleisdreieck an der Turmschanzenstraße beseitigt und durch ein neues, ca. 140 m weiter östlich gelegenes Gleisdreieck ersetzt. Die bestehende Cracauer Straße muss in diesem Zusammenhang in Nord-Süd-Richtung bis zur Kreuzung von Bassermann- und Lassallestraße umgebaut werden. Die Länge der Baustrecke beträgt in der West-Ost-Achse ca. 1.050 m und in der Nord-Süd-Achse ca. 490 m zuzüglich der Änderungen bzw. Ergänzungen im nachgeordneten Straßennetz.

Für den durchgehenden Fahrzeugverkehr ist jeweils ein Fahrstreifen vorgesehen, der in den Knotenpunktbereichen um die erforderlichen Abbiegespuren ergänzt wird. Die Straßenbahn wird auf einem besonderen Bahnkörper in Fahrbahnmitte geführt. Fußgänger und Radfahrer erhalten separate Nebenanlagen. Die Trassierung der Gleisanlagen der Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) wird durch die Forderung nach einem Regelgleisachsabstand von mindestens 3,10 m in Abhängigkeit von Bogenzuschlägen, der Herstellung der Abzweige, der Anordnung der barrierefreien Haltestellen und den entsprechenden Festlegungen für die Ausbildung und Nutzung der Fahrbahnen definiert. Das Gleis befindet sich im gesamten Bereich in Straßenmittenlage als besonderer Bahnkörper, lediglich in den Kreuzungen und im Bereich Cracauer Straße liegt ein überfahrbarer, straßenbündiger Gleisbereich mit Mischnutzung durch MIV und ÖPNV vor. Der besondere Bahnkörper wird von Borden mit mindestens 8 cm Bordanschlag begrenzt. Der Gleisbereich wird komplett mit Asphalteindeckung eingedeckt und befahrbar hergestellt, der besondere Bahnkörper wird durch Busse mitbenutzt.

Die Trassierung erfolgt für den perspektivischen Einsatz von Fahrzeugen mit einer Wagenkastenbreite von 2,65 m. Es kommen die Oberbauarten Feste Fahrbahn und Rahmengleis auf Betontragschicht und Unterguss zum Einsatz, wobei das Rahmengleis auf Unterguss auf den Brücken, in den Haltestellen und im Bereich zwischen den Brücken eingebaut wird. Zur Herstellung der erforderlichen Planumstragfähigkeiten sind teilweise bodenverbessernde Maßnahmen erforderlich. Die Untergrundverbesserung erfolgt mit dem Verfahren der Rüttelstopfverdichtung (Tiefenverdichtung) im Trockenverfahren. Vorrangige Ziele der Untergrundverbesserung sind die Homogenisierung des Untergrundes und die Zertrümmerung bzw. Verfüllung gegebenenfalls vorhandener Hohlräume innerhalb von Auffüllungen aus den letzten Weltkriegen, was sekundär der Konsolidationsbeschleunigung und der Verringerung des Setzungs- und Sackungspotentials dient.

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3 Ansicht © Leonhardt, Andrä und Partner AG

3 Neue Brücke über die Alte Elbe Das architektonische Erscheinungsbild der Pylonbrücke wird hauptsächlich durch den Pylon, die Kabel sowie den Überbau geprägt. Die Pylonhöhe wurde aus städtebaulichen Gründen relativ niedrig gehalten, um die Gebäude in der näheren Umgebung nicht signifikant zu

4 5 Längsschnitt und Grundriss © Leonhardt, Andrä und Partner AG

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überragen. Der Überbau selbst ist schlank und besitzt eine Hauptspannweite von 164 m, um zum einen das Flussbett der Alten Elbe hydraulisch nicht einzuengen und zum anderen um die vorhandenen FFH-Gebiete eingriffsfrei bzw. eingriffsarm zu überspannen.


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6 Regelquerschnitt im Stromfeld © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Das Bauwerk weist eine Gesamtlänge von 248 m auf. Das westliche Rückhängefeld hat hierbei als Stahlbetonquerschnitt eine Länge von ca. 65 m, das Stromfeld

als einzelliger Verbundhohlkasten eine Länge von ca. 158 m und das östliche Randfeld als dreizelliger Verbundhohlkasten eine Länge von ca. 25 m.

Die Pylonhöhe beträgt ungefähr 55 m über der Fahrbahn, Geometrie und Gestaltung der Pylone wurden in einer mehrstufigen Pylonstudie gefunden.

7 8 Pylonausbildung: Ansichten © Leonhardt, Andrä und Partner AG

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9 Gestaltung des westlichen Widerlagers © Leonhardt, Andrä und Partner AG/Visualexpression

Das westliche Widerlager hat neben seiner statisch-konstruktiven Funktion auch wegen seiner zentralen innerstädtischen Lage gestalterische Anforderungen zu erfüllen. So wird die ohnehin aufgrund der Leitungsführung der äußeren Medientrassen notwendige Verbreiterung der Widerlagerwand genutzt, gestalterisch eine Vorplatzsituation mit Aufenthaltsqualität zu schaffen. Durch

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die Schaffung von oberflächig zugänglichen Leitungsvertiefungen im Widerlagerkonstruktionsbeton für die äußeren Leitungen können diese erdverfüllt werden und stehen somit für eine Begrünung und Bepflanzung zur Verfügung. Der Platz der Widerlageraufweitung lässt sich für die Aufstellung von Sitzmöbeln nutzen, der nebenliegende Gehweg wird durch die Abtrennung des Radweges durch die Seilanordnung beruhigt.

10 Brücke Alte Elbe mit Beleuchtungskonzept © Leonhardt, Andrä und Partner AG/Visualexpression

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Die farbliche Gestaltung der Bauwerksteile sowie die Anordnung von gestaltender Bauwerksbeleuchtung wurden im Zuge eines Farb- und Beleuchtungskonzeptes entwickelt. Im Handlauf der Brückengeländer sind in jedem dritten Feld Beleuchtungselemente angeordnet. Ebenso erfolgt eine Beleuchtungsinstallation zur gestalterischen Illumination des Bauwerkes (Pylon- und Seilanstrahlung), in Brückenachse befinden sich zudem kombinierte Beleuchtungs- und Fahrleitungsmaste.


SYMPOSIUM Für alle Bauwerksachsen sind Tiefgründungen mit Großbohrpfählen (D = 1,50 m) vorgesehen. Die Abtragung von horizontalen Lasten erfolgt durch schräggestellte Pfähle und/oder Pfahlbettung. Der herzustellende Pylon besteht aus zwei im Pylonsockel gekoppelten, in Brückenlängsrichtung aufgelösten Pylonstielen aus Beton. Die Pylonköpfe werden als Verbundquerschnitte aus inneren Stahlhohlkästen und beiderseitigen Betonflanken ausgebildet. Im Pylonkopf befinden sich die Festanker der Seile. Der Pylonkopf ist über einen Zustieg am Verschmelzungspunkt der Pylonbeine begehbar. Der einteilige Überbau besteht in Längsrichtung aus drei Haupt-Querschnitten: – Randfeld West (A.10–A.20.2): dreistegiger Plattenbalken aus Beton – Stromfeld (A.20.2–A.30.1): einzelliger Hohlkasten in Stahlverbund – Randfeld Ost (A.30.1–A.40): dreizelliger Hohlkasten in Stahlverbund. Die statisch wirksame Bauteilhöhe beträgt 2,50 m; lediglich ab dem Drittelspunkt des Randfeldes Ost verringert sich die Höhe von 2,50 m auf 1,50 m am Widerlager in Achse 40. Zur Verhinderung von abhebenden Lagerkräften am Widerlager in Achse 40 werden die Endbereiche der Hohlkästen mit Beton ballastiert, also verfüllt. Außerhalb dieses Bereiches sind die gesamten Hohlkästen begehbar. Die Lasteinleitung aus den Seilen erfolgt im Stromfeld über ausgesteifte Schottkästen in die Seilquerschotte, welche als Doppelschotte ausgeführt werden.

Aus gestalterischen Gründen befinden sich die Seileinleitungskonstruktionen des Überbaus hinter einem Verkleidungsblech, welches optisch als durchgehendes Band über die gesamte Brückenlänge durchläuft. Hinter diesem Blech wird die zu überführende Gasleitung eingeordnet, so dass sie sich außerhalb der geschlossenen Hohlkästen befindet. Ebenfalls verlaufen hier die Längsleitungen der Bauwerksentwässerung. Nach unten wird der Raum hinter dem Verkleidungsblech mit begehbaren Gitterrosten geschlossen, welche flächenbündig mit der Hohlkastenuntersicht angeordnet werden. Im Randfeld West erfolgt die Einleitung der Seilkräfte über Stahleinbauteile in die massiven Querträger, in denen sie über ein Zugband gekoppelt werden. Die Anordnung der Seile ist für das Stromfeld in Form von sieben Seilpaaren vorgesehen. Für den Bereich Randfeld West sind die sieben Seilpaare zum Ende des Schrägseilsystems so zu verdichten, dass fünf Seilpaare konzentriert im Widerlager verankert werden. Für die Schrägseile werden Litzensysteme verwendet. Da für die notwendigen Litzenanzahlen noch keine bauaufsichtliche Zulassung vorliegen, muss eine Zustimmung im Einzelfall erwirkt werden. Je Seil ist ein Seildämpfer als interner, passiver, hydraulisch wirkender, linearer Dämpfer anzuordnen. Da sich der Festpunkt des Überbaus in Achse 10 befindet, wird am Brückenende Achse 40 ein mehrprofiliger Fahrbahnübergang angeordnet. Hierbei ist die Dichtungsebene über die gesamte Brückenbreite durchzuführen, die Vollblockschienen des im Hinterfüllbereich liegenden Schienenauszuges werden oberhalb der Dichtungsebene überführt. Die Konstruktion benötigt aufgrund ihrer Bauart eine Sonderprüfung.

Die Betonplatte des Verbundüberbaus erhält im Gleis- und Fahrbahnbereich als Abdichtung eine zweilagige Bitumenschweißbahn mit einem Schutz- und Ausgleichsbeton. Die Deckschichten werden in Gussasphalt ausgeführt. Alle Stahlbauteile erhalten einen Korrosionsschutz nach ZTV-ING gemäß abgestimmtem Farbkonzept. Den seitlichen Überbauabschluss bilden Sondergeländer mit einer Seilkonstruktion im Handlauf. Die Verankerung auf den Betonkappen erfolgt nach RiZ Gel 14, auf den Stahlkappen mittels Fahnenblechen. Die gesamte Geländerkonstruktion wird vor Ort segmentweise montiert. Das Geländer als gestalterisches Element wird bis in die Widerlagerbereiche fortgeführt und wiederholt sich ebenfalls als Geländer der Freitreppenanlage am Widerlager A.10. Im Handlauf der Brückengeländer sind in jedem dritten Geländerfeld Beleuchtungselemente installiert. Die Steuerteile hierfür befinden sich in aufgeweiteten Sonderpfosten mit abschließbaren Deckeln. Das gesamte Bauwerk erhält eine Erdungsanlage hinsichtlich Blitzschutz, elektrotechnischer Ausrüstung und Streustromvermeidung gemäß Erdungskonzept. Zu Inspektions- und Instandsetzungszwecken wird in der Überbauuntersicht des Stromfeldes je Überbauseite eine Fahrschiene für eine mobile, verfahrbare Hängebühne vorgesehen. Die Herstellung des Stromfeldes erfolgt im Freivorbau, die der Randfelder auf Traggerüsten.

11 12 Seilkrafteinleitung in Rand- und Stromfeld © Leonhardt, Andrä und Partner AG

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13 Einhüftige Rahmenkonstruktion als Vorzugslösung © Leonhardt, Andrä und Partner AG/Visualexpression

4 Neue Brücke über die Zollelbe Maßgebende Randbedingung für den Entwurf der neuen Brücke über die Zollelbe war die gestalterische Kombination mit jener über die Alte Elbe. Unter Berücksichtigung der erfolgten Sanierung der historischen Zollbrücke war es weiterhin wichtig, ein eher zurückhaltendes Bauwerk mit untenliegendem Tragwerk zu entwickeln. Dies führte zur Vorzugslösung in Form einer einhüftigen Rahmenkonstruktion mit einer Stützweite von ca. 70 m, welche bewusst einen gestalterischen Kontrapunkt zur Bastion Kronprinz schafft und gleichzeitig eine sehr schlanke Überquerung der Bastionsmauern gestattet. Um möglichst viel Substanz der historischen Mauern der Bastion Kronprinz in die Neugestaltung des Widerlagers West einzubeziehen, wurde das kastenförmige Widerlager hinter die oberirdisch sichtbaren Bastionsreste verlegt. Gestalterisch bildet die herausspringende Bastionsecke das bestimmende Element. Die Führung des unterquerenden Weges wird durch eine erschließende Freitreppe in Verbindung mit einer behindertengerechten Rampe ermöglicht. Auch bei diesem Bauwerk sind für alle Achsen Tiefgründungen mit Großbohrpfählen (D = 1,50 m) vorgesehen. Die Abtragung von horizontalen Lasten erfolgt wieder durch schräggestellte Pfähle und/oder Pfahlbettung.

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14 Widerlager West mit Integration der Bastion Kronprinz © Leonhardt, Andrä und Partner AG /Visualexpression

Der Überbau spannt in das Widerlager A.20 biegesteif ein, die luftseitig in die Widerlagerwand integrierten Stahlgurte und -stege, die im Überbau als Hauptträger fortgesetzt werden, sind Teil der Widerlagerkonstruktion. Die Widerlagerwand bildet den Rahmenstiel der einhüftigen Rahmenkonstruktion. Der Überbau wird als einhüftiger Rahmen in Stahlverbundbauweise ausgeführt. Die Höhe des Verbundquerschnitts beträgt ≥ 2,14 m. Die Stahlkonstruktion des Überbaus bildet einen Trägerrost, bestehend aus fünf parallel laufenden Hohlkästen als Hauptträgern und in gleichmäßigen Abständen angeordneten offenen Querträgern, die am Querschnittsrand als unterseitig gevoutete Kragträger

ausgeführt werden. Im Durchdringungsbereich von Haupt- und Querträgern werden die Querschotte der Hohlkästen situiert. Am östlichen Widerlager (A.20) gehen die Hauptträger als ausgerippte Konstruktion mittels unterseitiger Voutung bzw. Ausrundung in den Rahmenstiel über. Die Fahrbahnplatte wird durch Stahlbetonfertigteile mit Ortbetonergänzung gebildet. Die Übergangskonstruktion in A.10 sowie der Fahrbahn- und Gleisaufbau werden entsprechend der Brücke Alte Elbe realisiert. Den seitlichen Überbauabschluss bilden wieder Sondergeländer mit einer Seilkonstruktion im Handlauf, jedoch ohne Handlaufbeleuchtung.


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15 Draufsicht © Leonhardt, Andrä und Partner AG

16 17 Ansicht und Längsschnitt © Leonhardt, Andrä und Partner AG

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18 Regelquerschnitt im Haltestellenbereich © Leonhardt, Andrä und Partner AG

19 Haltestellenanordnung auf dem Bauwerk © Leonhardt, Andrä und Partner AG/Visualexpression

Auf dem Bauwerk erfolgt die Anordnung einer Haltestelle für beide Fahrtrichtungen der Straßenbahn. Die südliche Haltestelle wird in Richtung Achse 10 als Zuwegung weitergeführt. Eine signalisierte Fußgängerfurt am Übergang von Zuwegung und Haltestelle ermöglicht eine gesicherte Querung zwischen den Haltestellenbereichen. Haltestellen und Zuwegung sind aus Kappenbeton, die Haltestellen schließen bahnseitig mit vorgefertigten Combiborden ab.

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Das gesamte Bauwerk erhält eine Erdungsanlage hinsichtlich Blitzschutz, elektrotechnischer Ausrüstung und Streustromvermeidung gemäß Erdungskonzept. Die Herstellung des Überbaus erfolgt mittels Hilfspfeiler im Uferbereich der Zollelbe sowie Kranmontage. Autoren: Dipl.-Ing. Stefan Burgard Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Dresden Dipl.-Ing. (FH) Karsten Eins Landeshauptstadt Magdeburg Tiefbauamt

Bauherr Landeshauptstadt Magdeburg, Tiefbauamt Entwurf (Ingenieurbauwerke) Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG, Dresden Tragwerksplanung Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG, Dresden und Magdeburg Verkehrsplanung IGS Ingenieure GmbH & Co. KG, Weimar Obermeyer Planen + Beraten GmbH, München Prüfingenieur Prof. Dr.-Ing. Michael Müller, Magdeburg


SYMPOSIUM Entwurf, Ausführung und Montage

Chenab-Brücke in Indien von Kilian Karius, Peter Walser, Pekka Pulkkinen

Dieser Beitrag beschreibt den Entwurf und die grundsätzliche Tragwerksplanung der ChenabBrücke, einer der weltweit höchsten Eisenbahn-Stahlbogenbrücken. Neben einem Abriss der Entwurfsgeschichte werden sowohl die gewählte tragwerksplanerische Lösung als auch die Fertigung und Montage der Brücke vorgestellt. 1 Einleitung Im nördlichen indischen Bundesstaat Jammu und Kashmir wird eine neue Eisenbahnlinie von Udhampur nach Baramulla gebaut. Das Gelände ist durchzogen von Höhenzügen des Himalajas, weshalb für die neue Eisenbahnstrecke viele Tunnel und Brücken notwendig werden. Die Überführung des Chenab-Flusses zwischen Bakkal und Kauri ist eine der schwierigsten Herausforderungen in diesem Projekt. Der Überbau überspannt ein tief eingeschnittenes und steiles Tal in einer Höhe von über 300 m über dem Fluss. Aus der Geometrie und dem anstehenden tragfähigen Fels lag die Wahl eines Bogens als Hauptüberführungsbauwerk nahe. Neben schweren Eisenbahnlasten sind auch wesentliche Erdbebenbzw. Explosionskräfte aufzunehmen.

Die Planung der Brücke erfolgt durch zwei Ingenieurunternehmen: WSP Finnland trägt als Hauptauftragnehmer die Hauptverantwortung für die Planung des Gesamttragwerkes. Der Entwurf des Stahlbogens und der zugehörigen Bogenpfeiler wird von Leonhardt, Andrä und Partner als Nachunternehmer ausgearbeitet. 2 Beschreibung des Bauwerks Die Chenab-Brücke ist eine Stahlbogenbrücke für den Eisenbahnverkehr mit einer Gesamtlänge von 1.315 m (Bilder 1 und 2). Sie besteht aus einer Vorlandbrücke von 530 m Länge und einem bogengestützten Teil mit einer Länge von 785 m. Die Spannweite des Hauptbogens beträgt 467 m, wodurch sie eine der längsten Bogenbrücken der Welt und zugleich die Eisenbahnbrücke mit der längsten Bogenstützweite ist (siehe: https://en.wikipedia. org/wiki/List_of_longest_arch_bridge_ spans; Abfrage am 27. Dezember 2017) Das Brückendeck hat eine Breite von 13,50 m und wird im Endausbau zwei nicht elektrifizierte Gleise für schweren Eisenbahnverkehr aufnehmen. Der Überbau wird in einer Höhe von 320 m oberhalb des Flusslaufs errichtet.

Um die horizontale Stabilität zu erhöhen, verjüngen sich die beiden äußeren Bogenelemente von 10,50 m Achsabstand an der Bogenkrone bis ca. 30 m Achsabstand an der Basis. Alle Pfeiler sind mit einer Neigung von 1:13,50, ebenfalls konisch zulaufend, ausgebildet. Dadurch wird eine ausgewogene Kombination der Steifigkeitsverhältnisse erreicht: ausreichend steif im Hinblick auf die Anforderungen aus dem Eisenbahnverkehr, aber flexibel genug, um die Erdbebenlasten aufzunehmen. Die Pfeiler in den Achsen S 20–S 60 sind, wie in den Ausschreibungsunterlagen gefordert, Gitterstützen aus Stahl aus vier Stielen in den Achsen S 20–S 40 und S 50–S 60 sowie von zwei Stielen in den Achsen S 41–S 44 und S 46–S 49. Die Aussteifung erfolgt in der Form von Diagonalverbänden aus dichtgeschweißten Stahlkästen. Die Stahlkästen der Stiele erhalten konstante Abmessungen für jeden Pfeiler, aber einen Anzug in Dickenrichtung. Diese Boxen sind mit einer erhöhten Anzahl von Versteifungen versehen, um den durch den Lastfall »Explosion« verursachten Überdruck aufnehmen zu können.

1 Chenab Bridge im Aufriss © WSP Finland Ltd.

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2 Fotomontage der fertiggestellten Brücke © Afcons Infrastructure Ltd.

Das Lagerungskonzept wurde hinsichtlich der Materialauslastung, der Lagerkräfte, der Dauerhaftigkeit und einer leichteren Instandsetzung optimiert. An der Bogenkrone ist der Überbau längs und quer mittels Elastomerlagern, welche gegen Schubknaggen drücken, mit dem Bogen verbunden. In Querrichtung ist er an allen Pfeilern gehalten. Der Bereich der Vorlandbrücke besteht aus Betonpfeilern und einem Stahlüberbau. Die Gründung der Brücke erfolgt im Wesentlichen auf Flachfundamenten, lediglich an einigen Stellen wurden Pfahlgründungen notwendig. 3 Außergewöhnliche Entwurfsparameter Der Entwurf folgt den indischen Normen für die Eisenbahn, Indian Railway Standards (IRS), den Empfehlungen des Indischen Straßenkongresses, Indian Road Congress (IRC), und den allgemeinen indischen Bemessungsnormen (IS). Diese wurden, wo erforderlich, mit internationalen Normungen, wie den Britischen Standards (BS), dem Eurocode und Standards des Internationalen Eisenbahnverbandes, International Union of Railways (UIC), ergänzt, wobei der BS 5400 Vorrang hat.

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Die Eisenbahnlasten folgen der MBG:1987 der indischen Norm. Das Deck wird für eine zweispurige Schienenführung ausgelegt, zu Beginn wird jedoch nur eine einspurige Schienenführung in der Mitte des Überbaus montiert, die gegebenenfalls in Zukunft entfernt und durch zwei Spuren ersetzt werden werden kann. Für die Nachweise der Ermüdungssicherheit wurde gemäß indischer Norm ein Gleis zu 100 % und gleichzeitig das Nachbargleis zu 15 % belastet. Die daraus resultierende Schwingbreite der Spannungen wurde für verschiedene Zugkonstellationen für eine Kapazität von 40 Mio. t/a (gesamt für alle dann installierten Gleise) und eine Nutzungsdauer von 120 Jahren gemäß BS 5400 nachgewiesen. Für die dickeren Bleche wurde zusätzlich der Größeneinfluss gemäß EN 1993-1-9 berücksichtigt. Für Erdbeben ist die Brücke gemäß indischer Norm IS 1893, Part 1, 2002, Zone V, sowie für ortspezifische Antwortspektren, die von IIT Roorkee erstellt wurden, entworfen. 50 % dieser seismischen Lasten müssen für die Bauzustände angesetzt werden. Zusätzlich wird die Brücke mit einem Warnsystem für hohe Wind- und seismische Aktivitäten ausgestattet. Die Windlasten basieren auf dem Verfahren quasistatischer Ersatzlasten. Grundlage hierfür waren Windkanalversuche und nachfolgende, auf Eigenwertanalyse basierende dynamische Berechnungen.

Als außergewöhnlicher Lastfall sind zwei Szenarien für Explosionen zu berücksichtigen: – Szenario 1: Explosionsdruck entweder auf das Brückendeck oder auf den Bogen bzw. Pfeiler in Nähe der Gründungen. Der Bogen darf nicht beschädigt werden, bzw. der Überbau darf nicht kollabieren. Lokale Beschädigungen sind erlaubt, müssen aber reparabel sein, um die ursprüngliche Gebrauchstauglichkeit mit angemessenem Aufwand wiederherstellen zu können. – Szenario 2: Anforderungen an die Robustheit. Die globale Stabilität des Tragwerks muss erhalten bleiben, wenn man jeweils eines der folgenden Elemente gedanklich entfernt: - einen Gurt der beiden Bogenträger (ein Rechteckquerschnitt von acht) über eine Länge von 8 m zwischen den Knotenpunkten, - eine Diagonale eines Bogenträgers.


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3 Windkanalmodell: a) Geländemodell, b) statisch-aeroelastisches Teilmodell des Überbaus, c) statisches Modell des Bogens, d) aeroelastisches Gesamtmodell © Force Technology Ltd.

4 Windtechnologische Untersuchungen Der Überbau liegt mit 320 m sehr hoch über dem Tal, und der relativ schmale Überbau ist recht flexibel in Querrichtung. Aus diesem Grund wurden bereits in der Wettbewerbsphase umfangreiche Berechnungen zu den Windlasten erstellt. Die erste Eigenfrequenz der Brücke ergibt sich je nach angesetzter Verkehrslast zu ca. 0,30 Hz für den Endzustand. Die maximale Querauslenkung des Überbaus unter dem Bemessungswind für die leere Brücke ist ca. 0,60 m, was sich für die extrem hoch anzusetzenden Böengeschwindigkeiten bis zu 87 m/s als klein bewerten lässt. Bei Beginn der Ausführungsplanung war eines der Hauptthemen die Bestimmung der exakten Windcharakteristik für die Bemessung unter Berücksichtigung der außergewöhnlichen Topographie und Lage des Bauwerkes im tief eingeschnittenen Tal. Geschwindigkeits- und Turbulenzeigenschaften variieren stark mit der Windrichtung. Die Windeigenschaften wurden im ersten Teil des Windkanaltests am großformatigen Modell der Topographie detailliert untersucht (Bild 3a). Es stellte sich heraus, dass die Turbulenzintensität zwischen 7 % und 55 % variiert. Die Windrichtung relativ zum Überbau variierte beim mittleren Anstellwinkel zwischen -11° und +3° gegenüber der Horizontalen.

Anschließend wurden Teilquerschnittsmodelle gefahren (Bilder 3b und 3c), um die notwendigen Eingabedaten für die dynamische Berechnung der quasiständigen Ersatzlasten zu erhalten. Um die entsprechenden Parameter für die Wirbelablösungen zu bestimmen, wurde das Teilmodell des Überbaus zusätzlich elastisch getestet. Für den Überbau wurden Lösungen mit und ohne Windnase betrachtet. Schlussendlich wurde die Variante mit Windnase gewählt, um die Auslenkungen des Überbaus in Querrichtung zu minimieren. Unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Windkanalversuche erfolgte die Berechnung der statischen Ersatzlasten dann durch Modalanalyse.

5 Ausführungsplanung Der der Ausschreibung zugrundeliegende Entwurf des Bauherrn sah einen Stahlbogen vor. In der Wettbewerbsphase wurden mehrere Alternativen, wie zum Beispiel eine Schrägseilbrücke, untersucht. Mit dem Ziel, die Windlasten zu minimieren, wurde letztendlich ein aufgelöster Stahlbogen mit zwei Ebenen, bestehend aus jeweils vier Gurten aus Rundrohren mit einem Durchmesser von 1,20 m, gewählt. Die Stöße der Rohre sollten geschweißt, die oberen und unteren Rohre zudem mit einer Stahlplatte verbunden werden (Bild 4). Alle Stöße und Schweißnahtdetails des Bogens und seiner Pfeiler wurden so ausgelegt, dass sie mindestens der Ermüdungskategorie F gemäß der BS 5400-10 entsprachen. Das ist in etwa mit CAT 63 nach EN 1993-1-9 vergleichbar.

4 Wettbewerbsentwurf mit Rundrohren aus Stahl als Haupttragelement © Leonhardt, Andrä und Partner AG

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5 Details zur Stahlbogenausbildung © WSP Finland Ltd.

Während der Auswertung der Wettbewerbsentwürfe zweifelte der Bauherr die Machbarkeit von Schweißnähten auf der Baustelle an. Da Rundrohre schwierig zu schrauben sind, wurden sie durch geschweißte Rechteckquerschnitte (Bild 5) ersetzt, wobei sich die Querschnittswerte an der ursprünglichen Lösung orientierten. Durch die jetzt notwendigen Stoßlaschen und Beulsteifen erhöhten sich die Stahlmassen etwas. Die Gurte des Bogens sind ausbetoniert (Bild 6). Dies verbessert die Redundanz im Fall einer Explosion und ermöglicht eine Einsparung bei den Beulsteifen, weil der bewehrte Beton über Kopfbolzendübel mit den Stahlplatten verbunden ist. Der Verbund erhöht zudem die Steifigkeit des Bogens und reduziert damit die Querauslenkungen des gesamten Tragwerks unter Verkehrslasten und Wind. Somit wird der Fahrkomfort erhöht. Bei den untergeordneten Elementen wurden die Rundrohre beibehalten, was wesentlich einfachere Anschlüsse zu realisieren erlaubt. Im Bogenbereich wird der Überbau durch bis zu 120 m hohe stählerne Pfeiler gestützt. Die Pfeiler besitzen zwei bzw. vier Pfosten. Übergangskonstruktionen sind an den Widerlagern und am Trennpfeiler der Achse S 70 angeordnet. Hier findet auch ein Übergang in der Bauhöhe des Überbaus statt. Der Überbauquerschnitt ist in beiden Bereichen ähnlich. Er besteht aus zwei offenen Trägern mit orthotropem Obergurt und Verband in Querrichtung (Bild 7). Die seitlichen Windnasen sind nicht als mittragend gerechnet. Gemäß gängiger Praxis in Indien werden die Schienen mittels kleiner Sockel direkt mit dem Überbau verbunden.

6 Montage Die Baustelle liegt abseits in den Bergen Kaschmirs. Zuwegungen müssten erst geschaffen werden und erlauben keinen Transport vorgefertigter Bauteile mit Längen über 12 m. Aus diesem Grund wurden an beiden Talseiten Feldfabriken für die Stahlfertigung und für das Aufbringen des Korrosionsschutzes erstellt. Zur späteren Unterhaltung der Brücke verlangten die Ausschreibungsunterlagen die Installation eines Kabelkranes, da ansonsten die Zugänglichkeiten in dem steilen Tal sehr schwierig sind. Dieser Kabelkran spannt zwischen den Talflanken und wird auch schon zur Montage des Bogens und der zugehörigen Pfeiler benutzt. Er besitzt mit seinen beiden Hubwerken eine nominale Gesamttragkraft von 2 x 20 t, und unter Berücksichtigung von Schwingfaktoren etc. wurde für die Einteilung der Segmente von einer nutzbaren Gesamttragkraft von 34 t ausgegangen. Alle größeren Bauteile werden aus Stahlplatten zusammengeschweißt. Neben allen Stahlplatten muss auch sämtliches Wasser zur Baustelle gefahren werden, da das Flusswasser sich nicht zur Betonherstellung nutzen lässt.

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7 Querschnitt des Überbaus © WSP Finland Ltd.

Das komplette Bauwerk besteht aus ca. 25.000 t Konstruktionsstahl. Die Überbausegmente werden in 8 m langen Abschnitten, auf den Kopf gestellt, zusammengeschweißt, anschließend gedreht und zum Aufbringen des Korrosionsschutzes transportiert. Zu den Widerlagern hin ist der Überbau im Grundriss gekrümmt, was den Verschub etwas erschwerte. Für die Herstellung des Bogens wurden folgende Konzepte untersucht.

6 Detail: Betonfüllung des Bogens © Leonhardt, Andrä und Partner AG


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8 Aktueller Baufortschritt © DSI GmbH

Option 1 (mit Derrick): Hier werden die Hauptpfeiler mittels Kabelkrans errichtet und der Überbau von beiden Enden aus bis zu den Pfeilern S 40 und S 50 verschoben. Danach wird auf dem Überbau jeweils ein Derrick mit einer Tragkraft von 100 t angeordnet. Die Bogensegmente werden über den Überbau angedient und mittels des Derricks im Freivorbau eingehoben und

verschraubt (Bild 9). Überbau und Bogen werden gleichzeitig sukzessive vorgebaut, wobei die maximale Auskragung 48 m beträgt. Sobald die nächste Achse eines Bogenpfeilers erreicht ist, werden Hilfsabspannungen eingebaut, um den Bogen zu unterstützen. Anschließend wird der Bogenpfeiler mittels Kabelkrans aufgebaut. Danach wird der Überbau über den Pfeiler hinaus weiter vorgebaut.

Durch die Abspannungen formen hier Überbau und Bogen ein Fachwerk, welches maximal 230 m über die Widerlagerachsen hinaus auskragt. Das Schlusssegment wird dann wiederum mit dem Kabelkran eingehoben. Vor dem Abschweißen werden die beiden Bogenarme mittels Pressen an den Abspannungen höhenmäßig korrigiert und anschließend verschraubt.

9 Herstellungsoption 1: mit Derrick © Leonhardt, Andrä und Partner AG

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SYMPOSIUM Option 2 (allein mit Kabelkran): Hier erfordert die limitierte Tragkraft des Kabelkranes eine relativ kleinteilige Ausführung der Stahlteile bzw. eine größere Anzahl von Schraubstößen mit entsprechenden Mehrmassen für die Laschen. Auf den Pfeilern der Achsen S 40 und S 50 werden Hilfspylone aufgesetzt, deren Höhe durch den Kabelkran unter Last auf 25 m beschränkt ist. Die Abspannungen werden an den Achsen S 20 und S 70 bzw. S 80 im Fels verankert. Der Bogen wird im Freivorbau über die gesamte Länge erstellt und abgespannt (Bild 10). Die Bogenpfeiler werden erst nach dem Lückenschluss des Bogens mittels Kabelkrans errichtet. Hierzu ist es notwendig, die Betonfüllung in einem Bereich von mindestens 40 m über die entsprechende Pfeilerachse hinaus einzubringen und mit mindestens 30 MPa Festigkeit erhärten zu lassen. Sobald alle Pfeiler erstellt sind, werden deren Köpfe mittels temporärer Litzenseile miteinander verbunden und gegen das Widerlager S 10 bzw. den Pfeiler S 70 verspannt. Dies verleiht den Bogenpfeilern ausreichend Stabilität für den Einschub des Überbaus.

10 Herstellungsoption 2: allein mit Kabelkran © Leonhardt, Andrä und Partner AG

Der Einschub erfolgt annähernd symmetrisch von beiden Widerlagern aus. In der Brückenmitte werden die Verschubschnäbel abgebaut, um Platz für den Endverschub zu schaffen. Mit Anschluss an die Bogenkrone ist dann der Überbau längs gehalten und die temporären Festhalterungen an den Widerlagern müssen umgehend deaktiviert werden. Sobald die längsfesten Lager an den Pfeilerköpfen der Achsen S 41–S 44 bzw. S 46–S 49 eingebaut sind, sind diese Pfeiler stabilisiert, und die Abspannungen an deren Köpfen können ausgebaut werden.

11 Errichtung des Bogenfundaments © Afcons Infrastructure Ltd.

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SYMPOSIUM

7 Zusammenfassung Die Chenab-Brücke ist die Eisenbahnbrücke mit der zurzeit größten Bogenspannweite weltweit. Nachdem die anfänglichen Probleme und Herausforderungen einer solch abgelegenen Baustelle überwunden sind, sind wir zuversichtlich, dass die weitere Errichtung zügig vonstattengeht und die Brücke zum geplanten Zeitpunkt (Mai 2019) betriebsbereit sein wird. Autoren: Dipl.-Ing. Kilian Karius P.Eng CPEng Dipl.-Ing. Peter Walser Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart Pekka Pukkinen M. Sc. Civ. Eng. WSP Finland Ltd.

12 Probeweiser Zusammenbau eines Bogenabschnitts © Afcons Infrastructure Ltd.

Die Baufirma hat beide Optionen sowohl hinsichtlich der Unsicherheiten als auch monetär bewertet und schließlich Option 2 gewählt. Mit Stand Anfang Januar 2018 sind die Pfeiler und der Überbau im Vorlandbereich errichtet. Im Bereich der Hauptspannweite wurden die riesigen Fundamentblöcke in den Fels konstruiert und das erste Bogensegment platziert (Bild 11). In den diversen Anlagen sind ausreichend Elemente gefertigt und probeweise zwecks Überprüfung der Passgenauigkeit zusammengebaut worden (Bild 12). Somit steht einem raschen Baufortschritt nichts mehr im Wege. Jeder einzelne Bauabschnitt wurde hinsichtlich zu erwartender Verformungen und Spannkräfte in den Seilen unter-

sucht und in einem Montagehandbuch genau dokumentiert. Für eventuelle Abweichungen von den angesetzten Lasten wurden entsprechende Einheitslastfälle angesetzt. Somit wird die Baustelle selbst in der Lage sein, die notwendigen Anpassungen vor Ort durchzuführen. Eine Betreuung der Bogenmontage durch Leonhardt, Andrä und Partner (LAP) erfolgt im Wesentlichen aus der Distanz mittels E-Mail etc. Lediglich in kritischen Montagezuständen ist die Anwesenheit eines im Bereich solcher Montagen spezialisierten Mitarbeiters vorgesehen. Ein derartiges Konzept wurde von LAP außer bei Bogenbrücken insbesondere bei Schrägseilbrücken bereits häufig sehr erfolgreich angewandt.

Literatur [1] Pulkkinen, Karius, Kuviluoma: Design of the Chenab Bridge in India. IABSE-Symposium, Kalkutta, 24.–27. September 2013. [2] Pulkkinen, Hopf, Jutila: Conceptual Design of the Chenab Bridge in India. Steel Structures and Bridges Conference, Podbanské, Hohe Tatra, Slowakei, 26.–28. September 2012.

Bauherr Northern Railway, Konkan Railway Corporation Ltd., Neu-Delhi, Indien Entwurf und Tragwerksplanung WSP Finland Ltd., Helsinki, Finnland Leonhardt, Andrä und Partner, Beratende Ingenieure VBI AG, Stuttgart (Nachunternehmer) Prüfingenieur David MacKenzie, London, England Bauausführung Chenab Bridge Project Undertaking, Afcons Infrastructure Ltd., Neu-Delhi, Indien

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SYMPOSIUM Zwei Projekte von Ney & Partners

Shaping forces von Laurent Ney

Im folgenden Beitrag werden zwei Bauwerke von Ney & Partners näher beleuchtet, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Trotz klar voneinander abweichender Aufgabenstellungen ist der Grundstein für ein erfolgreiches Projekt immer die Synthese aller kontextuellen Elemente. Randbedingungen wie Raum- und Budgetbeschränkungen werden dabei nicht als Hindernisse gesehen, sondern als Treibstoff für die eigene Kreativität. Bei den Brücken handelt es sich um eine vorgespannte Stahlbetonbrücke in Nijmegen, Niederlande, und eine Fußgänger- und Radwegbrücke aus Stahl in Antwerpen, Belgien.

2 3 Zugang zu London Tower und Artesis Hogeschool © Stijn Bollaert

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1 Geh- und Radwegbrücke »Parkbrug« in Antwerpen © Stijn Bollaert

1 Parkbrücke in Antwerpen 1.1 Auszeichnung und Lage Alle drei Jahre wird die internationale Auszeichung »Footbridge Award« vergeben. Vergangenes Jahr fand die Veranstaltung in Berlin statt. In der Kategorie »mid span« ging die Auszeichnung dieses Mal nach Belgien, ex aequo mit einem Projekt eines deutschen Ingenieurbüros. Die Geh- und Radwegbrücke »Parkbrug« in Antwerpen von Ney & Partners über-

zeugte die Jury, ihr Kommentar dazu lautete wie folgt: »A simple yet effective solution which creates an interesting crossing for users even though its fully enclosed. Jury found it hugely impressive that a box girder on this scale could be made without any u-frame, web or diaphragm stiffener. Very clever design and aesthetically strong.«


SYMPOSIUM

4 Entwicklungsschritte bei der Formfindung © Ney & Partners

Fragt man heute einen jungen Antwerper nach dem attraktivsten Viertel der Stadt, lautet die Antwort ohne Zweifel »Eilandje« und »Park Spoor Noord«. Diese Hotspots haben einen komplett unterschiedlichen Charakter, markieren aber zugleich die neue Identität des Nordens von Antwerpen. Die neue Fußgänger- und Radwegbrücke steht als Symbol für die enorme Aufwertung, die das Viertel in den letzten Jahren erfahren hat. Zehn Jahre nach den Wettbewerbsausschreibungen ist diese elegante neue Fußgänger- und Radwegbrücke nun endlich realisiert worden. Seit Sommer 2016 verbindet sie auf spektakuläre Art und Weise die Viertel Eilandje und Park Spoor Noord und schafft so einen symbolischen Übergang zwischen Stadt und Hafen. Die filigrane Form und das Spiel mit den Öffnungen geben der weißen Stahlkonstruktion den Charakter eines modernen Kunstwerkes. Als Endpunkt der sogenannten Leien, einer Serie von Avenues in Antwerpen, bildet die Passerelle auch einen neuen Zugang zur Innenstadt. 1.2 Wahrzeichen der Stadt Die Parkbrug ist 67 m lang und 10 m breit. Sie ist auf der einen Seite am »London Tower« und auf der anderen Seite an der »Artesis Hogeschool« aufgelagert. Ihr Volumen dominiert den Straßenraum, besonders weil sie sich in der Nähe der Kreuzung mit dem Noorderplaats befindet. Diese starke Sichtbarkeit war ein wichtiger Ausgangspunkt beim Entwurf des Brückenbauwerkes. Die Absicht war, den London Tower und die Kunsthochschule von Antwerpen ohne Zwischenstützung zu verbinden. Von Anfang an war klar, dass es sich bei dem Bauwerk auch um ein Wahrzeichen handelt. So entstand die Idee eines röhrenförmigen Tragwerks, das vom Prinzip her wie eine Bogenbrücke funktioniert. Der Obergurt entspricht dabei dem Bogen, der Untergurt, sprich das Deckblech nimmt die aus der Bogenwirkung entstehenden Zugkräfte auf und schließt sie kurz.

1.3 Formfindung und Kraftfluss Bei diesem Projekt wurde die Formgebung eines rohrförmigen Tragwerkes untersucht. Ziel war es, einen möglichst steifen- und schottenfreien Brückenquerschnitt zu erhalten, dessen Form sowohl in funktionaler als auch in konstruktiver Hinsicht optimiert ist. Die Formfindung wurde auf intuitive Weise durchgeführt und könnte auf theoretischer Ebene sicherlich verbessert werden, dennoch zeigte das Projekt in seiner Gesamtheit die Richtigkeit unserer formalen Intuition. Zu erwähnen ist auch, dass es sich hierbei um den wirtschaftlichsten Wettbewerbsbeitrag handelte. Um die notwendigen Quersteifen und Querschotten auf ein Minimum zu reduzieren, müssen die Biegebeanspruchungen verringert und gleichzeitig Membrankräfte aktiviert werden. Dies kann dadurch erfolgen, dass dem Deckblech eine Querkrümmung verliehen wird, dadurch entstehen Querzugkräfte. Die Aufnahme dieser Querzugkräfte kann wiederum durch eine Bogentragwirkung in der Ebene des Deckblechs erfolgen. Hierfür wird dem Tragwerk im Grundriss eine Krümmung verliehen. Das Deckblech (Breite

in Feldmitte: 6,30 m) weitet sich zu den Widerlagern (10 m) hin auf. Die entstehenden Zugkräfte im Bereich der Widerlager schließen sich aufgrund der Symmetrie kurz. Dieser Effekt verstärkt sich durch das globale Tragverhalten der Brücke. Das Deckblech nimmt die aus der Bogenwirkung entstehenden Zugkräfte in Längsrichtung auf. In den vier Eckpunkten kommt es zu einer Konzentration von Zugkräften. Die Bögen müssen daher zwangsläufig an den vier oben beschriebenen Punkten angreifen, um ein Gleichgewicht herzustellen. Die Obergurte oder die Bögen, wenn man sie so nennen will, treffen sich in Feldmitte und weiten sich in Querrichtung hin zu den Widerlagern auf, um die Eckpunkte zu erreichen. In Feldmitte handelt es sich um einen dreiecksförmigen Querschnitt. Der stark gedrückte Obergurt wird dabei von den geneigten Stegen vor seitlichem Ausweichen gehalten. Zu erwähnen ist auch, dass die ebene Krümmung der Druckbögen und die Zugbögen im Deckblech ein Gleichgewicht bilden.

5 Transversalkräfte infolge Krümmung © Ney & Partners

6 Kurzschluss des Bogenschubs mittels Zugbändern © Ney & Partners

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SYMPOSIUM Bei der Definition der Form sind die seitlichen Oberflächen wichtig, deren strukturelle Funktion ist jedoch untergeordnet. Wenn wir das Tragwerk mit einer konventionellen Bogenbrücke vergleichen, entsprechen die geneigten Stege einer Reihe von Tragseilen zwischen Deckbleck und Bogen. Wir haben einen anderen Weg beschritten, indem wir die seitlichen Stegbleche in den Entwurf mit aufgenommen, aber die Dichte des Materials in Abhängigkeit des Kraftflusses im Tragwerk auf ein Minimum reduziert haben. Die Stegbleche sind extrem schlank ausgeführt: Blechdicken von 12–15 mm bei einer Höhe von 6 m, und das ohne Querschotten. Trotz der geringen Anzahl an Quersteifen bzw. Querschotten besitzt die Brücke einen sehr schlanken Charakter. Einzig und allein unterhalb des Deckblechs wurden Quersteifen vorgesehen, was sehr außergewöhnlich ist.

7 Unterseite der Brücke mit Quersteifen © Stijn Bollaert

8 Perforierung der Stegbleche © Stijn Bollaert

Neben der schlanken Silhouette, dem kontrollierten Gleichgewicht und der großen Spanweite zeigt die Raffinesse der Biege- und Schnitttechnik der Stahlhülle der Brücke, dass die Parkbrug die zahlreichen Möglichkeiten von Stahl optimal ausnutzt.

9 Abendlicher Blick vom Noordersplaats © Stijn Bollaert

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10 Gestaltung der perforierten Seitenflächen © Ney & Partners

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1.4 Spiel mit Licht und Schatten In die geneigten Stege wurden insgesamt 3.444 Öffnungen gefräst. Diese haben unterschiedliche Formen und Abmessungen, was zu einem einzigartigen Motiv führt und einen Doppeleffekt schafft: Von außen betrachtet verleihen die Öffnungen in der Stahlhülle dem monolithischen Volumen eine gewisse Leichtigkeit und ein Gefühl der Schwerelosigkeit. Die Umrisse der Brücke verändern sich aus jeder Perspektive, aus jedem Blickwinkel und aus jeder Richtung, in die man sich bewegt. Diese wunderbare Wahrnehmung wird im Dunkeln noch verstärkt, wenn die Brücke in einer atmosphärischen LED-Beleuchtung badet. Im Inneren der Brücke ist der Benutzer einem mysteriösen Spiel von Licht und Schatten ausgesetzt. Der veränderliche Lichteinfall wirft beindruckende Bilder an die geneigten Stege und das Deckblech.


SYMPOSIUM

11 Eindruck beim Über- oder Durchfahren der Brücke © Stijn Bollaert

1.5 Materialität und 3-D-Planung Die außergewöhnliche Formgebung der Parkbrug lässt erahnen, dass es sich hier nicht um ein klassisches Bauwerk handelt. Die Stahlhülle setzt sich vorwiegend aus Flachstahlprodukten und warmgewalzten Rohrprofilsegmenten zusammen. Insgesamt wurden 170 t Stahl S 355 J2+N verarbeitet. Für den Korrosionsschutz kommt ein dreilagiges Beschichtungssystem zum Einsatz: Oberflächenvorbereitung in Sa3, Zinkbeschichtung 120. Die geneigten Stege wurden zudem innen und außen mit einer Anti-GraffitiBeschichtung versehen. 1.6 Bauausführung Die Errichtung der Brücke erfolgte in mehreren Phasen. Werkstattseitig wurde sie in acht Abschnitten hergestellt. Danach wurden die Segmente zu einem Hangar, der sich entlang dem Kanal von Willebroek befindet, transportiert. Dort wurden die Einzelteile verschweißt. Im Anschluss erfolgte die Beschichtung. Auf dem Wasserweg wurde die Brücke dann nach Antwerpen transportiert. Der Weitertransport zum Standort erfolgte per Lkw. Das Einheben der Brücke musste sehr präzise erfolgen, weil zwischen den bestehenden Gebäuden nur 0,50 m als Spielraum zur Verfügung standen. Das Einheben dauerte insgesamt 4 h – und damit viel weniger, als zunächst veranschlagt waren.

12 Lichteinfall durch perforierte Seitenflächen © Stijn Bollaert

Bauherr AG VESPA, Antwerpen, Belgien

Prüfingenieur Hans Wauters, Antwerpen

Entwurf Laurent Ney, Ney & Partners BXL s.a., Brüssel

Bauausführung Emergo Group Ltd., Antwerpen

Tragwerksplanung Ney & Partners BXL s.a., Brüssel

13 Transport an die finale Position © Stijn Bollaert

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SYMPOSIUM

14 Abendlicher Blick von der Nordseite des Entlastungskanals zur Stadtinsel © Thea van den Heuvel

2 De Lentloper in Nijmegen 2.1 Charakteristika der Brücke »Wie eine Landschaft aus Beton und Ziegel zieht sich die Brücke De Lentloper in Nijmegen über den neuen Nebenkanal der Waal. Ihre amorphe Form trägt nicht nur zur hohen Aufenthaltsqualität auf dem Bauwerk bei, sondern reagiert auch effektiv auf die Kräfte, die auf es einwirken. (...) Geradezu schmächtig wirkt De Lentloper, wenn man sich dem Bauwerk über den Deich auf der Nordseite des Kanals nähert. Kein Wunder, liegt sie doch zwischen einer mächtigen Eisenbahnbrücke und der Erweiterung der Waalbrug, auf der die vierspurige Straße nach Arnheim verläuft. Erst unmittelbar

15 Auf der Fahrbahn in Richtung Stadtinsel © Thea van den Heuvel

vor der filigranen Spannbetonbrücke von Ney & Partners aus Brüssel entfaltet sich deren Noblesse. Während der Bereich für den Autoverkehr in der Mitte mit einer sanften Wölbung über den Kanal führt, verbleiben die Bereiche rechts und links davon, die den Fußgängern und Radfahrern vorbehalten sind, in der Horizontalen. (...) Zwei Verbindungsstege im Bereich des größten Versatzes der beiden Verkehrsebenen erlauben es den Passanten, unter der Autospur hindurch, von einer Seite auf die andere zu wechseln. Im Unterschied zu jener Aussicht, die sich einem in der Regel an einer Brücke zeigt, erwartet einen bei De Lentloper eine Überraschung. Der helle Beton der Unterseite präsentiert sich glatt und glänzend wie ein frisch polierter Lederschuh und reflektiert dadurch effektvoll das Wasser.« (Textpassagen aus einem Artikel, der in der Mai-2017-Ausgabe der deutschen bauzeitung erschienen ist.)

16 De Lentloper zwischen der Waalbrug und einer Eisenbahnbrücke © Ney & Partners

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SYMPOSIUM

17 Luftbildaufnahme: Brücke noch im Bauzustand © Ney & Partners

2.2 Vorausschauende Planung Die Brücke wurde nicht über einen bestehenden Fluss hinweg errichtet, sondern noch auf dem Trockenen, um den zur Bauzeit erst geplanten und mittlerweile realisierten Entlastungskanal für die Waal zu überspannen. Sie verbindet den nördlich des Zentrums gelegenen Stadtteil Lent mit einer Stadtinsel, die durch die künstliche Flutung des Areals entstand. Das Projekt ist im Rahmen von »Raum für die Waal« entwickelt worden, einem Programm, das zum Ziel hat, dem Fluss mehr Fläche einzuräumen, um Überschwemmungen in gefährdeten Gebieten auch bei voranschreitendem Klimawandel zu verhindern. In Nijmegen ist eine Reihe von Stadtentwicklungsprojekten mit der Schaffung des Nebenkanals verbunden. Das neue Nordufer, das im Moment noch dünn besiedelt ist, soll bald zu einem lebendigen Wohngebiet werden. Auf der Insel, die von dort über De Lentloper erreicht werden kann, sind weitere Wohnbauten, aber ebenso Raum für Freizeit und Erholung geplant. Die Verantwortlichen der Stadt Nijmegen wünschten sich an dieser Stelle von Beginn an eine Brücke zum Flanieren, eine »Promenadebrücke«. Ein Auswahlverfahren der Gemeinde konnten Ney & Partners mit ihrem Vorentwurf für sich entscheiden. An dem Projekt arbeiteten in dem belgischen Büro durchgängig Tragwerksplaner und Architekten gemeinsam, so dass funktionale, gestalterische und tragwerksplanerische Überlegungen in fortlaufender Abwägung untereinander weiterentwickelt werden konnten.

Der Entwurfsgedanke der beiden in der Höhe unterschiedlich angeordneten Verkehrsebenen war dabei nicht Ausgangspunkt des Brückenkonzepts, sondern entstand vielmehr durch die fächerübergreifende Vorgehensweise. Die schließlich resultierende amorphe Form ermöglicht es, die notwendige Konstruktionshöhe und Steifigkeit mit geringen Bauteildicken – die Stahlbetonschale des Brückendecks ist nur zwischen 30 cm und 60 cm dick – zu gewährleisten.

Pfeiler, Widerlager und Deck der Brücke ließen die Planer in Stahlbeton erstellen. Sowohl die komplexe Geometrie als auch wirtschaftliche Überlegungen legten diese Materialwahl nahe. Da Pfeiler und Brückendeck monolithisch miteinander verbunden sind und so eine semiintegrale Konstruktion bilden, finden sich wartungsintensive Bauteile wie Lager und Dehnfugen lediglich im Bereich der Widerlager. Gegründet ist die Brücke auf so genannten Vibro-Kombinationspfählen mit quadratischem Querschnitt.

18 Geneigte Seitenstege mit Aufenthaltsräumen © Thea van den Heuvel

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SYMPOSIUM

19 Lageplan © Ney & Partners

20 Grundriss © Ney & Partners

21 22 23 Querschnitte © Ney & Partners

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SYMPOSIUM

24 Verbindungssteg unterhalb der Fahrspur © Thea van den Heuvel

2.3 Skulptur mit optimiertem Tragwerk Bei einer Gesamtlänge von 220 m überspannt die Brücke fünf Felder mit Stützweiten von 30 m, 52 m, 56 m, 52 m und 30 m. Durch den zunehmenden Niveauunterschied zwischen Fußweg und Fahrbahn erreicht die Konstruktion, ausgehend von anfänglich 0,60 m ihre maximale statische Höhe von 3,50 m genau in der Mitte.

25 Statisches System und Längsvorspannelemente © Ney & Partners

26 Bewehrung: monolithische Verbindung von Pfeiler und Überbau © Ney & Partners

Die geneigten Flächen der Betonschale sorgen für das Zusammenwirken von Fahrbahn und Fußwegen und verleihen ihrem Querschnitt einen bogenartigen Charakter. So reduziert die Querschnittsform die Biegebelastung in Querrichtung. Dies ermöglicht einen sehr effizienten Materialeinsatz und eine reduzierte Dicke von 30 cm an den Kanten und bis zu 58 cm in Fahrbahnmitte. Um langfristige Verformungen zu vermeiden, wurden kreuzweise verlaufende Vorspannelemente eingesetzt.

27 Erscheinungsbild von unten © Thea van den Heuvel

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SYMPOSIUM

28 Herstellung des zweiten Abschnitts auf Lehrgerüst © Thea van den Heuvel

2.4 Betontechnologie Der Beton ist mit sehr glatter, heller Oberfläche ausgeführt, damit sich an der Brückenunterseite das Wasser spiegelt. Hierfür waren eine genaue Analyse des Rissverhaltens und strenge Vorgaben zur Rissbreitenbegrenzung erforderlich. Es wurden zahlreiche Betonmuster angefertigt, die Gießzeiträume reduziert und die Schalungsausführung sehr präzise bis in jedes Detail geplant. Die schrittweise Ausführung der komplexen, sowohl in Längs- als auch in Querrichtung vorgespannten Geometrie war nur möglich durch enge Abstimmung zwischen Entwerfern und Ausführenden sowie eine sehr präzise, gutvorbereitete Ausführung. Äußerst wichtig war, die Schalungszeiten auf ein Minimum zu begrenzen, da der Beton dunkler wird, wenn er zu lange in der Schalung verbleibt. Es galt, eine Betonmischung zu finden, die eine hohe

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Oberflächenqualität sowie die erforderlichen Festigkeitseigenschaften aufweist: C 45/55 für das Brückendeck und C 50/60 für Pfeiler und Passarellen. Zugleich musste sie, um eingelegte Elemente wie Vorspannkanäle ausreichend verdichten zu können, auch bei einer Neigung von 30° ausführbar sein. Die Wahl fiel auf einen Beton mit kurzer Aushärtezeit und damit einhergehender hoher Wärmeentwicklung und erhöhtem Risiko der Rissbildung während der ersten Aushärtephase. Durch genaue Analyse dieser Phase im Rahmen von Vorversuchen gelang es, Rissbildungen ausreichend zu begrenzen. Zum Einsatz kam eine sehr glatte Holzschalung mit besonders sorgfältig angeordneten Arbeitsfugen, deren Schalflächen durch Lackierung nachbehandelt und vor dem Betonieren konsequent saubergehalten wurden.

29 Perspektive vom Verbindungssteg zum Widerlager © Thea van den Heuvel

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Die Einheit von Form und Tragwerkskonzept führte zu einer integralen Struktur, die ihre Funktion auf effiziente Weise erfüllt. Mit dem Begriff »formgebende Kräfte« lässt sich die Suche nach einer Geometrie, die alle eingesetzten Materialien in einer Synthese vereint, gut beschreiben. Dass die Besucher nun tatsächlich die komplette Oberfläche der Brücke entdecken und nutzen können, stellt den Mehrwert dieses Ansatzes dar. Bauherr Stadtverwaltung Nijmegen Entwurf Laurent Ney, Ney & Partners BXL s.a., Brüssel Tragwerksplanung Ney & Partners BXL s.a., Brüssel Prüfingenieur Jos van Heck, Nijmegen Bauausführung i-Lent Project Group, Nijmegen Dura Vermeer Groep NV, Rotterdam Ploegam B.V., Oss, Niederlande

Autor: Laurent Ney Architecte and Civil Engineer Ney & Partners BXL s.a., Brüssel


SYMPOSIUM

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AKTUELL Symposium mit anschließender Exkursion

ÖPP-Projekt »Ausbau der Isentalautobahn« von Siegfried Löffler

Für gewinnbringende Ein- und Ausblicke sorgen insbesondere jene Konferenzen und Kongresse, die Theorie und Praxis sinnstiftend miteinander verbinden, also mit einer Kombination aus instruktiven Vorträgen und nachfolgender Exkursion aufwarten – wie eben die Veranstaltung »Bau der A 94 Isentalautobahn«, die am 24. und 25. Oktober fast direkt vor Ort stattfand. In Kooperation mit der Autobahndirektion Südbayern und der Isentalautobahn GmbH & Co. KG initiiert und ein Vorhaben thematisierend, das dank des hier vereinbarten »Verfügbarkeitsmodells« zu den derzeit wohl innovativsten ÖPP-Projekten in Deutschland gehört, war diese Tagung zweifelsohne von hervorragender Qualität, referierten in München doch ausschließlich die jeweils Verantwortlichen aus Bauverwaltung und Projektgesellschaft sowie den beteiligten Ingenieurbüros und beauftragten Bauunternehmen, so dass letztlich sämtliche Aspekte zur Sprache kamen, die bei Entwurf, Realisierung und Betrieb des 77 km langen Streckenabschnitts zwischen Pastetten und Marktl eine Rolle spielen. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Besichtigung der Großbrückenbauwerke am zweiten Tag, die in überaus anschaulicher Form zusätzliche Erkenntnisse vermittelte, sowie für die beiden Abendprogramme, die den ca. 100 Anwesenden mannigfaltige Gelegenheiten boten, um sich in zwangloser Atmosphäre austauschen, neue Kontakte knüpfen oder aber um bestehende auffrischen und damit intensivieren zu können.

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Planung und Ausführung Auf der Intention beruhend, das Gesamtprojekt in all seinen Facetten angemessen zu beleuchten, umfasste das Vortragsprogramm am Dienstag in Summe zwölf Präsentationen, die sich in puncto Themenwahl wie Reihenfolge an dem mehrheitlich schon absolvierten Ablauf sowie an den sich in Realisierung befindlichen Brücken- und Straßenbaumaßnahmen orientierten und den Anwesenden derart einen prägnanten, ja einen ebenso detaillierten wie konzentrierten Eindruck zu gewinnen erlaubten – von den großen, in toto zu bewältigenden Herausforderungen rechtlicher, ästhetischer, funktionaler, landschaftspflegerischer, organisatorischer und technischer Natur bis hin zu den inzwischen vereinbarten Lösungen, bei deren Entwicklung in manchem Punkt Neuland betreten wurde und noch wird. Der Auftakt im Mercure Hotel Orbis in München-Perlach galt freilich der Vorgeschichte: Nach der offiziellen Begrüßung durch Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn, der zugleich als Moderator fungierte, war es Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Wüst, Präsident der Autobahndirektion Südbayern, offenkundig ein Anliegen, sein Grußwort um einen kurzen Exkurs durch die Planungshistorie anzureichern und in dem Zusammenhang aufzuzeigen, dass de facto enorme Schwierigkeiten zu meistern und deshalb Höchstleistungen zu erbringen waren, bis sich nach über 20 Jahren überhaupt Baurecht für die Strecke von München nach Kirchham schaffen ließ. Dipl.-Ing. Stefan Fischer, Autobahndirektion Südbayern, der als Nächster sprach, wusste den Hinweis von ihm umgehend aufzugreifen, indem er zuerst die langwierigen Diskussionen um die Suche nach der geeignetsten Trasse in Erinnerung rief und dann die Charakteristika des sogenannten Verfügbarkeitsmodells unter dem Kriterium von Ausschreibung und Vergabe genauer erläuterte, und zwar inklusive der Konsequenzen, die aus der veränderten Risiko- und Aufgabenverteilung zwischen privatem und öffentlichem Partner resultieren.

An seinen exakten Überblick über die generellen Rahmenbedingungen gliederten sich jetzt vertiefende Einzelbetrachtungen an, die sich den verschiedenen Aspekten widmeten und deren jeweilige Spezifika erhellten, wobei Baudirektor Dipl.-Ing. Markus Nestler, Autobahndirektion Südbayern, den Anfang machte und unter dem Titel »Referenzplanung der Ingenieurbauwerke« nachvollziehbar dokumentierte, warum man hier seitens der Behörde letzten Endes außerordentlich präzise (Amts-)Entwürfe für sämtliche Brücken, Stütz- und Lärmschutzwände anzufertigen hatte. Die passende Ergänzung lieferte sofort danach Dipl.-Ing. Roland Schaub, Landschaftsarchitekt in der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, vermochte er doch in erfreulicher Klarheit jene Parameter zu skizzieren, die als »Naturschutzmaßnahmen beim A-94-Neubau« als (rechtliche) Prämissen zu erfüllen waren und weiterhin sein werden. Für eine Art Blickwechsel sorgte hingegen Dipl.-Ing. (FH) Alfred Stangassinger, Isentalautobahn GmbH & Co. KG, da er nun über die »Projektgesellschaft als ÖPP-Auftragnehmer« informierte, selbstredend nicht ohne zu vergessen, die wichtigen Fragen der Finanzierung und Vergütung beim Verfügbarkeitsmodell aus seiner Perspektive zu konkretisieren. Die Konstellation zwischen Projektgesellschaft und Bauarbeitsgemeinschaft (BauARGE) und damit den Weg von der Angebotserarbeitung bis zur Ausführung von Trasse und Brücken erörterte darüber hinaus Dipl.-Ing. Nikolaus Arndt, ARGE A 94 Isentalautobahn, der zudem verdeutlichte, wie solche Verknüpfungen auf Basis eines Engineering-ProcurementConstruction-(EPC-)Vertrages zu interpretieren sind oder sogar sein müssen – bei der, wie er sagte, »wohl größten derzeit laufenden Einzelbaustelle in Bayern«.


AKTUELL

Talbrücken und Qualität Im Zuge des 77 km langen ÖPP-Streckenabschnitts werden neben zahlreichen kleineren Brückenbauwerken vor allem auch vier landschaftsprägende Talquerungen errichtet, die schon allein wegen ihrer Dimensionen und der jeweils unterschiedlichen, zwischen Pastetten und Marktl sich quasi in Reihe auffächernden Herstellungsverfahren große Aufmerksamkeit verdien(t)en, wie die jetzt anschließenden Referate und Referenten überaus kompetent veranschaulichten. So grenzt die Goldachtalbrücke an ein Flora-Fauna-Habitat-(FFH-)Gebiet, was einen erheblichen Einfluss auf ihre Verwirklichung ausübte: Weil irgendwelche bodengestützten Alternativen ohnehin entfielen, kam statt der ursprünglich vorgeschlagenen Freivorbaumethodik eine untenliegende Vorschubrüstung als wirtschaftlichste Lösung zur Anwendung, wie Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Weiß, SRP Schneider & Partner Ingenieur-Consult GmbH, und Dipl.-Ing. Sven Hofmann, ARGE A 94 Isentalautobahn, bei ihrer Beschreibung von Entwurf, Planung und Ausführung der 420 m langen und in neun Felder unterteilten Spannbetonhohlkastenstruktur plausibel argumentierten.

Isentalbrücke: Vorschubrüstung © Verlagsgruppe Wiederspahn

Goldachtalbrücke: Vorschubrüstung © Verlagsgruppe Wiederspahn

Die Isentalbrücke wiederum, mit einer Länge von ca. 600 m sowie einem zweistegigen Plattenbalken aus Spannbeton als Überbauquerschnitt aufwartend, kreuzt ein FFH-Gebiet, so dass sich angesichts ähnlicher Höhenverhältnisse eine fast identische Variante beinahe unweigerlich aufdrängte. Und das heißt, die 14-feldrige und auf Großbohrpfählen tiefgegründete Konstruktion wird ebenfalls mit Hilfe einer untenliegenden Vorschubrüstung realisiert und soll dergestalt laut Dipl.-Ing. (FH) Wolfgang Weiß, SRP Schneider & Partner Ingenieur-Consult GmbH, und Bmstr. Dipl.-Ing. Alexander Marx, Habau Hoch- und Tiefbaugesellschaft m.b.H., ein nicht minder dauerhaftes und robustes Tragwerk ergeben.

Im Unterschied zu dem zuvor geschilderten Konzept zeichnet sich die Rimbachtalbrücke durch zwei Besonderheiten aus, nämlich durch die Kombination von drei Bauverfahren und den Einsatz der Mischbauweise, also die Koppelung von interner und externer Vorspannung am und im Hohlkasten. Während aber Letzteres, wie Dr.-Ing. Otto Wurzer, WTM Engineers München GmbH, und Dipl.-Ing. Sven Hofmann, ARGE A 94 Isentalautobahn, sach- und fachkundig zu untermauern verstanden, in der entsprechenden Norm geregelt sei, würden Vorschubrüstung, Freivorbauanlage und Traggerüst nur selten hintereinander angeordnet. Dennoch sei das bei dieser neunfeldrigen Talquerung in ökologisch sensiblem Terrain unabdingbar gewesen, um sie termingerecht und kostengünstig errichten zu können.

Ornautalbrücke: Taktkeller © Verlagsgruppe Wiederspahn

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AKTUELL

Rimbachtalbücke: Kombination von Bauverfahren © Verlagsgruppe Wiederspahn

Die passende Abrundung verkörperte in dem Kontext zweifellos die Ornautalbrücke – als eine 356 m lange Spannbetonstruktur mit Hohlkastenquerschnitt, deren Herstellung mittels Taktschiebens in acht Abschnitten pro Überbauseite erfolgt und die insofern das bisher präsentierte Spektrum an Systematiken und Systemen komplettierte: durch eine Option, die im Übrigen der Referenzplanung entstammte und auf der Intention beruhte, etwaige Eingriffe in das ökologisch schützenswerte Gelände auf ein Minimum zu beschränken. Außerdem erschien es so am besten möglich, wie Dr.-Ing. Otto Wurzer, WTM Engineers München GmbH, und Dipl.-Ing. Nikolaus Arndt, ARGE A 94 Isentalautobahn, meinten, adäquat auf die schwierige Gründungssituation mit tragfähigen Bodenschichten (erst) in einer Tiefe von 42 m zu reagieren. Mit dem bei Bauvorhaben, die in öffentlich-privater Partnerschaft abgewickelt werden, stets kontrovers diskutierten Thema der Qualitätssicherung beschäftigte sich indessen Dipl.-Bauingenieurin und Wirtschaftsmediatorin Karen Ludewig, Sweco GmbH, die ihre Abhandlung gleichwohl mit »Erweitertes Qualitätsmanagement beim ÖPP-Projekt« betitelt hatte, um explizit zu betonen, warum es eines EQMs, ergo einer neuen Form des gelebten partnerschaftlichen Gedankens bedarf, wenn vorab definierte Standards kontinuierlich zu erzielen sind.

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Ornautalbrücke: Taktschiebeverfahren © Verlagsgruppe Wiederspahn

Den (gebührenden) Ausklang zu bestreiten blieb nachfolgend Dipl.-Ing. Dietmar Hildebrandt, Institut Feuerverzinken GmbH, vorbehalten, was durchaus sinnstiftend anmutete, zumal er über jüngste Erkenntnisse und aktuelle Beispiele aufklärte, die dem »Brückenbau mit feuerverzinktem Stahl« künftig ein stärkeres Gewicht bei Bauherren wie Planern verleihen werden. Mit einem gemeinsamen Abendessen im exquisiten Restaurant der Mercure Hotel Orbis endete nun der erste Tag des Symposiums, der ungemein anregend war und somit nicht wenig Vorfreude auf die Exkursion am Mittwoch weckte.

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Fachausstellung im Foyer © Verlagsgruppe Wiederspahn

Exkursion und Tagungsband Die Rahmenbedingungen waren nahezu perfekt: Bei weißblauem Himmel, herbstlichem Sonnenschein und eher milden Temperaturen starteten die Busse zum Baubüro der ARGE A 94 Isentalautobahn bei Dorfen, an dem die Exkursionsteilnehmer dann von den leitenden Mitarbeitern aus Autobahndirektion, Projektgesellschaft, Ingenieurbüros und Baufirmen empfangen und begrüßt wurden. Danach ging es sofort in medias res, das heißt, nach einer Videopräsentation mit ergänzenden Erläuterungen zur Einstimmung sowie der Ausrüstung mit Helmen und Westen wurde zunächst ein Streckenabschnitt angesteuert, in dem sich exemplarische Straßen- und Stützwand-Bauvorhaben in Realisierung befinden.


AKTUELL

Beginn und Ende der Exkursion © Verlagsgruppe Wiederspahn

Nach rund sieben Stunden, lediglich unterbrochen durch die Mittagspause in einem typisch bayerischen Restaurant in Dorfen, die dank der ebenso sach- wie fachkundigen Führung und der Beantwortung sämtlicher, ja selbst der spontan aufgetauchten Fragen mannigfaltige Ein- und Ausblicke ermöglichte, endete letztlich der Ausflug in die Baupraxis bei und von Großstrukturen – und damit auch ein rundherum gelungenes Symposium, wie die Anwesenden mit Nachdruck bestätigten.

www.maurer.eu

Ausgabe 5 . 2017

Symposium ÖPP-Projekt »Bau der A 94 Isentalautobahn« Special Schalung und Rüstung

www.verlagsgruppewiederspahn.de

Und wie bei jedem Symposium der Ver lagsgruppe Wiederspahn liegen alle Vorträge natürlich zusätzlich in gedruckter Form vor – als Ausgabe 5 ∙ 2017 der Zeitschrift »Brückenbau«, die als Tagungsband 38 € kostet und in jeder gutsortierten Fachbuchhandlung oder aber direkt über den Veranstalter zu erwerben ist. Autor: Siegfried Löffler Fachjournalist, München

ISSN 1867-643X

Tagungsband mit allen Vorträgen © Verlagsgruppe Wiederspahn

Anschließend erfolgte, in geographisch sinnvoller Reihung, die Besichtigung der vier Querungsbauwerke Goldachtalbrücke, Isentalbrücke, Rimbachtalbrücke und Ornautalbrücke, wobei den wiederum vier unterschiedlichen Herstellungsverfahren selbstredend besondere Aufmerksamkeit gezollt wurde. Das erschien bzw. erscheint auch keineswegs verwunderlich, denn wo sonst lassen sich schon in einem derart kurzen (räumlichen) Abstand die hier zur Anwendung kommenden Alternativen Vorschubrüstung, Freivorbau, Traggerüst und Taktschieben quasi nacheinander antreffen? Dass die jeweiligen Einzelheiten, wie zum Beispiel die Details der Hilfskonstruktionen, das Betonieren im Taktkeller oder das Aufbringen der Vorspannung, auf enormes Interesse stießen, war deshalb wohl mehr als verständlich.

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PRODUKTE UND PROJEKTE Rekordstützweite dank SEH Engineering

Verschieben der Hochmoselbrücke

Talquerung mit Hohlkastenquerschnitt in Ganzstahlbauweise © Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM) Trier

Im November 2017 fand der elfte Teilverschub der Hochmoselbrücke statt: Der in einer Länge von 1.504 m bereits hergestellte Überbau aus Stahl wurde über die Mosel verschoben und so die Lücke zwischen Hunsrück und Eifel geschlossen. Das heißt, es wurden hier quasi in einem Stück ca. 29.100 t Stahl bewegt – und dank des Überwindens eines freien Kragarmes von 212,87 m zugleich ein einzigartiger Rekord in dieser Bauweise erzielt. Damit wurde die bislang größte technische Herausforderung erfolgreich bewältigt, der sich die SEH Engineering GmbH bisher gestellt hat. Die Konzepte und Ideen, die Planungen und Berechnungen, die makellose Qualität der Baugruppen, Schweißnähte und Hilfskonstruktionen waren dem äußersten Belastungscheck gewachsen: ein großer Schritt für die Errichtung der Talquerung und für den Auftrag der SEH Engineering GmbH. Kern der Montagetechnologie sind einerseits die Verwendung eines temporären Hilfspylons mit einer Höhe von ca. 80 m sowie andererseits der Einsatz eines neuentwickelten Brückenverschubsystems, das die SEH Engineering GmbH zur Patentreife geführt hat. Dieses Verschubsys-

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tem wurde notwendig, weil die hohen und schlanken Pfeiler mit herkömmlichen Technologien nicht belastet werden konnten: Die Pfeiler der Brücke erreichen Höhen bis zu 152 m und sind dergestalt höher als der Kölner Dom. Ihre Gründung erfolgte über Großbohrpfähle, die mit bis

Stapelkonstruktion und Verschubstationen © Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM) Trier

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Montagezustand: Hilfspylon zur Errichtung des Bauwerks © Landesbetrieb Mobilität Rheinland-Pfalz (LBM) Trier/SEH Engineering GmbH

zu 200 cm Durchmesser in eine Tiefe bis zu 47 m reichen. Die mit einem ausgesteiften Hohlkastenquerschnitt in Ganzstahlbauweise ausgebildete Deckbrücke mit einer Stahltonnage von ca. 33.000 t ist 1.702 m lang und hat Stützweiten von 104–210 m über der Mosel.


PRODUKTE UND PROJEKTE Die Dimensionen der Brücke und das entwurfsbedingte Ganzstahlkonzept führen zu einer der größten Stahlbrücken-Neubauten Deutschlands. Die Stahlkonstruktion wird in den Eiffage-Gesellschaften in Deutschland (Hannover) und in Frankreich (Lauterbourg) gefertigt. Der zu verarbeitende Stahl der Güten S 355 und S 460 wird ausschließlich aus deutschen Stahl- und Walzwerken bezogen.

Im November 2010 wurde dem Konsortium, bestehend aus den Firmen SEH Engineering GmbH, Porr Deutschland GmbH und der Eiffage Métal, der Auftrag zum Neubau der Hochmoselquerung als Ergebnis eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens erteilt. Die technische Federführung liegt seitdem in den Händen der SEH Engineering GmbH aus Hannover.

Der sogenannte Hochmoselübergang ist Teil der Bundesstraße B 50n, die das Rhein-Main-Gebiet mit Belgien und Luxemburg verbinden wird. www.seh-engineering.de

Neuartiges Abdichtungssystem von Sika

Rudolf-Wissell-Brücke in Berlin

Teil eines hochfrequentierten Autobahnabschnitts © CopterCloud GmbH/Sika Deutschland GmbH

Die Rudolf-Wissell-Brücke in Berlin ist ein Verkehrsknotenpunkt: Als Teil der Autobahn A 100 überquert sie die Spree und die Schleuse Charlottenburg, wobei jeder, der zum Flughafen Tegel unterwegs ist, über das ca. 1 km lange Bauwerk fährt. Die starke Beanspruchung in den letzten Jahren hat ihre Spuren hinterlassen, so dass sie nun saniert werden musste. Die Erneuerung des Fahrbahnbelags bedeutete freilich, den Verkehr quasi planmäßig für vier Wochen auf eine Spur zu reduzieren. Und so erhielt der schadhafte Beton nach Entfernung des alten Belags eine punktuelle Reprofilierung mit dem Mörtelsystem Sika BE-08, während die freigelegten Schraubenköpfe und Ankerplatten abgestrahlt und mit dem Korrosionsschutz Sika MonoTop-601 dauerhaft geschützt wurden. Ein im Anschluss aufzubringendes Abdichtungssystem sollte zudem verhindern, dass Wasser in den Beton eindringen kann. Bei dessen Auswahl kam es insbesondere darauf an, dass die entsprechenden Produkte für einen zügigen Bauablauf sorgen, weshalb man sich für ein extrem schnell zu applizierendes Abdichtungssystem entschied, das aus einem hohlraumreichen Asphalttraggerüst mit nachträglicher Verfüllung besteht – nämlich Sika HANV Rapid.

Das Asphalttraggerüst wurde mit einem definierten und einbaufertigen Hohlraumgehalt direkt auf dem Beton angeordnet und bei einer Asphalttemperatur von maximal 60 °C bereits verfüllt, und zwar mit dem lösemittelfreien, flexibilisierten Zwei-Komponenten-Reaktionskunststoff Sika Ergodur-600, der die Hohlräume des Asphalts im Flutverfahren tränkt. Und so kamen hier auf immerhin 4.600 m2 zu bearbeitender Fläche in Summe 59 t Sika Ergodur-600 zum Einsatz, ergänzt um eine obere Schutz- und Deckschicht aus 825 t Gussasphalt, die letzten Endes dafür sorgt, dass sich der Fahrbahnbelag künftig nicht mehr verformt. www.sika.de

Hohlraumreiches Asphalttraggerüst mit nachträglicher Verfüllung © Sika Deutschland GmbH

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PRODUKTE UND PROJEKTE Neue Lager von Maurer

Reichsbrücke in Wien Die Reichsbrücke ist für die Wiener ein besonders emotionales Bauwerk, handelt es sich doch bereits um die dritte Querung an dieser Stelle. Und: Ihre Vorgängerin war ein Wahrzeichen der Stadt und nach dem Zweiten Weltkrieg zudem die einzige erhaltene Donaubrücke in Wien und weit darüber hinaus. Sie stürzte dann 1976 ein – infolge einer Verkettung technischer Ursachen, die aber nach damaligem Wissensstand nicht vorhersehbar waren. Am 8. November 1980 wurde die neue Reichsbrücke als eine städtebaulich angepasste Konstruktion in schlichter und einheitlicher Gestaltung für den kombinierten Verkehr eröffnet. Sie ist bis heute eine der wichtigsten Donauquerungen in Wien und verbindet die Leopoldstadt (zweiter Bezirk) mit der Donaustadt (22. Bezirk), wobei sie zentrumseitig über die Lassallestraße zum Prater mit Riesenrad führt. Bei der Fahrt in Richtung Norden blickt man hingegen auf das Hauptquartier der Vereinten Nationen. Sie ist eine doppelstöckige vorgespannte Hohlkastenbrücke und beherbergt im Unterdeck zwei U-Bahn-Trassen sowie zwei seitlich angehängte Konstruktionen für den Fuß- und Radverkehr. Auf dem Oberdeck sind je drei Spuren für den stadtein- und -auswärts querenden Verkehr angeordnet, außerdem sind in ihr diverse Versorgungsleitungen untergebracht. Im Zuge der periodischen Bauwerksprüfung wurde nun festgestellt, dass die Gleitspalthöhen an den Lagern in den Achsen P 7 und P 10 die Grenzwerte unterschreiten. Auf diesen Achsen befanden sich je vier der ursprünglichen

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»Räumliche« Bedingungen am Pfeilerkopf © Maurer SE

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Flusspfeiler während der Lagertauscharbeiten © Maurer SE

Topflager, die jetzt gegen leistungsfähige und dauerhafte Kalottenlager ausgetauscht wurden. Aus der intensiven Mehrfachnutzung ergaben sich enorm hohe Auflasten bis zu 54 MN (5.400 t), wie sie für eine innerstädtische Brücke eher selten sind. Herausforderung war, im vorgegebenen, sehr beengten Raum die alten Topflager aus- und neue Kalottenlager einzubauen, die heutigen Standards entsprechen. Maurer-Kalottenlager unter Verwendung der besonderen Gleitpaarung MSM® und MSA® bekamen hier den Zuschlag, weil sie sich als die technisch und wirtschaftlich beste Variante erwiesen. Die Kalotten bestehen aus Maurer Sliding Alloy oder MSA®, einer speziellen Metalllegierung für Brücken- und Hochbaugleitlager, und überzeugen durch besonderen Korrosionsschutz und ihre Dauerhaftigkeit bei bzw. gegen Luftverschmutzung. Die Kalottenlager sind an den Gleitflächen mit Maurer-Sliding-Material oder MSM® ausgestattet, das im Vergleich zum PTFE mindestens die doppelten Pressungen und das Fünffache an Gleitwegen aushält, und zwar bei bis zu 7,50-facher Verschiebegeschwindigkeit. In Kombina-

tion mit MSA® ermöglicht MSM® Gleitreibungszahlen von < 1 %. Mit diesen Leistungsmerkmalen war es möglich, trotz der hohen Auflast bis zu 54 MN die Lager so zu bemessen, dass sie in das vorhandene Raumangebot eingepasst werden konnten. Diese Lager sind überdies sehr dauerhaft, was sich nicht nur auf die Lager und Gleitflächen selbst bezieht, sondern auch auf den Bauwerkschutz. Das heißt, die extrem kleine Reibung bewirkt, dass die Lager nahezu widerstandslos reagieren – und damit reduziert sich die Beanspruchung des Unterbaus auf ein Minimum, wodurch sich wiederum die Lebensdauer erhöht. Eingebaut wurden insgesamt acht Lager, je vier an den beiden Pfeilern P 7 und P 10 in Abmessungen bis zu ca. 1.350 mm x 1.350 mm und mit einem Stückgewicht bis zu 3,30 t. Die ersten von ihnen wurden im Oktober 2016 am Pfeiler P 10 ausgetauscht, dort war die Zugänglichkeit am besten, während beim Pfeiler P 7 donauseitig mit Pontons gearbeitet werden musste. www.maurer.eu

Querschnitt mit Straße, Gleisen und Gehwegen © FCP Fritsch, Chiari & Partner ZT GmbH


PRODUKTE UND PROJEKTE Neuartige Lärmschutzmatten von Heras Mobilzaun

Ruhiges Arbeiten an Brückenbauwerken

Schnelle Errichtung und wirksame Abschirmung © Heras Mobilzaun GmbH

Die Nachfrage nach temporären Lärmschutzmatten steigt derzeit enorm, und zwar insbesondere aus der Industrie: Um den Maschinenlärm zu reduzieren und die eigenen Mitarbeiter vor lauten Geräuschen zu schützen, sind solche Matten erste Wahl, da sie eine lärmabsorbierende Abtrennung zu errichten erlauben. Früher im Gerüstbau verwendet, werden sie nun auf und für Baustellen genutzt.

Heras Mobilzaun bietet standardisierte Lärmschutzmatten an, die mit einer neuen Technologie entwickelt wurden – und derart den Lärm um bis 20 dB zu verringern helfen. Diese Matten sind temporär einsetzbar, weisen geräuschabsorbierende Eigenschaften auf und lassen sich ebenso leicht wie schnell innerhalb von nur 10 min montieren.

Für alle Unternehmen, die zeitgleich auch werben wollen, gibt es zudem Matten mit aufgedrucktem Firmenlogo, also eine zielorientierte Lösung, die einen doppelten Gewinn verspricht. www.heras-mobilzaun.de

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S O F T WA R E U N D I T Kabellose Mäuse von 3Dconnexion

Größere Mobilität beim Arbeiten Architekten, Ingenieure und Designer arbeiten heute nicht mehr nur an einem festen Schreibtisch im Büro, sondern oft auch an wechselnden Orten. 3Dconnexion, Hersteller leistungsstarker Eingabegeräte für CAD und 3-D-Professionals, bietet daher seine 3-D-Mäuse und die sogenannte CadMouse deshalb in einer kabellosen Version an. Damit sind alle Nutzer weitestgehend flexibel und können dennoch den hohen Qualitätsanforderungen ihrer Branchen gerecht werden. Professionelle Anwender setzen auf die SpaceMouse Pro Wireless, verfügt sie doch neben der patentierten 3Dconnexion-Sensortechnologie mit sechs Frei-

heitsgraden über insgesamt 15 individuell programmierbare Tasten sowie eine große, weiche Handauflage. Wer weniger Funktionen oder eine kompakte 3-D-Maus benötigt, für den ist die SpaceMouse Wireless die optimale Wahl: Mit CAD-spezifischen Features und einem hochpräzisen optischen Sensor ausgestattet, erfüllt sie nicht minder hohe Ansprüche. Die kabellose Verbindung mit der Workstation wird über einen eigens von 3Dconnexion entwickelten Receiver hergestellt, dessen 2,40-GHz-Technologie für eine stabile Verbindung ohne Signalverluste sorgt. Da alle Geräte sogar während des Ladevorgang per USB-Kabel genutzt werden können, gibt es für den

Zwei Alternativen zur Auswahl © 3Dconnexion GmbH

Anwender keinerlei Einschränkungen, wenn die Maus einmal nicht aufgeladen ist. Die Treibersoftware 3Dx Ware 10 vereinfacht zudem die Konfiguration der einzelnen Geräte mit anwendungs- und umgebungsspezifischen Befehlen. www.3dconnexion.de

Essentielle Programmneuerungen bei Bechmann

Ausschreiben ohne Einschränkungen AVA-Programme gibt es zahlreiche am Markt, das Alleinstellungsmerkmal von Bechmann liegt vor allem in der intelligenten Verknüpfung mit der BechmannBIM-Lösung: Das Zusammenspiel beider eröffnet allen Nutzern die einzigartige Möglichkeit, in jeder Planungsphase Baukosten am BIM-Modell transparent nachzuvollziehen. Aber auch ohne BIM ist Bechmann AVA ein leicht verständliches Programm für die durchgängige Bearbeitung von Baukosten, die sich im Laufe des Projektprozesses stetig weiterentwickeln und nicht mehrfach neu erfasst werden müssen. Seit kurzem ist nun die Version 2017 verfügbar, zahlreiche Updates beinhaltend, die den Arbeitsalltag weiter vereinfachen und in der zukunftsweisende Entwicklungen und neue gesetzliche Richtlinien be-

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rücksichtigt sind. So bietet zum Beispiel das GAEB-Format X 31 deutlich mehr Flexibilität bei der Übergabe von Dateien, und zwar inklusive der vorhabenspezifischen Anpassung von Mengenlisten sowie des Vorzugs, erläuternde Informationen, Skizzen und Bilder jetzt zusätzlich übermitteln und abspeichern zu können. Das neue Handbuch AKVS 2014 »Anweisung zur Kostenermittlung und zur Veranschlagung von Straßenbaumaßnahmen« wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) herausgegeben und reguliert Kostenmanagement wie -berechnung für Straßenbaumaßnahmen im Bundesfernstraßenbau – und ist seit Anfang des Jahres für alle neuen Infrastrukturprojekte verbindlich anzuwenden. Und das bedeutet im konkreten Fall: Bechmann AVA 2017

Vorzüge: Skalierbares Startmenü und Einbindung der AKVS © Bechmann GmbH

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unterstützt ebenjene Kostengliederung der AKVS 2014 und lässt sich deshalb als Alternative zur bisherigen Kostengruppenstruktur AKS 85 einsetzen. Aus der Einbindung von AKVS 2014 resultiert zudem der Mehrwert der flexiblen Zusammenstellbarkeit der freien Kostengruppen, was gerade bei gemischt finanzierten Bauvorhaben hilfreich ist. Um Bieterangebote sogar außerhalb von Bechmann AVA miteinander zu vergleichen, gibt es die Alternative, den Preisspiegel nach Microsoft Excel zu exportieren. Darüber hinaus erlaubt das Programm, Leistungsverzeichnisse aus anderen Softwarelösungen einzulesen und dann weiterzubearbeiten. www.bechmann.de


N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Fünfter VFIB-Erfahrungsaustausch

Bauwerksprüfung 2017

Begrüßung durch MR Prof. Dipl.-Ing. Karl Goj © VFIB e.V.

Auch der fünfte VFIB-Erfahrungsaustausch am 28. September 2017 war wieder ein großer Erfolg: Insgesamt 500 Teilnehmer waren in Fulda anwesend und dokumentierten damit, dass dieser Erfahrungsaustausch in der Fachwelt weiterhin auf großes Interesse stößt. Begleitet wurde die Veranstaltung von einer Fachausstellung, bei der zahlreiche Ingenieurbüros und Fachfirmen sowie die vier vom »Verein zur Förderung der Qualitätssicherung und Zertifizierung der Ausund Fortbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren der Bauwerksprüfung« (VFIB) ausgewählten Lehrgangsstandorte in Bochum, Dresden, Feuchtwangen und Lauterbach ihre Leistungen präsentieren konnten. Anerkannte Experten aus Bauverwaltungen, Ingenieurbüros und Unternehmen informierten in neun Vorträgen zu aktuellen Themen der Bauwerksprüfung im Ingenieur- und Hochbau. Nach der Begrüßung durch den Vorstandsvorsitzenden des VFIB, Prof. Dipl.-Ing. Karl Goj, gab Prof. Dr.-Ing. Gero Marzahn vom Bundesverkehrsministerium einen aktuellen Überblick über den Zustand der Brücken an Bundesfernstraßen und die Strategie des Bundes zur Ertüchtigung der Infrastruktur. Das Thema Autobahngesellschaft wurde zwar nur am Rande erwähnt, aber es ist schon jetzt zu erahnen, dass in den nächsten Jahren große Herausforderungen auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Bund und Ländern zukommen werden. Der VFIB wird dies aufmerksam begleiten, damit die Bedeutung und die Qualität der Bauwerksprüfungen gewahrt bleiben werden. Schwerpunkt waren indessen die Prüfung und Erhaltung kommunaler Bauwerke, mit denen sich mehrere Referenten befassten. In einem eindrucksvollen Vortrag

Teilnehmer aus allen Bereichen der Fachwelt © VFIB e.V.

informierte Dipl.-Ing. Johann Hermann vom Rechnungshof Rheinland-Pfalz über die teilweise katastrophale Situation und deren Folgen bei den Städten und Gemeinden: Insbesondere fehlende Bauwerksunterlagen und mangelnde Bauüberwachung haben dazu geführt, dass der Zustand vieler Bauwerke inzwischen als bedenklich einzustufen ist. Aber auch knappe Haushaltsmittel verschärfen vielerorts dieses Problem. Der Rechnungshof hat der Landesregierung deshalb eindringlich empfohlen, Maßnahmen zum Abbau des Erhaltungsstaus zu ergreifen. Über die Zusammenarbeit mit den kommunalen Spitzenverbänden wird der VFIB versuchen, dabei fachliche Unterstützung zu leisten, zumal davon auszugehen ist, dass die Situation in anderen Bundesländern ähnlich anmutet. Der anschließende Vortrag von Bürgermeister Thomas Knack bestätigte jene Erfahrungen und Probleme aus Sicht einer kleinen Kommune. Hier ist es in der Regel nicht möglich, eine eigene Fachkraft für solche Aufgaben vorzuhalten, so dass man auf die Unterstützung externer Fachleute angewiesen bleibt. Dipl.-Ing. Olaf Reibetanz und Dipl.-Ing. Clemens Anwander zeigten nun auf, wie sich eine derartige Zusammenarbeit und Unterstützung organisieren lassen, nämlich unter anderem durch die Entwicklung eines Bauwerksmanagements, damit entsprechende Maßnahmen vorausschauend geplant werden können. Eine wesentliche Hilfe bietet in dem Zusammenhang die »Empfehlung des VFIB zur Leistungsbeschreibung und Aufwandsermittlung für Bauwerksprüfungen nach DIN 1076«: Prof. Dr.-Ing. Uwe Willberg berichtete über erste Erfahrungen, den aktuellen Stand und die weitere Entwicklung der Empfehlung, die inzwischen schon von vielen Bauherren und Auftragnehmern angewendet wird. Angesichts vieler geplanter ÖPP-Projekte

stellen Aspekte der bauaufsichtlichen Verantwortung und der Verkehrssicherheitspflicht zusätzliche Herausforderungen dar. Ministerialrat Dipl.-Ing. Marcel Zembrot zeigte auf, dass die Aufgabenübertragung gerade für die Bauwerkserhaltung sehr genau geregelt werden muss, da die Verantwortung gegenüber Dritten weiterhin bei dem Baulastträger verbleibt. Darüber hinaus wurden diverse Aspekte aus der Praxis der Bauwerksprüfung thematisiert, wie zum Beispiel die Einschätzung von Georisiken bei der Prüfung von Sicherungsbauwerken, der sich Oberregierungsrat Dipl.-Geol. Andreas Koch widmete, oder die Bauwerksprüfung bei Stahl- und Stahlverbundbrücken, deren Charakteristika mit Verweis auf die Bedeutung des Zusammenspiels von Konstruktion, Montagefolge und Schweißdetails Dipl.-Ing. Bernd Koller beleuchtete. Grundsätzlich ist es außerdem wichtig, die Ergebnisse der Bauwerksprüfung so aufzubereiten, dass auch eine statische Bewertung der Schäden möglich ist. Anhand ausgewählter Praxisfälle erläuterte Dipl.-Ing. Jürgen Paul insbesondere die statische Beurteilung von Risserscheinungen, die oft für die Standsicherheit des Bauwerks entscheidend sein können. Das Voranschreiten der Digitalisierung in allen Bereichen ist für Bauwerksprüfungen ein ebenso wichtiges Thema, wie Dr.-Ing. Peter Haardt betonte, indem er die Ziele und Ergebnisse aktueller Forschungsaktivitäten zur »Intelligenten Brücke« veranschaulichte. Der nächste VFIB-Erfahrungsaustausch wird im November 2019 im Gürzenich in Köln stattfinden. Tagungsbände der Fuldaer Veranstaltung sind noch in begrenzter Zahl verfügbar und können direkt bei der VFIB-Geschäftsstelle erworben werden. www.vfib-ev.de

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N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Umfassende Unterstützung durch DEGES

Autobahnbau in Baden-Württemberg Die Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg ist bei der Umsetzung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) mit großen Aufgaben konfrontiert: Die 117 Maßnahmen des »Vordringlichen Bedarfs« haben ein Investitionsvolumen von ca. 9,50 Mrd. €, weshalb das Ministerium für Verkehr die Übergabe eines aus Bedarfsplan-, Ausbau- und Erhaltungsmaßnahmen bestehenden Pakets im Bereich der Autobahnen mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von ca. 2,60 Mrd. € zur operativen Betreuung an die DEGES vorbereitet. Mit der Einbindung der DEGES verfolgt das Land das Ziel, kurzfristig zusätzliche Kapazitäten zur Planung und Realisierung dringlicher Straßenbaumaßnahmen in Baden-Württemberg zu schaffen. Gleichzeitig soll durch die Einbindung der DEGES ein möglichst reibungsloser Übergang der Aufgabenzuständigkeit an die künftige »Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen« des Bundes sichergestellt werden, die in Baden-Württemberg ab dem Jahr 2021 die operativen Aufgaben an den Autobahnen übernehmen wird.

»Mit Hilfe der DEGES steigern wir die Planungskapazitäten im Straßenbau. Es wird einen geordneten Übergang geben. Bis die DEGES die Projekte übernimmt, arbeiten die Regierungspräsidien weiter daran«, so Prof. Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Verkehrsministerium BadenWürttemberg. Die in Frage kommenden Projekte sind mit der DEGES besprochen, wobei Letztere nun eine Konzeption erstellt, wie sie diese Projekte übernehmen und bearbeiten kann. Beabsichtigt ist der Aufbau zusätzlicher Planungs- und Managementkapazitäten der DEGES in Baden-Württemberg. Die Verwaltungs- und Projektierungskosten werden abzüglich der nachlaufenden Erstattungen des Bundes bis 2020 vom Land und danach vom Bund getragen. Die ersten Dienstleistungsverträge sollen dem Aufsichtsrat der DEGES bei der nächsten Sitzung im März 2018 vorgelegt werden. Vorbehaltlich einer positiven Entscheidung jenes Gremiums könnte dann ab Jahresmitte 2018 stufenweise die vorgesehene Umsetzung beginnen, und zwar folgender Vorhaben:

– A 5: sechsstreifiger Ausbau zwischen den Autobahnkreuzen Heidelberg und Walldorf, – A 6: sechsstreifiger Ausbau zwischen dem Autobahnkreuz Weinsberg und Crailsheim (Landesgrenze), – A 81: große Erhaltungsmaßnahmen im Abschnitt von der Landesgrenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern bis zum Autobahnkreuz Weinsberg, – A 81: Temporäre Seitenstreifenfreigabe Ludwigsburg und Ausbau zwischen dem Autobahnkreuz Stuttgart und den Anschlussstellen Sindelfingen-Ost und Böblingen-Hulb, – A 81: große Erhaltungsmaßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Regierungspräsidiums Freiburg, – A 98: Abschnitte 6 und 8 bzw. 9. www.vm.baden-wuerttemberg.de www.deges.de

Entwicklung des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung

Stahl mit knochenähnlichen Eigenschaften 1998 ereignete sich eines der schwersten Zugunglücke Deutschlands in Eschede, weil ein Radreifen aufgrund von Materialermüdung brach und so den Zug zur Entgleisung brachte. Inspiriert durch die exzellenten Eigenschaften von Knochen bezüglich Ermüdung, hat nun ein internationales Team um Materialwissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung (MPIE) in Düsseldorf einen Stahl entwickelt, der in seiner Struktur dem menschlichen Knochen ähnelt und dadurch einen ähnlich hohen Ermüdungswiderstand aufweist. Wenn ein Material regelmäßig belastet wird, bilden sich in ihm auf der Mikround Nanoebene feinste Risse, die mit der Dauer der Belastung fortschreiten und zum Materialversagen führen können.

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Das Ziel des internationalen Forscherteams war es daher, ein Material zu entwickeln, das die Ausbreitung dieser Risse frühestmöglich stoppt. Das Ergebnis ist letztlich eine Legierung aus Eisen, Mangan, Nickel und Aluminium, bestehend aus verschiedenen metastabilen Phasen, die in nanometergroßen Lamellen geordnet sind. Eine Phase ist eine Kristallstruktur, in welcher die Atome in einem Metall gruppiert sind, was bedeutet, dass sich durch Eingriffe in ebenjene Struktur die Eigenschaften des Metalls grundlegend beeinflussen lassen. In zahlreichen Experimenten verglich das Team die Ermüdungseigenschaften des neuen Stahls mit denen von Dual-Phasenund TRIP-Stählen sowie mit denen von perlitischen Stählen, welche in Stahlseilen für Brücken angewendet werden.

Zudem veränderten die Forscher testweise die Mikrostruktur ihrer Legierung erneut und beobachteten die Verschlechterung der Ermüdungsresistenz: Derart konnten sie ihre Annahme bestätigen, dass der verbesserte Ermüdungswiderstand des neuentwickelten Stahls auf dessen lamellenartige MultiphasenMikrostruktur zurückzuführen ist. www.mpie.de


N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Gründung durch forum-holzbau

Stiftung Forum Holz Im Rahmen des diesjährigen Internationalen Holzbau-Forums (IHF) in GarmischPartenkirchen präsentierte forum-holzbau (fhb) die neugegründete »Stiftung Forum Holz«. Nach über zwei Jahren Vorbereitungs- und Planungszeit konnte damit nun auch offiziell die Stiftung durch Prof. Dr. h. c. Heinrich Köster, Präsident forum-holzbau, vorgestellt werden. »Die Stiftung wird gemeinnützige Ziele verfolgen. Dazu gehört unter anderem die Förderung von Wissenschaft und Forschung, Erziehung sowie Volks- und Berufsbildung insbesondere im Bereich Holzbau«, so Köster. Im Detail wird der Stiftungszweck durch vielseitige Maßnahmen umgesetzt, wie zum Beispiel die Ausgabe von Stipendien für Forschungsleistungen auf dem Gebiet des nachhaltigen Bauens, die Förderung oder Durchführung von Aus-, Fort- oder Weiterbildungsveranstaltungen im Zusammenhang mit nachhaltigem Bauen sowie die Auslobung von Preisen für praktische Erfolge oder theoretische Arbeiten auf dem Gebiet des nachhaltigen Bauens. Darüber hinaus sollen weitere Maßnahmen wie die Gründung und die finanzielle Ausstattung von Institutionen, die sich mit der Aus-, Fort-oder Weiterbildung im Bereich des nachhaltigen Bauens befassen, und die Unterstützung oder Durchführung von Veranstaltungen und Kongressen, aber auch von Fachausstel-

Urkundenunterzeichnung beim IHF 2017 © forum-holzbau

lungen realisiert werden. Eine wichtige Rolle sieht die Stiftung ebenfalls in der Funktion als Mittler zwischen Hochschulen, Industrie, Kunden, Interessenten, Materialprüfanstalten und anderen Instituten und geeigneten Verbänden. In der Startphase finanziert sich die Stiftung Forum Holz zunächst aus einem Grundkapital, das fhb bereitstellt, sowie aus Zuwendungen der Verbände BDF und VGQ. Für 2018 ist aber eine Reduzierung dieser Zuwendungen um 75 % vorgesehen, und zwar unter gleichzeitiger Erhöhung der Einnahmen durch Beiträge von Stiftungsmitgliedern wie -unternehmen und freie Stifter sowie durch Spenden.

Zielsetzung ist, 10 % der Zuwendungen für den kontinuierlichen Aufbau eines soliden finanziellen Grundstocks der Stiftung zu verwenden; das Gros von 90 % steht hingegen für die Stiftungszwecke zur Verfügung. Der internationalen Stiftung Forum Holz werden im Übrigen ein Stiftungsrat aus maximal elf Personen, eine Stiftungsvorstandschaft aus maximal fünf Personen sowie ein Beirat für verschiedene Fachgebiete vorstehen. www.forum-holzbau.com

Gründung eines Verbundprojekts

Deutsches Internet-Institut Erst vor kurzem wurde das »WeizenbaumInstitut für die vernetzte Gesellschaft« offiziell in Berlin eröffnet: Hier werden ca. 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichsten Disziplinen zu den gesellschaftlichen Veränderungen arbeiten, die die fortschreitende Technisierung mit sich bringt. Im Zentrum der Forschung steht dabei die Frage, wie die Selbstbestimmung in einer vernetzten Gesellschaft gesichert werden kann. Das Institut forscht dementsprechend zu sechs großen Themen: Arbeit und Innovation, Verträge und Verantwortung auf digitalen Märkten, Governance

und Normsetzung, Technikwandel, digitale Bildung sowie Partizipation und Öffentlichkeit. Geleitet von einem dreiköpfigen Gründungsdirektorium, das Prof. Dr. Martin Emmer, Freie Universität Berlin, Prof. Dr. Axel Metzger, HumboldtUniversität zu Berlin, und Prof. Dr.-Ing. Ina Schieferdecker, Technische Universität Berlin und Fraunhofer-Institut, umfasst, wird es insgesamt 20 interdisziplinäre Forschungsgruppen aufweisen, in denen jeweils bis zu vier Doktoranden und Postdocs tätig sind. Namenspate des Instituts ist der in Berlin geborene Informatiker Joseph Weizen-

baum (1923–2008), der sich kritisch mit dem Verhältnis von Mensch und Maschine auseinandergesetzt hat. Getragen wird es von einem Netzwerk aus Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen, dem angehören: die Freie Universität Berlin, die Humboldt-Universität zu Berlin, die Universität der Künste Berlin, die Technische Universität Berlin, die Universität Potsdam, das Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). www.vernetzung-und-gesellschaft.de

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N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Veränderungen bei Maurer

Wechsel in Geschäftsführung Anfang 2018 gab es einen Wechsel beim traditionsreichen Münchner Maschinenund Stahlbauunternehmen Maurer SE: Jörg Beutler zog sich aus der aktiven Geschäftsführung zurück. Dr. Christian Braun bleibt aber unverändert geschäftsführender Direktor und verantwortet den Bereich Technik und Vertrieb. Neu an seiner Seite steht nun Max Meincke. Mit dem Rückzug von Jörg Beutler wurden auch die Ressorts neu aufgeteilt. Das heißt, Max Meincke verantwortet als geschäftsführender Direktor nun den kaufmännischen Bereich und die Produktion. Der Wirtschaftsingenieur kam 2009 als Einkaufsleiter zu Maurer und war seitdem in verschiedenen Positionen tätig, zuletzt als Bereichsleiter Unternehmensentwicklung.

Dr. Christian Braun (links) und Max Meincke © Maurer SE

Jörg Beutler bleibt weiterhin Vorsitzender des Verwaltungsrates der Maurer SE. Maurer baut damit auch weiterhin auf Qualität, Langlebigkeit und Zuverlässigkeit. Dr. Braun: »Was uns antreibt, ist,

weltweit Lösungen für technisch anspruchsvolle Aufgaben und Projekte zu entwickeln und Produkte herzustellen, die höchsten Sicherheits- und Qualitätsanforderungen entsprechen.« www.maurer.eu

26. Seminar von SOFiSTiK

Connecting Disciplines 2018 Der Bausoftwarehersteller SOFiSTiK veranstaltet am 16. und 17. März 2018 in Kooperation mit nationalen und internationalen Experten sein 26. Seminar in München. Unter dem Motto »Connecting Disciplines« treffen sich hier Tragwerksplaner und andere Bauingenieure zum Erfahrungsaustausch: Zahlreiche Theorie- und Praxisvorträge geben den Teilnehmern Gelegenheit, sich auf den neuesten Stand der gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen zu bringen, die Planungs- und Bauprozesse beeinflussen. Dabei stehen unter anderem der Brückenbau sowie die Möglichkeiten und Herausforderungen auf dem Weg zu einer neuen fachübergreifenden Planungskultur im Themenfokus.

Ein Schwerpunkt wird zudem »Bauen mit BIM« sein, und zwar am Beispiel des aktuellen Bauvorhabens für das neue Nürnberger Bürogebäude von SOFiSTiK. Dieses Projekt wird von Anfang bis Ende mit der neuen Planungsmethode realisiert und liefert dergestalt einen einzigartigen Einblick in die Abläufe und Potentiale von Building Information Modeling (BIM). Darüber hinaus sind Referate von WTM Engineers, Ingenieurbüro Grassl, C&E Ingénierie, WSP Finland und Centerlöf & Holmberg vorgesehen.

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Motto der Tagung © SOFiSTiK AG

»Das SOFiSTiK-Seminar ist seit Jahren für sein hochklassiges Konferenzprogramm bekannt, und ich kann versichern, dass wir daran auch in der 26. Auflage festhalten«, so Thomas Fink, SOFiSTiK-Vorstand. Das genaue Programm wird in Kürze im Internet veröffentlicht. www.sofistik.de


N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Aktuelle Ermittlung(en) von Roland Berger

Veränderungen durch BIM Das Building Information Modeling (BIM) findet zunehmend Einzug in die Bauindustrie – und stellt derart die Geschäftsmodelle vieler Unternehmen auf den Prüfstand. Und wer bei der neuen Technologie nicht mitmacht, riskiert, aus dem Markt verdrängt zu werden: Das sind die Ergebnisse der neuen Roland-BergerStudie »Turning point for the construction industry – The disruptive impact of Building Information Modeling (BIM)«, für die Experten aus ganz Europa befragt wurden. Die Vorteile der neuen Technologie schlagen sich auch in den Marktzahlen nieder, was konkret bedeutet, dass sich der Markt für BIM-Anwendungen zwischen 2014 und 2022 voraussichtlich vervierfachen wird, und zwar von 2,70 Mrd. $ auf ca. 11,50 Mrd. $. Und das bedingt zugleich, dass Bauunternehmen, die sich »verweigern«, im Nachteil sein werden.

Die starken Veränderungen, die aus der Digitalisierung resultieren, zwingen nun quasi alle Marktteilnehmer dazu, ihre Geschäftsmodelle zu revidieren, wobei Bauprojekte mit niedrigen Margen noch stärker unter Druck stehen und lukrative Nachträge für Bauunternehmen künftig wegfallen werden. Generalunternehmer und Baustoffhändler werden im Übrigen ebenfalls erkennbar an Einfluss verlieren, da die Material- und Produktentscheidungen immer weiter nach vorne verlagert werden. Beim digitalen Wandel sollten Firmen allerdings ihre Belegschaft nicht vernachlässigen, ihre Mitarbeiter letztlich also möglichst bald auf die Einführung neuer digitaler Prozesse und Technologien vorbereiten. Denn bei BIM geht es nicht nur um den Einsatz von digitalen Werkzeugen, sondern um eine digitale Unternehmenstransformation.

Studie zum kostenfreien Download © Roland Berger GmbH

www.rolandberger.de

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N AC H R I C H T E N U N D T E R M I N E Leitfaden vom Runden Tisch GIS

Geodäsie und BIM Das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) hat als wichtiger Auftraggeber für den Bau von Verkehrsinfrastrukturen einen Stufenplan ausgerufen, damit Building Information Modeling (BIM) ab 2020 der Standard für alle neuzuplanenden Projekte ist. Vor jenem Hintergrund haben die DVW Gesellschaft für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement e.V. und der Runde Tisch GIS e.V. nun gemeinsam den umfangreichen Leitfaden »Geodäsie und BIM« veröffentlicht, der auf 182 Seiten das gesamte Thema erstmals ausführlich und logisch gegliedert für die gesamte Geobranche aufgliedert. Über 50 Auto-

ren aus Unternehmen, Behörden, wissenschaftlichen Institutionen und nicht zuletzt auch einige Bauherren haben dafür ihr Wissen und ihre Erfahrungen zusammengetragen. Eine strukturierte Darstellung vorhandener Software und Dienstleistungen erlaubt zudem einen ersten Marktüberblick. Dieser Leitfaden versteht sich deshalb als kompakte Informationsquelle und Nachschlagewerk – und ist in digitaler Form erschienen, was bedeutet, dass er zum kostenlosen Download angeboten wird. www.rundertischgis.de

Gebündelte Informationen samt Marktüberblick © Runder Tisch GIS e.V.

Orientierungshilfe für (alle) Bauunternehmen © RG-Bau im RKW Kompetenzzentrum

Handlungsempfehlung des RKW Kompetenzzentrums

Potentiale von Frauen für die Bauwirtschaft Druckfrisch liegt die Handlungsempfehlung »Potentiale von Frauen für die Bauwirtschaft besser erschließen und nutzen« vor, die sich, wie ihr Titel bereits besagt, praxisnah mit dem Arbeitskräftepotential von Frauen für die Baubranche beschäftigt, wobei Tipps aus der Praxis alle Unternehmen motivieren sollen, mehr Frauen für die Bauwirtschaft zu gewinnen. So können sie zum Beispiel anhand eines Selbstchecks auch erkennen, wo sie in puncto »Beschäftigung von Frauen« stehen. Diese Handlungsempfehlung zeigt die vielen Vorteile auf, welche die Beschäftigung von Frauen mit sich bringt. Gleichzeitig werden verstärkt junge Frauen für die Baubranche interessiert sowie über mögliche Berufe und Karrieremöglichkeiten informiert. Wichtige Themen für ein besseres Branchenimage, wie Angebote zur Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf oder die Arbeit in gemischten

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Teams, werden dabei aber gleichfalls aufgegriffen. Darüber hinaus spielen hier Aspekte wie Arbeitsschutz und technische Lösungen für belastungsärmere Arbeitsplätze eine ebenso wesentliche Rolle wie neue, innovative Ansätze, die aus der fortschreitenden Digitalisierung resultieren und in ähnlicher Weise qualifizierte Frauen ansprechen könnten. Die Publikation ist ein Ergebnis des Projekts »Frauen in der Bauwirtschaft«, welches durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie gefördert und von den Bayerischen Bauverbänden und der Industriegewerkschaft (IG) Bau unterstützt wird. Die Druckversion lässt sich schriftlich anfordern, ansonsten steht sie auch zum kostenfreien Download zur Verfügung. www.rkw-kompetenzzentrum.de


BRANCHENREGISTER AUTOMATISCHE SYSTEME

Alpin Technik und Ingenieurservice GmbH Plautstraße 80 04179 Leipzig Tel.: +49/341/22 573 10 www.seilroboter.de www.alpintechnik.de

BAUWERKSÜBERWACHUNG UND ERDBEBENSCHUTZ

mageba gmbh Im Rinschenrott 3a 37079 Göttingen germany@mageba.ch

CPIC Bridge & Steel Constructions GmbH Fanny-Zobel-Straße 9 12435 Berlin Tel.: +49 30 552 46 035 Fax: +49 30 915 73 479 mail@cpic.de www.cpic.de

Maurer SE Frankfurter Ring 193 D-80807 München Tel.: +498932394-0 Fax: +498932394-329 www.maurer.eu

mageba gmbh Im Rinschenrott 3a 37079 Göttingen germany@mageba.ch

BOLZENSCHWEISSGERÄTE

Köster & Co. GmbH Spreeler Weg 32 58256 Ennepetal Tel.: +49/23 33/83 06-0 Fax: +49/23 33/83 06-38 Mail: info@koeco.net www.koeco.net

BRÜCKENLAGER UND FAHRBAHNÜBERGÄNGE

Maurer SE Frankfurter Ring 193 D-80807 München Tel.: +498932394-0 Fax: +498932394-329 www.maurer.eu

mageba gmbh Im Rinschenrott 3a 37079 Göttingen germany@mageba.ch

Maurer SE Frankfurter Ring 193 D-80807 München Tel.: +498932394-0 Fax: +498932394-329 www.maurer.eu

KOPFBOLZEN

Köster & Co. GmbH Spreeler Weg 32 58256 Ennepetal Tel.: +49/23 33/83 06-0 Fax: +49/23 33/83 06-38 Mail: info@koeco.net www.koeco.net

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BRANCHENREGISTER INJEKTIONSTECHNIK

DESOI GmbH Gewerbestraße 16 D-36148 Kalbach Tel.: +49 66 55/96 36-0  Fax: +49 66 55/96 36-6666 E-Mail: info@desoi.de www.desoi.de

LÄRMSCHUTZWÄNDE

R. Kohlhauer GmbH Draisstr. 2 76571 Gaggenau Tel.: 0 72 25/97 57-0  Fax: 0 72 25/97 57-26 E-Mail: info@kohlhauer.com www.kohlhauer.com

NICHTROSTENDE BEWEHRUNG

PROJEKTRAUM FÜR DMS, PLANUND NACHTRAGSMANAGEMENT

EPLASS project collaboration GmbH Schweinfurter Str. 11 97080 Würzburg Tel.: 09 31/3 55 03-0  Fax: 09 31/3 55 03-7 00 E-Mail: contact@eplass.de www.eplass.de

STAHLBAU

Stahlbau Magdeburg GmbH Berliner Chaussee 106–112 39114 Magdeburg Tel.: 09 31/85 09-0  Fax: 09 31/85 09-109 E-Mail: info@stahlbau-magdeburg.de www.stahlbau-magdeburg.de

SCHWINGUNGSISOLIERUNG Swiss Steel AG Emmenweidstrasse 90 CH-6020 Emmenbrücke Tel.: +41 4 12 09 51 51 E-Mail: bauprodukte@swiss-steel.com www.swiss-steel.com

Getzner Werkstoffe GmbH Herrenau 5 6706 Bürs, Österreich Tel.: +435552 201 0  Fax: +435552 201 1899 E-Mail: info.buers@getzner.com www.getzner.com

IHR EINTRAG INS BRANCHENREGISTER

BRANCHENREGISTER

... der informative Serviceteil im BRÜCKENBAU

Auf diesen Seiten könnte auch Ihr Eintrag im Branchenregister stehen. Die Stichwortüberschrift ist von Ihnen frei wählbar, wir benötigen lediglich Ihr Logo und die von Ihnen gewünschten Angaben zu Ihrem Unternehmen. Ein Bestellformular mit Informationen finden Sie auf unserer Homepage unter www.zeitschrift-brueckenbau.de. Für Fragen und weitere Informationen steht Ihnen gerne Frau Leitner zur Verfügung. Mail: brueckenbau@verlagsgruppe-wiederspahn.de oder Tel.: 06 11/84 65 15

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EXKURSIONEN UND TOUREN PLANUNG UND MODERATION VON FIRMENEVENTS


IMPRESSUM

BRÜCKENBAU ISSN 1867-643X 10. Jahrgang Ausgabe 1/2 . 2018 www.zeitschrift-brueckenbau.de Herausgeber und Chefredakteur Dipl.-Ing. Michael Wiederspahn mwiederspahn@verlagsgruppewiederspahn.de Verlag

VERLAGSGRUPPE W I E D E R Smit MixedMedia P A Konzepts HN

Biebricher Allee 11 b D-65187 Wiesbaden Tel.: +49 (0)6 11/84 65 15 Fax: +49 (0)6 11/80 12 52 www.verlagsgruppewiederspahn.de Anzeigen Ulla Leitner Zur Zeit gilt die Anzeigenpreisliste vom Januar 2018. Satz und Layout Christina Neuner Bilder Titel und Inhaltsverzeichnis Bogibil-Eisenbahn- und -straßenbrücke in Indien © Maurer SE Druck Schmidt printmedien GmbH Haagweg 44, 65462 Ginsheim-Gustavsburg Erscheinungsweise und Bezugspreise Einzelheft: 14 Euro Doppelheft: 28 Euro Sonderpreis Tagungsband: 48 Euro Abonnement: Inland (4 Ausgaben) 56 Euro Ausland (4 Ausgaben) 58 Euro Der Bezugszeitraum eines Abonnement beträgt mindestens ein Jahr. Das Abonnement verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn nicht sechs Wochen vor Ablauf des berechneten Bezugszeitraums schriftlich gekündigt wird. Copyright Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlags in irgendeiner Form reproduziert oder in eine von Maschinen verwendbare Sprache übertragen werden. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlags strafbar.


MAURER Wanderschwelle DIE ZWÄNGUNGSFREIE MODULARDEHNFUGE FÜR BAHNBRÜCKEN

Produktbeschreibung: Zwischen Überbau und Widerlager auftretende Bewegungen führen bei Bahnbrücken zu zusätzlichen Schienenspannungen und Beanspruchungen der Befestigungen. Mit der Wanderschwelle wurde ein Überbrückungssystem entwickelt, welches einerseits gewährleistet, dass die Schwellenabstände nicht das zulässige Maß überschreiten und andererseits mögliche auftretende Bauwerksbewegungen (Verschiebungen, Verdrehungen, Verwindungen) schadlos aufnimmt. Es ist gelungen, das bei Straßenbrücken vielfach bewährte „Steuerungsprinzip Schwenktraverse“, d. h. die elastische Zwangssteuerung, so weiterzuentwickeln, dass sämtliche Anforderungen des Bahnverkehrs erfüllt werden. Die Wanderschwelle wird in der bauseitig vorbereiteten Aussparung ausgerichtet und durch Vergießen monolithisch mit dem Bauwerk verbunden.

MAURER SE | Frankfurter Ring 193 | 80807 München Telefon +49.89.323 94-0 | Fax +49.89.323 94-306 | www.maurer.eu

Vorteile: • Standardausführung für Dehnwege bis 1600 mm, Radsatzlasten von 250 kN und Geschwindigkeiten bis 300 km/h • Dauerhaft, zwängungsfrei und wasserdicht • Verdrehungsweich und abhebesicher • Unbeeinträchtigter Fahrkomfort • Einfacher und lagesicherer Einbau • Einfache Inspektion und Wartung

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