15. SYMPOSIUM BRÜCKENBAU Anlass, Planung und Durchführung des Pilotprojekts »Barsinghausen«
Kalottensegmentlagereinsatz bei Eisenbahnbrücken von Rolf Kiy
Erstmals konnte der Einsatz eines Kalottensegmentlagers bei einer Brücke der Deutschen Bahn erfolgreich realisiert werden. Anlass, Planung und Durchführung des Pilotprojekts »Eisenbahnüberführung Hannoversche Straße in Barsinghausen« werden in diesem Beitrag dargestellt, wobei auch die zu beachtenden Richtlinien, die maßgebenden Kriterien bei der Lagerauswahl sowie der Einbau der neuen Lager thematisiert werden. 1 Bestand an Eisenbahnbrücken 1.1 Allgemeines Brückenbauwerke erfahren Bewegungen, die durch den Einsatz bzw. die Anordnung von Lagern weitestgehend zwängungsarm und kontrolliert zugelassen werden. Das ermöglicht einen langen und schadensfreien Lebenszyklus der Brücken. Die bei der Errichtung von Eisenbahnbrücken im Zeitraum von 1850–1970 verwendeten Rollenlager entsprachen den damaligen statischen wie konstruktiven Randbedingungen und dem zu diesem Zeitpunkt aktuellen Stand der Technik. Gegenwärtig befinden sich ca. 23.500 Brücken im Eigentum der DB Netz AG, die vor 1950 gebaut wurden. Rund 8.500 von ihnen verfügen über historische Brückenlager, die älter als 70 Jahre sind, wobei größtenteils folgende Lagerarten zum Einsatz kamen: Kipplager, Zapfenlager sowie die nach damaliger Definition zu diesen Gruppen gehörenden Rollenlager. [1] Damit sind noch ca. 34.000 Stück Lager jener Bauweise bis heute im Betrieb.
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BRÜCKENBAU | 1/2 . 2015
1 Eingebautes Rollenlager mit Führungsleisten (1), oben mit zusätzlichem Linienkipplager (2) und links und rechts angebrachten Notstapeln (3) © Maurer AG
1.2 Edelstahlrollenlager Rollenlager stellen bewegliche Brückenlager dar und ermöglichen einen definierten Lastabtrag, Längsverschiebungen und die gleichzeitige Durchbiegung des Überbaus. Von ca. 1960 bis Ende der 1970er Jahre entwickelten die Firma Kreuz und die Maschinenfabrik Esslingen ihre Lagertechnik mit dem Material X40Cr13: Es entstanden Lager, die ohne Vorankündigung brechen. Leider reagierte man auf ihre Sprödbruchneigung erst 20 Jahre später, so dass noch heute Hunderte von Lagern dieser Bauart in Betrieb sind. Die duktilen Eigenschaften gingen verloren, und es kam und kommt immer wieder zum Sprödbruch ohne Vorankündigung, was ca. 600 Brücken bei der DB Netz betrifft. An den einzelnen Bauteilen gemäß Bild 1 lassen sich die Einsatzgrenzen dieser Lagerart definieren: – Bewegungen sind planmäßig nur in einer und meist in X-Richtung möglich (Bauteil 1). Bewegungen in der Y-Achse sind nicht realisierbar und führen zu Zwangskräften in der Brücke zwischen den benachbarten Lagern, weshalb die Anordnung von Führungsleisten erfolgte. – Verdrehungen können nur um eine, die Y-Achse, aufgenommen werden. Um die auftretenden Verdrehungen um die X-Achse zuzulassen, wurden zum Teil zusätzliche Linienkipplager (Bauteil 2) oberhalb der Rolle angebracht.
– Welches Gefahrenpotential in den bestehenden Rollenlagern steckt, zeigte sich in den 1970er und 1980er Jahren an zahlreichen Straßenbrücken. Hier kam es zunehmend zum Versagen von Edelstahlrollenlagern: Die Edelstahlrollen brachen ohne Vorankündigung, explodierten quasi, und das Brückenbauwerk schlug um den Gesamtbetrag des Rollendurchmessers auf die untere Lagerplatte auf. Diese ruckartige Absenkung des Überbaus setzte sich umgehend in gleicher Differenz bis zur Fahrbahnoberkante fort. Aufgrund der resultierenden Schadensbilder ordneten Straßenbauämter in Deutschland das Auswechseln der Lager an. Um eine sofortige Streckensperrung bis zum Einbau der neuen Lager zu vermeiden, wurden neben den Rollen Notstapel angeordnet, die beim plötzlichen Versagen (»Explodieren«) ein ruckartiges Absenken des Überbaus verhindern.
2 Edelstahlrollenlager mit durchgebrochener Rolle © Maurer AG