SPECIAL Anlass, Anforderungen und Alternativen
Auswechseln von Rollenlagern Von Rolf Kiy
Brückenbauwerke erfahren Bewegungen, die mit der differentialen Bauweise möglichst zwängungsarm und kontrolliert zugelassen werden. Das erklärt auch die langen Lebenszyklen dieser Brücken. Die in den 1950er und 1960er Jahren verwendeten Rollenlager entsprachen dem damaligen Stand der Technik, die heute wesentlich höheren Anforderungen können sie nur zum Teil erfüllen. Ihre Einsatzgrenzen, die einzuhaltenden Anforderungen bei ihrem Austausch wie die Alternativen werden nachfolgend beschrieben. 1 Einsatzgrenzen von Rollenlagern Rollenlager müssen, wie jede andere Lagerart auch, die drei Einwirkungsgrößen Kräfte, Verdrehungen und Längenänderungen der Brücke aufnehmen. An den in Bild 1 genannten Bauteilen lassen sich die Einsatzgrenzen dieser Lagerart definieren: – Bewegungen sind planmäßig meist nur in einer, meistens der x-Richtung, möglich. Bewegungen in der y-Achse werden von (1) nicht aufgenommen und führen deshalb zu Zwangskräften in der Brücke zwischen den Lagern. In den Lagern wird dieser Tatsache durch die Anordnung von Führungsleisten begegnet. – Verdrehungen können ebenfalls nur um eine, und zwar um die y-Achse erfolgen. Um die auftretenden Verdrehungen bei mehreren Rollen aufnehmen zu können, wurden zum Teil zusätzliche Linienkipplager (2) oberhalb der Rolle angebracht. Um die x-Achse können auch diese Lager keine Verdrehungen aufnehmen. Wie die Rolle selbst erfahren aber auch die Linienkipplager eine unbekannt große plastische Verformung in der Berührungslinie, die eine planmäßige und kontrollierte Bewegung nur eingeschränkt zulässt.
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BRÜCKENBAU | 1/2 . 2014
1 Grenzwaldbrücke an der A 7: Rollenlager mit Führungsleisten (1), zusätzlichem Linienkipplager (2) und Notstapeln (3) © Maurer Söhne GmbH & Co. KG
– In den 1980er und 1990er Jahren wurde bekannt, dass Edelstahlrollen ohne Vorankündigung brechen, quasi explodieren, und das Brückenbauwerk um den Gesamtbetrag des Rollendurchmessers auf die untere Lagerplatte aufschlägt. Da die Brücke dann einen gleich großen Sprung in der befahrenen Oberfläche macht, bestand sofortiger Handlungsbedarf. Die Straßenbauämter in Deutschland ordneten daher den Austausch dieser Lager an. Neben den Rollen wurden nun zunächst Notstapel (3) eingebaut, um die Strecken bis zur Auswechslung der Lager nicht sperren zu müssen. 2 Allgemeine Spannungsbetrachtung Rollenlager verursachen grundsätzlich die zuvor erwähnten Zwangsspannungen. Hinzu kommt, das sich die linienförmigen Berührungsflächen zwischen Rolle und Platte unter der Gebrauchslast plastisch verformen: Die ehemals mit 1,50–2,00 % angenommene Rollreibung beträgt dann schnell das Vielfache dieses Werts, was aber nur durch einen Ausbau der Rolle kontrolliert werden kann. Zudem sorgen Verschmutzungen, aufgebrachter Korrosionsschutz und Korrosionsschäden für eine weitere Steigerung der Rollreibung mit deutlicher Erhöhung der im Bauwerk vorhandenen Horizontalkräfte. Aus heutiger Sicht ist bekannt, dass die ehemals angenommene Rollreibung sich lediglich für kurze Zeit in einem Labor nachvollziehen lässt.
2 Donaubrücke bei Zirgesheim: Bauwerk auf Notstapeln nach »Explosion« der Rolle © Maurer Söhne GmbH & Co. KG
3 Schadhaftes Lager an der Friedrichsfelder Bahnbrücke bei Mannheim © Maurer Söhne GmbH & Co. KG