Herbst/Winterausgabe 2014/2015 von ALLGÄU ALTERNATIV

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Ausgabe 3/2014

allg채u ALTERNATIV Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz

Schwerpunktthema: E-Mobil-Projekte im Allg채u Wasserkraft: Pumpspeicherkraft vor dem Aus? Ein Windrad soll Gemeindes채ckel f체llen



Auf ein Wort

»Unsere Chancen nutzen!« Thomas Kiechle, eza!-Vorsitzender

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Zwar werden wichtige Rahmenbedingungen für die Energiepolitik auf Landes- und auf Bundesebene festgelegt, aber wir auf kommunaler Ebene in den Landkreisen, Städten und Gemeinden sind näher an den Bürgern und Unternehmen dran. Wir können Motor der Energiewende in den Regionen sein. So wurde in der Stadt Kempten in den vergangenen Jahren bereits intensiv am strategischen Ziel Klimaschutz gearbeitet. Mit dem Klimaschutzkonzept, der Teilnahme am European Energy Award® und dem Masterplan 100% Klimaschutz wurde die Basis gelegt – jetzt können wir konkrete Projekte angehen. Im Juli 2014 hat der Ausschuss für Umwelt- und Klimaschutz des Kemptener Stadtrates die Fortsetzung und Ausweitung der »Sanieren mit GRIPS«-Kampagne beschlossen, mit der wir private Hausbesitzer über die Chancen der energetischen Gebäudesanierung informieren wollen. Mit dem geplanten Neubaugebiet Halde Nord werden wir Rahmenbedingungen für klimafreundliches Bauen und Wohnen in Kempten schaffen, und aktuell wählen wir einen Stadtteil aus, in dem wir mit einem Quartierskonzept modellhaft eine energieoptimierte, zukunftsorientierte Weiterentwicklung des Bestandes testen werden.

von eza! an, daran mitzuwirken, dass eza! als Dienstleister und Motor der Energiezukunft weiterhin so engagiert und erfolgreich für die Bürger und Kommunen des Allgäus arbeiten kann. Besonders wichtig ist für mich dabei, dass wir die Plattform der Zusammenarbeit auf Allgäu-Ebene mit dem Projekt »Energiezukunft Allgäu« weiterentwickeln. Hier wurde einerseits die Situation im Allgäu analysiert, andererseits wurden gemeinsame Projekte für das gesamte Allgäu diskutiert und auf den Weg gebracht. Und das halte ich für den richtigen Ansatz. Denn wir stehen in Kempten und Memmingen, in Lindau und Mindelheim, in Pfronten und Wasserburg und in vielen weiteren Kommunen oftmals vor den gleichen Herausforderungen, die sich gemeinsam besser bewältigen lassen.

Fotos: eza!

eit der Diskussion um die Neuregelung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG) ist die Energiewende weitgehend wieder aus den Schlagzeilen verschwunden. Dennoch hat dieses Thema nichts von seiner grundsätzlichen Bedeutung für die Gestaltung unserer Zukunft verloren. Je entschlossener wir hier handeln, desto besser sind die mit der Energiewende verbundenen Chancen, auch für unsere Wirtschaft, zu nutzen.

Thomas Kiechle, eza!-Vorsitzender

Nutzen wir zusammen die Chancen der Energiewende und gestalten gemeinsam die Energiezukunft in unserem Allgäu! Ihr Thomas Kiechle Oberbürgermeister der Stadt Kempten (Allgäu) Vorsitzender der Gesellschafterversammlung von eza!

Wir sind uns dabei im Klaren, dass Kempten als Metropole des Allgäus auch in Sachen Energie- und Klimaschutz als Beispiel für die gesamte Region dient. Wir wollen diese Rolle aktiv ausfüllen und freuen uns auch darüber, dass mit dem Energie- & Umweltzentrum Allgäu (eza!) und der Allgäu GmbH die Zusammenarbeit der Allgäuer Landkreise und Städte so gut funktioniert. Ich sehe es dabei als meine Aufgabe als neuer Vorsitzender

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Inhalt Titelfoto

Impressum Verlag und Herstellung: Verlag HEPHAISTOS, EDITION ALLGÄU Lachener Weg 2, 87509 ImmenstadtWerdenstein

In der Ausgabe 1/2014 berichteten wir über die elektrogetriebene Allgäukutsche für New York. Sie soll die Pferdegespanne in der Großstadt ersetzen. Einstweilen ist das sonderbare Fahrzeug noch im Allgäu. Und für eine Probefahrt in den Hindelanger Bergen steht sie noch zur Verfügung. Unser Repor ter Thomas Niehörster war bei einem der Ausritte des Kutschen-Erfinders Richard Schalber dabei

Tel. 08379/728616 Fax 08379/728018 info@heimat-allgaeu.info www.allgaeu-alternativ.de

Herausgeber: Peter Elgaß

Redaktion: Viola Elgaß (v.i.S.d.P.), Thomas Niehörster,

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Annette Müller, Volker Wille

Vorwort

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Gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung des

E-Mobil Ein Plan B für Buchloe 14. AÜW-Säule aufgestellt

Verfassers, nicht aber des Verlages dar.

Mächler Klimafreundliche Lieferung

Layout:

Seite 6 Seite 9

Seite 10

Bianca Elgaß, Ramona Klein,

Anzeigen: Sven Abend (Ltg.), Simon Gerle Tel. 08379/728616; gültige Anzeigenpreisliste: 1/2010

Bankverbindung Verlag: Raiffeisenbank OberallgäuSüd eG, IBAN: DE97733699200007126999, BIC: GENODEF1SFO

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Fotos: eza!, Thomas Niehörster, Volker Wille; Titelfoto: Peter Schmeller, Baufritz, Archiv

Dominik Ultes

E-Mobil Gäste können E-BMW fahren Den Einsatz erproben

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Seite 12 Seite 14

Energiespeicher Fernost hat die Nase vorn Energiewende im Biohotel

Seite 16 Seite 18

Brennstoffzelle Galileo unter Beobachtung

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Haushalt EU-Label setzt Zeichen

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Dämmen Das Bauchgefühl entscheidet

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Wasserstoff Tank-Supermarkt fürs Allgäu Bauen + Sanieren Ein Netzwerk für Qualität Energie Heizkraftwerk für die Schule

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Meldungen AÜW gehört zu den großen Hundert Allgäuer Energietag war ein voller Erfolg Bürgergesellschaft in neuem Gewand »Großer Beitrag zur Energiewende« Straßenbeleuchtung begleitet Radler Duschen mit Eisbär Ostallgäu gewinnt Solar-Bundesliga »Qualitätsbeweis für unsere Arbeit« Neuer Name für die Energiewende Teilnehmer sind mit Mindelheim zufrieden Lob für Nachhaltigkeitspreis Elektrofahrzeug bewährt sich im Dienst Neue »Fitness-Kurse« bei eza! Start für Kraftwerk in Kempten

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Wasserkraft Das »Älpele« im Kreistag Pumpspeicher Forggensee

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Bauen Weiterbildung in Kempten

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Ökologisch bauen Gesund und sparsam wohnen

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6. Solarmeisterschaft Baisweil auf dem Vormarsch

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Windenergie Ein Italiener im Allgäu Wind vertreibt die Schulden

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Energie-Praxis Viel Wind in der Schule

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Artenschutz Ein vermeidbarer Konflikt

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Natur/Technik Wie Fledermäuse »sehen«

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Klimawandel Die Bäume wachsen schneller

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Klimaschutz Erfolg mit »Aktion Klima« Den Wald lesen lernen

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Naturgarten Eine Ernte ohne Chemie

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Klima Der Feind in der Luft

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Landwirtschaft Acker schlägt grüne Wiesen

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Portrait Was tut die ReWiG Allgäu?

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Vorschau

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Redaktions- und Anzeigenschluss für die nächste Ausgabe ist der 30. Januar 2015

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E-Mobil

Ein Plan B für Buchloe Forschung mit Fahr- und Stehzeugen Mit dem Elektroauto zum Park&Ride-Platz fahren, das Fahrzeug an einen von 16 Ladepunkten anschließen und dann in den Zug umsteigen – für einige Buchloer Pendler wird das schon bald Realität. Ermöglicht wird der klimafreundliche Pendlerverkehr durch das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt ePlanB.

ie Elektromobilität ist das Zukunftsthema für die bayerische Automobilindustrie. Wir werden hier mit dem neuen Förderprogramm ,Elektromobilität und innovative Antriebs-

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Landrätin Rita Zinnecker: »Kaum eine Region treibt die Energiewende so aktiv voran wie der Landkreis Ostallgäu. Wir wurden dieses Jahr Meister in der Solar-Bundesliga!« 6

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technologien‘ die richtigen Anreize schaffen. Ich bin überzeugt, dass auch das Projekt ePlanB wertvolle Impulse liefern wird«, sagte Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Franz Josef Pschierer. »Das Projekt unterstützt unser Ziel, Bayern zum Vorreiter bei der Elektromobilität zu machen.« Pschierer dankte den Partnern, die das Projekt tragen: dem Landkreis Ostallgäu, der Stadt Buchloe, der Lechwerke AG (LEW), der LEW Verteilnetz GmbH (LVN) sowie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE). Auch sein Ministerium, so Pschierer, fördert das Projekt Eine ganze Reihe von Praxis-Untersuchungen in Sachen E-Mobilität läuft derzeit. In München wird un-


tersucht, wie das Verhalten der E-Autofahrer ist, die an einem Car-Sharing teilnehmen. Die Hochschule Kempten untersucht mit seinem Forschungsprogramm, wie das Fahrverhalten der Nutzer ist, und in Buchloe, wo derzeit rund 10.000 Menschen täglich in die Züge nach Memmingen, Kempten, Augsburg und München ein- und umsteigen, startet das neue Projekt ePlanB, das die Zielgruppe Pendler im Fokus hat. Das Hauptziel ist, ein intelligentes Lademanagement zu entwickeln, das die Batterien von geparkten Elektroautos dann auflädt, wenn viel Strom aus heimischen erneuerbaren Energiequellen eingespeist wird. Dadurch können Netzinfrastrukturen effizienter genutzt werden. Zugleich sollen Pendler stärker für das Thema Elektromobilität sensibilisiert werden. Für den Feldtest wird am Park&Ride-Platz beim Bahnhof in Buchloe eine Ladeinfrastruktur aufgebaut. Geeigneten Pendlern werden für eine gewisse Zeit Elektroautos zur Verfügung gestellt. Mehr als 500 Pendler aus dem Ostallgäu und Teilen des Unterallgäus bis nach Memmingen kommen täglich nach Buchloe, um von hier aus mit der Bahn weiterzufahren, erklärt Josef Schweinberger, Erster Bürgermeister von Buchloe. Mithilfe einer Befragung will die Stadt zunächst das Pendlerverhalten in der Region analysieren. »Das hilft uns zum einen, Infrastrukturmaßnahmen besser planen zu können, zum ande-

ren ist die Befragung ein wichtiger Schritt, um geeignete Teilnehmer für das Forschungsprojekt ePlanB zu finden«, erklärt Schweinberger. Die Pendler fahren für eine gewisse Zeit ein Elektrofahrzeug, das ihnen auch für die private Nutzung zur Verfügung steht. Am Park&Ride-Platz beim Bahnhof in Buchloe werden in den kommenden Monaten acht Ladesäulen mit je zwei Ladepunkten errichtet. im Frühjahr 2015 soll die Ladeinfrastruktur in Betrieb gehen.

Prominenz bei der Auftakt veranstaltung Mitte September (v.l.): Paul Wengert (MdL), Angelika Schorer (MdL), Norbert Schürmann (LEW), Josef Schweinberger (Bürgermeister Buchloe), Landrätin Rita Zinnecker, Staatssekretär Franz Josef Pschierer und Professor Wolfgang Mauch

Staatssekretär Franz Josef Pschierer: »Wir schaffen Anreize für die E-Mobilität in Bayern!« Um das Laden intelligent steuern zu können, geben die Nutzer – entweder direkt vor Ort an der Ladesäule oder über eine Website – die Daten zur vorgesehenen Parkdauer und dem aktuellen Batterieladezustand ein. Der Feldtest findet in zwei Phasen statt: In der ersten zeichnen wir Daten zum Nutzerverhalten und zum Ladeverhalten auf«, erklärt Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Mauch von der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE). »Etwa sechs Monate später beginnt die zweite Phase, in der wir das bis dahin entwickelte La-

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Fotos: Archiv

E-Mobil

Eine Gesprächsrunde mit den Projektpartnern verdeutlichte die Ziele des Projektes

demanagementsystem anwenden werden«, so Mauch. Dabei solle das netzoptimierte Laden der Elektrofahrzeuge dazu beitragen, die Netzbelastung gering zu halten. »Eine intelligente Steuerung zum Laden der Elek-

1. Reduktion der Ladeleistung von Elektrofahrzeugen

Leistungsspitze

2. Verschiebung der Ladevorgänge zu Zeiten hoher PV-Erzeugung 0

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10 Tageszeit

Das Projekt und die Partner Das Gesamtbudget des Forschungsvorhabens ePlanB liegt bei rund 1,3 Millionen Euro. Davon tragen die Lechwerke rund 650.000 Euro, der Freistaat Bayern fördert das Vorhaben mit knapp 600.000 Euro, Landkreis Ostallgäu und Stadt Buchloe beteiligen sich mit jeweils 36.000 Euro. Die LEW-Gruppe ist als regionaler Energieversorger in Bayern und Teilen BadenWürttembergs tätig. LEW beschäftigt mehr als 1700 Mitarbeiter und ist mit 35 Wasserkraftwerken einer der führenden Erzeuger von umweltfreundlicher Energie aus Wasserkraft in Bayern. Die LEW Verteilnetz GmbH

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(LVN) ist eine Tochtergesellschaft der LEWGruppe und sorgt als regionaler Verteilnetzbetreiber für einen zuverlässigen und sicheren Betrieb des Stromnetzes. Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) ist ein bundesweit anerkanntes Forschungsinstitut mit einer über 60-jährigen Tradition, das sich mit aktuellen Fragestellungen der Energietechnik und Energiewirtschaft beschäftigt. Der Landkreis Ostallgäu ist knapp 1400 Quadratkilometer groß und hat ca. 134.000 Einwohner. Die Stadt Buchloe bezeichnet sich mit ihren 12.000 Einwohnern als Tor zum Allgäu. Sie ist die drittgrößte Stadt im Landkreis Ostallgäu.

trofahrzeuge kann Leistungsspitzen vermeiden«, erklärt Mauch. Zum Aufladen soll vorrangig der in der Region erzeugte Strom aus erneuerbaren Quellen genutzt werden. »Elektromobilität ist die logische Fortsetzung der Energiewende auf der Straße. Denn Elektroautos sind nicht nur leise und sauber – als mobile Speicher können sie auch zur Stabilisierung der Stromnetze beitragen, wenn immer mehr Strom aus erneuerbaren Energien eingespeist wird«, sagt LEW-Vorstandsmitglied Norbert Schürmann. Ein intelligentes Lademanagement-System für Elektroautos könne dazu beitragen, vorrangig den in der Region erzeugten regenerativen Strom zu nutzen. Kaum eine Region treibt die Energiewende so aktiv voran wie der Landkreis Ostallgäu. Der Anteil der regenerativen Energien ist hier besonders hoch. »Dafür wurden wir vor kurzem auch Meister der SolarBundesliga«, sagt Rita Zinnecker, Landrätin des Landkreises Ostallgäu. »Wir freuen uns, dass wir mit dem Elektromobilitätsprojekt ePlanB die Innovationskraft in der Region weiter steigern können.«

Er ist der Vater des Forschungsvorhabens in Buchloe: Professor Dr.-Ing. Wolfgang Mauch von FfE


E-Mobil

14. AÜW-Säule aufgestellt Neue Ladestation am Hildegardplatz Mit dem Abschluss der Baumaßnahmen am neuen Hildegardplatz in Kempten eröffnete das Allgäuer Überlandwerk die 14. Ladestation für Elektrofahrzeuge im Allgäu am Parkplatz »Am Kirchberg«. Eine moderne Aufrüstung für die historische Altstadt.

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flächendeckend Lademöglichkeiten an. Ein wichtiger Schritt für die Elektromobilität und die Energiezukunft Allgäu«, ergänzt Michael Lucke, Geschäftsführer des AÜW. Alle AllgäuStrom-ladestationen im Allgäu sind öffentlich zugänglich. Kunden des Allgäuer Überlandwerks oder von einem der anderen acht AllgäuStromPartner in der Region können an allen Ladestationen kostenfrei Strom tanken. Weitere Informationen rund um das Thema Elektromobilität im Allgäu sowie die Standorte aller Ladesäulen finden Sie im Internet unter www.allgaeustrom.de/emobil

Foto: Allgäuer Uberlandwerke (AÜW)

homas Kiechle, Oberbürgermeister der Stadt Kempten, und Michael Lucke, Geschäftsführer des Allgäuer Überlandwerks, eröffneten gemeinsam mit Monika Beltinger, Baureferentin der Stadt Kempten, und Markus Wiedemann, Amtsleiter Tiefbau und Verkehr der Stadt Kempten, die neue Ladestation am Hildegardplatz/Parkplatz »Am Kirchberg«. »Mit der neuen Ladesäule runden wir in Kempten die sogenannte Knochenstrategie ab. Mit der bestehenden Ladesäule am Forum Allgäu, verbunden durch unsere Fußgängerzone, können wir jetzt auch am neugestalteten und sehr attraktiven Hildegardplatz eine Lademöglichkeit für Elektrofahrzeuge anbieten«, so Thomas Kiechle, Oberbürgermeister der Stadt Kempten. Das Allgäuer Überlandwerk betreibt im Verbund AllgäuStrom derzeit insgesamt 14 Ladestationen für Elektrofahrzeuge im gesamten Allgäu. »Es war uns ein großes Anliegen, mit der neuen Ladesäule Am Kirchberg die Infrastruktur für öffentliches Laden von Elektrofahrzeugen in Kempten und damit im Allgäu weiter auszubauen. Vom Flughafen Memminger Berg über Kempten bis in das Kleinwalsertal bieten wir nahezu

Kemptens Oberbürgermeister, Thomas Kiechle (2. v. l.) und Michael Lucke, Geschäftsführer des AÜW (r.) eröffnen gemeinsam mit Monika Beltinger (l.), Baureferentin der Stadt Kempten und Markus Wiedemann (2. v. r.), Amtsleiter Tiefbau und Verkehr der Stadt Kempten, die 14. Ladestation für Elektrofahrzeuge im Allgäu

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Mächler

Klimafreundliche Lieferung Einkaufshilfe mit dem E-Cargo-Bike Wunderbar, wenn ein Mensch nach einem Schicksalsschlag seinen Lebensmut nicht verliert und sich darüber hinaus auch noch für andere engagiert. So wie Michael Vetter (60, ledig). Er wurde 2002 nach einem Schlaganfall mitten aus seinem Arbeitsleben gerissen. Lange hat es gedauert, bis er wieder »auf die Beine« kam. Jetzt will er Botenfahrten mit einem Elektro-Lastenfahrrad anbieten.

er ausgebildete Kaufmann Michael Vetter wohnt heute in Bad Oberdorf. Früher arbeitete er bei IBM in Böblingen und später in der Satellitenbeobachtung in Oberpfaffenhofen. Der Schlaganfall warf ihn für Jahre aus der Lebensbahn. Zur Reha war er zehn Jahre am Plattensee in einem Wohn- und Beschäftigungsheim der bayerischen Regens-Wagner-Stiftung. Hier lernte Michael Vetter,

Fotos: Thomas Niehörster

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Dienstleister auf vier Rädern: Michael Vetter mit seinem Cargo-E-Bike ist rufbereit

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seine motorische Beweglichkeit wiederzufinden. Mit 60 Jahren kehrte er nun zurück nach Bad Oberdorf. Um seinem Leben weiterhin einen Sinn zu geben und gleichzeitig einen Teil an Engagement zurückgeben zu können, so sagt Michael Vetter, hat er ein gebrauchtes »Work-Bike« erworben. Das mit einem EMotor betriebene Lastenfahrrad hat ein geschlossenes Ladeteil für Frachtgut. Es ist für eine Zuladung bis zu 200 Kilo ausgelegt und bietet ein Ladevolumen von ca. 1200 Litern. Vetters Idee ist, mit diesem Lastenfahrrad Botenfahrten zu erledigen, Einkäufe von Feneberg oder anderen Geschäften zu älteren oder gleichfalls bewegungseingeschränkten Kunden zu bringen oder Pakete für Firmen auf kurzem Weg zu transportieren. Seinen Wirkungskreis sieht Vetter von seinem Heimatort Bad Oberdorf bei Bad Hindelang bis Oberstdorf, Sonthofen und Immenstadt. Vetter betrachtet seinen Service als ehrenamtliche, kostenlose Leistung gegenüber der Gesellschaft, die früher auch für ihn eingestanden ist. Vetter war bemüht, die Einstandskosten von 1500 Euro für das gebraucht erworbene »Work-Bike« über ein Existenzgründerdarlehen zu finanzieren. Für diese in Bankerkreisen sogenannten »Peanuts« ließ sich für Vetter jedoch kein Geldinstitut finden. So möchte er die Anschaffungs- und Betriebskosten – u.a. ist ein neuer Akku fällig – über Werbung auf den Flächen seines »Work-Bike« finanzieren. Hier sucht er noch einen Sponsor. Über sein Handy ist Michael Vetter Tag und Nacht erreichbar und fährt, so versichert er, »bei jedem Wind und Wetter«. (thn)

Info Michael Vetter, Weihergasse 17, 87541 Bad Oberdorf, Tel.: 0162 304 8948


Technische Daten des Cargo-Bike Das Modell Cargo vom Hersteller Work-Bikes in Berlin gibt es anscheinend nicht mehr neu zu kaufen. Die Kontaktdaten sind gelöscht, die Homepage ist aber noch vorhanden: www.work-bikes.de. Trotzdem hier eine technische Beschreibung: Das Modell ist ausgelegt für eine Zuladung von bis zu 200 Kilogramm und bietet ein Ladevolumen von ca. 1200 Litern. Die Ladeöffnung verschließen kann man sicher und bequem mit einem Alu-Rolltor. Das Modell hat einen Stahlrahmen und ein handlaminiertes GFK-Gehäuse. Gelenkt wird das vierräderige Gefährt mit Nylon-Spurstangen. Es hat Sachs/Acelo-Trommelbremsnabe mit hydraulischer Betätigung und Feststellbremse an allen Laufrädern. Für die Beleuchtung sorgt ein eigener Blei-Akku. Der Hersteller bot cargo seinerzeit mit drei E-Motoren an: eine 36-Volt-Version, einen 48-Volt-Nabenmotor und einen 48-Volt-Getriebemotor. Der Grundpreis für den Van Cargo lag bei 5800 Euro. Mit E-Motorisierung, Ladegeräten, Akkus und diversem Zubehör kam das Modell auf nahezu 10.000 Euro. Es gibt inzwischen einige andere Hersteller, die E-Bike-Szene produziert immer schneller neue Ideen und Techniken – auch im Bereich der Transport-E-Bikes.

Einen Packesel kaufen? Derzeit gibt es ein echtes Packrad bei Dominik Rombach in Denzlingen zu kaufen. Das »Urban Arrow Cargo« hat eine N360° stufenlose Nabenschaltung, hydraulische Shimano-Scheibenbremsen und ist mit einem 250-Watt-Bosch-Motor ausgestattet. Das Rad ist ein echtes E-Bike, das bei 25 Stundenkilometern die Trethilfe einstellt und deshalb ohne Führerschein im Straßenverkehr ge-

nutzt werden darf. Es ist mit einer 300Liter-Transportbox aus Alu oder Holz zu bekommen. Der stromspendende Akku und das Ladegerät sind inklusive. Mit Holzbox kostet das Urban Arrow Cargo 3890 Euro, mit Alubox kommt es auf 4150 Euro. Kontaktdaten: Dominik Rombach, Schwarzwaldstraße 29, 79211 Denzlingen, Telefon: 0151 55757380, Internet: www.packrad.de, E-Mail: info@packrad.de

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E-Mobil

Gäste können E-BMW fahren Ottobeuren nimmt Vorreiter-Rolle ein

Foto: LEW/Sanz

Die Marktgemeinde Ottobeuren hat ein Elektrofahrzeug vom Typ BMW i3 in ihren Fuhrpark aufgenommen. Die Lechwerke (LEW) unterstützen den Unterhalt des Fahrzeugs durch eine Werbepartnerschaft. Auch das Autohaus Reisacher unterstützte die Anschaffung des BMW. Unter der Woche fährt die Verwaltung den Wagen – am Wochenende die Gäste.

Bei der Übergabe des Fahrzeuges: Josef Nersinger, LEWKommunalbetreuer, Hannelore Reisacher, Autohaus Reisacher, und Ottobeurens Bürgermeister German Fries (v.l.)

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erman Fries, erster Bürgermeister von Ottobeuren, sagte bei der Übergabe: »Durch das Elektroauto nimmt Ottobeuren eine Vorreiterrolle ein, weil es nicht nur als Dienstfahrzeug, sondern auch für touristische Zwecke genutzt werden kann.« Unter der Woche wird das Fahrzeug den Beschäftigten der Verwaltungsgemeinschaft für Dienstfahrten zur Verfügung stehen. Am Wochenende soll es auch Touristen angeboten werden. Dazu werden vom Fremdenverkehrsbüro Tourenvorschläge ausgearbeitet, die die Reichweite des Fahrzeugs einkalkulieren bzw. für längere Strecken Lademöglichkeiten für unterwegs aufzeigen. »Ottobeuren ist damit ein attraktives Reiseziel für Besucher, die die nähere Umgebung im Allgäu klimafreundlich erkunden möchten«, sagt Peter Kraus, Leiter Touristikamt Kur & Kultur Ottobeuren. Basierend auf den Erfahrungen aus der touristischen Nutzung, will das Energieteam Ottobeuren als nächsten Schritt ein E-Carsharing-Modell für Bürger entwickeln. Ermöglicht wurde die Anschaffung des BMW i3 für den kommunalen Fuhrpark durch die Unterstützung von LEW und Autohaus Reisacher. »Wir selbst leben seit Jahren in unseren Autohäusern das Thema Nachhaltigkeit durch den ressourcenschonenden Einsatz regenerativer Energien. Aus diesem Grund freuen wir uns sehr, dass die Marktgemeinde Ottobeuren den konsequenten Schritt in Richtung nachhaltiger Mobilität mit dem BMW geht, und unterstützen so ein zu-

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kunftsweisendes Projekt sehr gerne«, erklärt Hannelore Reisacher von der Geschäftsleitung der Reisacher GmbH. »Elektromobilität ist die logische Fortsetzung der Energiewende auf den Straßen. Der Fokus der Lechwerke liegt im Aufbau von Ladeinfrastruktur, sie ist wichtig, um die Elektromobilität in der Region voranzutreiben«, sagt LEW-Kommunalbetreuer Josef Nersinger. »Wir möchten aber auch Begeisterung schaffen für E-Mobility. Deshalb verleihen wir an Partner und Kommunen Elektrofahrzeuge aus unserem Fuhrpark für Praxistests. Denn Elektroautos sind nicht nur sauber und leise, sondern auch schnell und wendig.« Im April haben die Verwaltungsangestellten bereits ein Elektroauto von LEW für einen Praxistest bekommen. Zeitgleich wurde eine öffentliche Ladesäule am Marktplatz in Betrieb genommen. »Wir freuen uns, dass sich Ottobeuren mit der Anschaffung eines eigenen Elektroautos weiter zu einer klimafreundlichen Mobilität bekennt«, so Nersinger. Die Lechwerke haben verschiedene Elektroautos in ihrem Fuhrpark und betreiben derzeit rund 30 öffentlich zugängliche Ladesäulen in ihrem Netzgebiet. Außerdem haben Fahrer von Elektroautos über den Verbund »Ich tanke Strom« Zugang zu über 100 Autoladesäulen in der gesamten Region BayerischSchwaben. Elektrofahrzeuge produzieren unterwegs weder Abgase, noch belasten sie die Umwelt durch Feinstaub oder Motorenlärm.



E-Mobil

Den Einsatz erproben E-Coaching mit der Hochschule Kempten Am Forschungszentrum Allgäu (FZA) als Teil der Hochschule Kempten wird seit 2009 intensiv an der Elektromobilität gearbeitet. Im Bereich energieeffizienter Mobilitätssysteme wird in Projekten an unterschiedlichen Themen geforscht. So werden neben der Batterieforschung im hauseigenen Batterielabor (Institut für Elektrische Energiesysteme, IEES) auch umfangreiche Forschungen an der eigenen, heterogenen Elektrofahrzeugflotte vorgenommen.

m Rahmen verschiedener Verbundprojekte mit Partnern aus der Industrie und zusätzlicher Auftragsforschung werden deutschlandweit Daten von Fahrzeugen aufgezeichnet und verarbeitet. Durch die Aufzeichnung der Daten mit modernsten Messgeräten ist mit den Jahren eine umfangreiche Datenbank mit

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Foto: Hochschule Kempten

Ein Hochschul-Team auf Erkundungsfahrt

Elektro- und konventionellen Fahrzeugen zur Vergleichsanalyse entstanden. In dieser Datenbank sind mittlerweile mehr als 130 verschiedene Fahrzeuge von unterschiedlichen Herstellern hinterlegt, mit denen mehr als 550.000 Kilometer im Allgäu und den angebundenen Partnerregionen zurückgelegt wurden.


Um die Vielfältigkeit der Nutzungsszenarien zu gewährleisten, wurde bei der Auswahl der Probanden besonderes Augenmerk auf verschiedene Nutzungskreise von Mobilität gelegt. So sind Einsätze der Fahrzeuge im Taxidienst, als Gemeindefahrzeug, im Flotteneinsatz, im Lieferverkehr, als Schüler- und Studentenfahrzeuge, im Car-Sharing, als Fahrschulauto, im privaten Einsatz als touristischer Mietwagen sowie als Pendler- und Alltagsfahrzeug in der Datenbank hinterlegt. Wichtig dabei ist auch eine gute Durchmischung der Szenarien mit unterschiedlichen Altersschichten (17 bis 80 Jahre). Neben den Auswertungen zum Fahr- und Nutzungsverhalten werden mit diesen Daten Energiemodelle für verschiedene Elektrofahrzeugtypen entwickelt, die sich an den gegebenen topografischen Bedingungen orientieren. Somit lassen sich sehr genaue Vorhersagen zum Energiebedarf und der Reichweite der Fahrzeuge treffen, die weit über eine rein lineare Reichweitenabschätzung hinausgehen. Die Energiemodelle der Fahrzeuge ermöglichen eine präzise Energieprognose auf der zu befahrenden Strecke und geben so dem Fahrer die Sicherheit, sein gewünschtes Ziel zu erreichen. Aus dieser Reichweitenermittlung hat sich im Laufe der Zeit ein weiterer Nutzen entwickelt: das Elektromobilitätscoaching. Als Anlaufstelle für Elektromobilität werden oft Fragen bezüglich der Reichweite und der Lademöglichkeiten gestellt, auch die finanziellen Aspekte werden hinterfragt. Um diese Fragestellungen kompetent beantworten zu können, bietet die Hochschule Kempten interessierten Flottenbetreibern ein Elektromobilitätscoaching an, basierend auf der umfangreichen Erfahrung im Bereich Elektromobilität. Die Gründe für eine Umstellung des Mobilitätskonzeptes vor allem für Flottenbetreiber sprechen für sich: • Verringerung des CO2-Ausstoßes der Flotte • Weniger Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen • Emissionsfreies Fahren insbesondere in Ballungsräumen • Nutzung des eigenen Stroms für den Betrieb der Fahrzeuge Vor allem öffentliche Einrichtungen sind angehalten, hierbei eine Vorreiterfunktion zu erfüllen, aber auch für privatwirtschaftliche Unternehmen lohnt sich eine Fuhrparkanalyse, da das Elektromobilitätscoaching neben der verbesserten Energiebilanz auch eine Einsatz- und Kostenoptimierung bewirken kann. Dabei werden vor allem für den Fuhrparkleiter diverse Fragestellungen geklärt: • Ist die Reichweite der Fahrzeuge für den geforderten Einsatzzweck ausreichend? • Bestehen ausreichend Standzeiten, sodass die Fahrzeuge aufgeladen werden können?

• Wie viele Fahrzeuge können durch Elektrofahrzeuge im Fahrzeugpool ersetzt werden? • Wie viel CO2 kann mit den Fahrzeugen eingespart werden? • Muss sich das Fahrverhalten ändern, um EFahrzeuge sinnvoll im Fahrzeugpool zu integrieren? • Kann man komplette Fahrzeuge durch Zusammenlegen ersetzen? Zu Beginn des Elektromobilitätscoachings werden die vorhandenen Fahrzeuge der Flotte mehrere Wochen mit GPS-Datenloggern der Hochschule ausgestattet. Diese zeichnen kontinuierlich die Fahrdaten der Fahrzeuge auf und werden in regelmäßigen Abständen ausgelesen und analysiert. Dadurch lässt sich ein nutzerunabhängiges Fahrprofil erstellen. Im Anschluss werden auf Basis dieser Daten verschiedene Elektrofahrzeugtypen simuliert und die wirtschaftlichen Potenziale analysiert. Zusätzlich kann eine geplante Ladeinfrastruktur modelliert und diese in die Simulation integriert werden. Die Analysen umfassen statistische Auswertungen, Simulationen verschiedener Fahrzeugtypen, Vergleichsanalysen mit anderen Fahrzeugnutzern und entsprechende Empfehlungen. Die Reichweite ist neben den höheren Anschaffungskosten ein Kritikpunkt bei den zurzeit verfügbaren E-Fahrzeugen. Sie kann aber durch geschickte Anordnung und Planung der Standzeiten wesentlich erhöht werden. Auch kann durch schnellladefähige Fahrzeuge und Ladepunkte die Ladezeit so stark verkürzt werden, dass sich die Reichweite pro Tag verdoppelt oder sogar verdreifacht. Die Auswahl der richtigen Fahrzeuge mit der nötigen technischen Ausstattung und die benötigte Ladeinfrastruktur lassen sich durch das Elektromobilitätscoaching überprüfen. Zusätzlich besteht für den Flottenbetreiber die Möglichkeit, das umfangreiche Mobilitätsangebot der Hochschule Kempten zu nutzen. Dazu gehört eine Android-Anwendung für Tablets und Smartphones, die die Reichweite des Fahrzeuges dynamisch auf Basis der Topologie und des Fahrstils berechnet und anzeigt. Bei gleichzeitiger Nutzung der Routing-Software der Hochschule kann so schon vor Fahrtbeginn sehr genau ermittelt werden, ob die geplante Strecke mit dem aktuellen State-of-Charge überhaupt zu bewältigen ist. In der Routingsoftware stehen dem Nutzer neben der schnellsten und kürzesten auch die energieeffizienteste Route zur Verfügung, mit der die Effizienz der Fahrzeuge und deren Reichweite nochmals erhöht werden können.

Kurzinfo www.hs-kempten.de/forschung/

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Energiespeicher

Fernost hat die Nase vorn Was macht der Allgäuer Marktführer? Die Zahl der Patentanmeldungen für elektrochemische EnergiespeicherTechnologien ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Die mit großem Abstand meisten Schutzrechte beantragten die Entwickler für LithiumBatterien. Ökonomisch ins Hintertreffen geraten in diesem Bereich europäische und amerikanische Firmen: Asiatische Unternehmen melden weit mehr Patente an. allgäuALTERNATIV hat zu dieser Thematik das führende Allgäuer Unternehmen Sonnenbatterie GmbH in Wildpoldsried befragt. ind weht nicht immer, die Sonne scheint nicht ständig. Wenn künftig ein Großteil des Stroms mit erneuerbaren Energien produziert wird, muss Energie zu ertragreichen Zeiten gespeichert werden, um diese Schwankungen auszugleichen. Die bestehenden Speicherkapazitäten werden jedoch bei Weitem nicht ausreichen. Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten deshalb an neuen und verbesserten Technologien. Ein bedeutender Schwerpunkt liegt dabei auf Batteriesystemen, die bislang noch zu teuer oder zu wenig ausgereift sind, um in großem Stil eingesetzt zu werden. Dabei konkurrieren mehrere elektrochemische Technologien darum, zum Standard zu werden. An welchen Technologien derzeit am intensivsten gearbeitet wird und welche in naher Zukunft auf den Markt kommen können, ist für alle Akteure des Energiesektors aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft strategisch wichtig zu wissen. Da Unternehmen ihre Entwicklungsarbeit naturgemäß nicht offenlegen, haben Wirtschaftswissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) – als Teil eines interdisziplinären Großprojektes zu Batteriespeichern – die weltweiten Patentanmeldungen der Jahre 1991 bis 2011 für elektrochemische Energiespeicher analysiert. (Die Anmeldungen ermöglichen einen aktuelleren Blick auf die Entwicklung als die schon erteilten Schutzrechte.) Die Studie zeigt, dass die jährliche Zahl neuer Patentfamilien, also Gruppen von Patentanmeldungen

Fotos: Archiv allgäuALTERNATIV

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Batterie-Speicher in der Versuchsanlage Irene in Wildpoldsried puffert Solarenergie


und Patenten für ähnliche oder gleiche Erfindungen (z.B. Anträge in verschiedenen Staaten), von 2006 bis 2011 um 110 Prozent gestiegen ist. Wurden 2006 noch Schutzrechte für rund 2800 Entwicklungen angemeldet, waren es 2011 bereits 5900 Anträge. »Angesichts dieser Investitionen können wir davon ausgehen, dass neue elektrochemische Energiespeicher-Techniken in naher Zukunft marktreif und kostengünstiger als bestehende Produkte sein werden«, sagt Simon C. Müller, Physiker und Ökonom am Lehrstuhl für Strategie und Organisation. Die mit großem Abstand meisten Patente meldeten die Entwickler für Lithium-Batterien an, 4900 neue Patentfamilien gab es im Jahr 2011. Damit zeigt die Kurve der Anmeldezahlen in diesem Segment seit 2008 steil nach oben – nach einem einmaligen Rückgang im Jahr 2007. Zuvor mussten mehrere Anbieter Produkte wegen Sicherheitsmängeln zurückrufen. »Die Skepsis, dass man Lithium-Batterien nicht sicher genug gestalten kann, ist offenbar verflogen«, sagt Müller. Zudem werden die neuen Patentanmeldungen häufiger als bei anderen Technologien in nachfolgenden Patentanmeldungen zitiert – ein Qualitätsmerkmal, das zeigt, dass sie eine Rolle bei der Weiterentwicklung der Technologie spielen. Auf Rang zwei der Patentanmeldungen folgen Blei-Batterien mit lediglich rund 580 neuen Patentfamilien im Jahr 2011. Eine bemerkenswerte Zunahme auf allerdings niedrigem Niveau stellten die Forscher für die jüngste Zeit bei Redox-Flow-Batterien fest, bei denen die energiespeichernden chemischen Verbindungen in gelöster Form eingesetzt werden: Von 2009 bis 2011 hat sich die Zahl der Anträge von 90 auf 200 mehr als verdoppelt. Die Zahl neuer Patentfamilien für Alkali-Batterien ging zuletzt auf 240 leicht zurück, Natrium-Schwefel-Technologien spielten mit 20 Anträgen eine gleichbleibend geringe Rolle. »Im Lithium-Segment gibt es also eine große Dynamik«, sagt Simon C. Müller. »Es ist durchaus möglich, dass wir schon bald an einem Punkt ankommen, an dem ein sich selbst verstärkender Effekt entsteht: Sobald die technisch-ökonomischen Daten gut genug sind, wird noch mehr in Forschung und Entwicklung investiert, was zu einem weiteren Vorsprung führt.« Dies gelte umso mehr, als Lithium-Batterien auch in Elektroautos eingesetzt werden, also sowohl aus der Energie- als auch aus der Fahrzeugbranche nachgefragt werden können. Im Geschäft sein werden dann wohl hauptsächlich asiatische Unternehmen, zeigt die Analyse. 2011 konnten asiatischen Entwicklern 2100 Anmeldungen für Patentfamilien bei elektrochemischen Energiespeichern zugeordnet werden, europäischen 530, amerikanischen lediglich 410. Auch, wenn man die Qualität der Portfolios berücksichtigt, nehmen asiatische Unternehmen eine enorme Vormachtstellung ein. Die Forscher erstellten

Die Projektstudie Die Studie ist Teil des Projektes »Dezentrale stationäre Batteriespeicher zur effizienten Nutzung erneuerbarer Energien und Unterstützung der Netzstabilität (EEBatt)«. 14 Lehrstühle aus verschiedenen Fächern der Techni-

schen Universität München forschen gemeinsam mit dem Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE) und der VARTA Storage GmbH. Das Projekt wird gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie.

einen Index, der neben den quantitativen Daten auch die Zitierungen der Patentanmeldungen einbezieht. Bei den Lithium-Batterien kommen demnach acht japanische und ein koreanisches Unternehmen unter die Top 10, angeführt von Fuji. Lediglich eine amerikanische Firma taucht hier auf. Mit dem Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) folgt die erfolgreichste europäische Institution erst auf Rang 25. »Diese Ergebnisse werfen spannende Fragen in der Forschungspolitik und im Entwicklungsmanagement auf. Es wäre beispielsweise interessant zu untersuchen, welche Strategien zur Technologieführerschaft in diesem Bereich geführt haben und was europäische Mitbewerber davon lernen können«, sagt Prof. Isabell M. Welpe, Inhaberin des Lehrstuhls für Strategie und Organisation.

»Wir setzen auf Lithium« Sonnenbatterie GmbH meldet eigene Patente an

Die Studie der TU München zeigt, dass in Asien die mit Abstand meisten Patente für neue Energiespeicher-Technologien angemeldet werden. Amerika und Europa sind weit abgeschlagen. Das ist keine Überraschung, denn der überwiegende Teil der Batteriezellen wird heutzutage in China, Japan und Südkorea hergestellt. Was die Studie auch zeigt, ist, dass die Zukunft ganz klar der Lithium-Batterie gehört. Fast 5000 neue Patente wurden allein 2011 für den Aufbau, die chemische Zusammensetzung oder für andere Neu-Entwicklungen von Lithium-Batterien vergeben. Weit abgeschlagen auf Platz 2 folgen die Blei-Batterien mit 580 Patenten. Diese Entwicklung zeigt, dass die LithiumBatterie die klare Nummer 1 unter den elektrochemischen Energiespeichern ist und das für die nächsten Jahre oder sogar Jahrzehnte auch bleiben wird. Die Sonnenbatterie GmbH aus Wildpoldsried setzt ebenfalls auf die moderne LithiumTechnik, die sie für ihre intelligenten Speichersysteme verwendet. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Die Batterien sind stabil, kompakt und effizient, ideal also für langlebige Stromspeichersysteme. Sie halten mindestens doppelt so lange durch wie Blei-Batterien und speichern die Energie rund 20 Prozent effizienter. Das Know-how der Sonnenbatterie GmbH liegt in der Entwicklung und der Produktion kompletter Speichersysteme auf Basis von Lithium-Batterien. Als eines der ersten Unternehmen am Markt, gehört die Sonnenbatterie GmbH zu den größten und innovativsten Herstellern von Stromspeichersystemen in Deutschland und hat zahlreiche Erfindungen zum Patent angemeldet. Christian Mayr (Leiter Qualität und Organisation, Sonnenbatterie GmbH)

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Energiespeicher

Energiewende im Biohotel Eggensberger hat die Nase vorn

Fotos: Eggensberger

Im Biohotel Eggensberger in Hopfen am See wurde ein neues Konzept zur dezentralen Stromversorgung aus erneuerbaren Energien umgesetzt: Es kommt die deutschlandweit größte Energiespeicheranlage in der Hotellerie zum Einsatz. Sie speichert überschüssigen Ökostrom, den die erweiterte Photovoltaikanlage sowie das Biogas-Blockheizkraftwerk des Hotels produzieren.

Das Hotel Eggensberger in Hopfen mit Blick über den Hopfensee

as Ostallgäuer Hotel ist schon vielfach mit innovativen Ideen aufgefallen. Zudem versteht es die Leitung des Hotels auch hervorragend, mit energetischen Neuerungen und biologischen Angeboten den verantwortungsvollen Gast anzusprechen. Tue Gutes und sprich darüber! Neben der neuen Speicheranlage wurde zudem die Stromtankstelle für die Elektrofahrzeug-Verleih-Flotte und einen 170 PS starken BMWi3 erweitert. Gäste des Hotels bei Füssen können mit hundert Prozent Sonnenstrom die Region emissionsfrei erkunden. Das Rundum-Konzept ist laut der Firma »German PV« kommerziellen Bereich einzigartig. Knapp 40 Prozent des gesamten Strombedarfs deckt das Hotel nun dank der neuen Speichertechnik mit Sonnenenergie. 70 Prozent des selbst erzeugten Sonnenstroms werden im Hotel verbraucht und 30 Prozent in das Stromnetz eingespeist. Hierdurch kann die Anlage effizienter betrieben werden. Der auf rund

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1000 Quadratmetern Solarfläche produzierte Strom landet über die neue Ladesäule direkt im »Tank« der Elektroflotte. Das Hotel Eggensberger setzt mit diesem Konzept in der Hotellerie neue Maßstäbe. Die Technik wie Batteriespeicher und Wechselrichter haben sich bereits in anderen Branchen bewährt. Mit dem integrierten Strommanagement setzt das Biohotel einen weiteren Meilenstein bei der hoteleigenen »Energiewende«. Ein Großteil des Strombedarfs wird nun über selbst produzierten Ökostrom gedeckt. Der Rest der benötigten Energie stammt aus zertifiziertem Ökostrom. Die umgesetzten Maßnahmen haben für das Hotel mehrere Vorteile: ein geringerer CO2-Wert pro Übernachtung, Klimaschutz durch eingesparte fossile Brennstoffe, höhere Wirtschaftlichkeit sowie hundert Prozent Sonnenstrom für alle Elektrofahrzeuge. Bereits 2010 hatte das Hotel ein umfassendes Energiekonzept angestoßen mit CO2-Bilanz, energe-


Die Puffer-Battereien mit der gesamten Steuerung sind in diesem abgeschlossenen Raum untergebracht

Die E-Mobile, die mit Sonnenstrom »betankt« und den Gästen des Biohotels zur Verfügung gestellt werden

Andreas Eggensberger managt zusammen mit seiner Frau Heike das Biohotel. Nun werden die E-Mobile des Hotels komplett mit Eigenstrom versorgt

Das Biohotel: Fakten & Historie • • • •

tischen Sanierungen und dem Einbau eines BiogasBlockheizkraftwerkes. Die Hoteliers engagieren sich in diesem Segement aus persönlicher Überzeugung. So fördert das klimaneutrale Hotel gezielt die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln und bietet mit Biogas-Auto und Elektrofahrzeugen moderne, klimaschonende Mobilität am Urlaubsort an. Hinzu kommt, dass Urlauber im Ostallgäu mit ihrer elektronischen Gästekarte kostenlos Bus und Bahn nutzen können. Im Food-Bereich werden überwiegend saisonale und regional produzierte Bio-Lebensmittel verwendet, was sich ebenfalls positiv auf die CO2-Bilanz auswirkt. Und das Biogas für die Heizung und das Gästeauto stammt aus Abfällen, die in einer nahen Vergärungsanlage zu Gas fermentiert werden. Auch das Biohotel lässt seine Küchenreste dort wiederverwerten. Inzwischen setzt das Biohotel nur halb so viel Kohlendioxid pro Übernachtung frei wie ein konventionelles VierSterne-Hotel vergleichbarer Größe.

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Energetische Gebäudedämmung bereits beim Bau 1975 und auch bei weiteren Bauabschnitten, die noch heutigen Standards (EnEG 2013) genügt Installation von Solarmodulen 1980 für die Schwimmbad-Wassererwärmung Erstes zertifiziertes Biohotel im Allgäu (2003) Vielfältige energetische Optimierungen im Laufe der Jahre: u.a. Biogas-BHKW, Energiemanagement, Wärmerückgewinnung, Reststrom aus Wasserkraft, CO2Bilanzierung und -Reduktion (2009). Beispiel Gastronomie: Nach Möglichkeit werden Bio-Südfrüchte durch Bioprodukte aus der Region ersetzt. Zahlreiche Lebensmittel liefert der familieneigene Bioland-Bauernhof (seit 1995) Projektpartner zur Förderung der Elektromobilität (eeTour-Allgäu) 2009 Hoteleigene Stromtankstelle. Elektroautos und E-Bikes für Gäste (2010) Europaweit erste hoteleigene Biogastankstelle laut Projektpartner(2010) Erstes klimaneutrales Hotel im Allgäu (2010) Auszeichnung »Allgäuer Klimaschützer«. In 24 Monaten 320 Tonnen weniger CO2. Mit etwa 12,6 Kilogramm CO2 pro Übernachtung setzt das Biohotel nur halb so viel Kohlendioxid pro Übernachtung frei wie ein konventionelles Vier-Sterne-Hotel (2010) Zertifizierung eco hotel certified 2011 Gründung des regionalen Allgäuer Hotelnetzwerkes Energieeffizienz (2011) Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben. 30 Prozent Ersparnis bei den Energiekosten 2012 im Vergleich zu 2008 trotz Preisaufschlag für Biogas. Fair-Trade-Kooperationspartner der Stadt Füssen (2013) Deutschlandweit größte speichergestützte Photovoltaikanlage in der Hotellerie. Zweite Stromtankstelle. Elektroflotte fährt zu 100 Prozent mit eigenproduziertem Solarstrom (2014)

Hoteldaten: • • • • • •

Viersterne-Hotel – Biohotel, Wellness, Therapiezentrum Elektrosmogreduzierter Hotelbetrieb Südhanglage in Hopfen am See bei Füssen im Allgäu (Bayern) 100 Betten zwei Seminarräume für bis zu 25 Personen 55 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

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Brennstoffzelle

Galileo unter Beobachtung Strom und Wärme für kleine Gebäude Die Elektrizitätswerke Reutte nehmen seit 2011 an einem Feldversuch teil, der Brennstoffzellen der Hexis AG mit Namen »Galileo« im Praxisbetrieb testet. In der neuen Lechhalde in Füssen ist ebenfalls eine Brennstoffzelle vorgesehen. Die Möglichkeiten hierzu werden derzeit getestet.

as Besondere an der Galileo ist ihr Einsatzbereich. Sie wurde entwickelt, um Ein- und Zweifamilienhäuser mit Strom und Wärme zu versorgen. Die Elektrizitätswerke Reutte betreiben drei Galileo in privaten und öffentlichen Gebäuden. Rund um die Uhr werden Daten gesammelt und ausgewertet. Sämtliche zu- und abgehenden Medien werden gezählt und über Internet in die Zentralen weitergeleitet. Der Versuch ist auf drei Jahre ausgelegt. Der Häusle-Besitzer sieht in der Brennstoffzelle erst einmal einen Kasten, der aussieht wie eine größere Gefrierkombination, der aber Strom und Wärme erzeugt. Der Projektleiter der Elektrizitätswerke Reutte, Diplom-Ingenieur Martin Müller, blickt hinter die Kulissen. allgäuALTERNATIV hat ihn gebeten, einen fachlichen Einblick in die Brennstoffzelle, in die Funktion und in den derzeit laufenden Versuch zu geben: »Die Brennstoffzelle verwendet Erdgas (Methan) als Brennstoff, das zunächst in Wasserstoff und andere chemische Verbindungen gewandelt wird. Die Brennstoffzelle ist eine galvanische Zelle, ähnlich einer Batterie, die die chemische Reaktionsenergie eines kontinuierlich zugeführten Brennstoffes und eines Oxidationsmittels in elektrische Energie wandelt. Die Gewinnung von elektrischer Energie aus chemischen Energieträgern erfolgt zumeist durch Verbrennung

Foto und Grafiken: Hexis AG

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Galileo macht Ein- und Zweifamilienhäuser warm und erzeugt Strom

Technische Daten Brennstoff: Abmessungen: Gewicht: Platzbedarf: Mindestraumhöhe: Brennstoff: Elektrischer Anschluss: Brennstoffzelle Elektrische Leistung: Thermische Leistung: Elektrischer Wirkungsgrad: Gesamtwirkungsgrad: Brennstoffzellentyp: Brennstoffaufbereitung: Zusatzbrenner Thermische Leistung:

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Erdgas, Bio-Erdgas Breite x Tiefe x Höhe: 55 x 55 x 160 cm 170 kg, installiert 3 qm 2m Erdgas, Netzdruck 230 V AC, 50 Hz 1 kW (AC, netto) 2 kW 30-35% (AC, netto; bezogen auf »Unteren Heizwert«) 92% (bezogen auf »Unteren Heizwerk«) Hexis Festoxid-Brennstoffzelle (SOFC: Solid Oxide Fuel Cell) Katalytische Teiloxidation (CPO: Catalytic Partial Oxidation) 20 kW

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Das passiert im Inneren von Galileo

und Nutzung der entstehenden heißen Gase in einer Wärmekraftmaschine mit nachgeschaltetem Generator, wie in großen thermischen Kraftwerken. In diesen wird thermische Energie in mechanische Arbeit und anschließend in elektrische Energie umgewandelt. Eine Brennstoffzelle jedoch ist geeignet, die Umformung ohne die Umwandlung in mechanische Arbeit direkt von der chemischen in elektrische Energie zu erreichen. Damit ist sie potenziell effizienter als Wärmekraftmaschinen. Brennstoffzellen werden seit Langem als Energiewandler in der Raumfahrt (Apollo, Space Shuttle) und auch für U-Boot-Antriebe verwendet. Zentrales Bauteil der oxidkeramischen Brennstoffzelle (genannt: SOFC – Solid Oxide Fuel Cell) ist der gasdichte und bei Betriebstemperatur Sauerstoffionen leitende feste Elektrolyt. An ihn grenzen die beiden porösen Elektroden Anode und Kathode. Die Anode wird von Brenngas durchströmt, die Kathode von Luft. Das entstehende Sauerstoff-Konzentrationsgefälle zwischen den Elektroden treibt die Sauerstoffionen durch den Elektrolyt und erzeugt so eine elektrische Spannung. Wird der Stromkreis nun durch einen externen elektrischen Leiter geschlossen, fließen die Elektronen und können als elektrische Energie genutzt werden (Quelle: Hexis AG). In der Galileo ist zudem ein Zusatzbrenner eingebaut, der die restliche Wärme zur Versorgung eines Gebäudes liefert.«


Haushalt

EU-Label setzt Zeichen Küchengeräte können sparen helfen

Fotos: djd/Initiative EnergieEffizienz, dena

Bei der Anschaffung größerer Haushaltsgeräte ist der Blick auf das EU-Energieeffizienzlabel für mehr als jeden zweiten Bürger schon eine Selbstverständlichkeit: eine Entscheidungshilfe beim Kauf, die den Verbrauch von Modellen gleichen Gerätetyps transparent und vergleichbar macht.

Stromkostenersparnis dank höchster Energieeffizienz: Bei jahrelanger Nutzung summieren sich die Stromkosten. Die je nach Energieeffizienz großen Verbrauchsunterschiede sollten beim Kaufpreis einberechnet werden

Nicht nur bei der Anschaffung, sondern auch bei der Nutzung von Haushaltsgeräten lässt sich Strom sparen – zum Beispiel durch die Wahl der Eco-Programmfunktion an Spül- und Waschmaschine

Sichtbare Kaufhilfe an Kühl- und Gefriergeräten: Das EU-Energieeffizienzlabel zeigt auf einen Blick, wie gut oder schlecht die Haushaltshelfer beim Energieverbrauch abschneiden

ine aktuelle Umfrage der Initiative EnergieEffizienz der Deutschen Energie-Agentur (dena) brachte ein erfreuliches Ergebnis an den Tag. Vor allem ältere und ineffiziente Geräte belasten die Haushaltskasse. In nahezu jedem zweiten deutschen Haushalt sind mehrere Kühlschränke oder Kühl-Gefrier-Kombinationen vorhanden. Ein Drittel besitzt zwei Geräte dieses Typs, elf Prozent sogar drei. Die Sparpotenziale sind erheblich, wie die dena errechnet: Bis zu 41 Euro im Jahr spart eine Kühl-Gefrier-Kombination der besten Effizienzklasse A+++ gegenüber der Klasse A+. Bei einem intensiv genutzten Wäschetrockner spart man mit einem energieeffizienten Gerät sogar bis zu 113 Euro Stromkosten im Jahr. Auf dem blau-weißen EU-Label lässt sich der Verbrauch von Kühlschrank, Spülmaschine oder Wäschetrockner ablesen. Die Topgeräte-Datenbank der Initiative EnergieEffizienz unter www.topgeraete.de ermöglicht es Nutzern, besonders energieeffiziente Haushaltsgeräte miteinander zu vergleichen und die konkret in Euro angegebene Stromkostenersparnis abzulesen. So zeigt sich schnell, ob ein vermeintliches Schnäppchen über die Nutzungszeit hinweg nicht doch zum teuersten Gerät wird. (djd)

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Dämmen

Das Bauchgefühl entscheidet Kein Dämmstoff ist von Haus aus »schlecht« Sein Haus gut zu dämmen und damit den Heizenergieverbrauch zu senken, ist gut für den Klimaschutz und allein schon deshalb ökologisch sinnvoll. Wer sich zusätzlich für nachwachsende Dämmstoffe wie Zellulose, Holzweichfaser, Hanf oder Flachs entscheidet, setzt noch einen oben drauf – nicht nur, weil die Öko-Produkte bei ihrer Herstellung weniger Primärenergie benötigen. eder Dämmstoff hat seine Daseinsberechtigung.« Auf diese Feststellung legt Steffen Riedel vom Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!) großen Wert, wenn er über den Einsatz von Hanf, Zellulose oder Schafwolle und anderen ökologischen Dämmstoffen beim Hausbau spricht. Von der Verdammung von Polystyrol, gemeinhin als Styropor bekannt, hält der Leiter Fachthemen bei eza! nichts. Sämtliche Maßnahmen, die den Heizenergieverbrauch senken und den Wohnkomfort erhöhen würden, seien grundsätzlich erst einmal begrüßenswert, betont Riedel. So betrage selbst die energetische Amortisationszeit von Polystyrol, das bei energetischen Haussanierungen sehr häufig eingesetzt wird, nur etwas mehr als ein Jahr – trotz des vergleichsweise hohen Energiebedarfs bei der Herstellung. »Bei der Wahl des Dämmstoffes stellt sich vor allem die Frage, wo ich ihn einsetzen möchte, welche spezifischen Aufgaben er erfüllen soll«, stellt der eza!-Experte klar. Und

abgesehen von ihrem niedrigeren Primärenergiegehalt und der kürzeren Prozesskette können nachwachsende Dämmmaterialien gegenüber konventionellen Lösungen wie Polystyrol und Mineralwolle mit ihren bauphysikalischen Fähigkeiten durchaus punkten.

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Die Zellulose-Flocken werden in Kammern eingeblasen und verdichten sich dabei zu einer winddichten, setzungssicheren und fugenlosen Wärmehülle für das Gebäude

Warm und kalt unterm Dach Steffen Riedel nennt als Beispiel die Zwischensparrendämmung im Dachstuhl. Dort kommt es nämlich nicht nur darauf an, im Winter die Kälte draußen zu halten. Vor allem, wenn der Raum direkt unterm Dach bewohnt wird, ist der sommerliche Hitzeschutz mindestens genauso wichtig. »Hier kommen beispielsweise die spezifischen Eigenschaften der Zellulosefaser mit ihrer hervorragenden Wärmespeicherfähigkeit voll zum Tragen«, erklärt Riedel. Beim ZelluloseDämmstoff handelt es sich um wieder aufbereitetes und zerfasertes Zeitungspapier, das in Kammern (Gefache) eingeblasen wird. Zellulosefasern, für deren Herstellung wenig Energie verbraucht wird, speichern nicht nur Wärme, sondern sorgen für eine sehr hohe Winddichtheit. »Die Fasern gelangen dank der Einblastechnik in noch so kleine Ritzen«, nennt Riedel als weiteren Vorteil. Auch die guten Schallschutzeigenschaften und der vergleichsweise geringe Preis machen Zellulose zu einem vielseitig einsetzbaren Dämmstoff, fügt der unabhängige Fachmann hinzu.

Fotos: eza!

Öko ist nicht immer teurer

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Dennoch führen Zellulose und andere ÖkoDämmstoffe wie Holzweichfaser oder Holzwolle immer noch ein Nischendasein. Auch, wenn ökologische Dämmstoffe bei den Bauherren immer beliebter werden, beträgt der Marktanteil konventioneller Materialien wie Polystyrol oder Mineralwolle rund 90 Prozent – was laut Riedel auch am Preis liegt. Denn Flachs, Hanf oder Holzweichfaser sind teurer, was die reinen Materialkosten angeht. Zellulose ist der günstigste Öko-Dämmstoff und verglichen mit Mineralwolle, dem Marktführer bei den Dämmstoffen, in puncto Preis sogar konkurrenzfähig.


Hanf

Die flexible Holzweichfaser-Dämmung lässt sich einfach verarbeiten und bietet als Zwischensparrendämmung unter anderem einen hervorragenden sommerlichen Hitzeschutz

Neben praktischen und finanziellen Erwägungen darf nach Ansicht von Steffen Riedel die emotionale Komponente bei der Wahl des Dämmstoffs nicht unterschätzt werden – der Gedanke, dass Schafwolle, Hanf, recyceltes Zeitungspapier oder Holzfasern für Behaglichkeit in den eigenen vier Wänden sorgen, sei vielen Menschen angenehm. Und das sei nachvollziehbar und auch gut so, findet Steffen Riedel. Dennoch müsse darauf hingewiesen werden, dass selbst Dämmstoffen, die als ökologisch gelten, aus bauphysikalischen und bautechnischen Gründen mitunter künstliche Stoffe beigemischt werden, wenn auch nur in geringen Mengen – seien es Borax und Borsäure als Brandschutz- und Konservierungsmittel in den Zellulose-Flocken, Polyesterstützfasern in Hanfmatten oder Ammoniumsulfat in Holzweichfaserplatten. Anlass für ökologische oder gar gesundheitliche Bedenken bestünden deshalb keine, stellt Steffen Riedel allerdings fest. »Die Kunstfaser in der Hanfmatte ist ja an für sich nichts Böses.«

Die Entsorgung mit in Betracht ziehen Viel wichtiger sei es, so Riedel, das Gesamtsystem zu betrachten: Wird beispielsweise Holz – als Baustoff aus den heimischen Wäldern – für die Unter- und auch Hilfskonstruktion zum Einbringen des Dämmstoffs verwendet? Und weil alles vergänglich ist, spielt natürlich auch die Frage der Entsorgung nach einem späteren Abriss eine Rolle. Öko-Dämmstoffe sind in der Regel wieder verwendbar – aber auch Polystyrol kann recycelt werden, fügt Steffen Riedel hinzu. Am Ende, meint der eza!-Experte, geht es in erster Linie darum, mithilfe eines fachkundigen Planers den zu den jeweiligen Anforderungen passenden Dämmstoff zu finden. Die bauaufsichtliche Zulassung des Materials ist Grundvoraussetzung. »Darüber hinaus«, findet Steffen Riedel, »darf auch das Bauchgefühl mit darüber entscheiden, ob die Wahl auf einen ökologischen oder konventionellen Dämmstoff fällt.« Weitere Informationen zum Thema ökologische Dämmstoffe gibt es im Internet unter www.eza.eu

Die Hanfdämmung ist ein ökologisch hochwertiger Baustoff, der aus Fasern und Stroh der Hanfpflanzen gewonnen wird. Als Stütz- und Bindefasern werden Polyester oder Maisstärkestützfasern eingesetzt. Hanf wird als Gefachdämmung – zum Beispiel zwischen den Sparren eines Daches – verwendet. Hanfdämmstoffe verfügen über gute Dämmeigenschaften (Wärmeleitfähigkeit 0,040 bis 0,045 W/mK) und weisen eine offenporige Zellstruktur auf, die

Feuchtigkeit aufnimmt und beim Trocknungsprozess wieder absondert. Das sorgt für ein angenehmes und gesundes Wohnklima. Auch, wenn es sich bei der Hanfdämmung um ein natürliches Produkt handelt, zeigt das Material keine erhöhte Tendenz zur Verrottung. Der Baustoff gilt als außerordentlich staubarm und hautverträglich und ist damit gut zu verarbeiten. Hanfdämmung wird in Form von Klemmfilzen, als Rollenware oder auch als loses Material angeboten.

Holzweichfaserplatte Zur Herstellung von Holzweichfaserplatten werden Nadelholzabfälle zunächst zerhackt und zerstückelt. Anschließend weicht man die Fasern auf und stellt unter Beimischen von Wasser und Bindemitteln – meist in Form holzeigener Inhaltsstoffe (zum Beispiel Lignin) – einen Faserbrei her. Dieser wird gepresst, getrocknet und zu Platten geschnitten. Die Behandlung zum vorbeugenden Brandschutz sowie gegen Schädlinge erfolgt mit Ammoniumsulfat oder Borsalz. Die Einsatzgebiete der Holzweichfaserplatte (Wärmeleitfähigkeit 0,045 bis 0,055 W/mK) liegen in der Boden-, Wand-, Dach- und Deckendämmung, als diffusionsoffene Unterdachkonstruktionen

und als Trittschalldämmung. Bei der Holzweichfaserplatte handelt es sich damit um einen vielseitig verwendbaren Baustoff, der diffusionsoffen ist, klimaregulierend wirkt und einen guten Schutz gegen sommerliche Hitze bietet.

Zellulose-Flocken Bei Zellulose handelt es sich in der Regel um wieder aufbereitetes, zerfasertes Zeitungspapier, das als ungelesenes Zeitungspapier von Kiosken stammt und in großen Mengen vorhanden ist. Für Bauherren, die sich den Dämmstoff aus Papier ohne Druckerschwärze wünschen, wird auch Zellulose aus nicht bedrucktem, nicht recyceltem Material angeboten. Das Papier wird mechanisch zu Flocken zerkleinert und insbesondere durch stark verdichtetes Einblasen zwischen Schalungskörper, zwischen Dachsparren oder in die Außenwand eingebracht. Der Dämmstoff (Wärmeleitfähigkeit 0,040 bis 0,045 W/mK) verfügt über eine sehr hohe Lebensdauer sowie

einen guten sommerlichen Wärme- und Schallschutz. Die Zellulose-Dämmung wirkt zudem luftfeuchteausgleichend. Zum Brandschutz und zur Konservierung werden den Zellulose-Flocken Borax und Borsäure zugesetzt.

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Wasserstoff

Tank-Supermarkt fürs Allgäu Eine neue Firma setzt auf Wasserstoff Die Fuel-Cell-Solution Allgäu (FCS) ist eine in der Gründungsphase befindliche Firma mit dem Ziel, ein Netzwerk zu spinnen, um eine Kombitankstelle für Wasserstoff, Erdgas und Strom zum Betanken von Fahrzeugen aller Art zu installieren. Vorhandene fossile Produkte wie Diesel und Benzin müssen zum Start natürlich dabei sein. CS Allgäu will, dass das Allgäu mit seinem hohen Tourismus-Anteil und seinen vielen Luftkurorten den Anschluss an ein bevorstehendes Zeitalter mit abgasfreien Fahrzeugen nicht verpasst. Das fordert vor allem Martin Osterried aus Pfronten. Er hat die spektakuläre Radtour an einem Tag von Pfronten an den Gardasee mit seinem S-Bike unternommen. Er verwendete dabei die WasserstoffTechnologie und eine Brennstoffzelle, um seinen Bike-Akku immer wieder zu laden (Bericht in allgäuALTERNATIV 2/2014). Er und seine Firmen-Partner meinen: »WasserstoffTankstellen sind die Voraussetzung für ein klimasauberes Allgäu. Deshalb sprechen wir Omnibusbetriebe an, die in der Lage wären, sich eine Wasserstoff-Option in ihrem Fuhrpark vorzustellen, ohne dass sofort eine hohe Rendite in Geld, aber eine sehr hohe Rendite in Umwelt dabei herauskommt.« Busse, die ständig in Betrieb sind und auch gewisse TreibstoffMengen benötigen, bieten gute Vorraussetzungen für einen kostendeckenden Betrieb einer Wasserstoff-Tankstelle. Die Fuel-Cell-Fahrzeuge kommen von selber, davon sind die Gründer von FSC überzeugt. Genauso überzeugt sind sie davon, dass die Kraftstoff-Preise sinken werden. Immerhin sind bereits serienreife Fahrzeuge von sieben Fahrzeugherstellern verfügbar. Daimler, Toyota, Honda, Ford, VW, GM, Opel und

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Mercedes-Benz Citaro FuelCELLHybrid beim Tanken von Wasserstoff an der OVM-Tankstelle am Stuttgarter Flughafen. Auf eine ähnliche Anlage hofft Fuel Cell Solution (FCS) auch in der Ferienregion Allgäu

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Hyundai haben diese schon entwickelt oder sind demnächst so weit. Aus der Daimler-Zentrale ist zu hören: »Bis nächstes Jahr wird es in Deutschland ein Versorgungsnetz mit mindestens 50 öffentlichen Tankstellen geben.« Mit einem Gesamtvolumen von über 40 Millionen Euro bauen Bund und Industrie im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP) das bestehende Netz aus. Damit erfolgt eine marktrelevante Erprobung innovativer Tankstellentechnologie, und es wird eine bedarfsgerechte Versorgung der bis dahin avisierten 5000 Brennstoffzellenfahrzeuge in Deutschland sichergestellt. Im Fokus des Aufbauplans stehen Metropolregionen und die Schaffung von Korridoren zur Verbindung der Metropolregionen. Unterzeichnet wurde die Absichtserklärung 2012 vom damaligen Minister Peter Ramsauer sowie von Vertretern der Unternehmen Air Liquide, Air Products, Daimler, Linde und Total Deutschland. Die bundeseigene Nationale Organisation Wasserstoffund Brennstoffzellentechnologie GmbH (NOW) wird den Bau der Tankstellen koordinieren.


Wasserstoff-Fahrzeuge sind bereits serienreif (hier von Hyundai) und werden auch gebaut – ohne ausreichende Betankungsmöglichkeiten können sie aber nicht im Alltag betrieben werden

Fotos: Jens Grohmann, Hyundai

Kurzinfo

Fuel-Cell-Solution Allgäu bedauert, dass im Allgäu keine Wasserstoff-Tankstelle geplant ist. »Ein Tankstellenbau südlich von Ulm bis zur Landesgrenze an der A7 sollte in die Gesamtplanung D mit einbezogen werden. Die A7 ist die wichtigste und längste Nord-Süd-Achse. Die nächste H2-Tankstelle ist zurzeit Bozen-Süd.« In Innsbruck laufen derzeit Planungen für eine Wasserstoff-Tankstelle.

Wie wird Wasserstoff erzeugt? Wasser (H2O) wird unter Verwendung einer Brennstoffzelle (Fuel Cell) mithilfe von Gleichstrom in Wasserstoff (H wie Hydrogen) und Sauerstoff (O wie Oxygen) geteilt. Die Poren der Membran in der Fuel Cell lassen die Wasserstoff-Moleküle passieren, nicht aber die Sauerstoff-Moleküle. So wird das Wasser H2O in H2 und O aufgespalten. Diesen Vorgang nennt man Elektrolyse. Die Anlage wird als Elektrolyseur bezeichnet. Was wird benötigt, um Wasserstoff zu erzeugen? 1. Destilliertes Wasser (um Korrosion an der Membran zu verhindern). 2. Strom (am besten natürlich aus regenerativen Stromquellen wie Photovoltaik, Wind oder Wasser-Energie). Wasserstoff kann als

Langzeitspeicher dienen, somit ist eine jahreszeitliche Unabhängigkeit der Produktion gegeben. 3. Mehrere Brennstoffzellen, die zu einem Stack verbunden sind, dienen als Elektrolyseur. Die Brennstoffzelle Die Zelle arbeitet wie ein Akku. Sie erzeugt Gleichstrom, der an Anode und Kathode anliegt. Sie funktioniert als Wasserstoff-Sauerstoff-Erzeuger. Die Brennstoffzelle (engl. Fuel Cell) oder FC ist ein Twitter: Sie wird zur Elektrolyse herangezogen, um aus Wasser und Strom Wasserstoff und Sauerstoff zu erzeugen, aber in Umkehr funktion auch als Akku, der aus Wasserstoff und Sauerstoff wieder elektrischen Strom erzeugt. Eine Zelle gibt von 0,6 Volt bis 1,6 Volt ab. Mehrere Zellen in Reihe geschaltet ergeben einen Stack und somit eine höhere Spannung.

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Bauen + Sanieren

Ein Netzwerk für Qualität Mit eza!-partnern in guten Händen Wer für seinen energieeffizienten Bau oder seine Sanierung qualifizierte Handwerker oder Architekten sucht, der wird im eza!-partner-Netzwerk fündig. Über 130 Betriebe aus dem ganzen Allgäu und darüber hinaus haben sich darin zusammengeschlossen.

as Besondere am Partner-Netzwerk: Alle Beteiligten haben sich zu einem Energiekodex, zu Qualitätssicherung und zu Weiterbildung verpflichtet. Die Qualitätssicherung stellt sicher, dass die eza!-partner regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen

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und jährlich Referenzprojekte einreichen. Zudem werden sie über eza! von ihren Kunden bewertet. Mitglieder, die die Qualitätsvorgaben nicht mehr erfüllen, müssen ausscheiden. So können Bauherren und Sanierungswillige sicher sein, dass ihre Projekte in guten Händen sind. w

Für die Komplettsanierung eines Altbaus braucht der Bauherr erfahrene Fachleute an seiner Seite, von der Planung bis zur Umsetzung – Fachleute, wie sie im eza!partner-Netzwerk zu finden sind

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Netzwerk-Partner im Überblick

4. Zentralverband Deutscher Schornsteinfeger e.V. Der ZDS ist der Zusammenschluss der Schornsteinfegergesellen/Innen und unselbstständigen Schornsteinfegermeister/Innen in Deutschland.

1. eza!-partner Mit den eza!-partnern steht ein kompetentes Netzwerk für alle Dienstleistungen im Bau- und Energiebereich zur Verfügung. Das Besondere: eza!-partner verpflichten sich zu ständiger Qualitätssicherung und Weiterbildung.

5. GIH Bundesverband Gebäudeenergieberater, Ingenieure, Handwerker Der GIH Gebäudeenergieberater, Ingenieure, Handwerker e.V. Baden-Württemberg ist der größte Fachverband für die Gebäudeenergieberater in Baden-Württemberg.

2. Effizienzhaus-Experten Effizienzhaus-Experten der dena sind besonders qualifizier te Fachleute: Zusätzlich zu einer baunahen Ausbildung haben diese Experten noch eine Fortbildung im Bereich energetisches Bauen und Sanieren absolviert. In einer Exper tendatenbank listet die dena die EffizienzhausExperten auf.

6. EnergiesparNetzwerk In ganz Deutschland sind Architekten, Energieberater, Handwerker, Experten und Fachhändler unter dem Dach der Energiesparnetzwerk GmbH vereint.

3. Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks Der Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks ist die Dachorganisation des Schornsteinfegerhandwerks in Deutschland.

7. Deutsches Energieberater-Netzwerk e.V. (DEN) Das Deutsche Energieberaternetzwerk (DEN) e.V. ist ein Zusammenschluss von Ingenieuren, Architekten und Technikern, die im Bereich energieeffizientes Bauen und Modernisieren tätig sind.

Info: eza!-partner können leicht gefunden und erkannt werden: •am Logo eza!-partner, das nur die eza!-partner führen dürfen •über die gedruckte eza!partnerliste, die in allen Energieberatungsstellen von eza! ausliegt •im Internet unter www.eza-partner.de

Fotos: eza!

Oben: Im eza!-partner-Netzwerk sind sämtliche Branchen aus dem Baubereich vertreten: von A wie Architekt bis Z wie Zimmerer Unten: Qualitätsarbeit, die sich auch in Zahlen ausdrückt: Im vergangenen Jahr gaben die eza!-partner-Kunden den beauftragten Firmen die Durchschnittsnote 1,28

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Bauen + Sanieren Im Netzwerk sind alle Branchen aus dem Baubereich vertreten: Heizungsbauer, Zimmerer, Architekten, Ingenieure, Planer, Baufirmen und Fensterbauer. Sie alle dürfen das eza!-partner-Logo verwenden – so ist für die Kunden auf einen Blick ersichtlich, dass es sich um qualitätsgeprüfte Firmen handelt. Gegründet wurde das Expertennetzwerk vor zwölf Jahren, im Herbst 2002, mit dem Ziel, den Allgäuern kompetente Fachleute für sämtliche Bereiche des energieeffizienten Bauens und Sanierens zur Verfügung zu stellen. Der Erfolg stellte sich bald ein: Viele hochwertige Sanierungen und Neubauten sind zum Aushängeschild für das Allgäu geworden, und Hausbesitzer finden hier problemlos qualifizierte Partner.

Und auch überregional hat das eza!-partner-Netzwerk Bedeutung: Als es 2002 ins Leben gerufen wurde, hatte es Vorbildcharakter und diente als Erfahrungsgrundlage für weitere Netzwerke dieser Art. So wurden zum Beispiel mit einem Coaching durch eza! ähnliche Netzwerke in anderen Regionen wie Bremen, Hannover oder Hildesheim gestartet. Und auch bundesweit ist die Bedeutung der Qualitätssicherung erkannt worden: Die Bundesregierung und die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) haben eine Expertendatenbank für Bundesförderprogramme bei der Deutschen Energieagentur (dena) eingeführt. Über 60 eza!-partner erfüllen derzeit auch die hohen Anforderungen für eine Mitgliedschaft in dieser bundesweiten Expertendatenbank.

Begriffserklärungen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW): Ehemals KfWBankengruppe, ist die größte nationale Förderbank der Welt. Nach der Bilanzsumme eingeordnet, ist sie die drittgrößte Bank Deutschlands nach der Deutschen Bank und der Commerzbank. Die Gründung der KfW erfolgte auf der Grundlage des »KfW-Gesetzes« als eine Anstalt des öffentlichen Rechts Ende des Jahres 1948. Die Rechtsaufsicht hat das Bundesministerium der Finanzen. Das Kapital der KfW wird zu vier Fünfteln von der Bundesrepublik Deutschland und zu einem Fünftel von den Bundesländern gehalten.

Rechts: Bauherren, die auf eza!-partner-Firmen setzen, sind in guten Händen Unten: Die Mitarbeiter der eza!-Partnerfirmen sind dank regelmäßiger Schulungen immer auf dem neuesten Stand der Technik

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Die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena): Die Agentur ist ein deutsches Unternehmen. Sie firmiert als »Kompetenzzentrum für Energieeffizienz, Erneuerbare Energien und intelligente Energiesysteme«. Die dena wurde im Herbst 2000 gegründet und ist als eigenständiges Unternehmen parteipolitisch unabhängig. Die Gesellschafter der dena GmbH sind die Bundesrepublik Deutschland (50 %), die KfW-Bankengruppe (26 %), die Allianz SE (8 %), die Deutsche Bank AG (8 %) und die DZ Bank AG (8 %).


Energie

Heizkraftwerk für die Schule Reduzierte Energiekosten – weniger CO2

Fotos: enerquinn

Die dezentrale Erzeugung von Strom und Wärme ist einer der dominierenden Trends in Sachen Energieversorgung. Auch die Grundschule Rettenberg im Oberallgäu mit ihrem angegliederten Freibad nutzt seit 2013 diese Möglichkeit.

Versorgt die Schule in Rettenberg mit Strom und Wärme: das neue Blockheizkraftwerk

ewerbliche und öffentliche Einrichtungen können dauerhaft von einer deutlich höheren Energieeffizienz profitieren und so die Betriebskosten erheblich senken. Gleichzeitig wird der CO2-Ausstoß reduziert. Als Herzstück der neuen unabhängigen Energieversorgung in Rettenberg lieferte die enerquinn Energiesystemtechnik GmbH aus dem oberschwäbischen Weingarten das passende Blockheizkraftwerk. Unterstützt wurde das Unternehmen hierbei vom Planungsbüro Peter Fixmer aus Wiggensbach sowie vom Rettenberger Installationsbetrieb Alexander Schafheutle. »Die besondere Herausforderung bestand bei diesem Projekt darin, das Blockheizkraftwerk (BHKW) in die bestehende Heizungsanlage zu integrieren«, so Peter Lechleiter von enerquinn. »Aber Flexibilität ist unsere große Stärke. Daher waren Planung und Installation bereits nach sechs Monaten abgeschlossen.« Die Experten von enerquinn hatten zuvor bereits acht andere Schulen in der Region in nahezu allen Größenklassen mit ihren kosten- und emissionsreduzierenden Energieversorgungssystemen ausgestattet.

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Die Grundschule im Oberallgäuer Rettenberg hat nun auch eine dezentrale Heiz- und Stromversorgung

Technische Daten BHKW-Typ: EC Power XRGI 15 G-To 15 kW elektrische Leistung 30 kW thermische Leistung In Betrieb seit 13.09.2012 Pro Jahr 5500 Betriebsstunden 82.000 kWh Strom, 160.000 kWh Wärme

Info enerquinn Die enerquinn Energiesystemtechnik GmbH im oberschwäbischen Weingarten gehört zu den führenden Experten für die Full-Service-Planung und -Umsetzung von Blockheizkraftwerken sowie Photovoltaik-Stromspeicherlösungen. Die herausragende Kompetenz des Ingenieurbüros besteht in der Planung hocheffizienter Lösungen für die bedarfsgerechte Versorgung mit Wärme und Strom. Vorwiegend im süddeutschen Raum wurden bereits mehrere Hundert Anlagen installiert. Zu den Kunden von enerquinn zählen in erster Linie Hotelbetreiber, aber auch Unternehmen

und Einrichtungen aus anderen Branchen. enerquinn ist Kooperationspartner von Planern und Architekten sowie Fachbetrieben aus den Bereichen Installation, Bau und Handwerk. Homepage: www.enerquinn.de; E-Mail: info@enerquinn.de Schafheutle Seit 75 Jahren und inzwischen drei Generationen sorgt Schafheutle mit Betrieben in Rettenberg und Immenstadt für Innovation in der Heizungs- und Sanitärbranche im Oberallgäu. Die Stichworte sind: Heizung, Solar, Sanitär und Wellness. Die zwei Firmen haben heute 14 Mitarbeiter. www.schafheutle.com; E-Mail: mail@schafheutle.com

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Meldungen

Foto: AÜW

Moderator Ranga Yogeshwar (l.) überreicht bei der Preisverleihung in Essen Stefan Nitschke vom Allgäuer Überlandwerk die begehrte Auszeichnung »Top 100«

AÜW gehört zu den großen Hundert Seit über 20 Jahren steht das »Top 100«-Siegel für Innovationskraft, Wissensdurst und Teamgeist im deutschen Mittelstand. Im Sommer erhielt das Allgäuer Überlandwerk die begehrte Auszeichnung. Seit über 90 Jahren versorgt die Allgäuer Überlandwerk GmbH (AÜW) das Allgäu mit Strom. Doch längst ist der Energiedienstleister auch in anderen Geschäftsbereichen tätig und schafft es als Top-Innovator zum zweiten Mal unter Deutschlands innovativste Unternehmen.

Kurzinfo Allgäuer Überlandwerk GmbH Stefan Nitschke Illerstraße 18 87435 Kempten (Allgäu) Tel. 0831/2521-405 www.auew.de

Im Jahr 2011 wurde im AÜW die die Abteilung Produktinnovationen gegründet. Sie fördert Ideen und sichert damit das Ziel einer sicheren Energiezukunft durch erneuerbare Energien im Allgäu. »Im Netzgebiet beträgt der Anteil an regenerativer Energieerzeugung aktuell rund 34 Prozent der benötigten Energiemenge. Damit haben wir bereits heute das Ziel der Bundesregierung für 2020 erreicht«, freut sich Geschäftsführer Michael Lucke.

Dem Sprung in die »Top 100« geht ein anspruchsvolles Auswahlverfahren voraus. Der Innovationsforscher Prof. Dr. Nikolaus Franke und sein Team vom Institut für Entrepreneurship und Innovation der Wirtschaftsuniversität Wien haben die Bewerbungen von 247 Unternehmen geprüft. 148 von ihnen erhalten in drei Größenklassen die Auszeichnung als Top-Innovator. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen das Innovationsmanagement und der Innovationserfolg. ve

Allgäuer Energietag war ein voller Erfolg

Foto: eza!

Er war der Treffpunkt schlechthin für alle am Thema Energie Interessierten: der Allgäuer Energietag von

Rainer Moll (r.) erklärt Marlene Preißinger und Thomas Gehring (MdL Die Grünen) am Modell mit Wein, wie der hydraulische Abgleich bei Heizungsanlagen funktioniert

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eza! Über 100 Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft informierten sich bei der Sommerveranstaltung über die Möglichkeiten des sparsamen Umgangs mit Energie. Charlotte Wallin von der Fachhochschule Kempten zeigte anhand des Mobilitätscoachings für die Stadt Kempten auf, wie Elektroautos im städtischen Fuhrpark wirtschaftlich eingesetzt werden können. Anschließend stellten drei Allgäuer Mächler ihre Projekte vor – Projekte, die für das Engagement vieler Menschen für die Energiezukunft im Allgäu stehen. Zum Beispiel die Nahwärme Rammingen mit Ludwig Reiber als treibende Kraft einer privaten Initiative, die den Beteiligten klimaneutrale und günstige Heizenergie aus einer nahegelegenen Biogasanlage liefert. Manfred Guggenmoos, der Prototyp des Allgäuer Mächlers, arbeitet derzeit an seiner neuesten Idee: das

Auto als Kraftwerk, das Energie liefert. Martin Osterried hat sich mit dem Energieträger der Zukunft beschäftigt und setzt in einem Anhänger eine Wasserstoffzelle als Ladegerät für sein E-Bike ein. Welche Einsparpotenziale in kommunalen Liegenschaften schlummern, zeigte Rainer Moll auf. Es sei immer wieder verblüffend, so Moll, der seit elf Jahren für eza! unterwegs ist, mit welch einfachen Mitteln sich die Strom- und Heizungskosten in Schulen oder Rathäusern senken lassen. Marlene Preißinger, Bürgermeisterin von Unteregg, konnte das nur bestätigen. Ihre Gemeinde nahm am EnergiecoachingPilotprojekt teil. Ziel war es, Kommunen mit Unterstützung von Experten zu mehr Energie- und Kosteneffizienz zu führen. »Wir sind dabei auf Dinge gestoßen, auf die wir alleine sicher nicht gekommen wären«, so Preißinger.


Meldungen Bürgergesellschaft in neuem Gewand Seit November 2001 steht das Internetportal Wegweiser Bürgergesellschaft im Netz. Die Informationsplattform hat sich dabei in den vergangenen Jahren mit hohen Zugriffszahlen als elektronisches Leit-

medium zu Fragen der bundesdeutschen Bürgergesellschaft etabliert. Mit neuer Struktur und überarbeiteten Inhalten wurde die Webseite nun neu gestaltet. Die inhaltliche Ausrichtung des Portals bleibt dabei

unverändert. Engagierte Bürger/innen können sich über das Themenfeld informieren sowie eigenes Wissen bereitstellen. Die neue Website steht online unter www.wegweiserbuergergesellschaft.de bereit.

In der Unterallgäuer Gemeinde Pleß ist der Spatenstich für eine örtliche Nahwärmeversorgung erfolgt. Nach Angaben der Nahwärmeversorgung Pleß eG sollen nach der Fertigstellung 825 Tonnen Kohlenstoffdioxid beziehungsweise 255.000 Liter Heizöl eingespart werden. Das Wärmenetz ist circa 8,9 Kilometer lang, die Leistung des Blockheizkraftwerks beträgt etwa 810 Kilowatt. 123 Haushalte sind bislang an die Energieversorgung angeschlossen. Die Wärmeenergie für die Beheizung der Haushalte liefern die Bioenergie Munding GbR sowie die Stölzle Bioenergie GbR aus Pleß. Mit der Gründung einer Bürgergenossenschaft hatten die Gemeinde, die Katholische Kirchenstiftung sowie Unternehmer aus dem Dorf das Großprojekt vor gut zwei Jahren auf den Weg gebracht. Der langjährige bayerische Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Josef Miller, bezeich-

Foto: privat

»Beispielhaftes Projekt und großer Beitrag zur Energiewende«

V.r.n.l.: Carl Munding (Bioenergie Munding GbR), CSU-Landtagsageordneter Klaus Holetschek, Max Wild (ARGE Müller/Wild), George Valiyamangalam (Ortspfarrer), Georg Stölzle (Stölzle Bioenergie GbR), Anton Keller (Bürgermeister), Josef Miller (Staatsminister a.D.), Thomas Knecht (Planungsbüro Knecht Ingenieure), Matthias Bechter (stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Nahwärmeversorgung Pleß eG), Ludwig Sauerwein (Vorstand der Nahwärmeversorgung Pleß eG), Manfred Deuring (Aufsichtsratsvorsitzender der Nahwärmeversorgung Pleß eG), Hubert Stölzle (Stölzle Bioenergie GbR) und Peter Lessmann (Bürgermeister a. D.)

nete das vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bezuschusste Projekt als »beispielhaft«: Die Nahwärmeversorgung leiste ei-

nen Beitrag zur Energiewende und ermögliche die sinnvolle Nutzung der Wärme von zwei Biogasanlagen. Anzeigen

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Meldungen Straßenbeleuchtung begleitet Radler Gedimmte Lampen, die nur beim Vorbeigehen und -fahren hell leuchten, helfen Kommunen künftig, Strom zu sparen. Kaum genutzte Wege auf dem Land nachts durchweg zu beleuchten, beschert hohen Energieverbrauch und hohe Kosten. Das Dauerlicht kann Anwohner zudem um ihren Nachtschlaf bringen. Der Energieversor-

ger Lechwerke hat zusammen mit Leipziger Leuchten in Pilotprojekten in den bayerischen Orten Königsbrunn und Friedberg an einem Rad- und Fußweg LED-Systeme installiert. Ein Sensor registriert herannahende Personen, schaltet die gedimmte Leuchte heller und gibt das Signal an die nächste Lampe weiter. Nach einer pro-

grammierten Zeit verdunkeln sich die Laternen wieder. Ergebnis: sichere Wege im ländlichen Raum bei bis zu 70 Prozent weniger Stromverbrauch. Diese Idee und die Ausführung brachte den Lechwerken und den örtlichen Partnern eine Auszeichnung im Wettbewerb »100 ausgezeichnete Orte 2014/15« ein.

Duschen mit Eisbär Prof. Dr. Thorsten Staake Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik Tel. 0951/8632077 E-Mail: thorsten.staake@unibamberg.de www.uni-bamberg.de

Eine besondere Duschverbrauchsanzeige zum Energiesparen hat der Bamberger Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Thorsten Staake entwickelt. »Amphiro a1« misst während des Duschens, wie viel Energie in Form von Warmwasser verbraucht wird. Während des Duschens zeigt das intelligente Gerät den Verbrauch seit Duschbeginn in Litern an, nach dem Duschen abwechselnd den Energieverbrauch in Kilowattstunden und die Wassermenge in Litern. Das Display ist mit einer Animation gestaltet: Ein Eisbär steht auf einer Eisscholle, die

mit steigendem Energieverbrauch schmilzt. In einer zweimonatigen Studie testeten rund 700 Haushalte das Gerät. Die Duschdauer pro Person verkürzte sich daraufhin dank der Anzeige um rund 22 Prozent. Durchschnittlich könnte man so pro Haushalt 8500 Liter Wasser und umgerechnet 79 Euro pro Jahr einsparen. Das Gerät ist mittlerweile bei Amazon erhältlich.

Foto: Universität Bamberg

Kurzinfo

Das kleine Messgerät wird am Schlauch der Handbrause angebracht. Wie ein kleines Kraftwerk gewinnt es seine Energie aus dem Wasserfluss mittels einer speziellen Turbine

Landkreis Ostallgäu gewinnt Solar-Bundesliga

Foto: Solarbundesliga/Lars Schulz

Der Landkreis Ostallgäu hat die deutschlandweite Solar-Bundesliga gewonnen. Die von der Fachzeitschrift »Solarthemen« ins Leben gerufene Solar-Bundesliga bewertet

die Dichte an Solaranlagen in einer Kommune. Mit 2825 Punkten führt Ostallgäu die Tabelle der Landkreise mit Vorsprung an und sicherte sich den Titel. Insgesamt beteiligten sich an der Solar-Bundesliga rund 2400 Kommunen aus ganz Deutschland. Einen großen Anteil am Erfolg des Landkreises haben die Ostallgäuer Gemeinden Görisried, Rettenbach und Pfronten. Görisried sicherte sich in der Gesamtwertung der Klimaschutzbeauftragter Johannes Fischer (l.) erhält die Auszeichnung von Andreas Witt, Herausgeber der Zeitschrift Solarthemen

Größenkategorie »Gemeinden« den Deutschen Vizemeistertitel. Pfronten wurde in der Wertung »Solarwärme« in der Größenkategorie »Kleinstädte« ebenfalls Deutscher Vizemeister. Und Rettenbach am Auerberg belegte den hervorragenden dritten Platz in der Gesamtwertung der Kategorie »Kleingemeinden« sowie den vierten Rang in der Wertung »Solarwärme« bei den Kleingemeinden. Diese Ergebnisse seien Erfolg und Verpflichtung zugleich, betont Landrätin Maria Rita Zinnecker: Das Ostallgäu wolle die Energiewende und treibe sie voran.


Besondere Bauprojekte von Architekten/Innenarchitekten und Handwerkern stehen im Mittelpunkt der Sonderschau »Geplant und Ausgeführt« auf der Internationalen Handwerksmesse in München. Insgesamt 30 werden dort vorgestellt, die besten werden mit Preisen geehrt. Unter den Gewinnern 2014 war die Spenglerei Höller + Wanner aus Wiggensbach, die mit der Holzhauswerkstatt Riedle & Bader Holzbau aus Baisweil, der Oskar Hoffmann Bau- und Möbelschreinerei aus Oy und f64 Architekten aus Kempten geehrt wurde. »Ein Qua-

litätsbeweis für unsere Arbeit«, freut sich Michael Wanner. Für die kommende Sonderschau »Geplant und Ausgeführt« auf der Internationalen Handwerksmesse vom 11. bis 17. März 2015 können sich ab sofort Architekten, Innenarchitekten und Handwerksbetriebe gemeinsam bewerben. Voraussetzung ist ein gemeinsam umgesetztes und bereits vollendetes Bauvorhaben. Zum Wettbewerb zugelassen sind Projekte, die nicht älter sind als drei Jahre. Einsendeschluss für Bewerbungen ist der 15. Januar 2015.

Foto: Rainer Retzlaff

»Qualitätsbeweis für unsere Arbeit«

Gewinner des zweiten Preises im Wettbewerb »Geplant und Ausgeführt 2014«: der Neubau einer Aussegnungshalle und Gemeindehaus der Kirche St. Afra in Theinselberg bei Ottobeuren

Kurzinfo Informationen zum Preis und Ausschreibungsunterlagen: Wengmann + Rattan Tel. 08976/773828 E-Mail: IHM-Preis@wengmann-rattan.de www.ihm.de

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Meldungen Neuer Name für die Mittelstandsinitiative Energiewende ist Programm Kurzinfo Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz Tel. 0800/9342375 E-Mail: service@mittelstandenergiewende.de www.mittelstandenergiewende.de

Die als Gemeinschaftsprojekt von Bundeswirtschaftsministerium, Bundesumweltministerium, DIHK und ZDH getragene Mittelstandsinitiative Energiewende firmiert ab heute unter dem neuen Namen »Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz«. Die

Initiative soll den deutschen Mittelstand bei der Energiewende unterstützen. Industrie, Gewerbe, Handwerk, Handel und Dienstleistung haben mit etwa 24 Prozent einen nennenswerten Anteil an den Treibhausgasemissionen in Deutschland. Die Initiative hilft

kleinen und mittleren Unternehmen dabei, ihre Energieeffizienz zu erhöhen und so ihre Treibhausgasemissionen zu verringern. Mit Dialog, Informationen und Qualifizierungen bietet sie konkrete Hilfestellung und vermittelt Ansprechpartner vor Ort.

Besucher und Aussteller sind mit Mindelheim zufrieden

Foto: eza!

Rede und Antwort standen Baufachleute aus den unterschiedlichsten Bereichen den Besuchern der Messe und Infoveranstaltung »Bauen und Sanieren im Allgäu«

Zufrieden zeigten sich die 47 Aussteller nach der Premiere der neuen Messe »Bauen und Sanieren im Allgäu«. Zwar hatte das Traumwetter am vergangenen Wochenende den erhofften Besucherandrang verhindert. Aber diejenigen, die den Weg

ins FORUM Mindelheim fanden, waren äußerst interessiert und gut vorinformiert, lautete nach Auskunft von eza!-Geschäftsführer Martin Sambale das einhellige Fazit der Aussteller, die aus sämtlichen Bereichen der Baubranche kamen.

Internationale Bodenseekonferenz lobt Nachhaltigkeitspreis Für den ersten IBK-Nachhaltigkeitspreis haben die Mitgliedsländer und -kantone der IBK siebzehn Projekte nominiert. Diese stehen beispielhaft für das Potenzial des Bodenseeraums als Modellregion für nachhaltige Entwicklung. Eine international besetzte Jury entscheidet darüber, welche Projekte den Preis erhalten. Die Verleihung findet im Rahmen der IBKRegierungschefkonferenz am 12. Dezember in Appenzell statt. Mit ihrem Nachhaltigkeitspreis möchte die IBK Projekte, die einen Beitrag zum Bodenseeraum als Modellregion für nachhaltige Entwicklung leisten, unterstützen und ins öffentliche Bewusstsein rücken. Preiswürdig sind Initiativen, die im Sinne des Leitbilds der IBK für den Bodenseeraum ganzheitliche und langfristige Lösungen schaffen. Die Projekte 34

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sollen einen eindeutigen Querschnittcharakter zwischen den Nachhaltigkeitsdimensionen Wirtschaft, Umwelt und Soziales aufweisen, zwischen Generationen, gesellschaftlichen Gruppen und Regionen ausgleichen und Partizipation und Vernetzung von Beteiligten und Betroffenen fördern. Daneben sollen die Aktivitäten der Preisträger erlebbare und längerfristige Wirkungen anstreben, innovative und kreative Ansätze sowie Modellcharakter aufweisen und möglichst übertragbar sein. Aus dem deutschen Bodenseeraum sind zwei Nominierungen erfolgt: Das sind die Ehrenamtlichen Sprach-und Kulturmittler im Landkreis Konstanz: (www.lrakn.de) und die Energieeffizienz in Sportvereinen »Packen wir es an und schalten auf Sparflamme!« (www.energieagentur-ravensburg.de).

Bereits im Jahr 2000 hatte die IBK das grenzüberschreitende Nachhaltigkeitsprojekt und -netzwerk Bodensee Agenda 21 gestartet. Seitdem wurden viele Nachhaltigkeitsaktivitäten durchgeführt, angeregt und gefördert. Der Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung ist auch im IBK-Leitbild und dem zugehörigen Maßnahmenkatalog verankert. In ihrer Konferenz vom Dezember 2013 in München beschlossen die IBK-Regierungschefs, im Jahr 2014 den ersten IBK-Nachhaltigkeitspreis zu verleihen. Eine international besetzte Jury wählt die Preisträger aus. Insgesamt stehen 18.000 Euro an Preisgeldern zur Verfügung. Weitere Informationen unter http://bodenseekonferenz.org/nachhaltigkeitspreis


Foto: Stefanie Vögele/Landratsamt Unterallgäu

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Markus Weißenberger (r.) vom LEW-Team übergab das Auto an die Unterallgäuer Klimaschutzmanagerin Andrea Ruprecht

Unterallgäu: Elektrofahrzeug bewährt sich im Dienst Das Landratsamt Unterallgäu hat soeben einen dreiwöchigen Test eines Elektroautos der Lechwerke (LEW) beendet. Markus Weißenberger vom LEW-Team Elektromobilität übergab das Auto vom Typ Renault Zoe an die Unterallgäuer Klimaschutzmanagerin Andrea Ruprecht. Sie sorgte dafür, dass die Mitarbeiter des Landratsamtes die Möglichkeit hatten, das Elektrofahrzeug bei ihren Dienstfahrten kennenzulernen. »Während dieser Test-

wochen konnten wir praktische und logistische Erfahrungen mit einem Elektrofahrzeug machen. Nun wissen wir, in welchem Umfang Elektrofahrzeuge im Fuhrpark des Landratsamtes und für den laufenden Betrieb eingeführt werden können«, sagt die Klimaschutzmanagerin. Der Renault Zoe gehört zum Elektroauto-Fuhrpark der LEW, die derzeit rund 30 öffentlich zugängliche Ladesäulen in ihrem Netzgebiet betreibt.

Neue »Fitness-Kurse« bei eza! Mehrere Neuheiten, aber auch bewährte Kurse und Fachseminare bietet das neue eza!-Bildungsprogramm Winter/Frühjahr 2015. Neu ist beispielsweise der viertägige Zertifikatslehrgang »PhotovoltaikEigenstrommanager«. Zu den Klassikern zählt der Kurs Energieberater/Effizienzhausexperte, dessen Inhalte ständig aktualisiert werden. Unter dem Titel »Fachwissen aktuell« werden Planer und andere Bauexperten über die neuesten Trends im Bereich energieoptimiertes Bau-

en und Sanieren informiert. Speziell dem Zukunftsmarkt Altbausanierung widmet sich das eza!-Fachseminar »Planungswissen: Sanierungskonzept / Sanierungsfahrplan«. Alle Kusangebote und die Anmeldeformalitäten finden Sie unter www.eza-allgaeu.de. Energie- & Umweltzentrum Allgäu, gemeinnützige GmbH, Burgstraße 26, 87435 Kempten, Telefon 0831/ 960286-0, Fax 0831/960286-90, E-Mail: info@eza-allgaeu.de

Start für Kraftwerk in Kempten richtete ausführlich über die Planung in der Ausgabe 2/2014. Foto: Bianca Elgaß

Lehrlinge der Allgäuer Überlandwerke durften Ende Oktober den Grundstein für das neue Restwasser-Kraftwerk an der Illerbrücke legen. Rund 100 Gäste waren dabei, als die jungen Leute zur Maurerkelle griffen. allgäuALTERNATIV be-

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Wasserkraft

Das »Älpele« im Kreistag Oberallgäu: Kraftwerk spaltet die Politik Elf Millionen Euro wollen einheimische Investoren in das Wasserkraftwerk »Älpele« im Hintersteiner Tal investieren (Projektvorstellung in allgäuALTERNATIV 1/2014). Jetzt hat der Kreistag Oberallgäu das Vorhaben nach heftiger Diskussion mit 46 gegen 11 Stimmen »durchgewinkt«. Es sollte zwar schon im Juli abgestimmt werden, doch ein Planungsfehler musste erst behoben werden. Dabei ist der Landkreis Oberallgäu in diesem Fall nicht Genehmigungsbehörde, sondern nur zur Stellungnahme aufgefordert ie Marktgemeinde Bad Hindelang (Anteil 22 Prozent), die Elektrizitätswerke Hindelang (39%), die Galtalpe Erzeberg (10%) und die Wald- und Weidegenossenschaft Bad Oberdorf (29%) sind die Beteiligten des Kraftwerk-Projektes an der Ostrach. Die Planung haben die Elektrizitätswerke Hindelang übenommen. Gestitten wird um die Genehmigung vor allem deshalb, weil es im Fauna.FloraHabitat-Gebiet (FFH) im Landschaftsschutzgebiet Allgäuer Hochalpen und im Vogelschutzgebiet liegt. Dazu kommt, dass die sogenannte Eisenbreche – eine Engstelle – vom Kraftwerk betroffen wäre. Die Eisenbreche ist ein ausgewiesenes Naturdenkmal. Die neun Grünen und die zwei ödp-Kreisräte verweigerten aus diesen Gründen dem Projekt ihre Zustimmung. Die restlichen 59 Kreisräte sahen eher die Vorteile des Kraftwerkes: An 253 Tagen im Jahr soll es laufen und rund neun Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen (ausreichend für 2400 Haushalte). Der Ausstoß von 4500 Tonnen CO2 könnte somit vermieden werden. Anerkannt wurde von der Befürworter-Seite, dass sich die Planer wirklich bemüht haben, möglichst viele Eingriffe in Natur zu vermeiden, und ein Vielfaches an Ausgleichsmaßnahmen anbieten, wenn sie eine Ge-

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Das Wasser der Ostrach (unten) soll zur Stromerzeugung genutzt werden. Betroffen davon wäre auch die Eisenbreche (rechts)

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nehmigung bekommen. Erinnert wurde auch an den Kreistagsbeschluss von 2011, in dem sich das Gremium selbst auferlegt hat, bis 2020 immerhin 70 Prozent des Stromes aus regenerativen Energiequellen zu gewinnen. Die Gegenseite im Kreistag führte ins Feld, dass im Falle der Genehmigung ein Präzedenzfall geschaffen werde, der auch Eingriffen in alle anderen alpinen Schutzgebiete Tür und Tor öffnen würde. Sie reklamierten, dass bereits zwölf Behörden und Verbände sich negativ zum Kraftwerksplan geäußert haben. Insbesondere, weil im Bereich der geplanten Anlagen seltene Arten im Gewässer lebten und diese erheblich gestört würden. Aufgrund eines Planungsfehlers musste das Verfahren noch einmal aufgerollt werden. Das Fassungsbauwerk sei zwar minimal geplant gewesen, habe aber keine Durchgängigkeit gehabt, erläuterte Dr. Jochen Damm von den Elektrizitätswerken Hindelang, das sei nach europäischen Richtlinien nicht mehr erlaubt. Dieser Fehler sei nun behoben, eine Genehmigung nach dem Energieeinspeisegesetz (EEG) möglich. allgäuALTERNATIV wird über den Fortgang des Projektes weiter berichten.



Wasserkraft

Pumpspeicher Forggensee Ilse Aigner verblüfft das Ostallgäu Der fünftgrößte See Bayerns könnte als Untersee für ein Pumpspeicherkraftwerk genutzt werden. Das zumindest ergab eine Analyse des Bayerischen Landesamtes für Umwelt. Neben dem Forggensee gibt es in der Analyse noch 15 weitere sogenannte Top-Standorte: Acht davon liegen im Bayerischen Wald, sechs im oberbayerischen Alpenraum und einer am Rande des Fichtelgebirges. rstaunen beim Landratsamt Ostallgäu, Verblüffung bei der Stadt Füssen, Ahnungslosigkeit beim Wasserwirtschaftsamt: Das sind die Reaktionen im Ostallgäu auf eine Analyse der Pumpspeicherpotenziale in Bayern durch das Büro Lahmeyer Hydroprojekt, vorgelegt von Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Unter den 16 genannten Standorten findet sich auch der Forggensee als mögliches Unterbecken. Er ist der einzige im Allgäu. Die Studie, die bereits im Juni auf den Tisch der Ministerin flatterte, geht davon aus, dass am Forggensee bis zu 500 Megawatt bei sechs Stunden Betrieb erzeugt werden könnten. Der Auftraggeber der Analyse, das Bayerische Landesamt für Umwelt, hielt und hält es nicht für nötig, sich mit den örtlichen und regionalen Behörden in Verbindung zu setzen, bevor eine solche Analyse im Ostallgäu angestellt wird. Aus dem Staatsministerium für Wirtschaft wurde uns auf Anfrage mitgeteilt: Es handelt sich bei der Untersuchung zur Analyse der Pumpspeicherpotenziale in Bayern um eine reine Potenzialabschätzung, es stehen keine konkreten Standortplanungen und keine In-

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Fotos: Volker Wille

Blick vom Unterspeicher Forggensee in die Allgäuer Berge (möglicher Standort für Pumpspeicher-Oberseen)

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vestitionspläne im Hintergrund. Eine Beteiligung der örtlich zuständigen Genehmigungsbehörden bei konzeptionellen, wenig konkreten Untersuchungen dieser Art ist nicht vorgesehen. Bei näherer Hinsicht zeichnet sich auch ab, dass die Analyse wirklich graue Theorie ist, denn bei der Beschreibung des Top-Standortes p, hinter dem sich der Forggensee verbirgt, offenbart das Papier nicht, wo ein mögliches Oberbecken – das ja zweifellos bei einem Pumpspeicherkraftwerk nötig ist – überhaupt platziert werden könnte. Unter dem Stichwort Umweltfachliche Auswirkung ist nachzulesen, dass für ein Oberbecken Rodungen erforderlich sind und hochempfindliche Arten gefährdet würden. Namentlich genannt werden Auerhuhn und Haselhuhn. Natura2000-Gebiete und andere Schutzgebiete wären betroffen. Unter Wasserversorgung wird bemerkt, dass es Konflikte, mit der Trinkwasserversorgung geben könnte und als weitere Einschränkung wird die geringe Fallhöhe genannt. Die Herstellungskosten seien sehr hoch und die geologischen Verhältnisse nur bedingt geeignet, wie es heißt.


Auf unsere Nachfrage zur Sinnhaftigkeit der Analyse speziell für den Forggensee erklärt das Wirtschaftsministerium: In der Studie zur Analyse der Pumpspeicherpotenziale in Bayern werden theoretische Möglichkeiten der Pumpspeicherung in Bayern aufgezeigt. Anhand technischer, umweltfachlicher, geologischer, infrastruktureller und ökonomischer Kriterien fand eine schrittweise Auswahl geeigneter Potenzialflächen statt… Eine dieser 16 Potenzialflächen umfasst den Forggensee als Unterbecken und Optionen für die Lokalisation möglicher Oberbecken. Als maximale Distanz zwischen Ober- und Unterbecken wurden 5000 Meter angesetzt. Die Dimensionierung eines möglichen Oberbeckens richtet sich nach dem Mindestkriterium einer erzielbaren Leistung von 100 MW, einer Mindestfallhöhe zwischen Ober- und Unterbecken von 200 Metern, nach dem Vorhandensein von Senken oder Talräumen, die ein festgelegtes Ebenheitskriterium erfüllen, sowie einer geringen Beeinträchtigung von Schutzgebieten und Biotopen, Infrastruktureinrichtungen und Siedlungen. Aus der Anwendung dieser Kriterien resultiert die zitierte Ersteinschätzung für die Potenzialfläche Forggensee. Weiter wurde uns von der Pressestelle des Ministeriums mitgeteilt: Es wäre Aufgabe eines potenziellen Investors, für eine Potenzialfläche konkrete Planungen für Becken, Kraftwerks- und Versorgungsanlagen zu entwickeln. Erst in diesem Stadium sei es sinnvoll, sich mit konkreten Fragen wie der Abgrenzung und Lage von Becken zu beschäftigen und Karten für diese anzufertigen. Voraussetzung hierfür sei jedoch eine bereits intensivere Betrachtung des potenziellen Standortes z.B. durch geologische Vor-Ort-Untersuchungen. Gezielt fragte allgäuALTERNATIV daraufhin beim Ministerium nach, warum die von den Allgäuer Überlandwerken bereits voruntersuchten Standorte am Rottachspeicher, am Grünten, am Alpsee bei Immenstadt und im anschließenden Tal bei Thalkirchdorf nicht in die Analyse einbezogen wurden. Schließlich lägen hier bereits einschlägige Daten vor. Die Antwort kam prompt: Die Planungen der Allgäuer Überlandwerke zu konkreten Pumpspeicherkraftwerken sind im Detail im StMWi nicht bekannt. Dass die genannten Standorte nicht bei den 16 vertieft untersuchten Potenzialflächen für Pumpspeicherkraftwerke enthalten sind, heißt nicht, dass sie nicht geeignet sind. Für ein methodisch transparentes und vergleichbares Vorgehen war es notwendig, in der Studie eine einheitliche, landesweit verfügbare, jedoch vergleichsweise grobe Datenbasis zu nutzen. Vorteile, die sich durch eine spezifische Situation vor Ort ergeben, konnten bei dieser Art der Untersuchungen nicht berücksichtigt werden ... Es handelt sich ausschließlich um eine Potenzialanalyse unter bayernweiten Gesichtspunkten. Umgekehrt erfolgt mit der Studie zur Analyse der Pumpspeicherpotenziale in Bayern auch keine Vorfestlegung über die Genehmigung von Pumpspeicher-

projekten, die im Umfeld der ermittelten Potenzialflächen beantragt werden. Es ist Aufgabe der Genehmigungsbehörden, über konkrete Projekte im Rahmen der Verfahren in eigener Entscheidung zu befinden. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner hat mittlerweile eine zweite Expertise veranlasst. In diesem Gutachten zur Rentabilität von Pumpspeicherkraftwerken in Bayern – erarbeitet von der Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft – heißt es, dass ein Neubau von Pumpspeicherkraftwerken unter den derzeitigen Rahmenbedingungen in der Regel nicht wirtschaftlich ist. Ein Widerspruch in sich? Es kommt wahrscheinlich auf den Standpunkt des Betrachters an.

Jürgen Herrmann Prokurist Allgäuer Überlandwerke: Wer weiß heute, ob wir in zehn Jahren Pumpspeicher brauchen? Jürgen Herrmann, Prokurist der Allgäuer Überlandwerke, sieht den ganzen Vorgang ziemlich gelassen. Er erklärte allgäuALTERNATIV gegenüber, dass die Energiewende nur zu schaffen sei, wenn alle möglichen Speicherformen weiter untersucht und verfeinert werden: »Wir werden unsere möglichen PumpspeicherStandorte weiter im Auge behalten und mit Vernunft und Weitsicht planen – genauso wie alle anderen Speichermöglichkeiten. Wir können heute doch noch nicht wissen, wie die Situation in fünf oder zehn Jahren ist. Sollten wir in zehn Jahren zu allen anderen Speichern wie z.B. Batterien und Wasserstoff auch noch Pumpspeicher benötigen, dann haben wir vorgearbeitet.« Herrmann weist in seiner Stellungnahme weiter darauf hin, dass für ein Pumpspeicherkraftwerk vom Plan bis zur Fertigstellung sicherlich fünf Jahre oder mehr ins Land ziehen. Es sei also bestimmt nicht falsch, seine Hausaufgaben rechtzeitig gemacht zu haben. »Wir werden dabei natürlich sehr kostenbewusst vorgehen.«

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Bauen

Weiterbildung in Kempten eza! macht Baufachleute fit eza! hat sich mit Kursen und Fachseminaren nicht nur bei Planern, Architekten und Handwerkern aus dem Allgäu einen Namen gemacht. Die 2100 Teilnehmer, die sich seit 1998 im Energie- und Umweltzentrum Allgäu auf die stetig steigenden Anforderungen beim energetischen Bauen und Sanieren vorbereitet haben, kommen aus ganz Bayern und anderen Teilen der Republik – selbst Baufachleute aus Übersee sind zum eza!-Bildungsangebot schon angereist.

Gruppenarbeit statt Frontalunterricht – die Referenten der eza!-Kurse und -Seminare versuchen, Inhalte an Beispielen zu vermitteln

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s sind Geschichten wie die von Manfred Gruber, die Herbert Hanser, dem Leiter der eza!Bildungsabteilung, das Gefühl geben, mit dem eza!-Kursprogramm auf dem richtigen Weg zu sein. »Man kann sagen«, meint Manfred Gruber, »der Passivhausplaner-Kurs von eza! hat mein Leben ein Stück weit verändert.« Und zwar zum Positiven, fügt der Oberbayer mit einem Augenzwinkern hinzu. Er wollte schon immer Häuser bauen, die nur ein Minimum an Heizenergie verbrauchen. Also suchte der Inhaber eines Holzbauunternehmens in Kirchweidach aus dem Chiemgau nach Informationen, stieß dabei auf das Fortbildungsangebot von eza! und meldete sich sofort an. Nach Abschluss des Kurses in Kempten fühlte sich der gelernte Zimmermann gewappnet für die hohen Anforderungen des Passivhausbaues. »Inzwischen«, erzählt Manfred Gruber, und ein bisschen Stolz schwingt in seiner Stimme mit, »plant und baut meine Firma fast nur noch Passivhäuser.«

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Das Thema Fortbildung zählte nach der Gründung des Energie- und Umweltzentrums Allgäu im Jahr 1998 von Anfang an zu den Kernaufgaben. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Planer, Architekten und Handwerker fit zu machen für die ständig steigenden Anforderungen beim energieeffizienten Bauen und Sanieren, das war und ist eines der zentralen Themen von eza!. »Wir wollen allen am Bau Beteiligten eine Hilfestellung geben, damit sie sich schnell in neue Gebiete einarbeiten können«, erklärt Herbert Hanser. Den Anfang machte vor 16 Jahren der Energieberaterkurs, ein Klassiker, der ständig aktualisiert wurde und heute den Beinamen »Effizienzhaus-Experte« trägt. Inzwischen haben den eza!-Energieberaterkurs knapp 600 Teilnehmer durchlaufen. Hanser spricht von einem sehr hilfreichen Angebot, das Baufachleuten Einblicke in die verschiedensten Bereiche biete, was heute immer wichtiger werde. »Ob rechtliche, technische oder wirtschaftliche Aspekte – der Bau-Allrounder, der über ein gewerkeübergreifendes Wissen verfügt, ist gefragter denn je«, meint er. Ist die Basis

Die eza!-Bildungsabteilung (v.l.): Birte Ohmayer, Herbert Hanser und Andrea Förstle


Fotos: eza!

geschaffen, können die Inhalte in speziellen Fachseminaren bei eza! vertieft werden. Neben dem eza!-Energieberaterkurs zählt der Passivhausplaner-Kurs zu den Aushängeschildern des eza!-Bildungsangebotes. Eine »Eigenentwicklung«, mit der eza! 2007 erstmals an den Start ging. »Der Passivhausplaner-Kurs war für uns ein Meilenstein«, meint Birte Ohmayer, die für die Konzeption und Durchführung von Kursen und Fachseminaren bei eza! zuständig ist. Weil es der erste Kurs dieser Art in Deutschland, ja in Europa überhaupt, war und eza! und seine Fortbildungskurse weit über die Grenzen des Allgäus bekannt machte. »Wir hatten sogar schon Teilnehmer aus Chile, Japan, Südkorea und den USA«, erzählt Birte Ohmayer. Sie spricht von »Exoten«, über die man sich sehr freue. Wichtiger sei es aber gewesen, dank eines qualitativ hochwertigen Kursangebotes mit neutralen Informationen eine treue Stammkundschaft aufzubauen. Frederik Gerwin zählt dazu. Passivhausplaner, Baubegleitung, Wärmebrückenberechnung, Energieberaterwissen aktuell – der Bauingenieur und Oberbauleiter aus Holzkirchen bei München weiß gar nicht, wie viele Kurse und Fachseminare er bei eza! bereits besucht hat. »Dass ich immer wieder komme, sagt eigentlich alles über die Qualität des eza!-Bildungsangebotes aus«, stellt der Oberbayer fest. »Kompetente Referenten, die alles sehr gut erklären und sämtliche Fragen beantworten, ein heller, ruhiger Seminarraum und dazu die gute Verpflegung und Betreuung – hier stimmt einfach alles.« Martin Wölfle ist ebenfalls voll des Lobes. »Man merkt sofort, dass die Referenten das nötige Know-how haben und voll hinter dem Thema energieeffizientes Bauen und Sanieren stehen – ohne den Blick für die Realität zu verlieren«, findet der Holzbautechniker aus Dietmannsried. Das sind keine Professoren oder Theoretiker, sondern Leute, die aus der Praxis stammen, hat Architekt Thomas Barth aus Babenhausen festgestellt. Bewertungen, die Andrea Förstle und ihre Kollegen gerne hören. Sie ist fürs Marketing und die Kursorganisation in der eza!-Bildungsabteilung verantwortlich. Ständig sei man auf der Suche nach aktuellen Themen, so Andrea Förstle. »Auch deshalb sind uns der enge Kontakt zu den Kursteilnehmern und deren Feedback so wichtig.« Mit praxisnahen Kursinhalten stärker an die Gruppe der Handwerker ranzukommen, das bezeichnet Hanser – selbst ein gelernter Zimmermann – als wichtiges Ziel. Aber auch Architekten sollen noch mehr ins Visier genommen werden. »Die Architekten erkennen mehr und mehr, dass sie nicht nur Gestalter sind, sondern in technischer Hinsicht absolut topinformiert sein sollten«, so Herbert Hansers Eindruck. Weil hochenergieeffizientes Bauen und Sanieren anspruchsvoll sei. »Aber auch, weil die Bauherren von Passiv- und Effizienzhäusern sehr gut informiert sind.

Die Anforderungen an alle Baubeteiligten sind gestiegen. eza! bietet Hilfestellung

Da darf man sich als Fachmann keine Blöße geben«, meint Hanser. Manfred Gruber hat sich mit dem Passivhausplaner-Kurs nicht zufrieden gegeben. Erst kürzlich war er zu Fortbildungszwecken wieder im eza!-haus. »Man lernt nie aus«, sagt Gruber. »Ein Fehler – und das Haus funktioniert nicht. Und das kann dann für den Planer oder die ausführende Baufirma richtig teuer werden.«

Info Stets aktuelle Informationen zum eza!-Bildungsprogramm sind im Internet unter www.eza.eu zu finden.

Manfred Gruber – der Passivhausplaner-Kurs von eza! hat sein Leben verändert

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Ökologisch bauen

Gesund und sparsam wohnen Baufritz-Designhaus bündelt alle Anforderungen Es gleicht etwas einem Selbstversuch, wenn eine Vertriebsleiterin eines Bauunternehmens sich von der eigenen Firma ein Haus bauen lässt. Andererseits zeugt das, was Baufritz-Mitarbeiterin Nadja Wriedt in die Realität umgesetzt hat, von tiefem Vertrauen zum eigenen Produkt. allgäuALTERNATIV zeichnet die Details der Baugeschichte nach. ei Nadja Wriedt passt einfach alles. Mit 31 Jahren verantwortet sie den deutschen Vertrieb des Allgäuer Ökohaus-Pioniers Baufritz und ist damit jüngste Sales Managerin in der Hausbau-Branche. Zwei Jahre später kommt Sohn Wolf-Jonathan auf die Welt, und dank perfekter Organisation, sozialer Kompetenz ihres Arbeitgebers und der Hilfe ihres selbstständigen Mannes meistert sie Kind und Karriere mit Bravour. Nach nur weiteren zwölf Monaten zieht die erfolgreiche Verkaufsleiterin in ein neues Haus in Babenhausen im Unterallgäu, 30 Autominuten von Memmingen entfernt. Man könnte meinen, sie hätte die Straße selbst benannt, aber der Weg heißt tatsächlich Paradies – und paradiesisch ist es hier auch, mit herrlichem Blick auf Wiesen und Felder der umliegenden Bauern. Bei Cappuccino aus Fair-Trade-Espresso und Milch der Region erzählt Nadja Wriedt, dass sie ursprünglich nur ein Grundstück kaufen wollte. Aber als ein Kollege ihre finanzielle Situation überprüfte, machte er ihr Mut, doch auch gleich zu bauen. Die Diplom-Kauffrau überlegte nicht lange – schließlich waren die Zinsen extrem niedrig und Grundstücke auf dem Land bezahlbar – und bestellte ihr IndividualDesignhaus Ende 2010 bei Baufritz.

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Die Vorzüge der ökologischen Hightech-Architektur, die über 43 Tonnen CO2 spart, waren ihr ja bestens vertraut. Das Unternehmen kennt Nadja Wriedt schon seit 2004, weil sie sich als Studentin in ihrer Abschlussarbeit intensiv mit Baufritz beschäftigte. Als verantwortungsvolle Mutter und Fachfrau für gesundes Bauen kam für sie nur ein schadstoffgeprüftes Haus infrage, das nahezu keine Baustoffemissionen aufweist. »Gesundheitsgefährdende PU-Bauschäume und Kleber sind hier tabu, denn alle Fenster und Türen wurden so passgenau eingebaut, dass keine chemischen Hilfsstoffe benötigt wurden. Zum Gesundheitskonzept des Ökohaus-Unternehmens gehören natürlich auch lösemittelfreie Innenwandfarben und eine integrierte Elektrosmog-Schutzebene«, erklärt Nadja Wriedt. »Wichtig war für uns der verantwortungsvolle Umgang mit den Baustoffen, denn die hier eingesetzten baubiologisch zertifizierten Materialien können am Ende ihrer Nutzung wieder in den Naturkreislauf zurückgeführt werden.« Die Topografie des 440 Quadratmeter großen Grundstückes – lang, schmal und an eine landwirtschaftliche Nutzungsfläche grenzend – stellte zusammen mit der erforderlichen Geschossflächenzahl, Abstandsflächen und Baulinienverordnung allerdings


Der Eingangsbereich des Hauses in Babenhausen

eine Art Knobelaufgabe dar. Baufritz-Partner-Architekt Oliver Engelhardt fand eine »geniale Lösung«, so die glückliche Eigentümerin. Er platzierte die drei Baukörper Haupthaus, Garagen und das Büro ihres Mannes so geschickt, dass an der Südwest-Seite ein Atrium entstand, das durch Betonmauern sicht- und windgeschützt ist – ein wunderbares Outdoor-Wohnzimmer. Anthrazitfarbener Basaltsplitt vergrößert den L-förmigen Innenhof optisch. Durch die Grenzbebauung war es möglich, ein Maximum an Wohnfläche und Wohnkomfort zu realisieren. Nach Nordosten öffnet sich das zweigeschossige, 160 Quadratmeter große Gebäude zu Wiesen mit alten Obstbäumen. Ein Stall in Sichtweite war Vorbild für die kompakte Gebäudeform mit Satteldach ohne Vorund Rücksprünge. Ursprünglich sollte das Dach klassisch in Ziegelrot gedeckt werden. Aber dann wurde das Zuhause zum neuen Vorzeigeprojekt für nachhaltigen Hausbau. Denn das Dach wurde vom ÖkohausPionier Baufritz als erstes Klimaschutzdach Deutschlands mit weißen Dachziegeln gedeckt, trotz anfänglich großem Widerstand seitens der Behörden. Unterstützung für diese Initiative gegen die globale Erderwärmung erfährt das Ökohaus-Unternehmen auch von Prof. Dr. Stefan Emeis vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung in Garmisch-Partenkirchen. Er erklärt: »Weiße Dächer haben den Effekt, das eintreffende Sonnenlicht direkt zurück ins Weltall zu reflektieren. Somit entsteht weniger Aufheizung der Dachflächen und der Umgebung. Die schönste Vermeidungsstrategie gegen die Erderwärmung, die wir uns vorstellen können.« Eine Langzeitstudie der NASA belegt zudem, dass durch weiße Dächer Klimaanlagen weniger in Betrieb sind und somit CO2 eingespart wird. Nadja Wriedt freut sich, mit ihrem Domizil auch einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Schöner findet sie ihr helles Dach außerdem. w

Im Kinderzimmer ist das Reich von Sohn Wolf-Jonathan mit dem Kosenamen »Pompi«

Licht und Raum dominieren im großzügigen Badezimmer der Familie Wriedt (Foto oben). In der offenen Küche verwirklichte Nadja Wriedt ihre eigenen Vorstellungen. Die Kochzeile wurde durch einen anschließenden Essplatz erweitert. Ein markantes Gestaltungs-Detail sind die vier Deckenleuchten über den beiden Funktions-Elementen


Fotos: Baufritz

Ökologisch bauen

Nadja Wriedt setzte mit der Innenraum-Gestaltung die klare und puristische Form des Hauses fort, beispielsweise im Wohnzimmer (Foto oben)

Drei zufriedene Eigenheimbesitzer und -benutzer im Garten ihres Neubaues

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Die Fassade, filigrane Lärchenhölzer und biologischer Mineralputz verstecken die »Voll-WerteWand«. Kernstück ist das Tragwerk aus heimischem, unbehandeltem Vollholz. Für ein wohngesundes Raumklima sorgt die ökologische Dämmung »HOIZ« aus Holzspänen, die entweder bei der Produktion anfallen oder aus kontrolliertem FSC-zertifiziertem Holzbau stammen. Es ist der weltweit erste Naturdämmstoff, der die begehrte »Cradle to Cradle«-Zertifizierung erhielt. Das EPEA-Institut (Environmental Protection Encouragement Agency) in Hamburg unter Leitung von Prof. Michael Braungart vergibt die Auszeichnung nur für Produkte, die »von der Wiege bis zur Wiege« nachhaltig sind. Die patentierte Elektrosmog-Schutzebene, ebenfalls unsichtbar, aber für gesundes Wohnen eine Grundvoraussetzung – wurde wie bei jedem BaufritzHaus – auch hier eingebaut. Sie reduziert äußerst wirkungsvoll und nachweislich gesundheitsbelastende

Elektrosmogstrahlen z.B. verursacht durch Mobilfunksender, Flugradar oder S-Bahn-Linien. Die ganzheitliche Bauweise hat der Ökohaus-Spezialist so perfektioniert, dass bei jedem Kunden vor dem Einzug eine Luftschadstoff-Messung durchgeführt wird: Ein Gesundheits-Zertifikat garantiert dann die Unbedenklichkeit der eingesetzten Baumaterialien. Im Innern setzt sich das klare Außenkonzept fort. Eine mittig eingezogene Wandscheibe im Erdgeschoss des Haupthauses trennt nicht nur Eingangsbereich, Treppenhaus und Technikraum vom kommunikativen Allraum, sie ermöglicht auch eine Deckenspannweite von zwölf Metern in der offenen Wohnküche. Kochinsel und der sich anschließende Tresen in gleicher Höhe, eine Idee von Nadja Wriedt, betonen die Raumlänge. Vier Schirmleuchten und die Trennwand in Anthrazit unterstreichen sie zusätzlich. »Familie und Freunde sitzen am liebsten auf den Barhockern, die Kinder spielen lieber im Wohnzimmer«, erzählt die

Der Arbeitsbereich von Ehemann Bastian gibt den Blick frei in die offene Landschaft


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Bauherrin. Die Geradlinigkeit der Architektur akzentuiert sie mit ihrer puristischen Einrichtung. Trotzdem wirkt das Erdgeschoss freundlich: Eichenholzdielen erden und wärmen überall. Eine einläufige Treppe führt ins Obergeschoss. Um den zentralen Flur mit wenig Verkehrsflächen gruppieren sich Kinder- und Gästezimmer, zwei Bäder, Abstellraum und das Elternschlafzimmer mit separater Ankleide. Ein zukunftsweisendes und platzsparendes LuftWärmepumpensystem beheizt das gesamte Gebäude und den Officeanbau im Winter und kühlt im Sommer. »Das System ist fantastisch«, meint Nadja Wriedt, »über die äußerst geringen Heizkosten und die kühlende Wirkung in der heißen Jahreszeit freuen wir uns ganz besonders.« Der eingeschossige Bau von Ehemann Bastian Wriedt bietet Platz für Büro und Fotoarchiv. Wenn »Pompi«, so wird der zweijährige Sohn mit Kosenamen liebevoll genannt, nicht mit seinem Dreirad durch den Raum jagt, freut sich der Vater über seinen Rückzugsort. Dann genießt er auch mal in Ruhe den Blick in die Natur durchs Atelierfenster – natürlich dreifach verglast.

Kurzinfo Bau-Fritz GmbH & Co. KG, Alpenweg 25, D-87746 Erkheim, Telefon 08336/9000, www. baufritz.com. Über die Internet-Seite können Interessenten sich zur persönlichen Beratung anmelden, Informationen über die verschiedensten Haustypen ansehen, Broschüren direkt anfordern und jede Menge über Energie, Baubiologie und Innovationen erfahren.

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6. Solarmeisterschaft

Baisweil auf dem Vormarsch Das Ostallgäu hat die meisten Solargemeinden Der Bund Naturschutz in Bayern e.V. und eza! – energie & umweltzentrum allgäu veranstalteten bereits zum 6. Mal die Allgäuer Solarmeisterschaft. »Sonnensieger« ist derjenige Ort, der die größte Fläche an Solarkollektoren und Photovoltaikanlagen pro Einwohner zu bieten hat. Bei den großen Städten sind Leutkirch, Wangen und Kempten vorn. Bei den kleineren Orten hat wieder Rettenbach die Nase vorn.

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Freude über die Auszeichnungen bei den Preisträgern der Solarmeisterschaft 2014

Kritisch ging auch Michael Vogtmann in seinem Hauptvortrag mit dem EEG um: »Solarstrom wird immer billiger, die Vergütung durch das EEG wird drastisch gesenkt, und gleichzeitig steigt der Strompreis und kostet mittlerweile deutlich mehr als der Strom aus dem Netz.« Michael Vogtmann ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie im Landesverband Franken. Er begrüßte, dass immerhin die Besitzer von Einfamilienhäusern in der Regel weiterhin von der Eigenverbrauchsumlage verschont bleiben. Mit einem Lastmanagement – z.B. werden Geschirrspüler, Waschmaschine und Trockner bei Solarstromertrag eingeschaltet – ließe sich selbst ohne Speicher eine Eigenverbrauchsquote von 30 Prozent erzielen. Durch Minispeicher (Zusatzkosten rund 3500 Euro) könne der Anteil auf 50 Prozent und mit größeren Speichern (Investitionskosten rund 10000 Euro) auf über 60 Prozent gesteigert werden. Nicht ganz ohne Stolz wies Dipl.-Ing. Martin Sambale, Geschäftsführer von eza!, auf die enorme Wirkung

Fotos: Thomas Niehörster

ei der Siegerehrung im Kurhaus Scheidegg fanden die Redner kritische Worte zum neuen Erneuerbare Energien Gesetz (EEG 2.0). Maximilian Schuff, stellvertretender Vorsitzender des Bund Naturschutz in Lindau, betrachtet das EEG 2.0 als »Verhinderungsgesetz bei den erneuerbaren Energien« und befürchtet eine Stagnation: »Um die Energiewende bezahlbar zu machen, will Bundesminister Sigmar Gabriel die Ökostromförderung deutlich kürzen.« Was er das »Erneuerbare-Energien-Gesetz 2.0« nennt, würde vielen in der Branche sehr viel zumuten. In seinem Grußwort zur Allgäuer Solarmeisterschaft sah Schuff einen Schwerpunkt bei den erneuerbaren Energien in der Photovoltaik. Der Solarstrom sei nicht nur da, wenn er benötigt wird, sondern zudem emissionsfrei: »Leider wird der Sonnenenergie nicht der Stellenwert eingeräumt, der ihr als einer der umweltfreundlichsten Energiequellen mit hohem Ausbaupotenzial und geringen Kosten zukommen sollte.«


der eza! hin: In 15 Jahren lockte das praxisorientierte Beratungs-Programm mit Top-Referenten mehr als 2400 Teilnehmer in 96 Kurse nach Kempten. Im gleichen Zeitraum wurden bei den Beratungen zur Sanierung 75 Prozent der vorgeschlagenen Sanierungsmaßnahmen umgesetzt. Die Gesamt-Wertschöpfung betrug dabei 836 Millionen Euro (im Durchschnitt 39.813 Euro pro Person). Für Kommunen hat die eza! verschiedene Beratungspakete aufgelegt, die je nach Größe der Kommune für ein Jahr von 900 bis 3450 Euro kosten. Kleiner Preis – große Wirkung. Ausrichter der 6. Allgäuer Solarmeisterschaft waren die eza! und der Bund Naturschutz e.V. Bayern. Martin Sambale betonte bei der Siegerehrung die besondere Rolle, die die Solarenergie bei der Umsetzung der Energiewende spiele. Um das Potenzial auszuschöpfen, sei das Engagement der Gemeinden und vieler Initiativen notwendig. »Mit der Allgäuer Solarmeisterschaft wird dieser Einsatz vor Ort ausgezeichnet.« Der Anteil der Solarenergie bei der Deckung des Strombedarfs im Allgäu ist trotz schwieriger Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren kontinuierlich auf mittlerweile 15 Prozent gestiegen. Als Gesamtsieger der 6. Allgäuer Solarmeisterschaft durfte sich wie in den Jahren zuvor Rettenbach am Auerberg feiern lassen. Nach Platz 5 im Vorjahr kämpfte sich Görisried (Ostallgäu) auf Platz 2 vor. Einen gewaltigen Sprung nach vorne machte Baisweil (Ostallgäu), das sich von Platz 26 im Vorjahr auf Platz drei kämpfte. Wie in den Vorjahren hielten Leutkirch vor Wangen und Kempten ihre Vorjahresplätze bei den Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern. Bad Grönenbach, Kißlegg und Argenbühl gewannen die ersten drei Plätze der Kategorie »Kleinstädte« (5000 bis 19999 Einwohner). Zum ersten Mal wurde die Kategorie »Landkreise« mit 111 Kommunen im Wettbewerb vergeben: Platz 1 gewann das Ostallgäu mit 45 Kommunen (davon 21 unter den besten 25), es folgten auf Platz 2 das Unterallgäu mit 31 Kommunen (davon 3 unter den besten 25) und das Oberallgäu mit 12 Kommunen (davon 1 unter den besten 25). Thomas Niehörster

Ulrich Pfanner, Bürgermeister des Marktes Scheidegg, war diesmal Gastgeber

Maximilian Schuff, stellvertretender Vorsitzender BN-Kreisgruppe Lindau

Martin Sambale vertritt das Energie- und Umweltzentrum Allgäu (eza!)

Info: www.allgaeuersolarmeisterschaft.de

Solarenergie in Görisried

Kritik gab es von Michael Vogtmann, dem Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (Landesverband Franken)

Thea Barnsteiner, 1. Bürgermeisterin der Gemeinde Görisried mit 1299 Einwohnern, ist sichtlich stolz auf den 2. Platz bei der Solarmeisterschaft 2014 (Kategorie 1000 bis 4999 Einwohner), zumal Görisried auch den 2. Platz in der Solar-Bundesliga erreichen konnte. Die verschiedenen Plätze in den Jahren kann sie mit den schwankenden Wetterbedingungen erklären, die sich bei einem kleinen Ort besonders bemerkbar

machen. »Manchmal liegt es auch an den Bürgern, die nicht immer ihre Werte rechtzeitig melden. So waren wir beispielsweise 2012 durch Solar- und PV-Anlagen mit 99,5 Prozent des verbrauchten Stroms durch erneuerbare Energien so gut wie autark. (87,1 Prozent im Jahr 2013).«

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Windenergie

Ein Italiener im Allgäu Windstrom als Ergänzung zu Solarenergie Stallungen, die Landwirtschaft und nicht zuletzt die Wohngebäude ziehen ganz schön Strom. Rund 50.000 kW pro anno benötigt Pferdewirt und Pferdezüchter Karl-Heinz Stöckle auf seinem Gestüt Osterhof in Hellengerst. Da er trotz Südlage der Gebäude diese Menge nicht mit Solarstrom allein erzeugen kann, ließ Stöckle im Juni 2013 auf der Westseite des Gestüts ein Windrad errichten.

Pferdezüchter Karl-Heinz Stöckle nutzt Windkraft und andere Energiequellen

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ach Art. 59 der Bayerischen Bauordnung (Vereinfachtes Genehmigungsverfahren für alle Klein-Windanlagen unter 30 Meter Höhe) kann jedermann auf seinem Grund ein Windrad erbauen. Das Verfahren läuft wie ein normales Baugenehmigungsverfahren ab, jedoch ist der Prüfungsumfang eingeschränkt: Die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften wird nicht mehr umfassend, sondern nur in den wichtigsten Punkten überprüft. Dazu bedurfte es weiterer Genehmigungen, etwa vom Naturschutz und Vogelschutz. Im Falle des Stöckle-Windrades kam von dieser Seite kein Einwand.

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Das Gestüt in Hellengerst liegt am Rand des Oberallgäus auf rund 1000 Metern Höhe. Bereits die Vorväter von Karl-Heinz Stöckle züchteten Pferde in Dietmannsried. In Hellengerst züchtet der Pferdewirt seit 1987 erfolgreich Araber, die weltweit, vor allem jedoch nach Russland und die saudi-arabischen Staaten, verkauft werden. Dorthin, um die genetischen Linien der Araberhengste zu stärken. Das Windrad mit einer Nabenhöhe von 17,6 Metern und einem Rotordurchmesser von 13,2 Metern stammt vom italienischen Unternehmen Tozzi Nord im Trentino. Die Baukosten betrugen rund 90.000


Das Windrad in Hellengerst überragt kaum die Baumkulisse

Fotos: Thomas Niehörster

Ein kleiner Tausendsassa am Wind

Euro. Davon entfielen auf das Windrad alleine 60.000 Euro inklusive Mehrwertsteuer und Aufstellung. Die restlichen 30.000 Euro gingen für Fundament, Statik, Prüfstatiker, Elektriker und Gebühren drauf. KarlHeinz Stöckle hat zwar alle Stromliefer- und Stromverkaufs-Verträge mit dem Allgäuer Überlandwerk abgeschlossen, sagt aber: »Das Windrad ist ans Stromnetz angeschlossen. Zu einer Einspeisung wird es allerdings nicht kommen, da mein Strombedarf höher ist als die selbst erzeugte Energie.« Dank der starken regionalen Windsysteme am Mittelmeer wie Scirocco oder Bora entwickelt sich Ita-

Tozzi stellt derzeit nur das Windrad TN 535 her – allerdings in verschiedenen Variationen. Die Firma ist seit 2006 aktiv. Die Nennleistung des Windrades TN 535 beträgt 9,9 Kilowatt. Die Stromgewinnung beginnt bei 2,5 Metern pro Sekunde Windgeschwindigkeit. Die Nennleistung wird bei einer Windgeschwindigkeit von 6,7 Metern pro Sekunde erreicht, das macht rund 35.000 kW Leistung im Jahr. Bei 16 Metern Windgeschwindigkeit pro Sekunde schaltet das Windrad ab. Der Rotordurchmesser beträgt 13,2 Meter und bestreicht eine Fläche von 136 Quadratmetern. Der Rotor besteht aus drei Rotorblättern hochwertigem GFRP. Die maximale Drehzahl beträgt 66 Umdrehungen pro Minute. Bei der TN 535 kommt ein Synchronous permanent Generator zum Einsatz. Drei Höhen des Stahl-Mastes sind verfügbar: 14,6, 17,6 und 23,6 Meter. Der Rotor wiegt 300 Kilogramm, die Gondel mit dem Getriebe 800 Kilogramm und der Turm maximal 3,4 Tonnen.

Der Hersteller empfiehlt das Windrad als »Stand-alone-Anlage« für Bauernhöfe, Einkaufszentren, Campingplätze, Verwaltungen, Berghütten und Pumpstationen an. Laut Tozzi haben die Lärm-Messungen ergeben: Die Anlage ist so leise, dass bereits 60 Meter neben dem Windrad nur noch ein Geräuschpegel von 40 Dezibel entsteht. Das entspricht leichtem Regen. Das TN 535 eignet sich auch in Kombinationen mit Photovoltaik. Die Einspeisung ins öffentliche Netz ist möglich. Alle Daten sind auch unter www.wind-turbinemodels.com nachzulesen. In diesem WEB-Por tal sind alle bekannten Hersteller und Modelle von Windkraftanlagen vergleichbar aufgeführt. Tozzi-Nord: TN 535-Windräder stehen bereits in Italien, Irland, Großbritannien und auf Madagaskar. Die Hauptniederlassung von Tozzi Nord S.r.l. befindet sich in Italien, 38121 Trento, Via San Sebastian 21. Im Internet ist Tozzi über die Domain www.tozzinord.it zu erreichen (in italienischer und englischer Sprache). E-Mail: info@tozzinord.com. Telefon +39 0461 993383.

lien zu einem führenden Kleinwindkraft-Markt. Die Turbine TN 535 erreicht bei entsprechendem Wind eine Nennleistung von 9,9 kW. Das Windrad beginnt laut Hersteller bereits bei einer Windgeschwindigkeit von 2,5 Metern pro Sekunde zu laufen. Das bedeutet je nach Windlage eine mögliche Jahresleistung bis zu 35.000 kW bei einer Nenngeschwindigkeit von 6,7 Metern pro Sekunde. Da Karl-Heinz Stöckle sich das Ziel gesetzt hat, von zugekauftem Strom unabhängig zu sein, hat er sich vorgenommen, Differenzen über eine Luftwärmepumpe auszugleichen. Thomas Niehörster

Info: Pferdezucht Hellengerst www.gestuetosterhof.de Kontakt: Tel. 08378-7630 E-Mail: gestuet.osterhof@ t-online.de

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Windenergie

Wind vertreibt die Schulden Bidingen betreibt ein kommunales Windrad Bidingen im Ostallgäu hat die gleichen Probleme wie viele andere Allgäuer Kommunen. »Unsere Gemeinde ist verschuldet, und die Möglichkeiten, neue Einnahmen zu generieren, sind begrenzt«, beschreibt Bürgermeister Franz Martin die Situation der Gemeinde. Mit Erfolg: Seit dem Frühsommer 2014 dreht sich eines der ersten kommunalen Windräder in Bayern. er Ausbau der erneuerbaren Energien zeigt der Gemeinde eine wirtschaftliche Perspektive auf. Daher setzten wir uns hier in Bidingen für den Bau eines Windrades in kommunaler Hand ein.« Die 1600 Bidinger Einwohner arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft oder in den umliegenden Städten. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Gemeinde sind begrenzt und damit auch die Einnahmequellen für die Gemeindekasse. »Wir wollen aktiv etwas für den Schuldenabbau unserer Gemeinde tun«, bestätigt Bürgermeister Franz Martin. »Mit dem Windrad tun wir nun in zweifacher Hinsicht etwas für die Zukunft unserer Region: Wir gehen den Schuldenabbau aktiv an und schonen zugleich das Klima.« Die Investition in das kommunale Windrad (Höhe 185 Meter, Nabenhöhe 135 Meter) war ein mutiger Schritt: »Wir haben mit der Zuwegung und dem Anschluss insgesamt 4,7 Millionen Euro in das Windrad investiert«, rechnet Martin vor. »Nach den Abzügen durch Zinstilgung und Betriebskosten bleibt noch ein zu erwartender Reingewinn von etwa 100.000 Euro pro

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Die Proteste der Königsrieder Bürgerinitiative waren nutzlos. Aber noch steht diese Holztafel mahnend vor der Einfahrt zu den Windrädern

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Jahr übrig, der dann direkt in den kommunalen Haushalt und den Schuldenabbau fließen kann.« Im Vorfeld des Baues gab es einen Bürgerentscheid, die sich 2011 mit Mehrheit (55 Prozent) für den Bau des Windrades aussprachen. Nur die Königsrieder Bürger um Georg Knittel sprachen sich gegen das Windrad aus. Ein einsames Protestschild steht noch heute an der Abzweigung zum Windrad. Inzwischen ist sogar eine zweite Anlage fast fertig. Sie steht etwa 350 Meter vom kommunalen Windrad entfernt auf dem Höhenberg. Es wird von der Höhenberg GmbH und Co. KG finanziert und betrieben. Rund 60 Bürger haben sich in diese Gesellschaft mit Anteilen von 5000 bis 100.000 Euro eingebracht. Diese im Bau-Endstadium befindliche Anlage kostet rund fünf Millionen Euro und ist noch höher als der Stromerzeuger der beiden Kommunen. Das Windrad der Gemeinden kann rund 1700 Haushalte mit Strom versorgen, das neue Bürgerwindrad (Höhe 207 Meter, Nabenhöhe 149 Meter, Flügel 115 Meter) unter gleichen Bedingungen sogar 2100 Hauhalte.


Fotos: Liebherr/BreTho (1) und EDITION ALLGÄU (2)

Ein Gittermast-Mobilkran mit Auslegersystem hilft im April beim Aufstellen des Windrades in Königsried/Bidingen

Die Gemeinde hatte schon Erfahrung mit zwei Windenergieanlagen, die sich auf einer ausgewiesenen Vorrangfläche drehen. Dass es sich lohnt, über die Vorrangflächen hinaus nach geeigneten Standorten zu suchen, macht das Beispiel Bidingen deutlich. »Bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung kam heraus, dass auf dem Vorrang-Standort zwar ein Gewinn erwirtschaftet werden kann. Dieser ist jedoch so knapp bemessen, dass sich bei einem schwachen Windjahr auch Verluste einstellen können.« Um dies zu vermeiden, errichtet die Gemeinde die Windenergieanlage an einem anderen Standort, der etwa 60 Meter höher als der ursprünglich angedachte Standort liegt. Aber nicht nur die wirtschaftliche und planerische Seite stellte die Bidinger vor eine große Herausforderung. Auch die Gemeindeordnung des Landes Bayern sieht eine besondere Regelung vor, die eine Neujustierung der Vorgehensweise bedeutet: »Die bayerische Gemeindeordnung sieht den Betrieb einer Anlage zur Stromerzeugung nur in der Größenordnung vor, in der der Strom auch in der Gemeinde verbraucht wird«, erläutert Bürgermeister Martin. »Das Windrad mit einer Nennleistung von drei Megawatt erzeugt mehr Strom, als wir in Bidingen verbrauchen.« Der Trick der Bidinger war denkbar einfach: Sie betreiben das Windrad nun zusammen mit ihrer Nachbargemeinde Ingenried in Oberbayern. »Ingenried hat 25 Prozent Anteil an dem Windrad«, so Franz Martin. »Für Bidingen reichen 75 Prozent eines Windrades aus, um sich bilanziell vollständig mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen.« »Der Betrieb von Anlagen der erneuerbaren Energien bietet Kommunen die Möglichkeit, aktiv neue finanzielle Spielräume zu schaffen«, so Nils Boenigk, stell-

vertretender Geschäftsführer der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE). »Das Beispiel Bidingen macht aber auch deutlich, wie Kommunen zudem die planerischen und gesetzlichen Herausforderungen erfolgreich meistern können.« Die AEE ehrt Bidingen für dieses vorbildlich umgesetzte Projekt als Energie-Kommune. Einen kleinen Wermutstropfen müssen beide Energieanlagen-Betreiber schlucken: Wenn die Wiesen unter den Windrädern gemäht werden, müssen die Anlagen für drei Tage angehalten werden. Der Grund: Dann jagt der Rotmilan auf den Mähflächen seine Beute, und die Untere Naturschutzbehörde besteht auf einer »Auszeit« für die Windräder.

Kurzinfo www.unendlich-vielenergie.de Einen ausführlichen Bericht zu Bidingen finden Sie auf dem AEE-Infoportal www.kommunalerneuerbar.de

Das kommunale Windrad im Vordergrund kann bereits betrieben werden, die Bürgeranlage (dahinter mit Baukran) steht kurz vor der Fertigstellung. Wen die Wiese unter den Rädern gemährt wird, müssen die Flügel stillstehen – dann ist Jagdzeit für den Rotmilan

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Energie-Praxis

Viel Wind in der Schule Lechwerke ermöglichen Forschungsprojekt

Fotos: LEW/Bleier

Kürzlich wurde am Sportplatz des Schulzentrums Friedberg bei Augsburg eine Kleinwindkraftanlage montiert. Die knapp zehn Meter hohe Anlage ist Bestandteil eines gemeinsamen Forschungsprojektes der Fakultät für Elektrotechnik an der Hochschule Augsburg, der Lechwerke (LEW) sowie der drei Einrichtungen des Schulzentrums.

Peter Feile, stv. Landrat des Landkreises Aichach-Friedberg; LEWVorstandsmitglied Dr. Markus Litpher; Roland Eichmann, Erster Bürgermeister von Friedberg; Prof. Dr. Christine Schwaegerl, Hochschule Augsburg; Annemarie Jakob, Lehrerin der Realschule Friedberg; Sascha Frohneberg, Schüler der Fachoberschule; Thomas Rebitzer, Lehrer der Fachoberschule; Johann Schmid, stv. Direktor des Gymnasiums (v.l.)

LEW-Mitarbeiter Maximilian Schreiner montiert die Kleinwindkraftanlage am Sportplatz des Schulzentrums

m Rahmen des Projektes sollen Erfahrungen beim Betrieb solcher Kleinwindkraftanlagen und ihrer optimalen Integration ins Stromnetz untersucht werden. Die bei der Anlage am Schulzentrum gewählte Rotorenform kann Wind aus verschiedenen Richtungen und auch Böen gut zur Stromerzeugung nutzen. Die Anlage ist außerdem besonders leise – die Geräuschemission entspricht in etwa der eines Heimcomputers.

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Kurzinfo

35 Wasserkraftwerken einer der führenden

Die Lechwerke AG ist als regionaler Energieversorger in Bayern und Teilen BadenWürttembergs tätig. Die LEW-Gruppe beschäftigt mehr als 1700 Mitarbeiter, ist mit

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Erzeuger von umweltfreundlicher Energie aus Wasserkraft in Bayern und bietet Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation an. LEW gehört zur RWE-Gruppe.

Der Landkreis Aichach-Friedberg und die Stadt Friedberg unterstützen das Vorhaben. Ziel ist es, Erfahrungen beim Betrieb solcher Kleinwindanlagen zu sammeln. Prof. Dr. Christine Schwaegerl, Fakultät für Elektrotechnik der Hochschule Augsburg, LEW-Vorstandsmitglied Dr. Markus Litpher sowie Schüler und Lehrer der Schulen stellten die Anlage der Öffentlichkeit vor. »Die Energiewende ist dezentral und besteht aus vielen Mosaiksteinen: Vor diesem Hintergrund können Kleinwindanlagen eine interessante Alternative umweltfreundlicher Stromerzeugung sein«, so Dr. Markus Litpher. »Als Energiepartner in der Region untersuchen wir solche Technologien, die uns bei der Umsetzung der Energiewende nach vorn bringen.« »Kleinwindanlagen sind noch wenig verbreitet. Mit der Versuchsanlage möchten wir an der Fakultät Elektrotechnik wichtige Fragen beantworten – zum Beispiel, ob sich Kleinwindkraft- und Photovoltaikanlagen sinnvoll ergänzen«, sagt Prof. Dr. Christine Schwaegerl. Im Frühjahr errichteten LEW-Mitarbeiter die knapp zehn Meter hohe Anlage auf dem Sportplatz. Die LEW-Kleinwindkraftanlage ist mit Sensoren ausgestattet, die neben der Windrichtung und Windgeschwindigkeit auch die solare Einstrahlung messen. Über Mobilfunk werden die Wetterdaten zusammen mit den gemessenen Strom-, Spannungs- und Leistungswerten minütlich an die Hochschule Augsburg übertragen und unter http://wetterstation.hs-augsburg.de veröffentlicht. Die Messwerte werden nicht nur für studentische Projekte und Forschungsarbeiten verwendet, auch die Schüler des Schulzentrums profitieren von der Kleinwindkraftanlage: Sowohl die Fachoberschule als auch Gymnasium und Realschule können die Daten der Hochschule und die Anlage vor Ort für den praxisnahen Unterricht und Schulprojekte nutzen. »Ich freue mich, dass die Kleinwindkraftanlage ihren Standort hier bei uns in Friedberg gefunden hat. Ausprobieren, Neues wagen, das passt zur Stadt und zu den drei Schulen«, so Friedbergs Bürgermeister Roland Eichmann. »Es geht darum, die Schüler aktiv einzubinden und für neue Wege in der Energieerzeugung zu begeistern.« »Seit vielen Jahren engagiert sich der Landkreis Aichach-Friedberg im Umwelt- und Klimaschutz von Schulen. Die Kleinwindkraftanlage bedeutet für uns Energiewende zum Anfassen. Lehr- und Forschungsprojekte wie dieses wecken das Interesse der jungen Bevölkerung und bringen Praxis und Theorie zusammen«, sagt Peter Feile, der stellvertretende Landrat.


Artenschutz

Ein vermeidbarer Konflikt Windflügel haut die stärkste Fledermaus um ren. Deutschland liegt genau auf der Zugroute dieser Fledermäuse. Für diese Populationen ist es besonders dramatisch, da sie sich bei ungünstigen Klimabedingungen in manchen Jahren ohnehin kaum vermehren. Wenn dann noch viele Fledermäuse an deutschen Windkraftanlagen verunglücken, wird der Bestand vermutlich empfindlich geschwächt. Die Methode, mit der die Forscher die Herkunft der Fledermäuse bestimmten, stammt aus der Forensik. Wenn ein Kadaver unbekannter Herkunft auftaucht, untersuchen die Forensiker das Verhältnis von schwerem zu leichtem Wasserstoff im Keratin der Haare. Wie ein geografischer Fingerabdruck weist es auf die Herkunft des Tieres hin.

An Windrädern kommen Fledermäuse in großer Zahl um. Forscher haben in einer aktuellen Studie die Herkunft der Tiere ermittelt: Sie stammen nicht nur aus der lokalen Umgebung, manche legen vorher zum Teil große Flugstrecken zurück bevor sie in die Flügel der Windräder geraten. Eine aktuelle Studie hat herausgefunden, warum. indräder sind wichtig für die Energiewende. Die Technologie ist weit fortgeschritten, und Wind ist nicht nur im Norden ausreichend vorhanden. Noch vor Kurzem standen Windräder auch im gesamten Allgäu im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Während im Ober-, West-, und Ostallgäu die Diskussion weitgehend beendet wurde, stehen im Unterallgäu wohl einige Windräder vor der Genehmigung. Über die Vor- und Nachteile dieser Energiegewinnung gab es kontroverse Meinungen. Neben dem Problem des Energietransports und der Ästhetik der großen Windräder gibt es allerdings noch ein weiteres Problem: Für viele Vögel und Fledermäuse sind die Rotorblätter eine tödliche Gefahr.

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Es gibt Lösungsansätze Besonders fatal sind Windräder, weil sie Fledermäuse sogar anlocken. Die Zugzeit ist auch Paarungszeit, dann geraten die Fledermäuse regelrecht ins Schwärmen – im wahrsten Sinne des Wortes. Und das geschieht an landschaftlich markanten Strukturen wie Felsen, Kirchtürmen oder eben Windrädern. Die Wissenschaftler meinen, dass bei Windkraftanlagen Klimaschutz und Artenschutz gegeneinander ausgespielt werden. Dabei müssten sie im Sinne eines umfassenden Umweltschutzes Hand in Hand gehen. Windräder und Fledermäuse würden eigentlich gut zusammenpassen: Fledermäuse mögen keinen starken Wind. Sie sind nur bei Windgeschwindigkeiten von maximal sechs bis acht Metern pro Sekunde aktiv. Genau da fangen Windräder erst an, richtig Energie zu produzieren. Würden die Anlagen nur bei kräftigem Wind laufen und in der Paarungszeit stillstehen, ließen sich Kollisionen vermeiden. Hierauf wird aber nach Meinung der Forscher vom IZW noch zu wenig Rücksicht genommen.

So könnten jedes Jahr schätzungsweise 300.000 Fledermäuse an Windkraftanlagen in Deutschland verunglücken, wenn die Kollisionsgefahr nicht über nächtliche Abschaltzeiten der Anlagen während der Hauptaktivitätsphasen der Fledermäuse reduziert wird. In einer aktuellen Studie, hat ein Forscherteam unter der Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) die Herkunft von Großen Abendseglern – einer migrierenden Fledermausart – bestimmt, die an Windrädern in den östlichen Bundesländern tödlich verunglückten. Es zeigte sich, dass es sich bei über einem Viertel der Fledermäuse nicht um standorttreue Tiere handelte, sondern um Tiere, die sich auf dem Weg in ihr Winterquartier in Deutschland oder im südwestlichen Europa befanden. Sie kamen aus dem nordöstlichen Verbreitungsgebiet, das sich vom Baltikum über Russland und Weißrussland bis nach Polen erstreckt.

Windräder auf der Zugroute Die Wissenschaftler fanden heraus, dass besonders viele weibliche und junge Tiere verunglückt wa-

Eine Mausohr-Fledemaus fliegt sicher durch nächtliches Dunkel

Foto: Eberhard Menz

300.000 tote Fledermäuse

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Natur/Technik

Wie Fledermäuse »sehen« Windräder von der Natur nicht vorgesehen Fliegen, ohne zu sehen: Fledermäuse orientieren sich mithilfe von Schallwellen und der vielfältigen Echos, die ihre Umgebung zurückwirft. Ihr inneres Navigationssystem erweist sich dabei als ausgesprochen flexibel. Je näher Fledermäuse an einem Objekt vorbeifliegen, umso mehr Neuronen sind in dem Gehirnareal aktiv, das die akustischen Signale räumlich verarbeitet. Diese Informationen helfen den Flugkünstlern, blitzschnell zu reagieren und Hindernissen auszuweichen.

achtaktive Fledermäuse haben sich perfekt auf ein Leben ohne Licht eingestellt. Sie senden Ortungslaute aus, um aus dem zeitverzögerten Echo die Entfernung zu einem Hindernis oder Beutetier zu berechnen. In ihrem Gehirn existiert eine räumlich aufgelöste Karte für unterschiedliche Echolaufzeiten. Wie eine Studie der Technischen Universität München (TUM) erstmals zeigt, passt sich diese Karte dynamisch an äußere Bedingungen an.

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Fliegen die Tiere eng an einem Hindernis vorbei, feuern mehr Neuronen als bei einem sicheren Abstand. Der Gegenstand erscheint auf der Gehirnkarte dann überproportional groß – als ob er herangezoomt würde. »Die Karte funktioniert ähnlich wie ein Navigationssystem im Auto und zeigt der Fledermaus den Weg«, erklärt Studienleiter Dr. Uwe Firzlaff vom TUM-Lehrstuhl für Zoologie. »Der entscheidende Unterschied: Wenn sich das Tier auf Kollisionskurs befindet, schlägt das Gehirn Alarm, indem es nahe Objekte stärker abbildet als entfernte.« Fledermäuse stellen ihre Flugmanöver ständig auf neue Situationen ein, um Gebäuden, Bäumen oder anderen Tieren auszuweichen. Dabei ist auch die seitliche Positionsbestimmung wichtig. Daher nutzen die Tiere neben der Echolaufzeit zusätzliche räumliche Informationen. »Die Fledermäuse werten die Eigenbewegung aus und gleichen sie mit dem seitlichen Abstand auf Gegenstände ab«, erläutert der Forscher. Natürlich sind die Ortungssysteme der Fledermäuse nur auf natürlich bewegte Hindernisse »geeicht«. Bewegte Äste und andere Vögel können sie auf diese Weise erfassen und ihnen ausweichen. Blattspit-


Fotos: filorosso.eu - Manfred Gerber/pixelio.de, Volker Wille

300.000 Fledermäuse kommen jährlich durch Windrad-Flügel ums Leben. Neue Forschungsergebnisse zeigen auf, wie dieses Massensterben verhindert werden kann. Auch für unsere Allgäuer Windräder gibt es einfache Lösungen

Im Allgäu heimische Fledermaus-Arten Bechsteinfledermaus: Braunes Langohr: Graues Langohr: Großer Abendsegler: Kleiner Abendsegler: Rauhautfledermaus:

zen der Windräder erreichen aber bis zu 240 Stundenkilometer. Diese Geschwindigkeit kommt in der Natur nicht vor. Darauf ist das Ortungssystem der Fledermäuse nicht eingestellt. Sie sind den Windrad-Flügeln hilflos ausgeliefert. Und das, obwohl die Tiere zusätzlich zur Laufrichtung des Schalls auch die Richtung berücksichtigen, aus der das Echo zurückgeworfen wird. Außerdem vergleichen sie die Lautstärke ihrer Ruflaute mit den reflektierten Schallwellen und werten das Wellenspektrum des Echos aus. »Unsere Untersuchungen führen zu dem Schluss, dass Fledermäuse auf ihrer akustischen Karte wesentlich mehr räumliche Informationen abbilden als nur die Echolaufzeit.« Die Ergebnisse erklären, wie sich schnelle Reaktionen auf äußere Reize in den Nervenzellen widerspiegeln: Im Gehirn der Fledermäuse vergrößert sich das aktive Areal, um relevante Informationen darzustellen. »Damit«, so Firzlaff abschließend, »haben wir möglicherweise einen grundlegenden Mechanismus entdeckt, wie Wirbeltiere ihr Verhalten flexibel an wechselnde Umgebungen anpassen können.« Dr. Ulrich Marsch/idw

Zwergfledermaus: Breitflügelfledermaus: Fransenfledermaus: Große Bartfledermaus: Große Hufeisennase: Großes Mausohr: Kleine Bartfledermaus: Kleine Hufeisennase: Mopsfledermaus: Mückenfledermaus: Nordfledermaus: Nymphenfledermaus: Teichfledermaus: Wasserfledermaus: Wimperfledermaus: Zweifarbfledermaus:

Die großen Flügel machen sie zu besonders geschickten Fliegern Hat mit über vier Zentimetern die längsten Ohren »Pflückt« geschickt Insekten von Blättern Der Ausdauerflieger legt auf seinen Wanderungen Strecken über 2000 Kilometer zurück Jagt gerne im Wald und um Straßenlaternen herum Zählt zu den Waldfledermäusen und ist obendrein die drittkleinste Art Passt geduckt in eine Streichholzschachtel Hält sich gern im Dachfirst zwischen Dachpfanne und Isolierung auf Wohnt und jagt gerne im Kuhstall, wo viele Fliegen schwirren In Sibirien wurde ein beringtes Tier stolze 41 Jahre alt Seltenste Art – in Deutschland gibt es nur noch eine Wochenstube in der Oberpfalz Mit rund 40 Zentimetern Flügelspannweite eine unserer größten und häufigsten Arten Hat auffällig langes, krauses Fell Der hufeisenförmige Hautlappen um die Nase gibt ihr den wenig schmeichelhaften Namen Das mopsige Gesicht macht sie von allen Fledermäusen am leichtesten unterscheidbar Wurde erst kürzlich entdeckt und macht als Winzling der Zwergfledermaus Konkurrenz Kann bis zu 20 Jahre alt werden Ihr Name geht auf eine griechische Sage zurück, in der eine Nymphe in eine Fledermaus verwandelt wird In Sommernächten sehr gut mit Taschenlampe über Wasser zu beobachten Nimmt feinste Echos wahr und erwischt sogar Wasserläufer Jagt von einer Baumkrone zur nächsten Mit 180 zurückgelegten Kilometern pro Nacht die schnellste Fledermaus

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Klimawandel

Die Bäume wachsen schneller Chance oder Fluch für Allgäuer Waldbauern? Seit den 1960er-Jahren wachen unsere Bäume deutlich schneller. Diese Erkenntnis basiert auf Langzeit-Daten von deutschen Versuchsflächen, die seit 1870 kontinuierlich beobachtet werden. Einige dieser Beobachtungsflächen liegen auch im Allgäu oder in unmittelbarer Umgebung. nserem Wald sieht man diese Veränderung nicht an: Die typischen Entwicklungsphasen von Bäumen und ganzen Beständen haben sich kaum verändert, laufen aber beschleunigt ab – um bis zu 70 Prozent. Dies zeigt eine Studie von Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM). Vor drei Jahrzehnten war das »Waldsterben« in aller Munde: Das Überleben großflächiger Waldökosysteme schien auf dem Spiel zu stehen. Aktuelle Untersuchungen weisen allerdings eher auf ein beschleunigtes Wachstum als auf einen Kollaps der Wälder hin. Ob, wie und warum Waldbestände innerhalb des letzten Jahrhunderts ihr Wachstum veränderten, wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Die jetzt veröffentlichte Studie trägt entscheidend zur Klärung der offenen Fragen bei. Die Untersuchung basiert auf Daten von Versuchsflächen, die seit 1870

U Cynthia Schäfer und Eric Thurm, Doktoranden am Lehrstuhl für Wachstumskunde, nehmen eine Jahresring-Probe von einem Baum auf einer Versuchsfläche

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systematisch beobachtet werden. Sie zählen zu den ältesten waldwissenschaftlichen Anlagen weltweit. Zudem repräsentieren die Waldflächen typische Klimaund Umweltbedingungen in Mitteleuropa. »Unsere Erkenntnisse basieren damit auf einem einzigartigen Datenbestand«, sagt Prof. Hans Pretzsch vom TUM-Lehrstuhl für Wachstumskunde, der die Studie leitete.

Wachstum im Zeitraffer Für Fichte und Buche, jeweils die wichtigste Nadel- und Laubbaumart in unseren Breiten, ermittelten die TUM-Wissenschaftler ein deutlich beschleunigtes Wachstum. Buchen entwickelten sich um 77 Prozent schneller als noch 1960, Fichten um immerhin 32 Prozent. Bei Betrachtung ganzer Bestände wuchsen die Buchen um 30 Prozent, die Fichten um zehn Prozent schneller. »Der Wert auf Bestandsebene liegt niedriger


als das Wachstum einzelner Bäume, da – vereinfacht gesagt – größere Bäume mehr Platz brauchen, das heißt, die Gesamtzahl sinkt«, erklärt Pretzsch. Die Münchner Wissenschaftler führen das rapide Wachstum der Bäume auf das wärmere Klima und die längere Vegetationszeit zurück. Weitere Wachstumsmotoren sind Kohlenstoffdioxid (CO2) und Stickstoff, deren Konzentration seit 100 Jahren stetig ansteigt. »Interessanterweise haben wir beobachtet, dass der saure Regen das Wachstum unserer Versuchsflächen nur vorübergehend beeinträchtigt hat, der Eintrag von Schadstoffen wurde ja auch seit den 1970er-Jahren deutlich reduziert«, sagt Pretzsch

Fotos: L. Steinacker, Archiv Edition Allgäu, Grafiken: G. Schütze, Bianca Elgaß

Veränderung fordert Anpassung Die Bäume wachsen und altern zwar schneller, doch das Erscheinungsbild des Waldes ändert sich deswegen nicht. Aber dieselben Baum- und Bestandsgrößen werden wesentlich früher erreicht als in der Vergangenheit. Davon könnte die Forstwirtschaft profitieren: Die Zieldurchmesser und der bestmögliche Zeitpunkt der Bestandsernte werden früher erreicht. Zudem lässt sich mehr Holz ernten, ohne das Prinzip der Nachhaltigkeit zu verletzen. Ob allerdings der Markt dieses Holz auch verstärkt nachfragt, ist nicht sicher. Nach wie vor bevorzugen Kunden die langsam gewachsene nordische Fichte mit engen Jahresringen oder auch unsere heimischen Nadelgehölze, die unter härteren klimatischen Verhältnissen und einer kürzeren Vegetationszeit gedeihen. Hier liegt vielleicht sogar

Mithilfe von Laser-Scans untersuchen die TUMWissenschaftler, wie sich Strukturen in Baumkronen verändern

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Klimawandel

Eine Chance für den Bergwald im Allgäu? Das strengere Klima erzeugt engjähriges Holz, das auch in Zukunft gute Marktpreise erzeilt

eine Chance für unsere Allgäuer Waldwirtschaft und die Waldbesitzer mit Bestand in höheren Lagen. Bisher ist die veränderte Zeitskala noch nicht in die klassischen Ertragsmodelle der Forstwirtschaft eingeflossen, die das Wachstum nur in Abhängigkeit vom Alter betrachten. Es besteht die Gefahr, dass der erhöhte Zuwachs nicht ausgeschöpft wird. Daneben sind das schnellere Wachstum und die frühere Alterung von Bäumen für das gesamte Waldökosystem von Bedeutung, wie Pretzsch erläutert: »Das bekommen besonders die Pflanzen- und Tierarten zu spüren, deren Habitate von speziellen Waldentwicklungsphasen und -strukturen abhängen. Höhere Mobilität kann für sie zu einer Lebensnotwendigkeit werden.«

Basis: Langzeitbeobachtung Die Studie basiert auf insgesamt 600.000 Einzelmessungen an Bäumen seit 1870. Über einen so lan-

gen Zeitraum lässt sich am Wachstum der Bäume ablesen, wie sie auf die sich wandelnden Umweltbedingungen reagiert haben. Pretzsch: »Obwohl die Versuchsflächen hinsichtlich Klima und Bodenbeschaffenheit variieren, lässt sich überall ein Trend zum schnelleren Wachstum erkennen.« Die Beobachtungsflächen in unserer Region befinden sich in Schongau, Füssen, Denklingen und Illertissen. Nicht nur die Versuchsflächen und der lange Beobachtungszeitraum machen die Daten so interessant. »Wir betrachten die Bäume nicht isoliert, sondern immer in der Wechselwirkung mit ihren Nachbarn. So können wir verstehen, wie sich die Dynamik einzelner Bäume auf den ganzen Bestand auswirkt. Die Wachstumstrends auf Bestandsebene sind entscheidend für die Forstwirtschaft, wenn wir über Produktivität, CO2-Speicherung und Klimarisiken sprechen«, so Pretzsch abschließend.

Illertissen

Fotos: Lehrstuhl für Waldwachstumskunde, TU München

Weitsichtige Vorväter August von Ganghofer und andere weitsichtige Forscherpersönlichkeiten wie Karl Gayer (geb. 1822, gest. 1907), Franz von Baur (geb. 1830, gest. 1897) und Arthur von Seckendorff-Gudent (geb. 1845, gest. 1886)

August von Ganghofer und Franz von Baur gelten als die Gründer des forstlichen Vesuchswesens in Bayern

dachten in den Jahren 1867 und 1868 das Grundkonzept für forstwissenschaftliche Untersuchungen in langfristigen Zeiträumen und weiträumigen Versuchsgebieten vor. Für die Planung, Anlage, messtechnische Aufnahme, Auswertung und Steuerung von langfristigen Versuchsflächen empfahlen sie die Einrichtung forstlicher Versuchsanstalten, die in Preußen, Baden, Sachsen, Württemberg und Hessen Ende des 19. Jahrhunderts gegründet wurden; die Gründung der Königlich Bayerischen Forstlichen Versuchsanstalt geht auf das Jahr 1881 zurück. Die heute mit vielfältigen Aufgaben betrauten Forstlichen Versuchsanstalten sollten in ihren Anfängen den langfristigen ertragskundlichen Versuchen eine Kontinuität verleihen; eine Voraussetzung, um die Praxis dauerhaft mit zuverlässigen Beurteilungsund Entscheidungshilfen zu versorgen.

Denklingen

Schongau

Füssen

Die Beobachtungsflächen im und um das Allgäu herum

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Klimaschutz

Erfolg mit »Aktion Klima« 35 Allgäuer Schulen waren umwelt-aktiv Eine wachsende Zahl von Schulen und Bildungseinrichtungen engagiert sich für die Umwelt und den Klimaschutz: Der CO2-Ausstoß wird bilanziert, Solaranlagen werden auf Schuldächern installiert. Auf vielfältige Weise fördern diese Aktivitäten das Klimabewusstsein. Beigetragen haben dazu die Programme »Aktion Klima« und »SolarSupport«. Hier ein regionaler Rückblick nach drei Jahren Laufzeit. er Klimaschutzschulenatlas weist 3384 Mitglieds-Schulen im Bundesgebiet aus. 361 Schulen waren in Bayern an der Aktion Klima beteiligt, 116 waren im Programm SolarSupport aktiv. Im Allgäu waren 35 Einrichtungen Partner, davon haben sich 29 an der »Aktion Klima« und sechs an SolarSupport beteiligt. Fünf haben eigene Projekte laufen oder schon durchgeführt. Ziel der Programme war es, Schülerinnen und Schüler durch vielfältige Angebote für das Thema Klimaschutz zu sensibilisieren und zu motivieren, sich aktiv für Klima- und Umweltschutz einzusetzen. Die drei Jahre haben gezeigt, dass Schulen und Bildungs-

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Fotos: Archiv und Grundschule Willrazhofen

Im Klimaschutzschulatlas sind folgende Allgäuer Schulen und Einrichtungen zu finden: Gymnasium Schwangau (beteiligt SolarSupport, Aktion Klima, Aktion Klima mobil; eigene Projekte: Schul-Solaranlage, Klimaschutzprojekte). Grundschule Füssen (beteiligt Aktion Klima) Hauptschule Rosshaupten (beteiligt Aktion Klima) Christoph-von-Schmid-Volksschule Seeg (beteiligt Aktion Klima) Hauptschule Pfronten (beteiligt Aktion Klima) Grundschule Pfronten (beteiligt SolarSupport und Aktion Klima; eigene Projekte: Schulsolaranlage, Klimakiste) Don-Bosco-Schule Marktoberdorf (beteiligt Aktion Klima) Hauptschule Marktoberdorf (beteiligt Aktion Klima) Landratsamt Ostallgäu (beteiligt Aktion Klima) Volksschule Unterthingau (beteiligt Aktion Klima) Volksschule Kaufbeuren-Hirschzell (Aktion Klima)

einrichtungen mit ein wenig Unterstützung viele innovative und kreative Projekte zum Thema Klimaschutz durchführen können. Gestützt durch das vielfältige Engagement von Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern, war es möglich, an Schulen auch mit kleinen Mitteln Großes zu bewegen. Bleiben wird der Klimaschutzschulenatlas, in dem die Bildungseinrichtungen, die an den Aktionen teilgenommen haben, vernetzt sind. Der Atlas ist gleichzeitig eine Plattform für alle Schulen, die Klimaschutzprojekte durchführen, sich dabei darstellen und austauschen möchten. Die Seite der BMU-Klimaschutzinitiative finden Sie hier: www.klimaschutzschulen.de

Konradin Volksschule Kaufbeuren (beteiligt Aktion Klima, Klimakiste) Gustav-Leutelt-Schule Neugablonz (beteiligt Aktion Klima) Volksschule Germaringen (beteiligt Aktion Klima) Volksschule Stöttwang-Westendorf (beteiligt Aktion Klima) Landjugendhaus Schullandheim Kienberg (beteiligt Aktion Klima, Klimakiste) Ludwig Aurbacher Mittelschule Türkheim (beteiligt Aktion Klima) Willmannschule Amberg bei Türkheim (beteiligt SolarSupport; eigene Solaranlage) Grundschule Türkheim (beteiligt SolarSupport; eigene Solaranalage) Volksschule Kettershausen (beteiligt SolarSupport) Städtische Realschule Kempten (beteiligt Aktion Klima; Klimakiste) Hildegardis-Gymnasium Kempten (beteiligt Aktion Klima; Klimakiste)

Die Grundschule in Willerazhofen bei Leutkirch war Partner bei SolarSupport

Staatliche Realschule Kempten (beteiligt Aktion Klima) Volksschule Obergünzburg (beteiligt Aktion Klima) Volksschule Wildpoldsried (beteiligt Aktion Klima) eza! GmbH (beteiligt Aktion Klima) Berufliches Schulzentrum Immenstadt (beteiligt Aktion Klima; weitere Projekte: Germanwatch, eigene Klimaprojekte, Klimakiste) Königsegg-Volksschule Immenstadt (beteiligt Aktion Klima) Volksschule Rettenberg (beteiligt Aktion Klima) Volksschule Laubenberg in Grünenbach (beteiligt Aktion Klima; Umweltschule; Klimakiste) Grundschule Scheidegg (beteiligt Aktion Klima; Klimakiste) Kindergarten St. Ambrosius Hergensweiler (beteiligt Aktion Klima) Freie Schule Lindau (beteiligt Aktion Klima; Klimakiste) Grundschule Wasserburg (beteiligt Aktion Klima) Grundschule Willerazhofen Leutkirch (SolarSupport; eigene Solaranlage)


Klimaschutz

Den Wald lesen lernen Ein neues Programm für Schulen Die Klimaschutz-Programme »Aktion Klima« und »SolarSupport« sind beendet. Mit »Aktion Wald!« ist aber ein neues spannendes Programm für Grundschulen gestartet. allgäuALTERNATIV stellt diese deutschlandweite Initiative vor, die von »BildungsCent e.V.« betreut wird.

Im Wald gibt es nicht nur Pilze zu entdecken und zu bestimmen...

... auch Moose, Farne, Baumschwämme, Zapfen und Baumrinden sind wunderbare Forschungsobjekte

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in Drittel der deutschen Landfläche ist mit Wald bedeckt. Im Allgäu ist der Anteil des Waldes sogar noch höher. Der Wald ist ein wichtiger Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen: Er reguliert das Klima, ist Filter für Wasser und Luft, durch ihn werden Steilhänge befestigt, und er ist für viele Menschen Freizeit-, Erholungs-, Abenteuerund Rückzugsraum. Die zu erwartenden Veränderungen des Klimas und deren Folgen für Natur und Umwelt gehen auch an den Wäldern nicht spurlos vorbei. Diese Veränderungen stellen die Gesellschaft vor große Herausforderungen. Wer den Wald schützen und ihn als unverzichtbaren Naturraum erhalten will, muss ihn besser kennenlernen. Das Programm Aktion Wald! steht unter dem Motto: Den Wald lesen lernen. Über erforschende und entdeckende Angebote können Kinder den Wald in

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seiner Vielfalt erkunden. Welche Veränderungen sind erkennbar? Woher kommen sie? Haben sie etwas mit den klimatischen Entwicklungen zu tun oder nicht? Teilnehmende Schulen oder einzelne Klassen bekommen eine »Waldkiste« und ein »Pflanzpaket« für ihre »Waldexkursion«. Um diesen Ausflug in den Wald zu finanzieren, bekommen sie einen Zuschuss von 200 Euro. Mit dem Inhalt der Waldkiste können Kinder jedem Lebensraum buchstäblich auf den Grund gehen. Moosschicht und Wurzelschicht erscheinen mit dem Spaten neu und aufregend. Die Pflanzen und Kräuter der Krautschicht werden mit Becherlupen, Maßband und Insektensauger unter die Lupe genommen. Strauch- und Baumschicht erscheinen mit Fernglas und Stethoskop in einem neuen Licht. So erzählt der Wald Stück für Stück seine Geschichte und wird für die Kinder als großes Ganzes lesbar.


Fotos: Stephanie Hofschlaeger/pixelio, Archiv

Der Schulhof wird mit unterschiedlichen Pflanzen aus dem Pflanzpaket bereichert. So werden Nist- und Schutzmöglichkeiten für Insekten und Kleintiere geschaffen. Naturbeobachtung hält Einzug in den Schulalltag. Bauanleitungen für Nist- und Unterschlupfmöglichkeiten regen dazu an, neue Lebensräume für Tiere und Insekten auf dem Schulgelände einzurichten. BildungsCent geht es darum, Lehrer und Kinder auf diese erfahrungs- und handlungsorientierte Weise für den Klima- und Umweltschutz zu sensibilisieren und sie zu vorausschauendem Handeln zu motivieren. Die unmittelbare Naturerfahrung und eine gute Kenntnis der unterschiedlichen Zusammenhänge ermöglichen es den Kindern, den Herausforderungen selbstbewusst, lösungsorientiert und als Teil der Gemeinschaft zu begegnen. Jedes Projektteam gestaltet ein individuelles Projekt. Die Waldkiste, das Pflanzpaket und die Waldex-

Info: Das Programm richtet sich an Grundschulen. Teilnehmen können die Schulen an Aktion Wald! über ein Bewerbungsformular im Internet. Die Teilnahme ist für Schulen und Bildungseinrichtungen kostenfrei. BildungsCent e.V. erwartet Engagement, Freude und Interesse an der Projektarbeit mit Kindern sowie am Umweltschutz. Darüber hinaus

sollen die Schulen ihre Aktivitäten in einem kurzen Projektbericht in der Programmdatenbank zusammenfassen, der auch mit Fotos illustriert werden kann. Das Team von BildungsCent steht bei Fragen, Wünschen, Anregungen und Problemen schnell und unbürokratisch zur Seite. Telefon 030 610 81 44 90 oder per E-Mail unter wald@bildungscent.de. Internet: www.bildungscent.de

kursion sind Teil der Projektarbeit. Wie ein Projekt tatsächlich aussieht, wo der thematische Schwerpunkt gesetzt wird, ist weitgehend den teilnehmenden Schulen beziehungsweise Klassen und Bildungseinrichtungen überlassen. Das Thema Wald sollte ein Fokuspunkt sein. Klimaschutz und biologische Vielfalt können auch nur periphär behandelt werden.

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Naturgarten

Eine Ernte ohne Chemie Margot Pauke sorgt füs Gleichgewicht »Landlust« ist ein Gefühl, das inzwischen ein halbes Dutzend Zeitschriften füllt. Dass es aber mehr als nur ein Gefühl braucht, wenn man mit den Jahreszeiten und der Natur leben will, macht Margot Pauke aus dem Unterallgäu vor. Und sie zeigt Interessierten am praktischen Beispiel, wie das im Sinne der Permakultur geht.

Im Holzregal oben sind die selbstgezogenen Samen für das nächste Jahr gesammelt. Rechts: Die Straßenfront des Pauke-Hauses »erblüht«

Im Wintergarten werden die Pflanzen vorgezogen

umme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten«, sagte Rabindranath Tagore, der indische Dichter und Philosoph, der 1913 den Nobelpreis für Literatur erhielt. Ein Sinnspruch, der in vieler Hinsicht auch auf die Gärtnerin Margot Pauke zutrifft, die in Heuwang, einem Weiler bei Unterthingau, lebt, inmitten der reizvollen Voralpenlandschaft mit Blick auf die Alpenkette im Süden. Sie sagt: »Beim Gärtnern lernt man Geduld.« Margot Pauke ist Jahrgang 1941, lernte diese Tugend im jahrelangen Umgang mit ihrem Garten, den sie nach biologisch-dynamischen Grundlagen gestaltet hat.

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Mit Vielfalt »gewinnen« »Beim Wachsen kann man nichts erzwingen.« Da täte sie sich in ihrem Gartenreich auch schwer. In einer üblicherweise von der Sonne verwöhnten Aue hat sie Gewächshäuser, Staudenbeete, Hochbeete, Kompostanlagen, einen Seerosenteich und den Wintergarten nach Bearbeitungs- und Wachstumskriterien von Rudolf Steiner angelegt. Mit den Erträgen aus ihrem Gar62

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ten kann die gelernte Floristin sich nicht nur selber versorgen, sondern die Früchte und Blumen auf Biomärkten im Umland auch verkaufen. Ihre zwei Töchter sind aus dem Haus, ihr Mann, der sie als Nebenerwerbsbauer unterstützte, starb vor einem Jahr.

Wundermittel Kompost Statt chemischer Mineraldüngung und Schädlingsbekämpfung setzt Margot Pauke spezielle Kräuter-, Quarz- und Mistpräparate für die Düngung und Schädlingsbekämpfung ein. Wichtige Grundlage für alles Gedeihen ist der Kompost. Auf zwei flachen Haufen verrotten Gartenabfälle, die regelmäßig mit einem Präparat aus Schafgarbe, Kamille, Brennnessel, Eichenrinde, Löwenzahn und Baldrian »geimpft« werden, um damit die Arbeit der Mikroorganismen im Boden anzuregen. Pferdemist sorgt für natürlichen Stickstoff. Beim Umgraben, eigentlich bei jeder Erdbewegung, kommt ein Anteil Kompost hinzu. Während Margot Pauke den einen Komposthügel nutzt, reift der andere heran.


Fotos: Thomas Niehörster

Margot Pauke hätte gerne Hilfe »mit grünem Daumen«

Schädlingsbekämpfung Ihre Stauden- und Gemüsepflanzen, Zucchini, Tomaten, Kürbisse, Kartoffeln, Kohl- und Bohnensorten zieht sie aus den Mutterpflanzen als Samen oder Stecklinge. Für ein ideales Kleinklima sorgen die Hecken und der Teich. Die Bäume und die Hecken rings um das Grundstück bieten vielen Vogelarten unterschiedlichste Nistgelegenheiten. Sie danken es der Gärtnerin, indem sie die Schädlinge fressen. In den Gemüsebeeten wachsen in einem Miteinander Pflanzen, die gegenseitig Insekten abwehren. Auch stark duftende Blumen weisen Schädlinge ab. Schnecken kommen in eine spezielle Schneckenjauche, die später dem Gießwasser wieder beigefügt wird. »Ein lebendiger Boden und eine an Lebenskräften reiche Natur sind für uns existenziell.«

Hilfe zur Selbsthilfe Ihre Erfahrungen und auch Setzlinge tauscht Margot Pauke regelmäßig mit aus einer Gruppe von fünfzehn Familien, den »Landwandlern«, die sich überwiegend aus den Erträgen ihrer Gärten selbst versorgen. Sie arbeiten nach dem Prinzip der Permakultur. Das ist ein sich selbst regulierendes System, das nur weniger Eingriffe von außen bedarf, um dauerhaft in einem dynamischen Gleichgewicht bestehen zu bleiben. Im »Bären« in Zell bei Eisenberg trifft sich regelmäßig ein Stammtisch Gleichgesinnter. In einem Seminarraum im Haus von Margot Pauke hat sie Platz für Schulungen und Vorträge zum Thema »biologischdynamischer Gartenbau«, die mittlerweile auch von Bauern aus der Umgegend besucht werden. Manchmal wächst der rüstigen Gärtnerin die Arbeit doch über den Kopf. Daher sucht sie einen Menschen, der sie unterstützt und dafür Kost und Logis frei hätte. Wer sich für die Arbeit von Margot Pauke interessiert, kann ihren Garten nach vorhergehender Anmeldung, Tel. 08377-463, gerne besichtigen. Thomas Niehörster

Das Kräuterbeet bietet Erlebnisse für Gaumen und Nase

Kurzinfo Margot Pauke, Heuwang 5, 87647 Unter thingau (an der Straße zwischen Unterthingau und Aitrang), E-Mail: margot.pauke@t-online.de An der Straßenseite: eine Einladung zur Selbstbedienung mit Produkten zur jeweiligen Jahreszeit

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Klima

Der Feind in der Luft Feinstaub – das Allgäu ist nicht verschont Er ist für das menschliche Auge unsichtbar und findet seinen Weg in alle Organe. Feinstaub gefährdet mehr Menschen als Zigarettenrauch. Endlich dringen Wissenschaftler mit ihren Warnungen durch. Dr. Andreas Fischer, Chefredakteur der Helmholtz Perspektiven, schreibt dazu in seiner Zeitschrift einen Leitartikel, den wir hier abdrucken.

ärz 2014, Feinstaubalarm im Zentrum Stuttgarts: Die Messstation »Am Neckartor« meldet zum 35. Mal, dass der Grenzwert überschritten wurde. Genau 35 Verstöße erlaubt die EU – pro Jahr. Bis Ende April wird die Zahl der Verstöße auf 51 steigen, danach ist Ruhe. Vorerst. »Feinstaub ist vor allem ein Problem in den Wintermonaten«, sagt Ute Dauert vom Umweltbundesamt. Mit insgesamt 82 Tagen über dem gesetzlichen Grenzwert war die Messstation »Am Neckartor« schon 2013 Spitzenreiter in der Bundesrepublik. Dahinter rangieren in diesem Jahr Berlin-Neukölln mit 35 Überschreitungen sowie Leipzig und Halle mit jeweils 34. Bis jetzt. Der Winter kommt ja noch. Was kaum einer weiß: Selbst die zugelassenen Feinstaubmengen bedrohen schon die Gesundheit. »Rauchen und Alkohol sind zwar für den Einzelnen gefährlicher als Feinstaub«, sagt Alexandra Schneider, »aber man kann frei entscheiden, ob man Zigaretten oder Alkohol konsumiert. Dem Feinstaub ist dagegen jeder Mensch ausgesetzt.« Somit bestünde für jeden ein Erkrankungsrisiko durch Feinstaub. Schneider ist Meteorologin und Epidemiologin am Helmholtz Zentrum München und leitet dort die Arbeitsgruppe Environmental Risks am Institut für Epidemiologie II. Feinstaub besteht aus Teilchen, die so klein sind, dass sie in der Luft schweben und nicht sofort zu Boden sinken. Einen Hundertstel Millimeter Durchmesser (10 µm) haben die größeren Partikel, PM 10 genannt. Man könne sich zwar mit einer Atemmaske ge-

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Dr. Andreas Fischer (oben), Chefredakteur der Helmholtz Perspektiven, nimmt die Feinstaub-Situation in unserem Land unter die Lupe. Unten: Der Verkehr ist mit schuld an der Belastung unserer Luft

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gen Feinstaub schützen, die sei aber unangenehm zu tragen, sagt Schneider. Das größte Problem jedoch ist: Den meisten Menschen ist das Gesundheitsrisiko, dem sie sich jeden Tag aussetzen müssen, nicht bewusst. Bei anderen Luftschadstoffen ist das anders. Weil immer mehr Menschen die Gefahren von Blei, Cadmium oder Schwefeldioxid erkannten und sie mitunter auch sehen oder riechen konnten, geriet die Politik unter Druck. Strengere Vorschriften für Kraftwerke, Industrieanlagen und Kraftfahrzeuge, verbunden mit neuen Filteranlagen und Katalysatoren, haben die Belastung der Luft seit 1990 deutlich verringert. Noch mehr Härte fordern Bürger und Wissenschaftler jetzt in Sachen Feinstaub – auch, weil das Risiko für Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen inzwischen wissenschaftlich abgesichert ist. Zunächst beeinträchtigen die Staubkörner die Atemwege. Tief in die Lunge eingedrungene Partikel können die Ausschüttung bestimmter Botenstoffe bewirken, die dann eine Entzündungsreaktion im Körper auslösen. Außerdem kann der Feinstaub den Herzrhythmus stören: direkt durch das Eindringen ins Herz, über das Andocken an sogenannte Reflexrezeptoren in der Lunge oder indirekt über Entzündungen. Für 2012 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO weltweit 3,7 Millionen Todesfälle durch Luftschadstoffe angegeben. Feinstaub war verantwortlich für 16 Prozent der Todesfälle durch Lungenkrebs, 11 Prozent der Todesfälle durch chronisch obstruktive Lungenerkrankung sowie über 20 Prozent der Todes-


brauchen schärfere Emissionsanforderungen für Pkw, Baumaschinen und Industrieanlagen«, sagt Ute Dauert. Auch in der Landwirtschaft und im Schiffsverkehr müssten die Feinstaubemissionen gesenkt werden, ebenso bei Kaminen und Öfen, denn das private Heizen mit Holz hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Alles Maßnahmen, die richtig wehtun würden – und zwar nicht nur der Industrie. Immerhin: Von 2015 an muss auch ein verbindlicher Grenzwert für Partikel von weniger als 2,5 µm Größe eingehalten werden – ein Anfang. Aber auch nicht mehr als das.

Info: Die Online-Ausgabe der Helmholtz Perspektiven ist unter www.Helmholtz.de zu finden.

In der Zeitschrift des Institutes sind weiterführende Informationen zu finden. Unten: Luftverschmutzung am Allgäuer Himmel durch KerosinAbgase im Flugverkehr

Fotos: Archiv, Gabi Eder/pixelio.de, Helmholtz

fälle durch Koronare Herzkrankheit und Schlaganfall. »In Europa verkürzt die Luftverschmutzung unsere Lebenserwartung um bis zu neun Monate«, sagt Schneider. Die derzeitigen Grenzwerte seien nicht ausreichend, da zu hoch – und würden zudem noch ständig überschritten. Damit aber nicht genug: Gerade in den Wintermonaten bringen östliche Winde viel Feinstaub aus Osteuropa mit sich. Im Gegensatz zu den 35 erlaubten Überschreitungen des PM-10-Tagesmittelwertes empfiehlt die WHO lediglich drei, um eine gesundheitliche Gefährdung auszuschließen. Ein Grenzwert, der selbst im ländlichen Raum kaum einzuhalten sei, sagt Ute Dauert, die beim Umweltbundesamt unter anderem für die Berichterstattung an die Europäische Kommission zuständig ist. »Die Grenzwerte sind Kompromisse zwischen gesundheitlicher Gefährdung und den Kosten für Minderungsmaßnahmen«, sagt sie. Und doch will sie die WHO-Empfehlungen in die Öffentlichkeit tragen, um den Erwartungsdruck auf die Politik zu erhöhen. Das größte Paradoxon in Sachen Feinstaub aber ist, dass es für die vermutlich gefährlichsten Staubteilchen bislang überhaupt keinen Grenzwert gibt: die sogenannten ultrafeinen Partikel – also solche mit einer Größe von weniger als einem Zehntausendstel Millimeter (0,1 µm). Sie gelangen von der Lunge bis ins Blut und darüber in jedes Organ. »Selbst im Gehirn wurden schon ultrafeine Partikel nachgewiesen«, sagt Alexandra Schneider. Sie könnten sogar am schädlichsten sein. »Aber sie sind auch am schwierigsten zu messen, weshalb Routinemessungen und gesundheitsbezogene Studien weitgehend fehlen.« So würde auch kein Grenzwert eingeführt. Inzwischen beginnen Wissenschaftler und Bürger zu handeln. Eine Initiative in Stuttgart demonstrierte kürzlich für zeitweilige Fahrverbote. In Hamburg fordert der NABU einen Landstromanschluss für Kreuzfahrtschiffe, denn der Schiffsverkehr macht allein 17 Prozent der Feinstaubemissionen in der Hansestadt aus. Doch der Hamburger Senat schiebt die für 2012 vorgesehene Entscheidung vor sich her. »Wir

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Landwirtschaft

Acker schlägt grüne Wiesen Amt legt ersten »Grünland-Report« vor

Maisplantage bei Jengen im Ostallgäu. Der Mais »verschluckt« die Kirche des Ortes

In den letzten Jahren hat Grünland mit hohem Naturwert einen besorgniserregenden flächenmäßigen Verlust erlitten. Es ging seit 2009 bundesweit durch Intensivierung der Nutzung oder Umbruch um über acht Prozent zurück. Im Unterallgäu sind Maisfelder bereits häufiger als Grünflächen. Jahr für Jahr wandern die Maisplantagen im Allgäu weiter südwärts und verdrängen Wiesen und Weideflächen. iese drastische Abnahme ist für den Naturschutz kritisch. Sie zeigt, dass die bisherigen Maßnahmen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft und insbesondere des artenreichen Grünlandes nicht die beabsichtigte Wir-

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kung hatten«, sagte Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN), bei der Präsentation des ersten »Grünland-Reports«. Anlass zur Sorge gibt dabei nicht nur der quantitative Rückgang des Grünlandes, sondern auch die qualitative Verschlech-


terung: Durch Intensivierung der Landwirtschaft nehmen Intensivwiesen und Mähweiden gegenüber biologisch vielfältigeren Grünlandflächen immer höheren Anteile ein. Was für die gesamte Bundesrepublik gilt, wirkt sich in unserer Region noch gravierender aus: Neben der Vermaisung im Allgäu schadet der Vielfalt in Flora und Fauna auch der immer früher durchgeführte erste Grasschnitt. Selbst die so fotogenen Löwenzahnwiesen im Allgäu fallen teilweise schon den Mähmessern zum Opfer. Eine ganze Reihe von Pflanzen, die früher noch auf den meisten landwirtschaftlichen Flächen zu fin-

den waren, sind heute zurückgedrängt auf Schutzgebiete und mit Maschinen schwer zugängliche Steilflächen und Böschungen. Viele Pflanzen können wegen der Intensiv-Nutzung nicht mehr absamen. »Wenn wir den Rückgang des Grünlandes und den damit verbundenen Verlust von Pflanzen- und Tierarten aufhalten wollen, dann brauchen wir eine nationale Grünlandstrategie mit einem flächendeckenden Grünlanderhaltungsgebot in Deutschland und ein Umschwenken in der Agrarförderpolitik. Nachdem auf EU-Ebene die Weichen gestellt sind, sind hier jetzt vor allem die Bundesländer bei der lau-

Die Wiese ist Lebensraum für Feldgrashüpfer, Hummel und Kaisermantel. Alle drei brauchen Futterpflanzen, die auf intensiv bewirtschafteten Grünflächen nicht mehr zu finden sind

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Insekten auf Schafgarbe und Margerite. beides Pflanzen, die wegen der frühen Mahd nur noch an Wiesenrändern gedeihen

fenden Ausgestaltung ihrer Agrarumweltprogramme gefordert«, so Beate Jessel. Nach Ansicht des BfN sollte insbesondere in FFH- und Vogelschutzgebieten sowie in weiteren sensiblen Gebieten (z.B. kohlenstoffreiche und erosionsgefährdete Gebiete) das Grünland unter strengen Schutz gestellt und eine Grünlandumwandlung bundesweit untersagt werden. Vor allem in Flussauen und auf Moorböden sollte ein generelles Grünlandumbruchverbot gelten. Bestehende Ackernutzungen in solchen Gebieten sind schrittweise in Dauergrünlandnutzung zu überführen. Ebenso setzt sich das BfN für eine bessere Förderung von Wanderschäfereien ein,

Die Ampel steht nicht auf »grün« Zum Grünland gehören gedüngte und ungedüngte Wiesen und Weiden zur Futtergewinnung und Einstreugewinnung sowie Naturschutzflächen wie Feuchtgrünland, Magerrasen und Streuobstwiesen. Über ein Drittel aller heimischen Farn- und Blütenpflanzen hat ihr Hauptvorkommen im Grünland (1250 von 2997 bezüglich Zugehörigkeit zu einer Vegetationseinheit und der Gefährdung bewerteten Arten). Von den in Deutschland gefährdeten Arten der Farn- und Blütenpflanzen haben sogar rund 40 Prozent (das entspricht 822 Arten) ihr Hauptvorkommen im Grünland. Die meisten Vogelarten, die auf Wiesen und Weiden brüten, gehen wegen der hohen Intensität der landwirtschaftlichen Nutzung deutlich im Bestand zurück. Bei den vorwiegend in Feuchtwiesen am Boden brütenden Arten wie Kiebitz und Uferschnepfe setzen sich die Bestandsverluste seit Jahrzehnten fort: Die Bestände des Kiebitz sind in den letzten 20 Jahren auf ein Viertel geschrumpft, bei der Uferschnepfe haben sie sich halbiert. Mit dem Grünlandrückgang verlieren insbesondere auch die auf ein reiches Blüten- und

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Nektarangebot angewiesenen Insekten wie Bienen und Schmetterlinge ihre Nahrungsgrundlage und ihren Lebensraum. In der aktuellen Roten Liste zeigt sich, dass sich der negative Bestandstrend insbesondere der auf Magerrasen und Trockenrasen vorkommenden Tagfalter-Arten und der in Mähwiesen, Magerrasen und Heiden vorkommenden Bienen fortgesetzt hat. Die Ameisenbläulinge der Feuchtwiesen (z.B. Dunkler WiesenknopfAmeisenbläuling) weisen einen starken Rückgang auf. Anlass zur Sorge gibt dabei nicht nur der quantitative Rückgang des Grünlands, der sich allein zwischen 1990 und 2009 auf 875.000 Hektar belief, sondern auch die qualitative Verschlechterung: Durch Intensivierung der Landwirtschaft nehmen Intensiv wiesen und Mähweiden gegenüber biologisch vielfältigeren Grünlandflächen immer höhere Anteile ein. Im kürzlich veröffentlichten nationalen Bericht zur FFH-Richtlinie, der den Erhaltungszustand der für den Naturschutz wichtigen Lebensräume bewertet, steht bei den Grünlandlebensräumen im kontinentalen und atlantischen Bereich keine einzige Ampel auf »Grün«, was einen guten Erhaltungszustand bedeuten würde.

Fotos: Volker Wille und Archiv

Landwirtschaft

Fliegenkonferenz auf einer »Naturgaststätte«

um extensive Grünlandtypen wie Wacholderheiden, die von einer Beweidung abhängig sind, zu erhalten. Denn Grünland hat vielfältige Bedeutung für Erholung und Landschaftsbild, den Erhalt der biologischen Vielfalt und den Naturhaushalt (z.B. Bodenschutz). Die drei Allgäuer Landkreise Ostallgäu, Oberallgäu und Lindau leben nicht unerheblich vom Tourismus. Windräder werden »wegen der Gäste« und des beeinträchtigten Landschaftsbildes bekämpft. Der


Eine extensiv bewirtschaftete Schafweide bietet Pflanzen und Tieren die höchste Lebensqualität

»schleichende Vormarsch« des Maisanbaus bis an die Alpenkante wird aber ohne große Proteste hingenommen. Das »grüne Allgäu« als Marketing-Mittel für die Gäste-Werbung droht von Maisschluchten geschluckt zu werden. Landwirtschaftliche Betriebe, die früher mit 20 oder 30 Milchkühen noch als Vollerwerbsbetrieb überleben konnten, sind heute auf Zuerwerb angewiesen. Die Grünflächen werden zusammengelegt, für die

Der Bläuling und andere Schmetterlingsarten lieben die süßen Blüten des Weißklee

Bearbeitung mit schwerem Gerät hergerichtet. Die kleinteilige Landwirtschaft ist im Allgäu kaum mehr überlebensfähig. Wie kann dem entgegengewirkt werden? Dem BfN zufolge müssen durch die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU insbesondere »dunkelgrüne«

Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz: »Grünland hat vielfältige Bedeutung für Erholung, Landschaftsbild und den Erhalt der biologischen Vielfalt« Agrar-Umweltmaßnahmen (AUM), die einen echten Mehrwert für die biologische Vielfalt haben, von den Bundesländern gefördert und besonders honoriert werden. Um dabei hochwertiges Grünland zu erhalten, sollten staatliche Zahlungen auch stärker an positive Wirkungen für das Grünland mit hohem Naturwert gekoppelt werden. Die AUM-Förderung sollte außerdem die Erhaltung und Entwicklung von Saumstrukturen beinhalten, die für den Erhalt der biologischen Vielfalt von sehr großer Bedeutung sind.

Info: Der Grünland-Report ist unter www.bfn.de einzusehen

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Im Portrait Was man alles aus Pflanzen, Fr체chten und Zweigen heimischer Gew채chse machen kann, zeigte Rosi M체ller an ihrem Stand

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Was tut die ReWiG Allgäu? Bekenntnis zu zukunftsfähigem Wirtschaften

u keiner Zeit verbrauchten die Menschen so schnell die Ressourcen ihrer Kinder und Kindeskinder, zu keiner Zeit war der Mensch von den wichtigen Seiten des Lebens so abgelenkt mit Arbeit, Internet und all den vielfältigen Angeboten moderner Kommunikation und Technik. Müssten wir nicht Verantwortung übernehmen für das, was wir anrichten? Sollten wir nicht nachdenken über unseren täglichen Konsum: Auto, Essen, Abfall, Energieverbrauch? Und was geschieht mit den Menschen, die da nicht (mehr) so mitkönnen? Kümmern wir uns liebevoll um sie? Und sind wir glücklich, so, wie wir leben? Die regionale Wirtschaftsgemeinschaft Allgäu, kurz: ReWiG Allgäu, setzt hier neue Akzente. Firmen sind aufgerufen, sich der GemeinwohlÖkonomie-Bilanz zu stellen. Hier sind Fragen zu beantworten, die sich nicht nur um den Ressourcen-Verbrauch bei der Herstellung der jeweiligen Produkte kümmern, sondern auch: Wie viel verdient der teuerste Mitarbeiter im Verhältnis zum einfachsten Angestellten der Firma? Klafft das Verhältnis mehr als 1:10 auseinander, ist die Firma gehalten, dies zu überdenken. Oder ein anderes Beispiel: Wie viel Mitspracherecht und Gewinnbeteiligung wird den Mitarbeitern eingeräumt, stehen sie doch für den Erfolg der Firma? Die Ergebnisse dieser Bilanz haben zum Ziel, ein neues Bewusstsein in den Firmen zum Wohle der Mit-

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Fotos: Bianca Elgaß

Wir leben im Paradies – andere machen hier Urlaub, und wir dürfen hier leben. Das Allgäu hat viele Gesichter, die Wirtschaft ist ein zentraler Punkt, schafft sie doch Arbeitsplätze – aber zu welchem Preis? Eine regionale Wirtschaftsgemeinschaft hat neue Ideen und begonnen, diese auch umzusetzen. allgäuALTERNATIV hat die Aufsichtsrats-Vorsitzende Stefanie von Valta gebeten, die ReWiG Allgäu vorzustellen.

Info: ReWiG Allgäu eG Pfaffengasse 10 87700 Memmingen Tel. 08331 640-6908 E-Mail: post@rewig-allgaeu.de Internet: www.projekte.rewig-allgaeu.de Vorstand: Doris Richtsteig, Thomas Spross, Roland Wiedemeyer Aufsichtsratsvorsitzende: Stefanie von Valta Bürozeit: Di, Mi, Do 11 – 12 Uhr

Die Lebensmittelretter (oben) verwer ten nicht mehr verkaufbare Lebensmittel aus Geschäften und zeigen, dass es noch vielerlei Verwendung gibt. Die veganische Küche stellte ihre Vielseitigkeit vor (unten)


Beim Herbstfest der ReWiG in Kempten war dank des guten Wetters viel Besuch an den Ständen

Stefanie von Valta beschreibt für allgäuALTERNATIV die ReWiG

menschen und der Natur zu schaffen. Immer mehr Firmen im Allgäu, in Deutschland, Österreich und weltweit entscheiden sich dafür, diesen Weg zu gehen. Zur ReWiG Allgäu gehören neben zahlreichen Bio-Bauern auch nachhaltig wirtschaftende Unternehmen, Erfinder, Perma-Kulturisten, eine Schule mit ganzheitlichem Ansatz, Menschen, die sich der solidarischen Landwirtschaft verschrieben haben, Gründer alternativer Altenpflege-Bewegungen, kurz: Menschen, die wieder eine Balance mit sich und der Umwelt herstellen wollen, zum Wohle aller, auch der nachfolgenden Generationen. Damit das alles klappt, kann jedes ReWiG-Mitglied seine eingebrachte Zeit in Zeitpunkten notieren und in sogenannte »Realo« umwandeln, wenn er/sie auf dem Marktplatz, in einem der Tauschringe oder bei unseren Unternehmern einkaufen geht.

Was ist eine ReWiG? 1.) Eine eingetragene Genossenschaft Die drei ReWiGen München, Schlehdorf und Allgäu sind eingetragene Genossenschaften. Als Mitglied kann ich die Geschicke der Genossenschaft aktiv mitgestalten oder die Arbeit der ReWiG passiv unterstützen. 2.) HerausgeberIn von Genussrechten Die ReWiG München und die ReWiG Allgäu geben Genussrechte in Euro-Währung aus. Diese Genussrechte kann jeder erwerben, der/die an einer nachhaltigen Geldanlage

interessiert ist. Der Erwerb von Genussrechten ist unabhängig von der Mitgliedschaft. Dieses Geld investiert die ReWiG in nachhaltig wirtschaftende Unternehmen in der jeweiligen Region. 3.) Betreiberin einer Komplementärwährung Die ReWiG gibt die Komplementärwährung Realo heraus. Der Realo ist eine rein virtuelle, komplett euro-unabhängige und zinsfreie Währung. Auf dem Realo-Marktplatz können Leistungen und Produkte angeboten und in Anspruch genommen werden.

Die besondere Gelegenheit: Gute Naturprodukte wurden vor Ort angeboten

Die ReWiG Allgäu verfügt außerdem über eine eigene Akademie. Ziel ist es, die Menschen durch Bewusstwerdung, Training und Bildung in ihrer Persönlichkeitsentwicklung voranzubringen. Hier findet jeder ein für ihn passendes Seminar oder einen interessanten Vortrag. Angedacht ist auch ein ReWiG-Zentrum, in dem Wohn- und Lebensgemeinschaften gegründet, die Akademie ihre Heimat finden und ein Ort der Begegnung geschaffen werden soll. Gemeinschaftlich entscheiden die ReWiG-Mitglieder in der sogenannten »Kernteam-Sitzung«, wie sich die ReWiG weiterentwickeln soll. Die Sitzung ist basis-demokratisch, das bedeutet: Jedes Mitglied ist gleichwertig mit seinem Beitrag, die »Führungs-Riege« (Vorstand und Aufsichtsrat) sind nur als Mitglieder in der Sitzung und werden nur gewählt, weil die ReWiG eine Genossenschaft ist. Zahlreiche Projekte wie z.B. der Bau von Windrädern, Hochbeeten und Earthships laden das Mitglied zum Mitwirken ein. Und in vielen Kooperationen vernetzt sich die ReWiG zunehmend mit anderen nachhaltig und gesellschaftlich-verbindenden Organisationen und Einrichtungen. Ziel von all diesen Aktivitäten ist es, das Allgäu wirtschaftlich auf allen Ebenen nachhaltig unabhängig zu machen. Feiern und Fröhlichsein stehen beim Herbstfest, nach KernteamSitzungen und zahlreichen Einladungen gerne im Mittelpunkt der ReWiG Allgäu, es macht einfach Freude zu sehen, wie viele Menschen und Ideen schon auf einem Weg in eine gesunde neue Welt zum Wohle aller sind.


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Was macht der »rote Zwerg« auf dem alternativen Markt? Zwischen 1957 und 1969 baute die Dingolfinger Firma Glas den eigenwilligen Kleinwagen Goggomobil Coupe TS, eine sportliche zweisitzige Variante zur eher rundlichen Limousine. Ein ZehnPS-Zweizylindermotor mit 250 Kubikzentimetern Hubraum arbeitete unter der Heckklappe. Was hat nun dieser schmucke Oldtimer auf dem ReWiGHerbstmarkt zu suchen? Ganz einfach: Mario Hagleitner aus Kirchberg an der Iller hat dem Kleinwagen einen neuen alternativen Antrieb verpasst. Etwas verloren wirkt der Elektromotor mit dem Controller im sowieso schon putzigen Heckraum. Die Batterien sind hinter Fahrer- und Beifahrersitz versteckt. Der neue Antrieb bringt etwa die gleich Leistung wie das alten »Benzin-Triebwerk«. Aufgrund des neuen Motors hat das FahrEin besonderer Oldie: Mario Hagleitner (Foto ganz oben) hat seinem Goggo-Coupé einen Elektro-Antrieb verpasst (unten)

zeug bedauerlicherweise den Status als Oldtimer verloren.

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Foto: Hochschule Biberach

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Hochchule Biberach: Segeltörn zu Energie-Standorten in der Ostsee Mit einem historischen Segelschiff machten sich Studenten der Hochschule Biberach auf Erlebnis-Tour in der Ostsee. Ihre Ziele: Energieanlagen mit OffshoreWind, Dampf und Wellen.

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Regionale Berichte zu Energiezukunft und Klimaschutz

Foto: Dominik Ultes

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Autotest: Der erste Hybrid-SUV im Allgäu Das Autohaus Sirch hat uns den geländegängigen Allrounder zum Test zur Verfügung gestellt. Wir haben die Waldbesitzer-Vereinigung gebeten, das Fahrzeug in Wald und Flur auszuprobieren.

Redaktions- und Anzeigenschluss ist der 30.01.2015

Nicht alles wächst im Allgäu-Klima

Anzeigen-Kontakt: Sven Abend, Tel. +49 (0)8379 728616 E-Mail: sven.abend@ heimat-allgaeu.info 74

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Foto: Hauser

Erscheinungstermin am 06.03.2015

So manche Enttäuschung bleibt HobbyGärtnern in unseren Breiten erspart, wenn sie sich von einheimischen Fachleuten beraten lassen und beim Kauf von Pflanzen und Stauden auf deren Erfahrung verlassen. Unser Foto zeigt die Alpenglockenblume.




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