MÖBELMARKT Blickpunkt 04/2018: Röhr Logistic Group

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ist eine Beilage zum MÖBELMARKT 04|2018

MÖBELMARKT BLICKPUNKT

Wir müssen endlich Lösungen finden!

Im Gespräch mit Geschäftsführern der Anton Röhr Gruppe Seitdem die meisten Möbelhersteller ihre Werksverkehre abgeschafft haben, kommt den Möbelspediteuren eine immer größere Bedeutung zu. Ohne sie dreht sich weder bei Industrie noch beim Handel überhaupt noch etwas. Doch die Probleme der Branche sind groß, äußere Einflüsse wie immer mehr EU-Bürokratie, Maut und Fahrermangel lassen die Kosten der Spediteure steigen. Außerdem säge der Handel derzeit kräftig an dem Ast, auf dem er sitzt, schlagen Johannes Röhr und das Geschäftsleitungsteam der Anton Röhr Logistic Group Alarm. MM: Vor etwa fünf Jahren kochte der „Brennpunkt Rampe“ in der Möbelbranche das erste Mal hoch. Wie hat sich die Lage seitdem verändert? Johannes Röhr: Die Lage ist noch viel schlimmer geworden. Die Bürokratie produziert große Kosten – der digitale Tacho sorgt für erhebliche Einschränkungen in der Flexibilität und Fahrzeugauslastung und führt dadurch zu hohen Kostensteigerungen. Auch die horrenden Kosten für einen LKW-Führerschein von rund 8.000 Euro, die Tatsache, dass durch den abgeschafften Wehrdienst immer weniger Menschen mit LKW-Führerschein Klasse CE auf den Arbeitsmarkt kommen, und die ständig drastischer werdenden Marktzugangsvoraussetzungen für Kraftfahrer machen uns schwer zu schaffen. Weiterhin werden wir durch die Einführung der Bundesstraßenmaut ab 01.07.2018 kostenmäßig belastet und müssen diese durch Preisanpassungen umsetzen. MM: Finden Sie denn überhaupt noch genügend Fahrer? Johannes Röhr: Kaum. Eigentlich haben wir, was das angeht, eine Vollauslastung – wir können jeden Tag froh sein, wenn wir jedes unserer Fahrzeuge auch mit einem Fahrer besetzen können. Gerade in der Möbellogistik ist das Problem besonders groß, weil uns Möbelspediteuren die Fahrer von Speditionen mit vermeintlich leichteren Arbeitsbedingungen abgeworben werden. Und so, wie die Fahrer an den Entladestellen manchmal behandelt werden, verlieren sie auch die Lust an ihrem Beruf. MM: Das heißt, die Probleme in der Möbellogistik sind weiterhin auch hausgemacht? Peter Gentner: Auf jeden Fall, den Handel interessieren die Probleme überhaupt nicht, er gibt den Druck einfach an die Industrie und die Transporteure weiter. Die Läger beim Handel sind oft nur noch mit einer Person besetzt, die sich nur um die Warenannahme und Kontrolle kümmert, während gleich mehrere Spediteure darauf warten, abladen zu können – von Unterstützung beim Entladevorgang wollen wir gar nicht reden. Unsere Fahrer wollen einfach nicht mehr mehrere Stunden bei großen und kleinen Händlern vor dem Lager warten, um dann doch unverrichteter Dinge wieder fahren zu müssen, weil das Lager schließt. Das ist doch frustrierend. MM: Ist die Lage bei der Großfläche besonders schwierig? Peter Gentner: Sicher ist sie da schwierig, aber viele kleine Händler, besonders auch Hochwert-Einrichter, sind da nicht besser. Die haben nicht mal einen Mitarbeiter, der für das Lager zuständig ist, geschweige denn eine Rampe zum Entladen. Und wenn der Chef und sein Verkäufer im Kundengespräch sind, stehen wir da genauso und warten. MM: Was bedeuten solche Wartezeiten für Ihre Arbeit? Ingrid Grube: Dass wir unsere Touren in den geplanten und avisierten Zeiten nicht mehr abgearbeitet bekommen. Wenn wir eine Tour planen, bei der wir 15 Entladestellen in zwei Tagen anfahren wollen, und unser Fahrer bei den ersten Stopps bereits jeweils mehrere Stunden warten muss, was kein Einzelfall ist, dann ist klar, dass wir die Tour nicht mehr komplett zu den avisierten Terminen schaffen werden. Und dieses Problem wird immer schlimmer. Bei kleinen Sendungsgrößen pro Entladeadresse und zeitlich fest gebuchten Tageszeiten haben wir bei Verspätungen keine Chance mehr die Ware zuzustellen. Die Bereitschaft der Möbelannehmer, die Ware dann anzunehmen besteht nicht, selbst wenn die Ware in der gebuchten Tageszeit entladen werden könnte. Wenn das Fahrzeug nicht exakt zu der gebuchten Anfangszeit, sondern mit minimaler Verspätung vor Ort ist, wird die Ware nicht mehr entgegengenommen, selbst wenn sie noch innerhalb des gebuchten Annahmezeitraums hätte entladen werden können. Auch durch eine Verringerung der Annahmerampen entstehen Wartezeiten. So hat ein großer Händler in Heilbronn nach einem Umbau die Entladekapazitäten verringert. Für das entsprechende Haus bedeutet dies, dass statt insgesamt drei Rampen und einem Schnellentladetor nur noch zwei Rampen und überhaupt kein Schnellentladetor mehr zur Verfügung stehen. Maik Pollhans: Diese Verzögerungen beim Entladen führen dann dazu, dass wir verschiedene Kunden mehrfach anfahren müssen und dementsprechend auch zusätzliche Kilometer produzieren. Außerdem ist es fast schon die Regel, dass wir einige Stationen bei einer geplanten Tour gar nicht mehr schaffen. Vor allem dann nicht, wenn die entsprechenden Händler ihre Warenannahmenzeiten immer weiter verkürzen. Von 9 bis 16 Uhr mit einer Stunde Mittagspause und am Freitag ist die Warenannahme ganz geschlossen – solche Zeiten sind keine Seltenheit mehr. Wir wissen dann wirklich nicht mehr, wie wir die Ware zum Handel bekommen sollen. Johannes Röhr: Und danach kommt das Problem mit den Konventionalstrafen zum Tragen. Ich will ganz ehrlich sein: Fast hat man den Eindruck, dass teilweise der Handel bestimmte

Warenannahmen absichtlich verzögert, damit er beim Hersteller Konventionalstrafen geltend machen kann. Wenn unser Fahrer beispielsweise bei einigen Händlern seinen Entladetermin nur um wenige Minuten verpasst, dann wird nicht ein wenig Flexibilität gezeigt, sondern er bekommt für diesen Tag keinen neuen Termin. Wenn dann unsere Disposition nachfragt und neue Termine vorschlägt, dann ist in der laufenden Woche nichts mehr frei, in der Folgewoche ebenfalls nicht, in der Woche darauf bekommt man dann einen Termin. Und beim Hersteller wird die vertraglich vereinbarte Konventionalstrafe abgezogen – schließlich hat er wenige Tage zu spät angeliefert. MM: Aber Sie hätten doch pünktlich angeliefert, wenn man Sie gelassen hätte ... Ingrid Grube: Das ist richtig. Insofern hat die Belieferung aber nicht stattgefunden und es wird am Ende wie vorher beschrieben ein Verantwortlicher gesucht. Es ist aber nicht machbar, all diese Vorgänge und deren Wechselwirkungen transparent zu dokumentieren. Die Konventionalstrafe wird vom Handel automatisch von der Rechnungssumme abgezogen. Diese wird aber erst einige Wochen später eingefordert, der Hersteller müsste dann nachträglich für jeden einzelnen Vorgang von seinem Spediteur die entsprechende Information einholen. Und dafür müssten unsere Fahrer zusätzlich zu ihren vielen Aufgaben noch für jede einzelne Entladestelle dokumentieren, woran die Entladung gescheitert ist – beispielsweise an der Verzögerung zwei Entladestellen vorher in der Tour. Das kann am Ende niemand mehr nachvollziehen. Maik Pollhans: Wir hatten im vergangenen Jahr rund 14.100 Stunden reine Wartezeit an den Entladestellen – ich denke, das verdeutlicht die Größe des Problems. Die betriebswirtschaftliche Auswirkung der reinen Wartezeiten (ab einer halben Stunde) ergibt Kosten bei unserer gesamten Gruppe von 1,2 Millionen Euro im Jahr. Die Kosten der Disposition und Administration wurden dabei nicht berücksichtigt. Johannes Röhr: Die Industrie ist inzwischen so verzweifelt, dass sie versucht, die Konventionalstrafen auf die Transporteure abzuwälzen, weil sie ihnen die komplette Marge kaputt macht. Aber das geht natürlich nicht, dafür gibt es keine vertragliche Grundlage. Und klar ist doch auch: Bei einem Schlafzimmer, für das ca. 80 Euro Frachtkosten an den Hersteller berechnet werden, können wir natürlich nicht das Risiko von 200 Euro Konventionalstrafe übernehmen. MM: Das Problem haben aber nicht nur Sie, sondern es ist ein Branchenproblem. Auch einer Ihrer Kollegen hat ja kürzlich die derzeitigen Bedingungen deutlich kritisiert. Johannes Röhr: Das ist richtig und ich stimme unserem Kollegen in jeder seiner Aussagen voll zu. Alle Probleme, die von ihm erwähnt wurden, sind auch unsere Probleme und müssen kurzfristig gelöst werden. Die Branche der Möbellogistik steht aktuell an einem Scheideweg und ich glaube, der Handel hat noch nicht erkannt, was es bedeuten würde, wenn einer von den großen Möbeltransporteuren ausfallen würde – dann würden sie nämlich ihre Ware generell verzögert bekommen. Es geben doch heute schon zahlreiche kleinere Kollegen aus wirtschaftlichen Gründen auf, weil sie die steigenden Kosten und die strukturellen Probleme der Branche einfach nicht mehr in den Griff bekommen. MM: Wo sehen Sie die Lösung des Problems? Johannes Röhr: Alle an der Produktions- und Logstikkette Beteiligten – und vor allem der Möbelhandel – müssen doch die durchgängige und qualitativ hochwertige Leistungserbringung in Richtung des Verbrauchers in den Fokus rücken. Nur so wird es uns gemeinsam gelingen, dauerhaft und prozessübergreifend ein vernünftiges Preis-Leistungs-Verhältnis zu gewährleisten. Um unseren Part dazu beitragen zu können, benötigen wir deshalb dringend Lösungen zu den angesprochenen Problemen, wie: ● Die Öffnungszeiten der Warenannahmen sollten von 7 bis18 Uhr von montags bis einschließlich freitags sein und den saisonalen Mengenschwankungen angepasst werden. ● Für Kleinmengen bis 5 Kubikmeter sollte ein Schnellentladetor zur Verfügung stehen. ● Die Wartezeit an der Rampe sollte nicht länger als 30 Minuten betragen. ● Verbesserungen der zwischenmenschlichen Beziehung zwischen dem Warenannehmer und dem Fahrpersonal. Diese Maßnahmen sind nötig, damit der Warenfluss vom Hersteller bis zum Handel qualitativ hochwertig und unter Vermeidung von Mehrfachanlieferungen gewährleistet werden kann.

Foto (von links): Maik Pollhans und Ingrid Grube (beide Geschäftsführer Anton Röhr GmbH), Peter Gentner (Geschäftsführer Siegmann, Siegmann Swiss Logistik und Spitznagel) ist per Videokonferenz zugeschaltet, Johannes Röhr, geschäftsführender Gesellschafter der Anton Röhr GmbH, sowie Fabian Pollmeier, Assistent der Geschäftsleitung.


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