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Apexxnar® – ein neuer 20-valenter Pneumokokken- Konjugatimpfstoff
Apexxnar® – ein neuer 20-valenter PneumokokkenKonjugatimpfstoff
Seit Februar 2022 ist der Pneumokokken-Konjugatimpfstoff Apexxnar® in der Europäischen Union für die aktive Immunisierung von Personen ab 18 Jahren zur Prävention gegen invasive Erkrankungen und Pneumonien zugelassen, die durch Streptococcus pneumoniae verursacht werden [1]. Der Impfstoff enthält die konjugierten Polysaccharide von 20 Serotypen (1, 3, 4, 5, 6A, 6B, 7F, 8, 9V, 10A, 11A, 12F, 14, 15B, 18C, 19A, 19F, 22F, 23F, 33F) und verfügt damit über die breiteste Serotypenabdeckung unter den zugelassenen Konjugatimpfstoffen. Bei dem neuen Impfstoff handelt es sich um die Weiterentwicklung des 13-valenten Konjugatimpfstoffs Prevenar 13®. Im Vergleich zu Prevenar 13® kann Apexxnar® vor doppelt so vielen invasiven Pneumokokken-Erkrankungen schützen und 60% mehr Pneumokokken-Pneumonien verhindern [2].
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Konjugattechnologie – Bildung eines immunologischen Gedächtnisses
Konjugatimpfstoffe wie Apexxnar® können eine verbesserte Immunantwort im Vergleich zu Polysaccharidimpfstoffen auslösen. Denn anders als bei Polysaccharidimpfstoffen wird die Immunantwort mithilfe der Konjugattechnologie von einer T-Zell-unabhängigen zu einer T-Zell-abhängigen Antwort modifiziert [1, 5, 6]. Dies führt sowohl zu einer Verstärkung der Antikörperantwort als auch zur Bildung eines immunologischen Gedächtnisses (Einzelheiten siehe Insert auf S. 87).
Robuste Immunantwort bei akzeptablem Sicherheitsprofil
Die Immunogenität von Apexxnar® wurde in 3 Phase-III-Studien mit fast 6.500 Teilnehmern überprüft [7, 8, 9]. In diesen Studien konnte für die 13 in beiden Impfstoffen enthaltenen Serotypen (1, 3, 4, 5, 6A, 6B, 7F, 9V, 14, 18C, 19A, 19F und 23F) die Nicht-Unterlegenheit von Apexxnar® gegenüber Prevenar 13® nachgewiesen werden [1, 10]. Die 7 darüber hinaus in Apexxnar® enthaltenen Serotypen (8, 10A, 11A, 12F, 15B, 22F und 33F) können ebenfalls invasive Pneumokokken-Erkrankungen (IPD) sowie Pneumokokken-Pneumonien verursachen und sind mit hoher Sterblichkeit, Antibiotika-Resistenz und/oder Meningitis assoziiert. Für diese 7 weiteren Serotypen wurde die Nicht-Unterlegenheit gegenüber dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff (PPSV23) getestet [8]. Einen Monat nach der Impfung waren die durch Apexxnar® ausgelösten Immunantworten auf 6 der 7 zusätzlichen Serotypen gegenüber den durch PPSV23 ausgelösten Immunantworten auf dieselben Serotypen nicht unterlegen. Die Immunantwort auf Serotyp 8 verfehlte das vorgesehene sta-
Pneumokokken-Erkrankungen
Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) sind bakterielle Erreger, die den Nasen-Rachen-Raum des Menschen besiedeln. Meist verursacht die Infektion keine Symptome, kann aber auch zu einer hohen Krankheitslast führen: Zum einen können sie schwerwiegende invasive Erkrankungen (IPD) wie eine bakteriämische Pneumonie, Bakteriämie oder Meningitis verursachen. Zum anderen und weitaus häufiger sind sie die Ursache für nicht invasive mukosale Erkrankungen wie eine ambulant erworbene Pneumonie (CAP), Otitis media und Sinusitis [3]. Die Inzidenz für ambulant erworbene Pneumonien wird in Deutschland auf über 660.000 Fälle jährlich geschätzt. Nahezu die Hälfte der Betroffenen (46,5 %) muss aufgrund der Pneumonie stationär behandelt werden; die Sterblichkeit innerhalb von 30 Tagen beträgt 12,9 % [4].
tistische Kriterium für die NichtUnterlegenheit nur sehr knapp. Die untere Grenze des zweiseitigen 95%Konfidenzintervalls für den geometrischen Mittelwert der Antikörpertiter (GMT-Verhältnis) betrug in der Studie 0,49 statt des vordefinierten Werts von 0,5 für die Nichtunterlegenheit [1]. Das Sicherheitsprofil von Apexxnar® war in den klinischen Studien mit dem von Prevenar 13® vergleichbar und es traten keine neuen Nebenwirkungen auf [1].
Risikopatienten ganzjährig gegen Pneumokokken impfen
Bisher liegt keine Stellungnahme oder Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) zur Impfung mit dem neuen Konjugatimpfstoff Apexxnar® vor. Es liegt im Ermessen des Arztes oder der Ärztin, Patienten auch bei fehlender STIKO-Empfehlung auf weitere Schutzmöglichkeiten entsprechend den existierenden Impfstoffzulassungen hinzuweisen. Dies kann je nach individueller gesundheitlicher Situationen sinnvoll sein. Die STIKO empfiehlt die Pneumokokken-Impfung bei Personen ab 60 Jahren, bei Personen mit chronischen Erkrankungen und bei Personen mit Immunsuppression [11]. Gemäß aktueller STIKO-Empfehlung sollen immunsupprimierte Risikopatienten (z.B. bei Krebs, rheumatoider Arthritis und anderen chronischen Erkrankungen, die mit Immunsuppressiva behandelt werden) zuerst eine Impfung mit dem 13-valenten Konjugatimpfstoff Prevenar 13® erhalten, gefolgt von einer zweiten Impfung mit dem 23-valenten Polysaccharidimpfstoff [11]. Prevenar 13® ist weiterhin verfügbar.
Konjugatimpfstoffe ermöglichen die Bildung eines immunologischen Gedächtnisses
Der Konjugattechnologie liegt die Verbindung (Konjugation) eines spezifischen Zuckermoleküls auf der Bakterienhülle (Kapselpolysaccharid) mit einem Trägerprotein zugrunde. Anders als bei Polysaccharidimpfstoffen modifiziert diese Koppelung die Immunantwort von einer T-Zell-unabhängigen zu einer T-Zell-abhängigen. Durch den T-Zell-abhängigen Mechanismus wird sowohl die Antikörperantwort auf den Impfstoff verstärkt als auch die Bildung eines immunologischen Gedächtnisses (B-Gedächtniszellen) angeregt. Zudem ist aufgrund der Konjugattechnologie mit einem guten Ansprechen auf Auffrischimpfungen (BoosterEffekt) zu rechnen [6].

© Pfizer
Eine Impfung gegen Pneumokokken ist das ganze Jahr möglich. Erkrankungen, ausgelöst durch Pneumokokken, treten vermehrt in den Wintermonaten auf, aber die potenzielle Gefahr einer Infektion besteht dennoch ganzjährig. Ältere Personen und Menschen mit Immundefizienz sollten daher nicht erst kurz vor dem Winter gegen Pneumokokken geimpft werden, sondern immer dann, wenn die Indikation gestellt bzw. die Impflücke entdeckt wird.
Fabian Sandner, Nürnberg
Literatur
1 Fachinformation Apexxnar®; Stand: Februar 2022 2 Bahrs C et al. Eur Respir J 2022;59: 2102432 3 Robert Koch-Institut: Schutzimpfung gegen Pneumokokken: Häufig gestellte Fragen und Antworten. https://www.rki.de/
SharedDocs/FAQ/Impfen/Pneumokokken/FAQ-Liste_Pneumokokken_Impfen. html?nn=2375548 4 Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen: Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2020:
Ambulant erworbene Pneumonie. https:// iqtig.org/downloads/auswertung/2020/ pneu/QSKH_PNEU_2020_BUAW_
V01_2021-08-10.pdf 5 Pollard AJ et al. Nat Rev Immunol 2009; 9:213-220 6 Lazarus R, et al. Clin Infect Dis 2011; 52:736-42 7 Clinical Trials. Trial to evaluate the safety and immunogenicity of a 20-valent pneumococcal vaccine in adults 65 years of age or older with prior pneumococcal vaccination. https://clinicaltrials.gov/ct2/ show/NCT03835975 8 Clinical Trials. Trial to evaluate the safety and immunogenicity of a 20-valent pneumococcal conjugate vaccine in pneumococcal vaccine-naïve adults. https:// clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03760146 9 Clinical Trials. Trial to evaluate the safety and immunogenicity of 3 lots of 20-valent pneumococcal conjugate vaccine in pneumococcal vaccine-naïve adults. https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT038 28617 10 Fachinformation Prevenar 13®, Stand:
November 2020 11 Ständige Impfkommission: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STI-
KO) beim Robert Koch-Institut 2022.
Epid Bull 2022;4:3-66
Ruxolitinib auch für die Behandlung der steroidrefraktären GvHD zugelassen
Bei rund 50% der Empfänger einer allogenen Stammzelltransplantation entwickelt sich eine akute oder chronische Graft versus Host Disease (GvHD). Bei dieser lebensbedrohlichen Immunreaktion betrachten die T-Zellen des Spenders das Darm-, Haut- oder Lebergewebe des Empfängers als fremd und schädigen es. Eine akute GvHD tritt in der Regel innerhalb der ersten 100 Tage nach der Transplantation auf, eine chronische GvHD normalerweise mehr als 100 Tage nach der Transplantation. Die chronische GvHD erfordert eine meist über mehrere Jahre andauernde immunsuppressive Behandlung. Die erste Wahl für die Therapie der GvHD sind Kortikosteroide, die jedoch die Patienten nicht immer retten können. Etwa die Hälfte der Patienten ist steroidrefraktär. Ihre Prognose ist schlecht – etwa 50% von ihnen überleben das Folgejahr nicht. Bislang gab es keine evidenzbasierte zugelassene Therapie für diese Patienten. Mit der Zulassung von Ruxolitinib (Jakavi®) steht seit Mai 2022 eine Behandlungsoption für Patienten ab 12 Jahren mit akuter oder chronischer GvHD zur Verfügung, die unzureichend auf Kortikosteroide oder andere systemische Therapien ansprechen. Ruxolitinib kann auch zusätzlich zur laufenden Behandlung mit Kortikosteroiden eingesetzt werden.
Ruxolitinib
Ruxolitinib (Jakavi®) ist ein Januskinase (JAK)-1/2-Inhibitor. Die JAK1/JAK2-Signalübertragung spielt eine zentrale Rolle bei der Aktivierung neutrophiler Granulozyten, die an der Entstehung der akuten und chronischen GvHD beteiligt sind. Ruxolitinib hemmt die bei GvHD dysregulierte JAK1- und JAK2-Signalübertragung und damit die Produktion proinflammatorischer Zytokine. Indem es die Entwicklung regulatorischer T-Zellen fördert, trägt es zur Wiederherstellung einer physiologischen Immunantwort bei.
Signifikant besseres Ansprechen auf Ruxolitinib als auf BAT
Die Zulassung von Ruxolitinib bei GvHD stützt sich auf die beiden Phase-III-Studien REACH2 bei akuter GvHD und REACH3 bei chronischer kortikosteroidrefraktärer/abhängiger GvHD vom Grad II–IV, in denen Ruxolitinib mit der bestmöglichen Behandlung (best available therapy, BAT) verglichen wurde. REACH2 (n=310) erreichte ihren primären Endpunkt. Die Gesamtansprechrate (overall response rate, ORR) an Tag 28 der Behandlung war im Jakavi-Arm mit 62,3% signifikant höher als im BAT-Arm mit 39,4% (p<0,0001). In REACH3 (n=330) verbesserte Ruxolitinib die ORR in Woche 24 (primärer Endpunkt) signifikant gegenüber BAT (49,7% vs. 25,6%; p<0,0001), unabhängig vom Organbefall.
S. M.