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Urothelkarzinom: Neue Daten untermauern den Stellenwert der ErstlinienErhaltungstherapie mit Avelumab

oder Vinflunin auch die Gabe von Immuncheckpoint-Inhibitoren praxisrelevant [5]. Bei Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom beträgt die 5-Jahres-Überlebensrate lediglich 7,7 % [6] – der Bedarf an innovativen Therapien ist entsprechend hoch.

Ergebnisse der Studie JAVELIN Bladder 100 markieren einen Wendepunkt

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Vor 2 Jahren wurde Avelumab (Bavenico®) in der EU zur Therapie des lokal fortgeschrittenen bzw. metastasierten Urothelkarzinoms bei Patienten ohne Krankheitsprogression nach platinbasierter

Chemotherapie zugelassen. Damit besteht nun die Möglichkeit für ein völlig neues Behandlungsschema, bei dem die Patienten eine Erstlinien-Erhaltungstherapie mit Avelumab erhalten [7]. Mit diesem Ansatz wurde in der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie JAVELIN Bladder 100 im Vergleich zur alleinigen Best Supportive Care (BSC) ein signifikant verlängertes medianes Gesamtüberleben (mOS) erzielt. Zum Datenschnitt 19.01.2020 lag es im AvelumabArm bei 22,1 Monaten, gegenüber 14,6 Monaten im Kontroll-Arm und war damit unter Avelumab um 7,5 Monate verlängert (HR für Tod: 0,70; 95%-KI: 0,56 – 0,86; p = 0,0008). Die mOS-Rate einem Jahr ab Randomisierung betrug 71,3 % für Avelumab vs. 58,4 % in der Kontroll-Gruppe [8]. Vom Überlebensvorteil unter Avelumab profitierten sowohl Patienten, die eine Cisplatin- als auch solche, die eine Carboplatin-basierte Erstlinien-Chemotherapie erhalten hatten. Er war außerdem unabhängig von Alter, ECOG-Status, Baseline-Metastasierung oder Nierenfunktion und über alle präspezifizierten Patientensubgruppen hinweg mit einem guten Erhalt der Lebensqualität verbunden [8]. Unter Therapie traten bei 47,4 % der Patienten schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (Grad ≥3) auf. Die häufigsten (>1 %) davon waren Harnwegsinfekte (4,4 %), Anämie (3,8 %), Fatigue und Hämaturie (jeweils 1,7 %), Rückenschmerzen und Erbrechen (jeweils 1,2 %) [8].

[9].

Überzeugende Langzeitdaten

Auf dem diesjährigen Amerikanischen GU Krebskongress wurden nun Langzeitdaten der Studie JAVELIN Bladder 100 vorgestellt, die nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von ≥38 Monaten (Datenschnitt 04.06.2021) erhoben wurden [9]. Sie zeigen, dass die mit Avelumab + BSC behandelten Patienten in beiden Subgruppen (Erstlinien-Chemotherapie: Cisplatin + Gemcitabin oder Carboplatin + Gemcitabin) ein längeres medianes Gesamtüberleben und medianes progressionsfreies Überleben erreichten als die Patienten, die nur BSC erhielten (Tab. 1). In der Gesamtpopulation betrug das mediane Gesamtüberleben nach Start der Erstlinien-Chemotherapie zum Zeitpunkt des Datenschnitts

29,7 Monate (95%-KI: 25,2 – 34,0) im Avelumab + BSC-Arm gegen-

Factsheet

Avelumab (Bavencio®)

Avelumab

Wirkstoffklasse

Avelumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der gegen den programmierten ZelltodLiganden 1 (PD-L1) gerichtet ist.1 Er zählt zu den sogenannten Checkpoint-Inibitoren.1

Wirkprinzip

PD-L1 wird unter anderem auf Tumorzellen exprimiert, der entsprechende Rezeptor PD-1 auf T-Zellen 2 Durch die Bindung von PD-L1 an PD-1 werden die betroffenen T-Zellen in ihrer Aktivität unterdrückt.2 Damit kann sich der Krebs einer anti-tumoralen Immunantwort entziehen.

Avelumab (Bavenico®) ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der gegen den programmierten Zelltod- Liganden 1 (PD-L1) gerichtet ist. Er zählt zu den sogenannten Checkpoint-Inhibitoren. PDL1 wird unter anderem auf Tumorzellen exprimiert, der entsprechende Rezeptor PD-1 auf T-Zellen. Durch die Bindung von PD-L1 an PD-1 werden die betroffenen T-Zellen in ihrer Aktivität unterdrückt, sodass sich der Krebs einer antitumoralen Immunantwort entziehen kann.

Avelumab bindet spezifisch an PD-L1 und blockiert so die Bindung zwischen PD-L1 und PD-1 1 Dadurch bleiben tumorspezifische T-Zellen aktiviert und können eine entsprechende Immunantwort einleiten (Abb. 1) 1

Avelumab bindet spezifisch an PD-L1 und blockiert so die Bindung zwischen PD-L1 und PD-1. Dadurch bleiben tumorspezifische TZellen aktiviert und können eine entsprechende Immunantwort einleiten [7].

In präklinischen Studien zeigte sich außerdem, dass Avelumab mittels antikörperabhängiger zellulärer Zytotoxizität (Antibody Dependent Cell Cytotoxicity, ADCC) zu einer direkten Tumorzelllyse führt, die durch Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) vermittelt wird.1 über 20,5 Monaten (95%-KI: 19,0 – 23,5) im BSC-Arm. Der Unterschied war signifikant (HR: 0,77; 95%-KI: 0,635 – 0,921) [9]. Diese Daten bestätigen nicht nur die bisherigen Ergebnisse für die Erstlinien-Erhaltungstherapie mit Avelumab beim lokal fortgeschrittenen bzw. metastasierten Urothelkarzinom, sie untermauern auch die Bedeutung von Avelumab als neuem Behandlungsstandard in dieser Indikation.

In präklinischen Studien zeigte sich außerdem, dass Avelumab mittels antikörperabhängiger zellulärer Zytotoxizität zu einer direkten Tumorzelllyse führt, die durch natürliche Killerzellen vermittelt wird [7].

1

AVENANCE-Studie unterstreicht Wirksamkeit und Verträglichkeit von Avelumab in der Praxis

Ebenfalls auf dem Amerikanischen GU Krebskongress wurde die laufende, nicht interventionelle Studie AVENANCE vorgestellt [10]. Diese Erhebung aus dem Praxisalltag in Frankreich umfasst 593 Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom, die keine Progression nach einer Platin-basierten Erstlinien-Chemotherapie aufwiesen und eine vorangegangene, laufende oder geplante Erstlinien-Erhaltungstherapie mit Avelumab erhalten bzw. erhalten haben. Primärer Endpunkt ist das Gesamtüberleben gemessen vom Beginn der Erstlinien-Erhaltungstherapie mit Avelumab. Sekundäre Endpunkte sind u.a. progressionsfreies Überleben, Dauer der Behandlung und Sicherheit [10].

Zum Zeitpunkt des Datenschnitts betrug die mediane Nachbeobachtungszeit 15,2 Monate Das mediane OS lag ab Beginn der Behandlung mit Avelumab bei 20,7 Monaten bei einer 12-MonatsGesamtüberlebensrate von 65,4 %.

Kaia COPD: Digitales Therapeutikum mit messbaren Erfolgen

Ende Dezember 2022 hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die als Medizinprodukt zugelassene App „Kaia COPD: Meine aktive COPD-Therapie“ im DiGAVerzeichnis gelistet. Ab sofort können COPD-Patienten die App auf Rezept erhalten. Kaia COPD besteht aus individuell zusammengestellten Bewegungseinheiten, einer ausführlichen Schulung zum Umgang mit der Krankheit sowie Atem- und Entspannungsübungen. Kernelemente der pneumologischen Rehabilitation sind dadurch jederzeit digital verfügbar und können aktiv in den Alltag integriert werden.

Die App basiert auf Behandlungsempfehlungen zur Unterstützung

Das mediane progressionsfreie Überleben betrug 5,7 Monate [1]. Die Daten der AVENANCE-Studie bestätigen die klinische Wirksamkeit und das akzeptable Sicherheitsprofil von Avelumab in einer heterogenen Realworld-Kohorte und unterstreichen den Stellenwert der Erstlinien-Erhaltungstherapie mit Avelumab in der klinischen Praxis.

Brigitte Söllner, Erlangen

3 American Cancer Society. What is bladder cancer? https://www.cancer.org/cancer/bladdercancer/about/what-is-bladdercancer.html

4 Niegisch G et al. J Cancer 2018;9:13371348

5 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Früherkennung, Diagnose, Therapie und Nachsorge des Harnblasenkarzinoms, Langversion 2.0, 2020, AWMF-Registrierungsnummer 032/038OL, https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/harnblasenkarzinom/.

6 SEER. Cancer stat facts: bladder cancer. https://seer.cancer.gov/statfacts/html/ urinb.html

7 Fachinformation Bavencio®; Stand: Dezember 2022

Literatur

1 Sung H et al. CA CANCER J CLIN 2021;71:209-249

2 Cancer.net. Bladder cancer: introduction. https://www.cancer.net/cancer-types/bladdercancer/introduction

8 Powles TB et al. N Engl J Med 2020; 383:1218-1230

9 Sridhar SS et al. ASCO GU 2023, Poster/ Abstract 508

10 Barthélémy P et al. ASCO GU 2023, Poster/Abstract 471 der nicht medikamentösen Therapie der COPD, wie sie z.B. in der nationalen Versorgungsleitlinie COPD formuliert sind, und wurde gemeinsam mit führenden Experten aus dem Bereich der pneumologischen Rehabilitation entwickelt. Die Verordnung von Kaia COPD ist für gesetzlich versicherte Patienten mit einer COPD-Diagnose ganz einfach per Rezept (Muster 16) möglich. Die Kosten werden von allen gesetzlichen Krankenkassen übernommen und belasten derzeit das Arzneimittel- und Heilmittel-Budget der verordnenden Ärzte nicht.

Mehr körperliche Aktivität, weniger Symptomlast

Wie die Ergebnisse der AMOPURStudie zeigen, ließ sich die in der pneumologischen Rehabilitati- on erreichte körperliche Aktivität nach 6 Monaten bei den Patienten, die die App nutzten, im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne App signifikant besser erhalten. Auch die empfundene Symptomlast, gemessen anhand des CAT-Scores, war bei den App-Nutzern signifikant geringer als in der Kontrollgruppe. Insgesamt hatten die Patienten bei regelmäßiger Nutzung der App ihre Erkrankung besser im Griff und waren aktiver als die Patienten ohne App.

Unabhängig von der Prüfung des BfArM hat „Kaia COPD: Meine aktive COPD-Therapie“ nach Bewertung durch Patienten, Ärzte und Therapeuten das „PneumoDigital-Siegel“ der Deutschen Atemwegsliga e. V. erhalten.

S. M.

Um den an Multipler Sklerose (MS) Erkrankten mehr Flexibilität und zeitliche Freiräume zu verschaffen, hat Biogen sein bewährtes MS-Medikament Natalizumab (Tysabri®), das im Jahr 2006 als erster monoklonaler Antikörper zur Behandlung der hochaktiven schubförmig remittierenden MS (RRMS) zugelassen wurde [1], neben der i.v. Verabreichungsform auch als subkutane Applikation auf den Markt gebracht.

Tysabri® s.c. liegt in Form von 2 Fertigspritzen vor, die für eine vollständige Dosis beide verabreicht werden müssen [2]. Wie die bisherige i.v. Applikationsform wird auch Natalizumab s.c. alle 4 Wochen injiziert. Ein Wechsel zwischen den Verabreichungsformen ist jederzeit möglich.

Patienten bevorzugen die subkutane Applikation

Um festzustellen, ob die MS-Patienten die s.c. Applikation der i.v. Infusion vorziehen, wurde 2022 die Real-World-Studie SISTER [3, 4] initiiert, die bis Ende März 2024 abgeschlossen sein soll. Im Rahmen dieser 12-monatigen Studie wird geprüft, wie sich die subkutane Anwendungsform im Praxisalltag bewährt. Eingeschlossen werden sollen insgesamt 500 Teilnehmer, darunter mit Natalizumab i.v. vorbehandelte Patienten, die

Multiple Sklerose: Patienten profitieren von der subkutanen Gabe von Natalizumab

sich entschieden haben, auf Natalizumab s.c. zu wechseln, sowie Natalizumab-naive Patienten, die eine Therapie mit Natalizumab begonnen haben und sich für die s.c. oder i.v. Anwendung entscheiden können. Primärer Endpunkt ist die Präferenz der Patienten hinsichtlich der Art der Anwendung von Natalizumab nach 6 und 12 Monaten. Auf der ECTRIMS 2022 wurden erste Zwischenergebnisse der SISTER-Studie präsentiert [5]. Bis Juli 2022 wurden 206 Patienten in die Studie eingeschlossen: 158 Patienten wechselten von Natalizumab i.v. auf Natalizumab s.c. (mediane Dauer der NatalizumabTherapie vor dem Wechsel: 3,1 Jahre), 22 Patienten begannen die Therapie mit der i.v. und 26 Patienten mit der s.c. Anwendungsform. Als Hauptgründe für den Beginn mit bzw. den Wechsel auf die s.c. Applikation wurden die kürzere Dauer der Verabreichung und die komfortablere Anwendung im Vergleich zur i.v. Infusion angegeben. Den für die i.v. Infusion von Natalizumab erforderlichen Zeitaufwand bezifferten die Studienteilnehmer mit 2,8 Stunden, verglichen mit nur 1,3 Stunden bei der subkutanen Applikation. Dies entspricht einer Zeitersparnis von 1,5 Stunden [5]*. So können sowohl Ärzte als auch Patienten von einem verringerten Zeitaufwand und mehr Flexibilität profitieren. Außerdem wird in der Praxis kein Infusionsplatz benötigt. Die Ver- abreichung der Injektionen kann überdies durch eine MS-Nurse erfolgen.

93,3 % der behandelnden Neurologen beurteilten die s.c. und i.v. Anwendung als vergleichbar für den Therapiebeginn mit Natalizumab bei Betroffenen, die bisher nicht mit dem monoklonalen Antikörper behandelt wurden. Bei der Befragung zwischen der 1. und 4. Natalizumab-Gabe (Baseline der SISTER-Studie) bevorzugten 89,6 % der Patienten die s.c. Gabe gegenüber der i.v. Infusion, nach 6 Monaten betrug der Anteil 96,4 %. Außerdem gaben 98,7 % (Baseline) bzw. 98,1 % (nach 6 Monaten) der Patienten, die die s.c. Gabe erhielten, an, dass sie mit der Art der Anwendung zufrieden sind [5]. Auch die Verträglichkeit wurde untersucht: 8,4 % der Patienten berichteten von unerwünschten Ereignissen im Zusammenhang mit der Natalizumab-Injektion (Schmerzen an der Injektionsstelle, Reaktionen an der Injektionsstelle, Rötungen, Juckreiz, Entzündung). Die Mehrzahl dieser Ereignisse war mild [5].

* Bei der s.c. Verabreichung von Tysabri® ist nach den ersten 6 Applikationen eine Nachbeobachtungszeit von 1 Stunde nötig, bei allen weiteren Applikationen liegt die Nachbeobachtung im Ermessen des Arztes. Bei der i.v. Verabreichung ist nach den ersten 12 Applikationen eine Nachbeobachtungszeit von 1 Stunde nötig, bei allen weiteren Applikationen liegt die Nachbeobachtung im Ermessen des Arztes.

Vergleichbarer therapeutischen Nutzen

Aufgrund der vergleichbaren pharmakodynamischen und -kinetischen Eigenschaften der beiden Anwendungsformen ist der therapeutische Nutzen von Natalizumab i.v. auf Natalizumab s.c. übertragbar [2]. Im Rahmen der Studie TOP wurde über einen Zeitraum von 10 Jahren eine gesamte jährliche Schubrate von 0,15 beobachtet, dies entspricht einer Reduktion um 92,5 % im Vergleich zum Jahr vor Therapiebeginn [6].

Klinische Verbesserungen können sich auch in der Lebensqualität niederschlagen: So wurden in verschiedenen Studien positive Aus- wirkungen einer Behandlung mit Natalizumab u.a. auf die Kognition, die Fatigue und die Arbeitsfähigkeit beobachtet [7–12]. Wie u. a. Daten aus der Real-World-Kohorte MS PATHS andeuten, hatte Natalizumab in der klinischen Praxis auch einen positiven Einfluss auf verschiedene Aspekte der physischen, kognitiven und emotionalen Lebensqualität [13]. Weltweit wurden bislang bereits mehr als 248.000 Patienten über mehr als eine Million Patientenjahre mit dem Antikörper behandelt [5].

Brigitte Söllner, Erlangen

2 Fachinformation Tysabri™ 150 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze; Stand: Mai 2022

3 Paul-Ehrlich-Institut (PEI). Nicht-interventionelle Studie (Anwendungsbeobachtung) NIS-Nr.: 611. https://www.pei.de/ SharedDocs/awb/nis-0601-0700/0611. html?nn=173138

4 ClinicalTrials.gov; NCT05304520

5 Gold R et al. ECTRIMS 2022; P365

6 Butzkueven H et al. J Neurol Neurosurg Psychiat 2020;91:660-668

7 Svenningsson A et al. PLoS One 2013; 8:e58643

8 Stephenson JJ et al. Health Qual Life Outcomes 2012;10:155

9 Rudick RA et al. Ann Neurol 2007; 62:335-346

10 Olofsson S et al. BioDrugs 2011;25:299306

11 Kreimendahl F et al. Value Health 2014; 17:A400

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) können Ärzte im Versorgungsalltag entlasten und Patienten aktiv in die Behandlung einbeziehen. Gerade für Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen, wie z.B. einer Depression, können internetbasierte Interventionen wie das Online-Therapieprogramm deprexis® eine wichtige Komponente einer multimodalen, leitliniengerechten Therapie darstellen. Zudem ermöglicht es diese innovative Therapieform, die aktuell bestehenden z.T. monatelangen Wartezeiten auf einen Psychotherapieplatz zu überbrücken und den Patienten die dringend notwendige therapeutische Unterstützung zu geben.

Dennoch wird das Potenzial der DiGA bisher noch nicht ausgeschöpft: Wie eine Erhebung der Techniker Krankenkasse er-

Literatur

1 Fachinformation Tysabri™ 300 mg i.v.; Stand: Mai 2022 gab, erhalten in Deutschland nur 0,0023 % der depressiven Patienten eine DiGA.

Nachgewiesener medizinischer Nutzen

Digitale Therapieprogramme haben den Vorteil, ohne Wartezeiten und Stigma-Empfinden zeitlich und örtlich flexibel genutzt werden zu können und obendrein noch kostengünstig zu sein. Das therapeutische Potenzial digitaler Anwendungen zur Behandlung von Depressionen wird auch von der kürzlich aktualisierten S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie „Unipolare Depression“ hervorgehoben: Zum ersten Mal empfiehlt die Leitlinie den Einsatz internetund mobilbasierter Interventionen als eine Alternative zur konventionellen Psychotherapie und damit als eine wesentliche Säule neben der Psychopharmakotherapie.

12 Wilken J et al. Int J MS Care 2013;15: 120-128

13 Hersh CM et al. Mult Scler J Exp Transl Clin 2021;7:20552173211004634

Zu den am besten untersuchten DiGA überhaupt gehört das Online-Therapieprogramm deprexis® zur Therapieunterstützung bei Depression. Eine Metaanalyse aus 12 randomisierten Studien mit insgesamt 2900 Teilnehmenden bestätigte signifikante und klinisch relevante Verbesserungen der depressiven Symptome – unabhängig davon, ob die Patienten das interaktive Therapieprogramm eigenständig oder mit ärztlicher Begleitung (Blended Care) nutzten*. Aufgrund der nachgewiesenen Evidenz wurde deprexis® dauerhaft in das DiGA-Verzeichnis (https://diga.bfarm.de/de) aufgenommen. Es ist für alle Schweregrade der Depression zugelassen und erfüllt sowohl die Anforderungen deutscher Datenschutzgesetze als auch die von der DGPPN definierten Qualitätskriterien für wirksame und sichere Online-Interventionen.

* Twomey C et al. PLoS One 2020;15: e0228100

Einfache, intuitive Anwendung deprexis® basiert überwiegend auf den anerkannten Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie. Es passt sich individualisiert den Bedürfnissen und Reaktionen der Patienten an und leitet sie in einem virtuellen Dialog dynamisch durch die 10 verschiedenen Module. Neben Informationen zur Depression werden alltagsrelevante Übungen zur Depressionsbewältigung vermittelt. Das passwortgeschützte Online-Therapieprogramm ist überall und jederzeit auf allen Endgeräten (PC, Laptop, Tablet und Smartphone) nutzbar und steht in 9 Sprachen zur Verfügung.

App auf Rezept

Niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten können deprexis® nach Diagnose einer Depression zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen rezeptieren (PZN 17265872). Nachdem der Patient das Rezept bei seiner Krankenkasse eingereicht hat, erhält er einen Freischaltcode. Mit diesem Code kann er die App aktivieren und sofort mit der Anwendung beginnen. Auch im Rahmen des Entlassmanagements in der Klinik kann deprexis® verschrieben werden.

B. S.

Durchbruch bei der Lupus-

Behandlung?

Mit aufgerüsteten

Immunzellen gegen die chronische Entzündung

CAR-T-Zellen zählen seit einigen Jahren zu den Hoffnungsträgern in der Krebsmedizin. Am Universitätsklinikum Erlangen sind sehr erfolgreich erstmals auch Patienten mit schwerem systemischem Lupus erythematodes (SLE) mit den Immunzellen behandelt worden. Neue, wirksame Behandlungsoptionen für die mitunter schwer zu therapierende entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankung werden dringend gebraucht, so die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. (DGRh). Wenn sich die ersten Erfolge auch bei größeren Patientenkollektiven bestätigten, komme dies einer Revolution der SLE-Therapie gleich.

Maßgeschneiderte Immunzellen

Individuell, aufwändig und – noch – sehr teuer: CAR-T-Zellen müssen für jeden Patienten „maßgeschneidert“ werden. Zunächst werden dafür körpereigene T-Zellen aus dem Blut des Patienten isoliert und im Labor dann gentechnologisch so verändert, dass sie die namensgebenden „Chimären Antigen-Rezeptoren“ (CAR) auf ihrer Oberfläche ausbilden. „Solche Rezeptoren können nahezu beliebig viele Zielstrukturen, z.B. Eiweiße, auf anderen Zellen erkennen und dann eine Immunreaktion auslösen“, erläutert Professor Georg Schett, einer der federführenden Autoren der Studie. Für die Therapie der B-Zell-Leukämien wurde das für B-Zellen charakteristische Oberflächeneiweiß CD19 als Ziel ausgewählt. Weil auch der SLE mit einer gesteigerten B-Zell-Aktivität einhergeht, lag es nahe, dieselbe genetische Modifikation der CAR-T-Zellen auch hierfür einzusetzen. Die so modifizierten CAR-T-Zellen erhält der Patient über eine Infusion. Zuvor erfolgt, bei SLE ebenso wie bei Leukämie, eine Chemotherapie. Sie hemmt die Aktivität des körpereigenen Immunsystems, um die spätere Arbeit der CAR-T-Zellen zu erleichtern.

Weltweit erste CAR-T-Zelltherapie bei 5 SLE-Patienten

Nach vielversprechenden Vorversuchen an Mäusen bewährten sich die Design-Zellen auch bei den 5 Erlanger Patienten. Vier Frauen und ein Mann erhielten als weltweit erste von SLE Betroffene eine CAR-T-Zelltherapie. Die zuvor hohe Krankheitsaktivität, die bereits die Nieren in Mitleidenschaft gezogen hatte, ging durch die Therapie drastisch zurück. „Sowohl die krankheitstypischen Antikörper als auch Symptome wie Müdigkeit und Abgeschlagenheit nahmen stark ab, zugleich besserte sich die Nierenfunktion deutlich“, berichtet Studienleiter Schett. Besonders beeindruckend: Noch Monate nach der einmaligen CAR-T-Zell-Infusion konnten die Patienten auf ihre zuvor eingenommenen Medikamente verzichten, der SLE kehrte dennoch nicht wieder zurück.

„Die neue Therapie scheint wie ein Reset-Knopf zu wirken, der dem entgleisten Immunsystem einen Neustart ermöglicht“, kommentiert Professor Christof Specker, Präsident der DGRh. Mit großen Erwartungen wird nun verfolgt, wie die Therapie sich in größeren Patientenkollektiven bewährt – und wie es den zuerst Behandelten weiter ergeht. Ob man von einer dauerhaften Heilung eines SLE durch eine solche Therapie sprechen kann, muss trotz der vielversprechenden Ergebnisse noch abgewartet werden. Die Nachbeobachtungszeit der ersten so behandelten Patienten beträgt bislang erst 13 – 23 Monate. DGRh

Quelle: Mackensen A et al. Anti-CD19 CAR T cell therapy for refractory systemic lupus erythematosus. Nat Med 2022;28:2124-2132. https://doi.org/10.1038/s41591-022-02017-5

Der Mangel an AromatischerL-Aminosäure-Decarboxylase (AADC) ist eine seltene, häufig tödlich verlaufende neurometabolische autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die in der Regel schon in den ersten Lebensmonaten zu erheblichen körperlichen und kognitiven Beeinträchtigungen und Verhaltensauffälligkeiten führt [1, 2]. Verursacht wird sie durch verschiedene Mutationen im Dopa-Decarboxylase (DDC)-Gen [3]. Dieses Gen codiert für das Enzym AADC, das eine Schlüsselrolle in der Neurotransmittersynthese spielt. In der Folge kommt es zu einem kombinierten Mangel an Dopamin, Serotonin, Adrenalin und Noradrenalin [4]. Das Fehlen dieser Neurotransmitter hemmt die postsynaptische neuronale Signalübertragung im Zentralnervensystem, die für die motorische Entwicklung, das Verhalten, und die autonome Funktion erforderlich ist [5]. Ohne Dopamin können die Kinder keine Meilensteine in der motorischen Entwicklung erreichen – sie können den Kopf nicht heben, nicht sitzen, stehen, gehen oder gar sprechen [6]. Oft ist das Leben der kleinen Patienten durch belastende Symptome, lebensbedrohliche Komplikationen und unzählige medizinische Maßnahmen geprägt. Zudem benötigen sie eine 24-Stunden-Betreuung für alle Aspekte des täglichen Lebens – eine enorme Belastung, nicht zuletzt für die Eltern.

Bislang gab es keine wirksame Behandlung für diese Erkrankung. Aber nun steht für die betroffenen Kinder erstmalig eine wirklich lebensverändernde Therapieoption zur Verfügung: Seit Juli 2022 ist die Gentherapie Upstaza™ als erste krankheitsmodifizierende Behandlung von Patienten im Alter ab 18 Monaten mit einer klinisch,