Krähenformung 2015

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Vera Kattler

Krähenformung


keine Farbe ist so schwarz wie tiefes Blau bei Dämmerung wenn der heisere Krähenschrei die Elster aufschreckt und Äste brechen

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„Krähenformung“

Der von der Künstlerin gewählte Titel dieser Werkserie vereint in einem Wort das Thematische des Naturbezugs, zu deuten als die Darstellung einer bestimmten Tierart, mit dem abstrakten Begriff Formung. Formung bringt einen Prozess zur Sprache, gibt zu erkennen: Form wird erst, präexistiert nicht. Das künstlerische Arbeiten Vera Kattlers kommt damit präzise zur Sprache. Ihre Ölmalerei ist streng und seriell, basiert aber gleichzeitig auf einer intuitiven Herangehensweise. Der Werkprozess bleibt sichtbar erhalten samt Flecken und Kratzern, was noch vom Bildträger unterstützt wird: Das glatte weiße Papier jeweils identischen Formats (30 x 40 cm) bewahrt jede Spur der Werkentstehung. Diese Malerei führt hin zu Resultaten von höchster Realitätsempfindung und damit auch zu einem intensiven Naturerleben. Sie führt dunkle Krähen vor blendend hellem Grund geradezu porträthaft vor Augen. Diese beäugen den Betrachter unvermittelt, sind äußerst präsent, auch dank der Nahsichtigkeit, die von den kleinen Bilddimensionen erzwungen wird. Die Gegenwart der Wesen, die Vera Kattlers Malerei erschafft, bereitet, wie hier, nicht unbedingt Behagen, aufgrund der Direktheit der Konfrontation mit einer wehrhaften Kreatur. In früheren Werkreihen wurde ähnliches Unbehagen ausgelöst durch Nager, Primaten oder die sich Gattungsbegriffen entziehenden Geschöpfe des „Wegesgekriechs“. Die ungemütliche Nähe irritiert, obwohl sich die Kreaturen doch jederzeit als Erzeugnisse eines Malakts zu erkennen geben und jeder Pinselstrich offen zu Tage tritt.

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Es entstehen mithin Bilder, die den Betrachter anschauen, die zurückschauen, nicht allein die darin veranschaulichten Wesen. Der Blick forscht ins Bild hinein und das Bild reagiert, es hebt die schützende Distanz auf, entlarvt die Überlegenheit des Kenners genau wie die Anonymität, die eine teilnahmslose Betrachtung gewährt. Noch dazu formieren sich die zahlreichen Bilder einer Serie in den Ausstellungen zu raumgreifender Präsenz, bemächtigen sich der gesamten Umgebung, führen überall ihr Unwesen. Im Fall der Krähen­ formung schweben sie auch als Schattenrisse im Raum, als bewegte, mal hell, mal dunkel erscheinende Schemen, als entkörperlichter Schwarm, Ausdruck einer enormen Übermacht, bedrohlich und harmlos zugleich. Das Hell und Dunkel der Bilder greift so auf den Ausstellungsraum über, die Krähenformung mobilisiert und rhythmisiert ihn. Hinzu kommen Druckgraphiken: Ähnlich den Scherenschnitten überlagern sich einzelne Linolschnitte von jeweils homogener Farbe und formen dabei immer neue Arabesken aus Krähenprotomen. Seriell entwickelt, erscheint so doch stets Unerwartetes, manchmal zart, manchmal dämonisch. Das serielle Formen prägt ebenso Deformation aus: Die Krähen erscheinen und entziehen sich wieder, verschwinden, hinterlassen im Bild aber Reste, Körperteile, Aas, Kot oder nur Bewegungsspuren, Erinnerungsfetzen. Vera Kattlers Bilder erscheinen als das Motiv variierende Mutationen und als Schöpfungen eines konsequent seriell verstandenen Malaktes. Die Schöpfung erscheint vital und muss daher vergänglich sein.

Trotz des Umfangs bietet die Serie keinesfalls eine Enzyklopädie der Krähe; manches für die Tiere Charakteristische wird jedoch betont. Als Kulturfolger, die überall um uns herum anzutreffen sind, nähern sie sich uns in den Werken wie im Leben auf vielfältigste Weise: stark, selbstbewusst, erhaben, mutig, klug oder verletzlich, unbeholfen, manchmal in Auflösung begriffen. Solche Begriffe könnten allerdings genauso menschliche Verhaltensweisen beschreiben. Mit dem Blick auf die Krähen tritt nicht nur das Tierhafte hervor, das Betrachten gerät vielmehr zum Blick in einen Spiegel, aus dem das Eigene als das Fremde, Unbestimmte, Abgründige zurückschaut. Die Kompositionen sind also nicht als Tierlebensdarstellungen, sondern als Formung von ab­ gründigen Fremdheitserfahrungen so vielgestaltig.

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Lassen sich die Krähen vielleicht symbolisch interpretieren? Gängigen Deu­ tungen entsprechend näherten sie sich dann als Botschafter alles Vergäng­ lichen, als Begleiter des Todes oder als Akteure in einem Totentanz. Dafür fehlt es den Bildern wohl an ausdrücklicher Jenseitigkeit; die Künstlerin arbeitet das Vitale der Kreatur heraus, zwar bis hin zu seiner Auflösung, doch ohne Perspektive auf ein Dahinter. Eher ist das Unterbewusste in tierhafte Gestalt gefasst als das Dunkle und Fremde, das sich uns zuwendet, ohne ganz erkannt werden zu können. Existentiell ist demnach das Erscheinen der Krähen im Bild, denn sie haben keinen Ort außer sich, nichts als die helle Fläche ihrer Bildwerdung mit deren Spuren, keinen Raum, keinen Horizont und Himmel, keine Erde und At­mos­ phäre. Obwohl Vögel scheinen sie nicht zu fliegen, bestenfalls flattern sie, schlagen um sich, kämpfen, doch eher mit der eigenen Existenz, ohne sichtbaren Gegner. Sie ziehen auch nicht von hier nach da, es gibt kein Entkommen aus der Präsenz. Die Wesen sind einfach da, sie verströmen Lebensenergie, pulsierend und atmend, sind durch die Pinselführung von flackernder Vitalität geprägt. Gelegentlich glänzt das schwärzlich-blaue Gefieder kostbar auf, bezieht den lichten Grund in sich ein und verliert dann an Schwere.

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Eine etwas vom Boden pickende Krähe beherrscht als kompakter, aber mit einer öligen Aura konturierter Rhombus – das Bindemittel erzeugt machmal sogar auf der Bildrückseite noch geisterhafthafte Erscheinungen – die Richtungen des Bildfelds. Ihre dünnen, breit ausgestellten Beine werden von scharrenden Krallen unterfangen, die der Festigkeit und Schwere des Leibes nervöse Bewegung, unaufhörliche Anspannung gegenüberstellen. Halb­ figurig doppelköpfig eine andere Krähe, die die Richtungen ausdrucksbetont differen­ziert, strubbelig links, auftrumpfend spitz nach oben gerichtet, dagegen ablaufend gleitend die rechte Seite, widerstandslos, zugehörig ein kleineres Auge, das ängstlicher als das andere dreinschaut. Zwei Seelen in einer Brust? Die Krähen formen sich ruhig oder bewegt, stets in Relation zur Bildfläche und zu komplex aufzufassenden Lebenssituationen. Gegensätzliche, einander aufhebende Kräfte innerhalb eines Wesens werden so sichtbar. Deren Anspannung wird an die gesamte Bildfläche weitergegeben, ohne aber dort Unruhe zu erzeugen, wofür auch die selbstbewusste Gelassenheit des Blickes einsteht; Ausgewogenheit entsteht, vielleicht eine stoische Haltung bekundend, die jedem Untergang trotzt. Und Untergang droht überall: Je mehr die Krähen den stabilisierenden Kontakt zum Bildrand verlieren, je freier sie sind, desto stärker mutieren sie, was die Künstlerin bis zum Verschwinden des Motivs verfolgt. Bernhard Wehlen

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fern krähenfleckiger schatten du schwarzes abendgeschoĂ&#x;

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auf schwankendem ast schaukelt die krähe dort wo der nebel endet

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Krähenformung

Im Jahr 2012 beginnt Vera Kattler eine Werkgruppe, an der sie in unterschiedlichen Techniken bis heute arbeitet, die „Krähenformung“. Ob als Rauminstallation aus Scherenschnitten, als Linoldruck oder Malerei auf Papier, immer sind es vielschichtige, das Wesen des großen schwarzen Vogels umspielende Formfindungen, die einerseits die Leichtigkeit des Schwebens, andererseits die kompakte Schwere des Vogelkörpers vor Augen führen. In den Scherenschnitten greift Kattler einen früheren Ansatz, das „Schattensammeln“, wieder auf. Ihre frei erfundenen, gefiederten Formungen platziert sie so im Raum, dass das einfallende Licht neue Schatten und mit ihnen traumhafte Visionen hervorruft. Die Gemälde frappieren durch ihre Unmittelbarkeit. Die „Krähenformung“ bildet keine Vögel ab, wie sie in der Natur vorkommen, sondern erfasst die Natur dieser majestätischen Wesen, indem Formen dem lebendigen Vorbild intuitiv nachempfunden und bis zum Befremdlichen, manchmal sogar bis zum Grotesken übersteigert werden. Auf ein dunkel schillerndes Farbspektrum beschränkt, belegen diese Gemälde eindrücklich Kattlers koloristisches Talent und ihre technische Souveränität. Petra Wilhelmy Auszug aus: www.kuenstlerlexikonsaar.de/artikel/-/kattler-vera, Stand vom 03. 09. 2015

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verlockende botschaften aus schwarzen augen dann wird es still

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Vera Kattler

geboren 1965 in Wadgassen / Saar 1999 - 2005 2005

Studium der Freien Kunst an der Hochschule der bildenden Künste Saar bei Prof. Bodo Baumgarten und Prof. Daniel Hausig Diplom (mit Auszeichnung) bei Prof. Daniel Hausig im Fachbereich Mixed Media / Malerei Meisterschülerin von Prof. Daniel Hausig

Auszeichnungen und Stipendien: 2004 2005 2006 2008 2012/13

Nominierung zum Kunstpreis Robert Schuman Kulturpreis des Stadtverbandes Saarbrücken Stipendium Künstlerhaus Schloß Wiepersdorf, Brandenburg Förderstipendium der Landeshauptstadt Saarbrücken Artmix 7 Künstleraustausch Saarbrücken/Luxemburg

Arbeiten in öffentlichem Besitz:

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Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft des Saarlandes Landeshauptstadt Saarbrücken


Ausstellungen (Auswahl):

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

Völklingen, „YTIC“ Kunstparcours Saarbrücken, „SCHWEINE!“, Kulturamt (E) Merzig, Museum Schloß Fellenberg „Im Augenblick“, Kunstszene Saar (K) Saarbrücken, „Zoom 2004“, T-Systems Saarbrücken.(K) Saarbrücken, Galerie K4 „Aus der Serie 3“ Saarbrücken, „Robert Schuman Kunstpreis“ (K) St. Andreasberg, Harz ,12. Kunstausstellung „Natur-Mensch (K) „KochKunst & EssKultur“, Prolog zur Bliesgau-Lammwoche, K4 forum (E) Saarbrücken,“Das inszenierte Fenster in der nächtlichen Stadt (K) Saarbrücken,„Seltsam vertraut“, Kulturamt Saarbrücken, Kulturfoyer (E) Saarbrücken, Saarländisches Künstlerhaus, „Dein Land macht Kunst“, Landeskunstausstellung (K) Saarbrücken „Artig saraviensis“ Galerie Besch Esch sur Alzette, Luxemburg Videofestival Octobrerouge St. Wendel, Stadtmuseum St. Wendel “vis-a-vis “ Saarbrücken, Galerie Besch „…was schaut zurück?“ (E) Würzburg, Kulturspeicher „Les Secteurs“ Kunstverein Worms/Schwetzingen, Animal Art (K) Grosse Kunstausstellung München „tierisch“ (K) Kunstverein Trier (E) „Das kleine Monströse“ Kunstverein Norden (E) „Phänomene des Anderen“ Kunstverein Wesseling „Wechselbalg“(K) Kunsthaus Frankenthal, „nahezu menschlich“ (E) Saarart 2013, 10. Landeskunstausstellung (K) Galerie Melchior, Kassel „weitermalen“ mit Gudrun Emmert und Mathias Weis Kunstverein Nordenham, „befremdlich“ (E) Kunstverein Biberach an der Riß „Krähenformung“ Museum Schloß Fellenberg Merzig „Krähenformung“

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Verzeichnis Seite Ă–l auf Papier | 30 x 40 cm 2012 - 2015

Scherenschnittinstallation | 400 x 500 cm 2014 - 2015

51 - 53

Schatteninstallation 2014 - 2015

57 - 65

Linoldruck auf Papier | 30 x 40 cm 2013 - 2015

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Lyrik von Vera Kattler

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Impressum

Š Vera Kattler, Bernhard Wehlen, Petra Wilhelmy Text: Bernhard Wehlen, Petra Wilhelmy Redaktion: Vera Kattler Fotos: Vera Kattler, Rich Serra Layout: Christiane Franz

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