UZH Magazin 2/22

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Teamwork auf dem Acker

Heute hält die Landwirtschaft mit Chemie und Monokulturen die Erträge hoch. Das ist nicht ökologisch und ungesund für Mensch und Umwelt. Deshalb braucht es eine ökologische Wende im Gemüse- und Getreideanbau. Der Schlüssel dazu heisst Biodiversität. Text: Thomas Gull

Am Anfang der modernen Landwirtschaft steht ein Chemiker: Justus Freiherr von Liebig (1803 –1873). Seine 1840 publizierte Abhandlung «Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie» legte den Grundstein für die Agrochemie, die bereits im 19. Jahrhundert zu enormen Ertragssteigerungen führte. Und sie bildete die Basis für die «grüne Revolution» in den 1950er- und 1960er-Jahren, als mit der Intensivierung der Anbaumethoden auch in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Mexiko oder Indien die Erträge massiv gesteigert und die Ernährung von Millionen Menschen gesichert und verbessert werden konnte. Rückblickend muss man allerdings sagen: Grün war diese Revolution nicht. Aus heutiger Sicht wirkt das «grün» euphemistisch, denn sie war weder nachhaltig noch ökologisch. Im Sinne von Liebig setzte sie vielmehr auf eine industrielle Landwirtschaft mit Monokulturen und dem massiven Einsatz von Chemikalien als Dünger und zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheiten. Mit Erfolg, was die Erträge betrifft, jedoch zu einem hohen Preis: Die Monokulturen laugen die Böden aus, die Chemikalien setzen nicht nur Schädlingen zu, sondern auch vielen nützlichen Tieren wie Bestäubern oder natürlichen Feinden, und sie verunreinigen Umwelt und Grundwasser. Die Produkte dieser Landwirtschaft sind kontaminiert mit den Giften, die versprüht und verstreut werden, um die Erträge zu sichern und zu maximieren. Hinzu kommt: Diese Form der intensiven Landwirtschaft trägt auch zur globalen Erwärmung bei, weil sie im Boden gebundenes Kohlendioxid freisetzt.

Umweltwissenschaftler Bernhard Schmid: «Das ist zwar total falsch, aber bisher bei vielen Wissenschaftlern und Politikern noch nicht angekommen.» Das Problem sei, sagt Evolutionsbiologin Anna-Liisa Laine, «dass die Nachteile akzeptiert und nicht hinterfragt werden. Das hat auch damit zu tun, dass heute weite Teile der Landwirtschaft von grossen Agrochemiekonzernen wie Mon­ santo oder Syngenta beherrscht werden.» Diese stellen Saatgut, Dünger, Pestizide und Fungizide her und haben kein Interesse an nachhaltigen Anbaumethoden. Genau solche braucht es aber dringend, da sind sich Laine und Schmid einig. Denn langfristig können wir uns eine Landwirtschaft nicht leisten, die die Ressourcen aufzehrt, von denen sie lebt, und die zur globalen Erwärmung beiträgt, die sie selbst gefährdet. Laine und Schmid plädieren deshalb für eine ökologische Wende in der Landwirtschaft. Der Schlüssel dazu heisst Biodiversität. Und sie arbeiten daran, diese Wende zu ermöglichen. Emeritus Bernhard Schmid erforscht, wie mit

«Statt mit Chemie sollten wir unsere Böden mit Mikroben düngen.»

Mächtige Agrochemie Trotz dieser negativen Effekte glaubt nach wie vor die Mehrheit der Agronomen an die segensreiche Wirkung von Monokulturen und Chemikalien, konstatiert der

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Anna-Liisa Laine, Evolutionsbiologin

Biodiversität die Erträge in der Land- und Forstwirtschaft verbessert werden können. Anna-Liisa Laine arbeitete als Professorin für Evolutionsbiologie an der UZH an Projekten, die die Biodiversität in landwirtschaftliche Böden zurückbringen und diese damit gesünder und produktiver machen. Beide bringen ihr Wissen in Universitäre Forschungsschwerpunkte (UFSP) ein: Schmid sitzt im Steuerungsausschuss des UFSP «Globaler Wandel und Biodiversität», Laine in dem des UFSP «Evolution in Aktion: Vom Genom zum Ökosystem». «Die grüne Revolution war ein grosser Erfolg, die Erträge konnten stark gesteigert werden», sagt Bernhard


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