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Ursula Kreutz

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Eva-Maria Mandok

Eva-Maria Mandok

Ein recyceltes Atelier hinter Blech-Dünen

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Für mich ist ein Atelier nicht nur ein Raum, sondern der Raum.

Kurz vor neun Uhr kommt Ursula Kreutz angeradelt. Im Foyer stellt sie das Fahrrad bei den anderen ab. Ihre Arbeitsräume befinden sich in den ehemaligen Umkleide- und Duschräumen. Anfangs war sie noch skeptisch, wollte nicht in die „Legebatterie für Künstler“ auf AEG. Inzwischen ist sie begeistert: „Hier kann ich mich besonders konzentrieren und bin super inspiriert. Es ist ein Ort, an dem ich sehr kreativ sein kann und an dem viel Neues entsteht.“. Vor kurzem investierte Ursula in einen neuen Boden. Der Stil ihrer Einrichtung ist minimalistisch und erstrahlt in zarten Pastelltönen. Große Fenster erhellen die beiden Räume. Hinter den großflächigen Milchglasscheiben lässt sich eine monumentale Blech-Düne erahnen. Das hohe Pultdach des alten Versandlagers gibt lediglich einen Spalt des bewegten Himmels frei. Diese ruhige Ausstrahlung wirkt bis in die Räume.

Sonst hätten die mich als Neunzigjährige aus dem Wohnatelier raustragen müssen.

Lachend deutet Ursula Kreutz auf ein gigantisches Mosaik aus Papierfetzen: „Und das ist mein altes Atelier.“ In mühseliger Kleinarbeit zerriss sie eine lebensgroße Fototapete und klebte sie an Wände und Decke. „Das ist sozusagen Recycling meines alten Ateliers in neuen Räumen. Das bleibt dann auch zurück wenn hier Schluss ist.“ Vorher war sie in einem großzügigen Wohnatelier in Fürth untergebracht. Nach zwölf Jahren verließ sie es freiwillig, um sich in eine „neue Lebenssituation katapultieren zu lassen“.

In anderen Städten muss man ständig präsent sein, um wahrgenommen zu werden.

Inzwischen lebt die Rheinländerin seit zwanzig Jahren in der Stadt. Damals wechselte sie an die Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg. „Diese Abgeschiedenheit und Ruhe da draußen im Wald — das hat mich total angesprochen. Und: Einfach auch bezahlbaren Wohn- und Lebensraum zu finden — auch als Künstlerin.“ Besonders zum Arbeiten schätzt sie dieses „Nischen-Dasein“. „Ich finde das gerade gut, dass um Nürnberg nicht so ein Hype ist wie um Köln, London oder Berlin. Es ist ein gutes Verhältnis zwischen Exhibition und sich zurückziehen.“

Das sind diese ‚Unorte‘, die noch nicht ganz erschlossen sind — wo noch alte Geschichten wabern...

Im Atelier werkelt sie häufig auch am Wochenende, da sie wochentags zudem mit Schulkindern in einer freien Kunstwerkstatt arbeitet. Auch im Unterricht sieht Ursula den „Raum zur Entfaltung“ immer limitierter. „Dabei stecken so viel Kreativität und Entdeckergeist in den Kindern.“ Sie lässt das Ende des Bau 74 erst mal auf sich zukommen. Für räumliches und materielles Überleben sieht sie die Stadt im Zugzwang. „Zu verkünden, dass sich Nürnberg als Kulturhauptstadt Europas bewirbt und im selben Atemzug siebzig Künstlern zu kündigen... das passt irgendwie nicht.“

Gerade bei der Belebung der fränkischen Kultur und der Aufarbeitung der Geschichte spielt die Kunst- und Kulturszene eine zentrale Rolle. So wäre es für die Künstlerin auch interessant, im größtenteils leerstehenden Dokumentationszentrum zu arbeiten. „Ob positiv oder negativ. Das sind Kulturorte. Es wäre super spannend an solchen Orten zu arbeiten.“

Text: Simon Gubo

Fotos: Kilian Reil

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