12 Zukunft der Wissenschaft
Ulrike Felt Univ.-Prof. Dr. Ulrike Felt ist Professorin für Wissenschafts- und Technikforschung und Vorständin des gleichnamigen Instituts an der Universität Wien. Ihre Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Entstehung und Interaktion verschiedener Wissensformen, Parti zipation von Techno wissenschaften und Wissenspolitik.
emil Jürgen Zöllner Prof. Dr. Emil Jürgen Zöllner ist Mediziner und deutscher Politiker. Er ist Vorstand der Stiftung Charité und der Einstein Stiftung sowie Vorsitzender des DIPF- Stiftungsrats. Von 2006 bis 2011 war Zöllner Senator für Bildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Berlin, davor Wissenschaftsminister von Rheinland-Pfalz.
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Innovationsforschern, wird China bald über eigene Spitzeninstitute, eine „Ivy League des Ostens“, verfügen. Der Grund für diesen Aufschwung: Geld. Chinas Wissenschaftsbudget hat sich seit dem Jahr 1998 verdreifacht, während die Ausgaben in Europa im gleichen Zeitraum kaum angestiegen sind. Was im Großen gilt, wiederholt sich im Kleinen. Wissenschaft ist ein kompetitives Gewerbe, zumal in Zeiten knapper Budgets – und dieser Charakterzug zeigt sich auf allen Ebenen: zwischen Nationen ebenso wie zwischen Instituten und Forschern. „Der Wettbewerb um die Mittel, speziell im Bereich der Grundlagenforschung, hat zugenommen“, diagnostiziert Viktoria Weber, Vizerektorin für Forschung der Donau-Universität Krems. Sie sieht noch einen weiteren Trend: „Die Forschenden sehen sich mit zunehmendem organisatorischem Aufwand bei der Abwicklung von Projekten konfrontiert.“ Ähnliche Kritik üben auch Sozio logen. Im Wissenschaftsbetrieb habe sich eine paradoxe Praxis eingeschlichen: Wolle man mit Forschungsanträgen Erfolg haben, müsse man die Ergebnisse bereits bei der Einreichung vorhersehen. Das sei dem Mut zum Risiko nicht gerade zuträglich. Geld versus Freiheit? Droht die Wissenschaft unter dem organi satorischen Druck zu einer akademischen Buchhalterdisziplin zu verkommen? „Diese Gefahr sehe ich nicht“, sagt Jürgen Zöllner. Der ehemalige Krebsforscher hat 15 Jahre das Bildungs- und Wissenschaftsministerium in Rheinland-Pfalz geleitet. Er betrachtet den Konkurrenzkampf um Förderungen eher als Folge einer positiven Entwicklung, nämlich des gestiegenen Bildungsniveaus: „Als ich studiert habe, waren noch fünf Prozent in meinem Jahrgang Studenten. Jetzt sind es 50 Prozent. Heute arbeiten eben viel mehr Leute in der Wissenschaft als früher. Fixe Forschungsgelder für alle wären nicht finanzierbar. Ich behaupte: Die guten Leute kriegen zwei von drei Anträgen durch.“ Die Wissenschaft hat sich offenbar die Logik der Ökonomie angeeignet – steht das nicht der Freiheit der Forschung entgegen? Denn die Freiheit wird als unveräußerliches Gut begriffen, das wie kein anderes zum Selbstverständnis der Wissenschaft zählt.
„Wenn junge Wissen schaftler regelmäßig Feedback durch Diskussionen in der Gruppe b ekommen, ist das zweifelsohne gut.“ Martin Kusch
Auch hier plädiert Martin Kusch für Gelassenheit. „Es hat immer Leute gegeben, die Wissenschaft als Tätigkeit angesehen haben, die man in Einsamkeit und Freiheit vollzieht. So gesehen bedeutet jeder finanzielle Druck eine Einschränkung der Freiheit. Doch dieses hehre Ideal hat in keiner historischen Periode der Wirklichkeit entsprochen“, sagt Kusch. „Auch Leute wie Galilei, Robert Boyle oder Thomas Hobbes wurden von Mäzenen finanziert. Galileis Geldgeber taten das b eispielsweise, weil sie sich von seinen Forschungen militärische Vorteile versprachen.“ Berufung oder Beruf? „Wissenschaft als Beruf“. Im Jahr 1919 verfasste der deutsche Soziologe und Ökonom Max Weber einen bis heute einflussreichen Aufsatz. Die Wissenschaft, schreibt Weber, sei nichts anderes als ein großer „Hazard“, ein riskantes Spiel in zweierlei Hinsicht: materiell, weil nur die wenigsten eine feste, angemessen bezahlte Anstellung fänden; und ideell, weil es kein Abonnement auf Kreativität und Schaffenskraft gebe. Das scheint eine Diagnose zu sein, die knapp 100 Jahre später noch immer hält. Wenn etwas an der Wissenschaft Bestand hat, dann ihre inhärente Offenheit, ihre Unplanbarkeit. Nachwuchsforscher müssen sich heute bis ins mittlere Alter mit prekären A rbeitsverhältnissen zufriedengeben. Und die meisten akzeptieren das, weil am biografischen Horizont die Forscherkarriere