Unser Mann in Hollywood

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Die Abflughalle vor Glückstadt füllte sich jetzt mit Indern und ihren in

nahm er mit tief heruntergezogenen Mundwinkeln seinen Sitz wieder ein

bunte Seidensaris gehüllte Frauen, einige davon in Begleitung ihrer Kinder,

und begann damit sein Jackett nach dem Flugschein abzuklopfen.

mit Mengen unförmigen Handgepäcks und elastischen Koffern in bleichen Blautönen – wie dicht unter der Haut verlegte Arterien, dachte er. Glück-

Glückstadt erinnerte sich genau daran, wie die zusammengehefteten Flug-

stadt fand einen Sitzplatz abseits und schleuderte den Handkoffer demons-

dokumente aus dem Reisepass hervorgestanden hatten. Verstimmt darüber,

trativ in eine der leeren Sitzschalen. Er hatte die Entfernung zu knapp be-

dass sie auf diese Weise unweigerlich verknicken mussten, hatte er sie in

messen. So schlugen die Objekte im Augenblick ihres Aufpralls dissonant

die Innentasche seines Jacketts gesteckt. Nun waren sie nicht dort. Ruhig

gegeneinander. Die Fehleinschätzung war ihm peinlich, doch hatte das Ge-

begann er die Suche noch einmal von vorn. Feiner Schweiß trat unter seinen

räusch sein Revier gesteckt. Er hätte jetzt kotzen mögen. Stattdessen riss

Haaransatz hervor und verdichtete sich zu einem kitzelnden Tropfen, den

er das unter dem Arm getragene Kulturmagazin in der Mitte auf und flog

er mit dem Ärmel seines Blazers abfing. Erneut schnappte er den Samsonite

gleichgültig über die dargebotene Mischung. Als sein Flug aufgerufen wur-

auf und stieß dort auf Anhieb auf das gesuchte Dokument.

de, ordnete er mit schnellen und geschmeidigen Bewegungen den Inhalt seines Koffers und stellte dann fest, dass er sich bei der Wahl seines Sitzplatzes

Als er das Flugzeug endlich betrat, roch es nach Talg und menschlichem

in eine ungünstige Ausgangsstellung begeben hatte. Vor ihm erhoben sich

Horn. Die Tageszeitungen waren bereits vergeben und bei der von ihm mit

etwa zweihundert Inder, von denen jeder das Flugzeug vor ihm betreten

gelassener Neugierde erwarteten Stewardess handelte es sich um einen älte-

würde. Er fluchte, und als einige der Fluggäste sich nach ihm herumdrehten,

ren, offenbar homosexuellen Mann. Die Sitzreihen der dritten Klasse waren fast vollständig besetzt, die beide Plätze zu seiner Linken jedoch noch frei. Wie grundlos verharrte der Flieger auf der Rollbahn, bis sich endlich ein dürrer Mann im Rahmen der offenen Luke zeigte; gefolgt von einer fülligen Frau, die sich inmitten einer Lawine von Bündeln und Kisten kreiselnd, lächelnd um Vergebung bittend und Köpfe und Knie mit ihrem Zeug anschlagend, in Glückstadts Richtung bewegte. Er begutachtete das gemeine Treiben, und wie ein gutes Omen drapierte er sein Clubjackett auf dem leeren Sitz neben sich. Er begann mit der Komposition einer Verteidigungsmelodie und flötete sie in die kalte Luft. Als der dunkelhäutige Mann seine Sitzreihe erreicht hatte, lächelte er zunächst das gute Omen und schließlich ihn selbst an. Dann benachrichtigte er


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