PP 9000 St. Gallen
Universität St.Gallen Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften sowie Internationale Beziehungen (HSG)
HSGBlatt AUS DEM INHALT Wissenschaft für unterwegs: «RoCC Management Insights» bietet neue OnlinePlattform für den Dialog mit der Öffentlichkeit.
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Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt: CDI-HSG verleiht den Preis «Commitment to Action». Seite 3
St.Galler Forum für erneuerbare Energien entwickelt Szenarien für eine nachhaltige Stromversorgung. Seite 3
Die HSG und ihre Schools: Die neue School of Finance lädt am 20. Mai 2011 zum Gründungsanlass. Seite 7
Umbruch in Nordafrika und der Wunsch der Menschen nach Freiheit: Ein Gespräch mit Prof. Dr. Uwe Sunde. Seite 8
An der HSG kann jetzt der GMAT absolviert werden Die Universität St.Gallen verfügt im Sprachenzentrum seit einiger Zeit über einen modernen multifunktionalen Testraum, in dem internetbasierte Sprach- und Eignungstests sowie Trainings durchgeführt werden. Dieser Testraum ist nun auch akkreditiert, um den «Graduate Management Admission Test» (GMAT) durchzuführen. Dabei handelt es sich um einen international anerkannten Eignungstest, der die Fähigkeit zu einem weiterführenden Wirtschaftsstudium bescheinigt. Auch an der Universität St.Gallen ist der GMAT für die Zulassung zum Studium von Bedeutung. Insbesondere ist er erforderlich, um in Weiterbildungsprogramme wie MBA und EMBA sowie in konsekutive MasterProgramme wie SIM oder MBF aufgenommen zu werden. Der GMAT prüft logische und analytische Fähigkeiten und wird wie zum Beispiel der TOEFL (Test of English as a Foreign Language) internetbasiert absolviert. Interessierte können sich über die Website www.mba.com für den GMAT anmelden. (red.) www.sprachenzentrum.unisg.ch www.mba.com
Nr. 2 4. April 2011
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Das Zeitalter der Demokratie? Von Daniele Caramani Lange dachte man, die Demokratie sei nur für die wohlhabenden westlichen Länder geeignet, doch inzwischen ist sie für die Hälfte der Weltbevölkerung Wirklichkeit geworden. Erleben wir die Globalisierung der Demokratie? Zwei Wochen vor Semesteranfang zwangen mich die Ereignisse im Mittleren Osten und in Nordafrika bereits zur Revision der frisch vorbereiteten Vorlesungsfolien für den Kurs «Democracy in Developing Countries». So schnell kann es gehen. Die letzte Region, die den bisherigen «Demokratisierungswellen» noch standhielt, wird von einem revolutionären Tsunami erfasst. Kann man vor diesem Hintergrund im Hörsaal noch von der Inkompatibilität gewisser Kulturen mit Demokratie sprechen? Was ist von Theorien der sozioökonomischen Entwicklung, vom Fluch des Öls oder von der Demokratieförderung zu halten? Unsere Modelle müssen an die neuen Realitäten angepasst werden. Globale Demokratie Die Realität hat sich zügig verändert in den letzen Jahrzehnten. Wir sind Zeuge der weltweiten Verbreitung der gewaltigsten politischen Innovationen geworden: freie, gleichberechtigte Bürgerschaft unter gewählten Institutionen. Zum ersten Mal lebt die Hälfte der Menschheit in Demokratien. Bei allen Unvollkommenheiten befinden wir uns in einer Zeit des demokratischen Aufbruchs. Schon vor den jüngsten Ereignissen waren 65 Prozent der Staaten demokratisch verfasst. Dieser Anteil hatte 1950 erst bei 15 Prozent, 1970 bei 25 Prozent gelegen. Demokratien sind auf allen Kontinenten entstanden, und in den meisten Ländern weisen Indikatoren auf eine Verbesserung der «Qualität» der Demokratie, der Freiheit und der Bürgerrechte hin. Universelle Werte Im Westen wird dabei oft vergessen, wie jung und fragil die gewohnten freiheitlichen Institutionen sind und wie wenig ihr letzter Zusammenbruch zurückliegt. Man bedenke nur, wann z.B. den Afroamerikanern oder den Frauen das Wahlrecht zuteil geworden, wann in gewissen Teilen Europas die Einparteienherrschaft zu Ende gegangen, wann religiöse Autorität mit liberalen Institutionen in Einklang
Wer wird Präsident? Die Hälfte der Menschheit hat heute Stimm- und Wahlrecht. gebracht worden ist. Auch im Westen hat die Akzeptanz «universeller Werte», die auf Gleichheit, Freiheit und Rationalität beruhen, einen langen und schmerzvollen Prozess erfordert. Solche Werte werden von allen Kulturen geteilt. Es gibt keine Anzeichen für eine grundsätzliche Inkompatibilität von Islam oder Konfuzianismus mit der Demokratie. Umfragen zeigen, dass 85 Prozent der Bevölkerung im Mittleren Osten und in Nordafrika der Aussage zustimmen: «Demokratie ist die beste Regierungsform.» Die Unterstützung der Demokratie ist global. Demokratische Institutionen haben in muslimischen Ländern existiert wie Indonesien und Pakistan ebenso wie im fragmentierten Libanon. Das säkulare Regime der Türkei kann als Vorlage dienen. Theokratien – siehe Iran – werden vom Volk nicht gestützt, und die heutigen Aufstände
sind nicht religiöser Natur. Die Massen unterstützen keinen Fundamentalismus. Statt Kampf der Kulturen beobachten wir universelle Konvergenz, hin zu demokratischen Werten. Können oder sollen Entwicklungsländer demokratisch sein? Sie können, wie z.B. Indien deutlich macht. Und sie sollen, denn Demokratie ist keineswegs ein Luxus, den sich nur wohlhabende Gesellschaften leisten könnten. Amartya Sen erklärt mit Nachdruck, dass Demokratie für Wachstum notwendig ist: freie Individuen bringen Wirtschaft und Gesellschaft voran. Seit Ende des Kalten Krieges wird die weltumspannende Verbreitung demokratischer Institutionen auch durch die Abwesenheit von Alternativen begünstigt. China spielt in der internationalen Szene nicht dieselbe Rolle, die die UdSSR einst innehat-
St.Gallen empfängt 650 Politikwissenschafter Vom 12. bis 17. April 2011 finden an der Universität St.Gallen die «39. ECPR Joint Sessions» statt. Rund 650 Politikwissenschafter aus der ganzen Welt kommen zum wissenschaftlichen Austausch in 25 Workshops zusammen. Im Zentrum der Tagung steht eine öffentliche Plenarveranstaltung mit einer Vorlesung von Elinor Ostrom, Professorin für Politikwissenschaft an der Indiana University, Nobel-
preisträgerin 2009 für Wirtschaft. Sie hält ihr Referat am Samstag, 16. April, um 18 Uhr im Audimax. Es ist erst das zweite Mal seit Gründung des European Consortium of Political Research (ECPR), dass dieser Kongress in der Schweiz stattfindet. Die Veranstaltung wird vom Institut für Politikwissenschaft (IPW-HSG) organisiert. (red.) www.ipw.unisg.ch, www.ecpr2011.ch
Bild: Keystone/Tomas Munita
te. Begünstigt wird der Prozess auch durch die neuen Medien, die sich der Kontrolle durch argwöhnische Regimes entziehen. Jedoch stehen den demokratischen Impulsen auch neue Herausforderungen gegenüber, etwa die «weichen» Autoritarismen Russlands oder Venezuelas. Neue Herausforderungen Die grösste Herausforderung besteht aber darin, dass die demokratischen Institutionen an die engen Grenzen der Nationalstaaten gebunden sind, während Wirtschaft, Kriminalität, Klima oder Demographie sich nicht an solche Grenzen halten. Wie können Demokratien mit diesen globalen Fragestellungen umgehen, auf supranationaler Ebene legitime Entscheidungen treffen und das multinationale Wirtschaftsgeschehen wirksam regulieren? Von einer wahrhaft «globalen Demokratie» sind wir noch weit entfernt. Und noch wissen wir nicht, wie lange es im Mittleren Osten und in Nordafrika dauern wird, bis es zu demokratischen Transitionen kommt. Dennoch geben die heutigen demokratischen Ambitionen Grund zum Optimismus. Das wird sich auch in den neuen Vorlesungsfolien widerspiegeln. Daniele Caramani ist Professor für Vergleichende Politikwissenschaft an der School of Economics and Political Science (SEPS-HSG). Er leitet den Profilbereich Global Democratic Governance und arbeitet am SNF-Projekt «From National to Supra-National Democracy».