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G R E I F S W A L D E R UNIVERSITÄTSR E D E N Ausgewählte Vorträge von Hochschullehrern der Universität i. R. Neue Folge Nr. 147 Greifswald 2014

Gemeinschaft von Hochschullehrern i. R. der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald e. V.

Inhaltsverzeichnis Einleitung Klaus-Dieter Rosenbaum

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Der Ursprung der Universitäten und 7 das Studium in ihrer Frühzeit Lothar Kämpfe Deutsche Universitäten im Epochenwandel 1500 – 1900 21 Günter Weise Der Mediziner, Zoologe und Forschungsreisende 29 Reinhold Buchholz (1837 – 1876) – ein tragisches Schicksal Lothar Kämpfe Wie misst man 100 Millionen Grad? 47 Hans-Jürgen Hartfuß Aspekte der biologischen Heilkunde 65 Ulrich Groth Vom Mikrokosmos zum Makrokosmos und zurück 76 Hannelore Bernhardt und Manfred Knoke Schlusswort 81 Klaus-Dieter Rosenbaum Impressum 87

Danksagung Die Sparkasse Vorpommern ermöglichte den Druck dieses Bandes der „Greifswalder Universitätsreden” als Sponsor des „Fonds zur wissenschaftlichen Arbeit (Lehre und Forschung)” für die Gemeinschaft von Hochschullehrern i. R. der Ernst-Moritz-ArndtUniversität Greifswald e. V. Diese dankt der Sparkasse Vorpommern ganz herzlich für die Ermöglichung des Druckes.

Greifswalder Universitätsreden

Neue Folge Nr. 147

Einführung Klaus-Dieter Rosenbaum

Die Universität Greifswald wurde am 17. Oktober 1456 mit päpstlicher Geneh­ migung durch Herzog Wartislaw IX. von Pommern-Wolgast gegründet. Die herzogliche Schenkung des Amtes Eldena an die Universität durch Herzog Bogislaw XIV. sicherte die finanzielle Selbstständigkeit der Universität bis in das preußische Jahrhundert hinein.

In dieser Epoche entstanden um 1900 zahlreiche Universitätsneubauten in der Innenstadt von Greifswald. Die Bebauung wurde nach 1925 im Osten der Stadt fortgesetzt.

Letzteres sollte im Kontext mit der Öffent­ lichen Meinung stehen, die auch für die Universität Greifswald den wei­teren Be­ stand einforderte. Die Uni­versität hatte alle Wirren überstanden, die durch die Reformation im Lande, den Dreißig­ jährigen Krieg mit seinen Folgen sowie durch die wechselhafte Eingliederung der Pom­mer­­schen Landes­hochschule in das schwe­dische, preußische und deutsche Hoheits­gebiet entstanden waren.

Die deutsche Universität Greifs­wald wurde zunehmend durch das wilhelminische Kaiserreich, die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus und den Sozialismus geprägt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Lehrbetrieb am 15. Februar 1946 wieder aufgenommen. Die Hohe Schule wurde durch das sozialistische Gemeinwesen unterhalten und in diesem Sinne geformt.

Grundlage für Veränderungen war vor­ erst die Verabschie­ dung eines Über­ gangs­gesetzes, das Hoch­schul­erneu­ e­rungs­gesetz (HEG) von 1991, um die Grundsätze zur Erneuerung der Uni­ver­ sität wie personelle Erneuerung, Über­ leitungsverfahren für Professoren und Veränderungen der Hochschul­strukturen (Stellen- und Entwick­ lungs­ plan) durch das Kultusministerium fest­zulegen, bevor ein HRG-konformes Landes­ gesetz laut Beschluss durch den Land­tag 1993 fällig werden sollte.

Als Folge der politischen Wende von 1989 begannen in unserem Land politisch kontroverse Diskussionen in den bildungsorientierten Schichten der Gesellschaft, der neuen Parteienlandschaft und den zuständigen legislativen und exeku­ti­ven Gremien einschließlich ihrer Berater­ kommissionen um die Erneuerung der Strukturen und des wissenschaftlichen Per­sonals der Universitäten Rostock und Greifs­wald. Es ging letztendlich um Auf­ lösung, Erhalt, Veränderung oder Erwei­ terung der Hochschullandschaft.

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Nun waren andere und neu geschaffene Rechtsnormen wirksam, die sowohl die Betriebsbedingungen für die Universität veränderten als auch den Verbleib und die 4

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Besoldung der von der Landesregierung übernommenen „Professoren neuen Rechts“ sowie auch die Berentung der im Ruhestand befindlichen Mitglieder des Lehrkörpers betrafen.

versteht sich als Zusammen­schluss von Hoch­ schullehren i. R. der Ernst-MoritzArndt-Universität zu Greifs­­wald, die lt. hörige der Uni­ LHG M-V, § 50, Ange­ versität sind. Er pflegt die Verbin­dung zur Universität, unter­stützt deren Arbeit durch fördernde und kritische Begleitung, mit dem Ziel, das Ansehen der Universität sowohl national als auch international zu wahren und zu befördern“.

Letztere gründeten 1991 einen Verein, der nach alter Satzung von 1994 durch den Germanisten Professor Dr. Karl-Heinz Ihlen­burg „… die Belange der ehemali­­gen Hochschullehrer sowohl der Uni­ver­ sität gegenüber als auch anderen kommunalen Landes- und Bundesdienststellen zu vertreten“ hatte.

In unserer Gemeinschaft sind verdienstvolle und anerkannte Hochschullehrer aus der Vorwendezeit, evaluierte Hoch­ schul­ lehrer neuen Rechts (sog. HRGProfessoren) sowie lt. § 59 LHG berufene Hochschullehrer. Damit wurde auch den neu berufenen Hochschullehrern nach ihrer „Emeritierung“ die von uns dringlich erwünschte Mitarbeit in unserer Gemeinschaft ermöglicht.

Erster Vorsitzender des Vereins war der mediziner Professor Dr. Ernst Rechts­ Scheibe. Einer seiner Nachfolger, der Mathe­­­matiker Professor Dr. Jürgen Flachs­­meyer, begann mit der Umge­stal­ tung des Vereins in eine wissenschaft­lich orientierte Gemeinschaft mit wachsenden Ansprüchen. Ihm folgte der Physiker Professor Dr. Klaus-Dieter Rosen­baum, zunächst ver­tretungs­berechtigt, später gewählt als 1. Vorsitzender des auf der Grundlage einer neuen Satzung umbenannten Vereins „Gemeinschaft von Hochschullehrern i. R. der Ernst-MoritzArndt-Universität Greifswald“.

Die neue Satzung war erforderlich, um zeit­gemäßen Ansprüchen nach wissenli­ schaftlicher Weiterarbeit und aktua­ sier­­ter Weiterbildung der im Ruhe­stand befind­­lichen Hochschul­lehrer unter­­ schied­ licher Fach­ bereiche gerecht zu den. Grundlage der Arbeit unter wer­­ beziehung von Referenten aus der Ein­ Uni­­ver­sität und der Kommunal­politik wurde der § 2 der Satzung: „Der Ver­ein

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Letztendlich eint uns der gemeinsame Wille zur akademischen Wahrheitssuche im Bekenntnis zur gesellschaftlichen Bedeutung von Wissenschaft und akademischer Bildung. Wir fühlen uns gemäß der Grundordnung unserer Universität (§ 1) ebenfalls der Geschichte und Kultur Vorpommerns verpflichtet und sehen darin auch einen Auftrag zur Unterstützung der Universität, der Stadt Greifswald und des Landes Mecklenburg-Vorpommern in ihrem Bemühen, den Nordosten unseres Landes zu stärken.

Um in der Öffentlichkeit wirksam zu wer­­ den, suchte ich nach geeigneten Medien.

Wir stellen uns vor auf der Uni-Inter­ netseite „Wissen lockt. Seit 1456 – Ernst5

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Literatur

Moritz-Arndt-Universität Greifswald“ unter www.uni-greifswald.de → „fördern & kooperieren”, und gestal­ ten diesen Sammelband unse­rer Gemeinschaft mit aus­gewähl­­ten Bei­trägen zur Entstehung und Ent­ wicklung universitären Lebens sowie mit aktuellen Beiträgen einzelner For­ schungs­ bereiche. Neben den Vorträgen auf unseren Vereinstreffen führen wir jährlich einmal eine Exkursion zu Orten durch, die mit der Geschichte Vorpommerns und unserer Universität verbunden sind.

Homepage der Ernst-Moritz-Arndt-Uni­ ver­sität Greifswald: www.uni-greifswald.de Lehmann, Daniel (2013): Zwischen Um bruch und Erneuerung. Die Universität Rostock von 1989 – 1994, BoD-Books on Demand, Norderstedt, S. 65-67.

Vereinsregister VR 0262, Amtsgericht Greifswald.

Greifswald, August 2014 Prof. Dr. Klaus-Dieter Rosenbaum 1. Vorsitzender der Gemeinschaft

Als Redakteur danke ich den Mitgliedern, die mit ihren Beiträgen zur Gestaltung dieses Sammelbandes beigetragen haben.

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Der Ursprung der Universitäten und das Studium in ihrer Frühzeit Lothar Kämpfe 1. Die Wurzeln der Universitäten

fand asketisch-monas­tisches Gedanken­ gut auch in aristokratischen Kreisen Reso­nanz.

Die Entwicklung des Bildungssystems in Europa an der Wende der Antike zum frühen Mittelalter ist wesentlich geprägt vom wachsenden Ein­fluss des Christen­tums in Euro­pa. Kaiser Konstan­ tin I. erklärte 313 im Edikt von Mai­ land das Christentum zur römischen Staatsreligion; Theodosius I. bestätigte dies 391 erneut offiziell. Wenige Jahre später – nämlich 395 – kam es unter dem gleichen Herrscher zur Teilung des Reiches in Ost- und West­rom. Bereits 330 hatte Konstan­ tin das einstige Byzantium zu seiner Haupt­stadt Konstan­ tinopel erklärt. Nun erlischt das antike Bildungssystem mit seinen klassischen Schulen in Athen, Alexandria und Byzanz.

In Europa herrscht vorübergehend ein Vakuum, was Bildungsstrukturen anbetrifft. Das aufstrebende Christentum erkennt aber sehr schnell diesen Mangel.

Neue Möglichkeiten bieten sich durch die frühen Klostergründungen. Um 285 entsteht die erste Eremitenkolonie in Nord­ägypten, gegründet durch den Heili­ gen Antonius, der sich in der Wüste niederließ. Ihm folgte ebenfalls in Ägypten Pachomius (gest. 346). Er gab seiner Mönchs­gemeinschaft bereits feste For­ men, die das Ideal­bild der christlichen Urge­meinde als Grund­lage hatten. In den Klöstern entstan­den Zen­tren der Gelehr­ samkeit und eigenes Schrift­tum. Viel­fach

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Ein entscheidender Gründungsschub erfolgte im 6. Jahrhundert mit dem Bene­ diktiner-Kloster in Monte Cassino 529 durch Benedikt von Nursia (gest. 547?), dem weitere Gründungen folgten. In den Klöstern wurden bald Klosterschulen etabliert, und zwar unter anfänglicher Nutzung von antikem Bildungsgut und überkommenen Lehrplänen. Bis ins 13.

Jahrhundert blieben die Benediktiner wesent­liche Träger der Bildung im christ­ lichen Europa. Kloster­ schulen sind in Gallien seit dem 5. Jahrhundert, im deutschen Sprach­raum ab dem 7. Jahr­hundert nach­ gewiesen. Etwa zeit­ gleich verliert die berühmte Schule in Alexan­dria ihre Bedeu­tung, führt jedoch die medizi­nische Aus­bildung weiter, wie dies auch einige andere theolo­ gische und medizi­ nische Schulen in Klein­asien tun.

Seit etwa 750 treten zu den Kloster­ schulen auf Weisung des Vatikans die Domschulen als zweite Säule christlich orientierter Bildung hinzu. Jeder Bischof hatte die Auflage, in seiner Diözese für lateinkundigen Nachwuchs zu sorgen, wobei nicht alle Auszubildenden Priester werden mussten. Auch Karl der Große verfügte 789 die Errichtung von Schulen in allen Klöstern und nutzte sie 7

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gleichzeitig als Ausgangspunkte für seine Reichsorganisation (FRANK 1988).

Berühmte Domschulen entstanden in Tours, St. Gallen, Fulda, Lüttich, Paris, Köln und Erfurt. Aus den letzten dreien gingen später unmittelbar Universitäten hervor.

in der islamischen Welt führte. Dennoch gab es Einflüsse auf die christlich-euro­ päische Bildung: Die Medizinschule von pellier wurde von Anhängern Mont­ Avicennas (980 – 1037) organisiert und die von Friedrich II. 1224 erlassene Medi­ zinal­ordnung als Grund­lage des abend­ ländischen Ärzte­standes geht auf arabische Vor­bilder zurück. Auch die frühen Uni­versitäten Bologna, Paris und Padua lassen arabische Vorbilder erkennen.

Die nun ins Bild tretenden mittelalter­ lichen Universitäten sind also Neu­ erscheinungen zur Ausbildung des klerus, die auf den christlich geWelt­ prägten Bildungsstätten der Kloster- und Domschulen fußen, wie SCHULZE & SSYMANK 1910 darlegen. Auch unsere Zusammenstellung folgt deren umfassender Aufarbeitung in wichtigen Passagen.

Kehren wir in das christliche Europa zurück: Aus den Kloster- und Domschulen lösten sich einzelne Gelehrte heraus, die als Wanderlehrer Schüler um sich sammelten und an geeigneten Orten kleine Gemeinschaften mit relativer Selbstständigkeit bildeten. Diese bedurften keiner Gründungsakte, sondern entwickelten sich allmählich. Zur Gründung war lediglich die Genehmigung herren am Nieder­ lassungs­ des Grund­ ort der Gemeinschaft erforderlich. Die Lehrpersonen hatten den Charakter von Privatlehrern; ihr Hauptlehrgegenstand war das christliche Dogma. Aber es vollzog sich ein allmählicher Wandel von der monastischen zur scholastischen Theologie.

Als Lernmuster galt nun die Aneig­nung grund­legender Texte, die Disputatio, die sprüchen und die Auflösung von Wider­ Ergebnisfindung. Letztere kam dann der praktischen Seelsorge zum Beispiel in Form von Predigttexten zugute. Bei den verbalen Auseinandersetzungen herrschten vielfach raue Sitten. Schließlich galt das Augenmerk einer größeren allgemeinen Verständlichkeit der Predigten (SALLER 2006).

Mit dem Aufkommen des Islam im 7.

Jahrhundert setzte in der arabisch beeinflussten Welt eine eigenständige Ent­wicklung ein. Als bedeutendes wissenschaftliches Zentrum galt ab 970 die Azhar-Moschee in Kairo neben anderen im vorderasiatischen Raum. Sie standen in engem Austausch mit den geistigen Zentren des Islam im ommajadischen Spanien (Cordoba, Sevilla, Toledo, Valencia, Almeria). Eine ihrer besonderen Leistungen war die Bewahrung und Belebung antiker Kulturelemente, die der christlich-europäischen Geisteswelt sonst verloren gegangen wären.

Hauptanliegen islamischer Bildung war natürlich die Korantheologie und -rechtslehre (Scharia). Durch diese Schwer­ punktsetzung entwickelten sich keine Fakultäten, was zu einer bis heute spürbaren Einengung der Wissensvermittlung

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ne textkritischen Schriften spiegeln das spannungsreiche Suchen nach Neuem in dieser Zeit wider.

2. Die ältesten Universitätsgründungen und ihre Organisation am Beispiel Bologna und Paris In der Folge geben die Wanderlehrer ihre Unabhängigkeit mehr und mehr zugunsten dauerhafter örtlicher Bindung und des Zusammenschlusses unter sich festigenden Strukturen auf. So entstehen ohne Gründungsakte die ältesten Universitäten in einem allmählichen Pro­zess wie Bologna (1088), Paris (1150) und Oxford (1167) als klerikal gesteuerte Einrichtungen. Auch die weltlichen Mächte erkennen den Wert der Bildung und nehmen Einfluss auf die Entwicklung, zum Beispiel Barbarossa, der 1158 ein Universitätsgesetz, die Habita, erlässt, das vor allem die Entwicklung in Bologna geprägt hat (DENIFLE 1885).

Abb. 1: Der Frühscholastiker Peter Abaelardus (1079 – 1142) (aus http://de.wikipedia.org/wiki/Abaelard #Leben)

Als ein außerordentlich aktiver Vertreter der Frühscholastik in Frankreich wirkte Petrus Abaelardus (1079 – 1142) und lehrte Theologie, Logik und Dialektik.

Sein Leitmotiv war „Nichts ist zu glauben, wenn es nicht verstanden ist.“ Seine 1102 gegründete Schule brachte es bald zu großem Ansehen. Nach einer tra­ gischen Liebes­beziehung mit der begab­ ten Heloisa ließ deren Onkel Abaelard über­fallen und ent­mannen. Seine Nichte musste Nonne werden. Nach wechsel­ vollem Leben hatte der Philosoph berühmte Schüler, wurde jedoch vom Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux der Häresie angeklagt, durch päpstlichen Spruch zu Klosterhaft und ewigem Schweigen verurteilt; seine Schriften wurden in Rom öffentlich verbrannt (ERNST 2003; NIGGLI 2003). – Das per­ sön­liche Schicksal Abaelards, sein Ein­ treten für die Logik als Maßstab des Wissens und der Philosophie sowie sei-

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Mit Beginn des 13. Jahrhunderts erfolgte die weitere Ausformung der Lehr- und Studienbedingungen – wieder ausgehend von den ältesten Universitäten Bologna und Paris. Mehrere Päpste nah­ men richtunggebenden Einfluss auf die­ sen Prozess. Papst Honorius III. erließ vorschriften 1219 umfassende Prüfungs­ und 1233 befand die römische Kurie gültigkeit der Lehr­ über die Allgemein­ be­ fäh­ igung innerhalb der gesamten christlichen Welt. Die Residenzpflicht, die ständige Anwesenheit im zuständi­ gen Kloster oder der Diözese, wurde auf9

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gehoben. Dies förderte den personellen Austausch der Lehrkräfte erheblich; der Wissenstransfer wurde wirksam stimuliert. Auch wirtschaftlich förderten die Päpste die Bildungsstätten durch Vergabe von Pfründen, Stiftungen und Zuführung von begüterten Studenten (SCHULZE & SSYMANK 1910). Lehrer verwandter Gebiete schlossen sich zu losen Gruppierungen zusammen; 1255 tritt der Begriff Fakultät für diese erstmals auf. Als Beispiel wird in Abbildung 2 die Struktur der Universität Bologna dargestellt.

Auch für die Lernenden, die Scholaren, verlangte die noch junge Form universitärer Lehrstätten zunehmend nach geordneten Strukturen. Die Scholaren waren Fremde in den Kommunen, die eine Universität beherbergten, und stellten eine Minderheit dar. Sie schlossen sich darum ähnlich wie handwerkliche Zünfte in Landsmannschaften zusammen, um ihre Rechte besser wahrnehmen zu können. Dies betraf sowohl ihre Eigenständigkeit gegenüber den Lehrenden als auch die Wahrung wich-

Abb. 2: Gliederung der Universität Bologna in ihrer Frühzeit (nach ScHULTZE & SSYMANK 1910) Universität Bologna (Studium generale Bononiense) 1088 gegründet Doktorenkollegien (den Fakultäten entsprechend) Aus Einheimischen bestehend

Scholarengenossenschaft (univerrsitas scholarium) Anfänglich nur aus Stadtfremden

• Theologie

• Artistenkorporation (universitas artistarum) auch Mediziner umfassend

• Jurisprudenz

• Theologen (zunächst von Franziskanern betreut)

• Medizin

• Juristenkorporation (universitas jurisconsultorum) umfasst Scholaren beider Rechte

Korporation der Diesseitigen (Citramontane)

Korporation der Jenseitigen (Ultramontane)

mit drei Nationen, zum Beispiel Toscaner, Lombarden, Römer

mit 14 Nationen, zum Beispiel Gallier, Burgunder, Normannen, Catalonier, Ungarn, Polen, Deutsche, Engländer, Spanier und andere

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ausartete. Eine Immatrikulation gab es zunächst noch nicht. Vor­aussetzung zum Studium waren der dem Rektor zu leis­ tende Treue­eid, die Ein­tra­gung in die Liste der jewei­ligen Lands­mann­schaft und in die Matri­kel des gewähl­ten Magis­ters.

Es entwickelten sich Aufnahmerituale, sog. De­po­si­tionen, die von Geld­zahlungen, Gelagen bis zu Wasser­taufen und anderen Demütigungen reich­ten. Sie stellten wiederum eine Parallele zu Zunftgebräuchen dar und arteten später bisweilen in unschöner Weise aus.

tiger Privilegien gegenüber weltlichen Kräften wie Städten oder Landesherren.

Eine eigene Gerichtsbarkeit und ab 1224 Schutzbriefe, die Befreiung von Steuern und Militärpflicht, zollfreie Einfuhr von Lebensmitteln und Getränken oder das Tragen von Waffen gehörten hierher. mann­ In Bologna wurden die Lands­ schaften als universitates bezeichnet; ab dem 14. Jahrhundert wird dieser Begriff für die gesamte Lehranstalt verwendet. Die Bedeutung der organisierten Scholarenschaft wird auch dadurch sichtbar, dass sie den Rektor stellte.

Die Scholaren genossen eine gewisse Freizügigkeit, die oft als Vagantentum

3. Bildung im 13. Jahrhundert und wachsender Einfluss der Orden

Trotz verbesserter Organisa­tions­formen kam es im 13. Jahr­hundert immer wieder zum Verfall der Sitten im uni­versi­tären Abb. 3: Scholarenprivilegien und Leben. Fort­ge­schrittene Studenten nahStudienvorschriften (nach ScHULTZE & SSYMANK 1910) men besonders im Sommer gern Hilfs­dienste in Klöstern Scholarenprivilegien (libertas scholastica) und Kirchen­gemeinden wahr, Vor­le­sungen wurden • Eigene Gerichtsbarkeit Ab 1224 durch Schutzbrief: erst nach dem Aus­schlafen • Keine steuerlichen Abgaben (Missbrauch in Florenz!) ren besucht, die Gebüh­ • Zollfreie Einfuhr von Lebensmitteln und Getränken wurden vertrunken sowie • Befreiung vom Militärdienst sog. Parlamente der Sünde • Rechtsschutz • Recht zum Waffentragen (besonders in Italien) abgehalten. In einigen Studienhäusern ließen Vorschriften sich sogar Bordelle nieder.

• Keine speziellen Lehraufträge: Jeder liest jedes.

Auch die Lehrkräfte waren • Doktorat nach sechsjährigem Studium für Theologie von diesen Auswüchsen • Doktorat nach sieben- bis achtjährigem Studium für Jura • Doktorat frühestens mit 21 Jahren nicht ausgenommen. Der • Rektor frühestens mit 25 Jahren, dazu ein Kardinal Jacob von Vitry fünfjähriges Studium und Kleriker nennt im 13. Jahrhundert • lernend als Scholar, die Pariser Universität ein lernend und lehrend als Baccalar (wie Geselle oder Knappe), nur lehrend als Magister (Doktor), in Theologie etwa 35 Jahre alt Parlament der Sünde und

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Charakteristik der Nationen Kardinal Jakob von Vitry: Die Universität Paris ist im 13. Jahrhundert ein internationales Parlament der Sünde.

• Engländer

sind

Trunkenbolde

• Franzosen

sind

stolz und weichlich

• Deutsche

sind

wütend und obszön

• Normannen

sind

hochmütig und eitel

• Burgunder

sind

brutale Narren

• Bretonen

sind

leicht und unbeständig

• Lombarden

sind

hochmütig, boshaft und feige

• Römer

sind

aufrührerisch und gewalttätig

• Sizilianer

sind

grausam und tyrannisch

• Brabanter

sind

Diebe

• Flamen

sind

Wüstlinge

Abb. 4: Charakteristik der Landsmannschaften im 13. Jahrhundert durch Kardinal Jakob von Vitry (nach ScHULTZE & SSYMANK 1910)

charakterisiert die Landsmannschaften in drastischer Weise (SCHULZE & SSYMANK 1910; Abb. 4).

Eine solche Entwicklung konnte von der Kirche als Ordnungsmacht nicht hingenommen werden. Ein wesentliches Element waren dabei die neu entstandenen Orden (Franziskaner um 1200 durch Franz von Assisi, Dominikaner 1215 durch Dominikus Guzmán). Diese auch als Bettelorden bezeichneten Grup­ pierungen, zu denen noch weitere hinzu kamen (Augustiner, Karmeliten) waren straff gegliedert, wirkten orts­unab­hängig und waren zu be­stän­digen Bemühungen um die Quali­ fizierung als Seelsorger oder Prediger verpflichtet. Jedes Kloster

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hatte neben dem Prior einen Doktor (Lektor) als Leiter der Klosterschule. Er war für das Haus­ studium im Kloster selbst verant­wort­lich. Diese Lehrer hatten ihre Aus­bil­dung in einem General­studium am Dominikaner­ kloster St. Jaques in Paris erhalten. Um den wachsenden Bedarf zu decken, betrieb ab 1303 jede Ordensprovinz ein eige­ nes General­studium mit Jahres­kursen in Grammatik, Dialektik und Rhetorik. Die Orden verfügten über eine straffe Gliederung: So waren die Dominikaner in Deutschland in zwei Ordensprovinzen aufgeteilt, die von je einem Ordens­meister (Prior provincialis) geleitet wurden. Die den jeweiligen Ordenshäusern vorstehenden Priore wählten als Gene­ ralkapitel den Ordensmeister. Die Ordens­ angehörigen zeichneten sich durch hohe Mobilität aus, zumal jedem Kloster im weiteren Umfeld ein Seelsorgebereich zugeteilt war. FRANK (2006) bezeichnet dies als „institutionalisierte Wanderpredigt“ (S. 152). Hinzu kam, dass der Orden keinem Bischof, sondern dem Papst direkt zugeordnet war.

Mit wachsendem Bildungsbedarf war es sachlich und bildungsstrategisch naheliegend, dass die führenden Köpfe der Orden immer stärker auch in die Universitäten drängten und dort Lehrstühle einnahmen (Paris, Bologna, Köln, Oxford u. a.).

Besonders die Universität Paris profitierte von der engen Verbindung zwischen Orden und Universität, nachdem der Papst

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1254 gegen die seitens der Universität geleisteten Widerstände eingeschritten war. Die ordensgebundenen Lehrstühle wirkten nicht nur als Ordnungshüter, sondern auch als Gegengewicht gegen aufkommende Strömungen in der Philosophie und Dogmatik. Solche Aus­ ein­ andersetzungen wurden durch den aufkommenden Rationalismus, den Universalienstreit (also die Frage, ob die Universalien als Allgemeinbegriffe eine eigene Existenz beanspruchen können = Realismus oder nur Abstraktionen, also Namen von Klassen = Nominalismus sind) und das Gebot der Armut, ausgelöst, um einige zu nennen.

und Wilhelm von Occam (um 1288).

Beson­ders den Dominikaner- und Franzis­ kaner­orden ist in den Universitäten das Wirken für eine straffere Disziplin, die Bereicherung des wissenschaftlichen Lebens, die Ausrichtung der Vorlesungen nach logischen Prinzipien und die Förde­ rung der Besten zum Beispiel durch Auf­ nahme in das Pariser Ordenshaus zuzuschreiben (FRANK 1988).

Trotz mancher Fortschritte waren die Inhalte der Lehre streng durch das christliche Dogma bestimmt. Die Lizenz zum Lehren setzte die Anerkennung der päpstlichen Erlasse voraus. Der Inhalt der Lehrmaterialien wurde sorgfältig geprüft; die Schriften des Aristoteles blieben verboten. Forschung in unserem Sinne trat noch weit zurück. Die Gelehrten verstanden sich als Vermittler und Interpreten des bereits vorhandenen Wissens. Neue Einsichten wurden an der Übereinstimmung mit den christlichen Dogmen gemessen.

Als herausragende Persönlichkeiten dieser Zeit erscheinen Petrus Lombardus, der 1159 ein umfassendes Lehrbuch der Theologie schrieb, weiter Franz von Assisi (1181 – 1226), Albertus Magnus (um 1200 – 1280), Thomas von Aquin (1225 – 1274) (SCHÖNBERGER 2006), Alexander von Hales (um 1185 – 1245)

Abb. 5: Franz von Assisi (1181/82 – 1226) (aus FEISTNER 2006)

Abb. 6: Albertus Magnus (1200 – 1280) (aus FEISTNER 2006)

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Abb. 7: Thomas von Aquin (1225 – 1274) (aus wikipedia. org/wikipedia/commons/e3/ St.thomas-aquinas)

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Auch die Situation der Scholaren war noch keineswegs zufriedenstellend: Räume waren knapp, Hörsäle und Wohnungen mussten angemietet werden, die Scholaren wurden in verschiedenster Weise ausgebeutet. Um hier entgegenzuwirken, begründete der Kanonikus Robert von Sorbon 1257 die erste Stiftung eines Kollegs, das Sorbonicum.

Es wurde danach zum Namensgeber für die gesamte Pariser Universität, die Sorbonne. Diese erste Stiftung war als Wohn-, Lern- und Essgemeinschaft organisiert und deutlich ausbildungsorientiert. Sie stand zunächst nur Theologen nach dem ersten Examen offen, hatte Examenszwang innerhalb von sieben Jahren und eine strenge Hausordnung.

Zudem verfügte sie über eine eigene Bibliothek, was bei der Knappheit von Lehr- und Studienmaterialien von besonderem Wert war. Es folgten bald weitere Gründungen von Kollegs ähnlicher Art; sie wurden zu Kristallisationskernen für Magister- und Scholaren-Gemein­schaf­ ten auch anderer Fakultäten in universitätseigenen oder angemieteten Räumen.

Sie förderten die Disziplin und stellten ein spürbares Gegengewicht gegen die Konkurrenz und Privilegien der an der Universität wirkenden Bettelorden dar.

nes eigens dafür amtierenden Fuxabtes statt. Erst im 15. Jahrhundert wurde spürbar gegen die Auswüchse eingeschritten, ohne dass jedoch ihr Aufleben in immer wieder unterschiedlicher Form verhindert werden konnte. Man bezeichnete das ungezügelte Gebaren dann als Pennalismus. – Für die Zeit um 1230 dürfte es in Europa immerhin schon etwa 20 Universitäten gegeben haben.

Es darf aber nicht übersehen werden, dass die meisten Scholaren zunächst in privaten Unterkünften, sog. Pädagogien, lebten, die von Magistern geführt wurden. Auch hier fanden fidele bis derbe Bräuche ihren Nährboden mit Fuxtaufen (Fux = Lehrling), Depositionsriten und opulenten Festessen unter Leitung ei-

Das 14. Jahrhundert brachte für Europa große Erschütterungen, die sich auch auf die Entwicklung der Universitäten wirkten. Die eintretende Klimaver­ aus­ schlechterung zog Missernten und aufstände nach sich. In Nord­ Bauern­­ deutschland verschlang 1362 eine rie­ sige Sturm­ flut große Land­ flächen und

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Abb. 8: Vorlesung im Mittelalter (google.de/search?Q=laurentius+de+ voltolina&ie)

4. Umbrüche im 14. Jahrhundert und die weitere Entwicklung in Deutschland

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etwa 100.000 Menschen­ leben (Große Mandränke). Spanien durchlebte die Reconquista mit wachsender Intoleranz gegen Moslime. Vor allem Frankreich litt unter den Verwüstungen des Hun­­dertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich ab 1337 und die großen Pestzüge, insbesondere 1348 – 1350, vernichteten 30 bis 50 Prozent der Bevölkerung. Judenpogrome breiteten sich von Südfrankreich nach Spanien und Deutschland unter indirekter Förderung Kaiser Karls IV. aus. Die Krisensituationen trugen dazu bei, dass die nationalstaatlichen Interessen gegenüber den Rechten der Kirche zunahmen.

blieb. Das bedeutete, dass die Landes­ fürsten in Deutsch­ land eigen­ ständige Verwal­ tungen und landes­ eigene Universitäten sowie verstärkt Steuereinnahmen und Handelsprivilegien anstrebten.

Aber immer noch war im deutschen Sprachraum die elementare Bildung von Klerus und Adel an die Kloster- und Domschulen (zum Beispiel Fulda, Köln, Magdeburg, Trier, Erfurt, Regensburg) gebunden. Diese Schulen waren durch ihre einseitig klerikale Ausrichtung in ihren Möglichkeiten stark eingeengt, sodass bildungsbewusste Deutsche

Um in der gegebenen Situation das Reich zu stabilisieren, berief Karl IV. Abb. 9: Deutsche Studierende in Bologna für 1356 einen Hoftag nach Nürnberg und deutsche Doktoren in Italien 1380 – 1449 ein, in dessen Verlauf Rechte und (nach SCHULTZE & SSYMANK 1910) Pflichten der Kurfürsten bei der Königswahl in der Deutsche in Bologna Goldenen Bulle neben 1289 – 1350 (Gründung von Prag) 1792 Scholaren weiteren Rege­lungen fest= 29 pro Jahr geschrieben wurden. Lang­1350 – 1400 8 pro Jahr fristig bedeutete dies ei1400 – 1450 6 pro Jahr nerseits die Ausschaltung (Padua wird von Venedig gefördert!) des Papstes bei der deut­ schen Königs­wahl, die nun 1450 – 1500 14 pro Jahr heit erfolgte, durch Mehr­ Deutsche Doktoren in Italien und zum ande­ren tenden­ 1380 – 1449 ziell die Fes­ tigung der geistl. weltl. beide insgesamt Recht Recht Macht der Territorialherren.

Damit waren die Wei­chen Bologna 155 36 5 196 in Deutschland für einen Padua 35 2 – 37 Föderal­staat bis heute ge­ Pavia 31 13 9 53 stellt, wäh­ rend in Frank­ insgesamt 221 51 14 286 reich oder England die im Durchschnitt 4,1 Promotionen pro Jahr Zen­tralgewalt bestimmend

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bis Mitte des 14. Jahrhunderts ein Studium besonders der Medizin und Jura im Ausland absolvieren mussten.

Dies war mit hohen Kosten verbunden.

Universitäre Bildung galt deshalb als ausgesprochenes Privileg und war nur wenigen vergönnt (Abb. 9).

be­ rufung von Konzilien (Pisa 1409, Ein­ Konstanz ab 1414) sollte die Einheit der Kirche wieder erlangt werden. Auch die Pariser Universität bemühte sich um eine Vermittlerrolle, litt aber dennoch unter spürbarer Abwanderung von Studenten und Lehrkräften. Für die Kirche trat zudem fühlbarer Geldmangel hinzu, der durch verstärkten Ablasshandel, Vergabe von Handelslizenzen und Ausrufung von Jubeljahren kompensiert werden sollte. Die Folge waren innerkirchliche Gegenströmungen wie die beginnende Predigertätigkeit des Jan Hus in Böhmen (BASSE 2011).

Darum war es verständliches Anliegen der Fürsten, die eigenen Landeskinder im Lande selbst auszubilden. Der Luxem­ burger Karl IV. – selbst Absolvent der Pariser Universität – gründet 1348 die Prager Universität, die er zum „Paris des Ostens“ entwickeln wollte. Ihm folgten Kasimir der Große mit der Universitäts­ gründung 1364 in Krakau und Rudolf IV. 1365 in Wien. Ein früherer Versuch einer Universitätsgründung in Kulm war an der Verweigerung der Zustimmung durch den Vatikan gescheitert.

Im Ganzen profitierten die weltlichen Fürsten von der Schwächephase der Kirche. In Frankreich legte Karl VI. die Grundlage für eine einheitliche Nationalkirche; die deutschen Terri­ to­ rial­ fürsten nutzten die Gunst dieser si­ Situation zu einer Serie von Univer­ täts­ gründungen. Beginnend mit Hei­ del­­ berg 1386 entstanden im deutschen Sprachraum insgesamt bis zur Gründung von Frankfurt/Oder 1506 14 neue Universitäten. Mehrfach waren es tatkräftige Lehrpersonen, die Paris verließen und als Organisatoren an neuen Universitäten wirkten. Paris diente auch wiederholt als Muster für die Statuten der Neugründungen. Konrad von Gelnhausen und sein Wirken in Heidelberg ist ein Beispiel. Etwa zwei Drittel der Neugründungen wurden von den jeweiligen Landesherren initiiert, ein Drittel geht auf städtische Initiativen zurück (Köln, Erfurt, Rostock, Basel, Trier).

Die Städte zeigten sich gegenüber ihren

Eine weitere Ereignisfolge in der Welt der Kirche sollte weitreichende Konsequenzen für die Bildungsstätten in Europa mit sich bringen: das Schisma von 1378 bis 1417. Innerkirchliche Machtkämpfe hatten dazu geführt, dass Papst Urban VI. in Rom und gleichzeitig Papst Clemens VII. in Avignon den Heiligen Stuhl inne­hatten. Die Aus­ein­an­ der­setzungen dauerten über Jahrzehnte an, wobei vorübergehend sogar einmal gleichzeitig drei Päpste das hohe Amt für sich beanspruchten. Sowohl die Kirchenvertreter als auch die weltlichen Herren mussten sich entscheiden, welchen Papst sie akzeptierten. Die christliche Welt zerfiel in verschiedene Gehorsamsbereiche (Obödienzen). Durch

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es so gut wie nicht. Es bestanden strenge Kontrollen für Vorlesungsbesuch und Prüfungszulassung (BECHER 1951).

Universitäten flexibler als landesherrliche Gründungen. Die Mehrzahl der Studenten kam aus den Städten und fand dort später auch Arbeitsmöglichkeiten.

Die Kommunen brauchten Ärzte, Juristen, Stadtschreiber und Lehrer zu ihrer Entwicklung. Pro Universität kann mit 300 bis 400 Studenten gerechnet werden, wovon drei Viertel Schüler der unteren Fakultät in Vorbereitung auf das eigentliche Studium waren (PAULSEN 1893; SCHULZE & SSYMANK 1910).

Die Lehrpersonen spielten die Hauptrolle an den Universitäten, sie wurden von den Scholaren oft mit Misstrauen betrachtet. Dem Doktor wurden als Zeichen seiner Würde der Doktorhut, der Ring und ein aufgeschlagenes oder offenes Buch mit Kuss und Segen überreicht.

Der Antrittsvorlesung folgte eine üppige Doktorfeier. Doktoren nahmen etwa die Stellung eines heutigen ordentlichen Professors ein. Sie standen über dem Landadel, waren von Steuern und Militärpflicht befreit, ebenso von Einquartierungen und mussten bei Prozessen in ihrer Wohnung vernommen werden. Äußerlich war der Doktor an seinem faltigen Talar und dem Barett zu erkennen. Die Lehrpersonen gingen nun auch immer öfter eine Ehe ein.

Blicken wir auf die Studienbedingungen in Deutschland bis zur Reformation. Die Scholaren waren durch ihr Alter und die Studienrichtung (geistlich oder weltlich) recht unterschiedlich ausgerichtet. Armut war zwar kein prinzipielles Studienhindernis; Betteln war jedoch verbreitet, ebenso die Übernahme von Hilfsarbeiten, etwa als Famulus (Diener). Als arm galt, wer über weniger als zehn Gulden im Jahr verfügte.

Zum Vergleich: Das Jahreseinkommen eines Handwerkers betrug zwanzig Gulden. Lehrer und Schüler waren in Internaten untergebracht. Dort befanden sich Scholarräume; solche Einrichtungen wurden nun als Bursen bezeichnet. Es bestand Bursenzwang, Wohnen in der Stadt stellte eine privilegierte Ausnahme dar. Der Tagesablauf in den Bursen war streng geregelt: Zwischen vier und fünf Uhr Aufstehen, abends zwischen acht und neun Uhr wurde die Burse geschlossen. Dazwischen fanden laufend Vorlesungen, Diktier-, Wiederholungsund Übungsstunden statt, dazu täglich Disputationen. Urlaub und Freizeit gab

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Grundsätzlich musste an der Universität zunächst die Artistenfakultät durchlaufen werden, um die höheren Grade des Baccalars, Magisters oder Doktors zu erwerben. In der Ausbildung wurde den Disputationen in Anlehnung an das antike Bildungsideal große Bedeutung beigemessen. Ein Magister disputans war der Leiter der oft mehrtägigen Veranstaltungen auf Universitäts- und Fakultätsebene. Die „Universitas“ als Ganzes umfasste außer den Lehrpersonen und Scholaren auch die dienstleistenden Personen wie Buchdrucker, Gastwirte, Fechtmeister oder Diener begüterter Scholaren. Alle waren auf die Statuten 17

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der Universität vereidigt und genossen auch deren Privilegien (PAULSEN 1893).

sonstigen Bewohnern. Erstere wiederum – vor allem die Studenten – setzten sich für die Wahrung ihrer Privilegien ein.

Die Phase bis zur Renaissance und Reformation wird für die Entwicklung der Universitäten im deutschen Sprachraum als Übergang betrachtet, der durch eine allmähliche Abkehr von überkommenen Formen und die Hinwendung zu einer weltlich-bürgerlichen Lebensweise ge­ kenn­zeichnet ist. Dabei kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Stadtbevölkerung. Die letztere nahm Anstoß an der Abgehobenheit der Universitätsangehörigen gegenüber den

Unmittelbar nach Beginn der Reforma­ tion, vor allem zwischen 1526 und 1535, ist eine rückläufige Entwicklung der Universitäten im deutschen Sprachraum zu verzeichnen. Die Immatrikulationen gingen auf ein Viertel, auf schätzungsweise 650 bis 1000 in Deutschland zurück.

Die Theologie war besonders betroffen.

Geldmangel war ein wesentlicher Grund in den nun protestantischen Ländern. Das eingezogene katholische Kirchengut und

Abb. 10: Frühe Universitätsgründungen in Mitteleuropa

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Stiftungen der Landesherren waren ein gewisser Ausgleich, wie das Beispiel der Universität Greifswald zeigt, die auf diese Weise zum größten Grundbesitzer unter den Universitäten Deutschlands wurde.

Bürgertum den Wert wissenschaftlicher Bildung und erhöhte seinen Einfluss.

Geblieben ist, dass Ausrichtung und Leistungsfähigkeit der Bildungsstrukturen vom Weitblick und der Bereitschaft zu Investitionen durch die Träger der Macht abhängig waren und sind.

Dennoch kam es bald zu einer Welle von Neugründungen in den reformierten Ländern: Marburg 1527, Königsberg 1544, Helmstedt 1576. Schon bestehende Universitäten erfuhren eine positive Veränderung: Tübingen 1534, Wittenberg 1536, Frankfurt/Oder 1542, Heidelberg und Leipzig 1558 (PAULSEN 1893). Aber auch die katholisch gebliebenen Länder kamen an Reformen nicht vorbei. Eine wichtige Rolle sollte für sie der von Ignatius von Loyola in Italien ab 1534 gegründete Jesuitenorden übernehmen. Straffe Hierarchie und strenge Schulung seiner Mitglieder ließen diese großen Einfluss als Berater, Beichtväter, Diplomaten und Lehrer an wichtigen Schaltzentren der Macht ausüben. Dieser Orden wurde damit zum Hauptträger der Gegenreformation in Europa und später weltweit (BECHER 1951).

Literatur BASSE, M. (2011): Entmachtung und Selbstzerstörung des Papsttums (1302 – 1414). – Leipzig, 184 S. BECHER, H. (1951): Die Jesuiten.

Gestalt und Geschichte eines Ordens.

– München, 438 S. DENIFLE, H. (1885): Die Entstehung der Universitäten des Mittelalters bis 1400. Bd. 1. – Berlin, 814 S. ERNST, St. (2003):Petrus Abaelardus. – Aschaffenburg, Münster, 213 S. FEISTNER, E. (Hrsg.) (2006): Das mittel alterliche Regensburg im Zentrum Europas. – Regensburg, 296 S. FRANK, I. W. OP (2006): Frömmigkeits und Bildungstransfer: Das europä ische Profil der Bettelorden im 13.

Jahrhundert. In: FEISTNER, E. (Hrsg.)

(2006): Das mittelalterliche Regens burg im Zentrum Europas. – Regensburg, S. 145-157.

FRANK, K. S. (1988): Geschichte des christlichen Mönchtums. 4. Aufl. – Darmstadt, 208 S. NIGGLI, U. (Hrsg.) (2003): Peter Abaelard.

Leben – Werk – Wirkung. – Freiburg, Basel, Wien, 420 S. PAULSEN, F. (1893): Wesen und ge schichtliche Entwicklung der deut-

Abschließend kann resumiert werden, dass die jeweils herrschenden Kräfte maßgeblichen Einfluss auf die Stätten der Bildung genommen und die geistigen Strömungen je nach Opportunität mit Argwohn oder Wohlwollen begleitet haben. In der Entstehungs- und Frühphase der Universitäten war es die Kirche, bis im Hochmittelalter weltliche territoriale Kräfte ihren Einfluss verstärkten.

Schließlich erkannte das emanzipierte

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Anschrift des Autors

schen Universitäten. In: LEXIS, W. (1893): Die Deutschen Universitäten.

Bd. I, S. 1-114.

SALLER, R. (2006): Predigtwandel und städtische Ökonomie: Zum ökono mischen Realismus in Predigttexten Bertholds von Regensburg. In: FEISTNER, E. (Hrsg.) (2006): Das mit telalterliche Regensburg im Zentrum Europas. – Regensburg, S. 190-199.

SCHÖNBERGER, R. (2006): Albertus Magnus und Thomas von Aquin: Zu einem Lehrer-Schüler-Verhältnis. In: FEISTNER, E. (Hrsg.) (2006): Das mit telalterliche Regensburg im Zentrum Europas. – Regensburg S. 159-176.

SCHULZE, F.; P. SSYMANK (1910): Das deutsche Studententum von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. – Leipzig, 487 S. WIKIPEDIA: http://de.wikipedia.org/wiki/ Abaelard#Leben, S. 1-9.

EBENDA: wikipedia.org/wikipedia/com mons/e/e3/St. Thomas-aquina. www.google.de/search?q=laurentius+de +voltolina&ie.

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Prof. Dr. Lothar Kämpfe Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Ehemals: Zoologisches Institut und Museum Johann-Sebastian-Bach-Straße 11/12 17489 Greifswald

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Deutsche Universitäten im Epochenwandel 1500 – 1900 Günter Weise 1. Geschichtlicher Überblick Gründungsdaten

Zeitumstände

1.1. Mittelalter (bis 1500) 1386 Heidelberg 1388 – 1798 Köln (→ 1919)

Universitätsgründung durch hohen Klerus Einwilligung des Papstes erforderlich Scholastik Vorherrschaft der Theologie Dogmatische Beschränkungen in Lehre und Forschung auf den Gebieten der Philosophie, der Medizin und der Jurisprudenz

1392 – 1816 Erfurt (→ 1994) 1402 Würzburg 1409 Leipzig 1419 Rostock 1456 Greifswald 1457 Freiburg i. B. 1472 München 1473 – 1798 Trier (→ 1970) 1477 – 1798 Mainz (→ 1946) 1477 Tübingen

1.2. Frühe Neuzeit (16./17. Jahrhundert) 1502 – 1817 Wittenberg (1817 Halle) 1506 – 1811 Frankfurt/Oder (→ 1811 Breslau)

Gründung durch Territorialfürsten Renaissance Reformation und Humanismus Einfluss auf Bildungswesen

1392 – 1816 Erfurt (→ 1994) 1527 Marburg 1558 Jena

Bauernkrieg Religionskriege Dreißigjähriger Krieg

1607 Gießen 1647 – 1803 Bamberg (→ 1972) 1655 – 1818 Duisburg (→ 1972) 1665 Kiel 1694 Halle

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1.3. 18. Jahrhundert 1737 Göttingen

Gründung durch Landesfürsten Liberal-kritisches Denken im Bürgertum

1743 Erlangen (→ 1961 Erlangen-Nürnberg) 1645 Technische Hochschule Braunschweig

Aufklärung Treueeid gegenüber den Fürsten Einsetzende Industrialisierung Klassengegensätze

1775 Bergakademie Freiberg 1775 Bergakademie Clausthal 1780 – 1818 Münster (→ 1902)

1.4. 19. Jahrhundert 1810 Berlin (seit 1949 Humboldt-Universität) 1811 Breslau (vormals Frankfurt/Oder)

Gründung durch Landesfürsten

1817 Halle (vorher Halle und Wittenberg)

Neuhumanismus Industrieller und ökonomischer Wettbewerb Technische Hochschulen bzw. Universitäten

1818 Bonn 1825 UTH Karlsruhe 1826 München

Industrielle Revolution Massenarbeitslosigkeit Entwicklung von Großstädten Verschärfung der Klassengegensätze Bürgerliche Revolution 1848 Reichsgründung 1871

1828 Dresden (1890 Technische Hochschule) 1829 Stuttgart 1831 Hannover 1826 Chemnitz-Zwickau 1860 Weimar (→ 1954) 1868 Technische Universität München 1870 Technische Hochschule Aachen (RWTH) 1876 Technische Hochschule Stuttgart 1877 Technische Hochschule Darmstadt 1879 Technische Hochschule Berlin

Wie der Überblick veranschaulicht, entstand bis 1900 in Deutschland ein relativ dichtes Netz von höheren Bildungsstätten mit regionalen Schwerpunkten. Ursachen: Territoriale Zersplitterung nach dem Dreißigjährigen Krieg, Interessen der mächtigen Territorialfürsten, unterschiedliche ökonomische Entwicklung, verspätete Gründung des Nationalstaates.

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2. Einzelanalysen

Kirche „an Haupt und Gliedern“. 1508/09 Studium in Wittenberg, 1511 Doktor der Theologie, dann Professor, Vorlesungen 1513 – 1518 und 1522 ff.

31. Oktober 1517: Luthers 95 Thesen als Antwort auf die Ablasspredigten Tetzels, offizieller Beginn der Reformation. 1520 endgültiger Bruch mit Rom. Kritik am Papsttum, päpstliche Bannbulle, Reichsacht, Flucht auf die Wartburg, Beginn der Bibelübersetzung (Neues Testament), Bibel als Grundlage des Glaubens, der Theologie und des Kirchenwesens, Aufbau der evangelisch-lutherischen Kirche.

Ab 1520 Schriften, unter anderem „An den christlichen Adel deutscher Nation“, „Von der Freiheit eines Christenmenschen“.

Im untersuchten Zeitraum existierten 43 deutsche Universitäten, die an den geistes- und sozialgeschichtlichen Umbrüchen in unterschiedlichem Maße beteiligt waren. Beschränkung der Untersuchung auf fünf Universitäten, die bahnbrechende Beiträge leisteten: • die Universität Wittenberg im Zeitalter der Reformation und des Humanismus (16. Jahrhundert), • die Universitäten Halle und Göttingen in der Aufklärungsepoche (18. Jahr hundert), • die Universität Berlin (heute Humboldt Universität) zur Zeit des Neuhumanis mus (Anfang 19. Jahrhundert) und • die Technische Universität Berlin in der Blütezeit der Industriellen Revolu tion (2. Hälfte des 19. Jahrhunderts).

Prototyp der „neuen“ Universität; enge Verbindung von Reformation und Humanismus; Losung „ad fontes“: Rückgriff auf die Quellen der Wissenschaft.

Luthers Volkstümlichkeit, vgl. seinen „Sendbrief vom Dolmetschen“. Gemeindeutsche Schriftsprache auf der Grundlage des Meißener Dialekts, Verbreitung durch Buchdruck und Flugschriften.

Sorge um das Bildungswesen: „Brief an die Bürgermeister und Ratsherren der Städte zur Aufrichtung und Unterhaltung von Schulen“. Kritikpunkte: Spaltung der reformatorischen Bewegung (Müntzer, Zwingli, Calvin). Luthers Verurteilung des Bauernkrieges und Parteinahme für die Fürsten. Neue Dogmenbildung und nicht enden wollender Streit. Luther war, unabhängig von seiner Bibelübersetzung, im 16. Jahrhundert der meistgelesene deutsche Autor.

Martin Luther, vom Mönch zum Reformator, willensstark und durchsetzungsfähig, fordert Reformation der Katholischen

Philipp Melanchthon, enger Mitarbeiter Luthers, Mann des Ausgleichs, übte Kritik an der „rabies theologorum“ Huma-

Die Umbrüche führten innerhalb der Universitäten zugleich zu inhaltlicher und struktureller Neuorientierung. Dieser Zusam­menhang soll im Folgenden exemplarisch dargestellt werden.

2.1. Die Universität Wittenberg (Leucorea) 1502

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2.2. Die Universität Halle (Fridericiana) 1694

nistischer Einschlag, Begriff des „lumen naturale“ (Erfahrung, Vernunft) neben göttlicher Offenbarung. Theoretiker und Organisator: Verfasser der „Confessio Augustana“ (1540) und Reformer des Latein- und Hochschulwesens 1528 Kursächsische Schulordnung, betraf die Lateinschulen; Neugründungen in Magdeburg, Eisleben, Nürnberg.

Preußische Universität, Rivalität mit Kursachsen (Leipzig). Übereinstimmung in der evangelischen Lehre auf der Basis der Augsburgischen Konfession, doch Forderung nach mehr Toleranz; Zurückweisung konfessioneller Streitigkeiten Emanzipation von feudalen Fesseln auf ideologischem Gebiet: Frühaufklärung ab 1690, Halle führende Universität.

Einfluss bei der Erneuerung der bestehenden Universitäten (neben Wittenberg: Leipzig, Frankfurt/Oder, Tübingen, Heidelberg, Greifswald). Neugründungen reformatorisch-humanistisch geprägt: Mar­ burg, Königsberg. Rat bei Neubesetzung von Professuren, Ehrenname: Praeceptor Germaniae. Breite Resonanz der Universität Witten­berg im Ausland; Giordano Bruno schrieb bewundernd: „Hier baut die Weisheit ihr Haus.“

Christian Thomasius (Jurist), Wirken als Gelehrter, Hochschulpolitiker und Schriftsteller 1690 ff. Vorlesungen in deutscher Sprache. Naturrecht nicht auf Offenbarung, sondern auf Vernunft gegründet.

Säkularisiertes Strafrecht, Kampf gegen Folter und Hexenprozesse.

Christian Wolff (Mathematiker, Naturforscher und Philosoph), 1706 ff. Verbreitung des „Aufklärungsgeistes“ in lateinischer und deutscher Sprache. Schüler von Leibnitz, Philosoph des gesunden Menschenverstands und des bürgerlichen Nutzens. Philosophie als „strenge Wissenschaft“: „Philosophia rationalis sive logica“ (1740); Umfangreiche Publikationstätigkeit, nationale und internationale Wirkung (Wolffianismus). Steigende Wertschätzung der Naturforschung.

G. J. Rheticus leistete einen Beitrag zur Durchsetzung des heliozentrischen Weltbildes nach N. Kopernikus. Shake­ speares „Hamlet” kam von Wittenberg an den dänischen Hof. Lehrstühle 1536: vier Theologen, vier Juristen, drei Mediziner und elf Artisten (Griechisch, Latein, Grammatik, Poetik, Mathematik, Dialektik, Rhetorik, Natur­ lehre, Moralphilosophie, Pädagogik). Unter Melanchthon hatte Wittenberg von allen deutschen Universitäten die höchs­ ten Studentenzahlen.

Georg Ernst Stahl (Arzt und Chemiker), baute die Phlogistontheorie (Theorie der Verbrennungsvorgänge) aus.

Friedrich Hoffmann (Mediziner), entdeckte die Heilkraft der Lauchstädter

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Albrecht von Haller (Botaniker und Mediziner), 1737 – 1753 in Göttingen, Verfasser von Lehrbüchern der Anato­ mie und Physiologie, Schriften zur praktischen Medizin und Botanik. Erfahrung und Experiment als Grundlagen der naturwissenschaftlichen Forschung.

Schwerpunkte im 19. Jahrhundert: Physik und Mathematik.

Mineralquellen, führte ab 1727 klinische Untersuchungen und anatomischen Unterricht durch.

August Hermann Francke (Theologe), Begründer des Pietismus: verinnerlichter, gelebter Glaube anstelle starrer Dogmatik; Pfarrer in Glaucha, Fürsorge für Waisenkinder.

Errichtung der Franckischen Stiftungen 1702ff. Fortlaufende Erweiterung: Hauptgebäude, Schulen, Gärtnerei, Druckerei (Bibeln), Apotheke, Naturalienkabinett.

Internationale Beziehungen. Beispiel: J. M. Mühlenberg, erster evangelischer Bischof in South Carolina, Korrespondenz mit Francke im Archiv der Franckischen Stiftungen, Auswahl 2011 in den USA veröffentlicht. Bruch des ursprünglichen Bündnisses zwischen Frühaufklärern und Pietisten aufgrund ideologischer Differenzen. Erbitterter Streit, aus dem anfangs die Pietisten (Vertreibung Wolffs), letztendlich aber die Aufklärer als Sieger hervorgingen. 1817 Vereinigung der Universitäten Wittenberg und Halle, repräsentiert durch Doppelsiegel.

Carl Friedrich Gauß (Mathematiker und Astronom), seit 1807 Direktor der Sternwarte, Professor und Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften.

Arbeiten zur Mathematik (Theorie der unendlichen Reihen, numerische Methoden der angewandten Mathematik, Differentialgeometrie) und zur Physik (Erdmagnetismus, Optik).

Georg Friedrich Lichtenberg (Mathematiker, Physiker, Schriftsteller), ab 1775, Lehrbuch der Experimentalphysik, naturwiss. und philosophische Aufsätze im Sinne der Aufklärung. Galt als Universalgenie. Freigeist, betrachtete England als seine Geistesheimat: „Briefe aus England“. Meister des Aphorismus, „Sudelbücher“, Volkstümlichkeit.

2.3. Die Universität Göttingen (Georgia Augusta) 1737

Jakob und Wilhelm Grimm ab 1830 in Göttingen.

Jakob Grimm, Begründer der Germanistik. Seine „Deutsche Grammatik“ leitete die historische germanische Sprachforschung ein. Herausgeber der ersten Bände des „Deutschen Wörterbuchs“, das erst im 20. Jahrhundert vollendet wurde.

Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Berlin.

Eingeweiht vom Kurfürsten Georg August von Hannover, der als Georg II. auch König von Großbritannien war. Von Anfang an der Aufklärung verpflichtet, Einflüsse aus England. Kluge Berufungspolitik, hervorragender Ruf in Geistes- und Naturwissenschaften, „Geist von Göttingen“.

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Wilhelm Grimm, bearbeitete zusammen mit seinem Bruder Märchen und Sagen.

Die „Kinder- und Hausmärchen“ wurden ein Volksbuch.

(Autonomie, Selbstverwaltung), • Prinzip der Einheit von Lehre und For schung, • Humanistische Bildung der Studieren den als Bildung zur Selbstbestimmung, • Nationale und internationale Wirkung von Humboldts Konzeption, bis heute Versuche, den Kern zu bewahren.

Göttinger Sieben (unter anderem die Grimms, Dahlmann, Gervinus): Nach Aufhebung des liberalen Staatsgründungsgesetzes beschuldigten sie den König des Verfassungsbruchs, darauf fristlose Entlassung. Sie wurden später Mitglieder der Frankfurter Nationalversammlung. Nach den Jahren der Demagogenverfolgung galt ihre Haltung als Zeichen für das Aufleben des liberalen Geistes in Deutschland.

1810 vier Fakultäten: Jura, Medizin, Theologie, Philosophie. Philosophische Fakultät nicht mehr untergeordnet, sondern gleichberechtigt neben den anderen Fakul­täten. König­liche Biblio­thek wird Univer­sitäts­bibliothek (1828).

Bedeutende Universitätslehrer: Wilhelm von Humboldt (Philosoph, Sprach­wissenschaftler, Kulturpolitiker), Begriff der „inneren Sprachform“, Sprache als System und Tätigkeit. Freundschaft mit Schiller und Goethe.

Alexander von Humboldt (Naturforscher und Geograph), Veröffentlichungen über die Ergebnisse seiner Forschungsreisen.

Begründer der Pflanzengeographie und Landeskunde. Rege Vorlesungstätigkeit.

Joh. Gottlieb Fichte (Philosoph), erster frei gewählter Rektor der Universität: Publikationen zur Wissenschaftslehre und Nationalerziehung.

G. F. Wilhelm Hegel (Philosoph), Nachfolger von Fichte, entwarf das umfassendste System der klassischen idealistischen Philosophie, Einfluss auf Junghegelianer und Marx, der Hegels System „Vom Kopf auf die Füße stellen“ wollte.

Leopold von Ranke (Historiker), Begründer der modernen Geschichtswissen-

Göttingen, eine Kreisstadt mit weltbekannter Universität beherbergt heute neben der Niedersächsischen Staatsbibliothek die Nationalbibliothek des 18.

Jahrhunderts.

2.4. Die Universität Berlin (Unter den Linden) 1810 Friedrich-Wilhelms-, seit 1949 HumboldtUniversität zu Ehren Wilhelm von Humboldts. Seit 1809 Leiter des Kultur- und Unterrichtswesens und des preußischen Innenministeriums, war er der geistige Vater der Universität. Anfang des 19.

Jahrhunderts: Zeit des Neuhumanismus, Berufung auf die Weimarer Klassik. Impulse von den Philosophen Fichte und Schleiermacher. Humboldts Konzeption: • Prinzip der Staatlichkeit betr. Inhalt und Struktur sowie Finanzierung, • Prinzip der institutionellen Freiheit

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Bei Gründung im Vordergrund: Bedürfnisse des Staates nach wirtschaftlichem und politischen Machtzuwachs wie auch Bedürfnisse der Industrie nach wissenschaftlichem Vorlauf.

schaft, die auf Quellenforschung und -kritik beruht. Wirkung auf die USA: Die Abfolge Junior College → University → Graduate College basiert auf Wilhelm von Humboldts Konzeption.

Rudolf Virchow (Mediziner), Begründer der Zellularpathologie; Veröffentlichungen zur Hygiene, Anthropologie, Sozialpolitik.

Georg Robert Kirchhoff (Physiker), Gesetze der Stromverzweigung, Wellen­ theorie des Lichts.

F. Carl von Savigny (Jurist), begründete die Historische Schule der Rechtswissenschaft, plädierte für ein unabhängiges Justizministerium.

Berlin im 19. Jahrhundert war eine schnell wachsende Industriestadt, ab 1870 Reichshauptstadt. Staatlich geförderter Kapitalismus, Aufholjagd gegenüber England, Frankreich und den USA. Gesucht: grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse und technische Anwendung, Innovationen und Verbesserung der technischen Ausbildung in Betrieben und Technischen Lehranstalten. Staatliche Unterstützung auch für private Unternehmen. Beispiele: Elektroindustrie: Siemens & Halske, gegründet 1847 (Fernmeldetechnik). Rivale AEG (Allg.

Elektrizitätsgesellschaft) gegründet in den 1880er Jahren, Telefunken, gegr.

1903 (Radio, Film).

Im 19. Jahrhundert erlangte die Berliner Universität Weltgeltung. Bis 1945 kamen 29 Nobelpreisträger von dort.

2.5. Technische Universität Berlin (1879) Gegründet als Königlich-Technische Hoch­schule Preußens, Berücksichtigung der Bedürfnisse des Staates und der Industrie. Beispiel für Technische Hochschulen, die im 19. Jahrhundert in rascher Folge entstanden: Karlsruhe, Dresden, München, Stuttgart, Aachen, Darmstadt.

Umwandlung in Technische Universitäten durch Erweiterung des Fächerkanons um geistes- und sozialwissenschaftliche Fächer: An der TU Berlin wurden nicht nur Maschinenbau, Elektrotechnik, Chemie, Informatik und Wirtschaftsingenieurwesen, sondern auch Anglistik, Psychologie und Musikwissenschaft gelehrt.

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Zwischen 1880 und 1914 wuchs Berlin zur weltweit führenden Elektrohauptstadt heran („Elektropolis“). Werner von Siemens: „Die Weltspitze ist nur zu halten, wenn die Forschung ihre Spitzenstellung hält.“ Im 19. Jahrhundert noch keine Vernetzung von Industrie- und Hochschulforschung. Aufgabe der TU: Grundlagen für Spitzenforschung schaffen.

Spitzenleistungen von Wissenschaftlern der TU im 20. Jahrhundert: Ernst Ruska, Erfinder des Elektronenmikroskops mit magnetischer Linse (1931).

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Literatur

Konrad Zuse, Entwickler von Z1, der ersten programmgesteuerten Rechen­ maschine (1936).

Bode, Christian et al. (Hrsg.): Universitä ten in Deutschland. München/New York: Prestel 1995.

Nida-Rümelin: Philosophie einer huma nen Bildung. Hamburg: Edition Körber Stiftung 2013.

Wozu Universitäten, Universitäten wo hin? Stifterverband für die deutsche Wissenschaft. Villa-Hügel-Gespräch, Essen 1993.

Hinweis auf den Vortrag von Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz: „Wie lebendig ist Humboldt“ im Alfried Krupp Wis senschaftskolleg Greifswald am 7.

November 2013.

3. Zusammenfassende Einschätzung In dem untersuchten Zeitraum haben die ausgewählten Universitäten die großen geistigen und sozialen Umbrüche nicht nur begleitet, sondern aktiv gefördert. Sie haben den wissenschaftlichen Vorlauf für das Denken und Handeln der jeweils neuen Epoche geschaffen und sind zum Vorbild für andere Universitäten geworden. Durch die Ausbildung und Erziehung der Studierenden sind sie sowohl der Forderung nach wissenschaftlichem Nach­ wuchs als auch dem Stre­ben nach einer humanen Bildung gerecht geworden. Sie haben trotz finanzieller Abhängigkeit vom Staat die errungene Autonomie und Selbstverwaltung gewahrt, und sie haben die Einheit von Lehre und Forschung in der Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden zu ihrem Leitprinzip erhoben.

Anschrift des Autors Prof. Dr. Günter Weise Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Ehemals: Institut für Anglistik/ Amerikanistik Steinbeckerstraße 15 17489 Greifswald

In der Gegenwart wird zu ermitteln sein, wie die Humboldt’schen Ideen in den heutigen Massenuniversitäten noch ver­ wirklicht werden können bzw. wie sie aktualisiert und differenziert werden müssen. Das setzt den Mut und die Kraft zu strukturellen wie auch inhaltlichen Reformen voraus.

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Der Mediziner, Zoologe und Forschungsreisende Reinhold Buchholz (1837 – 1876) – ein tragisches Schicksal Lothar Kämpfe

Die folgende Darstellung ist das Ergebnis der kritischen Sichtung der Archiv- und Sammlungsbestände im Zoologischen Institut der Ernst-MoritzArndt-Universität Greifswald durch Frau Dietlinde Sonnenberg und den Verfasser sowie einschlägiger Quellen des Archivs der Universität Greifswald. Das Leben und Wirken von Reinhold Buchholz beleuchtet gleichzeitig ein Stück Wissenschafts- und Kulturgeschichte der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Es ist durch erhebliche Umbrüche gekennzeichnet:

• 1848 Märzrevolution • 1861 Wilhelm I. bis 1888; Bismarck ab 1862 • 18. Januar 1871 Kaiserkrönung in Versailles.

Wandel in der Technik: • Dampfmaschine, Eisenbahn, und Dampfschiffe • Elektrizität und Telegraphen • Vereinheitlichung von Maßen und Gewichten Wandel in der Landwirtschaft: • Justus Liebig: Mineraldüngung; Brache fällt weg • Aufschwung in der Tierhaltung Warenaustausch: • Wegfall der Zollgrenzen durch Deutschen Zollverein (Hamburg-Wien mit 39 Zollschranken) • Vereinheitlichung des Postwesens Politische Situation: • 1840 Friedrich Wilhelm IV., der „Romantiker auf dem Thron“

Am 2. Oktober 1837 wurde Reinhold Wilhelm Buchholz in Frankfurt/Oder geboren. Sein Vater Wilhelm Buchholz war Divisionsprediger, seine Mutter Maria die Tochter des Oberstleutnant Wilhelm von Schmeling in der dortigen Garnison.

Als Reinhold fünf Jahre alt war, nahm sein Vater die Pfarrstelle in Juditten – eine Wegstunde westlich von Königsberg – an, in herrlicher Landschaft zwischen Kapornischer Heide und dem Samland gelegen und mit reicher Flora und Fauna gesegnet. Den ersten Unterricht erfuhr er durch seinen Vater, und der stille Knabe war entweder hinter Büchern oder draußen in der Natur beobachtend und sammelnd zu finden. Im Elternhaus fand er mit seiner Lieblingsschwester Adelheid

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Der Text greift auf die erweiterte Fassung eines Vortrages und einen vorbereiteten Beitrag für das Biographische Lexikon für Vorpommern zurück.

1. Elternhaus, Kindheit und Jugend

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Freude an guter Musik, seine Mutter war musisch hoch begabt.

de und mit ihnen enge Freundschaft schloss. Sie entwickelten eine lebhafte Wander- und Entdeckerlust, die sie bis nach Rügen führte, was aber spürbar zu Lasten der schulischen Leistungen ging. Der Vormund, der inzwischen nach Berlin versetzt worden war, nahm Reinhard mit, wo er im Alumnat des Joachimsthaler Gymnasiums mit sehr strengen Anstaltsregeln untergebracht wurde. Der reglementierte Tagesablauf kollidierte bald mit seinen naturwissenschaftlichen Interessen. Diese trafen zudem auf den Spott seiner Mitschüler und das Unverständnis seiner Lehrer. War es da ein erneuter Einbruch oder doch ein glücklicher Umstand, dass Reinhold von der Schule verwiesen wurde?

Doch diese ungetrübte Harmonie wurde in seinem 11. Lebensjahr jäh beendet.

Sein Vater verstarb mit nur 42 Jahren an einem typhösen Fieber, die Mutter zog mit ihren sieben fast durchweg noch kleinen Kindern nach Königsberg, um deren schulische Ausbildung sicherzustellen.

Für das älteste Kind Reinhold bedeutete dies die Aufnahme in die Quarta des Gymnasiums, aber auch die Trennung von der Familie. Der engste Freund seines Vaters, der Kreisbauinspektor Becker übernahm die Vormundschaft für die Kinder und nahm Reinhold ganz in sein Haus auf, wo er gemeinsam mit den Beckerschen Söhnen erzogen wur-

Folgendes hatte sich ereignet: In seiner Klasse war es zu ernsten Diszi­ plinwidrigkeiten gegen einen Lehrer gekommen, deren Anstifter hart bestraft werden sollte. Aber keiner verriet ihn, auch Reinhold nicht, der zwar zugab, ihn zu kennen, aber standhaft blieb. Dies führte zu schärfsten Verhören, Karzer, Schlägen und schließlich zum Schulverweis mit der schriftlichen Einschätzung, dass Reinholds Charakter ein verdorbener sei, dass er ferner überhaupt schwerlich je etwas leisten werde, die Mutter möge ihn nur „vorläufig bei sich Holz hacken lassen“ (HEINERSDORFF 1880, S. 7).

Abb. 1: Reinhold Buchholz (1837 – 1876)

Reinhold bat daraufhin seine Mutter, die Schule in Königsberg weiter besuchen zu dürfen, was durch die Einsicht der dortigen Schulleitung und die Hilfs­ bereitschaft einer befreundeten Pfarrers­

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familie Heinersdorff auch gelang. Wieder entstanden zwischen den gleichgesinnten Jugendlichen beider Familien enge Freundschaften und die Lehrkräfte am Gymnasium erkannten schnell die natur­ wissenschaftlichen Begabungen des jungen Buchholz. Er konnte bereits auf fundierte Formenkenntnis zurückgreifen und diese durch respektable botanische und zoologische Sammlungen belegen (HEINERSDORFF 1880).

kehrte er nach Königsberg in seinen alten Freundeskreis zurück und legte dort seine medizinischen Examina ab.

Am 11. Mai 1861 wurde er zum Dr. med. mit einer Arbeit über künstliche Knochenbildung nach Transplantationen promoviert (BUCHHOLZ 1863a). Sie wurde in Virchow’s Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie publiziert. Bald danach erfolgte eine größere Untersuchung zur Anatomie und zum Vorkommen einer Wurmgruppe im Raum von Königsberg (Gattung Enchytraeus) (BUCHHOLZ 1862). Der Greifswalder Physiologe L. Landois urteilte später: „Schon in dieser Schrift zeichnet sich Buchholz aus als gewandter Zergliederer, scharfsinniger Beobachter, trefflicher Kenner des Mikroskops und Meister der bildlichen Darstellung.“

2. Das Studium Ostern 1857 legte Reinhold Buchholz eine glänzende Reifeprüfung am Königsberger Fridericianum ab. Die einzige Möglichkeit, Medizin zu studieren, war bei der Geldknappheit seiner Mutter sein Eintritt in das Königlich MedizinischChirurgische Friedrich-Wilhelms-Institut, die sog. Pépinière, in Berlin. Die straffmilitärischen Heimbedingungen schränkten ihn in seinen biologischen Neigungen zwar erheblich ein, erlaubten ihm aber dennoch das Ordnen einer großen botanischen Expeditionsausbeute der Gebrüder Schlagintweit als Nebenbeschäftigung.

Mit dem Verdienst konnte er sich seinen sehnlichsten Wunsch, den Kauf eines leistungsfähigen Nachet’schen Mikroskops mit allem Zubehör, erfüllen. Es hat ihm zeitlebens beste Dienste geleistet.

Der Dienst als Militärarzt bei den Königsberger Kürassieren engte seine Beschäftigung mit der Zoologie erheblich ein. Dennoch entstanden in den folgenden Jahren mehrere bedeutende Arbeiten, zum Beispiel zur Feinstruktur des Nervensystems der Mollusken (BUCHHOLZ 1863b) und über heimische Kleinkrebse. Nach längerem Zögern folgte Buchholz dem Rat seiner Freunde und richtete ein Bittgesuch an den König um Befreiung vom weiteren Militärdienst unter Beifügung seiner veröffentlichten Arbeiten. Eingeholte Gutachten von führenden Gelehrten, darunter von Rudolf Virchow, ließen den König der Freistellung 1864 zustimmen und damit den Weg für eine wissenschaftliche Tätigkeit für Burmeister frei machen.

Nach fünf Semestern verließ er die militärische Studienanstalt. Jedes absolvierte Semester bedeutete ein Jahr Pflichtdienst als Militärarzt. Um nicht lebenslang im Militärdienst zu stehen,

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Dennoch waren Einberufungen als Reservist im Kriegsfall einzuplanen, zum Beispiel 1866 im preußisch-österreichischen Krieg nach Böhmen.

Buchholz als Nachfolger. Unter minutiöser Darlegung seiner Dienstaufgaben erfolgte am 22. November 1864 seine Einstellung (UAG PA 9). Buchholz arbeitete sich schnell in die neuen Aufgaben ein und vervollständigte die zoologische Sammlung zunächst mit heimischen Tieren. Seinen Familiensinn unterstrich er erneut, indem er seine Mutter und Schwester zu sich nach Greifswald nahm.

3. Als Zoologe in Greifswald Im Herbst 1864 bot sich am Zoologischen Museum in Greifswald eine günstige Gelegenheit. Der verdienstvolle Kustos und Parasitenforscher Dr. Heinrich Creplin war 1863 verstorben und der Professor für die Botanischen und Zoologischen Sammlungen Julius Münter (1815 – 1885) entschied sich im Zusammenwirken mit der Philosophischen Fakultät für Reinhold

Schon bald, in den Semesterferien 1865, zog ihn seine wissenschaftliche Neu­ gier an die norwegische Küste nach Christiansand zum Studium der Meeres­ fauna. Vorher hatte er Dänisch gelernt.

Als Novum entdeckte er eine neue parasitische Assel, die im Inneren eines Abb. 3: Originalzeichnung eines Kleinkrebses (Copepoda) von Reinhold Buchholz (ARCHIV ZOOLOGIE GREIFSWALD).

Abb. 2: Originalzeichnung zweier Milben von Reinhold Buchholz (BUCHHOLZ 1870).

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Rankenfüssers (Balanus ovularis) lebt und die er im Detail als neue Gattung beschrieb (BUCHHOLZ 1866). In Aner­ kennung seiner bereits vorliegenden Arbeiten hatte ihm die Königsberger Philosophische Fakultät 1865 den Doctor honoris causa verliehen. Im gleichen Jahr habilitierte er sich in Greifswald unter Vorlage von zwei Arbeiten. Seine Probevorlesung hatte das noch heute aktuelle Thema „Über den Wert der Entwicklungsgeschichte für die Systematik“ (UAG Phil. Fak. 1, Nr. 20, S. 68). Er hatte damit die Stellung eines Privatdozenten erreicht.

Neapel, wo er sich hauptsächlich der Erforschung der noch weitgehend unbekannten Krebsfauna zuwandte. Unter den neu beschriebenen Spezies befanden sich allein sieben Arten, die als Parasiten das Innere von Seescheiden (Ascidien) bewohnten (BUCHHOLZ 1869). Seine Vielseitigkeit findet zudem ihren Ausdruck in Untersuchungen an Spinnen, vor allem an der Beschreibung ihres Spinnapparates. Er war von dem in Greifswald als Physiologe tätigen Professor L. Landois dazu angeregt worden (LANDOIS & BUCHHOLZ 1868).

In Gemeinschaft mit seinem Chef Professor Münter beschrieb er den an der Ostsee häufigen als Seepocke bekannten Rankenfußkrebs, speziell seine Entwicklung über die verschiedenen Larvenstadien, wiederum unter Beifügung von exakten Abbildungen (MÜNTER & BUCHHOLZ 1869).

Die beiden früheren Kustoden am Greifswalder Zoologischen Museum, – 1874) und Wilhelm Schilling (1790 Heinrich Creplin (1788 – 1863), hatten während ihrer Dienstzeit eine umfangreiche Sammlung von Außenschmarotzern, vor allem parasitisch lebenden Milben, angelegt. Diese Sammlung stammte von dem Tiermaterial, das eingeliefert und im Museum bearbeitet worden war. Buchholz sichtete alles sorgfältig und konnte 21 Arten der Milbengattung Dermaleichus Koch als neu für die Wissenschaft beschreiben. In einer 56-seitigen Arbeit und auf sieben handgezeichneten Tafeln sind seine Ergebnisse niedergelegt. Die von Buchholz handkolorierten Originalzeichnungen stellen ein wertvolles Zeitdokument in unserem Archiv dar (BUCHHOLZ 1870; Archiv Zoologie Greifswald).

4. Die Zweite Deutsche Nordpolfahrt Inzwischen bereitete der preußische Staat eine zweite Forschungsfahrt zur Erkundung der ostgrönländischen Küste straße vor. Eine erste bis zur Bering­ Deut­sche Nordpol­expedition hatte 1868 statt­gefunden (KRÄMER 1976). Die Ge­ samt­ aufgaben­ stellung war sehr breit angelegt, zumal zahlreiche deutsche schaftler Wünsche und Anre­ Wissen­ gungen eingebracht hatten. An der Gesamtplanung hatte der Kartograph August Petermann (1822 – 1878) aus Gotha wesentlichen Anteil. Als Haupt-

Seine nächste Forschungsreise führte Buchholz an die Mittelmeerküste nach

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Abb. 4: Auszug aus der Proviantliste der 2. Deutschen Nordpolfahrt 1869/70 (aus VEREIN FÜR DIE DEUTSCHE NORDPOLFAHRT 1873).

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Abb. 5: Dampfer „Germania” (Herkunft wie Abb. 4).

Abb. 6: Segelschiff „Hansa” (Herkunft wie Abb. 4).

Abb. 7: Warpen (Freischleppen) der „Hansa” im Eis (Herkunft wie Abb. 4).

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zur Markierung von Seevögeln. Dabei registrierte er die Massenvernichtung von Seehund-Jungtieren (Phoca grönlandica) vor Jan Mayen, wo allein 1868 von 47 Fangschiffen 237.000 Junge erschlagen worden waren. Pro Tier stand ein Gewinn von 2,5 bis 3 Talern zu Buche.

ziel sollten der Küstenverlauf der 0stgrönländischen Küste ab 75° n Br. zur Beringstraße hin erkundet und Gletscherfahrten ins Landesinnere vorgenommen werden. Sowohl die materielle Sicherstellung als auch die wissenschaftlichen Aufgaben waren auf das Sorgfältigste geplant. König Wilhelm I. ließ sich über die Vorbereitungen Bericht erstatten.

Nach Erreichen der Eiskante bei etwa 75° n Br. braute sich ein Unheil zusammen: Ende August 1869 geriet die „Hansa“ in starke Eispressungen, aus denen sie sich nicht befreien konnte. Vorausschauend wurde die Übersiedlung auf eine benachbarte Eisscholle mit einem Durchmesser von etwa drei Kilometern vorbereitet und auf ihr ein sog. Kohlenhaus gebaut. Die „Hansa“ hatte für den Dampfer Germania einen Vorrat an Steinkohle gebunkert.

Die Kohleziegel wurden mit Wasser und Schnee als Mörtel verbunden, was sofort fror, und als Dach Holzbalken und Segeltuch benutzt. In die etwa 6 m x 4,2 m x 2 m große Behausung wurde Proviant für zwei Monate eingelagert, gleichzeitig aber auch die Überwinterung auf dem Schiff vorbereitet.

Die Reise stand ebenso wie die erste Expedition unter dem Kommando des Kapitäns Karl Koldewey (1837 – 1908), der auch den Dampfer „Germania“ befehligte. Das Segelschiff „Hansa“ wurde von Kapitän August Hegemann (geb. 1836) geführt (KRÄMER 1876).

Den Schiffsbesatzungen waren sechs Wissenschaftler zugeordnet, darunter auf der „Hansa“ R. Buchholz als Schiffs­ arzt und Zoologe und Dr. Laube als Geologe. Buchholz hatte sich gründlich auf die Reise vorbereitet, sowohl die Ausrüstung als auch die wissenschaftliche Seite betreffend. Die Reise begann am 15. Juni 1869 in Bremerhaven und war bis Oktober 1869 geplant, wobei eine mögliche Überwinterung im Eis nicht ausgeschlossen werden konnte. Sie sollte jedoch für die 14-köpfige Besatzung und damit für Buchholz einen dramatischen Verlauf nehmen (VEREIN FÜR DIE DEUTSCHE NORDPOLFAHRT IN BREMEN 1873/74)!

Dazu sollte es jedoch nicht mehr kommen! Die „Hansa“ hielt dem Eisdruck nicht mehr stand und musste am 19.

Oktober 1869 von ihrem Kapitän aufgegeben werden, ehe sie sank. Die 14 Männer bezogen das Kohlenhaus, dessen Inneres „aussah wie ein schaurig großer Sarg“ (Bericht 1873, Bd. I, S. 75).

Die drei Rettungsboote waren ebenfalls auf die Eisscholle verbracht worden. Die Männer behielten ihren Optimismus, ergänzten ihre Vorräte durch das Erlegen

Buchholz, der über eine eigene Kajüte verfügte, machte schon auf der Anreise laufend Beobachtungen, nutzte ruhige Segelphasen zu Schleppnetzfängen und

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Abb. 8: Grundriss des Kohlenhauses (Herkunft wie Abb. 4).

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Abb. 9: Das Kohlenhaus als Notunterkunft (Herkunft wie Abb. 4).

eines Walrosses, dessen Speck als Brennmaterial diente und dessen gesalzene Zunge als Delikatesse genossen wurde. Auch Eisbärschinken war hoch willkommen, das Fell diente als Schneeschutz. Weihnachten gab es eine improvisierte Bescherung, und selbst gebaute Schneeschuhe verhinderten das hüfttiefe Einsinken im Schnee bei den notwendigen Ausflügen. Die Temperatur lag meist bei -30° C.

dann eine neue kleinere Unterkunft bauen. Die psychische Belastung nahm zu, und selbst die wertvollsten Bücher fielen der Verrichtung ihrer Notdurft zum Opfer.

Besonders betroffen war Buchholz, der sich bisher außerordentlich standhaft gezeigt hatte, nun aber sein Lebenswerk verloren glaubte. Er wurde – wie es in den Berichten heißt – trübsinnig und von einem Nervenübel befallen. Dennoch harrten die Männer trotz zunehmender Nahrungsknappheit und unbeschreiblichen Strapazen bis zum Mai 1870 auf der nach Süden driftenden Scholle aus.

Dann teilten sie sich auf die drei Boote auf, um aus eigener Kraft weiter nach Süden zu gelangen. Die Scholle hatte sich von ursprünglich 10 km2 Fläche auf einen Rest von 300 m2 verkleinert. Die Männer hatten 200 Tage auf ihr gelebt und 1500 Kilometer nach Süden driftend zurückgelegt.

Anfang 1870 spitzte sich die Lage erheblich zu: Es traten immer häufiger Abbrüche an der Scholle auf, dann auch gefährliche Eisspalten. Es war kein Land­ gang mehr möglich, und immer wie­der mussten die Männer unter hartem körper­lichem Einsatz die Boote und Vorräte in Sicherheit bringen, wenn es zu Abbrüchen kam. Schließlich mussten sie draußen in den Booten schlafen und

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Abb. 10: Karte von Grönland mit Route der 2. Deutschen Nordpolfahrt 1869/70 (aus KRÄMER 1976).

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besuchten die Ruinen der normannischen Ansiedlungen und litten unter der sommerlichen Mückenplage. Der Segler kam auch nach Beginn der Reise nur langsam voran, Windstille und Eisbarrieren verzögerten die Heimreise. Ende Juli blieb dann das Eis endgültig zurück, und am 1. September, dem Tag der Schlacht bei Sedan 1870, wurde Kopenhagen erreicht, wo die Männer mit völlig abgerissener Kleidung an Land gingen. Am 3. September betraten sie in Schleswig nach unendlichen Strapazen wieder deutschen Boden.

Die körperliche Anstrengung in den Booten verschlimmerte die Situation neut, zumal sie nochmals über fünf er­ Wochen andauerte. Man kann sich die Freude der Skorbut gefährdeten Männer vorstellen, als es ihnen gelungen war, bei einem Inselgang auf den kargen Felsen frischen Sauerampfer, Löwenzahn und Fingerkraut zu finden. Sie genossen die Pflanzen als wahrhaft delikaten Salat! Man kann die Dankbarkeit der Schiffsbrüchigen nur erahnen, als sie am 13. Juni 1870 endlich die Mission der Herrenhuter Brüdergemeinde Fried­ richsthal im Süden Grönlands erblickten, die schon 1827 an einer Stelle gegründet worden war, die erstmals im 10.

Jahrhundert die Normannen genutzt hatten. Hier wurden sie mit dem Wenigen versorgt, was die Mission hergeben konnte. Endlich kamen sie aus ihrer verschlissenen Fellkleidung einmal heraus und konnten sich nach vielen Monaten erstmalig wieder waschen.

Wie sollte es mit Buchholz weitergehen? Seine tiefe Depression wurde zunächst in der Heilanstalt Friedrichsberg bei Hamburg, dann in Neustadt/Aisch behandelt und als Melancholie diagnostiziert. Er glaubte, seine wissenschaftliche Ehre eingebüßt zu haben, was der behandelnde Arzt auf die „rührende Bescheidenheit“ als Grundmerkmal sei­ nes Charakters zurückführte. Dank seines starken Willens, der Hilfe seines verständnisvollen Freundes Dr. Krabler und der Unterstützung seines Chefs konnte Buchholz am 1. April 1871 seinen Dienst im Museum wieder voll aufnehmen (UAG Phil. Fak. Nr. 20, S. 76). Die Fakultät beantragte seine Ernennung zum außerordentlichen Professor, die mit der üblichen Verzögerung im April 1872 genehmigt wurde. Mit ungemindertem Arbeitseifer arbeitete er das von seinem Kollegen Dr. Adolf Pansch auf dem Hauptschiff gesammelte Material an Krebstieren auf und beschrieb in einer umfangreichen Dokumentation die

Aber noch immer waren nicht alle Schwierigkeiten überwunden. Die Män­ ner mussten weitere Geduld aufbringen, bis sich ein Schiff fand, das sie nach Dänemark mitnehmen konnte. Dies sollte Ende Juni 1870 in Julianehaab, der südlichsten Kolonie in Ostgrönland und auch für größere Schiffe erreichbar, gelingen. Die dänische Kolonialverwaltung zeigte sich allerdings nicht sonderlich zugänglich. Hier lag die „Constance“ mit einer Ladung Kryolith (NatriumAluminium-Fluorid) und wartete auf besseres Wetter. Die Männer verteilten die nicht mehr gebrauchten Gegenstände,

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Ausbeute, darunter sechs neue Arten.

Dieser Teil des gesamten Reiseberichtes zählt zu den besten wissenschaftlichen Ergebnissen der Expedition (BUCHHOLZ 1874). Wertvolles Belegmaterial übergab er dem Greifswalder Museum (KÄMPFE & MICHALIK 2011; KEILBACH 1956).

Buchholz wurde für diese Leistungen am 6. Dezember 1871 mit dem Roten Adlerorden 4. Klasse ausgezeichnet.

Überlegungen zu einer Art KompassAufhängung zu ihrer Vermeidung an.

Die eigentliche Arbeit an Land begann in Akkra. Er hat seine Afrika-Erlebnisse minutiös in Tagebüchern und Briefen festgehalten. Sie sind in seiner Schrift „Land und Leute in Westafrika“ (BUCHHOLZ 1876) und von seinem Freund Carl Heinersdorff (HEINERSDORFF 1880) zusammengefasst und dort nachzulesen.

Hier soll sich auf das Wesentliche zur Person von Buchholz beschränkt werden.

5. Drei Jahre Forschung in Westafrika

In den Flussniederungen und an der Küste herrschte nicht nur hohe Luft­ feuchtigkeit und große Fiebergefährdung (sein Freund Dr. Lühder starb am 13.

März 1873), auch das Konservieren des Sammelgutes war durch Ameisen- und Rattenfraß sowie durch Schimmel­ bil­ dung sehr erschwert. Hinzu kamen Probleme durch einseitige Ernährung (vor­wiegend Fisch in Öl) und die Unzu­verlässigkeit der afrikanischen Hilfs­ kräfte. Stammesfehden verzögerten die Unternehmungen und Diebstähle waren an der Tagesordnung. Bei den Einheimischen sind nur misslungene Diebstähle ehrenrührig. In den klimatisch günstigeren Kamerunbergen litt Buchholz unter Sandfliegen und anderen stechenden Insekten. Er hat mehrere Reisen nach Süden unternommen und zweimal in Gabun und am RemboFluss geforscht. Besonderes Interesse fanden die Lebenserscheinungen von Termiten und Treiberameisen. Trotz wiederkehrender Fieberschübe, die mit Lymphknotenschwellungen, Schlaf- und Appetitlosigkeit einher gingen und auch

Es mutet fast wie ein Akt trotziger Selbstbestätigung an, dass sich Buchholz schon bald erneut unbekannten Gefahren aussetzte. Im Sommer 1872 erhielt er die Genehmigung zur nächsten Forschungsreise in das tropische Westafrika, die zunächst für zwei Jahre ausgelegt war. Wieder bereitete er sich unter Zuhilfenahme seiner Ersparnisse gründlich vor. Aber auch die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin unterstützte ihn mit 2150 Talern aus der Humboldt-Stiftung, als der Aufenthalt 1874 verlängert wurde.

Am 10. Juni 1872 begann die Reise auf dem Schoner „Dahomey“ gemeinsam mit den Doktoren Lühder und Reichenow. Ihr Ziel waren Forschungen an der Goldküste, in Kamerun und in Gabun. Schon während der Hinreise nutzte Buchholz jede Gelegenheit zum Sammeln und Beobachten. Dabei störten ihn besonders beim Mikroskopieren die Schiffsbewegungen und er stellte

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mit hohen Chinindosen und ArtemisinAbkochungen nicht beherrschbar waren, nutzte Buchholz jede geringe Besserung zum Sammeln, Zeichnen und Mikro­ skopieren.

Abb. 11: Expeditionsrouten von R. Buchholz in Westafrika (aus HEINERSDORFF 1880).

Abb. 12: Termitenbau (aus BUCHHOLZ 1876).

In Abständen musste das Material in Kisten verpackt und auf die Reise nach Deutschland gebracht werden.

Dies war sehr aufwändig, allein die Beschaffung des geeigneten Holzes und der Nägel war mit Schwierigkeiten verbunden. Außer diesen organisatorischen Notwendigkeiten hielt er ethnologische Beobachtungen fest, setzte sich mit der verbreiteten Sklaverei auseinander, deren Quelle Raub in Kriegszügen und Überfälle sowie Kauf bzw. Verkauf waren. Als Preis für einen Sklaven nennt er ein Pfund Sterling. Menschenopfer waren weit verbreitet und wurden an

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Gefangenen und Sklaven exekutiert, be­ son­ ders bei dem Volksstamm der Dualla. Mehrmals hatte er Gelegenheit, Verhaltensstudien an jungen Gorillas zu machen.

Ein Ereignis ist kennzeichnend für die selbstlose charakterliche Größe von Buchholz: Er nahm sich vor der Abreise aus Gabun eines geistig verwirrten und physisch kranken amerikanischen Mis­ sionars an, pflegte, fütterte und beschützte ihn während der gesamten problembelasteten Heimreise, und dies trotz eigener gesundheitlicher Schwierigkeiten. Der Kranke wäre bei Verbleib in Gabun mit Sicherheit dem Tode verfallen gewesen.

In den häufig wiederkehrenden kritischen Phasen fand Buchholz immer wieder uneigennützige Hilfe durch Landsleute oder andere Europäer, die als Repräsentanten ihrer Länder, als Missionare oder Faktorei-Betreiber im Land tätig waren. Die letzteren wohnten vielfach für afrikanische Verhältnisse recht komfortabel auf Wohnschiffen, den sog.

Hulks, in den Flussmündungen. Diese Erholungsphasen waren für Buchholz außerordentlich wichtig.

In Greifswald ging Buchholz sofort an die Bearbeitung des reichhaltigen Tier­ materials und sorgte dafür, dass auch Spezialisten zur Bestimmung hinzu zo­ gen wurden (PETERS 1875). Die ge­ erste Bilanz erbrachte 47 neu entdeckte Tierarten, fünf von ihnen erhielten Buchholz zu Ehren seinen Namen bei der Art­benennung. Im Ganzen wurde reiches Tiermaterial dem Zoologischen Museum Greifswald zur Verfügung gestellt.

Nach drei Jahren und drei Monaten anstrengender Forschungsarbeit in West­ afrika trat Buchholz mit dem Dampfer „Biafra“ von Gabun die Heimreise an.

Aber auch diese sollte nicht ohne ernste Probleme verlaufen: Bei Cap Verde, auf der Breite von Dakar, brach am 30.

September 1875 die Schiffsmaschine irreparabel zusammen, das Schiff trieb unsteuerbar ohne Dampf und mit immer knapper werdendem Proviant auf dem Ozean. Ein amerikanischer Walfänger, der gut verproviantiert war, half in seemännischer Solidarität mit Nahrung aus und versprach, für Hilfe zu sorgen. Der von ihm verständigte deutsche Postdampfer „Humboldt“ nahm dann das havarierte Schiff ins Schlepptau und die Besatzung zu sich an Bord bis Southampton.

Am 30. Oktober 1875 war auch diese Buchholz’sche Odyssee in Berlin zu Ende.

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Inzwischen hatte sich das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medi­ zi­nalangelegenheiten zukunftsorientiert gezeigt und beschlossen, auch für die Uni­ver­sität Greifs­wald die formale Verselbstständigung von Botanik und Zoologie vorzunehmen. Damit war die Begründung einer eigenen ordentlichen Professur für Zoologie gegeben und R. Buchholz als Kandidat für diese zum 01. Januar 1876 mit 3500 Mark und 540 Mark Wohngeldzuschuss vorgeschlagen. Dekan Limpricht konnte sich in seiner Stellungnahme jedoch nicht der Bemerkung enthalten: „… wenn ihm auch vielleicht ein herausragendes 43

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Wissenschaftlerleben noch weitere Erfolge erzielen konnte (LANDOIS 1876).

Redetalent nicht innewohnt.“ (UAG Phil.

Fak. I Nr. 20, S. 88). Das Direktorat des Zoologischen Instituts sollte er jedoch erst ab 01. April 1876 übernehmen und bis dahin formal Konservator bleiben (UAG PA 9). Der preußische Staat zeichnete sich ein weiteres Mal durch seine sprichwörtliche Sparsamkeit aus!

Buchholz hat zeitlebens für seine Mutter und Geschwister gesorgt. Es mutet berührend an, dass seine Mutter (mit Erfolg) darum bittet, das Gehalt ihres mit 39 Jahren verstorbenen Sohnes noch bis Juni 1876 ausgezahlt zu bekommen.

Die Fakultät sammelte 180 Mark für einen schlichten Granit-Grabstein – eine kleine anerkennende Geste für dieses so früh vollendete herausragende Mitglied der Greifswalder Zoologenfamilie. Er wurde am 19. April 1876 auf dem neuen Friedhof bestattet. Die Grabstelle ist inzwischen anderweitig belegt und nicht erhalten. Sein sehnlich gewünschtes Ziel – das Ordinariat für Zoologie – hat er zwar erreicht, dafür aber einen ungewöhnlich hohen Preis gezahlt.

Wieder griff das Schicksal mit tragischer Folge für Buchholz ein: Eine während einer Reise nach Berlin und Braunschweig verschleppte Bronchitis ging in eine Lungenentzündung über.

Seine früheren Malariaerkrankungen mit ihren Rückfällen hatten seinen Körper so geschwächt, dass er am 17. April 1876 seinen Leiden trotz aufopfernder Pflege durch Familie und Freunde in Greifswald erlag, ehe sein intensives

Die Zoologie in Greifswald hat traditio­nell intensiv hydrobiologische For­schung und Lehre betrieben, bis diese 1968/69 mit Wirksamwerden der 3. Hochschul­reform in der DDR hier eingestellt wer­­den muss­te. Dazu stand am Ort ein voll gedeckter, see­tüchtiger Kutter mit zweckmäßiger nautischer und hydrobiologischer Aus­stattung zur Verfügung. Dieses For­ schungsschiff trug den Namen „Reinhold Buch­ holz“ zu Ehren dieses unbeugsamen und außerordentlich verdienstvollen Mannes.

Abb. 13: Der Kutter „Reinhold Buchholz” des Zoologischen Instituts Greifswald (ARCHIV ZOOLOGIE GREIFSWALD).

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Quellen

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DERS. (1870): Bemerkungen über die Arten der Gattung Dermaleichus Koch. – Nova acta academiae caesa reae Leopoldino-Carolinae naturae curiosorum. Bd. 35, S. 1-56.

DERS. (1874): Crustacea. In: Verein für die Deutsche Nordpolfahrt in den Jahren 1869 und 1870 unter Führung von Kapitän Karl Koldewey. Bd. 2, S. 262-398.

DERS. (1876): Land und Leute in West afrika. – Sammlung gemeinverständ licher Vorträge, hrgb. von R. Virchow und Fr. Holtzendorf, Berlin, XI. Ser., Heft 257, 47 S. HEINERSDORFF, C. (1880): Reinhold Buchholz’ Reisen in Westafrika. – Leipzig, 263 S., 1 Karte.

KÄMPFE, L., MICHALIK, P. (2011): 175 Jahre Zoologie in Greifswald – Ein Rückblick. – Greifswalder Uni versitätsreden, N.F. Nr. 143, S. 7-27.

KEILBACH, R. (1956): Chronik des Zoologischen Instituts und Museums der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. – Festschrift zur 500-Jahr feier der Universität Greifswald, Bd. 2, S. 561-570.

KRÄMER, W. (1976): Die Entdeckung und Erforschung der Erde. 8. Aufl. – Leipzig, 400 S., 16 Karten.

UAG PA 9 (unpaginiert). UAG K 567, Phil. Fak. I, Nr. 20: Botanik und Zoologie 1856 – 1876 (unpaginiert).

Archiv Zoolo­gie Greifswald.

Literatur BUCHHOLZ, R. (1959): Synopsis metho dica et diagnostica animalium verte bratorum, quae maris Baltic apartem australem ipsam et orus ejus Prussi cas aut incolunt aut passim statisque temporibus frequentant. – Zoologi sches Institut Greifswald, hand schriftl. gebunden, 77 Blatt.

DERS. (1862): Beiträge zur Anatomie der Gattung Enchytraeus (Henle), nebst Angabe der um Königsberg vorkommenden Formen derselben.

– Schriften der Königl. Physikalisch ökonomischen Gesellschaft zu Königsberg, 3. Jg., S. 93-132.

DERS. (1863a): Einige Versuche über

künstliche Knochenbildung.

– Virchows Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie, Jg. 26, S. 78-106.

DERS. (1863b): Bemerkungen über den histologischen Bau des Centralner vensystems der Süßwassermollusken.

– Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftl. Medizin, Jg. 1863, S. 234-264 und 265-309.

DERS. (1866): Über Hemioniscus, eine neue Gattung parasitischer Isopoden.

– Zeitschrift für wissenschaftl.

Zoologie, Bd. 16, S. 303-327.

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Anschrift des Autors

LANDOIS, L. (1876): Reinhold Buch holz +. In: Sammlung gemeinver ständlicher wissenschaftlicher Vor träge, hrgb. von R. Virchow und Fr. Holtzendorf, Berlin, XI. Ser., Heft 257, S. 1-16.

LANDOIS, L., BUCHHOLZ, R. (1868): Anatomische Untersuchungen über den Bau der Araneiden. – Archiv für Anatomie, Physiologie und wissen schaftl. Medizin, Jg. 1868, S. 240-255.

MÜNTER, J., BUCHHOLZ, R. (1869): Über Balanus improvisus Darw., var. Gryphicus Münter, Beitrag zur carcinologischen Fauna Deutschlands.

Teil 1 und 2. – Mitteilungen aus dem Naturwissenschaftlichen Verein von Neuvorpommern und Rügen, 1. Jg., S. 1-14 und 15-40.

PETERS, W.C.H. (1875): Über die von Herrn Prof. Dr. R. Buchholz in West afrika gesammelten Amphibien. – Monatsberichte der Königlichen Preußischen Akademie der Wissen schaften zu Berlin, 1875, S. 196-212.

Verein für die Deutsche Nordpolfahrt in Bremen (Hrsg.) (1873): Die zweite Deutsche Nordpolfahrt in den Jahren 1869 und 1870 unter Führung des Kapitäns Karl Koldewey. 2 Bde. – Leipzig, 288 S. und 962 S.

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Prof. Dr. Lothar Kämpfe Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Ehemals: Zoologisches Institut und Museum Johann-Sebastian-Bach-Straße 11/12 17489 Greifswald

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Wie misst man 100 Millionen Grad?

Hans-Jürgen Hartfuß In Vorträgen vor interessierten Laien über Stand und Ziele der Forschung zur kontrollierten Kernfusion wird auf die Behauptung, das Plasma auf 100 Millionen Grad aufheizen und sein Verhalten in diesem Zustand detailliert studieren zu können, oftmals mit ungläubigem Staunen reagiert. Die dann häufig gestellte Frage, wie man so hohe Temperaturen überhaupt messen könne, wie ein Thermometer denn beschaffen sein müsse, das so hohe Temperaturen zu messen in der Lage sei, kann leider mit einer Antwort, wie sie einst im englischen Oberhaus darauf gegeben worden ist, „… it must be a very long one, my Lord“, nicht zufriedenstellend beantwortet werden.

Technik, Temperaturmessungen im Bereich weniger Kelvin möglich sind.

Sie haben zu einer der bedeutendsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts, der Entdeckung der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung geführt. Ihr Nachweis ist eine starke Stütze unserer Vorstellung, dass sich unser Universum seit 13,8 Milliarden Jahren durch Ausdehnung und Abkühlung aus einem extrem kleinen, heißen, dichten Anfangszustand heraus entwickelt hat („Urknall bzw. Big Bang“). Zunächst soll aber an die Notwendigkeit der hohen Temperatur in einem Fusionsplasma und die Ziele der Fusionsforschung erinnert werden.

Im hier Folgenden wird die Methode der Radiometrie der im Spektralbereich der Mikrowellen angesiedelten Zyklo­ tronstrahlung aus dem Plasma als eine Möglichkeit der Elektronentemperatur­ messung eines 100 Millionen Grad heißen Plasmas vorgestellt. Es werden die Grundlagen der Methode vorgestellt und einfache Experimente erläutert, die mit radiometrischen Messungen aus der Alltagsumgebung diese beispielhaft verständlich zu machen versuchen.

Fusionsforschung Fusionsforschung, das ist die seit mehr als einem halben Jahrhundert währende Anstrengung, eine fast unerschöpfliche Energiequelle mit guten Umweltverträglichkeits- und Sicherheitseigenschaften zu erschließen, die auf der Verschmelzung leichter Atomkerne beruht und die damit die Energieerzeugungsprozesse im Innern der Sterne nachzuahmen sucht.

Die physikalischen Grundlagen dazu beruhen auf der Tatsache, dass die Bindungsenergie pro Nukleon innerhalb eines Atomkerns von der Massenzahl A des Kerns abhängt. Sie wächst um etwa eine Größenordnung vom Wasserstoff-

Im zweiten Teil wird auf die Radioastro­ nomie im Mikrowellenbereich eingegangen, bei der mit grundsätzlich der gleichen Methode und vergleichbarer

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isotop Deuterium mit A = 2 bis zur ihrem Maximum in der Umgebung von Eisen mit A = 56. Bei höheren Massenzahlen, jenseits von Eisen, fällt sie wieder ab, so dass Energie sowohl durch die Spaltung von Atomkernen, die schwerer sind als Eisen, als auch durch die Verschmelzung von leichten Atomkernen gewonnen werden kann. Maximaler Energiegewinn wird erreicht, wenn man die schwersten Elemente zum Beispiel Uran, A = 235, spaltet, was seit Jahrzehnten in Kernkraftwerken getan wird, oder indem man die leichtesten Kerne zu schwereren verschmilzt (Nukleosynthese). Systeme zu finden, in denen dieser Prozess kontrolliert ablaufen kann, ist das Ziel der Fusionsforschung [1, 2, 3].

nachfolgenden Kernumwandlungsprozessen erzeugt. Dieser Kollaps befördert auch die durch Nukleosynthese während der verschiedenen, unterschiedlich langen Brennphasen eines Sterns entstandenen Elemente in den Raum. Alle Elemente aus denen wir bestehen, außer Wasserstoff, sind in diesen Prozessen entstanden. Sie haben die Prozesse der Sternentstehung und den Tod eines Sterns in einer Reihe aufeinanderfolgender Sterngenerationen im allgemeinen sogar schon mehrmals durchlaufen.

Unsere Sonne erzeugt ihre Energie im wesentlichen in einem Prozess, der Proton-Proton Kette (p-p Kette) genannt wird. In diesem Prozess, der die längste und stabilste Phase im Leben eines Sterns darstellt, werden vier Protonen (Wasserstoffkerne) in mehreren Schritten zu einem α-Teilchen (Heliumkern) verschmolzen. In etwa 1038 Fusionsreaktionen pro Sekunde werden im Sonneninnern 567 Millionen Tonnen Wasserstoff zu 563 Millionen Tonnen Helium verschmolzen. Der Massenverlust von etwa vier Millionen Tonnen pro Sekunde wird gemäß Einsteins berühmtester Formel, E = mc2, als Energie in der Form elektromagnetischer Wellen abgestrahlt.

Die insgesamt von der Sonne isotrop abgestrahlte Leistung beträgt 3,6 x 1026 W. Bei senkrechtem Einfall und ohne Absorption in der Atmosphäre erreichen die Erde im Abstand von 150 Millionen Kilometern davon 1,35 kW pro Quadratmeter. Das Spektrum der Sonnenstrahlung kann in sehr guter Näherung als sogenanntes Schwarzkörperspektrum

Grundsätzlich werden durch Nukleosynthese Elemente mit größeren Massenzahlen erzeugt. Die Sterne erzeugen im Laufe ihres Lebens in nacheinander ablaufenden „Brennprozessen“ auf diese Weise alle schwereren Elemente bis hin zu Eisen. Das junge Universum bestand aus etwa 75 Prozent Wasserstoff (1H, 2D), etwa 25 Prozent Helium (4He) und sehr kleinen Anteilen von Lithium (7Li) und Beryllium (9Be). Aus dieser Mischung waren die ersten Sterne aufgebaut. Alle Elemente mit Massenzahlen bis hin zum Eisen, wurden und werden durch Nukleosynthese im Inneren der Sterne erzeugt.

Die Existenz der Elemente mit Massenzahlen größer als Eisen kann so nicht erklärt werden. Sie werden erst in der Endphase des Lebens eines Sterns, das typisch in einem Kollaps, einer Super­ nova endet, durch Neutroneneinfang und

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mit einer Temperatur von etwa 5800 Kelvin (K) beschrieben werden (Fig. 1). Diese Temperatur entspricht der Oberflächentemperatur der Sonne (Photosphäre). Wir kommen weiter unten darauf zurück.

Reaktion bestimmt: Pfus = R n1 n2 Wfus.

Die im Sonneninnern ablaufenden Kernverschmelzungsprozesse laufen mit einer vergleichsweise sehr geringen Reaktionsrate ab. Die daraus resultierende Leistungsdichte ist vergleichbar mit derjenigen im menschlichen Körper und beträgt nur etwa 100 W pro Kubikmeter.

Die gigantische insgesamt in der Sonne erzeugte Leistung ist also auf ihre Größe zurückzuführen.

Die Energieproduktion der Sonne ist auf ihren inneren Kern von etwa einem Fünftel des Sonnenradius konzentriert.

Nur hier herrschen die Bedingungen, die Kernverschmelzung möglich machen. Der Druck infolge der Gravitation der riesigen Sonnenmasse erreicht hier Werte von etwa 1016 Pa. Die Temperaturen liegen bei etwa 15 Millionen Grad. Insbesondere diese hohen Temperaturen sind notwendige Voraussetzung für die Nukleosynthese. Die mit den hohen Temperaturen verbundenen hohen Teilchengeschwindigkeiten erlauben es, die abstoßenden elektrischen Kräfte zwischen den gleichnamig geladenen Protonen zu überwinden. Nur bei Kollisionen mit hohen Geschwindigkeiten der beiden Partnerteilchen kommen sich diese so nahe, dass die starken, ebenfalls existierenden anziehenden Kernkräfte, die aber nur eine sehr kurze Reichweite haben (10-15 m), stärker werden als die elektrische Abstoßung zwischen ihnen. Erst dann kann sich die Verschmelzung zu einem stabilen schwereren Kern vollziehen.

Das bedeutet aber, dass der dort ablaufende Prozess zur Energiegewinnung auf der Erde nicht einfach kopiert werden kann. Verschmelzungsprozesse mit sehr viel höheren Reaktionsratenkoeffizienten R müssen angewendet werden, um das Ziel von Kernfusion zur Energiegewinnung in irdischen Maßstäben zu erreichen.

Die dafür favorisierte Kernreaktion ist die Verschmelzung der beiden Wasserstoffisotope Deuterium 2D und Tritium 3T zu Helium und einem Neutron gemäß 2D + 3T -> 4He + n. Die frei werdende Energie findet sich als kinetische Energie im Heliumkern und dem Neutron. Diese D-T Reaktion ist charakterisiert durch einen Ratenkoeffizienten, der um 27 Größenordnungen höher ist als der, der die p-p Reaktion in der Sonne beschreibt.

Die Temperatur, die nötig ist damit diese Reaktion ablaufen kann, ist jedoch etwa 100 Millionen Grad, das heißt sie ist um fast eine Größenordnung höher als die Temperatur in der Sonne.

Grundsätzlich ist die pro Volumeneinheit durch Verschmelzung erzeugte Leistung Pfus durch die Anzahl der im Volumen vorhandenen Reaktionspartner, n1 und n2, der pro Reaktion frei werdenden Energie Wfus und einem typischen Raten­ koeffizienten R für die entsprechende

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In einem Kraftwerk werden Leistungsdichten von etwa 106 W/m3 angestrebt.

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Fig. 1: Die graphische Darstellung der Planck-Funktion als Funktion der Frequenz f=c/ ƛ für drei verschiedene Temperaturen. Mit wachsender Temperatur des strahlenden Körpers wird die Intensität der Strahlung in jedem Spektralbereich größer. Das Maximum verschiebt sich zu höheren Frequenzen, entsprechend niedrigeren Wellenlängen. Die Spektralverteilung für die Temperatur T = 5800 K gibt das Spektrum der Sonnenstrahlung. Die Intensität ist in relativen, auf das Maximum bezogenen Einheiten angegeben.

Wegen des hohen Ratenkoeffizienten der D-T Reaktion kann man deswegen die Verschmelzungsreaktionen bei extrem geringen Teilchendichten von etwa n1 = n2 = 1020 m-3 ablaufen lassen. Das entspricht Teilchendichten von etwa einem Millionstel der Dichte der Teil-

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chen in der uns umgebenden Luft. Der Brennstoff in einem Kernfusionsreaktor ist also eine hochverdünnte Mischung der Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium, der allerdings auf etwa 100 Millionen Grad geheizt werden muss, damit es zum „Brennen“ kommt. Bei diesen ho50

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delstein 7X (W7-X) am Max-Planck-Institut ist vom Typ Stellarator (stella = Stern).

Die Fusionsforschung ist dem Ziel, ein heißes Plasma ausreichend lange einzuschließen, so dass Fusionsreaktionen unter Energiegewinn ablaufen können, schon sehr nahe gekommen. Die in Jahrzehnten intensiver und international eng vernetzter Forschungsarbeit aufgebaute Datenbasis erlaubt ein Experiment aufzubauen, das die physikalische und technische Machbarkeit des D-T Brennens zeigen kann. Das Experiment mit dem Namen ITER (International Tokamak Experimental Reactor), das schon 1985 auf ihrem Genfer Gipfeltreffen von den Präsidenten Gorbachev (USSR) und Reagan (USA) „… as an inexaustable source of energy for the benefit of mankind“ initiiert worden ist, ist 2006 durch das von China, Europa, Indien, Japan, Korea, Russland und den USA unterzeichnete ITER Agreement auf den Weg gebracht worden. ITER wird derzeit in Cadarache in Südfrankreich aufgebaut und wird voraussichtlich 2020 den Experimentierbetrieb aufnehmen.

Das Greifswalder Experiment W7-X dient von 2015 an der Grundlagenforschung, dem Verständnis des Verhaltens eines reinen Wasserstoff-Plasmas in einem in vielerlei Hinsicht für dessen Einschluss optimierten Magnetfeld. W7-X wird nicht mit Deuterium und Tritium zum Studium der Nukleosynthese beschickt werden.

Beide Experimente stehen dennoch in intensivem Austausch und befruchten sich gegenseitig. Zur Diag­nose des Plasmaverhaltens wird sehr aufwändige Messtechnik benötigt, auf die im Folgenden kurz eingegangen werden soll.

hen Temperaturen sind alle Wasserstoff­ atome vollständig ionisiert, sie befinden sich im Plasmazustand. Dieses Plasma besteht aus den Deuteriumkernen, die aus einem Proton und einem Neutron aufgebaut sind, einer gleichen Anzahl von Tritiumkernen, bestehend aus einem Proton und zwei Neutronen und einer Anzahl von Elektronen, die der Summe aus Deuterium- und Tritiumkernen entspricht.

Das Plasma besteht aus gleich vielen elektrisch positiven wie elektrisch negativen Ladungen. Es ist damit insgesamt elektrisch neutral.

Das heiße Plasma muss in einem Reaktionsgefäß eingeschlossen werden, in dem die notwendigen Bedingungen erreicht und permanent erhalten werden können. Wegen der hohen Temperatur kann der Einschluss nur berührungslos, also ohne materiellen Kontakt mit der Wand erfolgen. Dies gelingt, in dem man starke Magnetfelder in Torusgeometrie aufbaut, in denen die geladenen Teilchen Kräfte erfahren, die so gerichtet sind, dass die Teilchenbewegung in Richtung der Wände, also aus dem Plasma heraus, unterdrückt wird. Die Kräfte, die die sich bewegenden Plasmateilchen erfahren, erzwingen eine Gyrationsbewegung der Teilchen um die Magnetfeldlinien, ein spiraliges Umkreisen der Feldlinien mit einer Frequenz, die nur vom Magnetfeld abhängt. Sie wird Zyklotronfrequenz genannt. Sie wird für die Temperaturmessung von entscheidender Bedeutung sein. Zwei Einschlusskonzepte wurden entwickelt, der Tokamak und der Stellarator. Das Greifswalder Experiment Wen-

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Plasmadiagnostik

Plasma entweichenden Teilchen (passiv), misst ihre Energie, ihren Impuls, ihre Ladung, oder man schickt einen Atomstrahl in das Plasma (aktiv) und beobachtet die Wechselwirkung mit dem Plasma, seine Bahn im Plasma, die Anregung von Fluo­ reszenz und vieles mehr. Mit Hilfe all dieser ausgeklügelten plasmadiagnostischen Verfahren wird die Basis für die wissenschaftliche Arbeit zum Verständnis des Plasmaverhaltens geschaffen.

Typisch werden an modernen Fusionsexperimenten pro Sekunde etwa 100 GB an Daten gewonnen, die die Gesamtheit der experimentell gewonnenen Informationen repräsentieren und die den daran arbeitenden Wissenschaftlern über viele Jahre zur Auswertung zur Verfügung stehen müssen. Die darin enthaltene lokale Temperatur im Plasma ist eine der wichtigsten Informationen. Sie kann radiometrisch, das heißt rein passiv durch Spektralanalyse der Zyklotronemission des Plasmas bestimmt werden [4]. Einige Grundtatsachen seien zunächst kurz erläutert.

Unter dem Begriff Plasmadiagnostik werden all jene physikalischen Messtechniken subsummiert, die Informationen über das im Magnetfeld eingeschlossene Plasma liefern können. Insgesamt sind das einige zehn physikalische Größen, die für das Verständnis des Verhaltens des Plasmas benötigt werden und die gleichzeitig gemessen werden müssen.

Zu den wichtigsten Größen gehören die Teilchendichte, die Temperatur der Elektronen und der Ionen, die Energiedichte, alle Emissionen aus dem Plasma sowie Ströme und Felder im Plasma, um nur die allerwichtigsten zu nennen. Alle diese Größen hängen vom Ort im Plasma ab und variieren in der Zeit. Das Plasma ist zum Beispiel im Inneren heiß, am Rand um viele Größenordnungen kälter und wichtige Parameter können sich innerhalb von Millisekunden ändern.

Alle Diagnostiken müssen ihre Informationen berührungslos gewinnen, das heißt ohne materiellen Kontakt mit dem Plasma, damit die gegenseitige Störung bzw. Zerstörung verhindert wird. Passives und aktives Sondieren mit Wellen oder mit Teilchen erfüllt diese Bedingungen. Konkret heißt das, die Emission von elektromagnetischen Wellen aus dem Plasma wird analysiert (passiv) oder eine Welle wird in bzw. durch das Plasma geschickt und Veränderungen in Amplitude, Frequenz oder Polarisation nach dem Austritt der Welle aus dem Plasma werden analysiert (aktiv). Das Entsprechende gilt für Teilchen. Man misst die aus dem

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Radiometrie Radiometrie ist die Messung der Intensität elektromagnetischer Strahlung in einem bestimmten Spektralbereich. Man benötigt dazu einen für diesen Spektralbereich geeigneten Detektor, der jedoch gänzlich verschieden aussehen kann, je nachdem, ob diese Messungen an Röntgenstrahlen oder im Radiowellenbereich ausgeführt werden sollen. Beides, Röntgenstrahlen und Radiowellen sind

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peratur kann idealisierend durch eine Formel beschrieben werden, die Max Planck im Jahr 1900 gefunden und die die physikalische Welt verändert hat, enthält sie doch zum ersten Mal die von ihm gefundene Naturkonstante h, insbesondere aber zur Herleitung der Formel die Vorstellung der Quantisierung der Energie. Etwas vereinfachend lautet sie: I = (f2/2πc2)hf/[exp(hf/kBT)-1].

Sie beschreibt die von dem Körper mit der absoluten Temperatur T erzeugte Strahlungsintensität I als Funktion der Frequenz f = c/ƛ. Die Größe kB ist die Boltzmann-Konstante. Die mit dieser Formel bestimmte Intensität ist die maximale, mit der ein Körper der Temperatur T überhaupt strahlen kann. Der Körper erreicht diesen Maximalwert genau dann, wenn er auch im gesamten Spektralbereich elektromagnetische Strahlung vollständig absorbieren kann, er im Sichtbaren also schwarz erscheint (Schwarzkörper). Die graphische Darstellung der Planck-Formel ist eine Art Glockenkurve, deren Maximum sich mit der Temperatur des betrachteten Körpers verschiebt: je heißer der Körper, desto niedriger die Wellenlänge, bei der das Maximum auftritt (Wien’sches Verschiebungsgesetz).

Sie sagt außerdem, dass mit steigender Temperatur die Intensität der Emission in jedem Spektralbereich, also bei jeder Wellenlänge oder Frequenz der Emission anwächst. Die Fig. 1 gibt dafür Beispiele.

elektromagnetische Wellen. Sie unterscheiden sich durch ihre Wellenlänge, bzw. ihre Frequenz. Wellenlänge ƛ und Frequenz f sind über die Lichtgeschwindigkeit c miteinander verknüpft: c = ƛf.

Das ganze elektromagnetische Spektrum erstreckt sich – nach abnehmenden Wellenlängen geordnet – von den Radiowellen, dem sich daran anschließenden Bereich der Mikrowellen, über den Infra­ rotbereich zum Bereich des Lichts. Zu noch kürzeren Wellenlängen hin folgen die Bereiche des Ultravioletten, der Röntgenstrahlen und der Gammastrahlen.

Der Spektralbereich, den wir Licht nennen, für den unser Auge empfindlich ist, ist charakterisiert durch eine Wellenlänge von etwa einem halben Mikrometer (µm), der Infrarotbereich durch typisch 10 µm und der Bereich der sich anschließenden Mikrowellen durch typisch einige Millimeter (mm) bzw. Zentimeter (cm).

Im Mikrowellenbereich arbeitet zum Bei­ spiel das Satellitenfernsehen bei ƛ = 3 cm, der Mikrowellenherd bei ƛ = 12 cm und das Mobiltelefon bei Wellenlängen im Bereich ƛ =17 - 33 cm.

Elektromagnetische Wellen werden von jedem Körper auf endlicher Temperatur ausgesandt, also auch von uns selber und den uns umgebenden Gegenständen und Wänden, mit denen wir permanent Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung durch Emission und Absorption austauschen. Das emittierte kontinuierliche Spektrum der Körper endlicher Tem-

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Beide Phänomene werden offensichtlich, wenn man das Glimmen einer Zigarette beobachtet. Ohne dass an der Zigarette gezogen wird, erscheint die Glut dunkel-

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rot. Wird daran gezogen, also die Tabak-

Fig. 2: Die graphische Darstellung der Planck-Formel als Funktion der Frequenz für drei verschiedene Temperaturen in doppelt logarithmischer Darstellung. Diese Art der Darstellung erlaubt, die deutlich voneinander abweichende Strahlungsintensität von Körpern sehr unterschiedlicher Temperatur gemeinsam darzustellen.

Die obere blaue Kurve gibt das Spektrum der Sonne wieder. Die rote Kurve zeigt das Spektrum eines Körpers auf etwa Zimmertemperatur. Das Maximum seiner Emission liegt im infraroten Spektralbereich. Im Vortrag wurde die Emission der Hörsaalwand mit einem Mikrowellenradiometer gemessen, das bei 11 GHz arbeitete. Wie in der Figur markiert, ist hier die Intensität der Emission um 6 Größenordnungen kleiner als im Infraroten.

Die untere grüne Kurve zeigt das Spektrum der kosmischen Hintergrundstrahlung, so wie es mit hoher Präzision zum ersten Mal vom COBE-Experiment vermessen wurde. Die zufällige Entdeckung durch Penzias und Wilson erfolgte bei einer Frequenz von etwa 4 GHz.

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Maximums die Intensität der Emission unserer Umgebung messen und daraus deren Temperatur berührungslos bestimmen (Infrarot-Thermometer). In diesem Spektralbereich arbeiten auch die sogenannten Thermokameras, mit denen im Winter Bilder zum Beispiel einer Hausfront erstellt werden können, auf denen in Falschfarbendarstellung die Temperaturverteilung auf der Wand erkennbar ist.

verbrennung durch Zufuhr von Sauerstoff angefacht und damit die Temperatur erhöht, so glüht sie hell auf, das heißt die Intensität der Emission steigt. Gleichzeitigt verändert sich ihre Farbe ins Gelbliche. Gelb und rot unterscheiden sich aber gerade durch ihre Wellenlänge, rot = längere, gelb = kürzere Wellenlänge. Insgesamt beobachtet man also ein Verhalten wie qualitativ durch die Planck-Formel vorausgesagt.

Dazu wird die lokale Intensität der Infrarotstrahlung eines jeden Flächenelements der Hauswand gemessen und daraus durch Vergleich mit der Planck-Formel, bzw. durch Kalibrierung mit einem Schwarzkörper bekannter Temperatur, die lokale Temperatur an der Hauswand bestimmt. Die so gewonnenen Bilder erlauben Rückschlüsse auf Wärmelecks, beispielsweise in der Umgebung der Fenster des Hauses.

Der heißeste Körper, den wir kennen, ist die Sonne. Das Spektrum der Sonne wird sehr gut durch die Planck-Formel mit einer Temperatur von etwa T = 5800 K beschrieben. Dies ist damit die Temperatur der strahlenden Sonnenoberfläche.

Durch Ausmessen des Spektrums und Vergleich mit der Planck’schen Strahlungsformel kann also die physikalische Temperatur des emittierenden Körpers berührungslos bestimmt werden. Das Maximum des Sonnenspektrums liegt bei ungefähr 0,5 µm. Bei dieser Wellenlänge hat unser Auge maximale Empfindlichkeit. Es ordnet dieser Wellenlänge die Farbempfindung gelblich-grün zu.

Die Emission von Körpern auf endlicher Temperatur erstreckt sich gemäß der Planck-Formel auf den ganzen Bereich des elektromagnetischen Spektrums (siehe Fig. 1). Die Intensität nimmt allerdings – der erwähnten Glockenkurve entsprechend – stark ab, entfernt man sich weg vom Spektralbereich des Maximums der Emission. Mit empfindlichen Detektoren lässt sich dennoch auch in weit abliegenden Spektralbereichen die Intensität der Emission messen und daraus die Temperatur der emittierenden Fläche bestimmen. Im Hinblick auf die Messungen an einem Plasma, soll das im Spektralbereich der Mikrowellen gezeigt werden.

Das Maximum der Emission von Körpern der Temperatur T = 300 K, also ungefähr Zimmertemperatur, liegt im Infraroten bei einer Wellenlänge von etwa ƛ = 10 µm.

Es ist also der Infrarotbereich, in dem der Löwenanteil unserer eigenen Emission und der der Umgebung liegen (Fig. 2).

Wegen der damit verbundenen Empfindung wird sie auch als Wärmestrahlung bezeichnet. Es gibt kleine handliche rotdetektoren, die im Bereich des Infra­

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Fig. 3: Grundsätzliche Anordnung zur Demonstration der Mikrowellenemission von Körpern und Personen. Die von diesen ausgehende Strahlung wurde mit einer Parabolantenne aufgefangen und einem Radiometer zugeführt, das die bei etwa 11 GHz aufgefangene Leistung misst und zur Anzeige bringt. Die Leistung ist proportional zur Temperatur der emittierenden Körper, sodass deren Temperatur berührungslos gemessen werden kann.

Wir verwenden dazu ein einfaches Radiometer, das die von einer Satelliten­ empfangsantenne aufgenommene Strah­ lungsleistung bei einer Wellenlänge von etwa ƛ = 3 cm entsprechend f = 11 GHz misst und zur Anzeige bringt. In diesem Spektralbereich ist die Intensität der Strahlung von Körpern auf Zimmertemperatur um etwa sechs Größenordnungen geringer als im Infrarotbereich. Dies ist in Fig. 2 in einer dafür geeigneten Darstellung leicht abzulesen. Die Emission im Mikrowellenbereich bei 11 GHz ist aber immer noch groß genug, um mit diesem einfachen Radiometer problemlos gemessen zu werden. Sie erlaubt sogar quantitative Messungen der Temperatur der Umgebung, zum Beispiel der

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Hörsaalwand oder der Körpertemperatur anwesender Personen (Fig. 3). Die Messungen demonstrieren überdies, dass die Umgebung und wir selber nicht nur Infrarotstrahlung, sondern auch Mikrowellenstrahlung emittieren, was wohl den wenigsten bewusst sein dürfte.

Richtet man die Antenne auf eine im Hörsaal befindliche Leuchtstoffröhre, so stellt man fest, dass deren Emission im Mikro­wellen­spektralbereich um mehr als eine Größenordnung höher ist als die Emission der Gegenstände der Umgebung. Die Umgebungstemperatur ist etwa 300 K. Das bedeutet, dass es in der Leuchtstofflampe offenbar etwas gibt, das eine sehr viel höhere Tempera56

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heiße Plasma hindurch auf die es umgebenden Wände des Vakuumgefäßes sehen. Körper, die durchsichtig sind, also das Licht nicht absorbieren, emittieren aber auch nicht (Kirchhoff’sches Gesetz).

Wäre das nicht so, würde sich ein Körper infolge seiner Emission ohne äußeres Zutun immer weiter abkühlen bzw. die Gegenstände unserer Umgebung hätten unterschiedliche Temperaturen.

tur besitzt, die mehrere 1000 K betragen muss. Da die Röhre äußerlich nur wenig wärmer ist als die Umgebung, muss die Strahlung aus ihrem Innern kommen. Die Analyse ergibt, dass es die im Plasma der Röhre beschleunigten Elektronen sind, die für die Emission verantwortlich sind. Ihnen kann also eine Temperatur von mehreren Tausend Grad zugeordnet werden. Eine genaue Bestimmung ist auf diese Weise nicht möglich, sie verlangt nach tiefergehenden Überlegungen, die hier im Einzelnen nicht dargelegt werden können. Das einfache Experiment zeigt aber, auf welche Weise grundsätzlich die Elektronentemperatur eines Plasmas radiometrisch, also berührungslos bestimmt werden kann. Im Weiteren wird die Methode auf die Messung an einem Fusionsplasma übertragen.

Würde man das oben beschriebene Mikrowellenradiometer auf das Plasma richten, würde man ein Signal sehen, das vielleicht einigen 10.000 Grad entsprechen würde, aber nicht den 100 Millionen Grad, die es tatsächlich hat. Die gemessene Intensität erreicht also in dem durch das Messinstrument vorgegeben Spektralbereich von ƛ = 3 cm nicht die Intensität, die die Planck-Formel vorhersagt.

Diese erwartete hohe Intensität wird ausschließlich im Bereich der Zyklotronfrequenz der Plasmaelektronen erreicht.

Zyklotronstrahlung Betrachtet man ein 100 Millionen Grad heißes Fusionsplasma mit bloßem Auge mit Hilfe einer Videokamera, so stellt man lediglich ein fahles Leuchten fest, das überdies vom kalten Randbereich des Plasmas emittiert wird. Es ist nicht das glühend heiße Sonnenfeuer, das man zu sehen erwartet. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass das Plasma kein Schwarzkörper im Sinne des Planck’schen Strahlungsgesetzes ist, sondern dass es – wie die Physiker sagen – optisch dünn ist, unter anderem deswegen weil es, wie weiter oben schon dargelegt wurde, eine nur sehr geringe Teilchendichte hat. Man kann durch das

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Wie im einführenden Abschnitt schon dargelegt, gyrieren die geladenen Teilchen des in einem Magnetfeld eingeschlossenen Plasmas um die Magnetfeldlinien mit einer Frequenz, die durch ihre Ladung, Masse und die Stärke des Magnetfelds gegeben ist, in dem sie sich befinden. Für die Elektronen und die in modernen Fusionsexperimenten typischen Magnetfelder liegt diese Frequenz im Mikrowellenbereich, genauer im Bereich der mm-Wellen, Frequenzen von typisch 100 GHz entsprechend. Diese Spiralbewegung um die Feldlinien führt zur Emission elektromagnetischer

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Wellen mit eben dieser Gyrations- bzw.

Zyklotronfrequenz. Nur bei dieser Frequenz verhält sich das Plasma wie ein Schwarzkörper und strahlt wie durch das Planck-Gesetz vorgegeben. Das KirchhoffGesetz verlangt, dass das Plasma bei dieser Frequenz dann auch nicht mehr durchsichtig ist. Das bedeutet, dass ein eingestrahltes Mikrowellensignal mit einer Frequenz gleich der Zyklotronfrequenz im Plasma vollständig absorbiert wird.

Dies kann experimentell überprüft und daraus zwingend geschlossen werden, dass das Plasma bei dieser Frequenz auch entsprechend der physikalischen Temperatur der Elektronen emittieren muss. Die Radiometrie der Zyklotronstrahlung des Plasmas liefert also die Temperatur der Plasmaelektronen.

Es stellt sich die Frage, von welchem Ort entlang der Beobachtungsrichtung

Fig. 4: Die Figur zeigt die Beobachtungsgeometrie zur Messung der Zyklotronstrahlung am Beispiel des Greifswalder Fusionsexperiments W7-X. Das Plasma hat einen etwa elliptischen Querschnitt. Die ineinander geschachtelten Ellipsen stellen die Isothermen der Elektronentemperatur dar, wobei die Temperatur im Zentrum am höchsten ist.

Die rote Linie durch das Plasmazentrum zeigt die Sichtlinie, entlang derer die Zyklotronstrahlung beobachtet und dem Radiometer zugeführt wird. Da das Magnetfeld entlang der Sichtlinie variiert – es hat außen den niedrigeren Wert Ba, innen den höheren Bi –, variiert proportional zum Magnetfeld auch die Frequenz der Zyklotronstrahlung. Die Frequenz der Strahlung verrät also somit den Ort ihrer Entstehung. Das Radiometer ist so gebaut, dass es simultan bei allen Frequenzen die Intensität der Zyklostrahlung messen kann. Daraus kann eindeutig die Temperatur als Funktion des Ortes entlang der Sichtlinie bestimmt werden.

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Radioastronomie

durch das Plasma die Emission herrührt.

Dazu muss man Folgendes berücksichtigen. In der einem Autoreifen ähnlichen Torus­geometrie der Fusionsexperimente Tokamak und Stellarator, in denen das Plasma durch starke Magnetfelder eingeschlossen wird, wächst das Magnetfeld entlang einer Sichtlinie durch das Plasma, die – um im Autoreifenbild zu bleiben – der Richtung einer Radspeiche entspricht von außen nach innen – Richtung Achse – monoton an. Die Höhe des Magnetfelds bestimmt aber die Zyklo­ tronfrequenz, so dass auch die Zyklotronfrequenz der Elektronen entlang dieser Sichtlinie von außen nach innen monoton anwächst. Die Fig. 4 gibt die Verhältnisse am Beispiel des W7-X Plasmas wieder.

Richtet man das oben beschriebene, aus einem Fernsehsatellitenempfänger aufgebaute Radiometer auf den Himmel, dann stellt man fest, dass von dort nur sehr geringe Strahlung kommt und dass der Himmel im oben beschriebenen Sinne also kalt ist. Nur wenn man die Antenne auf die Sonne oder den Mond richtet, wird man infolge der hohen Oberflächentemperaturen dieser Himmelskörper – knapp 5800 K für die Sonne und etwa 220 K für den Mond – deutlich stärkere Signale feststellen können. Das benutzte Radiometer wurde zu genau diesem Zweck als Einstieg in die Radioastronomie einiger Himmelskörper neben die Kuppel auf dem Turm des alten Physikalischen Instituts in der Domstraße montiert (Fig. 5a). Es hat sich insbesondere bei der Beobachtung der Sonnenfinsternis vom 11. August 1999 bewährt, denn der Himmel war zur Zeit maximaler Bedeckung leider vollständig bewölkt, so dass die Beobachtung im Optischen – also mit bloßem Auge – nicht möglich war. Mikrowellen mit einer Wellenlänge von ƛ = 3 cm werden aber durch Wolken nur sehr geringfügig absorbiert, sodass der ganze Verlauf der Sonnenbedeckung durch den Mond als Abnahme und Wiederanstieg im Signal der auf die Sonne gerichteten Radiometerantenne trotz Bewölkung gut zu verfolgen war (Fig. 5b).

Beobachtet man die Emission bei einer bestimmten Frequenz f, so kennt man den Ort x der Entstehung dieser Emission, da man den Magnetfeldverlauf entlang dieser Beobachtungsrichtung kennt.

Die Frequenz der beobachteten Strahlung enthält also die Ortsinformation, ihre Intensität I die Information über die Temperatur T am Ort x ihrer Entstehung.

Es gibt damit eine eindeutige Beziehung zwischen dem Spektrum I(f) und dem Temperaturprofil T(x) des Plasmas. Die Methode wird ECE (Electron Cyclotron Emission) genannt und hat in der Fusionsplasmadiagnostik große Bedeutung erlangt, liefert sie doch mit Hilfe einer einzigen Sichtlinie ortsaufgelöste Temperaturinformation [4].

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Im Jahre 1965 haben die beiden Wissenschaftler Arno Penzias, ein gebürtiger Münchner, und Robert Wilson in den Bell Laboratories in New Jersey/USA

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Fig. 5: Das während des Vortrags zu Demonstrationszwecken verwendete Radiometer war ursprünglich zum Einstieg in die Radioastronomie auf dem Turm des alten Physikalischen Instituts errichtet worden (links). Während der fast vollständigen Sonnenfinsternis im August 1999, die wegen starker Bewölkung in Greifswald mit bloßem Auge leider nicht zu beobachten war, konnte mit diesem Instrument die Bedeckung der Sonne durch den Mond durch Registrierung der die Wolken ungehindert durchdringen­ den Mikrowellenstrahlung der Sonne eindrucksvoll verfolgt werden (unten).

auf den sie ihre Antenne ausrichteten, immer noch eine schwache Radiostrahlung zu empfangen war, deren Herkunft sie nicht erklären konnten. Rechnete man die Intensität dieser Strahlung in diejenige Temperatur um, die ein thermischer Strahler gemäß dem Planck’schen

ihre für die Satellitenkommunikation neu entwickelte, große und sehr empfindliche Mikrowellenantenne, die bei einer Wellenlänge von ƛ = 7,35 cm – entsprechend etwa 4 GHz arbeitete – auf den Himmel gerichtet und dabei festgestellt, dass unabhängig vom Ort am Himmel,

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Robert und Wilson hatten ja nur bei einer einzigen Wellenlänge messen können.

Das Spektrum erwies sich als exakt durch die Planck-Formel darstellbar, mit einer Temperatur von 2,726 K.

Strahlungsgesetz haben müsste, um sie zu erzeugen, so erhielt man etwa 3 K, also eine Temperatur nahe am absoluten Nullpunkt. Eine vermutete technische Ursache in ihrem System konnten sie trotz akribischer Suche nicht finden. Die Herkunft der Strahlung blieb zunächst rätselhaft.

Die elektromagnetische Strahlung mit diesem Spektrum stammt aus der Zeit des frühen Universums, in dem es noch viel kleiner, heißer und dichter war. Die Materie und die Strahlung waren zu dieser Zeit in einem thermischen Gleichgewicht. Die Materie war noch nicht zu Atomen kondensiert und – nennen wird die elektromagnetische Strahlung hier allgemein Licht – das vorhandene, das ganze Universum gleichmäßig ausfüllende Licht wurde vielfach an den freien Elektronen gestreut, was zur Folge hatte, dass das Universum undurchsichtig war, so ähnlich wie wir es vom Nebel kennen. Dieser Zustand währte bis etwa zum Jahr 370.000 nach dem Urknall. Zu diesem Zeitpunkt war das Universum auf knapp 3000 K abgekühlt. Die vorhandene Materie bestand im Wesentlichen aus Protonen, Elektronen, und He-Kernen. Das gleichmäßig alles erfüllende Licht entsprach der Strahlung eines Körpers mit einer Temperatur von 3000 K, mit einem Spektrum, das durch die Planck-Formel bei T = 3000 K gegeben ist (Fig. 1). Hätte man schauen können, alles wäre uns gleichmäßig hell, so hell wie der Glühfaden einer sehr hellen Glühlampe erschienen.

Zur gleichen Zeit arbeitete eine Gruppe um den Astrophysiker Robert Dicke an der Universität Princeton, USA, an einem Empfangssystem, mit Hilfe dessen sie eine von einer anderen Gruppe von Astrophysikern um George Gamow in Boulder, USA, schon 1948 vorhergesagte Strahlung finden wollten, die das ganze Universum erfüllen sollte.

Die beiden Gruppen hörten schließlich voneinander, und es stellte sich ziemlich schnell heraus, dass es sich bei der Beobachtung bei den Bell Labs tatsächlich um das von den Astrophysikern gesuchte Phänomen der sogenannten kosmischen Hintergrundstrahlung handelte: Die einen sagten sie voraus, die anderen suchten sie und die Dritten wussten nichts von beiden und fanden sie, wie R. Kippenhahn [5] treffend formulierte. Eine auf extrem sorgfältiger Arbeit beruhende großartige Entdeckung von Penzias und Wilson, die 1978 mit dem Nobelpreis belohnt wurde. Zur weiteren und genaueren Analyse der Hintergrundstrahlung wurde 1989 der COBE-Satellit gestartet (COBE = Cosmic Background Explorer), der mit drei Radiometern an Bord in der Lage war, das ganze Spektrum der Hintergrundstrahlung auszumessen (Fig. 2).

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Die Temperatur von 3000 K war aber jetzt niedrig genug, dass sich Atome bilden konnten (Rekombination), die das Licht aber nicht mehr so wie vorher die freien

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und die europäische Planck-Mission der ESA, die die Strukturen in der Temperaturverteilung am Himmel noch mit um Größenordnungen gesteigerter Winkelund Temperaturauflösung vermessen haben (Fig. 6). Insbesondere die PlanckMission hat den Astrophysikern und Kosmologen eine ungeheure Datenflut beschert, an der noch lange gearbeitet werden wird. Mit diesen hochgenauen Messungen ist die Kosmologie zu einer Präzisionswissenschaft geworden [6].

Elektronen streuen konnten, das heißt das Universum wurde durchsichtig, es klarte auf (Ära der Aufklarung). Materie und Strahlung entkoppelten, wie die Physiker sagen. In der weiteren Entwicklung des Universums, in der es sich weiter ausdehnte und weiter abkühlte, entstanden die Sterne, die Planeten, insgesamt die uns bekannte Welt. Die thermische Strahlung, die im Jahr 370.000 Schwarzkörperstrahlung mit 3000 K entsprach als sie von der Materie entkoppelte, ist in den seither vergangenen 13,8 Milliarden Jahren infolge der Ausdehnung des Universums auf 2,7 K abgekühlt.

Die geringen Temperaturunterschiede mit möglichst hoher räumlicher Auflösung zu vermessen, und ihre Verteilung zu analysieren, wie es zur Zeit mit den Daten der Planck-Satellitenmission geschieht, ist von großer Bedeutung, weil sich daraus Hinweise auf die Existenz einer von der Theorie postulierten äußerst kurzen, „Inflation“ (engl. Aufblähung) genannten Phase in der Entwicklung des ganz frühen Universums ziehen lassen.

In dieser Phase hat sich das Universum in extrem kurzer Zeit um etwa 30 Größenordnungen zu makroskopischer Größe von ungefähr 10 cm aufgebläht. Die gefundenen Fluktuationen können nur verstanden werden, wenn es diese bizarre Phase des Universums tatsächlich gegeben hat.

Eine genaue Auswertung der Daten des COBE-Experiments ergab, dass die Strahlung doch nicht völlig isotrop ist. Es gibt winzige Temperaturunterschiede, die auf geringe Fluktuationen in Dichte und Temperatur der Materie zum Zeitpunkt der Entkopplung schließen lassen. Aus diesen winzigen Fluktuationen in der frühen Phase des Universums sind letztlich die uns bekannten Massenverteilungen, die Galaxien, die Galaxienhaufen und alle großräumigen Strukturen im Universum entstanden. Für die Entdeckung, ihre Auswertung und Interpretation wurde den für die COBE-Mission verantwortlichen Wissenschaftlern J. Mather und G. Smoot im Jahr 2006 ebenfalls der Nobelpreis zuerkannt.

Aus aktuellem Anlass sei hier eine in diesem Zusammenhang bedeutsame Entdeckung erwähnt, die während der Abfassung dieses Texts bekannt gegeben wurde. Mit dem amerikanisch-kanadischen Experiment BICEP (BICEP = Background Imaging of Cosmic Extragalactic

In den darauffolgenden Jahren wurden die Messungen noch vielfach verfeinert.

Zu erwähnen sind dabei insbesondere die amerikanische WMAP (WMAP = Wilkonson Microwave Anisotropy Probe)

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Fig. 6: Die kosmische Hintergrundstrahlung ist nicht perfekt isotrop. Genaue Messungen mit der zu diesem Zweck durchgeführten COBE-Satellitenmission ergaben erstmals winzige Temperaturunterschiede von der Ordnung Tausendstel K. Diese geringen Unterschiede wurden mit der Planck-Satellitenmission der ESA, die zwischen 2009 und 2013 durchgeführt wurde, mit höchster Präzision hinsichtlich Orts-, Winkel- und Temperaturauflösung weiter vermessen. Die kleinen Temperaturunterschiede sind in diesem Bild auf der Basis der Planck-Daten als Falschfarbendarstellung des Himmels wiedergegeben: gelb, rot = höhere, grün, blau = niedrigere Temperatur.

Die Anisotropie weist auf Temperatur- und Dichtefluktuationen zur Zeit der Entkopplung von Strahlung und Materie etwa 370 000 Jahre nach dem Urknall hin.

Polarization) mit Hilfe dessen die Polarisation der Mikrowellenhintergrundstrahlung über der Antarktis beobachtet wurde, gelang der Nachweis von ebenfalls von der Theorie vorhergesagten, B-Mode genannten charakteristischen Strukturen in der räumlichen Verteilung der Polarisation der Hintergrundstrahlung. Auch das Auftreten dieser Strukturen kann nur erklärt werden, wenn es die Phase der Inflation tatsächlich gegeben hat. Die Inflation nämlich war mit dramatischen Änderungen der Raum-Zeit verbunden, was Gravitationswellen auslöste, die sich im Universum ausbreiteten. Sie haben die Polarisationsrichtung des Lichts während

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der Phase der Aufklarung auf charakteristische Weise verwirbelt. Die Signatur dieser Verwirbelung ist wie die der Temperaturfluktuationen in der Mikrowellenhintergrundstrahlung – quasi eingefroren – bis jetzt erhalten geblieben.

Die gefundene B-Moden-Struktur in der Polarisationsverteilung der Mikrowellenstrahlung ist also ein starkes Indiz für das Auftreten sowohl der Inflationsphase des Universums als auch von Gravitationswellen, deren direkter Nachweis bisher nicht gelungen ist. Es wird spannend sein zu beobachten, ob diese durch die Beobachtung eines sehr begrenzten Be-

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reichs des Himmels über der Antarktis gewonnenen Ergebnisse mit den Daten der Planck Radiometer, die den gesamten Himmel beobachteten, bestätigt werden können.

Literatur

Anschrift des Autors

Populärwissenschaftliche bzw. ein- und weiterführende Literatur zum Thema

Prof. Dr. Hans-Jürgen Hartfuß Ehemals: Max-Planck-Institut für Plasmaphysik – Teilinstitut Greifswald Wendelsteinstraße 1 17491 Greifswald

[1] E. Rebhan, „Heller als das Sonnen feuer“, Piper, München, 1992.

[2] F. F. Chen, „An Indispensable Truth, How Fusion Power Can Save the Planet“, Springer, New York, 2011.

[3] J. Hermans, „Energy Survival Guide“, Leiden University Press, Leiden, 2011.

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[5] R. Kippenhahn, „Licht vom Rande der Welt“, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, 1984.

[6] G. Hasinger, „Das Schicksal des Uni versums“, Verlag C.H. Beck, Mün chen, 2009.

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Aspekte der biologischen Heilkunde Ulrich Groth Viele Auffassungen von heute sind die Irrtümer von morgen!

Ein weiteres Kriterium ist der Wechsel von Anspannung und Entspannung (Schlaf). Ein gestörter Schlaf untergräbt die Gesundheit. Schlaf kann durch nichts ersetzt werden.

Das Leben ist für jeden von uns einmalig und unwiederbringlich. Es ist kein Wider­ spruch, wenn Menschen nicht gerne altern, aber ein hohes Alter erreichen möchten. Dieses höhere Alter macht aber nur Sinn, wenn es mit einer entsprechenden Lebensqualität verbunden bleibt. Zu einem lebenswerten Leben gehört eine möglichst gute und stabile Gesundheit.

Sie ist mit unser wertvollstes Gut. Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist „Gesundheit ein Zustand des vollkommenen körperlichen, geistig-seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheiten und Gebrechen”. Zwischen körperlicher und psychischer Gesundheit ist keine Trennung möglich, da der Mensch eine psychosomatische Einheit ist.

Der Stoffwechsel ist die grundlegende Eigenschaft aller lebender Materie. Jeder Organismus nimmt ständig bestimmte Stoffe auf, baut sie um und gibt andere Stoffe wieder ab. Der Stoffwechsel ist die entsprechende Voraussetzung für unsere Existenz. Er sorgt unter anderem dafür, dass die etwa 75 Billionen Zellen unseres Körpers versorgt und entsorgt werden. Stoffwechselstörungen bedingen einen großen Anteil von Krankheiten.

Das Ziel ihrer Behandlung besteht darin, die Stoffwechselprozesse wieder zu normalisieren. Eine wichtige Grundlage für den Stoffwechsel bildet eine biologisch richtige Ernährung. Sie ist mehr als nur Sattsein, die Aufnahme von Stoffen oder die Summe ihrer Bestandteile.

Als Lebewesen unterliegen auch wir Menschen den biologischen Grundkrite­ rien des Lebens und der Gesundheit.

Dazu zählt die Bewegung (körperliche Aktivität), ohne die es kein Leben gibt. Ihre Bedeutung für die Gesundheit ist ähnlich hoch einzuschätzen wie etwa eine gesunde Ernährung. Deshalb lautet eine Gesundheitsregel: Der kürzeste Weg zur Gesundheit ist der Fußweg.

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Jeder möchte glücklich sein und hat auch ein Recht darauf. Man kann Glück nicht kaufen und erzwingen, aber selbst viel dafür tun, denn Glück ist auch ein Gesundheitsfaktor. Dazu gehört eine positive, optimistische Grundeinstellung.

Dadurch ist fast jedes Problem leichter zu lösen oder mindestens zu mildern. Die Optimisten werden vom Gehirn belohnt.

Sie leben länger (nach einer Studie 7,5 65

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• Sie ernährten sich vor allem von fri schen pflanzlichen Nahrungsmitteln mit viel Vollkornprodukten, Vital- und Ballaststoffen.

• Ihre Nahrung enthielt viel weniger Fett mit einem hohen Anteil an ungesättig ten Fettsäuren.

• Die Nahrung enthielt das Drei- bis Sechsfache an Vitalstoffen als die heutige.

• Ihre Nahrung enthielt über zehnmal so viel Kalium als Natrium, heute ist es umgekehrt.

bis zehn Jahre), altern langsamer und sind gesünder. Das war bisher nur eine Erfahrung, hat aber jetzt eine wissenschaftliche Erklärung gefunden. Dabei produziert das Gehirn Stoffe, die nur in hochpotenten Heilstoffen vorkommen.

Bekannt sind besonders das Serotonin und die Endorphine, die insgesamt als Glückshormone bezeichnet werden. Sie steuern als Botenstoffe (Transmitter) die Aktivität des Nervensystems und bewirken psychisch-seelische Zustände, führen zu guter Laune und lassen die Seele lachen. Vor allem wird die Tätigkeit der Organe stimuliert. Das gilt besondes für das Immunsystem. Die schon hierfür angebotenen Präparate müssen kritisch betrachtet werden, da zum Beispiel das darin enthaltene Serotonin die Blut-Hirnschranke kaum überwindet. Sinnvoller erscheint die Aufnahme der zum Aufbau der Glückshormone notwendigen Grundstoffe, wie beispielsweise die Aminosäure Tryptophan, Folsäure und bestimmte Vitalstoffe. Bei negativer Einstellung bildet das Gehirn dagegen Stresshormone, die eine gegenteilige Wirkung haben. Deshalb besser ein halbvolles als ein halb­ leeres Glas!

In den letzten drei bis vier Generationen haben sich starke Veränderungen vollzogen, und wir haben uns immer mehr von einer biologisch sinnvollen Ernährung und Lebensweise entfernt. Diese Veränderungen, zusammen mit weiteren Faktoren (zum Beispiel Bewegungsmangel) werden – trotz bemerkenswerter medizinischer Fortschritte – für viele Zivilisationskrankheiten (beispielsweise Herz-, Kreislaufkrankheiten, Bluthochdruck, Osteo­po­rose, Diabetes) verantwortlich gemacht. Wir sind eben nicht von Natur aus auf eine weitgehend industriell hergestellte, stark raffinierte, vitalstoffarme Ernährung mit viel Zucker, tierischem Fett, Salz und Lebensmittelzusätzen eingerichtet. Wir leben mit einem Mangel im Überfluss.

Einem Überangebot an bestimmten Nährstoffen (zum Beispiel Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße) steht ein Mangel an lebensnotwendigen Vitalstoffen gegenüber. Dazu zählen Vitamine, Mineralstoffe mit Spurenelementen und Phytofaktoren (Pflanzeninhaltsstoffe, se­kun­däre Pflanzen­ stoffe). Wir stehen heute oft rat­los vor

Die Entwicklung zum heutigen Menschen dauerte immerhin etwa zwei Millionen Jahre. Diese Evolution umfasst über 60.000 Generationen. Unsere Vorfahren haben sich im Laufe der Geschichte an die biologisch sinnvolle Lebensweise und Ernährung angepasst, die für sie weitgehend optimal war und ihr Überleben sicherte:

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dem Riesen­angebot in Super­märkten. Dieses und die vielen Informa­tionen und Werbungen über Ernährung verwirren mehr als sie helfen können. Als Folge ernährt und verhält sich etwa jeder Zweite biologisch falsch. 1968 stellte der zweifache Nobelpreisträger Linus Pauling (1901 – 1994) ein neues Konzept zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten vor, bei dem die Behebung vorhandener Mängel im Vitalstoffhaushalt eine zentrale Bedeutung hat. Diese neue Therapieform erhielt die Bezeichnung Orthomolekulare Medizin.

fünf bis acht bei über Siebzigjährigen und jeder Fünfte über 85 Jahre nimmt sogar 13 (!) täglich ein. Das kann nicht ohne Folgen bleiben. Jeder sollte die Wirkungsweise von Arzneimitteln kennen.

Das setzt verständliche, umfassende und unabhängige Informationen voraus.

Der Arzneimittelmarkt ist selbst für Apotheker und Ärzte immer unüberschaubarer geworden. Daran hat eine mächtige Pharmaindustrie einen hohen Anteil, die maßgeblich das Gesundheitswesen beeinflusst. In Deutschland werden mehrere 10.000 Arzneimittel angeboten. Die meisten verschriebenen und verwendeten Medikamente gehören in die Gruppe der chemisch-pharmazeutischen Präparate. Immer mehr Fachleute und Bürger stehen ihnen zunehmend kritisch gegenüber. Nicht nur wegen der dominierenden Rolle kommerzieller Gesichtspunkte, sondern auch wegen der nicht mehr zu negierenden Begleiterscheinungen:

Im Laufe der Geschichte haben sich verschiedene Richtungen und Grundauffassungen in der Heilkunde herausgebildet, die sich lange gegenüber standen. Jede Richtung hat ihre Stärken, aber auch ihre Grenzen. Es wäre sinnvoll, erstere zum Wohle der Betroffenen zu bündeln und zu nutzen. Dieser Trend zur ganzheitlichen, integrativen Medizin setzt sich international immer stärker durch. Auch in Deutschland sind solche Bestre­bun­gen bei einzelnen Fachvertretern wie auch bei Einrichtungen zu erkennen. Auch die hier gemachten Aussagen sollen ausdrücklich in diesen Rahmen eingefügt und so verstanden werden.

1. Die meisten dieser Präparate sind körperfremde Medikamente (Xenobiotika). Sie enthalten neben dem Wirkstoff in der Hauptmasse chemische Stoffe, die oft synthetisch hergestellt werden (oft über 99 Prozent).

Die Behandlung der Krankheiten mit Medikamenten steht auch heute noch im Vordergrund. Arzeneimittel gehören heute zum täglichen Leben. Manche beginnen ihren Tag mit der Einnahme von „Pillen” und beenden ihn mit dem Schlucken von Schlaftabletten. Obwohl nur bis vier verschiedene Wirkstoffe täglich eingenommen werden sollen, sind es oft

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• Diese Stoffe kommen in unserem Kör per nicht vor.

• Der Körper verlangt und benötigt sie nicht (er ruft nach anderen notwen digen Stoffen, die wir ihm oft vorent halten).

• Wenn ihm diese Stoffe aufgezwungen werden, erkennt er sie als körper-

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• Medikamente werden in höherer Dosis oder länger als geplant einge nommen, • erfolglose Versuche, die Medikamen te zu reduzieren oder einzustellen, • Einnahmen ohne Rücksicht auf Nebenwirkungen, • Entwicklung einer körperlichen Tole ranz, • Entzugserscheinungen beim Nach lassen der Wirkung, • weitere Einnahme trotz Folgeschäden.

fremd, als Gifte und • ergreift Abwehrmaßnahmen, um sich zu schützen.

Dabei wird eine Kette von Reaktionen ausgelöst, durch die das Immunsystem, die Leber als Entgiftungsorgan und die Nieren als Ausscheidungsorgane belastet werden. Hinzu kommt eine noch größere Belastung durch Gifte der Umwelt, im Wasser und in Lebensmitteln (Zusatzstoffe). Die durchschnittliche jährliche Belastung mit solchen Giften wird für jeden Bürger auf über ein Kilogramm geschätzt. Auch dadurch sind die zunehmenden Störungen dieser Organsysteme zu erklären.

5. Nicht mehr zu übersehen sind die Nebenwirkungen, wodurch täglich Menschen sterben. Nach Vergleichen soll die Wahrscheinlichkeit, daran zu sterben, fünfmal (!) höher sein als bei einem Verkehrsunfall. Die Zahl der arzneimittelbedingten Klinikaufenthalte steigt und erfordert einen zunehmenden materiellen und personellen Aufwand. Nebenwirkungen äußern sich vielfältig, sind aber nicht immer einfach zu erkennen.

2. Viele dieser Medikamente bekämpfen oft nicht in erster Linie die Ursachen einer Krankheit, sondern lediglich ihre Symptome (symptomatische Behandlung).

3. Die Wirkung dieser Medikamente erfolgt oft schnell und heftig.

6. Nicht wenige Medikamente gefährden die Nähr- und Vitalstoffversorgung, was zu einer Unterversorgung führen kann. Manche sind regelrechte Nähr- und Vitalstoffdiebe, zum Beispiel stören Antibiotika die Darmflora und die Aufnahme der Vitamine B und K und Schmerzmittel die Aufnahme von Folsäure.

4. Bestimmte Medikamente können zur Gewöhnung, auch zur Abhängigkeit oder sogar zur Sucht führen. Statistisch sollen in Deutschland 1,5 Millionen Menschen betroffen sein. Dazu zählen viele, die besonders Schlaf-, Beruhigungs- und Schmerz­mittel einnehmen. Manche Medikamente können schon nach wenigen Tagen körperlich und psychisch abhängig machen. Es erfordert großes therapeutisches Bemühen, den Missbrauch von Medikamenten zu bewältigen. Anzeichen dafür:

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Besonders Senioren haben häufiger Probleme mit Medikamenten, wobei oft altersbedingte Veränderungen eine Rolle spielen.

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• Es ist weniger Speichel vorhanden, deshalb ist der Mund trockener.

• Die Medikamente verteilen sich im Körper langsamer, da die Gewebe weniger Blut und Flüssigkeiten ent halten.

• Die Leber lässt in ihrer Wirkung als Entgiftungsorgan nach.

• Da auch die Nierenfunktion nachlässt, können sich körperfremde Stoffe im Körper schneller anreichern.

• Da sich der Magen langsamer entleert, wirken Medikamente später oder auch schwächer.

• Die Sekretion der Drüsen nimmt ab, deshalb kann die Wirkung von Medi kamenten verzögert werden.

• Die Muskelmasse wird geringer und der Fettanteil oft größer, weshalb sich fettlösliche Medikamente anreichern und ihre Verfügbarkeit im Körper sinkt.

• Es stehen weniger Transportmoleküle zur Verfügung, welches Folgen hat.

Art ohne negative Begleiterscheinungen.

Diese Mittel gibt es; schon seit langer Zeit liefert die Natur sie. Die biologische Heilkunde erforscht, entwickelt und empfiehlt sie. Darin liegt ein großes Gesundheits- und Heilpotenzial, das immer wieder verblüfft. Diese biologischen Präparate werden als körpereigene Heilmittel (Nutrienten) bezeichnet und sind wie folgt charakterisiert: 1. Sie enthalten keine körperfremden Stoffe (Gifte), sondern nur solche, die in unserem Körper vorkommen. Des halb werden sie vom Körper akzep tiert und er muss keine Abwehrmaß nahmen ergreifen, sondern kann diese Kräfte für die Gesundung einsetzen.

2. Diese in den Mitteln enthaltenen Stoffe sind natürliche Bestandteile einer biologisch gesunden Nahrung und für unser Leben unerlässlich. Lei der kann heute unser Bedarf über die Lebensmittel kaum noch gedeckt werden.

3. Die körpereigenen Heilmittel mit den wirksamen Antioxidanzien behan deln nicht in erster Linie die Symp tome, sondern die Ursachen einer Erkrankung. Somit haben sie das Be streben, 4. den ursprünglichen Gesundheits zustand wiederherzustellen. Wichtig ist, dass man gesund und nicht nur beschwerdefrei wird. Das erfordert längere Zeit, denn viele Krankheiten entwickeln sich über Jahre oder gar Jahrzehnte, deshalb erfolgt 5. eine langsame und schrittweise Wir kung, dafür aber langfristig und dauer-

Im Auftrag des Bundesforschungsministeriums haben Experten besonders für Senioren die sogenannte Priscus-Liste erstellt (von lat.: alt, ehrwürdig). Sie enthält auch Angaben über mögliche alternative Heilmittel und weitere Hinweise.

Kostenlose Bestellung: Publikationsversand der Bundesregierung, Postfach 48 10 09, 18132 Rostock, Telefon 0180 5778090.

Mit Recht haben Menschen Zweifel an den körperfremden Medikamenten und fragen, ob es nicht Heilmittel gibt, die genausogut wirken, vielleicht noch besser und zwar auf sanfte und natürliche

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Verbindungen eingehen, die aggressiv sind und wichtige Zellstrukturen bis zur Erbsubstanz (DNA) im Zellkern dauerhaft verändern oder zerstören.

haft.

6. Bisher wurden keine Fälle einer Ge wöhnung oder Abhängigkeit be schrieben.

7. Eine Überdosierung ist nur bei extre mem Missbrauch möglich (Verträg lichkeit geht vor Dosierung).

8. Viele haben die bemerkenswerte Eigenschaft, die von körperfremden Medikamenten verursachten Neben wirkungen drastisch zu senken. Des halb eignen sie sich begleitend für viele Therapien, um die Nebenwir kungen für die Patienten zu mindern und ihr Wohlgefühl zu erhöhen.

9. Sie fördern auch die geistigen Kräfte und stärken die psychisch-seelischen Prozesse.

Ein chemisches Atom ist normalerweise stabil und ruht in sich selbst, wenn es mit acht negativen Ladungsteilchen (Elektronen) gesättigt ist. Doch besonders Biomoleküle, die Sauerstoff enthalten, neigen dazu, Elektronen zu verlieren, wodurch sie instabil werden. Sie haben das Bestreben, sich mit aller Macht dieses verlorene Elektron wieder zurückzuholen und versuchen in aggressiver Weise, es von anderen „normalen” Atomen zu „stehlen”.

Dadurch werden diese selber zu freien Radikalen. Die betroffenen Zellen gehen dann entweder zugrunde oder können entarten, das heißt, sie werden Krebszellen, die sich schneller teilen und einen Tumor bilden. Freie Radikale sind also instabile und enorm aggressive Atome, die ständig lebende Substanz verändern.

Um den Körper zu entlasten, können in vielen Fällen körperfremde Medikamente durch biologische Arzneimittel ersetzt werden. Erstere sind aber weiterhin notwendig, besonders dann, wenn lebensbedrohliche Zustände abgewendet werden müssen.

Besonders viele freie Radikale entstehen im Prozess der Atmungskette in den Mitochondrien, von denen als Zell­ organellen mindestens einige Hundert in jeder Zelle als „Energiekraftwerke” vorhanden sind (Muskel- und Gehirnzellen besitzen über 10.000!) Mitochondrien sind für viele Zellstoffwechselvorgänge verantwortlich, zum Beispiel für die Synthese von Hämoglobin oder den Elek­ tronentransfer in den Zellen. Sie stehen im Mittelpunkt biologischer Forschung.

Man hört und liest immer häufiger den Begriff „Mitochondriale Medizin”. Sie untersucht den Einfluss von Störungen

In jüngerer Zeit widmet sich die biologische Präventionsforschung besonders den Vorgängen, die eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Krankheiten einnehmen. Dazu zählen die freien Radikale (Oxidanzien), die Zellen schädigen oder zerstören. Ohne Sauerstoff ist unser Leben nicht möglich, aber der Sauerstoff ist ebenfalls ein „gefährlicher Freund”.

Einerseits ist er unerlässlich bei der Atmung im Rahmen des Betriebsstoffwechsels (Dissimilation). Andererseits ist er sehr reaktionsfreudig und kann

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Abwehraufgaben regelrecht aufgeteilt.

Deshalb entfalten sie in Kombination ihre beste Wirkung, weil sie sich ergänzen und verstärken (synergistische Wirkung).

Alle zusammen bilden sie sozusagen ein „antioxidatives Orchester”. Die Wirksamkeit der Gruppe ist weitaus größer als die Summe der einzelnen Aktivitäten. Deshalb ist eine wohldosierte kombinierte Zufuhr wirksamer als eine hochdosierte Einnahme eines einzelnen Antioxidans.

Das Risiko wird für uns größer, wenn ein Ungleichgewicht von Antioxidanzien zugunsten von freien Radikalen entsteht und diese sich ungehemmt entfalten können.

auf die Entstehung bestimmter Krankheiten. Dabei wird zwischen angeborenen und erworbenen Mitochondriopathien unterschieden. Das Spektrum reicht von Schilddrüsenerkrankungen, Migräne, Depressionen, Muskelschäden (Herz) bis zu Demenz, Alzheimer, Parkinson und Multipler Sklerose (MS). Diese Störungen sind nicht einfach zu diagnostizieren und zu behandeln. Erfolgversprechend können Vitalstoffe, Antioxidanzien und CoFaktoren der Atmungskette wie Kreatin, Thionin oder Biotin eingesetzt werden.

Die Zivilisations- und Alterskrankheiten werden im angelsächsischen Sprachraum treffend als free radical diseases bezeichnet.

Im Kampf gegen die freien Radikale reichen die früher empfohlenen Tagesdosen zur Vermeidung von Mangelerscheinungen nicht aus. Antioxidanzien werden in der biologischen Medizin nicht nur vorbeugend, sondern auch für Heilzwecke erfolgreich eingesetzt. Der Bedarf an Antioxidanzien kann bei Menschen unterschiedlich sein (biochemische Individualität), was bei der Empfehlung berücksichtigt werden muss. Die empfohlene höhere Zufuhr von Antioxidanzien kann kaum oder nicht nur aus Nahrungsquellen gedeckt werden (um zum Beispiel 200 Milligramm Vitamin E zu erhalten, müsste man etwa zwei Kilogramm Erdnüsse oder 300 Gramm Sonnenblumenöl aufnehmen). Als Alternative bieten sich qualitätsgerechte Nahrungsergänzungsmittel auf biologischer Basis an, die auch eine genaue Dosierung ermöglichen. Zu bedenken ist, dass viele Symptome für einen Vitalstoffmangel auch Anzeichen

Und nun die gute Nachricht! Um die lebensgefährdende Aggressivität der freien Radikale zu bändigen, hat die Natur gegen sie ein Schutzsystem entwickelt.

Dazu gehören vor allem neben Zell­ enzymen die Antioxidanzien (Bioreduktoren, Radikalenfänger, Scavenger). Als besonders wirksam haben sich einige Vitalstoffe (Vitamine, Mineralien, Phytofaktoren) und Enzyme erwiesen. Statt acht besitzen sie neun Elektronen und können das überzählige Elektron an ein freies Radikal ohne negativen Folgen abgeben. So wird dieses „neutralisiert” und verändert sich zu einer stabilen, nicht-toxischen und reak­tionsschwachen Verbindung. Das Antioxidans wird dabei allerdings meistens „aufgebraucht” und muss immer wieder zugeführt werden.

Antioxidanzien befinden sich in jeder Zelle, besonders zahlreich in Körperflüssigkeiten. Sie haben als „Verteidiger” ihre

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für akute oder chronische Krankheiten sein können, die eine ärztliche Behandlung erfordern.

Aufgaben. Es wird als Antioxidans nicht erst in der Zellmembran, sondern schon im Blut und in anderen Körperflüssigkeiten wirksam. Somit werden freie Radikale schon neutralisiert, bevor sie in die Zelle eindringen. Einige Wirkungen sollen erwähnt werden: Es ist ein natürliches Antibiotikum gegen Bakterien, Viren und Parasiten, baut Cholesterin und Triglyceride ab, stimuliert das Enzymsystem der Leber, stärkt das Immunsystem, ist notwendig für die Bildung von Neurotransmittern im Gehirn (zum Beispiel Serotonin) und hat antikanzerogene Eigenschaften. (Es verhindert beispielsweise die Bildung kanzerogener Nitrosamine im Verdauungstrakt. Es gibt Hinweise, dass Tumorzellen gehemmt und die Tumorentstehung frühzeitig blockiert wird.)

Wie dargestellt, sind alle Antioxidanzien in der Lage, freie Radikale zu neutralisieren. Aber jedes hat darüber hinaus noch spezifische Wirkungen. Das soll an einigen Beispielen erläutert werden: Das Vitamin E (Tocopherol) ist nicht nur unter anderem ein natürlicher Blutverdünner, vermindert die Thrombosegefahr, hat eine antientzündliche Wirkung, stabilisiert die Zellmembran, fördert den Fettstoffwechsel und das Nervensystem, sondern ist auch eines der wichtigsten fettlöslichen Antioxidanzien. Es wirkt mit als „Schutzpolizei” der Körperzellen. Ein Molekül Vitamin E schützt etwa 1000 Lipidmoleküle in der Zellwand vor Oxidation und somit vor freien Radikalen. Das ist nicht nur für eine mögliche Zellentartung (Krebs) von Bedeutung (Zellschutzvitamin). Der Verlust des überzähligen Elektrons wirkt sich nicht aus, weil es sofort durch das Vitamin C, das Selen und das Co-Enzym (Ubichinon) Q10 regeneriert. Das ist wichtig, weil schon dadurch ein Molekül Vitamin E etwa 100 freie Radikale neutralisieren kann. Es entfaltet seine größte Wirkung in Kombination mit Selen. Vitamin E kommt in mehreren verschiedenen Formen vor, die spezifisch wirken und somit die Qualität und die Wirksamkeit eines Präparates beeinflussen.

Das Co-Enzym (Ubichinon) Q10 ist ein Vitaminoid und ist an der Energieumwandlung in den Mitochondrien beteiligt, es erfüllt somit eine Schlüsselfunktion. Q10 ist ein Paradebeispiel dafür, wie kompliziert und gleichzeitig genial einfache Funktionsabläufe in unserem Körper ineinander greifen.

Beta- und Alpha-Carotin neutralisieren ein besonders gefährliches freies Radikal (Singulettsauerstoff), das vor allem unsere Augen, Lungen und die Haut beeinträchtigt. Diese Carotinoide wirken gut zusammen mit den Vitaminen C und E. Die Omega-3-Fettsäuren sind besonders reich in Meeresfischen vorhanden. In Pflanzenölen ist die Alpha-Linolensäure enthalten. Das weitgehende Fehlen von

Das Vitamin C (L-Ascorbinsäure) erfüllt als lebensnotwendiger Vitalstoff viele

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oft besser. Dafür werden die im Wein enthaltenen OPC verantwortlich gemacht. Sie schützen nicht nur vor freien Radikalen, sondern wirken auch positiv auf die Blutgefäße, den Fettstoffwechsel und wahrscheinlich auch antikanzerogen. Durch Zerbeißen der Traubenkerne kann man es freisetzen und nützen, es gibt aber auch schon Präparate. Diese Wirkungen werden noch unterstützt und ergänzt durch die Entdeckung des beispielsweise in Weintraubenschalen enthaltenen Resveratrol.

„Zivilisationskrankheiten” bei den Eskimos wird auch durch die reichliche Zufuhr von Omega 3 erklärt.

Polyphenole, Flavonoide, Anthocyane sind sekundäre Pflanzenstoffe und haben ein breites Wirkungsspektrum. Sie wirken antikanzerogen, antimikrobiell, anti­ödematös, entzündungshemmend und immunstärkend. Zum Beispiel enthält der Cistustee die achtfache Menge an Polyphenolen als der Grüntee und gilt als Geheimtipp gegen Zecken und die von ihnen übertragene Borreliose.

Es wurde versucht, einige, wenn auch nicht unwichtige Aspekte der biologischen Heilkunde im Rahmen der integrierten Medizin darzustellen. Dabei sollte deutlich werden, dass auch wir Menschen den Naturgesetzen und biologischen Kriterien unterliegen. Jede Abkehr oder Missachtung führt zu Schwierigkeiten. Nach Auffassung der biologischen Medizin gibt es keine isolierten Organerkrankungen, sondern nur kranke Organe in einem kranken Körper.

Es werden immer wieder neue Vital- und Wirkstoffe als Antioxidanzien beschrieben. So wurden zusätzlich zu den schon bekannten über 150 Wirk- und Vitalstoffen in der Kolostralmilch (Colostrum) der Rinder die Telomerase entdeckt, die nicht nur den Qualitätsverlust der Tochterzellen bei Zellteilungen verhindern und somit Alterungsprozesse merklich verzögern kann, sondern noch weitere positive Wirkungen hat, auch äußerlich.

Diese wissenschaftliche Leistung wurde mit dem Nobelpreis gewürdigt.

Wir streben nicht nur den mündigen Bürger, sondern auch damit den mündigen und aufgeklärten Patienten an. Dazu sind Wissen und unabhängige Informationen wichtig, auch über die Wirkungsweisen von Arzneimitteln.

Bedeutungsvoll war auch die Entdeckung der OPC (Oligomere Proanthocyanidine) als hochwirksame Antioxidanzien. Sie gehören zu den Flavonoiden, die besonders in vielen dunklen Früchten enthalten sind – zum Beispiel in Weintrauben – und ihren gesundheitlichen Wert mitbestimmen. Durch sie wird das „französische Paradoxon” erklärt. Franzosen ernähren sich biologisch nicht gesünder als andere Europäer, trotzdem ist ihre Gesundheit

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Die dargelegten Ausführungen richten sich nicht gegen alle Medikamente, streben aber eine sinnvolle Auswahl an.

Werten Sie auch diese kritisch, vergleichen Sie diese mit eigenen Erfahrungen und den Auffassungen anderer und ent-

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scheiden sich dafür, was aus Ihrer Sicht für Sie das Beste ist. Suchen Sie in Zweifelsfällen bei kompetenten Fachleuten Rat und Hilfe.

Groth, Ulrich: Entspannung und positive Selbstbeeinflussung. Reihe Gesund heits- und Ernährungsberatung, 3. Ausgabe (Gesundheitsbrief Nr. 21).

Selbstverlag Dr. Ulrich Groth, Greifs wald 2005.

Groth, Ulrich: Über Sinn und Unsinn von Diäten – Wege zu einer biologisch begründeten Gewichtsregulierung.

Reihe Gesundheits- und Ernährungs beratung (Gesundheitsbrief Nr. 92).

Selbstverlag Dr. Ulrich Groth, Greifs wald 2009.

Groth, Ulrich: Reihe Gesundheits- und Ernährungsberatung. 1. – 12. Ausgabe (Gesundheitsbrief 1 – 102), Selbst verlag Dr. Ulrich Groth, Greifswald 2004 – 2010.

Groth, Ulrich: Vitalstoffe helfen und heilen – Grundsätze und Empfehlun gen der Orthomolekularen Medizin.

Selbstverlag Dr. Ulrich Groth, Greifs wald 2010.

Groth, Ulrich: Gesund – harmlos – gefähr lich? Gesundheits- und Ernährungs irrtümer in kritischer Betrachtung aus Sicht der biologischen Medizin. Ma nuskript. Selbstverlag Dr. Ulrich Groth, Greifswald (Erscheinen geplant 2015).

Grunert, Peter: Wie wir uns vergiften.

Trias Verlag, Stuttgart 2009.

Hahn, Andreas: Nahrungsergänzungs mittel. Wissenschaftliche Verlagsge sellschaft mbH, Stuttgart 2006.

Hahn, Andreas – Alexander Ströhle – Maike Wolters: Ernährung. 2. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesell schaft mbH, Stuttgart 2006.

Heine, Hartmut: Lehrbuch der biologi schen Medizin. Hippokrates Verlag,

Die biologische Medizin entwickelt sich international rasant, was auch in der zunehmenden Zahl von wissenschaftlichen Publikationen und Ergebnissen zum Ausdruck kommt. Sie widmet sich besonders Schlüsselfragen, die oft Weichenstellungen sind. Die zum Beispiel zur Lösung des Krebsproblems eingeschlagenen Wege zeigen deutliche Erfolge.

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Coleman, Vernon: Wie Sie Ihren Arzt davon abhalten, Sie umzubringen.

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Federspiel, Krista – Vera Herbst: Die an dere Medizin. Stiftung Warentest, Berlin 1991.

Gröber, Uwe: Orthomolekulare Medizin.

Wissenschaftliche Verlagsgesell schaft mbH, Stuttgart 2000.

Gröber, Uwe: Micronutrients. Med. Pharm. Scientific Publishers. Wissen schaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2009.

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Stuttgart 1991.

Jänicke, Christof, Jörg Grünwald: Alter nativ heilen. Kopp Verlag, Rottenburg 2006.

Kroiss, Thomas: Heilung statt Pillen.

Naturmedizin von A – Z. Kopp Verlag, Rottenburg 2007.

Langbein, Kurt – Hans-Peter Martin – Hans Weiss: Bitere Pillen. Kiepen heuer & Witsch, Köln 2010.

Leistner, Eckhard – Sigmar-W. Breckle: Pharmazeutische Biologie kompakt.

7. Aufl., Wissenschaftliche Verlags gesellschaft mbH, Stuttgart 2008.

Neumayer, Petra: Natürliche Antibiotika.

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Oepern, Irmgard (Hrsg.): An den Grenzen der Schulmedizin. Deutscher Ärzte Verlag, Köln 1985.

Peuser, Michael: Kapillaren bestimmen unser Schicksal. 2. Aufl., Eigenverlag, Berlin 2002.

Reader‘s Digest (Redaktion: Joachim Wahnschaffe): Essen macht gesund.

Verlag Das Beste, Stuttgart, Zürich, Wien 2009.

Reader‘s Digest (Redaktion: Falko Spil ler): Vitamine, Mineralstoffe und Nah rungsergänzungsmittel. Verlag Das Beste, Stuttgart, Zürich, Wien 2011.

Reader‘s Digest (Redaktion: Anne Diener Steinherr): Das Neueste aus der Me dizin 2012/2013. Verlag Das Beste, Stuttgart, Zürich, Wien 2012.

Dto. 2013/2014. 2013.

Dto. 2014/2015. 2014.

Reader‘s Digest (Redaktion: Stephanie Winterkorn): Krebs – Vorbeugen und Bekämpfen. Verlag Das Beste, Stutt-

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gart, Zürich, Wien 2012.

Richberg, Inga-Maria (Hrsg.): Natürlich heilen. FID Verlag GmbH, Bonn 2008.

Schmiedel, Volker – Mathias Augustin (Hrsg.): Leitfaden Naturheilkunde. 5.

Aufl., Urban & Fischer, München 2008.

Vollborn, Marita – Vlad. Georgescu: Die Gesundheitsmafia. Wie wir als Pa tienten betrogen werden. Kopp Ver lag, Rottenburg 2005.

Walach, Harald: Weg mit den Pillen, Irisiana Verlag, München 2011.

Weiss, Hans: Korrupte Medizin. 2. Aufl., Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008.

Anschrift des Autors Dr. Ulrich Groth Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Ehemals: Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Universitätsmedizin Greifswald Labor für Zytodiagnostik Ferdinand-Sauerbruch-Straße 17489 Greifswald

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Vom Mikrokosmos zum Makrokosmos und zurück Hannelore Bernhardt und Manfred Knoke

Die Evolution des Menschen erfolgt als Koevolution mit seinen mikrobiellen Populationen. An den verschiedenen Siedlungsorten haben sich in der Phylogenese mikrobielle Ökosysteme herausgebildet, die sich in der Ontogenese stets aufs Neue entwickeln. Das Resultat dieser Koevolution ist die normale Besiedlung des Körpers, die wir heute als Eubiose definieren. Eine Störung des normalerweise herrschenden Gleichgewichts zeigt die Dysbiose. Es wurde geschätzt, dass sich auf der Haut des Menschen etwa 1012 Bakterien und im Magen-Darm-Kanal 1014 befinden, während die Gesamtzahl der Zellen des menschlichen Körpers mit 1013 angegeben wird. Bei der Geburt sind die verschiedenen Standorte des Menschen frei von Mikroorganismen. Schon unmittelbar nach der Geburt erfolgt ihre mikrobielle Besiedlung aus der Umgebung.

Standorte: Mundhöhle und Magen-Darm-Kanal Ein wichtiger Standort ist der MagenDarm-Kanal (Orogastrointestinaltrakt), dem unsere Forschungen gelten. Seine einzelnen Abschnitte weisen sehr unterschiedliche Milieubedingungen auf, die in einigen physikochemischen Charakteristika sogar extrem sind (Beispiel: Salzsäuregehalt des Magensaftes).

Am stärksten besiedelt sind die Mundhöhle und der Dickdarm, während das Vorkommen in den oberen Abschnitten des Gastrointestinaltrakts in der Regel nur spärlich ist. Die in den Nischen der Mundhöhle und in den unteren Abschnitten des Darmes zunehmende Anaerobiose bedingt gute Siedlungsmöglichkeiten sogar für streng sauerstoffempfindliche Mikroorganismen. So ergibt sich in den einzelnen Abschnitten eine unterschiedliche quantitative, aber auch qualitative Verteilung der Mikroflora. Ferner gibt es Unterschiede zwischen der luminalen und wandständigen Flora. Auch ist zu unterscheiden zwischen einer residenten und transienten Flora. Bei Ersterer sind die Mikroorganismen in einem bestimmten Ökosystem heimisch und die Voraussetzungen seitens des Ökosystems sind für ihr Vorkommen optimal. Transient kommen diese Mikroorganismen in einem Ökosystem nur zeitweise vor, wenn es das Nährstoffangebot und die jewei-

Mikroökologie In der Medizin wird die Lehre von den Beziehungen zwischen den Mikroorganismen und ihrer natürlichen Umwelt als Mikroökologie bezeichnet. Die Gesamtheit aller den Menschen besiedelnden Mikroorganismen findet sich als Mikrobiom. Es wird heute in den verschiedenen Biotopen (Standorten) mit modernen molekularbiologischen Methoden erfasst (Metagenomik).

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ligen Umweltbedingungen erlauben. Die Mikroflora ist zu zahlreichen Stoffwechselreaktionen in der Lage, wie beispielsweise Hydrolyse, Reduktion, Gärungen, Decarboxylierung, Spaltung heterozyklischer Ringe, Methanbildung, was bei Atemtests zur Diagnostik von Störungen der Zuckerabsorption ausgenutzt wird.

die die Siedlung exogener Mikroorganismen begrenzen oder verhindern.

Der Magen ist trotz des Vorkommens von Salzsäure meistens nicht steril. Nur bei etwa zehn Prozent der untersuchten gesunden Probanden konnten wir keine Mikroorganismen nachweisen. Die in den Magen gelangenden Mikroorganismen entstammen vor allem der Nahrung und der Mundhöhle. Die Umgebungsbedingungen wie Temperatur und Feuchtigkeit sind optimal. Die Schleimschicht gibt Schutz- und Haftmöglichkeiten und ist Nährstoffquelle. Die Höhe der im Magensaft gefundenen Keimzahlen ist in einem gewissen Bereich abhängig von seiner Azidität. So haben wir bei Magengesunden und -kranken einen deutlichen Unterschied für pH-Werte über und unter 3 festgestellt. Bei pH > 3 sind insgesamt höhere Keimzahlen und eine größere Keimmannigfaltigkeit zu registrieren. Am häufigsten werden Lactobacillus, Streptococcus sowie Candida isoliert. Mukosal sind auch Spirillen nachgewiesen worden. Zusätzlich fanden sich E. coli, Staphylococcus aureus und vereinzelt orale Bacteroides (Prevotella und Porphyromonas), die bei pH < 3 nicht vorkommen.

In der Mundhöhle besteht durch die Luft- und Nahrungsaufnahme eine ständige Konfrontation mit Mikroorganismen der Umwelt. Sie bietet für sie günstige Lebensbedingungen in zahlreichen Mikro­bio­topen und das oft vorhandene negative Redoxpotenzial ermöglicht die Ansiedlung von Anaerobiern in unterschiedlichem Ausmaß. Es werden auf der Zahnoberfläche Keimzahlen zwischen 1010 und 1011/ml und noch höhere in den Sulci erreicht. Die mikrobielle Plaque haftet auf Zahnoberflächen und ist eine Bakterienaggregation bestehend aus Mikroorganismen und eine organische Matrix, die als Hauptbestandteil von den Mikroorganismen gebildete Polysaccharide enthält. Die oralen Anaerobier zeichnen sich oft durch mikrobiologische Besonderheiten und ihre Artenvielfalt aus.

Einige regulierende Faktoren sind die Feuchtigkeit, Temperatur, das Redoxpotenzial/die Anaerobiose, pH-Wert, üppiges Nährstoffangebot, antimikrobielle Stoffe sowohl vom Makroorganismus als auch von den Mikroorganismen selbst und lokale Abwehrmechanismen wie Schleimbedeckung und Immunmechanismen. Wichtig sind auch intermikrobielle Beziehungen, Syn- und Antagonismen,

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Der Dünndarm mit seiner Länge von etwa drei Metern und mehr als 100 Quadratmetern resorbierender Oberfläche gibt Möglichkeiten für zahlreiche mikrobielle Biotope. Dazu gehören das Lumen, die Räume zwischen den Falten und Zotten, die Krypten und die Mikrovilli. Eine Reihe von keimregulierenden Faktoren einschließlich des raschen Transportes

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moderner mikrobiologischer Technik lassen sich pro Gramm Fäzes etwa ein- bis fünfmal 1011 Mikroorganismen in über 400 Arten anzüchten. Die am häufigsten vorkommenden Keime sind strenge Anaerobier, die über 98 Prozent ausmachen.

Als Hauptvertreter sind die gramnegativen sporenlosen Stäbchen (Bacteroides, Fusobacterium), die grampositiven sporenlosen Stäbchen, insbesondere Eubacterium und Bifidobacterium und mit Abstand die anaeroben Kokken anzusehen.

E. coli kommt nur in geringen Mengen vor. Relativ häufig, wenn auch normalerweise in geringer Zahl, werden Hefepilze gefunden. Mukosal kommen durch die lokalen Standortbedingungen mit einem genügenden Sauerstoffangebot infolge der Durchblutung etwa gleichviel Aerobier wie Anaerobier vor.

wird physiologischerweise wirksam und schränkt das Vorkommen von Mikroorganismen ein. Erst im distalen Ileum wird das Redoxpotenzial zunehmend mehr negativ, wodurch sich die Bedingungen für die Anaerobier erheblich verbessern.

Mit optimalen Entnahmeverfahren durch doppelläufige Sonden und spezieller mikrobiologischer Kulturtechnik haben wir im Duodenum von gesunden Probanden nur bei 16 Prozent keine Mikroorganismen nachgewiesen. Im oberen Dünndarm kamen am häufigsten vor Propionibacterium, Actinomyces, Eubacterium, Lactobacillus, vereinzelt orale Bacteroides (Prevotella und Porphyromonas) und Candida.

In den tieferen Dünndarmabschnitten vollzieht sich ein Wechsel der mikrobiellen Flora. Im Bereich des distalen Ileum steigt die Quantität der Anaerobier stark an und auch Coliforme treten in den Vordergrund.

Aufgaben der Mikroflora

Im Dickdarm ist der größte Teil der gastrointestinalen Mikroflora lokalisiert. Auf ihre Menge und Art wird bisher praktisch überwiegend aus Ergebnissen von zahlreichen Untersuchungen der Fäzes geschlossen. Die Verteilung im Colon ist jedoch regional unterschiedlich und hinzukommen noch Unterschiede zwischen der luminalen und wandständigen Flora.

Der Dickdarm bildet offensichtlich den optimalen mikrobiellen Standort beim Menschen, was durch die verschiedenen in ihm vorherrschenden Milieufaktoren bedingt ist. Der Transport erfolgt nur langsam und das Redoxpotenzial von unter rH -300 mV garantiert im Lumen streng anaerobe Bedingungen. Mit Hilfe

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Als wichtigste Aufgabe der Mikroflora wird die Induktion von körpereigenen Abwehrvorgängen und der Schutz des Wirts vor Infektionen angesehen. Im MagenDarm-Kanal findet sich das ausgedehnte GALT (Gut Associated Lymphoid Tissue).

Ferner wirkt die Mikroflora bei physiologischen Stoffwechselreaktionen.

Wachstum und Stoffwechselreaktionen von Mikroorganismenpopulationen und ihre Wechselwirkungen lassen sich unter kontrollierten Umweltverhältnissen mit Hilfe einer kontinuierlichen Kultur studieren. Die Kultivierung der Mikroorganismen erfolgt dabei in einer zu- und abgeführten

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Nährlösung unter aeroben oder anaeroben Bedingungen. In den entnommenen Proben lassen sich qualitative und quantitative Untersuchungen der Mikroorganismen und der verschiedenen Stoffwechselprodukte durchführen. Wir haben die Bildung von Biofilmen und Empfindlichkeitsänderungen auch in kleinen Kammern von nur 0,16 oder 7,7 ml Fassungsvermögen bei einer Flussrate von nur 1.3 ml h-1 untersucht. Kleine Flussraten entsprechen besser der in vivo-Situation und damit der klinischen Situation.

ges besondere Bedeutung gewonnen. Ein langfristiger Aufenthalt des Menschen in einer abgeschlossenen Kammer verbunden mit dem Stress eines Fluges führt zu wesentlichen Veränderungen der Mikroflora an den Standorten Haut, Respirationstrakt und Magen-Darm-Kanal. Als wichtigste Besonderheiten ließen sich eine Vereinfachung und Veränderung der Artenzusammensetzung sowie ein Transfer potenziell pathogener Mikroorganismen wie Clostridium, Escherichia coli, Lactobacillus und Hefen zwischen den Probanden feststellen. Bereits in der Phase der Flugvorbereitung zeigte sich eine Labilität der Mikroflora, die sich im Verlaufe des Fluges stärker ausprägte. So kam es schon zwei bis drei Tage vor dem Flug in den Fäzes zu einem Abfall von Bifidobacterium und Lactobacillus sowie zu einem leichten Anstieg der Aerobier vor allem von E. coli und der Enterobakterien. Diese Tendenz konnte nach dem Flug noch deutlicher nachgewiesen werden.

Jetzt wurde eine wesentliche Zunahme von bedingt pathogenen Enterobakterien und Clostridien festgestellt, während der Gehalt an Laktobazillen abgenommen hatte. Auf diesem Gebiet kam es zu unserer mehr als zehnjährigen Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizin-Biologische Probleme des Ministeriums für Gesundheitswesen der UdSSR, speziell K. V. Smirnov, dem leitenden Arzt von Juri Gagarin, und N. N. Lizko.

Die Gnotobiotik beschäftigt sich mit Makroorganismen, die keimfrei oder nur von Keimarten besiedelt sind, die dem Untersucher bekannt sind. Das Experiment des keimfreien Tieres hat trotz seines großen Aufwandes wesentliche Aussagen zur Bedeutung intakter mikrobieller Ökosysteme erlaubt. Es ist auch gelungen, den keimfreien Status auf den Menschen zu übertragen und Operationen und Geburten unter diesen Bedingungen durchzuführen.

Ein Kind mit angeborener Immundefizienz konnte über 14 Jahre weitgehend keimfrei aufgezogen werden, was sich aber nicht dauerhaft verwirklichen ließ und schließlich nach dem Ausschleusen aus dem Inkubatorsystem doch zu seinem Tod durch massive Infektion führte.

Vom Mikrokosmos zum Makrokosmos Mikroökologische Aspekte des isolierten begrenzten Raumes haben durch die Entwicklung des bemannten Weltraumflu-

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Entwicklung der Untersuchungstechnik

tenten Clostridium difficile – Infektionen wird derzeit untersucht. Die Einschätzung der humanen Mikroflora hat über die Untersuchung von Kosmonauten hinaus bis zu den nun möglichen Bestimmungen von Metagenomics auch neue Therapiemöglichkeiten eröffnet.

In der modernen Mikrobiologie werden heute nicht mehr einzelne Gattungen und Arten untersucht, sondern die Gesamtheit des Genoms wird erfasst. Damit ist man auch der Wirkung und Bedeutung der Mikroflora näher gekommen. Das menschliche Kernmikrobiom ist sowohl am Stoffwechsel als auch am Immunsystem beteiligt. Es werden von P. Bork et al.

(2011) drei Typen unterschieden: (1) der Bacteroides-Typ, für den die Biotinsynthese bedeutsam ist, (2) der PrevotellaTyp, der für die Thiaminversorgung wichtig ist, und (3) der Ruminococcus-Typ, bei dem die Hämbiosynthese beeinflusst wird. Es konnte nachgewiesen werden, dass das Mikrobiom eine aktive Verknüpfung mit dem menschlichen Stoffwechsel- und Immunsystem hat. Das Risiko für bestimmte Krebsformen wird vom Mikrobiom beeinflusst. Es hat auch einen Einfluss auf die rheumatoiden Arthritiden, die nekrotischen Enterocolitiden und das Reizdarmsyndrom. Eine Beeinflussung durch Probiotika scheint möglich. „Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die, wenn in ausreichender Menge verabreicht, dem Wirtsorganismus gesundheitlichen Nutzen bringen.“

Literatur Bernhardt H., Knoke M. (Hrsg.): Mikro ökologie des Magen-Darm-Kanals des Menschen. 1982; Johann Ambrosius Barth Verlag Leipzig.

Knoke M., Bernhardt H.: Mikroökologie des Menschen. 1986; Edition Medizin, VCH Weinheim, Deerfield Beach, Fl. Schloissnig S., Arumugam M., Sunagawa S. et al.:Genomic variation landscape of the human gut microbiome. 2013; Nature, 493: 45-50.

Schulze J., Sonnenborn U., Ölschläger T., Kruis W.: Probiotika. Mikroökologie, Mikrobiologie, Qualität, Sicherheit und gesundheitliche Effekte. 2008; Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York.

Autoren Prof. Dr. Hannelore Bernhardt Prof. Dr. Manfred Knoke Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Ehemals: Klinik für Innere Medizin A der Universitätsmedizin Greifswald Ferdinand-Sauerbruch-Straße 17475 Greifswald

Als weiterer Therapieansatz wird zur Zeit die Stuhltransplantation diskutiert. Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen scheint die Verabreichung von Stuhlbestandteilen gesunder Probanden eine gewisse Wirksamkeit zu zeigen. Auch eine Beeinflussung von therapieresis-

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Schlusswort Ein aktueller Beitrag Klaus-Dieter Rosenbaum Die Hochschullehrer im Ruhestand unse­ rer Gemeinschaft, laut Landes­ hoch­ schulgesetz des Landes MecklenburgVorpommern (LHG) Angehörige der Universität, sehen sich auch in der Verantwortung, die Universität in allen Bestrebungen, die ihrem Fortbestand und ihrer Weiterentwicklung dienen, öffentlichkeitswirksam zu unterstützen. Sie brachten ihren Willen dazu auf der Homepage der Universität in einer Erklärung zur Finanzierungskrise der Universitäten unseres Landes zum Ausdruck. Der angespannten Situation angemessen, soll auch hier auf die wesentlichen Inhalte der Erklärung zur prekären Finanzierungssituation verwiesen werden:

begleiten und durch unterstützende Forderungen zur Seite zu stehen. Die­ jenigen Professoren, die nach der Evalu­ ierung zu Professoren neuen Rechts wurden, haben sich nach 1990 durch ihren unermüdlichen persönlichen Einsatz in den neugegründeten Länderstrukturen mit nachhaltigen Wirkungen gegen den Abbau der beiden Universitäten oder gegen die Schließung einzelner Fakultäten gewehrt. Sie übernahmen über die Selbstverwaltung hinaus Auf­ gaben einer Verhandlungsdiplomatie mit den entsprechenden Minis­terien sowie dem Wissen­schafts­rat, interve­nier­ten und stritten um mach­bare Lösun­gen zum Univer­­ sitätserhalt auch unter den auf sie zukommenden neuen Wett­bewerbs­ bedingungen. Es wurde dann mehr und mehr eine nachhaltige Ent­wicklung unserer Universität zur kon­kurrenz­fähigen Uni­ ver­sität sichtbar und neue Professoren konnten berufen werden.

„Die Universitäten des Landes sind in Sorge um ihren Erhalt der jetzigen Strukturen und um die Fortsetzung der Erfolge in Forschung und Lehre als Folge einer unzureichenden Finanzierung. Die Gemeinschaft von Hochschullehrern i. R. der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifs­wald e. V. sieht sich somit auch in der Pflicht, die Offenen Briefe der Uni­ ver­sitäten des Landes, die öffent­lichen vor­ Aufrufe der Rektorin, der Senats­ sitzenden und des Allgemeinen Stu­die­ ren­den­ausschusses unserer Univer­sität ver­ sitäts- und Hanse­ sowie der Uni­ stadt Greifs­ wald um eine ausreichen­ de Finanzierung unserer Universität zu

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Wenn dieser Leistungsstand der Universität, der auch für unsere strukturschwache Region von außerordentlicher Bedeutung ist, durch drohende Finanzierungskrisen der Universitäten als Folge der verabschiedeten Landtags­ beschlüsse zum Landeshaushalt gefährdet wird und diese Gefährdung auch noch durch recht undurchsichtige und widerspruchsvolle Begründungen seitens des Bildungsministeriums und sei81

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vorgesehen sind. Wir sehen darin erste Reaktionen auf die Proteste gegen die prekäre Finanzsituation der Hochschulen.

nes Ministers unterlegt werden, dann ist es höchstes Gebot, die Gremien der Universität, die sich im aktiven Dienst befindenden Hochschullehrer und wissenschaftlichen Mitarbeiter sowie die an der Universität immatrikulierten Stu­ denten in ihren Forderungen nach einer dringend notwendigen Finanzierung der Hochschule für steigende Sachkosten und strukturelle Defizite zu unterstützen.

Wir fühlen uns als Mitgestaltende des neuen universitären Bildungssystems pflich­ tet, die Feststellung des Aka­ ver­ de­­ mischen Senats auf die drohenden quenzen der Finanzierungskrise Konse­ auf­zu­nehmen und die Verantwortlichen fordern, die nach 1990 begonneaufzu­ ne Entwicklung der Universität nicht zu gefährden. Wir wenden uns im Sinne dieses Schreibens an den zuständigen Bildungs- und Wissenschaftsminister, seine Interpretation und Handlungsweise zu überdenken und werden Rechen­ schafts­­legung einfordern. Die Erklärung wurde am 17. Dezember 2013 durch die Mitglieder der Gemeinschaft beschlossen.“

Im April 2014 folgte die Rek­to­rin unserer Universität, Prof. Dr. Johanna Eleonore Weber, einer Einladung der Gemein­ schaft. In ihrem Vor­ trag „Diskussion aktueller Probleme der Ernst-Moritzsität Greifswald“ verwies Arndt-Univer­ sie auf den unbestrittenen Erhalt der Universität Greifswald und die bedeutsame Entwicklung der Universität in der Ausbreitung auf zusätzliche Lehrfächer einschließlich der benötigten Hochschulneubauten, die enorme Entwicklung der Forschungsleistungen unter breiter Einwerbung von Drittmit­ teln und die sprunghafte Zunahme von Studierenden. Sie wies aber auch auf Korrekturen und Anpassungen in der Lehrfächerbreite sowie ebenfalls auf die prekäre finanzielle Situation der Universität in dem Spagat zwischen Unterhalt der Universität und den zugewiesenen Landesmitteln hin. In der Diskussion erklärten wir den Erhalt und die Bewahrung akademischer Tra­ di­ tio­­ nen unserer Universität zu den Kernstücken unserer Arbeit.

Diese Erklärung unserer Gemeinschaft wurde der Präsidentin des Landtages und dem zuständigen Bildungsminister überreicht. Die Präsidentin des Landtages leitete sie an den Petitionsausschuss weiter. Der Minister hat bisher nicht geantwortet. Aber durch die Zusage des Bundes, die Finanzierung des BAföG zu übernehmen wurden zusätzliche Mittel in den Ländern frei, die im Bildungsbereich verbleiben sollen und für strukturelle Verbesserungen an den Hochschulen

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Wir wollen das kulturelle Erbe der 1456 als „Pommersche Landesuniversität“ gegründeten Universität Greifswald im Sinne einer gezielten Traditionspflege bis hin in die Gegenwart wach halten.

Dies zeigte sich auch in unserem öffentlichen Bekenntnis für die Beibehaltung des Namens Ernst-Moritz-Arndt- Universität Greifswald unter Bezug auf das über82

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wiegend positive wegweisende Wirken des Namensgebers für unsere Region.

In diesem Sinne ist auch unsere jüngste Erklärung zur Finanzierungskrise der Universität, siehe oben, zu verstehen. Wir verwiesen auf die Aufrechterhaltung der Lebensgrundlagen unserer Universität, nämlich auch auf eine ausreichende finanzielle Ausstattung.

Unterschiedliche Lehrpläne und Abitur­ verfahren erschweren das Studium, weil nach unterschiedlicher Ausbildung gleiche Voraussetzungen für das Studium nicht gegeben sind und oft das notwendige Grundwissen des Studienanfängers fehlt. Als Folge ringt nun eine nicht verfassungsmäßig vorgesehene Kultus­ ministerkonferenz (KMK) um die Uni­ ver­sitätsfinanzierung sowie um ein einheitliches Zentralabitur und einheitliche Lehrpläne. Die KMK wäre unnötig, wenn das Bundesbildungsministerium die nötigen exekutiven Kompetenzen hätte.

Durch die Föderalismusreform wurde die Bildungshoheit an die Bundesländer übergeben. „Sie wurde 2006 beschlossen mit dem Ziel, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Ländern zu verbessern“. Wir müssen aber aus den aktuellen Diskussionen um die Finanzierbarkeit erkennen, dass diese durch die Reform eingeleitete Übertragung solcher Aufgaben an die Bundesländer in unserem Bundesland nicht gelungen zu sein scheint. Offenbar hat unser Bundesland Schwierigkeiten in der Finanzierung von steigenden Sachkosten und im Ausgleich struktureller Defizite an unseren Hochschulen.

Auch diese über den Hochschulpakt hinausgehenden Mittel müssten im Sinne der Föderalismusreform von den Ländern aufgebracht werden, denn im Vordergrund der Reform stand die Absicht, den Wettbewerb zwischen den Universitäten zu stärken. Aber das Ziel eines erfolgreichen Wettbewerbes zwischen den (armen und reichen) Universitäten aller Bundesländer erwies sich als unrealistisch, was der angemeldete Bedarf an zusätzlichen Mitteln zum Ausdruck bringt. Das gilt auch für die Ausbildung der Studienanwärter.

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Die Defizite und mangelnden Kompe­ tenzen werden nun durch überregionale bil­ Forschungsfinanzierungen und Aus­ dungsprojekte ausgeglichen. Dies führt zu einer unverhältnis­mäßig auf­wen­digen Bürokratie, und es mussten sogar Auf­ gaben der Länder aus deren Kompetenz wieder herausgelöst werden, weil die Länder ihre Aufgaben nicht erfüllen konnpro­jekte wie die ten. Neue Forschungs­ Exzellenzinitiative, der Hochschulpakt und der Pakt für Forschung und Inno­ vation sowie der Qualitätspakt Lehre wurden geschaffen und leiten als wichtigste Strukturmaßnahmen von Bund und Ländern die Aufgaben zur Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre wieder an den Bund zurück.

• Die Exzellenzinitiative umfasst ins gesamt drei Förderstrukturen: Graduiertenschule, Exzellenzcluster (Förderprogramm einer wissenschaft lichen Forschung zu einem umfassen den Themenkomplex an einem Stand83

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ort) sowie Zukunftsprojekte.

• Der Hochschulpakt, eigentlich Hoch schulpakt 2020, ist eine Verwal tungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern für zusätzliche Mittel in den Ausbau von Studienmöglichkei ten als Antwort auf eine steigende Studiennachfrage. Der Hochschul pakt I hatte eine Laufzeit von 2007 bis 2010 (3,2 Milliarden Euro) und der Hochschulpakt II (Aufstockung bis 7 Milliarden Euro) eine Laufzeit von 2011 bis 2015.

• Der Pakt für Forschung und Innovation zwischen Bund und Ländern verfolgt das Ziel, die Wettbewerbstätigkeit der deutschen Forschung durch eine bessere Vernetzung über Organisationsgrenzen hinweg zu stär ken. Partner aus der Wissenschaft sind die Fraunhofer Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

die Finanzierungskompetenzen für die wissenschaftliche Großforschung wie Luftfahrt-, Weltraum-, Meeres- und Kernforschung sowie für internationale Forschungseinrichtungen. Das institu­ tionelle Zusammenwirken geschieht über eine Gemein­same Wissenschafts­ konferenz (GWK) der Ministerien aus Wissenschaft, Forschung und Finanzen sowie über ein Beratungsgremium des Wissenschaftsrates.

Ein Beschluss der Gemeinsamen Wis­ senschaftskonferenz des Bundes und der Länder vom 18. Februar 2008 war die Ernennung der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina zur Nationalen Akademie der Wissenschaften am 14.

Juli 2008. Mit Sicherheit ein denkwürdiger Tag für eine Nationale Wissenschaft.

Mit dieser Ernennung übernahm die „Leopoldina“ offiziell die Vertretung deutscher Wissenschaftler in den internationalen Gremien und befreite sich aus der Ländergebundenheit.

Der Bund hat sich weitere Förde­rungs­ maßnahmen vorbehalten und sieht dabei die Forschung als eine gemeinsame Aufgabe von Staat und Gemeinschaft.

Eine international wettbewerbsfähige Forschung und der in Art. 5 Abs. 3 GG verbürgte Freiraum bedürfen finanzieller Rahmenbedingungen. „Bund und Länder können überregional zusam­ men­arbeiten bei der Förderung von Ein­ rich­ tungen und Vorhaben der wissen­ schaftlichen Forschung außer­ halb der schulen sowie bei Forschungs­ Hoch­ bauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten.“ Der Bund hat auch

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rahmen­ Das ursprüngliche Hochschul­ gesetz (HRG) bedurfte als Rahmengesetz einer besseren Ausstattung. Rahmen­ gesetze sind Bundesgesetze, die nur die wesentlichen Grundzüge regeln und die Detailregelungen den Ländern über­ ließen. Die Rahmengesetzgebung war bis zur Föderalismusreform in Art. 75 GG vorgesehen. Mit Inkrafttreten der Födera­ lismusreform am 1. September 2006 sind die Inhalte teils in die ausschließliche oder konkurrierende Gesetzgebung des Bundes und teils der Länder überführt worden.

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Literatur

Die Ausführung dieser Anliegen war offenbar schwierig. Es gab sieben No­vel­ lierungen, die letzte Änderung erfolg­te am 12. April 2007. Die endgültige Absicht der Abschaffung des HRG wurde am 26.

Oktober 2009 festgelegt, aber es verblieben weiterhin Regelungen durch das HRG bestehen wie die Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse, das Befris­ tungsrecht sowie die schon erwähnten Auf­gaben: Gemein­same Forschungs­ förderung mit Finanzhilfen des Bundes und die Finanzierung von Hochschul­ bauten und Groß­geräte für Forschungs­ zwecke von Bund und Ländern.

Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Medieninformation, 14.11.2013, Presse- und Informationsstelle: Gemeinsame Erklärung der Univer sitäten Rostock und Greifswald zur Hochschulfinanzierung. https://idw online.de/de/news561359 Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Medieninformation, 18.12.2013, Presse- und Informationsstelle: Universität Greifswald handelt und sichert vorläufig Nachwuchs­wis­sen­ schaftlerstellen. https://idw-online. de/de/news567150 Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Medieninformation, 21.05.2014, Presse- und Informationsstelle: Zur Finanzsituation der Universität Greifswald. http://www.uni-greifs wald.de/informieren/pressestelle/ presseinformationen.html Offene Briefe zum Haushaltsdefizit der Universität an die Landesminister und den Ministerpräsidenten, Allgemeiner Stu­dierendenausschuss der Universi tät Greifswald, 26.11.2013, http:// www.asta-greifswald.de/offener brief-zum-haushaltsdefizit-der-univer sitat-an-die-landesminister-und-den ministerprasident/ Gemeinsame Pressemitteilung der Hoch schulen des Landes Mecklenburg Vorpommern, 27.06.2014, https:// www.idw-online.de/de/news593697 Kooperationsmöglichkeiten von Bund und Ländern in der Wissenschaft, Bundes­ ministerium für Bil­dung und Forschung, 2013, http://www.bmbf.de/de/17975.

Die vielfältigen neuen organisatorischen Strukturen nach Aufhebung des Hochschulrahmengesetzes und die dadurch bedingte Überleitung von mannigfaltigen Aufgaben an die Länder waren und werden weiterhin Gegenstand heftiger Kritik und vieler Bedenken sein. Es fehlt in diesem Geflecht von Vereinbarungen und Verträgen zwischen Bund und Ländern eine von den Ländern unabhängige gesetzlich geregelte Einflussnahme des Bundesbildungsministeriums. Damit würde auch den kleinen traditionsreichen und kulturell bedeutsamen Universtäten, die gerne von Studenten wegen eines günstigen Betreuuungsverhältnisses zwi­ schen Stu­die­renden und Lehr­kräften auf­ gesucht werden, die Wahr­nehmung ihrer Aufgaben in Lehre und Forschung auf der lage ständig verbesserter Struk­ Grund­ turen erleichtert.

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Autor Prof. Dr. Klaus-Dieter Rosenbaum 1. Vorsitzender der Gemeinschaft Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Ehemals: Abteilung für Experimentelle Biophysik der Medizinischen Fakultät Universitätsmedizin Ferdinand-Sauerbruch-Straße 17475 Greifswald

php Ein starkes Signal für Bildung und For-­ schung in Deutschland, Bundes­mi­nis­ te­ri­um für Bil­dung und For­schung, 2013, http://www.bmbf.de/archiv/ newsletter/de/13683.php Aufhebung des Hochschul­rahmen­geset­ zes, Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2014, http://bmbf.de/ de/8680.php Hochschulpakt 2020 für zusätzliche Studienplätze, Bundes­minis­terium für Bil­dung und Forschung, 2014, http:// bmbf.de/de/6142.php Exzellenzinitiative für Spitzenforschung, Bundesministerium für Bildung und For­ schung, 2014, http://bmbf.de/ de/1321.php Pakt für Forschung und Innovation, Bun­ des­ministerium für Bildung und For­ schung, 2014, http://bmbf.de/de/ 3215.php Hochschulrahmengesetz (HRG), 19.01.1999, zuletzt geändert am 12.04.2007, 2013, http://www.bmbf.de/pubRD/ HRG_20070418.pdf, Föderalismusreform und Hochschulen, Gewerkschaft Erziehung und Wissen­ schaft (GEW), http://www.gew.de/ foederalismusreform_und_hochschu len.html Auswirkungen der Föderalismusreform auf Wissenschaft und Forschung, Deut­sche Forschungsgemeinschaft (DFG), 2006, www.dfg.de Politik und Zeitgeschichte, Bundesrat und Föderalismusreform, 2014, http://www. crp-infotec.de/01deu/system/bundes rat.html

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ISBN 978-3-86006-413-9 Herausgeberin Prof. Dr. Johanna Eleonore Weber Rektorin der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Redaktion Prof. Dr. Klaus-Dieter Rosenbaum Vorsitzender der Gemeinschaft von Hochschullehrern i. R. der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald e. V. Redaktion/Satz Sabine Köditz, Presse- und Informationsstelle der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Titelfoto Jan Meßerschmidt, Leiter der Presse- und Informationsstelle der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Grafische Konzeption dpc – digital print copy, Greifswald Herstellung Hoffmann-Druck GmbH, Wolgast Kontaktadresse Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Presse- und Informationsstelle Domstraße 11 17489 Greifswald Telefon +49 3834 86-1150 pressestelle@uni-greifswald.de www.uni-greifswald.de