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Wie Zahnimplantate erfolgreich einheilen
An der Universitätszahnklinik Wien wird an der optimalen Implantatoberfläche für die Heilung von Knochen und Weichgewebe rund um das Implantat geforscht.
Der Langzeiterfolg von Zahnimplantaten hängt von zahlreichen Faktoren ab. Zunächst muss das Implantat vom Körper der Patientin/des Patienten akzeptiert werden und sich in verschiedene Gewebe integrieren können. Anschließend muss zum einen das Implantat einen engen Kontakt mit dem Knochen herstellen, der sogenannten Osseointegration. Zum anderen spielt die Bildung von Weichgewebe rund um das Zahnimplantat eine wichtige Rolle, da es als biologische Barriere fungiert und somit die Funktion des Schutzes vor Implantatverlust hat.
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Interaktion zwischen Zelltypen
Die Osseointegration und Weichgewebeheilung rund um das Zahnimplantat sind äußerst komplexe Prozesse. Sie sind gekennzeichnet durch eine faszinierende Interaktion zwischen verschiedenen Zelltypen wie Stammzellen, knochenbildenden Osteoblasten und Zellen des Immunsystems. All diese Zellen kommen in Kontakt mit der Oberfläche des Zahnimplantats. Die Struktur der Implantatoberfläche muss dabei so gestaltet sein, dass sich die Zellen auf ihr wohlfühlen. Eine Oberfläche zu finden, die allen Zelltypen gerecht wird, ist eine ausgesprochen schwierige Aufgabe. Aus diesem Grund werden Implantatmaterialien und -oberflächen immer wieder weiterentwickelt, um die bestmögliche Einheilung des Zahnimplantats zu gewährleisten. Heutzutage bestehen die meisten Zahnimplantate aus Titan, da es keine überschüssige Immunreaktion im Gewebe auslöst und in der Lage ist, mit dem Knochen zu fusionieren. In den letzten Jahren steigt jedoch das Interesse an Keramikimplantaten, die gerade aus ästhetischer Sicht als wertvolle Alternative zu Implantaten aus Titan angesehen werden.
Optimale Oberfläche
Die Forschungsgruppe rund um Assoz. Prof. Dr. Oleh Andrukhov hat sich zum Ziel gesetzt, die optimale Implantatoberfläche für die Heilung von Knochen und Weichgewebe rund um das Implantat zu finden. So wurden in enger Kooperation mit den ExpertInnen des StraumannInstituts bereits mehrere Forschungsprojekte durchgeführt, die durch die ITI Foundation unterstützt wurden. In den Projekten wurden verschiedene Zellen von extrahierten Zähnen isoliert und auf Implantatoberflächen kultiviert, die ihnen vom Straumann-Institut zur Verfügung gestellt wurden. Dabei wurden sowohl
Auf verschiedenen Oberflächen gewachsene Zellen werden mit Fluoreszenzfarbstoffen visualisiert und unter dem modernen Mikroskop beobachtet.
Implantate aus Titan als auch aus Keramik getestet. Die Oberflächen wurden zuvor in verschiedener Art und Weise bearbeitet und wiesen somit eine unterschiedliche Rauigkeit auf. Darüber hinaus unterschieden sich die Implantatoberflächen in ihrer Hydrophilität, also ihrer Fähigkeit, Feuchtigkeit anzuziehen. Es wurde untersucht, wie die Zellen auf den unterschiedlichen Oberflächen wachsen und reifen. Die Resultate dieser Studien helfen dabei, eine Vorhersage zu treffen, ob diese Implantatoberflächen für den Einsatz bei PatientInnen geeignet sind.
Im Zuge der Forschungsprojekte konnte gezeigt werden, dass eine Implantatoberfläche mit moderater Rauigkeit und hoher Hydrophilität die optimale Wahl für die Osseointegration darstellt. Eine grobe und schwammartige Oberfläche ahmt die Rauigkeit des natürlichen Knochens nach und regt Stammzellen dazu an, sich in knochenbildende Zellen umzuwandeln. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass Titanimplantate nur einen gewissen Grad an Oberflächenrauigkeit aufweisen dürfen, um eine optimale Unterstützung für die Knochenheilung zu bieten. Um die Knochenbildung anzuregen, sollten demnach weder zu glatte noch zu raue Oberflächen verwendet werden.

Bildung von Weichgewebe
Interessanterweise konnte bisher nicht
Die Zellkultur ist eine wichtige Technik, um die Reaktion der Zellen auf verschiedene Implantatoberflächen zu verstehen.
geklärt werden, welche Implantatoberfläche am besten für die Bildung von Weichgewebe geeignet ist. Um diese Prozesse zu verstehen, wurden verschiedene Zellarten untersucht, die im Weichgewebe vorgefunden werden. Auch hier wurden die Zellen auf Titan- und Keramikimplantatoberflächen mit unterschiedlichen Modifikationen kultiviert. Überraschenderweise konnte in dieser Studie gezeigt werden, dass nicht nur die Rauigkeit und die Hydrophilität von Bedeutung für die Weichgewebeheilung sind, sondern auch das Material selbst eine entscheidende Rolle spielt. Demnach mögen Zellen aus dem Zahnfleisch den Kontakt zu Keramikoberflächen mehr als zu solchen aus Titan. Insbesondere konnten deutliche Unterschiede in der Entzündungsreaktion der Zellen gefunden werden, welche auf der Keramikoberfläche deutlich geringer ausfiel.
Derzeit wird erforscht, ob hydrophile Keramikoberflächen die Heilung des Weichgewebes fördern können. Dieses Projekt leistet weltweit gerade Pionierarbeit. •
Zur Person
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Oleh Andrukhov Competence Center for Periodontal Research Universitätszahnklinik Wien
Zahnlücken versorgen
Orale Krankheiten wie Karies und Zahnfleischerkrankungen sind weitverbreitet und können in schweren Fällen zum Zahnverlust führen. Die dadurch entstehenden Zahnlücken wurden früher hauptsächlich mithilfe von Brücken oder Prothesen versorgt. Der Ersatz von Zähnen mittels Zahnimplantaten wurde etwa in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeführt und gilt als eine der größten Innovationen in der Zahnmedizin.