Aufbruch in die Moderne? Paul Schad-Rossa und die Kunst in Graz

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Die „Grazer Zeitkunst“ und das Plakat Gebrauchsgrafik um 1900 ­ Eva Klein

1 Steiermärkischer Kunstverein, Plakat zur 86. Ausstellung, 1898, Stmk. Landesarchiv Graz

2 Ausstellungsplakat, 1898, Stmk. Landesarchiv Graz 1 Vgl. Kat. 86. Kunstausstellung des Steiermärkischen Kunstvereins, Graz 1898, S. 2. 2 Vgl. ebda., S. 1. 3 Vgl. Inge Woiset­ schläge­r, Jugendstilplakate, hg. v. d. Abteilung für Kunstgewerbe am Landesmuseum Joanneum, Graz 1985, S. 3.

Am 8. Dezember 1898 präsentiert der Steiermärkische Kunstverein dem Grazer Publikum seine 86. Kunstausstellung, die „neben zahlreichen Kunstwerken verschiedener Herkunft“ eine Schwerpunktschau zeitgenössischer Münchner Kunst bringt. Gezeigt werden „77 Bilder moderner Münchner Meister […] der dortigen drei Künstlergruppen (Genossenschaft, Secession und Luitpoldgruppe)“, für deren Auswahl sich der Maler Kunz Meyer aus München verantwortlich zeigt.1 Erklärtes Ziel der Schau sowie des Vereines ist es, „die bildenden Künste zu fördern, den Sinn für dieselben zu erwecken und zu pflegen“, wobei „den Anforderungen der Zeit Rechnung“2 zu tragen sei. Diese Haltung spiegelt sich auch in der Gestaltung des Plakatentwurfs von Theodor Stundl wider, die sich deutlich von der, in Graz über Jahrhunderte etablierten, textlastigen abhebt. Das Künstlerplakat verleiht dem Bildlichen im Plakat eine neue Qualität, nimmt die in der Schau gezeigten stilistischen Neuerungen auf und repräsentiert diese im urbanen öffentlichen Raum der steirischen Landeshauptstadt. (Abb. 1) Bereits im selben Jahr findet in der Abteilung für Kunstgewerbe am Landesmuseum Joanneum eine Plakatausstellung statt, die der steirischen Landeshauptstadt eine internationale Bandbreite an aktueller Plakatkunst näherbringt, indem Exemplare aus Amerika, Japan, Belgien, Frankreich, Deutschland und Österreich zur Schau gestellt werden. Das einzige bis dato auffindbare Plakat, das diese Ausstellung ankündigt, ist ein einfaches Schriftplakat.3 (Abb. 2) Zahlreiche Modernisierungsmaßnahmen in Graz, wie die Umstrukturierung des Steiermärkischen Kunstvereins, der ab 1900 unter der Leitung des Moderne-affinen Archäologen Wilhelm Gurlitt steht, sowie die Neuerungen innerhalb des Landesmuseums Joanneum, die Gründung der Kunsthistorischen Gesellschaft und die Modernisierung der Zeichenakademie in Graz mit der Einrichtung einer Meisterklasse für Malerei unter Alfred von Schrötter-Kristelli, leiten eine fruchtbare Zeit der modernen Kunst in Graz ein, welche hier mit dem Begriff „Grazer Zeitkunst“ bezeichnet wird. Dieser Terminus beschreibt die nahezu in Vergessenheit geratene erste Modernebewegung in der Kunst und Gebrauchskunst in Graz um 1900. Er leitet sich von der Kunstreflexion um 1900 selbst ab und wird zum Beispiel auch in der Zeitschrift Grazer Kunst aus dem Jahr 1901, die sich als „erste öffentliche Tat des Grazer Künstlerbundes“ versteht, im einleitenden Text von Adalbert Drasenovich unter dem Titel Auf den Weg als solche deklariert. Die „Grazer Zeitkunst“ wird aus zeitgenössischer Sicht als „modern“ und vor allem als „authentisch“ empfunden und weist eine neue, bislang in Graz in dieser Form als nicht vorhanden wahrgenommene Qualität in der Kunst und


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