54 — 55 Gudrun Danzer
Dora Wibiral“, das ist vermutlich die Tochter des oben erwähnten Franz Wibiral; das Aquarell mit Buntstiftzeichnung Aus dem Paradies am Inn gehörte Adalbert von Drasenovich, und das Pastell eines weiblichen Aktes (Abb. S. 112), das wir in der Ausstellung zeigen, war vermutlich die Nr. 64 der Ausstellung vom Herbst 1900 – es trägt rückseitig die Eigentumsbezeichnung „Emil Ertl.“ Paul Schad-Rossa als Lehrer
27 Brief Paul Schad-Rossa an Wilhelm Gurlitt, Graz, 31.01.1902, Universitätsarchiv Graz
111 Laut einem Stempel auf zwei Briefen von Schad-Rossa an Wilhelm Gurlitt vom 31.01. und vom 7.02.1902 im Univer sitätsarchiv Graz. 112 Drasenovich, Auf den Weg, S. 3. Mit der alten „Historienschule“ ist die Abteilung für Historienmalerei an der Zeichenakademie gemeint, die damals noch von Heinrich Schwach geleitet wurde und nach dessen Tod 1902 von Ludwig Kainzbauer übernommen wurde. 113 Aus dem Katalog zur Ausstellung des Grazer Künstlerbundes von 1901 kann auf folgende Grazer Schüler/innen geschlossen werden: Rosa Brühl, Emilie von Halavanya, Béla Konrad, Hermine von Lattermann, Marie von Liel, Alice Loymer, Franz Mikschowsky, Marie von Schwarzbeck, Irma von Schwingenschlögel, Konrad von Supanchich, Hermann Zeillinger. 114 Brief Schad-Rossa an Gurlitt, 03.11.1901, Universitätsarchiv Graz. Dieser Schüler war vermutlich Hermann KnottnerusMeyer, der 1900 und 1901 mit Schad-Rossa und seinen Schülern in Graz ausstellte und vermutlich auch den Kontakt zwischen ihm und Hermann Löns herstellte.
Schad-Rossa hatte seit 1895 in München eine sogenannte „Damenkunstschule“ betrieben und widmete sich auch in Graz der Ausbildung junger Künstler/innen. Seine Schule konnte in offiziellen Veröffentlichungen wie dem Grazer Adressbuch nicht nachgewiesen werden, doch lässt sich die Existenz der Schule wie der Name einiger Schüler/innen aus den Ausstellungskatalogen, diversen Zeitungsberichten und der Korrespondenz erschließen. Erstmals ist davon in dem oben schon erwähnten Brief von Ubell an Bahr vom Herbst 1900 (Abb. 26) die Rede, dort heißt es: „Schad ist ein großzügiger und temperamentvoller decorativer Stilist […], der im Begriff der einen Kunst lebt u. hier in Graz eine große Kunstwerkstatt aufthun will, in der die Lehrlinge zur lebendigen Erkenntnis erzogen werden sollen, daß der Bau eines Palastes und der Bau einer Hose unter einen Begriff fallen. Da werden Schreiner- und Schlosserlehrling, Architekt und Kunsthistoriker nebeneinander Act zeichnen und Pflanzenmotive stilisieren lernen, und Villen sollen entstehen, in denen auch der letzte Thürnagelkopf noch das Evangelium der neuen einheitlichen Kunst predigen soll.“ Schad-Rossas Vorstellungen einer Kunstschule, wie sie hier beschrieben sind, folgen den romantischen Vorstellungen der Jahrhundertwende nach dem Zusammenwirken aller Künste in der Durchdringung von Kunst und Leben. Zukunftsweisend erscheinen sie, wenn man an die durchaus ähnlichen Ideale denkt, aus denen heraus 1919 das Bauhaus in Weimar gegründet wurde und welch weitreichende internationale Wirkungen dieses erzielen konnte – allerdings war diesem ein fundamental anderer Modernebegriff zugrunde gelegt. Gleichzeitig kommt in den Zeilen des Briefes das schwärmerische Wesen Schad-Rossas zum Ausdruck, dessen Pläne und Vorstellungen über das dann tatsächlich Erreichbare weit hinausgingen. Wahrscheinlich hat er die Schule mit der Bezeichnung „Grazer Kunst-Schule und Werkstätten für decorative Kunst“ in der Bürgergasse 2111 (Abb. 27) bald nach seiner Ankunft im Herbst 1900 gegründet. Wie oben erwähnt, waren ihm ja einige Schüler/ innen von München gefolgt und seine erste Ausstellung in Graz „führte [ihm] die meisten Schüler der alten ‚Historienschule‘ zu“, wie Drasenovich in der Einleitung zur Grazer Kunst schreibt.112 Der Katalog der ersten Ausstellung des Grazer Künstlerbundes vom Herbst 1901 führt 16 Namen als Mitglieder der „Malschule Schad-Rossa“ auf – letztlich dürfte er sich in seinem Unterricht also doch in erster Linie auf die Malerei konzentriert haben. Der hohe Frauenanteil lässt darauf schließen, dass sich besonders viele der „malenden Damen“, wie sie in Ausstellungskritiken oft leicht pejorativ bezeichnet werden, von der Schule Schad-Rossas angezogen fühlten.113 Der Ruf der Schule muss sich bald weit über Graz hinaus verbreitet haben, denn im November 1901 schreibt Schad-Rossa stolz an Gurlitt: „Außerdem ein für Graz gewiss ganz neues Ereigniß: Ein Kunststudierender in Hannover hat ein Stipendium erhalten um hierher zu kommen u. in meine Schule eintreten zu können.“114 Über seine Unterrichtsmethoden haben wir Informationen aus einem Artikel über einen seiner Schüler, Igo Pötsch: „Der Unterricht galt als außerordentlich streng. Die Schüler mussten die ersten vier Tage in der Woche Akte im großen Format zeichnen und das ausschließlich mit Bleistift, ‚dessen subtiler Strich kein Hinweggleiten über schlecht beobachtete Partien‘ zulässt; erst in den letzten Tagen der Woche durften mit schnellem Strich Studien und rasche Entwürfe am lebenden Modell angefertigt werden.“115