100 x Steiermark. Erzählte Geschichte. Vom Hochmittelalter bis ins 21. Jahrhundert

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Warum werden Zeughäuser gebaut?

Wer kämpft, wie wird rekrutiert?

Die Zeit vom 15. bis in das frühe 18. Jahrhundert ist in der Steiermark durch anhaltende bewaffnete Überfälle und kriegerische Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich und ungarischen Rebellen geprägt. Aus diesem Grund beauftragen die steirischen Landstände, die Vertretung der Stände gegenüber dem Landesherrn, Mitte des 17. Jahrhunderts den Bau des Zeughauses in der Grazer Herrengasse. Als Waffendepot stellt es die wichtigste „Ausrüstungszentrale“ im Südosten des habsburgischen Reiches dar. Von hier aus wird die Windische Militärgrenze beliefert: ein circa 70 km breites, nahezu entvölkertes Grenzterritorium im heutigen Kroatien mit Festungen und Wehrbauten. Auf der anderen Seite liegt das Osmanische Reich, das sich seit Beginn des 16. Jahrhunderts auch über große Teile Ungarns und Kroatiens erstreckt. Zeughäuser entstehen in der Frühen Neuzeit als spezieller Gebäudetypus. Ihre Architektur ist darauf ausgerichtet, möglichst viele Waffen aufzunehmen – in Graz waren es zu Spitzenzeiten knapp 190.000. Aus der Bauzeit wissen wir, dass mehr als 100 Handwerker, Fuhrleute, Flößer und Taglöhner an der Entstehung des Gebäudes beteiligt waren und u. a. 1997 Fuhren Sand, 598.600 Mauerziegel, 56.600 Dachziegel und 1836 Bodenbretter verbaut wurden. 764,5 Startin (das entspricht rund 433.000 Litern) Kalk als Bindemittel, 94.600 Nägel und 764 Klampfen halten die Baumaterialien zusammen. ——— Modell Landeszeughaus, Graz, Landeszeughaus

Im Mittelalter kämpfen Ritterheere Mann gegen Mann. Im 15. Jahrhundert treten geschlossen operierende Verbände zu Fuß und berittene Truppen an ihre Stelle. Dafür braucht es die Neuorganisation der Landesverteidigung, was eine durchaus komplexe Sache ist: Ausgehend von den Pfarren wird die Steiermark in Wehrbezirke gegliedert. Die adeligen und kirchlichen Grundbesitzer, aber auch die Städte und Märkte müssen aus der Summe ihrer Untertanen bzw. ihrer Bürgerschaft jeden zehnten Mann zum Kriegsdienst entsenden. Der Landesfürst stellt 500 gerüstete Reiter, die landesfürstlichen Städte und Märkte lagern Waffen und Munition und garantieren die Versorgung der Truppen. Die führende Rolle bei alldem liegt bei den Landständen. Sie bestellen mit den „Verordneten“ ein fünfköpfiges Gremium, das als Schnittstelle hin zu den landesfürstlichen Behörden fungiert, die Finanzen, den Waffenkauf etc. kontrolliert. Regelmäßige Musterungen sollen die Eignung der aufgerufenen Personen sicherstellen. Dabei haben die Grundherren wenig Interesse, ihre besten Männer für den Kriegsdienst abzustellen: „Ist krump, Ist plöd, Ist plind“, vermerken Musterkommissare im 17. Jahrhundert erbost in den Registern. Zwischenzeitige Versuche, die zumeist unerfahrenen Aufgebote durch kampferprobte Söldner zu ersetzen, erweisen sich als nicht finanzierbar. Ab dem 18. Jahrhundert übernimmt die kaiserliche Armee die Rolle der steirischen Aufgebote. Hans von Lonispergks (= Deutschlandsberg) Porträt aus dem Jahr 1540 zeigt ihn als Angehörigen einer Eliteeinheit. Mit dem geschulterten „Bidenhänder“ sollen feindliche Schlachtreihen aufgebrochen und so der nachstoßenden Reiterei der Weg freigemacht werden. ——— Relief Hans von Lonispergks, 1540, Kulturhistorische Sammlung


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